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ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHE KONFERENZ 14.-16. Mai 2008 Szombathely NEUE WEGE IN DER BESCHÄFTIGUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG Schirmherrschaft Dr. Martin Bartenstein Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Mónika Lamperth Minister für Soziale Angelegenheiten und Arbeit Veranstalter Regionales Arbeitsamt Westtransdanubien L&R Sozialforschung Verein zur Verbreitung Wissenschaftlicher Kenntnisse des Komitates Vas Gemeinnütziger Verein Dialog Fördergeber Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Arbeit, Republik Ungarn Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Republik Österreich Landesstiftung für Beschäftigung Beschäftigungs- und Sozialamt Ungarn Komitatsverwaltung Vas Stadt Szombathely mit Komitatsrecht Handels- und Industriekammer des Komitates Vas Gewerbeverband des Komitates Vas

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ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHEKONFERENZ

14.-16. Mai 2008Szombathely

NEUE WEGE IN DER BESCHÄFTIGUNGVON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

SchirmherrschaftDr. Martin Bartenstein

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Mónika Lamperth

Minister für Soziale Angelegenheiten und Arbeit

VeranstalterRegionales Arbeitsamt Westtransdanubien

L&R SozialforschungVerein zur Verbreitung Wissenschaftlicher

Kenntnisse des Komitates VasGemeinnütziger Verein Dialog

FördergeberMinisterium für Soziale Angelegenheiten und Arbeit, Republik Ungarn

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Republik ÖsterreichLandesstiftung für Beschäftigung

Beschäftigungs- und Sozialamt UngarnKomitatsverwaltung Vas

Stadt Szombathely mit KomitatsrechtHandels- und Industriekammer des Komitates Vas

Gewerbeverband des Komitates Vas

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RedaktionAmbrus Kiss

LektorarbeitenDr. Péter Kovács

L&R Sozialforschung

ÜbersetzungDr. Enikô Szatmári

József Szatmári

ISBN 978-963-87116-4-9

Gestaltung und Druckvorbereitung:B.K.L. Verlag und Werbung GmbH, Szombathely

HerausgeberDirektor Antal Wiktora

Verein zur Verbreitung Wissenschaftlicher KenntnisseSzombathely

Druck:Szignatúra GmbH

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

ABLAUF DER KONFERENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Generaldirektor Ambrus Kiss, Regionales Arbeitsamt Westtransdanubien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Staatssekretär Dr. Gyula Tarcsi, Amt des Ministerpräsidenten . . . . . . . . 11

Vorsitzender Prof. Dr. Günther Steinbach, Arbeitsmarktservice Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Generaldirektor Károly Pirisi, Amt für Beschäftigung und Soziales . . . 18

Landesgeschäftsführerin Mag. Helene Sengstbratl, AMS Burgenland . . 21

Präsident Ferenc Kovács, Komitatsvollversammlung des Komitates Vas . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Landesrat Dr. Peter Rezar, Burgenländische Landesregierung . . . . . . . . 26

Bürgermeister Dr. György Ipkovich, Stadt Szombathely mit Komitatsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

FACHREFERATE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Dr. Anthony Williams, European Disability Forum, Brüssel . . . . . . . . . . . . 31

Stv. Generaldirektor Dr. Gyula Pulay, ÁSZ Institut für Entwicklung und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Landesstellenleiter Dr. Günther Schuster, Bundessozialamt . . . . . . . . . . . . 43

Stv. Hauptabteilungsleiter Péter Kemény, Ministerium für Soziales und Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

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Stv. Hauptabteilungsleiterin Adrienn Gúr,Amt für Beschäftigung und Soziales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Regionalleiter Mag. Roman Pöschl, Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum . . . . . . . . . . . . . . 62

PRÄSENTIERTE MODELLE UND PROJEKTE . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Das SALO-Rehabilitationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

JobAllianz Steiermark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

vamos – Verein zur Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

HLF GesmbH Holz und Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

PODIUMSDISKUSSION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Wie können die Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderungerhöht werden?

Moderation: Geschäftsführer Dr. Walter Reiter, L&R Sozialforschung. . . . 79

ABSCHLUSS DER KONFERENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Generaldirektor Ambrus Kiss, Regionales Arbeitsamt Westtransdanubien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

TEILNEHMER/INNENLISTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

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VORWORT

Sehr geehrte Damen und Herren!Werte Leserinnen und Leser!

Sie halten den Konferenzband der ungarisch-österreichischen Arbeitsmarkt-konferenz, die im Jahr 2008 stattfand, in Händen.

Beim vorliegenden Konferenzband haben wir versucht, die gemeinsamdiskutierten Lösungen und Methoden in ihrer Gesamtheit darzustellen.

Eine Kardinalfrage der Arbeitsmarktpolitik ist die berufliche Rehabilitation.Für Menschen mit Behinderungen bedeutet Arbeit eine der wichtigstenAnbindungen an die Gesellschaft. Es ist das Recht von Menschen mitBehinderungen, eine für sie und ihre Umgebung nützliche Arbeit verrichten zukönnen – eine Arbeit, die auf ihre individuelle Leistungsfähigkeit ausgerichtetist und dem Leben dieser Menschen einen Sinn gibt.

Traditionell behandelten wir das Problem in erster Linie als soziale Frage,aber es galt auch den Aspekt der Beschäftigung zu berücksichtigen.

Im Rahmen der diesjährigen Konferenz wurde anhand von zahlreichennationalen und internationalen Beispielen gezeigt, was die Arbeitsmarktpolitikgemeinsam mit den auf diesen Bereich spezialisierten gemeinnützigenOrganisationen leisten kann, um das Leben für Menschen mit Behinderunglebenswerter und menschenwürdiger zu gestalten.

Die Konferenzbeiträge brachten eindeutig die Verantwortung derGesellschaft zur Sprache. Es gilt Menschen mit Behinderungen darin zubestärken zu arbeiten. ArbeitgeberInnen müssen für eine solche Beschäftigungsensibilisiert werden, und Non-Profit-Organisationen müssen Förderprogrammeund Dienstleistungen anbieten, die Menschen mit Behinderungen den Alltag inder Arbeitswelt erleichtern.

Mit diesen Überlegungen übergebe ich den Band Ihrer geschätztenAufmerksamkeit.

Ambrus KissGeneraldirektor

Regionales Arbeitsamt Westtransdanubien

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ABLAUF DER KONFERENZ

14. Mai 2008 (Mittwoch)

13.30 – 18.30 Ankunft und Anmeldung

14.00 – 19.00 Fakultatives ProgrammExkursion für ungarische KonferenzteilnehmerInnen nachÖsterreich:vamos – Verein zur IntegrationA – 7411 Markt Allhau 19

Exkursion für nichtungarische TeilnehmerInnen imKomitat Vas:HLF GesmbH für Holz und HandelH – 9831 Bérbaltavár, Béke u. 3

19.00 – 19.30 Begrüßungsworte für die ExkursionsteilnehmerInnenGeneraldirektor Ambrus Kiss, Regionales ArbeitsamtWesttransdanubien

19.30 Abendessen

15. Mai 2008 (Donnerstag)

10.00 – 11.30 Eröffnung der KonferenzStaatssekretär Dr. Gyula Tarcsi, Amt des Minister-präsidentenVorsitzender Prof. Dr. Günther Steinbach, AMS ÖsterreichGeneraldirektor Károly Pirisi, Amt für Beschäftigung undSozialesLandesgeschäftsführerin Mag. Helene Sengstbratl, AMSBurgenlandPräsident Ferenc Kovács, Komitatsvollversammlung desKomitates VasLandesrat Dr. Peter Rezar, Landesregierung BurgenlandBürgermeister Dr. György Ipkovich, Stadt Szombathelymit Komitatsrecht

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11.30 – 12.10 EU-Beschäftigunspolitik für Menschen mit BehinderungenDr. Anthony Williams, European Desability Forum, Brüssel

12.10 – 12.30 Diskussion

12.30 – 14.00 Mittagessen

14.00 – 17.30 Fachreferate14.00 – 14.30 Beschäftigung im Fokus einer komplexen Rehabilitation

Stv. Generaldirektor Dr. Gyula Pulay, ÁSZ Institut fürEntwicklung und Methodik

14.30 – 15.00 Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung inÖsterreichLandesstellenleiter Dr. Günther Schuster,Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Bundes-sozialamt,Landesstelle Wien

15.00 – 15.30 Berufliche Rehabilitation in UngarnStv. Hauptabteilungsleiter Péter Kemény, Ministerium fürSoziales und Arbeit

15.30 – 16.00 Diskussion

16.00 – 16.30 Kaffeepause

16.30 – 17.00 Aufgaben und Möglichkeiten des NationalenBeschäftigungsdienstes in der beruflichen RehabilitationStv. Hauptabteilungsleiterin Adrienn Gúr, Amt fürBeschäftigung und Soziales

17.00 – 17.30 Ansätze und Maßnahmen des BBRZ Österreich zurberuflichen Rehabilitation von Menschen mit BehinderungMag. Roman Pöschl, Regionalleiter OstBBRZ – Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum

17.30 – 18.00 Diskussion

19.30 Feierlicher Empfang

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16. Mai 2008 (Freitag)

09.00 – 10.30 Erfolgreiche Modelle aus Deutschland und Österreich

09.00 – 09.30 Das SALO-RehabilitationssystemVorsitzender Rolf Salo, SALO Holding AG, Hamburg

09.30 – 10.00 JobAllianz SteiermarkRobert Reitzer, Stv. Abteilungsleiter Berufliche RehabilitationBundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Bundes-sozialamt, Landesstelle Steiermark

10.00 – 10.30 Diskussion

10.30 – 10.45 Kaffeepause

10.45 – 12.15 PodiumsdiskussionWie können die Beschäftigungschancen von Menschen mitBehinderung erhöht werden?Moderation: Geschäftsführer Dr. Walter Reiter, L&RSozialforschung

12.15 – 12.30 Zusammenfassung und Abschluss der KonferenzGeneraldirektor Ambrus Kiss, Regionales ArbeitsamtWesttransdanubien

12.30 Mittagessen

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BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN

AMBRUS KISS GeneraldirektorRegionales Arbeitsamt Westtransdanubien

Werte Kolleginnen und Kollegen!Werte Gäste!

Ich heiße Sie – Euch – zur 14. österreichisch-ungarischen arbeitsmarkt-politischen Konferenz herzlich willkommen. 13 Konferenzen haben wir bisherorganisiert, die auch aus fachlicher Sicht erfolgreich waren, in erster Linie aberdeshalb, weil es unter den TeilnehmerInnen zu persönlichen, freund-schaftlichen Kontakten kam, die im Alltag, in der beruflichen Arbeit und beiden grenzüberschreitenden Aktivitäten wesentlich die Zusammenarbeit erleichtern.

Es sei mir gestattet, in ein paar Sätzen an unsere Konferenz im letzten Jahrzu erinnern, die die berufliche Qualifizierung thematisierte. Früher „produzierte”die Berufsausbildung in Ungarn Mangelberufe, heutzutage scheint es – sicherauch als Ergebnis der Konferenz –, dass sich die Situation verändert hat. Eswurden mehr Kurse als früher für diese Berufe gestartet, und auch im Rahmender schulmäßigen Ausbildung wählen die Jugendlichen verstärkt Berufe, dieam Arbeitsmarkt gesucht sind. Ich denke, dass die diesjährige Konferenz, diezur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beitragen möchte, miteinem ähnlichen Ergebnis aufwarten wird.

Ziel der Konferenz ist es, dass wir einander mit unserer jeweiligen Praxisvertraut machen, Verfahren erarbeiten, die man in unseren Ländern implementierenkann, um dadurch zu erreichen, dass das Arbeitsmarktservice erfolgreich imBereich der beruflichen Rehabilitation wirken kann. Die berufliche Rehabilitationist ein außerordentlich wichtiges soziales Anliegen; außerdem verbergen sichdahinter aber auch gewichtige wirtschaftliche Interessen, eine erhöhte Nach-frage der Wirtschaft. Zur Anhebung der Beschäftigung müssen in Ungarn ineinem größeren Maße auch Zielgruppen in die Beschäftigung einbezogenwerden, bei denen diese Bemühungen bisher nicht so erfolgreich waren. Zudiesen Zielgruppen zählen auch die Behinderten, also Menschen mit immerschon eingeschränkter Arbeitsfähigkeit und Menschen, deren Arbeitsfähigkeitsich verändert hat. Es ist unsere Aufgabe, ihnen eine Werte schaffende Arbeitund die Möglichkeit zur Nutzung ihrer Fähigkeiten zu garantieren.

Dazu ist es notwendig, uns mit neuen Methoden vertraut zu machen unddiese in der Praxis umzusetzen. Die gestrige Exkursion nach Österreich

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präsentierte den TeilnehmerInnen ein Transit-Beschäftigungsprojekt, währendden TeilnehmerInnen in Ungarn eine im Wettbewerb stehende Firma, dieBehinderte beschäftigt, vorgestellt wurde. Beide Exkursionen waren äußerstlehrreich. Ich hoffe, dass sich in Ungarn wie auch in Österreich die gutenErfahrungen in Bezug auf diese positiven Praktiken vervielfachen werden.

Ich begrüße die an der Konferenz teilnehmenden österreichischen,deutschen und ungarischen Gäste und wünsche uns eine durch einen intensivenErfahrungsaustausch gekennzeichnete, erfolgreiche und fruchtbringendeTagung.

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DR. GYULA TARCSI StaatssekretärAmt des Ministerpräsidenten

Sehr geehrte Damen und Herren!Werte KonferenzteilnehmerInnen!Liebe österreichische und deutsche Freundinnen und Freunde!

Als Staatsekretär im Amt des Ministerpräsidenten heiße ich Sie herzlichwillkommen und wünsche Ihnen eine spannende und erfolgreiche Konferenz.Die Angelegenheiten der Menschen mit Behinderung gehen uns alle an. DasAnsehen einer Gesellschaft bzw. einer Regierung lässt sich auch daranmessen, wie sie für diejenigen sorgt, die aus irgendeinem Grunde benachteiligtsind. Jene, die benachteiligt sind deshalb, weil sie aufgrund ihres Alters odereiner Krankheit, gleich ob erlitten oder angeboren, nicht von sich aus imnormalem Maße am Arbeitsmarkt teilhaben können, sondern nur dann, wenndie Gesellschaft sie unterstützt. Ich selbst konnte erleben, mit welcher Hingabeund Energie vom Leben hart geprüfte Menschen in einer Budapester Ein-richtung für Bewegungsbehinderte arbeiten. Darunter waren Menschen, dieauf dem Bauch liegend arbeiteten, und solche, die keine Arme hatten. Sienahmen sogar mehrere, gelegentlich etliche Stunden dauernde Fahrten aufsich, nur um sich als vollwertig zu fühlen, um nützlich für sich selbst, für dieFamilie und – ergänzen wir es – für die Gemeinschaft zu sein. Diesesbewundernswerte Bemühen verdient in höchstem Maße Unterstützung.

Andererseits leben in Ungarn zahlreiche Menschen, die wederbenachteiligt noch behindert sind und dennoch nicht arbeiten wollen. Vielehaben sich auf ein schmarotzerhaftes Leben eingestellt, ihre Lebensformbesteht aus dem Bezug von Beihilfen. Ihnen bieten wir eine andereAlternative: die Arbeit. Wir versuchen demnach zugleich jenen zu helfen, diebenachteiligt sind, und jene zur Jobaufnahme aufzufordern, die arbeitsfähigsind. Die Beschäftigungsdaten in Ungarn weichen vom EU-Durchschnitt ab,bedauerlicherweise Richtung nach unten. Während in der EU der Anteil derBehinderten an der Bevölkerung 14,5% ausmacht, sind es in Ungarn 5,7%;ihre Beschäftigungsquote liegt in der EU bei 40 – 50%, in Ungarn dagegen nurbei 9 – 12%. Darin liegt zu einem hohen Anteil unser Beschäftigungsnachteilbegründet. Menschlich wie auch wirtschaftlich ist es somit für uns wichtig,diesen Zustand zu ändern.

Abgesehen von den offenen Grenzen sieht sich Ungarn als vollwertigerEU-Mitgliedstaat immer mehr mit einem offenen Arbeitsmarkt konfrontiert.Begrüßenswert ist die Konferenz somit auch in dem Sinne, dass die EU das

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Europa der Regionen ist. Unsere ungarische Region Westtransdanubien istsehr aktiv nicht nur im Hinblick auf die Erfüllung der innerungarischen Aufgaben,sondern auch, was die internationalen Beziehungen und Kooperationen anbelangt.Ich freue mich darüber und danke für die Veranstaltung dieser Konferenz. Ichdanke der Stadt, dem Komitat sowie den Partnereinrichtungen für die Zusammen-arbeit.

Die eingeladenen Vortragenden werden anspruchsvoll über die Unter-stützung und Beschäftigung von Behinderten referieren. Ich meinerseits möchtenur die Intentionen vermitteln, die seitens der Regierung bestehen. Es gilt, dasSystem umzukehren. Bei der früheren ausschließlich medizinischenAnnäherung an diese Problematik wurde untersucht, welche Fähigkeitenverloren gegangen waren, was dann auch durch den Begriff „Invalidisierungs-grad” zum Ausdruck gebracht wurde. Heute, an dieser Stelle der Geschichte,gilt es – und davon bin ich überzeugt – eher zu beachten, welche die verbliebenenKompetenzen sind und welche sich durch Qualifizierung ergänzen lassen. Dasist ein positiv ausgerichteter Zugang, der ebenso auf den Aktivitäten derbetroffenen Person wie auch auf denen der Gesellschaft basiert.

Meine Damen und Herren! Noch einmal möchte ich Ihnen im Namen derungarischen Regierung Dank sagen – Dank dafür, dass Sie unserer Einladunggefolgt sind. Ich wünsche Ihnen eine ergebnisreiche Tagung.

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PROF. DR. GÜNTHER STEINBACHVerwaltungsratsvorsitzenderArbeitsmarktservice Österreich

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Tarcsi,sehr geehrter Herr Generaldirektor Pirisi,sehr geehrter Herr Generaldirektor Kiss,sehr geehrte Frau Landesgeschäftsführerin Sengstbratl,sehr geehrter Herr Komitatspräsident Kovács,sehr geehrter Herr Landesrat Rezar,sehr geehrter Herr Bürgermeister Ipkovich,sehr geehrte Damen und Herren!

Es freut mich sehr, Sie im Namen des Bundesministeriums für Wirtschaft undArbeit auf der diesjährigen Österreichisch-Ungarischen Arbeitsmarkt-konferenz begrüßen zu dürfen. Die Konferenz findet ja bereits zum 14. Malstatt und ist ein hervorragendes Beispiel für die erfolgreiche grenzüber-schreitende Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn im Bereich derArbeitsmarktpolitik.

Es ist für mich persönlich eine sehr große Freude, nach längerer Zeit wiederhier in Szombathely bei unseren ungarischen Kollegen und Freunden sein zukönnen. Die gemeinsame Grenzregion hat sich in den letzten Jahren verändertund weiterentwickelt. Ich bin überzeugt davon, dass Veranstaltungen wie dieseKonferenz wichtig und wertvoll für die Zusammenarbeit unserer beidenStaaten sind.

Ich denke, das Thema der Konferenz ist ein sehr wichtiges und nimmt unterden vielen Arbeitsmarktfragen, mit denen wir uns beschäftigen, einebesondere Stellung ein. Warum dies so ist, möchte ich an einigen Punkten imZusammenhang mit der Integration von behinderten Menschen in den Arbeits-markt darstellen.

In der Europäischen Union gibt es über 45 Millionen Menschen mit eineroder mehreren Behinderungen, das entspricht ca. 10% der Gesamt-bevölkerung. In Österreich gibt es ca. 800.000 Menschen, die eine odermehrere Behinderungen haben.

