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ÖSTERREICH 2018 INTERNATIONALER BERICHT ZUM STATUS DER RELIGIÖSEN FREIHEIT Zusammenfassung für Entscheidungsträger Historische wie auch aktuelle Dokumente rechtlicher Natur, etliche davon im Verfassungsrang, gewährleisten Religionsfreiheit sowie die Freiheit der Religionsausübung und verbieten Diskriminierung aufgrund von Religion. Das Gesetz stellt öffentliche Aufhetzung zu Feindseligkeiten gegen religiöse Gemeinschaften unter Strafe. Anerkannte Religionsgemeinschaften werden gesetzlich in drei Kategorien unterteilt; 16 Gruppierungen, die als Gemeinschaften anerkannt werden, erhalten einen Großteil der Zuwendungen. Nicht anerkannten Gruppierungen ist die private Religionsausübung gestattet, sofern sie nicht gegen Gesetze sowie die „guten Sitten“ verstößt. Ein staatliches Vermummungsverbot wurde aufrechterhalten. Nach Aussage von Scientologen sowie Vertretern der Vereinigungskirche warnten staatlich finanzierte Stellen vor der Mitgliedschaft bei diesen beiden religionsgemeinschaftlichen Organisationen. Die Regierung hat Kontrollen von religiös motivierten Schlachtungen intensiviert. Muslimische und jüdische Gruppierungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) verliehen ihrer Besorgnis über antisemitische und antiislamische Äußerungen von Seiten der Freiheitlichen Partei (FPÖ), dem Junior-Partner der Koalitionsregierung, Ausdruck. Die Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen einen FPÖ- Politiker wegen Verdachts antisemitischer Äußerungen aufgrund eingetretener Verjährung ein; er nahm seine Position als Parteivorsitzender der FPÖ Niederösterreich wieder auf. Die Regierung bemühte sich in Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft, Extremismus zu bekämpfen und organisierte mit einer jüdischen Nicht- Regierungsorganisation ein Lehrer-Training zum Thema Bewusstseinsbildung über den Holocaust. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ/IGGÖ) berichtete von 540 antimuslimischen Vorfällen, was einer 75-prozentigen Steigerung gegenüber 309 Vorfällen im Berichtsjahr 2017 gleichkommt. Die IGGÖ schreibt den Anstieg teilweise der Tatsache zu, dass ihr

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ÖSTERREICH 2018!INTERNATIONALER BERICHT ZUM STATUS DER RELIGIÖSEN FREIHEIT !

!Zusammenfassung für Entscheidungsträger! !Historische wie auch aktuelle Dokumente rechtlicher Natur, etliche davon im Verfassungsrang, gewährleisten Religionsfreiheit sowie die Freiheit der Religionsausübung und verbieten Diskriminierung aufgrund von Religion. Das Gesetz stellt öffentliche Aufhetzung zu Feindseligkeiten gegen religiöse Gemeinschaften unter Strafe. Anerkannte Religionsgemeinschaften werden gesetzlich in drei Kategorien unterteilt; 16 Gruppierungen, die als Gemeinschaften anerkannt werden, erhalten einen Großteil der Zuwendungen. Nicht anerkannten Gruppierungen ist die private Religionsausübung gestattet, sofern sie nicht gegen Gesetze sowie die „guten Sitten“ verstößt. Ein staatliches Vermummungsverbot wurde aufrechterhalten. Nach Aussage von Scientologen sowie Vertretern der Vereinigungskirche warnten staatlich finanzierte Stellen vor der Mitgliedschaft bei diesen beiden religionsgemeinschaftlichen Organisationen. Die Regierung hat Kontrollen von religiös motivierten Schlachtungen intensiviert. Muslimische und jüdische Gruppierungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) verliehen ihrer Besorgnis über antisemitische und antiislamische Äußerungen von Seiten der Freiheitlichen Partei (FPÖ), dem Junior-Partner der Koalitionsregierung, Ausdruck. Die Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen einen FPÖ-Politiker wegen Verdachts antisemitischer Äußerungen aufgrund eingetretener Verjährung ein; er nahm seine Position als Parteivorsitzender der FPÖ Niederösterreich wieder auf. Die Regierung bemühte sich in Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft, Extremismus zu bekämpfen und organisierte mit einer jüdischen Nicht-Regierungsorganisation ein Lehrer-Training zum Thema Bewusstseinsbildung über den Holocaust. ! !Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ/IGGÖ) berichtete von 540 antimuslimischen Vorfällen, was einer 75-prozentigen Steigerung gegenüber 309 Vorfällen im Berichtsjahr 2017 gleichkommt. Die IGGÖ schreibt den Anstieg teilweise der Tatsache zu, dass ihr

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Dokumentationszentrum in der Öffentlichkeit präsenter geworden ist. Mehr als die Hälfte der Vorfälle trugen sich online zu; andere umfassten Beschimpfungen und Vandalismus. Die Gerichte befanden einzelne Personen anti-islamischer und antisemitischer Äußerungen für schuldig und es kam zu Verurteilungen aufgrund von neonazistischer Aktivitäten, meist in Form von Geldbußen oder Strafsätzen, von denen einige zur Bewährung ausgesetzt wurden. ! !Vertreter der Botschaft hatten mit Repräsentanten des Außen- und Innenressorts regelmäßigen Austausch zu den Themen Freiheit der Religionsausübung, Bedenken religiöser Gruppierungen, Integration religiöser Minderheiten sowie Maßnahmen zur Bekämpfung antisemitischer und antimuslimischer Äußerungen und Aufforderung zum interreligiösen Dialog. Der Botschafter traf mit den führenden Persönlichkeiten der IGGÖ, der jüdischen Gemeinschaften (IKG), der Römisch-katholischen Kirche, der Evangelischen sowie der Orthodoxen Kirchen zusammen. Thema waren die Beziehungen dieser Gemeinschaften zur Österreichischen Regierung, Diskriminierungsfälle und interreligiöser Dialog; die Botschaft hielt auch Dialog mit den Jugendorganisationen der Religionsgemeinschaften. Vertreter der Botschaft waren Mitglieder des Beratungsgremiums der Mauthausen Memorial Agency, die sich der Förderung des Gedenkens des Holocaust widmet, Redner bei öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Religionsfreiheit und unterstützten Programme zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie zur Förderung des Dialogs der Religionen und religiöser Toleranz.! ! !Abschnitt I. Religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung ! !Die Regierung der Vereinigten Staaten schätzt die Gesamtbevölkerung auf 8,8 Millionen (Schätzung: Juli 2018). Gemäß Daten religiöser Gruppierungen sowie Zahlen des Österreichischen Integrationsfonds aus 2017 liegt der Anteil der als römisch-katholisch registrierten Bevölkerung bei 58 Prozent; der muslimische – vorwiegend sunnitische – Bevölkerungsanteil macht 8 Prozent aus, und etwa 25 Prozent sind ohne

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religiöses Bekenntnis. Unter den religiöse Gruppierungen, die pro Gemeinschaft unter 5 Prozent liegen, seien die Lutherische Kirche, die Evangelisch-Reformierten Kirchen der Schweiz (Evangelische Kirche augsburgischen Bekenntnisses und helvetischen Bekenntnisses), die Östlich-orthodoxen Kirchen (russisch-orthodox, griechisch-orthodox, serbisch-orthodox, rumänisch-orthodox und bulgarisch-orthodox), die Zeugen Jehovas, andere christliche Kirchen sowie die jüdische Gemeinschaft und andere nicht-christliche religiöse Gruppierungen.! ! !Abschnitt II. Status der staatlichen Wahrung der Religionsfreiheit! !Rechtliche Rahmenbedingungen ! !Eine Kombination aus historischen und aktuellen Dokumenten im Verfassungsrang gewährleistet „Gewissens- und Glaubensfreiheit“. Der Gesetzgeber sorgt für Freiheit der Religionszugehörigkeit sowie das Recht aller in Österreich ansässigen Personen, sich einer religiösen Gemeinschaft anzuschließen, an ihr teilzuhaben, sie zu verlassen oder davon Abstand zu nehmen, sich einer solchen Gemeinschaft anzuschließen. Es ist gesetzlich festgelegt, dass „den staatsbürgerlichen Pflichten durch die Religionszugehörigkeit kein Abbruch geschehen darf.” ! !Die Freiheit der Religionszugehörigkeit wird durch mehrere Bestimmungen im Verfassungsrang geschützt. Die wesentlichen Säulen hierfür sind historische Gesetze über grundsätzliche Rechte und Freiheiten, einschließlich der Religionsfreiheit, sowie Verträge und Konventionen wie die Europäische Menschenrechtskonvention, die einen Teil der Verfassung darstellt. Antidiskriminierungsgesetze verbieten Diskriminierung aus religiösen Gründen. Staatsbürger haben das Recht, die Regierung für Verstöße gegen die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit zu klagen. ! !Das Gesetz untersagt öffentliche Aufhetzung zu Feindseligkeiten gegen eine Kirche, religiöse Gemeinschaft oder andere religiöse Gruppierung, sofern die Aufhetzung von „zahlreichen Personen“ wahrgenommen werden

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kann. „Zahlreich“ wird in einem offiziellen Regierungskommentar über Gesetz und Gerichte als „30 oder mehr Personen“ ausgelegt. Das Verbot bezieht sich insbesondere auch auf Aufhetzung in Print-, elektronischen oder anderen Medien, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Es untersagt weiters die Menschenwürde verletzende Aktionen der Verhetzung, Beleidigung oder Verachtung religiöser Gruppen. ! !Religiöse Organisationen werden in drei Kategorien gegliedert (absteigend nach Status aufgelistet), von denen jede unterschiedliche Rechte, Privilegien, und Pflichten mit sich bringt: Staatlich anerkannte Religionsgesellschaften, staatlich eingetragene Bekenntnisgemeinschaften und religiöse Vereine. Mitgliedern nicht gesetzlich anerkannter Bekenntnisgemeinschaften ist die private Religionsausübung gestattet, sofern sie nicht gegen Gesetze sowie die „guten Sitten“ verstößt. ! !Es gibt 16 anerkannte religiöse Organisationen: die Römisch-katholische Kirche, die Evangelischen Kirche (Augsburger und helvetisches Bekenntnis), die Islamische Glaubensgemeinschaft, der Altkatholischen Kirche, die Jüdische Glaubensgemeinschaft, der Östlichen Orthodoxen Kirchen (russisch, griechisch, serbisch, rumänisch, bulgarisch), die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), der Neuapostolischen Kirche, die Syrisch-orthodoxe Kirche, die Koptisch-orthodoxe Kirche, die Armenisch-Apostolischen Kirche, die Methodistische Kirche Österreichs, die Buddhistische Gemeinschaft, die Zeugen Jehovas, die Aleviten sowie die Freikirchen in Österreich. ! !Das Gesetz gewährt eingetragenen Religionsgesellschaften das Recht auf öffentliche Ausübung ihrer Religion sowie unabhängige Verwaltung ihrer internen Angelegenheiten, das Einheben verpflichtender Kirchenbeiträge von Mitgliedern der Kirche sowie Mitarbeiter als Pfarrer, Missionare oder Lehrer ins Land zu bringen. Unter dem Anerkennungsgesetz haben Religionsgesellschaften den Status einer öffentlichen Körperschaft, was ihnen die Teilnahme an einer Reihe von öffentlichen oder quasi-öffentlichen Aktivitäten erlaubt, die Bekenntnisgemeinschaften und Vereinen nicht offen stehen. Nur Religionsgesellschaften erhalten staatliche Förderungen für Religionslehrer an öffentlichen und privaten Schulen; anderen religiösen

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Organisationen stehen solche Mittel nicht zur Verfügung. Die Regierung gewährt allen anerkannten Religionsgesellschaften zwei wesentliche steuerliche Erleichterungen: Spenden sind steuerbefreit, und die Gesellschaften sind nicht grundsteuerpflichtig in Bezug auf jegliche Gebäude, die der aktiven Religionsausübung oder- verwaltung dienen. Zusätzlich sind Religionsgesellschaften von Überwachungsgebühren befreit, die für die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit zu entrichten sind, ebenso wie von Verwaltungsgebühren auf Gemeindeebene. Zu den Verantwortlichkeiten von Religionsgesellschaften zählt die Verpflichtung, soziale und kulturelle Aktivitäten, die dem Allgemeinwohl dienen, zu unterstützen sowie sicherzustellen, dass ihre Lehre weder Gesetzen noch ethischen Normen zuwiderläuft. ! !Gruppen, die erstmals den Status einer anerkannten Religionsgesellschaft erlangen wollen, müssen eine Anerkennung beim Kultusamt im Bundeskanzleramt beantragen. Religiöse Gruppen, die vor 1998 als Religionsgesellschaften anerkannt wurden, behielten ihren Status. Dies geschah mit 14 der 16 anerkannten Religionsgesellschaften. Um als Religionsgesellschaft anerkannt zu werden, müssen religiöse Gruppen, die nicht schon vor 1998 anerkannt waren, eine Mitgliederzahl in Höhe von 0,2 % der Landesbevölkerung (ca. 17.400 Personen) haben und seit 20 Jahren bestehen, davon mindestens 10 Jahre als religiöser Verein und 5 Jahre als Bekenntnisgemeinschaft. Die Regierung erkannte die Zeugen Jehovas und die alevitischen Muslime als Religionsgesellschaften nach diesen nach 1998 gültigen Kriterien an. Gruppen, die diese Kriterien nicht erfüllen, können im Rahmen einer Ausnahmeregelung für Gruppen, die seit mindestens 100 Jahren international tätig sind und seit 10 Jahren als religiöser Verein im Land tätig sind, den Status einer Religionsgesellschaft beantragen. Gruppen, die in einem weiteren Sinne den Glauben einer bestehenden Gesellschaft oder Bekenntnisgemeinschaft teilen, z.B. den des Christentums, können sich separat eintragen lassen, solange sie nachweisen können, dass sich ihre Gruppe theologisch von jener der bestehenden Bekenntnisgemeinschaft unterscheidet. ! !Das Gesetz erlaubt es religiösen Gruppen, die nicht als Religionsgesellschaften anerkannt sind, beim Bundeskanzleramt den