Ziel des Arbeitsmarktservice ist es, Menschen mit Behinderungen in denersten Arbeitsmarkt zu integrieren, soweit die Arbeitsfähigkeit der betroffenenPersonen gegeben ist. Es fördert neben Behinderten, die nach Bundesrechtund/oder nach Landesgesetzen förderbar sind, auch Personen, die eine physische,psychische oder geistige Einschränkung durch ein ärztliches Gutachten belegenoder sonst glaubhaft machen, dass sie auf Grund ihrer Einschränkung

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Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden oder nur eingeschränkteBerufsmöglichkeiten vorliegen.

Behinderte Menschen haben in Österreich Zugang zum gesamtenDienstleistungsangebot des Arbeitsmarktservice. Hier erhalten sie Informationenüber Berufe und Ausbildungswege, Beratung unter Berücksichtigung derpersönlichen Situation, Vermittlung auf Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarktund auf Transitarbeitsplätze in Beschäftigungsprojekten.

Der Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ist für Menschen mitBehinderungen besonders schwierig. Behinderte Menschen sind wesentlichlänger arbeitslos als nicht behinderte Personen. Was kann die Arbeits-marktpolitik beitragen, um den Problemstellungen im Bereich Arbeit undBehinderung zu begegnen?

Das Arbeitsmarktservice bietet spezielle Maßnahmen und Förderungen an,um behinderte Personen bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Im Bereich Qualifizierung erfolgt die Förderung für behinderte Arbeitslosedurch umfassende Maßnahmen in speziellen Bildungs- und Weiterbildungs-einrichtungen, beispielsweise für seh- oder hörbehinderte Menschen oderMenschen mit Lernschwierigkeiten. Im Jahr 2007 wurden im BereichQualifizierung 32.791 Personen mit gesundheitlichen Vermittlungs-einschränkungen gefördert.

In den letzten Jahren erfolgten Qualifizierungsmaßnahmen verstärkt fürbehinderte Jugendliche. Mit der „integrativen Berufsausbildung” wurde fürJugendliche mit Lernschwierigkeiten und/oder Behinderung die Möglichkeitgeschaffen, eine Lehre, bei der die gesetzliche Lehrzeitdauer verlängert werdenkann, abzuschließen. Weiters besteht die Möglichkeit des Erwerbs einerTeilqualifizierungslehre, in welcher bestimmte Teile eines Berufsbildes erlerntwerden. Bei bestandener Abschlussprüfung wird ein von der Wirtschafts-kammer Österreich anerkanntes Zertifikat ausgestellt. Um den Ausbildungs-erfolg sicherzustellen, wird der Lehrling von einer Berufsausbildungs-assistentin bzw. einem Berufsausbildungsassistenten durch die Lehre begleitet.

Eine Hilfestellung für behinderte Jugendliche bietet das Clearing: dieseMaßnahme setzt beim Übergang von der Schule in das Berufsleben an. DieBeraterinnen und Berater in den Clearingeinrichtungen versuchen im letztenbzw. vorletzten Schuljahr eines Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förder-bedarf oder Behinderung gemeinsam mit diesem, den Eltern und Lehrpersonenein individuelles Maßnahmenpaket für die berufliche Integration der betroffenenPerson auszuarbeiten. Dieses Maßnahmenpaket beinhaltet unter anderemNeigungs- und Eignungsprofile, eine Stärken/Schwächen-Analyse undInformation durch die Beraterinnen und Berater über Ausbildungsmöglichkeiten,Arbeitsplätze und laufende Beschäftigungsprojekte. Ziel ist die direkteVermittlung der Jugendlichen an Betriebe und Ausbildungseinrichtungen.

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Im Rahmen von Beschäftigungsförderungen kommen betrieblicheEingliederungsbeihilfen wie auch spezielle Fördermöglichkeiten fürBehinderte zum Einsatz. Auch die Aufnahme von geförderten Beschäftigungenin Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und Sozialökonomischen Betriebenwird unterstützt. Insgesamt wurden in diesem Bereich im Jahr 2007 12.370Personen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen gefördert.

Für Personen mit besonderen Problemlagen werden zusätzliche Unter-stützungsmaßnahmen angeboten. Die „persönliche Assistenz am Arbeitsplatz”ist eine solche individuelle Unterstützungsmaßnahme für Menschen mitschwerer Behinderung. Durch diese Maßnahme sollen behinderungsbedingteEinschränkungen bei der Arbeit ausgeglichen werden. PersönlicheAssistentinnen und Assistenten erledigen jene Tätigkeiten, die auf Grund derBehinderung nicht erledigt werden können. Hier arbeitet das Arbeitsmarkt-service mit den zuständigen Landesstellen des Bundesamtes für Soziales undBehindertenwesen zusammen.

Auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung ist es den betroffenenPersonen oft nicht möglich, am Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden.Hier besteht die Möglichkeit der Beschäftigung in geförderten integrativenBetrieben, die in verschiedenen Bereichen an mehreren Standorten inÖsterreich bestehen.

Neben den Aktivitäten des Arbeitsmarktservice ist das Bundesministerium fürSoziales und Konsumentenschutz in Österreich unter anderem für Förderungender beruflichen Integration von behinderten Menschen nach dem Behinderten-einstellungsgesetz zuständig. Jeder Dienstgeber, der im Bundesgebiet 25 odermehr Dienstnehmer beschäftigt, ist verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer einen sogenannten „begünstigten Behinderten” gemäß Behinderteneinstellungsgesetzeinzustellen, ansonsten ist eine Ausgleichstaxe zu bezahlen.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – als nachgeordneteDienststelle des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz –wurde in den letzten Jahren mit seinen neun Landesstellen zur zentralenDrehscheibe für die Maßnahmen zur beruflichen Integration von Menschenmit Behinderungen ausgebaut. Es arbeitet dabei eng mit den Kooperations-partnern in den Bundesländern zusammen, darunter die Länder, dasArbeitsmarktservice und private Träger.

Es fördert Personen mit einer körperlichen, seelischen oder geistigenBehinderung, wenn sie „begünstigte Behinderte” sind, also einen bestimmten„Grad der Behinderung“, der vom Bundessozialamt festgestellt wird,aufweisen, und Personen, die auf Grund ihrer Behinderung nicht in der Lagesind, ohne Hilfe einen Arbeitsplatz zu erlangen.

Lassen Sie mich nun noch kurz auf Maßnahmen auf europäischer Ebeneeingehen.

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2003 war das „Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen”. DieEuropäische Union verfolgte dabei mehrere Ziele, beispielsweise

• Sensibilisierung der Öffentlichkeit über die vielfältigen Formen derDiskriminierung von Menschen mit Behinderung,

• Förderung der Chancengleichheit,• Förderung des Erfahrungsaustausches über Best-Practice-Modelle auf

europäischer und nationaler Ebene und • Verbesserung der Zusammenarbeit aller relevanten Institutionen.Chancengleichheit für behinderte Personen soll auf europäischer Ebene

primär durch Rechtsvorschriften und Maßnahmen zur Bekämpfung vonDiskriminierungen, die den Zugang zu individuellen Rechten ermöglichen,erzielt werden.

Zentrale Punkte europäischer Behindertenpolitik sind die Beseitigung vonBarrieren, die behinderte Menschen davon abhalten, ihre Fähigkeiten ohneEinschränkungen zu nutzen sowie die Einbeziehung von Behinderungsfragenin alle Gemeinschaftsstrategien, die eine aktive Eingliederung von Menschenmit Behinderungen im Sinne der Chancengleichheit erleichtern.

Diesen Zielsetzungen entsprechend wurden in Österreich durch Bundes-ministerien und Landesregierungen zahlreiche Initiativen gesetzt und Projektegefördert, dies unter aktiver Beteiligung der Interessensvertretungen undDachverbände behinderter Menschen in Österreich und in der EuropäischenUnion, der Medien, zahlreicher Unternehmen und engagierter Privatpersonen.Österreich startete im „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen”eine Beschäftigungsinitiative für die Integration von behinderten Menschen inden Arbeitsmarkt. Es wurden zahlreiche Sensibilisierungsmaßnahmen gesetzt,um in der Bevölkerung und in Unternehmen auf die Situation behinderterMenschen aufmerksam zu machen. Von der Bundesregierung wurde einumfassender Bericht zur Lage von Menschen mit Behinderungen erstellt.

Im Jahr 2003 wurde der Europäische Aktionsplan für die Chancengleichheitfür Menschen mit Behinderungen 2004-2010 verabschiedet.

Eine der Prioritäten dieses Aktionsplanes für den Zeitraum 2008-2009 istdie Erarbeitung von „Maßnahmen für integrative Teilhabe durch Barrierefreiheit”.Ziel ist die Förderung des Zugangs von behinderten Menschen zumArbeitsmarkt.

Die Arbeitsmarktverwaltungen in den Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion sind gefordert, Berufsausbildungs- und Rehabilitationsmaßnahmen zuentwickeln, um eine verbesserte Integration von Menschen mit Behinderungin den Arbeitsmarkt zu erreichen.

Neben der Darstellung der in Ungarn und Österreich bereits bestehendenMaßnahmen zur Förderung der Integration von behinderten Menschen in denArbeitsmarkt sind wir heute zusammengekommen, um neue, innovative Wege

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in der Beschäftigung behinderter Menschen anzudenken und ich binüberzeugt, dass die anwesenden Expertinnen und Experten dazu ihren Beitragleisten werden.

Um Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung zu erreichen, musses wesentliches Ziel der Arbeitsmarktpolitik sein, Benachteiligungen undDiskriminierungen von behinderten Personen am Arbeitsmarkt zu vermeidenund zu beseitigen.

Auch auf europäischer Ebene wird – wie bereits angesprochen – derBekämpfung der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung und dieHeranführung von behinderten Personen an den Arbeitsmarkt ein hoherStellenwert beigemessen.

Es sollte unser gemeinsames Bestreben sein, in der neuen EU-Struktur-fondsperiode 2007–2013 die in den Strukturfonds zur Verfügung stehendenfinanziellen Mittel für die Umsetzung von innovativen Projekten im Bereichder beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung auszuschöpfen.

Im Operationellen Programm „Beschäftigung Österreich 2007–2013” desEuropäischen Sozialfonds wurde die berufliche Integration von Menschen mitBehinderung als Schwerpunkt festgelegt. Die Erlangung und Sicherung vonArbeitsplätzen sowie die Schaffung von Chancengleichheit für Jugendliche,Ältere und Personen mit schweren Funktionsbeeinträchtigungen sind dieobersten Ziele dieser Schwerpunktsetzung.

Ich möchte Ihnen abschließend gutes Gelingen für die Konferenzwünschen und bin gespannt auf die Ergebnisse, die hoffentlich innovativeIdeen beinhalten werden, die in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden können.

Viel Erfolg für die Konferenz!

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KÁROLY PIRISI GeneraldirektorAmt für Beschäftigung und Soziales

Meine sehr verehrten Damen und Herren!Liebe Gäste aus Österreich, Deutschland und Ungarn!

Ich begrüße Sie zur diesjährigen Österreichisch-Ungarischen Konferenz! Ichselbst nehme bereits zum x-ten Mal an dieser Konferenzreihe teil, und eserfüllt mich mit großer Genugtuung zu sehen, wie viele interessierteExpertInnen jenseits und diesseits der Grenze den Weg zu dieser wichtigenKonferenz gefunden haben.

Ich halte es für ein Faktum von außerordentlicher Wichtigkeit, dass sich mitdem EU-Beitritt die Welt für Ungarn geöffnet hat und so die MitarbeiterInnendes Nationalen Beschäftigungsdienstes im Bereich der Arbeitsmarktpolitikauch Erfahrungen und Praktiken anderer Länder kennen lernen können. Unterunseren Kontakten sind besonders die freundschaftlichen, fast schon alltäglichkultivierten Arbeitskontakte hervorzuheben, die wir mit dem österreichischenArbeitsmarktservice, dem AMS, pflegen. Ergebnis dieser Zusammenarbeit istauch dieser Erfahrungsaustausch, zu dem wir uns heuer zum 14. Mal treffen.

Die heute beginnende Fachtagung greift ein vielleicht noch wichtigeres Themaals die vorangegangenen auf, und zwar die Förderung der Beschäftigung vonMenschen mit Behinderungen. Die Betreuung dieser KundInnen verlangt innoch höherem Maße unsere Aufmerksamkeit und Empathie, unsere Fürsorge.Ich bin auch davon überzeugt, dass die Rückführung von Menschen mitBehinderungen in die Arbeitswelt für die MitarbeiterInnen unseres Diensteseine ganz besondere fachliche Herausforderung darstellt.

Seit der Gründung des Nationalen Beschäftigungsdienstes gehörenBehinderte zu unseren KundInnen. Die Zahlen belegen, dass vor acht Jahren27.000 behinderte Menschen zu unserem KundInnenkreis gehörten, im Jahre2007 waren es etwa 40.000 – 41.000 Jobsuchende, die mit Behinderungenlebten. Aus diesen Daten wird ersichtlich, dass die Zahl der Behinderteninnerhalb der registrierten Arbeitssuchenden in den letzten Jahren starkzugenommen hat. Derzeit sind 6% unserer KundInnen Menschen mitBehinderung. Ein großer Teil dieser Zielgruppe, mehr als 10%, findet mitHilfe unserer Rehabilitationsinformationszentren und unserer Human-leistungen für Arbeitssuchende selbst einen Job.

Der verbleibende Teil unserer KundInnen ist auf eine komplexeKombination von Hilfestellungen angewiesen, um Beschäftigungsfähigkeit zuerlangen und eine Beschäftigung zu finden. Wie unsere österreichischen

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KollegInnen bieten auch wir ihnen eine breite Palette von Maßnahmen an, umgemeinsam die für den behinderten Menschen bestmögliche Arbeitsmöglich-keit zu finden.

Bereits seit 20 Jahren gibt es in Ungarn die Regelung, dass einUnternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten behinderte ArbeitnehmerInnen ineinem Verhältnis von 5% zur Beschäftigtenzahl zu beschäftigen hat. Ist diesnicht der Fall, ist das Unternehmen verpflichtet, einen Rehabilitationsbeitragzu leisten. Diese Maßnahme dient auch dazu, die Chancen behinderterStaatsbürgerInnen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Ich denke, dass auch Sie darüber informiert sind, dass das Zentralorgan desNationalen Beschäftigungsdienstes vor mittlerweile anderthalb Jahren in „Amtfür Beschäftigung und Soziales” umbenannt, sein Name und seine Konzeptionalso um den Begriff „Soziales” erweitert wurde. Das bedeutet für unszweierlei: einmal, dass es unter den behinderten Menschen noch bedeutendeArbeitskräfteressourcen gibt, so dass dieser Zielgruppe größere Aufmerksamkeitgeschenkt werden muss. Zum anderen ist – und diesem Bereich haben wirbisher zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet – eine verstärkte Zusammen-arbeit zwischen den verschiedenen Partnereinrichtungen zu gewährleisten,wobei dem Beschäftigungsdienst eine Schlüsselrolle zukommt. Hier denke ichan eine Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen und medizinischenEinrichtungen, damit Personen, die darauf angewiesen sind oder es wollen,komplexe und maßgeschneiderte Dienstleistungen angeboten werden können.Zugleich gilt es aber auch, sie anzuregen, unsere Dienstleistungen in Anspruchzu nehmen, weil wir eine andere Art der Hilfeleistung geben können als vorvier bis fünf Jahren.

Seit dem 1. Januar 2008 wurde in Ungarn in diesem Bereich eine neueLeistung eingeführt, deren Hauptziel darin besteht zu verhindern, dassschwere gesundheitliche Beeinträchtigungen zu einer Verdrängung aus derGesellschaft, d.h. zu Inaktivität führen. Um dies zu erreichen, trat ein neues,komplexes, die tatsächliche Arbeitsmarktlage besser berücksichtigendesBegutachtungsverfahren in Kraft.

Bis zum 30. April wurde die Rehabilitationsbeihilfe 400 Personen empfohlen,für deren Vermittlung der Nationale Beschäftigungsdienst – im Rahmen einerKooperationsvereinbarung – unter Zuhilfenahme zahlreicher aktiver Mitteldrei Jahre zur Verfügung hat. Wir denken, dass nach dem vollständigenAusbau der Rehabilitationsbeihilfe innerhalb von drei bis vier Jahren vonjährlich rund 10.000 BeihilfebezieherInnen etwa 6.000 Personen mit Hilfeunserer Dienstleistungen wieder integriert werden können. Wenn es unsgelingt, diese Zielsetzung zu erreichen, garantieren wir Ungarn bzw. demungarischen Arbeitsmarkt einen schnellen Aufholprozess. Natürlich ist derWeg, an dessen Ausgangspunkt wir uns befinden, steinig. Derzeit unter-

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nehmen wir die ersten bedeutenden Schritte, um die verschiedenartigenInformationssysteme und Verfahrensordnungen zu harmonisieren bzw. umeine kontinuierliche Kundenbegleitung zu ermöglichen.

Andererseits ist den Unternehmen auch ein neues, viel transparenteres,berechenbares Leistungssystem zu garantieren. Dazu wurden 2006 mit derVeränderung der Rechtsnormen die ersten Schritte getan. Neue Verordnungenwurden eingeführt, die auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungabzielen – natürlich in Abstimmung mit den EU-Richtlinien. Gegenwärtigbesteht meiner Ansicht nach unsere wichtigste Aufgabe in der Harmonisierungder Kooperation der verschiedenen Partnereinrichtungen, um individuelleDienstleistungsangebote gewähren zu können, zu denen unsere KundInnenlandesweit bei Garantie eines gleichen Niveaus Zugang haben.

Ich denke, dass wir viel in die Tagung einbringen und viel voneinanderlernen werden, so dass wir diese edle und zugleich eine enorme Herausforderungdarstellende Aufgabe gut erfüllen können. In diesem Sinne wünsche ich derKonferenz eine erfolgreiche Arbeit.

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MAG. HELENE SENGSTBRATLLandesgeschäftsführerinArbeitsmarktservice Burgenland

Sehr verehrte PräsidentInnen, GeneraldirektorInnen, BürgermeisterInnen!Sehr verehrtes Publikum!

Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich jedes Jahr hier her zukommen und mit Ihnen die Österreichisch-Ungarische Konferenz ein wenig zufeiern. Hier geht es ja nicht nur um den inhaltlichen Austausch, sondern ganzstark auch um ein Zusammenwachsen der Personen, um ein Zusammen-wachsen der agierenden Institutionen.

Wir führen schon Jahre lang einen intensiven Austausch und ich freue michganz besonders, dass wir jetzt auf einer anderen Ebene gerade dabei sind, unsgemeinsam grenzüberschreitendes Geld zu organisieren. Wir arbeiten geradean einer EURES-T Partnerschaft, wo es direkt von Brüssel Geld geben soll fürdie Reduktion von Informationshemmnissen, die Mobilität hemmen – Arbeits-kräftemobilität und die Mobilität dieser Arbeitsmärkte, die in den nächstenJahren doch zusammenwachsen sollen.

Behinderung ist das Thema dieser Arbeitsmarktkonferenz. Es geht um dieAnteilnahme am Erwerbsleben von Personen, die es besonders schwierighaben. Wir leben in einer Gesellschaft, die besonders leistungsorientiert ist. InÖsterreich haben wir eine Erwerbsquote von 70% – das heißt, alle Menschenoder viele Menschen im erwerbsfähigen Alter partizipieren tatsächlich,identifizieren sich über Arbeit. Und hier haben wir eine Gruppe von Menschen,die es bei der Integration besonders schwierig haben. Deswegen ist es ein ganzwichtiges Thema, hier geht es um die Würde von vielen Menschen, und hiergeht es um Inklusion statt Exklusion.