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offiziellen Status einer Bekenntnisgemeinschaft anzustreben. Die Regierung erkennt 9 Gruppen als Bekenntnisgemeinschaften an: die Bahá‘i-Glaubensgemeinschaft, die Christengemeinschaft-Bewegung für religiöse Erneuerung in Österreich, die Pfingstkirche Gemeinde Gottes, die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, die Hinduistische Religionsgemeinschaft, die Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft, die Alt-alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich, die Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung (Vereinigungskirche) sowie die Vereinigte Pfingstkirche Österreichs. Letztere wurde am 17. April als Bekenntnisgemeinschaft staatlich anerkannt.! !Eine anerkannte Bekenntnisgemeinschaft hat die für den Erwerb von Immobilien im eigenen Namen und den Abschluss von Verträgen über Waren und Dienstleistungen erforderliche rechtliche Stellung, jedoch keinen Anspruch auf die finanziellen und bildungsbezogenen Vorteile, die anerkannten Religionsgesellschaften zur Verfügung stehen. Spenden für ihre gemeinnützige Tätigkeit sind für die Spender steuerlich absetzbar, Bekenntnisgemeinschaften sind jedoch nicht von der Grundsteuer befreit. ! !Um als Bekenntnisgemeinschaft staatlich anerkannt zu werden, muss eine Gruppe mindestens 300 Mitglieder haben und dem Kultusamt ihre Statuten in Bezug auf Ziele, Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die Bestimmungen betreffend Mitgliedschaft, eine Liste der Amtsträger und Informationen zur Finanzierung vorlegen. Weiters muss auch eine schriftliche Beschreibung der religiösen Lehre vorgelegt werden, die sich von jener bereits anerkannter Religionsgesellschaften oder Bekenntnisgemeinschaften unterscheiden muss. Das Kultusamt stellt fest, ob die Grundüberzeugungen der Gruppe mit der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral sowie mit den bürgerlichen Rechten und Freiheiten vereinbar sind. Eine religiöse Gruppe, die den Status einer Bekenntnisgemeinschaft anstrebt, unterliegt ab dem Zeitpunkt der Anmeldung im Bundeskanzleramt einer sechsmonatigen Wartezeit. Nach Ablauf dieser Frist erhalten Gruppen, die sich beworben haben, automatisch den Status einer Bekenntnisgemeinschaft, es sei denn, es ergeht ein abschlägiger Bescheid. !!

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Religiöse Gruppen, die weder für den Status einer Religionsgesellschaft noch den einer Bekenntnisgemeinschaft in Frage kommen, können sich als Vereine eintragen lassen, ein Status, der für ein breites Spektrum von Gruppen in der Zivilgesellschaft gilt. Einige Gruppen wählen diese Organisationsform während der Wartezeit auf die staatliche Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft. ! !Die Scientology-Kirche und eine Reihe kleinerer religiöser Gruppen wie Sahaja Yoga und die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein haben den Status eines Vereins. ! !Als Verein eingetragene Religionsgemeinschaften haben das Recht, in der Öffentlichkeit zu arbeiten, dürfen aber keinen Religionsunterricht in Schulen oder Seelsorge in Krankenhäusern oder Gefängnissen anbieten. ! !Laut Gesetz kann jede Gruppe von mehr als zwei Personen, die ein gemeinnütziges Ziel verfolgen, als Verein organisiert werden. Gruppen können diesen Status beim Innenministerium beantragen. Um ein Verein zu werden, muss eine schriftliche Erklärung eingereicht werden, in der das gemeinsame, gemeinnützige Ziel und die Verpflichtung, als gemeinnützige Organisation zu fungieren, definiert werden. Vereine haben den Status einer Rechtsperson und in vielen Belangen die gleichen Rechte wie Bekenntnisgemeinschaften, so etwa das Recht, Immobilien zu besitzen und Verträge über Waren und Dienstleistungen abzuschließen. Im Unterschied zu Bekenntnisgemeinschaften ist es Vereinen jedoch nicht gestattet, in Krankenhäusern oder Gefängnissen Seelsorge zu leisten oder steuerlich absetzbare Spenden entgegenzunehmen. ! !Das Gesetz, das die Beziehungen zwischen dem Staat und der IGGÖ sowie den Aleviten regelt, schreibt vor, dass die Finanzierung des täglichen Betriebs von Moscheen aus heimischen Quellen stammen muss, dass islamische Lehren und Praktiken nicht gegen Bundesrecht verstoßen dürfen und dass islamische Institutionen eine "positive Haltung" gegenüber dem Staat und der Gesellschaft einnehmen sollen. Das Gesetz enthält eine ausdrückliche gesetzliche Definition und Rechtsschutz für das Praktizieren des islamischen Glaubens im Sinne etwa der Beschneidung und der

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Zubereitung von Speisen in Übereinstimmung mit religiösen Regeln, und stellt fest, dass Muslime Kinder und Jugendliche nach islamischen Traditionen erziehen dürfen. Muslimische Gruppen mit mindestens 300 Mitgliedern und einer Theologie, die sich nicht von der einer bereits bestehenden islamischen Religionsgesellschaft oder Konfessionsgemeinschaft unterscheidet, gelten als Kulturgemeinschaften und werden unter dem Dach der bereits bestehenden, rechtlich anerkannten Gemeinschaften subsumiert. Dazu gehören die IGGÖ und die alevitischen Glaubensgemeinschaft, die den Status einer Religionsgesellschaft haben, oder die Islamisch-schiitische Glaubensgemeinschaft wie auch die Alt-alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, die den Status von Bekenntnisgemeinschaften haben. Das Gesetz erlaubt ein islamisch-theologisches Hochschulstudium, das an der Universität Wien angeboten wird.! !Die Beziehungen zwischen dem Staat und jeder der anderen 14 staatlich anerkannten Religionsgesellschaften sind in getrennten Gesetzen geregelt. Die Gesetze haben ähnliche Inhalte, unterscheiden sich aber in Bezug auf manche Details, da sie zu unterschiedlichen Zeiten über einen Zeitraum von etwa 140 Jahren erlassen wurden. ! !Das Gesetz untersagt die vollständige Gesichtsbedeckung (Vollverschleierung) im öffentlichen Raum als „Verletzung österreichischer Werte“, mit Ausnahmen, die nur für künstlerische, kulturelle oder traditionelle Veranstaltungen, im Sport oder aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen gelten. Die Nichteinhaltung des Gesetzes ist ein Verwaltungstatbestand. Das Gesetz schreibt eine Geldstrafe von 150 Euro vor, berechtigt aber die Polizei nicht zur Entfernung der Gesichtsbedeckung. !!Der Staat finanziert den Religionsunterricht durch Mitglieder des Klerus oder von den Religionsgesellschaften entsandte Lehrer und Lehrerinnen für Kinder an öffentlichen Schulen und staatlich anerkannten Privatschulen anteilig für jede der 16 offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften. Anderen religiösen Gruppen bietet der Staat keine solche Finanzierung an.

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Mindestens drei Kinder sind erforderlich, damit eine Klasse zustande kommt. Die Teilnahme am Religionsunterricht ist für alle Schüler obligatorisch, es sei denn, es erfolgt eine formelle Abmeldung zu Beginn des Schuljahres; Schüler unter 14 Jahren benötigen für eine solche Abmeldung die Erlaubnis der Eltern. Der Staat finanziert den Unterricht, die religiösen Gruppen stellen die Lehrenden. Der Religionsunterricht findet entweder in der Schule oder an Orten statt, die von religiösen Gruppen zur Verfügung gestellt werden. Religionsunterricht und Ethikunterricht umfassen die Lehren verschiedener Religionsgemeinschaften in Form eines vergleichenden Religionsunterrichts. !!Der Lehrplan für öffentliche und private Schulen umfasst die obligatorische Erziehung gegen Voreingenommenheit und für Toleranz, zu der auch religiöse Toleranz gehört; dies ist Teil der Staatsbürgerkunde/politischen Bildung in verschiedenen Fächern, einschließlich Geschichts- und Deutschunterricht. Bildungsinhalte zum Thema Holocaust sind Teil des Geschichtsunterrichts und werden auch in anderen Fächern wie Politische Bildung vermittelt. !!Die Gleichbehandlungsanwaltschaft, eine unabhängige Stelle unter Zuständigkeit des Frauenministeriums, überwacht Diskriminierungsfälle aus verschiedenen Gründen, einschließlich der Religion. Die Dienststelle bietet Rechtsberatung und Mediation und hilft bei der Einleitung von Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, einer weiteren unabhängigen staatlichen Stelle. In Fällen, in denen sie Diskriminierung feststellt, gibt die Kommission eine Empfehlung für Abhilfemaßnahmen. Bei Nichteinhaltung der Empfehlung geht der Fall vor Gericht. Der Kommission steht es frei, für die klagende Partei Expertenberichte zur Vorbringung vor dem Gericht zu erstellen. Entscheidungen über Abhilfemaßnahmen oder Entschädigungen sind dem Gericht vorbehalten. ! !Nach österreichischem Recht sind nationalsozialistische Wiederbetätigung und die öffentliche Leugnung, Verharmlosung, Billigung oder Rechtfertigung des nationalsozialistischen Genozids oder anderer Nazi-Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Druck, Rundfunk oder anderen Medien verboten. !

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!Ausländische Arbeitnehmer, die für Gruppen tätig werden sollen, welche als Bekenntnisgemeinschaften oder Vereine anerkannt sind, müssen ein allgemeines Einreisevisum beantragen, das nicht arbeits- oder familienbezogen ist und einer Quote unterliegt. Die Regierung verlangt ein Visum für Besucher aus Ländern, für die keine Befreiung von der Sichtvermerkspflicht besteht, oder Einzelpersonen, deren Aufenthalt länger als 90 Tage dauern soll; darunter fallen auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Bekenntnisgemeinschaften oder religiösen Vereinen. Ausländische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Religionsgesellschaften angehören, benötigen weder für kürzere Besuche noch für Aufenthalte über 90 Tage ein Visum. Ausländische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Schengen-Ländern oder Mitgliedsländern der Europäischen Union sind von sämtlichen Visaerfordernissen ausgenommen.! !Das Land ist Vertragspartei des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. ! !Staatliche Praxis ! !Laut dem Österreich-Bericht der internationalen Nicht-Regierungsorganisation Freedom House für das Jahr 2018 gaben etliche religiöse Minderheitsgruppen an, dass das dreistufige System der Kategorisierung gesetzlich anerkannter Religionsgruppen ihre Ansprüche auf Anerkennung behindere und ihnen nur „zweit- oder drittklassigen Status“ einräume. ! !Am 20. November verabschiedete das Parlament ein Gesetz über finanzielle Unterstützung für Kindergärten und Vorschulklassen in den österreichischen Bundesländern, das die Regierungen der Bundesländer zu einem Kopftuchverbot für Kinder in Kindergärten und Vorschulklassen verpflichtet. ! !Das staatliche Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, das im Oktober 2017 in Kraft trat, wurde aufrechterhalten. Gemäß Daten des

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Innenministeriums wurde während des Berichtzeitraums in 96 Fällen behördlich Klage erhoben: 62mal in Wien, 11mal in Niederösterreich, achtmal in Oberösterreich, fünfmal in der Steiermark, viermal in Tirol, dreimal in Salzburg und je einmal in Kärnten, Vorarlberg und dem Burgenland. Da die Behörden die Fälle nicht vor Gericht brachten, wenn die Geldbußen sofort entrichtet wurden, gab es eine nicht genau angegebene Anzahl von zusätzlichen Fällen, in denen die Polizei das Recht durchsetzte. Eine Frau, gegen die im Oktober 2017 eine Geldstrafe verhängt wurde, weil sie vollverschleiert Fahrrad fuhr, erklärte der Presse, sie wolle sich an den Verwaltungsgerichtshof wenden; zu Jahresende gab es allerdings keine Berichte, dass jemand ein Rechtsmittel gegen das Verbot ergriffen hätte. ! !Mit Bezugnahme auf das Verbot der Vollverschleierung sowie das Verbot der Finanzierung von Moscheen durch ausländische Finanzmittel wurde Österreich im Bericht der Nicht-Regierungsorganisation Freedom House für das Jahr 2018 in der Kategorie Freiheit der Religionsausübung und Freiheit der Äußerung von religiösem Glauben oder Nicht-Gläubigkeit auf einer vierstufigen Skala von Stufe vier auf Stufe drei herabgesetzt. ! !Im Oktober bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Verurteilung einer Österreicherin wegen Herabwürdigung religiöser Lehren durch einen Wiener Gerichtshof. Das Urteil hatte einer späteren Berufung standgehalten und war wegen Herabwürdigung des Propheten Mohammed (2009) im Jahr 2011 ergangen. Der EGMR begründete seine Entscheidung damit, dass die Herabwürdigung “die zulässigen Grenzen einer objektiven Auseinandersetzung” überschritten habe und “Vorurteile anfachen und den religiösen Frieden gefährden“ könne. Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass „die nationalen Gerichte das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht der anderen Personen auf Schutz ihrer Religionsfreiheit sorgfältig gegeneinander abgewogen haben“. ! !Die Regierung untersagte der IGGÖ weiterhin finanzielle Unterstützung der Seelsorge für inhaftierte Muslime. Ausschließlich die Römisch-katholische Kirche erhielt nach dem Gesetz, das die Beziehungen zwischen Staat und

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Katholischer Kirche regelt, staatliche Unterstützung für Seelsorgetätigkeit in Gefängnissen. ! !Am 22. November brachten die Koalitionsparteien einen Gesetzesvorschlag für die Einführung eines Kopftuchverbots für Volksschulkinder bis zum 11. Geburtstag ein. Der Vorschlag wurde dem Unterrichtsausschuss zur Diskussion vorgelegt und die Debatte war zu Jahresende noch nicht abgeschlossen. In den Augen der IGGÖ hat das vorgeschlagene Verbot „Symbolcharakter“ und ist eine „Ablenkungstaktik“, die einem generellen Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit Tür und Tor öffnen solle. ! !Einige Scientologen und Vertreter der Vereinigungskirche brachten erneut zur Sprache, dass die Bundesstelle für Sektenfragen wie auch andere regierungsnahe Einrichtungen die gesellschaftliche Diskriminierung von religiösen Gruppen, die nicht als Religionsgesellschaften oder Bekenntnisgemeinschaften registriert sind, fördern. Die Bundesstelle für Sektenfragen berät Personen mit Fragen zu Gruppen, die sie als "Sekten" und "Kulte" betrachtet, darunter Scientologen und Vereinigungskirche. Das Büro ist nominell unabhängig, aber staatlich finanziert, die Leitung wird von der Ministerin für Familie und Jugend ernannt und untersteht deren Aufsicht. ! !Eine Beratungsstelle in Wien, die von der Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren geführt wird, einer NGO, die sich als Organisation gegen negative Einflüsse „destruktiver Kulte“ wie Scientology beschreibt, verbreitete weiterhin Informationen an Schulen und die breite Öffentlichkeit und bot Beratung für ehemalige Mitglieder solcher Gruppen an. Laut der Website des Gründers der Gesellschaft, Friedrich Griess, wurde der Verein vom Land Niederösterreich gefördert. Es gibt auch Berichte über eine Förderung seitens der Stadt Wien. Mehrere andere Bundesländer finanzierten Familien- und Jugendberatungsstellen, die Informationen über "Sekten und Kulte" zur Verfügung stellten, von denen Mitglieder einiger religiöser Minderheitengruppen wie Scientology oder der Vereinigungskirche erklärten, sie seien negativ voreingenommen. !!