Über die Schwierigkeiten und Unterstützungsmaßnahmen ist schon vielgesagt worden. Ganz wichtig ist auch, dass die Unternehmen mitspielen, dassBetriebe anstatt Ausgleichstaxen zu bezahlen, motiviert werden, Behindertemit Einstellschein oder Behinderte ohne Einstellschein, die gesundheitlicheBeeinträchtigungen haben, wirklich zu beschäftigen. Wir sind auch in Österreichnoch nicht am Ende der Weisheit angelangt, das heißt, wir haben de facto nochimmer zu wenig Arbeitsplätze hier organisieren können, auch mit Hilfe einesBonus-Malus Systems, wo Betriebe, die nicht einstellen, zahlen müssen, undBetriebe die Behinderte einstellen befreit sind von dieser Ausgleichstaxe.

Bei der Integration und Rehabilitation geht es um die Teilnahme amErwerbsleben. Es sind zentrale Prinzipien, es geht um Hilfe zur Selbsthilfe:wir wollen nicht bemuttern und ständig an der Hand nehmen, sondern Hilfe

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zur Selbsthilfe bieten. Wir wollen integrieren statt segregieren, und wir wollenauch das gender mainstreaming, d.h. den Genderaspekt hier betrachten und miteinbeziehen.

Dr. Günther Steinbach hat schon differenziert: In Österreich gibt es 10 %Behinderte und nur ein geringer Teil davon hat einen Behinderten-einstellschein. Die Daten, über die wir verfügen, sind administrative Daten desArbeitsmarktservice. Wir erfassen wirklich alle Personen, die gesundheitlicheund psychische Beeinträchtigungen haben.

Wie schauen die Zahlen aus? Nun, wir haben im Burgenland ca. 90.000Beschäftigte, 8000 Arbeitslose, 959 Personen sind behindert, davon 130 mitEinstellschein. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr 5% mehr Personen, diebehindert gekennzeichnet sind, während die Arbeitslosigkeit um 5,6%reduziert werden konnte.

Ganz interessant ist, wie gelingt Integration, in welchen Wellen arbeitenwir? Ich habe gelesen, in Ungarn gibt es heuer ein Regierungsprogramm. Auchin Österreich gibt es alle paar Jahre eine Initiative, wo verstärkt Geld investiertwird, und wo man sich dem Thema intensiver annimmt. Wir haben im Arbeits-marktservice auch die Möglichkeit, uns selber Ziele zu geben. Wir haben 2006im Burgenland die Integration von Behinderten am ersten Arbeitsmarkt alsLandesziel gewählt. Es ist uns gelungen, mit Hilfe von Einstellförderungen –Lohnzuschüssen, Arbeitsplätzen in Projekten und intensiverer Beratung – 5%mehr Behinderte ins Erwerbsleben zu integrieren. Im Jahr 2006 haben wirinsgesamt 1400 Behinderten helfen können, eine Arbeitsaufnahme zu organisieren.

Im Jahre 2007 haben wir 3,2 Millionen Euro in Qualifizierung, in Weiter-bildung, in Arbeit, in Lohnkostenzuschüsse und in die Finanzierung vonarbeitsmarktpolitischen Projekten investiert, um 4100 Interventionen fürBehinderte zu setzen. Wir haben 1,7 Millionen in Qualifizierungen investiertund 1,3 Millionen in Beschäftigung. 75 Personen haben eine Um- oderNachschulung bei spezialisierten Ausbildungsinstitutionen gemacht und auchdie Arbeitsassistenz ist zum Einsatz gekommen. Wir haben in Eisenstadt eineWerkstätte für Jugendliche, Arbeitslose und Behinderte, die im Rahmen einerSchulung funktioniert, wo sehr viel praktisch gearbeitet wird.

Wir finanzieren gemeinsam mit dem Land – mit dem wir auch sonst sehrgut kooperieren – das arbeitsmarktpolitische Projekt Vamos in Markt Allhaufür Behinderte mit Einstellschein – für Behinderte, die es sehr schwer habenund die eigentlich nicht arbeitsfähig sind, die hier therapiert werden – undauch für Personen, die arbeitsfähig sind und beim Arbeitsmarktservicevorgemerkt werden. Und wir haben für arbeitslose Jungendliche in einemAltersheim in Jennersdorf Arbeitsplätze geschaffen.

Ich habe es schon eingangs erwähnt, es bleibt Handlungsbedarf: Wir habenzu wenig dauerhafte Arbeitsplätze und das wird die Herausforderung der

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nächsten Jahre sein. Wir haben mit Ungarn gemeinsam Überlegungenanzustellen, wie es wirklich gelingt, dauerhafte Arbeitsplätze für unserebehinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu organisieren.

Ich hoffe, dass heute und morgen viele Ergebnisse herauskommen, die wirumsetzen können, die in die Arbeitsmarktpolitik des Arbeitsmarktservice, derLänder und unseren Staaten, Österreich und Ungarn einfließen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Erfolg bei der Tagung!

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FERENC KOVÁCSPräsidentKomitatsvollversammlung des Komitates Vas

Sehr geehrte Damen!Werte Herren!

Ich begrüße Sie recht herzlich hier in Szombathely, dem Komitatssitz von Vas.Mehrfach wurde bereits betont, dass diese Konferenz und die Zusammenarbeitunserer Arbeitsämter bereits zur Tradition geworden sind. Es erfüllt uns mitStolz, dass es uns etwa gelungen ist, eine Kooperation in der regionalenBeschäftigung zu erreichen und im Bereich der beruflichen QualifizierungSysteme zu schaffen, die beiden Ländern und beiden benachbarten Bundes-ländern bei der Suche nach Lösungen für gemeinsame Probleme dienlich sind.

Eines der wichtigsten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit ist dieGewährleistung der Chancengleichheit für behinderte Menschen und ihreberufliche Integration. Es berührt einen ungemein, wenn man nur daran denkt,wie viele Menschen mit welch unterschiedlichen körperlichen und geistigenBehinderungen in unserer Region leben und wie viele es erst in unseremneuen, vereinten, gemeinsamen europäischen Zuhause, der EU, sind. Ihnen einvollwertiges Leben und Auskommen zu sichern, ist nicht nur eine sozialeAufgabe, die mit der Zeit und mit angemessener Verantwortung gelöst werdenmuss, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wir müssen einsehen, dassjede/r von uns zu jedem Zeitpunkt in eine Situation kommen kann, in der er/sieauf die Hilfe der Mehrheit der Gesellschaft angewiesen ist. Diese Verant-wortung, wie sie auch auf dieser Konferenz thematisiert und gelebt wird,bedeutet viel mehr als die Integration von Behinderten als rein arbeitsmarkt-politisches oder soziales Problem.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie anhand der existierenden positiven Beispieleund durch das sich in Ihrem Besitz befindliche hohe Fachwissens derKonferenz Anregungen geben, die den Unternehmen hilft, – natürlich mitstaatlicher Unterstützung – Arbeitsplätze für Menschen mit kleineren odergrößeren Behinderungen bzw. für zu rehabilitierende Menschen zu schaffen.Dadurch gelangen diese Menschen zu einer Beschäftigung, einer Arbeits-möglichkeit, die ihnen ein gesichertes Einkommen ermöglicht und ihnen zueinem vollwertigen menschlichen Dasein verhilft.

Ich verspreche Ihnen, die Konferenz und die entsprechenden Entwicklungenmit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Ich hoffe, dass ich Gelegenheithaben werde, den Konferenzband als die Zusammenfassung des Konferenz-materials zu lesen. Ich verspreche weiters, dass ich versuchen werde, den

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Konferenzband an die Unternehmen und Akteure und Akteurinnen derWirtschaft weiterzuleiten, damit auch sie davon lernen und die wichtigstenSchlussfolgerungen ableiten können.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Konferenz!

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DR. PETER REZARLandesratLandesregierung Burgenland

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Herr Generaldirektor!Werter Herr Bürgermeister, Herr Professor!Liebe Frau Geschäftsführerin!Sehr geehrter Herr Vorsitzender!Werte Konferenzteilnehmerinnen und Konferenzteilnehmer!

Ich freue mich, bei dieser bilateralen Arbeitsmarktkonferenz sein zu können,bei der – wie auch in den vergangenen Jahren – ein sehr spannendes Thema –die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung – von Experten aus Österreichund Ungarn diskutiert wird. Die Konferenzteilnehmer hatten die Möglichkeit,an einer Exkursion nach Markt Allhau zum Verein Vamos – einem integrativenBeschäftigungsprojekt – teilzunehmen. Dieses Integrationsprojekt leistet seitvielen Jahren im südlichen Burgenland sehr wertvolle Arbeit.

Inhalt und Thema dieser Konferenz sollte die Integration von Menschen inden ersten Arbeitsmarkt sein. Es ist die Aufgabe aller arbeitsmarktpolitischenAkteure – ohne Scheuklappen – neue Wege und Instrumente zu finden, wie dieIntegration von Menschen mit Handicap in den ersten Arbeitsmarkt besser vonstatten gehen könnte.

Ich darf mit einem Beispiel, das zeigt wie das nicht passieren darf, einleiten:Die frühere österreichische Sozialministerin Haubner hat Werbespots in

Auftrag gegeben, die zeigen sollten, wie „gut” Menschen mit körperlicherBehinderung in die Arbeitswelt integriert sind. Ein Spot zeigte einengehörlosen Arzt, der vor dem Röntgenschirm erklärte, wie er als Facharztintegriert sei. Ein weiterer Spot zeigte eine junge Frau im Rollstuhl auf demWeg zu einem Meeting. Sie sei eine erfolgreiche Managerin – hieß in diesemWerbespot. Diese Werbespots wurden bereits nach wenigen Tagen abgesetzt.Was waren die Gründe? Der Facharzt war in Wirklichkeit ein gehörloserArchitekt, der schon seit Jahren auf Jobsuche ist. Die erfolgreiche Managerinwar Bürohilfskraft mit beschränkter Einstellungsdauer in einem kleinenGemeindeamt. Behindertenorganisationen, die ein seismographisches Gespürfür die Taten – und auch Untaten – der Politik haben, haben auf diese Faktenaufmerksam gemacht.

Es macht keinen Sinn, der Gesellschaft ein heiles Bild von Menschen mitBehinderung in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft vorzugaukeln. DieMenschen lassen sich nicht mit „schönen Werbspots einlullen”, wenn siewissen, dass die Realität in der Wirtschaft eine vollkommen andere ist.

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Schätzungen der Europäischen Union zufolge kann man von einem Anteilbehinderter Menschen an der Gesamtbevölkerung von etwa 10 % ausgehen.Bei einer Bevölkerung von rund 8,2 Millionen in Österreich, gäbe es somitrund 800.000 bis 850.000 Menschen mit Behinderungen. Im Jahr 2002 führteEUROSTAT eine Befragung mit folgendem Ergebnis durch: 16,4 Prozent derBefragten im erwerbsfähigen Alter gaben an, von einem lang andauerndenGesundheitsproblem oder einer Behinderung betroffen zu sein. In Österreichwaren es 12,8 Prozent. In Österreich ergab die letztmalige Mikrozensuserhebungim Jahr 1995, die auf Selbsteinschätzung der Befragten beruhte, 29,9 Prozent– immerhin rund 2,1 Mio Menschen – seien an irgendeiner Form körperlichbeeinträchtigt. An diesen Zahlen erkennen Sie die Größenordnung und dieVariable, über die wir sprechen.

In der modernen Arbeitswelt wird Behinderung nicht nur als plakativ,sichtbares Phänomen wahrgenommen. Hinzu kommen mittlerweile auchchronische Erkrankungen – wie beispielsweise Stützapparatschädigungenoder Krebs und psychische Erkrankungen als Folge von Stress, Burn-out oderMobbing. Und diese Arten von Erkrankungen sind in der Wirtschaftmittlerweile ebenso ein Ausschließungsgrund für Beschäftigung.

Wir sind mit neuen Handicaps konfrontiert. Für diese gilt es ebensoStrategien zu entwickeln, wie zu akzeptierten Formen der körperlichen undgeistigen Behinderung. Die Veränderungen in der Arbeitswelt und derGesellschaft in den vergangenen vier Dekaden haben dazu geführt, dass sichdie Situation von Behinderten am Arbeitsmarkt verschlechtert hat: In densechziger und siebziger Jahren – einer Phase der Hochkonjunktur undVollbeschäftigung – war es für Menschen mit Behinderung und Einschränkungenin Österreich einfacher, einen geregelten Arbeitsplatz zu bekommen. In denRezessionsphasen und dem generellen Anstieg der Arbeitslosigkeit, stieg auchdie Zahl der arbeitslosen Personen mit Handicap unverhältnismäßig stärker an.

Die Ansprüche der Wirtschaft an Arbeitnehmer im Allgemeinen und dieAnforderungen zu mehr Flexibilität, Mobilität oder einer höheren Qualifikationsind für Personen mit Behinderung, Einschränkungen oder chronischen undpsychischen Erkrankungen kaum beziehungsweise nur noch schwer zuerfüllen. Nur wer 100 Prozent Leistung bringt, wird von der Wirtschaft akzeptiert.

Nach Erhebungen des AMS war jeder siebente Arbeitslose aufgrund einerkörperlichen, geistigen, psychischen oder Sinnesbehinderung als schwervermittelbar eingestuft. Das Risiko der Erwerbslosigkeit zählt bei Menschenmit Behinderung im Erwerbsalter zu den gravierendsten Problemfeldern.

Das Land Burgenland vergibt alle zwei Jahre einen Preis für Betriebe, dieVorbild in der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sind: Es werdenUnternehmen vor den Vorhang gebeten, die Besonderes auf dem Gebiet derberuflichen Integration leisten. Bei diesem „Joboskar” geht es nicht um

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Mitleid oder Wohltätigkeit seitens der Arbeitgeber, sondern um „gelebteIntegration” in den Unternehmungen, die auch die Barrieren in den Köpfen derMenschen abbaut. Es ist wichtig, diesen Betrieben Anerkennung zu zollen, sieauszuzeichnen und sie vor allem in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zurücken, damit die Vorbildwirkung hervorgekehrt wird.

Arbeit ist eine zentrale Vermittlungsinstanz für die sozialen und materiellenChancen in unserer Gesellschaft. Die positive Bewältigung des Lebens miteiner Behinderung wird durch die Faktoren soziale Integration, Qualifikationund Zugang zur Arbeit maßgeblich bestimmt.

Abschließend einige Gedanken an alle Konferenzteilnehmer für dienächsten Tage: Wer steht, der sehe zu, dass er nicht falle. Wer gesund ist, sehezu, dass er nicht erkranke. Wer unbehindert lebt, vergesse nicht, dass auch erplötzlich behindert sein könnte. In diesem Sinne wünsche ich der diesjährigengrenzüberschreitenden Arbeitsmarktkonferenz gutes Gelingen bei der Aus-arbeitung von neuen Strategien, Projekten und Maßnahmen zur Integrationvon Menschen mit Behinderung, Einschränkungen und Krankheiten amArbeitsmarkt.

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DR. GYÖRGY IPKOVICH BürgermeisterStadt Szombathely mit Komitatsrecht

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sehr geehrte Herren Direktoren!Werte Damen und Herren!

Im Namen der Stadt Szombathely begrüße ich Sie, die Konferenzteilnehmer-Innen, recht herzlich. Besonderen Dank sage ich dafür, dass Sie nun – Ihrerfrüheren Vorstellung entsprechend – bereits zum 14. Mal unsere Stadt als IhrenKonferenzort gewählt haben.

Auf den ersten Konferenzen bekam neben den fachlichen Gesprächen diePolitik mehr Raum. Die politische Botschaft war damals das Bedürfnis nachZusammenhalt, gemeinsamen Überlegungen und Aktivitäten, die – bekennenwir uns offen dazu – zu Beginn der 1990er Jahre bahnbrechend waren. Mit derZeit schritt auch der europäische Einigungsprozess voran, so dass sich derCharakter der Konferenz langsam, aber sehr eindeutig in Richtung Arbeits-sitzung gewandelt hat. Wir freuen uns über diesen Wandel, suchen wir dochgemeinsam nach Lösungen für konkrete und gemeinsame Probleme.Besonders die Beschäftigung ist ein Bereich, in dem sich die Einigung nochnicht vollzogen hat und es noch zahlreiche zu lösende Aufgaben gibt.

Die Stadt Szombathely sieht sich nicht nur als Tagungsort dieserKonferenzen, sondern versucht auch, die Erfahrungen und Verfahren, über diesich die ExpertInnen hier austauschen, zu nutzen. Die Themenwahl der letztenJahre betrachtend, lässt sich feststellen, dass sich in der Verwaltung der StadtSzombathely und den von ihr ergriffenen Lösungen und Maßnahmen in Bezugauf den Arbeitmarkt Empfehlungen bzw. Erfahrungen, die gerade aus diesenKonferenzen stammen, widerspiegeln. Als Beispiel seien der Beschäftigungs-pakt, den unsere Stadt als eine der ersten in Ungarn ins Leben gerufen hat, undunsere Ergebnisse hinsichtlich der Beschäftigung von Frauen und einer sich anden Markt anpassenden Berufsausbildung genannt, die in hohem Maße vonden auf diesen Konferenzen dargelegten Einsichten und Lösungsvorschlägenbeeinflusst waren.

Das Thema der heurigen Tagung – Fragen der Beschäftigung vonMenschen mit Behinderung – ist uns ein unmittelbares Anliegen. Ich befindemich in einer glücklichen Situation, waren Menschen mit Behinderung dochschon immer ein besonderes Anliegen der Stadt Szombathely, wie auch dieSituation von sozial Schwachen und deren Betreuung. Ich weiß nicht, warumdas so ist. Vielleicht ist es die Geisteshaltung, das Erbe eines Großen unsererStadt, des Heiligen Martin. Meiner Meinung nach versuchte und versucht die

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Stadt zu jeder Zeit, die entsprechenden Erwartungen zu erfüllen. Traditionellhat sich unser soziales Einrichtungsnetz immer stark weiterentwickelt, und wirsind stolz darauf.

Sehr gefreut hat es mich, als ich hörte, dass Sie nicht nur an den Sitzungenteilnehmen, sondern auch Gelegenheit haben, Aktivitäten kennen zu lernen,die auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken. Von den Arbeiten imeinstigen Gemischtgewerblichen Betrieb bis hin zu den Aktivitäten derheutigen Firma Savaria Nett-Pack hat sich eine Menge praktische Erfahrungangesammelt, die es zu studieren lohnt. Aber nicht nur Erfahrungen könnenwir weitergeben, sondern wir sind auch offen für gute Ideen, Ratschläge undErfahrungen anderer. Ich denke, dass auch diese Konferenz zu Ergebnissenkommen wird, die Szombathely in entsprechenden Aktivitäten nutzen kann.

Erlauben Sie mir, dass ich als Bürgermeister dieser Stadt ein wenig mit ihrprahle. Wenn Sie etwas Zeit haben, bummeln Sie ein wenig durch unserblumengeschmücktes Szombathely, erfreuen Sie sich an den renoviertenPlätzen und Gebäuden und den erneuerten Parkanlagen und genießen Sie diehiesigen Gegebenheiten.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Konferenz und erfolgreiche Arbeit!

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FACHREFERATE

DR. ANTHONY WILLIAMSÖsterreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, WienEuropean Disability Forum, Brüssel

EU-Beschäftigungspolitik für Menschen mit Behinderungen

Das Recht auf Beschäftigung ist für Millionen von Menschen mitBehinderungen, die arbeiten möchten, noch lange keine Realität.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit Behinderungen ohne Arbeit sind,ist zwei bis dreimal so hoch wie für Menschen ohne Behinderungen. Überdiessind die Zeiten der Arbeitslosigkeit länger und die Wahrscheinlichkeit, denArbeitsplatz zu verlieren, ist ebenfalls höher, als für Menschen ohneBehinderungen. Gegenwärtig sind immer noch 78 % von Menschen mitBehinderungen vom Berufsleben ausgeschlossen. Die meisten von ihnen sindvon öffentlichen Zuwendungen abhängig mit der Folge, dass die Einkommenwesentlich niedriger sind als die von Menschen ohne Behinderungen.