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Im Juni beendete die Regierung eine Untersuchung etlicher Moscheen, deren Träger die Arabische Kultusgemeinde ist, in der sie Anschuldigungen nachgegangen war, dass in den Moscheen extremistische Inhalte gelehrt werden. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Anschuldigungen unbegründet wären. Moscheen der Arabischen Kultusgemeinde wurden außerhalb der IGGÖ betrieben, obwohl ein Gesetz aus dem Jahr 2015 einfordert, dass die IGGÖ als Dachverband zu fungieren habe. Die Regierung gestattete, dass die Moscheen unter dem Schirm der IGGÖ weiterbetrieben werden können. ! !Im Juli wies die Landeshauptfrau von Niederösterreich Vorschläge des Landesrates für Tierschutz ab, koschere und Halal-Schlachtungen im Bundesland Niederösterreich einzuschränken und auf eine bedarfsorientierte Basis zu stellen. Der Landesrat hatte eine Auflistung der jüdischen und muslimischen Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde verlangt, um den Bedarf an koscherem Fleisch bzw. Halal-Fleisch festzustellen. Die jüdische bzw. islamische Gemeinschaft hatte bereits davor ihrer Besorgnis über den Vorschlag Ausdruck verliehen und eine solche Auflistung verweigert. Die Landeshauptfrau betonte, dass die Regierung keinesfalls irgendeine Registrierung von Personen verlangen würde, die koscheres oder Halal-Fleisch bezögen. ! !Im August kündigte der stellvertretende Bundesparteiobmann der FPÖ, Johann Gudenus, ein Gesetz an, das den “politischen Islam” als illegale politische Tätigkeit und „Religionsmissbrauch“ ins Visier nehmen würde. ! !Ebenfalls im August verschärfte das Sozialministerium per Erlass Kontrollen gegen illegales rituelles Schlachten. Der Erlass sah strengere eine Überwachung von Bauern vor, die Schafe an Privatpersonen abgeben, was primär muslimische Bürger betrifft. Muslimische Gruppen brachten zum Ausdruck, dass die bestehenden Bestimmungen gegen illegales Schlachten ausreichend wären und kritisierten den Erlass als populistische Maßnahme.! !Das staatliche Verbot, auf den Fotos offizieller Identifikationsdokumente Kopfbedeckung zu tragen, blieb aufrecht, mit Ausnahme von

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Kopfbedeckung zu religiösen Zwecken, sofern das Gesicht für eine Identifizierung des Dokumenteninhabers ausreichend sichtbar bleibt. ! !Am 11. Dezember verabschiedete das Parlament eine Zusatzbestimmung zu einem bereits bestehenden Gesetz zum Verbot bestimmter Symbole, einschließlich Symbole von Gruppierungen, die dem ISIS und der Al-Quaida nahestehen. Der Gesetzeszusatz, der im März 2019 in Kraft treten soll, erweitert das Verbot auch auf Symbole anderer Gruppierungen, die von der Regierung als extremistisch angesehen werden, einschließlich solche der Muslimbrüderschaft. Innenminister Herbert Kickl beschrieb das Gesetz als klares Signal der Null-Toleranz-Politik des Landes gegenüber extremistischen Gruppen, einschließlich religiösem Extremismus. ! !Die internationale Nicht-Regierungsorganisation Anti-Defamation League hielt Trainingsseminare für Lehrer österreichischer Schulen zur Bewusstseinsbildung zum Thema Holocaust ab, an denen ca. 100 Lehrer und Lehrerinnen teilnahmen. Außerdem sprachen Holocaust-Überlebende auf Einladung der Landeschulräte und des Bildungsministeriums in Schulklassen über den Nationalsozialismus und den Holocaust. ! !Die Extremismus-Beratungsstelle des Ministeriums für Frauen, Familie und Jugend kooperierte mit der IGGÖ bei der Abhaltung von Kursprogrammen für Imame zum Thema gemeinwesen-relevante Aktivitäten und Extremismus-Prävention sowie Förderung religiöser Toleranz. ! !Bildungsminister Heinz Fassmann nahm im Mai gemeinsam mit Vertretern der Katholischen und Lutherischen Kirche wie der Jüdischen Glaubensgemeinschaft auf Einladung der IGGÖ an einem Iftar teilt, um Unterstützung für die muslimische Gemeinschaft auszudrücken.! !Im Februar legte der niederösterreichische FPÖ-Politiker und FPÖ-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen Udo Landbauer alle Parteifunktionen zurück, nachdem ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt mit antisemitischen und den Holocaust ins Lächerliche ziehenden Inhalten an die Öffentlichkeit gelangt war. Landbauer war Vorsitzender der Burschenschaft. Er blieb Kandidat für die

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Wahl, jedoch weiter unten auf der Parteiliste. Im November kehrte Landbauer als geschäftsführender Parteichef der FPÖ Niederösterreich und geschäftsführender Klubobmann im niederösterreichischen Landtag zurück. Die Wiener Wochenzeitung Falter berichtete, dass Herwig Gotschober, FPÖ Bezirksrat in Wien-Leopoldstadt und Pressechef von Verkehrsminister Norbert Hofer Vorsitzender der Burschenschaft Bruna Sudetia sei, die ebenso ein Liederbuch mit anitisemitischen Texten verwendete. Nach einer öffentlichen Kontroverse über das Liederbuch der Germania zu Wiener Neustadt beruf die FPÖ 2017 eine Historikerkommission ein, die ihre Vergangenheit in Bezug auf den Nationalsozialismus untersuchen und eine Analyse der Vergangenheit der Parteiprogramme präsentieren sollte. Gemäß FPÖ sollten der Kommission Experten aus Israel und den Vereinigten Staaten angehören. Zum Zeitpunkt des Endes des Berichtsjahres waren noch keine Einzelheiten über die Zusammensetzung der Kommission oder deren Arbeit veröffentlicht worden. ! !Mitglieder der Jüdischen und Muslimischen Religionsgemeinschaft sowie Nicht-Regierungsorganisationen zeigten sich besorgt über die Beteiligung der FPÖ an der Koalitionsregierung mit der ÖVP. So zum Beispiel beschrieb Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), die FPÖ wiederholt als antisemitische Partei und äußerte sich besorgt über die Versuche der Partei, an jüdische Wähler zu appellieren, indem sie sich nunmehr als antimuslimisch darstelle. In einem auf Facebook geposteten Video der FPÖ zum Thema E-Card spielte die Partei auf den Missbrauch von Sozialversicherungsleistungen durch muslimische Bürger an - die auf den Karten dargestellten Personen wurden als „Ali“ und „Mustafa“ bezeichnet und trugen Fez und Schnurrbart. Vizekanzler und FPÖ-Parteiobmann Strache distanzierte seine Partei öffentlich von dem Video und nannte es „übertrieben“, „provokant“ und „unnötig“. Er sagte, die Anschuldigung, dass vor allem Ausländer für den Missbrauch von Sozialleistungen verantwortlich wären, sei überzogen. Bei der jährlichen Gedenkfeier anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen im Mai nahm Deutsch Bezug auf 23 antisemitische oder neonazistische Zwischenfälle, derer FPÖ-Parteimitglieder beschuldigt werden, seit die FPÖ im Dezember 2017 Juniorpartner der

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Koalitionsregierung geworden war. Im Jänner startete die FPÖ eine Plakatkampagne mit der Aufschrift „Muhammed auf Platz 3 der Babynamen in Wien – Noch Fragen?“!Die Nicht-Regierungsorganisatin Mauthausen Komitee, die sich dem Gedenken der Opfer von Konzentrationslagern der Nationalsozialisten widmet, beurteilte die Kampagne der FPÖ als antimuslimisch und rassistisch, da sie Ängste vor Muslimen schüre.! !Im Dezember 2017 kündigte die Koalitionsregierung ein Programm mit dem Namen „Zusammen. Für unser Österreich“ an, das versprach, auf nationaler und internationaler Ebene gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten und ideologischen sowie religiösen Extremismus vorzugehen. Das Programm beinhaltete einen Vorschlag, neue Bestimmungen zur Bekämpfung von durch religiösen Fundamentalismus motivierte Gewalt ins Strafrecht aufzunehmen. Es betonte erneut, dass das Land der Religionsfreiheit verpflichtet sei, jedoch auch die Notwendigkeit, sich dem “politischen Islam” entgegenzustellen, ebenso wie den Gefahren von Radikalisierung, Antisemitismus, Gewalt und Terrorismus. Der politische Islam wurde als ideologisch motivierte Ablehnung des modernen Verfassungsstaates Österreich definiert, deren Ziel die Islamisierung des politischen und sozialen Lebens sei. Spezifische Vorschläge zur Verhinderung der Radikalisierung umfassten eine Beschränkung der Finanzierung religiöser Organisationen aus dem Ausland, die Überwachung und eventuell auch Schließung privater islamischer Schulen, die außerhalb des gesetzlichen Rahmens agierten, sowie die Ermächtigung der Exekutive, Terrorismus propagierende Gebetsstätten zu schließen. ! !Im Juni veröffentlichte das Mauthausen Komitee einen Bericht, der die FPÖ mit rechtsextremistischer Gesinnung in Verbindung brachte. Er hielt fest, dass extremistische Aktivitäten unter FPÖ-Politikern zugenommen hätten und nannte 68 Fälle innerhalb der viereinhalb Jahre vor den Nationalratswahlen des Jahres 2017, denen 38 Fällen innerhalb der sechs Monate nach dieser Wahl gegenüberstehen. Laut dem genannten Bericht standen 14 der 38 Fälle in Zusammenhang mit Antisemitismus, acht davon

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involvierten Führungspersönlichkeiten der FPÖ oder Mitglieder der Bundesregierung. ! !So zum Beispiel sandte der FPÖ-Bezirksobmann von Imst, Wolfgang Neururer, über die sozialen Medien Bilder von Adolf Hitler an FPÖ-Mitglieder. Eines der Bilder trug die Unterschrift „Vermisst seit 1945 – Adolf, bitte melde dich! Deutschland braucht dich!“ Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüfte den Fall Neururer sowie den eines weiteren FPÖ Parteifunktionärs aus Imst. Im Jänner wurde Heinrich Sickl als Grazer FPÖ-Gemeinderat angelobt. Gemäß dem Bericht des Mauthausen Komitees war Sickl Mitherausgeber der Aula, eine Publikation, die antisemitische Inhalte verbreitet. Der Bericht führte weiters an, dass zwei weitere FPÖ-Politiker, die Parlamentsabgeordneten Axel Kassegger und Wendelin Mölzer, in führender Rolle bei der Aula tätig seien. In Reaktion darauf kündigte Sickl, Obmann des Freiheitlichen Akademikerverbands Steiermark, am 8. Juni an, dass die Aula ab Juni ihre Publikation einstellen würde. Auf sie folgte unter Sickls Führung eine neue Zeitschrift namens „Freilich”, deren erste Ausgabe im Dezember erschien. ! !Laut Bericht des Mauthausen Komitees wurde Jürgen-Michael Kleppich, FPÖ Bezirksrat für Wien-Leopoldstadt und Diplomat, aus der Österreichischen Botschaft in Israel zurückberufen, nachdem er auf sozialen Medien ein Bild seines Großvaters in der Uniform der Nationalsozialisten veröffentlicht hatte. Ebenfalls gemäß dem oben genannten Bericht hatte Robert Kiesinger, Referent am FPÖ-bildungsinstitut, das Cover eines Nazi-Kalenders aus dem Jahr 1943 als Ostergruß auf den sozialen Medien gepostet. Der Kalender zeigte eine Lebensrune, ein verbotenes Symbol der Nationalsozialisten. ! !Büros und andere Einrichtungen wie Schulen und Museen der Jüdischen Gemeinschaft Wiens standen weiterhin unter besonderem Polizeischutz. Laut Exekutivbehörden werde dieser Staatliche Schutz aus Gründen allgemeiner Besorgnis gegenüber potentiellen antisemitischen Aktivitäten gegen jüdische Institutionen gewährleistet. ! !

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Im November war Kanzler Sebastian Kurz Gastgeber einer hochrangigen Konferenz zum Thema „Europa jenseits von Antisemitismus und Antizionismus – Sicherung des jüdischen Lebens in Europa“ in Wien. Die Veranstaltung brachte europäische Führungspersönlichkeiten und die jüdische Gemeinschaft beider Seiten des Atlantiks an einen Tisch und beschäftigte sich mit konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus, darunter auch der Verbesserung der physischen Sicherheit für jüdische Gemeinschaften sowie konkreterer Gesetzgebung und bewussterer Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen gegen Antisemitismus. ! !Am 19. November war Innenminister Kickl Gastgeber einer Konferenz im Rahmen der österreichischen EU Ratspräsidentschaft zum Thema Werte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit in Reaktion auf antisemitische Bedrohungen. Kickl warnte gegen „die neue Intensität antisemitischer Bedrohungsszenarien in Europa … ausgelöst vom politischen Islam” und versprach den Schutz jüdischer Einrichtungen in Österreich auszuweiten. ! !Im Dezember, zum Abschluss der österreichischen EU Ratspräsidentschaft, billigte der Rat eine Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitskonzepts für einen besseren Schutz jüdischer Gemeinschaften und Einrichtungen in Europa. Darin ersucht der Rat die Mitgliedstaaten, eine ganzheitliche Strategie zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus als Teil ihrer Strategien zur Verhütung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus anzunehmen und umzusetzen und ruft die Mitgliedsstaaten auf, die von der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken verwendete nicht rechtsverbindliche Arbeitsdefinition von Antisemitismus unterstützen. Insbesondere sollten sie ihre Bemühungen um die Gewährleistung der Sicherheit für jüdische Gemeinschaften, Einrichtungen sowie Bürgerinnen und Bürger verstärken; weiters werden Bildungsmaßnahmen zum Thema Holocaust sowie Training zum Thema Intoleranz und Antisemitismus in Schulen, Berufsschulen und Integrationsprogrammen gefordert. Avner Shalek, Direktor der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, dankte Kanzler Kurz für dessen “persönliche Bemühungen”, die zur Verabschiedung der Erklärung führten. ! !