Für das Europäische Behindertenforum (Europäischer Dachverband von 50Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU) ist die beruflicheBeschäftigung eine Kernfrage, ohne deren Lösung es keine wirtschaftliche odersoziale Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in Europa geben wird.

Die Barrieren auf dem Weg zur vollen gesellschaftlichen Integration sindvielfältig und hauptsächlich auf Missverständnisse, Fehlinformationen undFehleinschätzungen der Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungenzurückzuführen.

Aus diesem Grund arbeitet das Europäische Behindertenforum aufverschiedenen Ebenen, um entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zuinitiieren, sowie positive Maßnahmen am Arbeitsmarkt zu fördern.

Diese sind im Wesentlichen:• Menschen mit Behinderungen in der EU-Beschäftigungsstrategie• Die Beschäftigungsrichtlinie 2000/98• Die EU-Strukturfonds• Eine allgemeine EU-Richtlinie über die Nichtdiskriminierung von

Menschen mit Behinderungen (Güter und Dienstleistungen)

EU-Beschäftigungsstrategie (Lissabon Strategie)Auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon im März 2000 wurde

die so genannte „Lissabon-Strategie” beschlossen. Ziel war es, die Europäische

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Union zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu machen und bis 2010Vollbeschäftigung zu erreichen. Diese Strategie ruht auf drei Pfeilern:

• Wirtschaft: Übergang zu einer wettbewerbsfähigen, dynamischen undwissensbasierten Wirtschaft.

• Soziales: Modernisierung des europäischen Sozialmodells durchInvestitionen in die Humanressourcen und Bekämpfung der sozialenAusgrenzung.

• Umwelt: Zentraler Aspekt ist die Entkopplung von Wirtschafts-wachstum und Nutzung der natürlichen Ressourcen.

Der Frühlingsgipfel des Rates in 2006 verlangte, dass das Beschäftigungs-niveau von bestimmten Personengruppen, so auch von Menschen mitBehinderungen, angehoben werden muss. Das Europäische Behindertenforumarbeitet ständig daran, dass konkrete quantitative und qualitative Ziele für dieIntegration von Menschen Behinderungen in den Arbeitsmarkt im Rahmen derLissabon Strategie aufgestellt und erfüllt werden.

Die BeschäftigungsdirektiveRichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung

eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung inBeschäftigung und Beruf.

Diese Richtlinie verbietet die direkte oder indirekte Diskriminierung vonMenschen mit Behinderungen aufgrund ihrer Behinderung in Beruf undBeschäftigung.

Europäische StrukturfondsDie Europäische Union hat eine Strategie entwickelt, um Unterschiede

zwischen den Regionen Europas zu verringern und um ihre Entwicklung zufördern. Diese Strategie entwickelt spezifische Finanzierungsinstrumente, wiezum Beispiel die Europäischen Strukturfonds.

Die Strukturfonds betreffen rund 35% des EU-Budgets, dies entsprichtrund 43 Milliarden Euro jährlich. Die derzeitige Periode läuft von 2007-2013.Grundsätzlich bestehen die Strukturfonds aus drei individuellen Teilfonds:

• Europäischer Regionalfonds (Entwicklung der Infrastruktur vonMitgliedstaaten für Innovation, technische und städtische Entwicklung)

• Europäischer Sozialfonds (Entwicklung des Arbeitsmarktes und dersozialen Eingliederung – dieser Fonds bezeichnet ausdrücklich Menschenmit Behinderungen als eine seiner Zielgruppen)

• Europäische Kohäsionsfonds (Umwelt und Transport)Diese Fonds sind zweifellos das wichtigste finanzielle Instrument für die

soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union. Die Strukturfonds üben einen bedeutenden Einfluss auf die Gestaltung der

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politischen Maßnahmen und Weiterentwicklung der EU-Mitgliedstaaten aus.Trotz ihres bedeutenden Einflusses auf das Leben und auf die Lebens-bedingungen von Menschen mit Behinderungen, wurden die Bedürfnisse vonMenschen mit Behinderungen in den vergangenen Programmperiodengrößtenteils nicht berücksichtigt (lediglich im Europäischen Sozialfonds).

Dies hat dazu geführt, dass diese Mittel z. T. für Maßnahmen ausgegebenwurden, die neue Barrieren für Menschen mit Behinderungen geschaffen haben.

Im Jahre 2005 hat das Europäische Behindertenforum eine Kampagnegestartet, um die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mitBehinderungen in den Strukturfonds zu erreichen. Das Ziel war, dass keineMittel aus diesem Fonds ausgegeben werden dürfen, die neue Barrieren fürMenschen mit Behinderungen bewirken.

Die Kampagne war ein großer Erfolg, da es gelungen ist in den allgemeinenBestimmungen für diese Fonds wichtige Kriterien für Menschen mitBehinderungen einzuführen.

Die Mittel dürfen nur unter den folgenden Voraussetzungen ausgegebenwerden:

• Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen• Volle Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen• Verpflichtung die Organisationen von Menschen mit Behinderungen in

den Entwurf und die Auswertung der Maßnahmen einzubeziehen.Ich muss allerdings auf die RICHTLINIE 2000/78/EG DES RATES vom

27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für dieVerwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zurück-kommen. Die Implementierung auf nationale Ebene in den EU Mitgliedstaatenwar kein leichtes Unterfangen. In Österreich hat es erfreulich gut geklappt undman hat zugleich die Gelegenheit ergriffen ein Behinderten-Gleichstellungs-gesetz betreffend Güter und Dienstleistungen zu schaffen (allerdings nurbezüglich Bundesgesetze). Die Tatsache allerdings, dass der Geltungsbereichder Richtlinie auf Beruf und Beschäftigung beschränkt ist, bedeutet Nachteilefür Menschen mit Behinderungen. Die Nichtdiskriminierung im Rahmen vonBeruf und Beschäftigung ist nur ein Stein im Puzzle. Solange zum Beispiel dieVerkehrsmittel nicht zugänglich sind, ist es einem Menschen mit Behinderungenauch zum Teil nur schwer möglich den Arbeitsplatz zu erreichen. Dies giltebenso für Bildung, Wohnen, Kommunikation und Ähnliches.

Schon aus diesem Grund hat das Europäische Behindertenforum bereits imJahr 2003 nach einer umfassenden Nichtdiskriminierungsrichtlinie hinsichtlichBehinderungen gerufen und einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommissionvorgelegt. Dieser Entwurf wurde am Ende des Europäischen Jahres derMenschen mit Behinderungen 2003 dem Präsidenten der EuropäischenKommission, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments sowie der

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damaligen Kommissarin für soziale Angelegenheiten, Diamantopolou,übergeben. Trotz aller Bemühungen war es dem Europäischen Behinderten-forum nicht möglich Fortschritt in dieser Frage zu erzielen.

Inzwischen jedoch haben etliche EU-Mitgliedstaaten entsprechendeNichtdiskriminierungsbestimmungen hinsichtlich Menschen mit Behinderungenauf nationaler Ebene beschlossen (so auch Österreich – Bundes-Behinder-tengleichstellungsgesetz), die allerdings alle inhaltlich unterschiedlich sindbzw. nicht alle Lebensbereiche regeln.

Die Untätigkeit der EU-Stellen führt daher zu einer Ungleichbehandlungvon Menschen mit Behinderungen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.

Aus der Sicht des Europäischen Behindertenforums ist dieser Zustand untragbarund inakzeptabel. Aus diesem Grund wurde die 1Million4Disability-Kampagneins Leben gerufen.

• Ziel: Sammlung von mindestens einer Million Unterschriften, damit dasEuropäische Parlament sich mit diesem Anliegen befassen muss(Grundlage: derzeitiger EU Vertrag).

• Zeitraum: Februar 2007 bis Ende September 2007• Um eine gerechte Verteilung der Arbeit zu erreichen, wurde jedem EU-

Mitgliedstaat eine Mindestzahl an zu erreichenden Unterschriftenzugeteilt.

• Insgesamt wurden in Europa 1.232.000 Unterschriften, entwederphysisch oder online, abgegeben.

Aufgrund des Engagements der Behindertenorganisationen in ganz Europakonnten die Vorgaben überschritten werden.

Am 4. Oktober 2007 fand eine Großkundgebung von mehr als 1.000Menschen mit Behinderungen aus ganz Europa in Brüssel vor dem Gebäudeder Europäischen Kommission statt, bei der die Unterschriften demKommissionspräsidenten Barroso und dem Präsidenten des EuropäischenParlaments, Pötterring, übergeben wurden.

Bei der Generalversammlung des Europäischen Behindertenforums am 5.Oktober 2007 in den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments hat KommissarSpidla zugesagt, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Mitte Mai 2008 hat die Dienststelle des Präsidenten der EU-Kommissionöffentlich bekannt gegeben, dass der Entwurf einer EU-Richtlinie über dieNichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen in Juni vorgelegtwerden wird. Dies bedeutet wiederum den Anfang eines langen Weges(Kommissarkollegium, Ministerrat, Europäisches Parlament, Implementierungs-periode auf nationaler Ebene, usw.).

Uns steht also weiterhin viel Arbeit bevor.

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DR. GYULA PULAYStv. GeneraldirektorÁSZ Institut für Entwicklung und Methodik

Beschäftigung im Fokus einer komplexen Rehabilitation

„Neue Wege in der Beschäftigung vom Menschen mit Behinderung” lautet derTitel der diesjährigen Konferenz. Vor dem Hintergrund des am 1. Januar 2008in Kraft getretenen Gesetzes LXXXIV. aus dem Jahre 2007 und derDurchführungsverordnungen können wir tatsächlich davon sprechen, dass sichin diesem Jahr der Erweiterung der Beschäftigung von Menschen mitBehinderungen beachtliche neue Möglichkeiten eröffnet haben. Aus diesemGrunde möchte ich als an der Ausarbeitung der neuen Richtlinien beteiligterexterner Experte hier skizzieren, welche neuen Wege zu einer komplexenRehabilitation führen. Hinsichtlich der sozialen Integration ist es vonaußerordentlicher Wichtigkeit, dass die Rehabilitation beschäftigungszentriertist, d.h. dass das Hauptziel darin besteht, Menschen mit Behinderung einevollwertige, dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit zu gewährleisten.

Was garantiert die Beschäftigungszentriertheit der neuen Richtlinien?

Unter den neuen Richtlinien möchte ich fünf Faktoren, die dieRehabilitation beschäftigungszentriert machen, hervorheben und anschließendkurz erläutern. Dabei handelt es sich um Faktoren, die

• auf die Rehabilitation als komplexen Prozess abzielen,• der Rehabilitation der Behindertenrente gegenüber den Vorrang geben,• auf Zusammenarbeit beruhen,• den ArbeitgeberInnen eine größere Verantwortung zuordnen,• die aktive Teilnahme der Non-Profit-Organisationen mit voraussetzen.

Die Rehabilitation als komplexer Prozess

Das erwähnte Gesetz definiert die Rehabilitation als komplexes Systemvon medizinischen, arbeitsmarktpolitischen, sozialen, Schulungs- undsonstigen Aktivitäten mit dem Ziel, die Arbeitsfähigkeit von Personen mitBehinderungen wiederherzustellen bzw. die verbliebenen Fähigkeiten zunutzen. Wenn die Rehabilitation als komplexer Prozess betrachtet wird, mussauch zu deren Beginn die Einschätzung des Zustands der zu rehabilitierendenPerson komplex erfolgen. Aus diesem Grunde schreibt das neue Gesetz einneues komplexes Einstufungssystem vor. Das neue Einstufungssystem

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• konzentriert sich nicht auf die verminderte Arbeitsfähigkeit, sondern aufdie verbliebenen Kompetenzen;

• ermittelt das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und dieVeränderungen hinsichtlich der beruflichen Arbeitsfähigkeit;

• fordert eine Begutachtung, die nicht von einer Ärztekommission,sondern von einem Gremium von ExpertInnen für Rehabilitationerfolgt. Dementsprechend erteilt eine aus zwei ÄrztInnen undExpertInnen für Beschäftigung und Sozialfragen bestehende Kommissionihre Beurteilung über die Rehabilitationsfähigkeit, mögliche Richtungender Rehabilitation, Rehabilitationsnotwendigkeiten sowie über den fürdie Rehabilitation benötigten Zeitraum. Detaillierte Richtlinien enthältdie Regierungsverordnung 213/2007 (VIII.3.);

• ermöglicht die Einbeziehung von vom Staatlichen Beschäftigungs-service (im Weiteren: ÁFSZ) benannten ExpertInnen für Sozialfragenund Beschäftigung in die komplexe Einstufung;

• behandelt die Notwendigkeiten zur sozialen und beruflichen Rehabilitationsowie damit verbundene Dienstleistungen im Rahmen eines Systems.Zu deren Abstimmung wurde die Regierungsverordnung 321/2007(XII.5.) über die komplexe Rehabilitation geschaffen. Im Sinne dieserVerordnung bauen im Rahmen der komplexen Rehabilitation die für dieRehabilitation einer behinderten Person notwendigen medizinischen,sozialen und arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen aufeinander auf.

Rehabilitation vor Behindertenrente

Die neuen Regelungen geben der Rehabilitation der Behindertenrentegegenüber den Vorzug. Es heißt darin, dass eine Person, die für dieBehindertenrente im notwendigen Maße gesundheitlich beeinträchtigt ist, aberrehabilitiert werden kann, keine Behindertenrente bekommen sollte, sonderneine Rehabilitationsbeihilfe und während der Zahlung dieser Beihilfe alle zuihrer Rehabilitation notwendigen Dienstleistungen. Die zu Beginn dieses Jahreseingeführte Rehabilitationsbeihilfe ersetzt bei rehabilitierbaren Personen dieBehindertenrente der Stufe III; demzufolge entspricht die Nettosumme der derBehindertenrente. Im Zusammenhang mit dieser neuen Leistung seien folgendeKriterien hervorgehoben:

• Die Begutachtung und Feststellung der Rehabilitierbarkeit ist Aufgabeder im Rahmen der Institution ExpertInnen für Rehabilitation undSoziales (im Weiteren: ORSZI) funktionierenden Kommissionen;

• die Rehabilitationsbeihilfe wird von der Rentenversicherung festgelegtund ausgezahlt;

• die Rehabilitationsbeihilfe kann maximal für die Dauer von drei Jahren

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gewährt werden, eine erneute Festlegung ist nur bei Veränderungen imGesundheitszustand der betroffenen Person möglich;

• bei Zahlung einer Rehabilitationsbeihilfe kommen strenge Einkommens-regelungen zur Anwendung.

Verschaffen wir uns einen kurzen Überblick über die erste (vorbereitende)Phase des Rehabilitationsprozesses, der bis dahin andauert, bis sich die zumBezug einer Rehabilitationsbeihilfe berechtigte Person mit dem Arbeitsamt inVerbindung setzt.

Die gesundheitlich beeinträchtigte Person kann auf dem gleichen Formulardie Feststellung der Behindertenrente und die Rehabilitationsbeihilfe bei derRentenversicherung beantragen. Die Rentenversicherung holt die Beurteilungder RehabilitationsexpertInnen der Institution ORSZI ein, die sich nebenAussagen zum Grad der Gesundheitsbeeinträchtigung und zur Veränderungder beruflichen Arbeitsfähigkeit auch darüber äußert, ob die/der Antrag-steller/in rehabilitierbar ist oder nicht. Die Rehabilitierbarkeit wird in Hinblickauf folgende Bedingungen untersucht:

Verlangt die Inanspruchnahme der Dienstleistungen zur Rehabilitationbzw. die Beschäftigung in in Frage kommenden Berufen von der betroffenenPerson nicht mehr Anstrengungen, als deren derzeitiger Gesundheitszustandzulässt?

Hat die Person Zugang zu den für ihre Rehabilitation grundlegendenarbeitsmarktpolitischen, medizinischen und sozialen Dienstleistungen?

Ist zu erwarten, dass innerhalb der möglichen Rehabilitationsrichtung einJobangebot auf den Plan tritt, das eine Beschäftigung ohne ständige Förderungermöglicht?

Diese drei Fragen lassen sich beantworten, wenn im Vorhinein dieBeschäftigungsrichtung festgelegt wurde, innerhalb derer – unter Berück-sichtigung der verbliebenen Beschäftigungsfähigkeit der betroffenen Person –eine Rehabilitation möglich ist. Bei der Feststellung der Rehabilitations-richtung ist es zweckmäßig, die aktuelle, vor der Gesundheitsschädigungbestehende Qualifikation oder eine andere, der Qualifikation entsprechendeRehabilitation ins Auge zu fassen, wenn das die jeweilige Form derGesundheitsbeeinträchtigung der Person erlaubt und am Arbeitsmarkt dieNachfrage nach solchen Arbeitskräften vorhanden ist. Ansonsten ist dieVorbereitung auf einen neuen Beruf, die Umschulung ein gangbarer Weg:Dazu werden Berufe, Berufsgruppen bestimmt, für die die betreffende Persongeeignet ist bzw. geeignet gemacht werden kann.

Nach der Festlegung der möglichen Rehabilitationsrichtung sind dieRehabilitationsbedürfnisse der jeweiligen Person zu eruieren, ohne die eineRehabilitation keinen Erfolg hat. Die neuen Regelungen differenzieren nachmedizinischen, sozialen und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen. Die

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Fachkommission hat die fundamentalen Notwendigkeiten für die Rehabilitationzu bestimmen, d.h. jene Erfordernisse, ohne die eine Rehabilitationergebnislos bleiben würde.

Die Bedingungen für eine medizinische Rehabilitation wurden bereitsfrüher in Fachgesetzen, Verordnungen und fachlichen Richtlinien fixiert. DieBedingungen für eine soziale und berufliche Rehabilitation sind in der Beilagezur Regierungsverordnung aufgelistet. Die Bedingungen für eine beruflicheRehabilitation z.B. werden folgendermaßen gruppiert:

• Förderung der Rehabilitation im ursprünglichen Tätigkeitsbereich, • Förderung der Rehabilitation im früheren Beruf,• Förderung der Rehabilitation in einem der Ausbildung entsprechenden,

aber nicht ausgeübten Beruf,• Förderung der Rehabilitation in einem Beruf, der Qualifizierung bzw.

Anlernen erfordert.Wie bereits erwähnt, äußert die ExpertInnenkommission für Rehabilitation

ihre Meinung über die mögliche Rehabilitationsrichtung, die Rehabilitations-bedingungen und über die Dauer der Rehabilitation. Aufgrund dieser Expertiseund der Prüfung sonstiger Berechtigungsbedingungen entscheidet die Renten-versicherung darüber, ob der/die Antragsteller/in zum Bezug der Rehabilitations-beihilfe berechtigt ist. Ist dies der Fall, wird darüber ein Bescheid abgefasst,der zusammen mit einer Kopie der Begutachtung der ExpertInnenkommissiondem/der Antragsteller/in postalisch zugestellt wird. Der/die Antragsteller/inwird darin darauf aufmerksam gemacht, dass er/sie zwecks der Rehabilitationmit dem regionalen Arbeitsamt eine Rehabilitationsvereinbarung abzuschließenhat. Bald darauf beginnt die Zahlung der Rehabilitationsbeihilfe. DerAbschluss einer Rehabilitationsvereinbarung ist jedoch nicht Voraussetzungfür die Zahlung der Rehabilitationsbeihilfe.

Die neuen Regelungen basieren auf Kooperation

Im Sinne des erwähnten Gesetzes handelt es sich bei den eine Rehabilitations-beihilfe beziehenden Personen nicht um Arbeitssuchende, aber im Interesse einererfolgreichen Rehabilitation sind sie zur Kooperation verpflichtet. Diese kommtin Form der Rehabilitationsvereinbarung zur Geltung, die die Rehabilitations-beihilfe beziehende Person mit der zuständigen Geschäftsstelle des regionalenArbeitsamtes abschließt.