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Auf einer Reise nach Israel im Juni stellte Kanzler Kurz fest, dass “Wir Österreicher uns im Lichte unserer eigenen Geschichte unserer besonderen Verantwortung gegenüber Israel und dem jüdischen Volk bewusst sind“ und versicherte, dass „Österreich alle Formen des Antisemitismus in Europa entschlossen bekämpfen wird, sei es der noch bestehende oder auch der neu importierte Antisemitismus.“ Kurz verlangte außerdem Bildungsmaßnahmen zum Thema Holocaust und sprach sich bei einer Pressekonferenz im März mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin gegen Antisemitismus aus. ! !Im Februar unterstrich Bildungsminister Minister Heinz Fassmann (ÖVP) anlässlich einer Konferenz in Wien mit dem Titel „An End to Antisemitism!“ die Verpflichtung des Landes zu einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Antisemitismus. Die an der Universität Wien abgehaltene Konferenz wurde vom Europäischen Jüdischen Kongress in Zusammenarbeit mit der University of Tel Aviv und der New York University organisiert. ! !Am 8. Jänner zeigte sich Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) in einem Gespräch mit der Tageszeitung Kurier besorgt über einen Anstieg des islamistisch begründeten Antisemitismus in Europa und verpflichtete sich, diesem entgegenzuwirken. ! !FPÖ Parteiobmann und Vizekanzler Heinz Christian Strache verlangte wiederholt nach Null-Toleranz gegenüber Antisemitismus und der Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts. So zum Beispiel gab er am 9. November, dem 80. Gedenktag an die Reichskristallnacht von 1938, eine Erklärung ab. In einer Botschaft auf Facebook verlangte er am Vorabend des rechten Akademikerballs im Februar Null-Toleranz gegenüber Antisemitismus. In einer Rede anlässlich des 100. Jahrestags der Ausrufung der Republik Österreich im November bezeichnete Strache die Ära der Nationalsozialisten als “das dunkelste Kapitel in der Geschichte Österreichs”, das zu schrecklichem menschlichen Leid geführt hatte und warnte, dass alles getan werden müsse, damit dies niemals wieder geschehen könne. ! !

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Im März hielt Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Rede anlässlich des Gedenkens des 80. Jahrestages des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Van der Bellen sagte, Österreicher wären “nicht nur Opfer, sondern auch Täter“ gewesen, „oftmals in führenden Positionen“ während der deutschen Besetzung … „Die deutsche Wehrmacht kam über Nacht. Nicht über Nacht kam die Verachtung für die Demokratie …“, und dass die Unterstützung der nationalsozialistischen Ideologie und des Antisemitismus in Österreich auch vor 1938 bestanden hätten. Auf derselben Veranstaltung stellte Kanzler Kurz fest, dass „Wir dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte niemals vergessen dürfen“ und verpflichtete die Regierung zur Errichtung eines neuen Denkmals zum Gedenken an die 65.000 jüdischen Bürger Österreichs, die während des Holocaust ermordet worden waren.!Anlässlich eines Besuches des Jüdischen Friedhofs im 18. Wiener Gemeindebezirk Währing versprach Kurz staatliche Unterstützung für die Restauration des Friedhofs, der Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen und während der nationalsozialistischen Periode teilweise zerstört worden war. ! !Ausländische Imame, die mit Geldern aus dem Ausland unterstützt wurden, erhielten weiterhin keine Aufenthaltsgenehmigungen. ! !Im Zusammenhang mit der Ermordung des Saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul hinterfragten die drei Oppositionsparteien – Sozialdemokraten, NEOS und Liste Pilz/Jetzt – die Rechtmäßigkeit des in Wien ansässigen König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID). Sie kritisierten die „Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien über die letzten zwei Jahre“. Die Liste Pilz/Jetzt verlangte eine Schließung des Zentrums. Außenministerin Kneissl wies eine Schließung zurück, da die Regierung “ein internationales Zentrum nicht einfach schließen“ könne, fügte jedoch hinzu, dass ihr Ministerium „Reformen des Zentrums in Richtung Fortschritt im interreligiösen Dialog genau beobachten“ würde. ! !

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Die österreichische Regierung ist Mitglied der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (International Holocaust Remembrance Alliance). ! !!Abschnitt III. Status der Achtung der Religionsfreiheit seitens der Gesellschaft ! !Laut Innenministerium war es 2017 – das am nächsten zurückliegende Jahr, für das es zu diesem Thema statistische Aufzeichnungen gibt - zu 39 angezeigten antisemitischen und 36 antimuslimischen Vorfällen gekommen. Im Vergleich dazu waren 2016 41 antisemitische und 28 antimuslimische Vorfälle polizeilich zur Anzeige gebracht worden. In der Mehrheit der Fälle handelte es sich um Hassreden von Neo-Nazis im Internet sowie Vorfälle von Personen, die den Hitlergruß zeigten oder Nazi-Parolen riefen. ! !Das Dokumentationszentrum der IGGÖ zu Islamophobie und antimuslimischen Rassismus berichtete, dass die Anzahl dort gemeldeter antimuslimischer Vorfälle seit Beginn der statistischen Erfassung Mitte 2014 im Steigen begriffen war. Dem Zentrum wurden während des Berichtszeitraums 540 antimuslimische Vorfälle gemeldet, was eine Steigerung von 75 Prozent gegenüber den 309 Vorfällen des Jahres 2017 bedeutet, die ebenfalls gegenüber 2016 um 22 Prozent zugenommen hatten. Das Zentrum schrieb diese Steigerung an gemeldeten Vorfällen seiner größeren öffentlichen Wahrnehmung zu. Über die Hälfte der Vorfälle ereigneten sich im Internet. Weiters war es zu verbalen Beschimpfungen und antimuslimischen Schmierereien gekommen. Gemäß dem Zentrum richteten sich im Jahr 2017, ebenso wie in den Jahren davor, 98 Prozent aller Fälle gegen Frauen. 30 Prozent der Gesamtanzahl der Vorfälle im Jahr 2017 entfielen auf Hassreden, 28 Prozent auf verbale Aggression. Weiters kam es zu Diskriminierung und Schmierereien. Nach Auffassung des Dokumentationszentrums stand eine Vielzahl der Vorfälle mit Spannungen aufgrund des Wahlkampfs vor den Nationalratswahlen in Zusammenhang, bei dem die europäische Migrationskrise ein umstrittenes Diskussionsthema darstellte. ! !

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Das Forum gegen Antisemitismus der Israelitischen Kultusgemeinde hatte für das Berichtsjahr noch keine Zahlen über gemeldete antisemitische Vorfälle, verglichen mit 503 für das Jahr 2017 angegebenen Fällen. ! !In einem Bericht der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen, einer nicht-staatlichen, gemeinnützigen Organisation, wurden für 2017 insgesamt 172 Fälle von Diskriminierungen in Schulen angeführt, 50 davon wurden einer „Islamophobie“ zugeschrieben. Der Bericht wies auf zahlreiche Diskriminierungsfälle im Schulsystem hin, unter anderem abfällige Bemerkungen und unfaire Behandlung muslimischer Schüler. Darunter fielen Beschwerden über Diskriminierung von Schülerinnen, weil sie ein Kopftuch trugen. Eine Schülerin beschwerte sich, dass eine Lehrkraft sie beschimpft hätte, als sie beim verpflichtenden Schwimmunterricht einen bescheidenen „Burkini“ tragen wollte. In einem anderen Fall beschwerte sich ein Elternteil, dass eine Lehrkraft annahm, das Mädchen spreche nicht ordentlich Deutsch aufgrund der Tatsache, dass sie ein Kopftuch trug. ! !Die Regierung vermerkte für 2017 867 Fälle von Aufwiegelung aufgrund nationaler Abstammung, Rasse oder Religion, und 108 Verurteilungen. 2016 waren es 672 Fälle und 55 Verurteilungen. Es gab keine staatlichen Angaben darüber, bei wie vielen dieser Fälle die Religion eine Rolle spielte. ! !Im Dezember veröffentlichte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (EU Fundamental Rights Agency, FRA) ihre zweite Erhebung zum Thema Wahrnehmungen und Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung im Zusammenhang mit Antisemitismus. Die Erhebung erfasste die jüdische Bevölkerung über Organisationen des Gemeinwesens, jüdische Medien und soziale Netzwerke; 526 Personen, die sich als jüdische Bürger in Österreich bezeichneten, nahmen an der online-Erhebung teil. 22 Prozent gaben an, sie wären in den vergangenen 12 Monaten Zeugen physischer Gewalt, von Beschimpfungen oder Belästigungen gegenüber jüdischen Mitbürgern geworden; 28 Prozent gaben an, während dieses Zeitraums selbst belästigt worden zu sein. Ein Fünftel der Befragten gab an, sich aufgrund von Religion oder Glauben diskriminiert gefühlt zu haben; 75