Die zum Bezug der Rehabilitationsbeihilfe berechtigte Person hat sichinnerhalb von zehn Tagen nach Empfang des Bescheides bei der für ihrenWohnort zuständigen Geschäftsstelle zwecks Abschlusses einer Rehabilitations-vereinbarung zu melden. Das Gesetz verlangt, dass die Rehabilitations-vereinbarung unter Berücksichtigung der oben genannten Expertise und der

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vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Bedingungen der Region zu erfolgenhat. Als Anlage der Rehabilitationsvereinbarung ist ein Rehabilitationsplanbeizufügen. 20–30 Tage stehen zur Vorbereitung dieser Vereinbarung zurVerfügung, weitere 30 für den Abschluss. Die Vorbereitung der Vereinbarungund des Plans bedarf der engen Zusammenarbeit von Arbeitsamt undRehabilitationsbeihilfe-Berechtigtem/r. Alle notwendigen Informationen undRatschläge gibt das Arbeitsamt.

Im Rehabilitationsplan sind mindestens folgende Elemente anzuführen: • die konkrete Richtung der Rehabilitation,• der Bedarf der Rehabilitationsbeihilfe beziehenden Person,• die Auflistung der Rehabilitationsdienstleistungen und deren zeitliche

Abfolge,• die mit der Rehabilitation einhergehenden Förderungen, deren Höhe

und Zahlungsmodus, • die Leistungssolls der eine Rehabilitationsbeihilfe beziehenden Person

sowie die Fristen ihrer Erfüllung,• die Leistungssolls des Arbeitsamtes, Fristen zu ihrer Erfüllung, um die

beruflichen Rehabilitationsdienstleistungen zu gewährleisten, • die Formen der Unterstützung zur Inanspruchnahme von medizinischen

und sozialen Rehabilitationsdienstleistungen.Welche Rehabilitationsdienstleistungen können in den Rehabilitationsplan

mit aufgenommen werden?• Medizinische Rehabilitationsdienstleistungen, die alle im Versicherungs-

system möglichen notwendigen Dienstleistungen umfassen,• soziale Rehabilitationsdienstleistungen, die in der Verordnung aufgrund

des Sozialgesetzes benannt sind (z.B. Familienbeihilfe, Fürsorge,Unterkunftsbeihilfe),

• berufliche Rehabilitationsdienstleistungen: als solche sind aufgrund derRegierungsverordnung über arbeitsmarktpolitische Dienstleistungen, diedurch die Verordnung GM 30/2000 (IX. 15.) modifiziert wurde, zubenennen:

– Arbeitsassistenz,– Beratung für Berufswechsel,– Beratung für Jobsuche,– psychologische Betreuung, – vorausgehende Arbeitsfähigkeitsprüfung,– Jobvermittlung,– MentorIn für berufliche Rehabilitation als „neue” Dienstleistung.

Natürlich lassen sich Arbeitsassistenz, Beratung für Berufswechsel undJobsuche sowie psychologische Betreuung auch zukünftig im Rahmen derbereits eingerichteten Rehabilitationsberatung umsetzen.

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Dem Beschäftigungsgesetz und seiner im letzten Jahr vorgenommenenNovellierung zufolge ist es nun auch für RehabilitationsbeihilfebezieherInnenmöglich, eine Förderung zur Umschulung zu erhalten, den sie beschäftigendenArbeitgeberInnen kann eine Lohnförderung gewährt werden bzw. können sieaus dem Rehabilitationsfonds Förderungen zu Investitionen bzw. zurUmgestaltung des Arbeitsplatzes bekommen. Die Regierungsverordnung177/2005 (IX. 2.) „Über die Budgetförderungen zur Beschäftigung vonbehinderten Personen” und ihre vor kurzem vorgenommene Modifizierungbietet auch die Möglichkeit zur Förderung der Beschäftigung von Personen,die eine Rehabilitationsbeihilfe beziehen. Hauptfinanzierungsquelle werdenEU-Programme sein.

Die komplexe Rehabilitation erfordert die aktive Teilnahme der Non-Profit-Organisationen

Ohne die aktive Beteiligung der Non-Profit-Organisationen kann das neueRehabilitationssystem nicht erfolgreich sein, denn ihre durch den Staat (z.B.durch die regionalen Arbeitsämter) zugekauften oder geförderten Dienstleistungenermöglichen erst eine individuell gestaltete Rehabilitation. Welches sind dieMöglichkeiten auch im weiteren Sinne, die sich vor den Non-Profit-Organisationen auftun? In erster Linie sind dies:

• die Durchführung des MentorInnendienstes für Rehabilitation,• Gewährleistung von Rehabilitationsdienstleistungen (z.B. Rehabilitations-

beratung),• Anschluss an die von der EU finanzierten komplexen Programme,• Mitwirken bei Ausbau von Transitbeschäftigung und sozialer

Wirtschaft.In diesem Zusammenhang möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein in den

erwähnten Dokumenten „neues” Element lenken, und zwar auf denMentorInnendienst. Das Attribut „neu” habe ich deshalb in Anführungs-zeichen gesetzt, weil dieser Dienst in der Praxis bereits existiert, die rechtlicheRegelung jedoch erst jetzt vorgenommen wurde. MentorInnen wurden schonbei vielen benachteiligte ArbeitnehmerInnen betreffenden arbeitsmarkt-politischen Projekten eingesetzt; davon hebt sich allerdings der MentorInnen-dienst für Rehabilitation in gewisser Weise ab. Laut Regierungsverordnungbesteht die Hauptaufgabe des/der Mentors/Mentorin darin, dass er/sie dieRehabilitationsbeihilfe beziehende Person bei der Erfüllung des Rehabilitations-planes unterstützt. Durch Informationen, notwendige persönliche Beratung beider beruflichen Eingliederung, im Bedarfsfall durch persönliche Begleitungunterstützt er/sie die zu betreuende Person dahingehend, dass sie die für siefestgelegten (für notwendig gehaltenen) medizinischen, sozialen und

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beruflichen Rehabilitationsdienstleistungen in Anspruch nehmen bzw. die inFrage kommenden Arbeitsstätten aufsuchen sowie sich im Fall einerAnstellung eingewöhnen kann. Der/die MentorIn hält Kontakt zum/zu derKunden/in und wirkt bei der Beseitigung von Rehabilitationsbarrieren mit.Er/sie signalisiert dem Arbeitsamt, wenn sich Umstände ergeben, die einerUmsetzung der Rehabilitationsvereinbarung im Wege stehen. Gegebenenfallswirkt er/sie bei der Modifizierung der Rehabilitationsvereinbarung mit. Es istoffensichtlich, dass eine derartige Dienstleistung einer geschulten undengagierten Person bedarf, die in erster Linie im Umfeld von mit Behindertenarbeitenden Non-Profit-Organisationen zu finden ist.

Ein/e Mentor/in ist auf jeden Fall zu benennen, wenn• die Beihilfe beziehende Person es wünscht und diese Leistung im

Rehabilitationsplan als grundlegende Rehabilitationsmaßnahme imRahmen der medizinischen und sozialen Dienstleistungen vermerkt ist,oder

• es sich im Rahmen der die Rehabilitationsvereinbarung vorbereitendenKonsultationen mit der Beihilfe beziehenden Person oder der sichanschließenden Rehabilitationsberatungen als notwendig erweist.

Im ersten Fall umfasst der MentorInnendienst den ganzen komplexenRehabilitationsprozess. In letzterem Fall geht es eher darum, dass bei derBeihilfe beziehenden Person Probleme in der Lebensführung sichtbar wurden,die zur Erkenntnis führen, dass der/die Betreffende ohne den/dieRehabilitationsmentorIn nicht in der Lage ist, die Rehabilitationsauflagen zuerfüllen. In allen anderen Fällen entscheidet das Arbeitsamt nach Zweckmäßig-keit und unter Einbeziehung finanzieller Überlegungen über die Benennungeines/r Mentors/in.

Die Rehabilitationsdienstleistungen (z.B. die Rehabilitationsberatung)stellen eine gewichtige Möglichkeit für die sich darauf vorbereitenden Non-Profit-Organisationen dar. Aufgrund seiner eigenen Kapazität ist der ÁFSZnicht in der Lage, diese Dienstleistungen anzubieten, sondern muss eineexterne Einrichtung damit beauftragen.

Es wurde bereits erwähnt, dass zu einem großen Teil die mit der komplexenRehabilitation verbundenen Programme mithilfe von EU-Fördermittelnfinanziert werden. Demzufolge wird es Rehabilitationsförderungen geben, umdie sich in erster Linie Non-Profit-Organisationen bewerben können.

Hauptanliegen der komplexen Rehabilitation ist es, der zu rehabilitierendenPerson die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, mit derZielrichtung, dass diese Person dort auch ohne großzügige und kontinuierlicheFörderung beschäftigt werden kann. Bei Personen mit ernsthaften Behinderungenwird dies nicht in einem Schritt möglich sein. Es wird – wie in Österreich –eine Zusammenarbeit mit Non-Profit-Organisationen erforderlich sein, die der

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zu rehabilitierenden Person in der Übergangsphase eine sog. Transit-beschäftigung gewährleisten oder ihr einen Arbeitsplatz in der Sozial-wirtschaft anbieten.

Die neuen Regelungen verlangen von den ArbeitgeberInnen eine größereMotivation

Bei der Erarbeitung der Regelungen wurde davon ausgegangen, dass dieRehabilitation dann am erfolgreichsten ist, wenn sie bei dem/derArbeitgeber/in der behinderten Person erfolgt. Ohne eine/n engagierte/nArbeitgeber/in kann die Rehabilitation natürlicherweise nicht erfolgreich sein.Aus diesem Grunde bevorzugt das neue Gesetz die Rehabilitation bei dem/derjeweiligen Arbeitgeber/in, indem es einen Kündigungsschutz fürRehabilitationsbeihilfe beziehende Personen in das Arbeitsgesetzbucheinfügte. Der Schutz – außer der Anfangszeit der Erwerbsunfähigkeit – istkeine völlige Sperre, sondern gibt den ArbeitgeberInnen Zeit, sich nachmöglichen Lösungen umzusehen.

Den neuen Regelungen zufolge muss das Arbeitmarktservice, wenn diezum Bezug der Rehabilitationsbeihilfe berechtigte Person eine Beschäftigunghat, die Rehabilitation bei dem/der jeweiligen Arbeitgeber/in in Angriffnehmen. Dazu ist an den/die Arbeitgeber/in anzusuchen, der/die verpflichtetist, auf das Ansuchen zu reagieren. Wenn der/die Arbeitgeber/in die weitereBeschäftigung der Rehabilitationsbeihilfe beziehenden Person sowie damitverbundene Maßnahmen übernimmt, ist die konkrete Richtung derRehabilitation vor diesem Hintergrund festzulegen. Der/die Arbeitgeber/inkann selbstverständlich alle zur Verfügung stehenden Dienstleistungen undFörderungen bekommen.

Zusammenfassend sei betont, dass die neuen Möglichkeiten sowohl diestaatlichen und kommunalen Einrichtungen als auch die Non-Profit-Organisationen und die ArbeitgeberInnen vor zahlreiche neue Aufgabenstellen. Von großer Wichtigkeit ist somit die gute Zusammenarbeit dieserEinrichtungen. Die rechtlichen Bedingungen für eine komplexe Rehabilitationsind gegeben, aber ohne eine ehrliche und kluge Zusammenarbeit allerBeteiligten bleibt selbst das beste Gesetz nur ein beschriebenes Blatt Papier.Auch von Ihnen wird es abhängen, was davon umgesetzt wird!

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DR. GÜNTHER SCHUSTERLandesstellenleiterBundesamt für Soziales und BehindertenwesenBundessozialamt, Landesstelle Wien

Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung in Österreich

Aufbau

Nach einer kurzen Vorstellung der Organisation Bundessozialamt und seinerAufgaben folgt eine Darstellung der rechtlichen Situation im Bereich derberuflichen Integration in Österreich und eine Beschreibung der notwendigenKooperationsbeziehungen. Nach einem Überblick über Strategien undPrinzipien der beruflichen Integration sowie der wesentlichsten Zielsetzungenwird die derzeit bestehende Situation für Menschen mit Behinderungen amArbeitsmarkt beschrieben.

Die Vorstellung des Behinderteneinstellungsgesetzes als zentrale gesetzlicheGrundlage und die Beschreibung der individuellen Förderleistungen aber auchder Projektmaßnahmen geben einen Einblick in die Umsetzung.

Bundessozialamt

Das Bundessozialamt ist eine nachgeordnete Dienststelle des Bundes-ministeriums für Soziales und Konsumentenschutz, hat seinen Sitz in Wienund verfügt über Landesstellen in jedem österreichischen Bundesland. Eserbringt seit vielen Jahren Leistungen für Menschen mit Behinderungen undverfügt damit über umfassendes Wissen zu Bedürfnissen und Lebens-situationen von Menschen mit Behinderungen. Neben den traditionellenAufgaben im Bereich der Sozialentschädigung und den damit verbundenenRentenleistungen stellen heute die Themenbereiche Gleichstellung vonMenschen mit Behinderungen und berufliche Integration den zentralenStellenwert in der Aufgabenvollziehung dar.

Rechtliche Grundlagen der beruflichen Integration in Österreich

Das Bundessozialamt ist nur eine jener öffentlichen Einrichtungen, die mitder beruflichen Integration beauftragt ist. Die Zuständigkeit ist auf 3Ministerien (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit/BMWA, Bundes-ministerium für Soziales und Konsumentenschutz/BMSK, Bundesministeriumfür Gesundheit, Familie und Jugendliche/BMGFJ) verteilt. In der operativen

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Aufgabenwahrnehmung nimmt das Arbeitsmarktservice/AMS (BMWA) diemainstreaming-Funktion wahr, indem die arbeitsmarktpolitischenRegelleistungen auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. DieSozialversicherungsträger (BMSK und BMGFJ) haben umfassende Möglich-keiten der medizinischen aber auch der beruflichen Rehabilitation für ihreVersicherten. Auch die Sozialhilfe- und Behindertenhilfegesetze der Ländersehen Maßnahmen der beruflichen Integration vor allem für junge Menschen mitBehinderung am Übergang Schule/Beruf vor. Das Bundessozialamt ist aber dieeinzige öffentliche Einrichtung, die im Bereich der beruflichen Integrationausschließlich für Menschen mit Behinderung zuständig ist und wo keineweiteren Zugangsvoraussetzungen vorliegen müssen. Im Bereich derSozialversicherung ist jedenfalls das Bestehen eines Versicherungsverhältnisseserforderlich und auch im AMS ist Qualität und Umfang der Leistung oft davonabhängig, ob Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen werden.

Die Kooperationsbeziehungen in der beruflichen Integration

Aus diesen komplexen Zuständigkeiten heraus ist es zwingend notwendig,dass die Rehabilitationsträger sowohl auf der Ebene des Einzelfalles als auchzur Abstimmung von Leistungen kooperieren. Zu den bereits genanntenöffentlichen Einrichtungen kommen hier aber noch die in Österreich sehrbedeutsamen Sozialpartner (z.B. Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung,Arbeiterkammer, Gewerkschaft) aber auch die Unternehmen selbst und die mitarbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen beauftragten Projektträger dazu.Insofern ist die Gestaltung und Aufrechterhaltung einer laufenden undumfassenden Kommunikation zwischen allen am Prozess der beruflichenIntegration beteiligten Akteure eine ständige und schwierige Herausforderung.

Strategische Grundlagen und Prinzipien der beruflichen Integration

Zentrale Grundlage ist das Behindertenkonzept der österreichischenBundesregierung aus dem Jahr 1992, das für alle Lebensbereiche und damitauch für den Arbeitsbereich umfassende gesellschaftspolitische Zielsetzungendefiniert. Dieses Programm wird in regelmäßigen Zeitabständen evaluiert undmit aktuellen Entwicklungen ergänzt. Nach dem Beitritt Österreichs zurEuropäischen Union haben sich die Programmplanungsdokumente inVollziehung des ESF zu wichtigen strategischen Grundlagen der beruflichenIntegration entwickelt, die ihre weitere Umsetzung in nationalstaatlicheAktionsplänen bzw. bundesweite arbeitsmarktpolitische Programmen finden.

Als Prinzipien in der beruflichen Integration kann das Interventionsprinzip(Hilfe zur Selbsthilfe, Unterstützung in schwierigen Situationen) angesehen

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werden, langfristige Betreuungsbeziehungen sind nur mehr sehr selten. DasPrinzip „Rehabilitation vor Rente” hat in den letzten Jahren aufgrund derdemografischen Entwicklungen besondere Bedeutung gewonnen. Die Unter-bringung am ersten Arbeitsmarkt hat mittlerweile deutlichen Vorrang gegen-über einer Beschäftigung in geschützten Werkstätten/integrativen Betrieben.Damit ergeben sich als zentrale gemeinsame Zielsetzung in der beruflichenIntegration für Menschen mit Behinderung die Erlangung bzw. Schaffung vonArbeitsplätzen bzw. die Erhaltung von bestehenden Arbeitsplätzen im Rahmenvon sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnissen am ersten Arbeitsmarkt.

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung inÖsterreich

Dem deutlichen Rückgang der allgemeinen Arbeitslosigkeit (-13% imVergleich zwischen März 2007 und März 2008) steht ein deutlich geringererRückgang bei Menschen mit Behinderung (-2,1%) gegenüber. Damit muss esZiel der Arbeitsmarktpolitik sein, die Entspannung am Arbeitsmarkt auch fürMenschen mit Behinderungen sichtbar zu machen. Gleichzeitig ist der Anteilvon Menschen mit Behinderungen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen mit fast20 % noch immer sehr hoch. Von den etwa 94.000 begünstigten Behindertennach dem Behinderteneinstellungsgesetz stehen etwa 2/3 in Beschäftigung,etwa 6.000 Personen sind arbeitslos gemeldet. Weitere 25.000 Personen stehendem Arbeitsmarkt (meist aufgrund einer befristeten Pensionsleistung) zurzeitnicht zur Verfügung.

Die Ziele und Strukturen des Behinderteneinstellungsgesetzes

Mit diesem Bundesgesetz soll die berufliche Integration von Menschen mitBehinderung in besonderer Weise unterstützt werden. Unabhängig von Art undUrsache der Behinderung richtet sich dieses Gesetz an alle Menschen, derenBehinderung bzw. Erkrankung einen bestimmten Schweregrad (in der RegelGrad der Behinderung 50 v. H.) erreicht. Es erfolgt eine Beurteilung imRahmen eines medizinischen Begutachtungsverfahrens und die Zugehörigkeitzum Personenkreis nach dem Behinderteneinstellungsgesetz wird bescheidmäßigzuerkannt. Dieser Personenkreis hat einen qualifizierten Kündigungsschutz.

Demgegenüber steht eine Einstellungspflicht der österreichischen Wirtschaft,die von der Betriebsgröße abhängig ist. Jedes Unternehmen mit mehr als 25DienstnehmerInnen hat Menschen mit Behinderung zu beschäftigen ansonstenerfolgt die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe (derzeit EUR 213,–) pronichtbesetzter Stelle. Die Gesamtsumme der eingezahlten Ausgleichstaxe(jährlich etwa EUR 80 Mio.) wird zweckgebunden für Maßnahmen der

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beruflichen Integration und damit der Förderleistungen des Behinderten-einstellungsgesetzes verwendet.

Diese Förderleistungen bestehen einerseits aus Individualförderungen, diesich entweder an den/die DienstgeberIn oder die betroffene Person mitBehinderung als FördernehmerIn richten und andererseits aus Projektträgern,die mit der Umsetzung von arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungenbeauftragt werden.

Individualförderungen

Ein zentraler Bestandteil sind Zuschüsse zu den Lohnkosten an jene Betriebe,die Menschen mit Behinderung beschäftigen. Die Förderung kann entwederzeitlich befristet am Beginn eines Dienstverhältnisses (Integrationsbeihilfe) oderbei Gefährdung eines Arbeitsplatzes durch wirtschaftliche Schwierigkeiten desBetriebes (Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe) geleistet werden. Außerdem ist esfür Betriebe möglich, einen Teil der Lohnkosten durch eine Entgeltbeihilfeersetzt zu bekommen, wenn eine individuelle Leistungsminderung vorliegt.

Zusätzlich können technische Arbeitshilfen bzw. die behinderungsbedingteAusstattung und Adaptierung von Arbeitsplätzen gefördert werden.

Für Personen, die öffentliche Verkehrsmittel aufgrund ihrer Behinderungnicht benützen können, gibt es Leistungen zur Unterstützung ihrer Mobilität(Mobilitätszuschuss, Zuschuss zum Erwerb einer Lenkerberechtigung,Zuschuss zum Ankauf eines PKW).

Besondere Bedürfnisse bestimmter Gruppen (z.B. Kostenübernahme beiGebärdendolmetsch für Gehörlose, Mobilitätshilfen für Blinde) könnenebenfalls durch Zuschussleistungen abgedeckt werden.

Auch für die Gründung einer selbstständigen Existenz (Unternehmens-gründung durch eine Person mit Behinderung) kann eine finanzielleUnterstützung geleistet werden.

Projektförderungen

Mit dem Aufbau und der Durchführung von arbeitsmarktpolitischenDienstleistungen werden in der Regel gemeinnützige Organisationenbeauftragt. Die Dienstleistungen sind durch Förderrichtlinien des BMSKdefiniert. Nach einer Konzepterstellung in inhaltlicher und finanzieller Hinsichtund der Durchführung von Vertragsverhandlungen werden in der RegelJahresverträge abgeschlossen. Die Verträge sehen die Übernahme der Personal-und Sachkosten vor und definieren Aktivitäts- und Wirkungsziele (z.B. Zahl derzu betreuenden Personen und Zahl der zu schaffenden Arbeitsplätze). Derneuerliche Abschluss eines Fördervertrages ist daher letztlich erfolgsabhängig.

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Die arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen lassen sich im Wesentlichenin 4 Gruppen zusammenfassen:

1. Begleitende Hilfen Darunter werden Unterstützungsstrukturen (z.B. Arbeitsassistenz,

Integrationsbegleitung, Jobcoaching) verstanden, die eine individuelle Unter-stützung von Menschen mit Behinderung bei der Erlangung eines Arbeits-platzes oder die Unterstützung bei der Erhaltung eines gefährdeten Arbeits-platzes im Sinne einer Krisenintervention vorsehen. Die ArbeitsassistentInnenmüssen die für die jeweilige Zielgruppe notwendigen Kenntnisse undFähigkeiten aufweisen (z.B. Kenntnis der Gebärdensprache für Gehörlose,klinische PsychologInnen für psychisch Kranke).

2. Qualifizierungsmaßnahmen Dabei werden fachliche Qualifizierungen abgestimmt auf Art und Ausmaß

der Behinderung aber auch die Förderung einer persönlichen Entwicklung (vorallem für Jugendliche) finanziert. In den Förderverträgen werden die Kurs-und Ausbildungsmaßnahmen definiert; eine anschließende Unterstützung beider Erlangung eines Arbeitsplatzes in der freien Wirtschaft (Integrations-begleitung) ist in die Ausbildungszeit integriert.

3. BeschäftigungsmaßnahmenDie Projektträger schließen zeitlich befristete Dienstverhältnisse mit

DienstnehmerInnen mit Behinderung ab und haben auch die Aufgabe, amEnde der Beschäftigungszeit durch die Integrationsbegleitung Arbeitsplätzeam ersten Arbeitsmarkt für ihre DienstnehmerInnen zu finden. Die in diesenProjekten erstellten Produkte bzw. erbrachten Dienstleistungen stehen oft auchim Dienste der Allgemeinheit (z.B. Umweltschutz, Entwicklungshilfe,Unterstützung für sozial Schwache).

4. Unternehmensbezogene DienstleistungenMit dem so genannten Unternehmensservice sollen Betriebe losgelöst vom

Einzelfall eine strukturelle Beratung zur beruflichen Integration vonMenschen mit Behinderung erhalten. Derzeit in Vorbereitung steht dieverstärkte Nutzung der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung fürMenschen mit Behinderung.

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PÉTER KEMÉNYStv. HauptabteilungsleiterMinisterium für Soziale Angelegenheiten und ArbeitHauptabteilung für Behindertenwesen und Rehabilitation

Berufliche Rehabilitation in Ungarn

(1)In Ungarn befindet sich die institutionelle Struktur der beruflichen

Rehabilitation im Umbruch. 2006 und 2007 gab es sowohl auf rechtlicher wieauch auf struktureller Ebene beträchtliche Veränderungen hinsichtlich derLenkung dieses Bereichs. Und während die Umstrukturierung wahrhaftig alleEbenen erfassend abläuft, wurden in diesem Zeitraum ebenfalls bedeutendeInnovationen und neue Programme gestartet, um die beschäftigungspolitischeZiele besser erreichen zu können.

Mitte 2006 entstand durch die Verschmelzung des früheren Ministeriumsfür Jugend, Familie und Soziales und des Ministeriums für Beschäftigung dasMinisterium für Beschäftigung und Soziales. Durch die Schaffung diesesMinisteriums wurde es möglich, das – in Fachkreisen bereits seit langemgeplante und geforderte – einheitliche (integrierte) Dienstleistungssystem fürSoziales und Beschäftigung in Angriff zu nehmen. Die für EU-Verhältnissehohe Arbeitslosenquote, der hohe Anteil der Inaktiven, das niedrige Niveauder Steuereinnahmen sowie die wirtschaftlichen Parameter forderten eine neuebzw. wenigstens erneuerte Beschäftigungspolitik ein.

An die Schaffung des neuen Ministeriums schloss die Umgestaltung desbisher auf Komitatsebene fungierenden Nationalen Beschäftigungsdienstes zuregionalen Einrichtungen an; die Aufgabengebiete der früheren 19Komitatsarbeitämter übernahmen sieben regionale Arbeitsämter, die über dasAmt für Beschäftigung und Soziales vom Ministerium für Beschäftigung undSoziales geleitet werden.

Parallel dazu entstand innerhalb des Ministeriums auch ein eigener Bereichzur Gestaltung der beruflichen Rehabilitation: In den Zuständigkeitsbereichder Abteilung für Beschäftigung in der Sektion für Beschäftigungspolitik undErwachsenenbildung fallen jetzt die Themenbereiche Lohnzuschüsse bei derRehabilitation und die Akkreditierung von ArbeitgeberInnen. Die in denZuständigkeitsbereich der Sektion für Sozialpolitik gehörende HauptabteilungFamilie und Soziale Dienstleistungen lenkt die Beschäftigung in den sozialenEinrichtungen und die dazu abrufbaren Richtlinien. Außerdem ist hier das fürden Aufbau des komplexen Rehabilitationssystems verantwortliche Programm-büro für Rehabilitation tätig. Und schließlich koordiniert die zur Sektion für

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Chancengleichheit gehörende Hauptabteilung für Behindertenwesen undRehabilitation die zentralen Programme zur Verbesserung derBeschäftigungschancen von ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen, dieFörderungen zur Schaffung von behindertengerechten Arbeitsplätzen sowiedie fachlichen Aufgaben der beruflichen Rehabilitation beim NationalenBeschäftigungsdienst.

(2)Die Neustrukturierung und die klaren Zielsetzungen der Regierung

veranlassten einen schnellen Start zur Schaffung der rechtlichen Grundlagen.Im letzten Jahr haben sich die Rechtsvorschriften im Bereich der beruflichenRehabilitation erheblich verändert, zwei neue Gesetze und drei neueVerordnungen haben zur Neugestaltung des Bereichs beigetragen.

Von besonderer Priorität war, dass sich auch Ungarn der UNO-Resolutionüber die Rechte von Menschen mit Behinderung anschloss, um diegesellschaftliche Situation behinderter Menschen zu verbessern, die Wahrungihrer menschlichen Würde zu gewährleisten und ihre Chancengleichheit zuverbessern. Auch wenn bereits seit 1998 in Ungarn ein Gesetz zum Schutz derRechte von behinderten Menschen existiert, sichert die im Gesetz XCII ausdem Jahre 2007 verkündete Vereinbarung mit dem dazugehörigenFakultativen Protokoll, die als erstes von Ungarn ratifiziert wurde, eineumfassendere und stärkere Grundlage.

Ein bedeutender Schritt in Hinblick auf die berufliche Rehabilitation wardas Gesetz LXXXIV über die Einführung der Rehabilitationsbeihilfe aus demJahre 2007, durch das in Ungarn neben der Behindertenrente eine neue, aufdrei Jahre befristete Leistung und, damit eng verbunden, ein Dienstleistungs-system zur beruflichen Rehabilitation eingeführt wurde. Dem durch dasGesetz eingeführten System schließen sich die Regierungsverordnung321/2007 (XII. 5.) über die komplexe Rehabilitation, die Regierungs-verordnung 213/2007 (VIII. 7.) über das Landesinstitut für Rehabilitations-und Sozialgutachter und die Regierungsverordnung 387/2007 (XII. 23.) überdie Sozialleistungen für behinderte Menschen an.

Ein beachtliches strategisches Dokument für die Umgestaltung der Strukturwar der Parlamentsbeschluss 10/2006 (II. 16.) über das Neue National-programm für behinderte Menschen, in dessen Punkt 4.3. es heißt, dass „dieaktive Teilnahme behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben in ersterLinie durch die Beschäftigung erreicht werden kann“. Dazu gilt es folgendeAufgaben zu verwirklichen:

1. „Um behinderten Menschen die Beschäftigung auf dem offenenArbeitsmarkt zu gewährleisten, sind die rechtlichen, fachlichen undgegenständlichen Umstände, die dies behindern, zu beseitigen sowie die

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Motivation von ArbeitgeberInnen und behinderten ArbeitnehmerInnenzu fördern.

2. Zur Begünstigung der beruflichen Integration sind die Mittel undBedingungen auszubauen, die ermöglichen, dass mehr behinderteMenschen zusammen mit gesunden arbeiten können.

3. Besondere Aufmerksamkeit im Bereich der Beschäftigung ist den ammeisten benachteiligten Personen, den Personen mit geistigerBehinderung, zu widmen, um ihnen Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.

4. Die Arbeit an den Regelungen über die geschützten Arbeitsplätze sowiean deren sich auf die tatsächlichen Kosten belaufenden Finanzierung istfortzusetzen.

5. Die rechtliche, fachliche, gegenständliche und finanzielle Grundlage fürdie „therapeutische Beschäftigung” von Schwerbehinderten istauszubauen.

6. Die Rehabilitationsaufgaben der ArbeitgeberInnen sind zu klären.7. Durch die Neugestaltung der Rechtslage ist die Beschäftigung aller

arbeitsfähigen Staatsbürger zu ermöglichen.”Die Beschäftigungsziele jedoch können ohne die Umgestaltung des

Begutachtungsverfahrens nicht erreicht werden. Diesbezüglich wurden inPunkt 5.1. des Parlamentsbeschlusses 10/2006 (II. 16.) über das Neue National-programm für behinderte Menschen folgende Aufgaben für die Regierungfestgelegt:

„Komplexe – prozessbezogene – Rehabilitationsbereiche1. Die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sowie die anschließenden auf

Beschäftigung abzielenden, effektiven, komplexen, aufeinanderaufbauenden und einander ergänzenden (gesundheitlichen, beruflichen,mentalen und sozialen) Rehabilitationsmaßnahmen sind auf eine neueBasis zu stellen. Ziel ist, dass es nach der Rehabilitationsphase –während derer eine Rehabilitationsbeihilfe gezahlt werden kann – zueiner Beschäftigung kommt.

2. Das Begutachtungsverfahren zur Feststellung der verändertenArbeitsfähigkeit ist in komplexer Weise unter Berücksichtigung derverbliebenen Arbeitsfähigkeit, der Qualifizierbarkeit, der Qualifikation,des Berufs und des Lebensalters der betroffenen Person neu zugestalten.

3. Die Umgestaltung des medizinischen Begutachtungsverfahrens machtdie Ausarbeitung eines komplexen fachlichen Kriterienkatalogs notwendig,der die Verfassung der betreffenden Person und dabei den Grad derBehinderung, die Hauptrichtungen der notwendigen Rehabilitationsowie die Anwendung der verbliebenen Funktionen gleichermaßen miteinbezieht.

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4. Es ist eine institutionelle Struktur auszubauen, die der sofortigen undkomplexen Rehabilitation von Menschen, die infolge einer Krankheit,eines Unfalls oder aus anderen Gründen Behinderungen erfuhren, dient(z.B. die elementare Rehabilitation für Blinde).“

Diese Zielsetzungen lassensich nur innerhalb eineskomplexen Dienstleistungs-netzes, das die einzelnen Teil-bereiche und Zweige derRehabilitation zu einemSystem verbindet, ver-wirklichen. Dieses Zielspiegelt sich auch im Gesetzüber die Rehabilitations-beihilfe bzw. in sonstigenauf die Entwicklung der

Rehabilitationsdienstleistungen abzielenden Aktivitäten der Hauptabteilungfür Behindertenwesen und Rehabilitation wider. Behinderte Menschen habenin Ungarn das Recht auf Rehabilitation und Zugang zu den diversenRehabilitationsdienstleistungen. Die Entwicklung komplexer Rehabilitations-dienstleistungen jedoch muss einhergehen mit der gesellschaftlichenAkzeptanz, mit dem Mainstreaming-Prinzip des Behindertenwesens und demchancengleichen Zugang zu den Dienstleistungen, d.h. mit dem ungehindertenZugriff auf ein entsprechend präpariertes Umfeld sowie auf Informations-netzwerke und -kanäle.

(3)Zur Erreichung der Zielsetzungen im Parlamentsbeschluss 10/2006 (II. 16.)

über das Neue Nationalprogramm für behinderte Menschen war die Ein-führung der Rehabilitationsbeihilfe eine der bedeutendsten und umfassendstenMaßnahmen.

Mit der Einführung der Rehabilitationsbeihilfe kam es zugleich zu einerNeugestaltung der Begutachtung der Arbeitsfähigkeit. Früher wurde der Gradder Veränderung der Arbeitsfähigkeit – prozentual ausgedrückt – von einemArzt bestimmt. Im komplexen Rehabilitationsverfahren beurteilt ein aus vierPersonen bestehendes Team (ÄrztInnen, ExpertInnen für Soziales undBeschäftigung) die gesamtkörperliche Gesundheitsschädigung sowie dieverbliebene Arbeitsfähigkeit der betroffenen Personen. Dieses Team unterbreitetden Betroffenen einen Vorschlag zum Bezug einer Rehabilitationsbeihilfe,

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stellt dabei die Rehabilitier-barkeit, den Umfang derRehabilitationsbedürfnisseund die Rehabilitations-richtung fest. DiejenigenPersonen, denen das Teamkeine Eingliederung in dasneue System empfiehlt,bekommen auch weiterhin dieentsprechenden Leistungen,finanzielle und naturelleUnterstützungen des sozialen

Fürsorgenetzes und daneben die Behindertenrente.Diejenigen, die eine Rehabilitationsbeihilfe beziehen können, erhalten von

einer Zweigstelle des für ihren Wohnort zuständigen regionalen Arbeitsamtesfür einen Zeitraum von höchstens drei Jahren kostenlose beruflicheRehabilitationsdienstleistungen. Hauptziel dieses Rehabilitationsverfahrens istdie Beschäftigung, wozu das Arbeitsamt seine eigenen beruflichen Rehabilitations-dienstleistungen anbietet (Schulungen, Beratungen usw.), aber den KundInnenauch Dienstleistungen anderer Bereiche zugänglich macht (z.B. sozialeVersorgung), wenn diese zur Rehabilitation notwendig sind; es kann sogar beiNon-Profit-Organisationen Dienstleistungen zukaufen.

(4)Um möglichst viele erfolgreiche Rehabilitationsverfahren abwickeln zu

können, hat die Hauptabteilung für Behindertenwesen und Rehabilitationweitere Entwicklungsmaßnahmen gestartet, mittels derer die Zahl derzugänglichen Dienstleistungen weiter erhöht werden soll.

Unter Berücksichtigung der Kapazität und des Aufgabenprofils derArbeitsämter sowie der Qualifizierungsparameter der Rehabilitations-beihilfebezieherInnen wurde in der Regierungsverordnung 321/2007 (XII. 5.)über die komplexe Rehabilitation eine neue Dienstleistung, der Rehabilitations-mentor, festgelegt.

Als zentrales Element des Rehabilitationsprozesses schließt der/die Reha-Mitarbeiter/in im Arbeitsamt in Zusammenarbeit mit dem/der Rehabilitations-beihilfebezieher/in, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Rehabilitations-beraterInnen, ExpertInnen bzw. FachärztInnen für Arbeitsmedizin, eineVereinbarung und fertigt als deren Beilage einen Rehabilitationsplan an.

Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung kann die behinderte Person zurRealisierung der im Rehabilitationsplan formulierten Ziele die Hilfe eines/rRehabilitationsmentors/in in Anspruch nehmen. Die Mentor-Dienstleistung

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wird grundsätzlich von Non-Profit-Organisationen angeboten. Ihre Aufgabebesteht darin, Informationen anzubieten bzw. unmittelbar Hilfe zu leisten, umdie im Rehabilitationsplan festgelegten Zielsetzungen zu erreichen bzw. dienötige soziale und medizinische Betreuung sicherzustellen. Der Rehabilitations-mentor ergänzt als Dienstleistung die Arbeit des Arbeitsamtes.

Auch wenn seit 1998 in Ungarn das Dienstleistungsnetz zur beruflichenRehabilitation ausgebaut wird, gab es bei der Einführung der Rehabilitations-beihilfe noch keine flächendeckende Kapazität. Aus diesem Grunde wurde inKooperation mit der Landesstiftung für Beschäftigung und der Hochschul-fakultät für Heilpädagogik Gusztáv Bárczi der Universität ELTE einSchulungsprogramm gestartet.

In den letzten Jahrzehnten hat es in Ungarn keine Ausbildung für denFachbereich der beruflichen Rehabilitation gegeben. Deshalb wurden hierSchulungsmaßnahmen auf zwei Ebenen in die Wege geleitet. Einerseits wurdein Zusammenarbeit mit der Landesstiftung für Beschäftigung eine Thematikzu den Fachkenntnissen des Rehabilitationsmentors erarbeitet, die jetzt durchdie Ausarbeitung des Lehrmaterials und Curriculums und durch dieAusbildung der künftigen MentorInnen im Rahmen einer akkreditiertenErwachsenenbildung ergänzt wird; im Anschluss wird die Ausbildung in dasLandesberufsregister eingetragen und somit zu einem Beruf. Andererseitswurde bei der Hochschulfakultät für Heilpädagogik Gusztáv Bárczi derUniversität ELTE die Ausarbeitung eines Bachelorfaches für beruflicheRehabilitation und ein sich daran anschließendes Mastermodul bzw. dieUmsetzung dieser Module bestellt.

(5)Über die Erhöhung der Zahl von Fachleuten hinaus soll auch die in den

letzten zehn Jahren zentral geleitete Entwicklung der Dienstleistungskapazitätausgebaut werden. Behinderten bzw. ArbeitnehmerInnen mit veränderterArbeitsfähigkeit sind mehrere alternative Dienstleistungen zugänglich, derenKapazität aber nicht flächendeckend ist – allerdings nicht nur wegen derfehlenden Fachkräfte, sondern auch wegen der typischen unflexiblenFörderungsstruktur zentraler Programme.