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Prozent hatten den Eindruck, Antisemitismus hätte über die letzten fünf Jahre zugenommen. ! !Im Mai versammelten sich kroatische und bosnische Bürger zur jährlichen Kriegsgedenkfeier der Ermordung von Soldaten des kroatischen Ustascha-Regimes, die an der Seite Nazideutschlands gekämpft hatten und 1945 in Bleiburg mit ihren Familienangehörigen an die kommunistischen Tito-Einheiten ausgeliefert worden waren. Drei österreichische Abgeordnete zum Europäischen Parlament der ÖVP, SPÖ und NEOS, Othmar Karas, Josef Weidenholzer und Angelika Mlinar, kritisierten anlässlich einer Pressekonferenz, dass die Gedenkveranstaltung nicht im gegenwärtigen Format abgehalten werden sollte, da sie als Plattform für Extremisten im Sinne der faschistischen Ustascha-Bewegung und ihrer Symbole missbraucht werde. Raimund Fastenbauer, IKG, nahm an der Pressekonferenz teil und nannte die Bleiburger Gedenkfeier eine “unerträgliche Provokation“ der jüdischen Gemeinschaft. Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten, das Bundesland, in dem Bleiburg liegt, nannte die Gedenkfeier eine “extremistische Veranstaltung”. ! !Im Juni verurteilte das Landesgericht Klagenfurt einen Kroaten zu 15 Monaten bedingt für Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts und Zeigen des Nazi-Grußes während der Gedenkfeier in Bleiburg. ! !Im August nahm die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, Burgenland, Ermittlungen in einem Fall von fünf Schülern auf, die angeblich in die Rollen von SS-Männern bzw. Juden geschlüpft waren, nachdem im Unterricht die Gefahren von Indoktrinierung behandelt worden waren. ! !Eine Frau aus Niederösterreich hatte Moslems im Berichtsjahr mehrere Male auf Facebook beschimpft, unter anderem als “menschlichen Abschaum”. Sie wurde von einem niederösterreichischen Gericht im September der Verhetzung schuldig gesprochen und zu einer neunmonatigen teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. ! !Im März verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien einen ehemaligen Arzt aufgrund von Verherrlichung nationalsozialistischer

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Verbrechen zu einer eineinhalbjährigen bedingten Haftstrafe. Der Mann hatte zwischen Oktober 2015 und Jänner 2016 Reden von Adolf Hitler auf Facebook gepostet. ! !Ebenfalls im März verurteilte ein Kremser Gericht einen 66-jährigen Gefängnisinsassen der neonazistischen Wiederbetätigung. Der Mann hatte 2016 und 2017 aus dem Gefängnis Briefe an Regierungsfunktionäre geschrieben, in denen er die Existenz von Gaskammern in den Gefangenenlagern der Nationalsozialisten leugnete. Das Gericht verurteilte ihn zu einer vierjährigen bedingten Haftstrafe und ordnete seine Verlegung in eine Institution für geistig abnorme Rechtsbrecher an. ! !Im Februar konnte die FPÖ vor Gericht ihre Anschuldigung, die Muslimische Jugend Österreichs (MJÖ) sei eine islamistische Organisation, nicht aufrechterhalten. Das Gericht verurteilte die FPÖ zur Erstattung der Gerichtskosten an die MJÖ. ! !Vierzehn christliche Gruppen, darunter die Römisch-katholische Kirche, etliche protestantische Religionsgemeinschaften und acht Orthodoxe und Alt-östliche Kirchen trafen im Rahmen des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich zusammen. Baptisten und Heilsarmee hatten Beobachterstatus im Rat. Der Rat kommt zweimal jährlich zusammen. Es gab zwei ständige Arbeitsgruppen zu „Religion und Gesellschaft“ und „Medien“. Es wurden gemeinsame Gottesdienste abgehalten, wie der „Tag des Judentums“ im Jänner, ebenso wie gemeinsame Aktivitäten zu wohltätigen Zwecken.! ! !Abschnitt IV. Politik und Engagement der U.S. Regierung ! !Der Botschafter der Vereinigten Staaten, der Geschäftsträger und andere Botschaftsvertreter und -vertreterinnen trafen sich regelmäßig zum Austausch über das Thema Religionsfreiheit mit Regierungsvertretern, unter anderem mit der Abteilung für Integration und Dialog der Kulturen im Außenministerium und mit dem Innenministerium. Themen waren unter anderem Anliegen religiöser Gruppen, Integration muslimischer Flüchtlinge,

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Zusammenarbeit mit religiösen Gruppen bei der Terrorismusbekämpfung sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus und antimuslimischer Stimmung. !!Der Botschafter traf mit Vertretern religiöser Gruppen wie der Leitung der IGGÖ, der IKG, der Katholischen Kirche, der Lutherischen Kirche und etlichen Orthodoxen Kirchen zusammen, um über ihre Beziehungen mit der Regierung, diskriminierende Vorfälle und den interreligiösen Dialog zu sprechen. Die Botschaft traf auch mit den Jugendvertretern religiöser Organisationen zum Dialog über Antisemitismus und antimuslimische Wertehaltungen zusammen. ! !Die Botschaft blieb mit der jüdischen Gemeinde weiterhin in engem Kontakt und unterstützte sie in der Förderung religiöser Toleranz und Bekämpfung von Antisemitismus. Vertreter der Botschaft nahmen ein weiteres Mal am Internationalen Beirat der Gedenkstätte Mauthausen teil, um das Gedenken an den Holocaust sowie Bildungsmaßnahmen zum Thema Holocaust zu fördern, und sprachen sich für weitere Anstrengungen der Bundesanstalt aus, verstärkte Jugendarbeit zur Bekämpfung des Antisemitismus zu leisten, indem zum Beispiel mehr Schulgruppen zu einem Besuch der Gedenkstätte Mauthausen angeregt werden. !!Die Botschaft unterstützte die absolut erste von der muslimischen Gemeinde getragene Initiative, Antisemitismus in Österreich entgegenzuwirken. Die von der MJÖ geleitete Initiative, an deren Spitze drei ehemalige Teilnehmer des vom U.S. Außenministerium finanzierten Austauschprogrammes standen, bestand in einer Reihe von Veranstaltungen, Roundtables und Besuchen in Auschwitz durch Mitglieder der MJÖ. Die MJÖ kooperierte eng mit der Jüdischen Gemeinde und dem Jüdischen Museum zur Förderung des Dialoges und der Bewusstseinsbildung innerhalb der muslimischen Jugend. ! !Der Geschäftsträger der Botschaft sowie der Geschäftsträger der Vertretung der Vereinigten Staaten bei der OSZE mit Sitz in Wien, ebenso wie der Geschäftsträger der Vertretung der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen nahmen am Gedenktag der Befreiung des

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Konzentrationslagers Mauthausen im Mai teil. Der Geschäftsträger der U.S. Botschaft betonte die Bedeutung von Religionsfreiheit und merkte an, dass die Befreier von Mauthausen dazu beitrugen, der Vorstellung ein Ende zu setzen, dass ein Mensch aufgrund seiner Religion besser sei als ein anderer Mensch.!

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