Für zentral gesteuerte Programme ist nämlich charakteristisch, dass dieRegierung unter Einbeziehung einer das Ausschreibungsverfahrenabwickelnden Einrichtung Non-Profit-Dienstleister fördert, die unter derfachlichen Leitung einer Trägerorganisation spezielle Dienstleistungen fürbehinderte ArbeitnehmerInnen anbieten. Diese Vorgehensweise kann sich abernicht den örtlichen Gegebenheiten anpassen und ist hinsichtlich derFinanzierung aufgrund der umfangreichen administrativen Verbindlichkeitenzu schleppend. Dadurch gibt es einerseits Engpässe, andererseits existieren

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zahlreiche Dienstleistungsformen und -typen getrennt nebeneinander, ohnesich zu einem einheitlichen Dienstleistungsnetz zu entwickeln.

Um die Kapazität zu erhöhen und den Zugang flexibler zu machen, sind dieProgramme den regionalen Arbeitsämtern zu übergeben. Dabei sind ihnen dienotwendigen Mittel, die fachlichen Prinzipien und die Auftraggeberposition zugewährleisten. Dadurch kann einerseits das Dienstleistungsangebot denörtlichen Bedingungen angepasst werden und andererseits die Förderung derguten Dienstleister stabilisiert werden. Als Ergebnis dieser Bestrebungenübergibt das Ministerium die Fördermittel an die Region, die für alle Dienstleisterunter Berücksichtigung der regionalen Bedürfnisse der BetroffenenAusschreibungen vornimmt. Die Regionalität und die regionalen Arbeitsämterals Auftraggeber garantieren die Verknüpfung der Dienstleister, d.h. dieHerausbildung eines Netzwerkes.

(6)In den ungarischen nationalen Entwicklungsplan, den Entwicklungsplan

Neues Ungarn, dessen Gesamtbetrag bei über 60 Milliarden Forint liegt,wurden zur Kapazitätserweiterung der mit dem Rehabilitationsbeihilfesystemverbundenen beruflichen Rehabilitationsdienstleistungen sowie zur Steigerungund Gewährleistung der Rehabilitationsqualität auch beachtliche EU-Mitteleingeplant.

1. TIOP 3.3 und ROP Gewährleistung der Chancengleichheit beim Zugangzu öffentlichen Dienstleistungen

2. TÁMOP 1.1 Dienstleistungen für Personen, die in das komplexeRehabilitationsdienstleistungssystem einsteigen

3. TÁMOP 1.2 Berufliche Rehabilitationsdienstleistungen für Arbeit-nehmerInnen mit veränderter Arbeitsfähigkeit

4. TÁMOP 1.3 Institutionelle Entwicklung des Nationalen Beschäftigungs-dienstes

5. TÁMOP 1.4 Entwicklung arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen6. TÁMOP 5.4 Ausbau elementarer Rehabilitationsdienstleistungen7. TÁMOP 2.6 Schaffung eines Akkreditierungsverfahrens für Non-Profit-

DienstleisterDaneben werden aus nationalen Mitteln und dem Teilfonds für

Rehabilitation des Arbeitsmarktpolitischen Fonds Vorbereitungs- undSchulungsmaßnahmen für die im komplexen Rehabilitationsprozessmitwirkenden mehrere tausend ExpertInnen, Informationsangebote fürArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, PR-Programme sowie weiterekleinere Innovationsprojekte finanziert, die zur Verbesserung der Qualität derberuflichen Rehabilitationsdienstleistungen und zur Ausweitung der in dieRehabilitation einbeziehbaren Personen beitragen sollen.

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In einer Zeit des Umbruchs und Wandels bewegt sich eine Struktur stets vonder Geordnetheit zur Ungeordnetheit. Ich hoffe, dass sich die wirtschaftlichebzw. wirtschaftlich-politischen Lage bald dergestalt ändern wird, dass sie dieBeschäftigung begünstigt und zum „ungeordneten Wuchern” neuerArbeitsplätze führt. Ich hoffe aber auch, dass das sich wandelnde beruflicheRehabilitationssystem dabei für alle Betroffenen landesweit zugänglicheDienstleistungen von hoher Qualität, Transparenz und Übersichtlichkeitanzubieten vermag.

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Stv. Hauptabteilungsleiter Péter Kemény stellte dem interessierten Publikum

die Praxis der beruflichen Rehabilitation in Ungarn dar

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ADRIENN GÚRStv. HauptabteilungsleiterinAmt für Beschäftigung und Soziales

Aufgaben und Möglichkeiten des Nationalen Beschäftigungsdienstes(ÁFSZ) in der beruflichen Rehabilitation

Im Folgenden möchte ich eine neue Leistungsform, die Rehabilitations-beihilfe, skizzieren, die für das ÁFSZ damit verbundenen neuen Aufgabensowie die Mittel umreißen, die für die Umsetzung des neuen Fürsorgesystemsunbedingt notwendig sind.

Unter den von der Regierung für das Jahr 2008 in Ungarn angestrebtenZielen gibt es verschiedene Zielsetzungen, denen zu verdanken ist, dass derberuflichen Rehabilitation größere Bedeutung zugeordnet wird. OhneAnspruch auf Vollständigkeit seien hier einige grundlegende Ziele zurUntermauerung des Gesagten genannt:

• Umgestaltung des Fürsorgesystems für Behinderte,• Chancenausgleich im sozialen Bereich, Verbesserung der Lebens-

bedingungen für benachteiligte Personengruppen,• Anreiz zur Jobsuche, Verbesserung der Arbeitsfähigkeit,• komplexe Programme zur Lösung der gravierendsten arbeitmarkt-

politischen und sozialen Problemfelder.Aufgrund der erwähnten Zielsetzungen wird deutlich, dass 2008 der

Beschäftigung von benachteiligten bzw. behinderten Personen eineaußerordentliche Bedeutung beigemessen wird, wobei der beruflichenRehabilitation großes Augenmerk geschenkt wird.

Quelle: Amt für Beschäftigung und Soziales

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2007 hatte das ÁFSZ Kontakt zu 40.551 Jobsuchenden mit veränderterArbeitsfähigkeit. 14.569 Personen – das entspricht 36% der Betroffenen –konnten einen Job finden. Die Zahl derjenigen, die ohne Förderung einen Jobfanden, war im Vergleich zu den Geförderten um 19% höher, was als hoheZahl hinsichtlich der selbstständigen Jobfindung zu werten ist.

Quelle: Nationale Pensionskasse

Am 1. Januar 2007 bezogen 536.974 Personen, das sind 12,7% dererwerbsfähigen Bevölkerung, eine Behindertenrente bzw. -beihilfe. Die Zahlder Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter lag um die 300.000Personen, von denen 114.000 (40%) bewegungsbehindert, 35.000 (12%)sehbehindert und 8.900 Personen (3%) sprachbehindert waren.

Mithilfe von Förderungen zur Schaffung von Rehabilitationsarbeitsplätzenkonnten die Arbeitsämter 2007 bei 227 ArbeitgeberInnen zur Schaffung bzw.zur behindertengerechten Umgestaltung von Arbeitsplätzen für 2.340Personen beitragen. Von den teilnehmenden Organisationen beteiligte sichmehr als die Hälfte zum ersten Mal an den Ausschreibungen.

Obige Angaben verdeutlichen, warum es besonders wichtig ist, dieseGruppe im Auge zu behalten, die schon jetzt zahlenmäßig hoch vertreten istund deren Anzahl sich bedauerlicherweise in den letzten Jahren unablässigerhöhte. In Bezug auf die Verlangsamung bzw. Abbremsung dieser Tendenzkommt der Einführung des neuen Fürsorgesystems eine herausragende Rolle zu.

Die Umsetzung erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Zuerst möchte ich aufErneuerungen bei den Leistungen eingehen, wo mit dem 1. Januar 2008 dasSystem der Rehabilitationsleistungen neu gestaltet und eine neue Leistung, dieRehabilitationsbeihilfe, eingeführt wurde.

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Personen Anteil

wirtschaftlich Aktive 4.222.500 100 %

Zahl der Personen, die eine Behindertenrentebzw. Behindertenbeihilfe beziehen 536.974 12,7 %

Zahl der Behinderten 289.520 100 %

– Bewegungsbehinderte 114.000 40 %

– Sehbehinderte 35.000 12 %

– Sprachbehinderte 8.900 3 %

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Rehabilitationsbeihilfe

In Bezug auf das Fürsorgesystem für Behinderte war es das Ziel, einLeistungssystem zu entwickeln, in dessen Rahmen die Beschäftigung der zurehabilitierenden Personen mittelfristig ein gesichertes Einkommen undAuskommen sichert, das Niveau der Beschäftigung Behinderter anhebt, diefinanziellen Belastungen für Familie und Staat senkt und die Situation derBenachteiligten entschärft.

Die Einführung der Rehabilitationsbeihilfe ist eine neue Maßnahme, dieversucht, Hilfeleistung bei der gesellschaftlichen Integration zu geben, indemder Rehabilitation der Behindertenrente gegenüber der Vorrang gegeben wird.Die Nutzung der verbliebenen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt, der Prozess(in medizinischer, sozialer und beruflicher Hinsicht) wird in seinerKomplexität gesehen, charakteristisch ist weiterhin die Joborientiertheit beiaktiver Beteiligung der Non-Profit-Organisationen und wachsenderBedeutung der ArbeitgeberInnen.

Die Rehabilitationsbeihilfe, die mit dem 1. Januar 2008 aufgrund desGesetzes LXXXIV. aus dem Jahre 2007 eingeführt wurde, ist eine neueLeistung der Sozialversicherung. Das Gesetz sieht eine Zeitdauer für den Bezugeiner Rehabilitationsbeihilfe von höchstens drei Jahren vor. Während dieserZeit können den BeihilfebezieherInnen alle für die Rehabilitation notwendigenDienstleistungen und Förderungen gewährt werden. Es erfolgt basierend aufden verbliebenen Fähigkeiten ihre Vorbereitung auf eine Beschäftigung, dieeine dauerhafte Integration in die freie Wirtschaft ermöglicht.

Im komplexen Begutachtungsverfahren wird über die Rehabilitationschancender betroffenen Person unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes,der arbeitsmarktpolitischen und sozialen Situation entschieden.

Das Ausmaß der Behinderung und die Rehabilitationsfähigkeit werden vomLandesinstitut für Rehabilitations- und Sozialgutachter (ORSZI) festgestellt. ImGutachten werden der Umfang der Gesundheitsbeeinträchtigung, die beruflicheArbeitsfähigkeit, die Rehabilitationsfähigkeit und deren Richtung bzw. fehlendeVoraussetzungen für die Rehabilitationsfähigkeit der einen Antrag stellendenPerson festgehalten. Im komplexen Begutachtungsverfahren finden nebenTreffen mit ÄrztInnen auch Gespräche mit ExpertInnen für Beschäftigung bzw.Soziales statt. Bei der Feststellung der Rehabilitationsfähigkeit erfolgt dieEntscheidung aufgrund der arbeitsmarktpolitischen Situation sowie unterBerücksichtigung der zu erwartenden Entwicklung des Arbeitsmarktes. Die neueLeistung wird denjenigen gewährt, die nach dem Rehabilitationsverfahren guteChancen auf die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt haben.

Die Aktivitäten der Arbeitsmarktverwaltung zur beruflichen Integrationsind eines der wichtigsten Elemente der komplexen Rehabilitation. Während

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der Förderzeit haben die betroffenen Personen mit den Arbeitsämtern zukooperieren. Die Grundlage dieser Kooperation ist eine Rehabilitations-vereinbarung, die beider Seiten Pflichten enthält. In der Vereinbarung sind dieAktivitäten festgelegt, die der Umsetzung der komplexen Rehabilitation undsomit der Rückkehr in den Arbeitsmarkt dienlich sind.

Kriterien einer erfolgreichen Rehabilitation:• komplexes Fachgutachten über die Rehabilitationsfähigkeit,• Umsetzung des Projekts durch den/die RehabilitationsbeihilfebezieherIn,• erfolgreiche medizinische Rehabilitation,• die individuellen Gegebenheiten der rehabilitierten Person ermöglichen

eine Beschäftigung,• der/die ArbeitnehmerIn (basierend auf seinen/ihren verbliebenen

Kompetenzen) erwirbt Qualifizierung, Praxis und Erfahrung zurBewältigung eines konkreten Aufgaben- oder Arbeitsbereichs,

• ein/e ArbeitgeberIn, der/die eine dauerhafte Beschäftigung gewährleistet.

Komplexität in der Aufgabenerfüllung

Für den Nationalen Beschäftigungsdienst ergeben sich neue Aufgaben. Diebereits seit zehn Jahren funktionierende berufliche Rehabilitation wurdehinsichtlich Qualität und Umfang verstärkt und um viele neue Aspektebereichert. In den Kompetenzbereich der Arbeitsämter gelangten Aufgabenwie die Erstellung von mit der komplexen Rehabilitation der Rehabilitations-beihilfe beziehenden Person verbundenen Expertisen sowie die Planung unddie individuenbezogene Umsetzung der Dienstleistungs- und Förderaktivitäten.

Die regionalen Arbeitsämter müssen zur Erreichung einer höherenEffektivität die Kooperation mit den potenziellen ArbeitgeberInnen der Regionverstärken und kontinuierlich gestalten. Ein ständiger Informationsfluss überRehabilitationsmöglichkeiten sowie Strukturen, die die Verfügbarkeit dernotwendigen Dienstleistungen gewährleisten, ist zu garantieren. Daneben sinddie Erfahrungen durch Einbeziehung der ArbeitgeberInnen auszuwerten, umdiese in die Vorbereitung neuer Programme/Projekte einfließen lassen zukönnen. Zu planen und sicherzustellen sind die Mittel für die Dienstleistungenund Förderungen sowie die erfolgreiche Umsetzung der individuellenProgramme mithilfe der MentorInnen wie auch die Zusammenarbeit.

Im Laufe der Aktivitäten haben sich mehrere Zielsetzungen ergeben.Einerseits liegt es im gemeinsamen Interesse der ArbeitgeberInnen derRegion, sich an der Rehabilitation der eigenen MitarbeiterInnen bzw. derArbeitnehmerInnen in ihrem Einzugsgebiet zu beteiligen, indem sie denProgrammteilnehmerInnen Arbeitspraktika ermöglichen. Es ist ausgesprochenwichtig, dass sie bei der Deckung ihres Arbeitskräftebedarfs mit den

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jobsuchenden, qualifizierten, rehabilitierten ArbeitnehmerInnen rechnen.Diese erhöhte Herausforderung an die ArbeitgeberInnen wird durch die seitdem 1. Januar 2008 im Arbeitsgesetzbuch verankerten Modifizierungen gestützt.

Andererseits gilt es, sich um neue Kontakte zu den Non-Profit-Organisationenzu bemühen bzw. bestehende Kontakte zu intensivieren, um problemlos denRehabilitationsmentorInnendienst bzw. die Rehabilitationsdienstleistungen(z.B. Rehabilitationsberatung) gewähren zu können.

Die Verwirklichung der erwarteten Ziele und die als Zielsetzung deklarierteMotivation kann dadurch erreicht werden, dass die Dienstleistungen flexibelund allen zugänglich gemacht werden, so etwa durch mehr Information für Job-suchende und auch durch das Anbieten von personenbezogenen Dienstleistungen.

Mittel für die berufliche Rehabilitation

Neben den Rehabilitationsförderungen aus dem Arbeitsmarktfondsstammen die Mittel für künftige Innovationen und Förderungen aus denoperativen EU-Programmen (2007 – 2013). Die im Rahmen der Rehabilitationbeanspruchbaren Dienstleistungen werden für den Zeitraum 2007 – 2013durch die Maßnahme 1.1 im Operativen Programm für die Erneuerung derGesellschaft (TÁMOP) finanziert, die Bereitstellung des Fachwissens und dieSchaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen sind im Programm TÁMOP1.3 sowie dem sich diesem anschließenden TIOP-Programm enthalten.

TÁMOP: Operatives Programm zur Erneuerung der Gesellschaft• 1.1.1 Das Programm zur Förderung der Rehabilitation und

Beschäftigung von Menschen mit Behinderung arbeitet mit einemBudget von 16,280 Milliarden Forint für 24 Monate:

Quelle: Nationale Agentur für Entwicklung (NFÜ)

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Parameter TypMaß-

einheitMittel Basis Ziel

Häufigkeitder

Evaluation

Zahl der Programm-teilnehmerInnen Input Person

Projekt-bericht

0 9 600 kontinuier-lich

Zahl der erfolg-reichen Programm-absolventInnen

Output PersonProjekt-bericht

0 7 600 kontinuier-lich

Beschäftigte am 180.Tag nach Beendigungdes Programms

Ergeb-nis

PersonFinanzamt

oder Anfrage0 2 500 kontinuier-

lich

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Weil es sich um eine neue Struktur handelt, gehen wir natürlich voneiner schrittweisen Erhöhung der am Programm teilnehmendenPersonen aus (3.600 Personen, 6.000 Personen, 10.000 Personen).

• 1.3. Die Entwicklung des Beschäftigungsdienstes als Teil desintegrierten Beschäftigungs- und Sozialsystems. Dabei treten mit derkomplexen Rehabilitation verbundenen Auffassungen in Erscheinung,wie die Verbesserung des Umgangs mit Behinderten; Perspektiven-wechsel bei den MitarbeiterInnen des Nationalen Beschäftigungs-dienstes; Bereitstellung von Dienstleistungen für Rehabilitations-beihilfebezieherInnen; Schaffung und Umsetzung von strategischenFormen der Zusammenarbeit; Entwicklung und Weiterentwicklung vonDienstleistungen für Behinderte oder Schaffung von Möglichkeiteneiner ungehinderten Kommunikation.

TIOP: Operatives Programm für eine gesellschaftliche Infrastruktur• 3.2. Schaffung einer integrierten Beschäftigungs- und

Sozialdienstleistungsstruktur als für die berufliche Integrationnotwendige infrastrukturelle Entwicklung, Entwicklung des zumBetreiben der integrierten Struktur notwendigen Informatiksystems(Software, Hardware, Netzwerk), Schaffung einer einheitlichenDatenbasis, Schaffung der notwendigen informatischen undinfrastrukturellen Voraussetzungen für die Selbstinformation in denArbeitsämtern.

Fazit

Im Hinblick auf die Umgestaltung des Fürsorgesystems für Menschen mitBehinderungen ist 2008 das Jahr der Einführung, Entwicklung undNeugestaltung. Der Kreis der zu rehabilitierenden Personen nimmt ständig zu,wie auch die Zahl derjenigen, die an einer komplexen Begutachtung beteiligtsind, wodurch die Aufgaben der Arbeitsämter umfangreicher werden. ImInteresse einer erfolgreichen und wirkungsvollen Arbeit sind neue Sehweisenherauszubilden, neue PartnerInnen zu gewinnen und mit einzubeziehen bzw.die neuen finanziellen Mittel effektiv einzusetzen.

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MAG. ROMAN PÖSCHLRegionalleiter OstBBRZ – Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum

Ansätze und Maßnahmen des BBRZ Österreich zur beruflichenRehabilitation von Menschen mit Behinderung

Das BBRZ ist der größte Dienstleister für Maßnahmen der BeruflichenRehabilitation in Österreich. Wir betreiben berufliche Rehabilitation an denvier Standorten Wien, Linz, Kapfenberg und Klagenfurt.

Zielgruppe des BBRZ sind vorrangig Personen mit gesundheitlichenEinschränkungen, die während des Lebens, respektive während derBerufsausübung „erworben” wurden. Was die Behinderungsart betrifft, sostellen Personen mit körperlich Beeinträchtigten mit 42,4% nach wie vor diegrößte Gruppe dar. Innerhalb dieser Gruppe sind wiederum Diagnosen desStütz- und Bewegungsapparates dominant führend. Eine ständig wachsendeZielgruppe sind Personen mit psychischen Beeinträchtigungen mit derzeit25,5%. Im BBRZ Wien ist der Anteil dieser Diagnosen sogar noch wesentlichhäufiger. 32 % aller TeilnehmerInnen sind mehrfach behindert.

Das Rehabilitationsverständnis des BBRZ orientiert sich stark an denLeitlinien der WHO, welches im Kern darauf abzielt, nicht die Behinderungoder Einschränkung in den Vordergrund zu stellen, sondern die Stärkung undden Ausbau der erhaltenen Fähigkeiten und dadurch eine maximalePartizipation der betroffenen Person möglich zu machen.

Entlang des Phasenmodells der Rehabilitation ist das „traditionelle”Angebot des BBRZ der tertiären Rehabilitation zuzuordnen. Allerdings hat dasBBRZ in den vergangenen Jahren vermehrt Aktivitäten in der sekundärenPrävention gesetzt und konnte diesen Bereich immer weiter ausbauen. Vondiesen Maßnahmen der Beratung, Betreuung und Arbeitsplatzerhaltung vongesundheitlich beeinträchtigten Menschen in Beschäftigung (Service Arbeitund Gesundheit) soll an dieser Stelle aber nicht die Rede sein.

Die wichtigsten Partner des BBRZ sind die Pensionsversicherungsanstaltund das Arbeitsmarktservice. Darüber hinaus fungieren auch die AUVA,einige Länder und Privatversicherungen als Auftraggeber.

Die Maßnahmen des BBRZ sind in den verschiedenen Regionenweitgehend standardisiert. Die Basis eines jeden Rehabilitationsprozessesstellt dabei eine eingehende Potenzialanalyse (Berufsdiagnostik). Auf dieserGrundlage wird gemeinsam mit dem/der TeilnehmerIn ein Rehabilitationsplanentwickelt. Diese Planung sichert alle weiteren Schritte des Rehabilitations-prozesses ab. Der Rehabilitationsprozess ist dabei keineswegs auf ein

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Qualifizierungsgeschehen zu reduzieren, sondern wird wesentlich bestimmtdurch die Bereiche: Psychologie, Sozialarbeit, Rehatechnologie, Medizin,Berufskunde und Arbeitsmarktintegration.

Im Jahr 2007 haben an allen Standorten 2693 Personen einen derartigenRehaplanungsprozess durchlaufen. 2026 Personen haben an weiterführendenRehabilitationsmaßnahmen teilgenommen. Ich möchte in der Folgebeispielgebend ein Angebot aus diesen weiterführenden Maßnahmenherausgreifen, das sich als besonders Erfolg versprechend für dieReintegration behinderter Menschen erwiesen hat.

Dieses relativ neue Angebot der arbeitsplatznahen Ausbildungenunterscheidet sich durch seinen überaus hohen Praxisbezug.

Modul 1 dieses Angebotes ist die arbeitsplatznahe Rehabilitations-vorbereitung. In diesem Maßnahmenelement werden nicht nur beruflichePerspektiven entwickelt, sondern auch konkrete Partnerbetriebe zurUmsetzung der weiteren Rehabilitation gesucht.

Im Anschluss dieses Moduls beginnt die eigentliche arbeitsplatznaheAusbildung, die zu 30% in einem Unternehmen absolviert wird. Die Vorteiledieses Modells sind:

• Hoher Praxisbezug der Ausbildung• Steigerung des Selbstvertrauens und der subjektiven Arbeitsfähigkeit• Hoch diversifizierte AusbildungsmöglichkeitenDer größte Vorteil dieser Schulungsvariante ist allerdings die hohe

Integrationsquote, die im mehrjährigen Durchschnitt über 65% liegt und in deraktuellen Hochkonjunktur phasenweise auf über 80% angestiegen ist.

So vielversprechend dieses Modell der beruflichen Eingliederungbehinderter Menschen auch ist, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden,dass es keinesfalls auf alle Personen und alle Branchen Anwendung findenkann. So ist es etwa in hochqualifizierten Bereichen oftmals nötig dieentsprechenden Wissensvoraussetzungen zu schaffen, um eine betriebliche(weiter)Schulung möglich zu machen. Andererseits würden manche Menschenzu Beginn ihrer Rehabilitation von einem arbeitsplatznahen Setting heillosüberfordert.

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PRÄSENTIERTE MODELLE UND PROJEKTE

ROLF SALOVorsitzenderSALO Holding AG

Das SALO-Rehabilitationssystem

SALO + PARTNER ist seit 1991 als privater Anbieter von Arbeitsmarkt-dienstleistungen mit Schwerpunkt im Bereich der beruflichen Rehabilitationerfolgreich tätig.

Wir sind bundesweit an ca. 50 Standorten tätig, unsere Räumlichkeitenbefinden sich jeweils in zentraler Lage und sind mit öffentlichen Verkehrs-mitteln gut zu erreichen. Die Barrierefreiheit unserer Niederlassungen istinsbesondere im Hinblick auf die jeweils relevanten Zielgruppen gegeben (§35 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX).

Das Unternehmen unterhält bundesweit 8 Internate inklusive Voll-verpflegung und zielgruppenspezifischer Betreuung (auch Nachts). Dieseverfügen überwiegend über gut ausgestattete Einzelzimmer mit Bad sowieeigenen Telefon- und Internetanschluss. Die Internate entsprechen den gültigenInternatsrichtlinien der jeweiligen Landesgesetzgebung.

Unsere Arbeit hat stets zum Ziel, den am Arbeitsmarkt benachteiligtenMenschen jegliche Hilfe zukommen zu lassen, die ihre eigenen Kräfte stärkt,um sie so weit wie möglich von den Abhängigkeiten der sozialen Sicherungs-systeme zu lösen. Wir unterstützen Menschen in ihrer beruflichen undpersönlichen Entwicklung, indem wir sie partnerschaftlich fördern undfordern.

Unsere Grundsätze und Maximen sind:• Den Schlüssel zur Person finden• Primat der betrieblichen Lösungen• Individual-integrative Einzellösungen statt Gruppenangebot• Keine festen Berufsbilder (offenes Konzept)• Begleitende Dienste als Hilfe zur Selbsthilfe• Entwicklung und Stabilisierung der individuellen Netzwerke (Arbeit,

Familie und soziales Umfeld)• Behindertengerechte Gestaltung im notwendigen Umfang• Wir beginnen am alten Arbeitsplatz• Integration statt Separation

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Ambulante Ausrichtung mit stationären Bestandteilen

Wir bieten unseren Kunden nachweislich Qualität unter Berücksichtigungdes immer geringer werdenden Mitteleinsatzes. Die SALO-Strategie derAmbulanten Beruflichen Einzel-Rehabilitation (ABE) mit Ausrichtung aufbetriebliche Lösungen und Integration in den 1. Arbeitsmarkt beschreitetUmsetzungswege, die die aktuellen und zukünftigen Bedingungen undMöglichkeiten der verschiedenen Rehabilitationsträger berücksichtigen.

Wir nutzen diesen ambulanten und betrieblichen Weg konsequent, umeinerseits dem bestehenden Kostendruck Rechnung zu tragen und andererseitsdie Ansprüche, beruflichen Erfordernisse und Erwartungen von Unternehmen,Rehabilitationsträgern und Rehabilitanden zusammenzuführen. Die individuellausgerichtete und passgenaue Integration unter dem Aspekt der jeweiligengesundheitlichen Einschränkungen ist unser Zielpunkt. Über diesen Wegverwirklichen wir die Kundenaufträge dauerhaft, stabil und kostenbewusstgemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX.

Diese ambulante Herangehensweise wird von stationären Angeboten in denbundesweit ca. 50 Niederlassungen von SALO + PARTNER ergänzt. ImBedarfsfall können so Teile des Rehabilitationsprozesses (z.B. Weiterbildungs-module) durch Zusammenführung in Teilnehmergruppen effizienter gestaltetwerden. Zugleich können in der Gruppenkonstellation persönliche Fähigkeitenwie Sozialverhalten, Kommunikation, Aufmerksamkeit und Belastbarkeit überangemessene Zeiträume beobachtet und bei Bedarf trainiert werden. Beibestimmten Erkrankungsbildern (z.B. Autisten) ist die Einbindung des Klientenin eine feste Tagesstruktur für einen bestimmten Zeitraum unabdingbar. In derArbeit mit hörgeschädigten Menschen hat sich die Durchführung eines Reha-Vorbereitungslehrganges (i. d. R. max. 4 Monate) zur Abklärung des Hörstatus,der individuellen persönlichen und beruflichen Voraussetzung und derMotivation als richtige Herangehensweise etabliert, da häufig auch Defizite imKommunikationsvermögen (Gebärdensprache) und dem allgemein bildendenBereich ausgeglichen werden müssen.

Bei der Festlegung der individuellen Integrationsstrategie im Rahmen desRehabilitationsmanagements wird eine situationsgerechte Mischung ausambulanten und stationären Modulen zusammengestellt, die eine nachhaltigerfolgreiche Integration in den 1. Arbeitsmarkt ermöglicht.

Durch dieses Vorgehen ermöglicht SALO + PARTNER den Klienten einenlaufenden Einstieg ohne nennenswerte Wartezeiten und einen individuellangepassten Verlauf der beruflichen Rehabilitation.

Unsere Zielgruppen sind:• Schlaganfallpatienten

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• Schädel-Hirn-Verletzte / Schädel-Hirn-Traumata (SHT)• Hörgeschädigte Menschen, Gehörlose• Menschen mit psychischen Handicaps• Menschen mit autistischen Handicaps• Lernbehinderte• Körperbehinderte• Suchtkranke und -gefährdete• Menschen mit sonstigen neurologischen Dysfunktionen (Epilepsie, MS)• Herz- und Kreislaufstörungen• Unfallverletzte und berufsrelevant Erkrankte• HIV / AIDS

Zentren für Berufliche Eignung (ZBE)

Ausgangspunkt der erfolgreichen beruflichen Rehabilitation ist bei SALO+ PARTNER immer eine höchstmögliche Validität in der beruflichenEignungsdiagnose. Basierend auf der Assessment-Center-Technik wenden wireine Methodik an, mit der wir Potentiale und Fähigkeiten der Menschenhocheffizient erschließen. Dazu gehört vor allem ein intensiver fachlicher undpersoneller Einsatz, insbesondere in der Startphase des Gesamtprozesses.Die wesentlichen ZBE-Module sind:

• Dokumentenanalyse, Auswertung der relevanten medizinischenGutachten

• Psychologische Begutachtung (PEU)• Arbeitserprobung und Berufsfindung (ApBf)• Kompetenz- und Feedback-Center• Individuelles Profiling• Arbeitsmedizinische Beurteilung und Belastungserprobung• Neuropsychologische LeistungsdiagnostikIm Rahmen der beruflichen Eignungsdiagnose kommen bei Bedarf

anerkannte Testverfahren zum Einsatz, die durch entsprechend autorisiertesFachpersonal durchgeführt und ausgewertet werden. Die Bewertung derErgebnisse erfolgt grundsätzlich durch Mitarbeiter des jeweiligen Fachdienstes.

Reha-Management: Festlegung Integrationsstrategie

Der SALO-Reha-Coach führt den Rehabilitand als Lotse durch dengesamten Prozess der beruflichen Integration. Er ist als persönlicherAnsprechpartner für die Herstellung und Pflege der notwendigen Netzwerke(Rehabilitationsträger, Arbeitgeber, Fachtherapeuten, Ärzte, soziales Umfeld)sowie für die Organisation und Steuerung des gesamten beruflichen

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Rehabilitationsprozesses verantwortlich. Die Funktion des Reha-Coaches wirdvon Mitarbeitern aller Fachdienste ausgefüllt, die mehrjährige Erfahrung imBereich der Beruflichen Rehabilitation bei SALO + PARTNER haben und mitden entsprechenden Aufgaben und Dokumentationspflichten vertraut sind.

Unter Einbeziehung der unternehmenseigenen Fachdienste organisiert derReha-Coach die jeweils geeignete Form der Eignungsfeststellung und legt aufdieser Basis gemeinsam mit dem Klienten und dem Rehabilitationsträger eineergebnisorientierte Integrationsstrategie fest. Diese erfüllt die Anforderungendes § 35 Abs. 1 Nr.1 SGB IX.

Die Integrationsstrategie beinhaltet die Zusammenstellung der notwendigeninhaltlichen Module (z.B. Weiterbildungsbausteine) sowie die Planungstationärer und ambulanter Phasen und wird ggf. im Verlauf des Umsetzungs-prozesses in Rücksprache mit den Beteiligten situationsgerecht angepasst.

Ausbildung und Qualifizierung (ambulant oder stationär)

SALO + PARTNER bietet für Rehabilitanden berufsbezogene Qualifizierungenin unterschiedlicher Form in allen Berufsbereichen an. Dabei folgen wirunserem Grundsatz und organisieren möglichst große Qualifizierungsanteilein Betrieben sowie den entsprechenden Berufsbildenden Schulen. Zugleicherhält der Rehabilitand in angemessenem Umfang Hilfestellung durch denverantwortlichen Reha-Coach und die jeweiligen Fachdienste.

Dieser betriebliche Weg wird im Bedarfsfall durch überbetrieblichdurchgeführte Schulungsinhalte oder Teilqualifizierungen ergänzt, derenbetriebliche Umsetzung Arbeitgebern und/oder den jeweiligen Rehabilitandennicht zumutbar ist. In Einzelfällen werden geeignete Kooperationspartnereingebunden.

Die Ausbildungsinhalte orientieren sich am Ausbildungskonzept underfüllen die jeweiligen Verordnungen über die Berufsausbildung und denRahmenlehrplan.

Arbeitsmarktintegration

Die Niederlassungen von SALO + PARTNER bieten den Rehabilitandenim Rahmen des Moduls „Bewerbungszentrum” die Möglichkeit, unterAnleitung in den relevanten Medien aktuelle Stellenangebote zu recherchieren,die eigenen Bewerbungsunterlagen zu erstellen bzw. zu aktualisieren und ggf.telefonisch einen ersten Kontakt aufzunehmen.

Betriebliche Praktika sind elementarer Bestandteil des Integrations-prozesses und dienen der betrieblichen Erprobung, der Überprüfung derBelastbarkeit, der gezielten Einarbeitung in neue Tätigkeitsbereiche, dem

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Nachweis des betrieblichen Vorteils trotz vorhandener gesundheitlicherEinschränkungen und nicht zuletzt der ausführlichen persönlichen Bewerbungbei Kollegen und Vorgesetzten.

Der Prozess der Arbeitsvermittlung endet bei SALO + PARTNER nicht mitdem Abschluss eines Arbeitsvertrages. Wir beraten den Arbeitgeberbeispielsweise bei der leidensgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes, bei derBeschaffung von Hilfsmitteln oder im Bedarfsfall bei der Beantragung undBeschaffung einer Arbeitsassistenz.

Den Rehabilitanden lassen wir ebenfalls nicht mit dem Tag derArbeitsaufnahme allein, sondern stehen mindestens während der Probezeit alsAnsprechpartner zur Verfügung und beobachten den Verlauf der Einarbeitung.Genau wie bei möglichen finanziellen Förderinstrumenten der Rehabilitations-träger ist auch die Nachbetreuung durch SALO + PARTNER degressivgestaltet und folgt dem Prinzip der unterstützten Beschäftigung (supportedemployment).

Fachdienste• Sozialpädagogischer Dienst• Psychologischer Dienst (incl. Neuropsychologen GNP)• Vermittlungsdienst• Ergotherapeutischer Dienst• Gebärdendolmetscher• Arbeitsmedizinischer Dienst / Vertragsarzt

Dokumentation/Erfolgsbeobachtung

Der gesamte Rehabilitationsprozess von der Eignungsfeststellung bis zurerfolgreichen Arbeitsmarktintegration einschließlich Nachbetreuung wirddurch die beteiligten Mitarbeiter in der unternehmenseigenen Datenbank„Jobs@SALO” dokumentiert. Zugriff auf die jeweiligen persönlichen Datenhaben ausschließlich die beteiligten Mitarbeiter und Fachdienste. Vor Beginnder Zusammenarbeit wird die entsprechende Einwilligung des Klienteneingeholt. Die Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen ist imeigenen Interesse sichergestellt.

Die Integrationsergebnisse unserer Dienstleistungen im Bereich derberuflichen Rehabilitation werden ebenfalls in der Datenbank „Jobs@SALO”dokumentiert und können sowohl regional als auch zielgruppenspezifischausgewertet werden.

Die Auftraggeber werden über die Erfolge ihrer jeweiligen Maßnahmen inForm von geeigneten Übersichten informiert.

Das Unternehmen SALO + PARTNER dokumentiert die Entwicklung der

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Integrationsergebnisse langfristig und wertet den Verlauf gemäß Qualitäts-managementsystem systematisch aus.Integrationserfolge in den 1. Arbeitsmarkt

• Hörgeschädigte seit 1991 bundesweit 68 %• Psychisch eingeschränkte Menschen 60 %• Langzeitarbeitslose mit Einschränkungen 69 %• Unfallverletzte mit Behinderungen 77 %• Menschen mir neurologischen Einschränkungen 75 %Erhoben 1 Jahr nach Ende der Rehabilitation

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Das SALO-Rehabilitationssystem wurde von Vorsitzendem Rolf Salo (links) und die Job Allianz Steiermark

von Stv. Abteilungsleiter Robert Reitzer (rechts) präsentiert. In der Mitte Moderator Dr. Péter Kovács

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Klassischer Ablauf einer Reha-Maßnahme bei SALO

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Aufnahmeverfahren Erstellen des individuellen Förderplanes

einschließlich des individuellen Integrationsplanes

Modul 1 Berufliche Orientierung

Bas

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ing

Modul 2 Berufliche Stabilisierung

Zwischenbericht + Beratung im Reha-Team

prax

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le Modul 3

praxisbestimmte Teile

Teilfeld- qualifizierung

Anpassungs-fortbildung

Praxis- training

Abschlussbericht + ggf. Beratung im Reha-Team

Integration in Arbeit

Nachbetreuung bei Integration in Arbeit

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ROBERT REITZERStv. Abteilungsleiter Berufliche RehabilitationBundesamt für Soziales und BehindertenwesenBundessozialamt, Landesstelle Steiermark

JobAllianz Steiermark (1999 – 2008)

Gegen Ende der 90-er Jahre konnte europaweit zum allgemeinen Trendrückläufiger Beschäftigungszahlen vor allem eine besorgniserregendeZunahme der Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung festgestelltwerden. Sie zählen nämlich zu jenen Gruppen, die am stärksten von denAuswirkungen des strukturellen Wandels und dem zunehmenden Verdrängungs-wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt betroffen sind.

Analysen zu dieser Entwicklung und Erkenntnisse, die in den letztenJahren in den Ländern der Europäischen Union in Zusammenhang mitunterschiedlichen integrationsunterstützenden Maßnahmen und Bemühungengewonnen werden konnten, zeigten klar auf, dass insbesondere dieArbeitgeberInnen eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, dieArbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung zu erhöhen.

Dass viele Projekte und Maßnahmen für benachteiligte Personengruppeneinen unmittelbaren Bezug zum ersten Arbeitsmarkt aufweisen (wiebeispielsweise Arbeitsassistenz, Jobcoaching u.a.), machte zusätzlich deutlich,wie wichtig es ist, Dienstgeber und Dienstgeberinnen als Kooperationspartner-Innen zu gewinnen. Demzufolge sollten zukünftige Strategien und Konzeptediese entscheidende Rolle der ArbeitgeberInnen stärker berücksichtigen. Vorallem die nach wie vor gering ausgeprägte Bereitschaft vieler Unternehmen,Menschen zu beschäftigen, die in irgendeiner Form physisch, psychisch, geistigoder sozial benachteiligt sind, stellt die primäre Hürde für eine verbesserteberufliche Eingliederung benachteiligter Personengruppen dar. Einenwesentlichen Anteil an dieser vielfach vorherrschenden negativen Grundhaltungbei DienstgeberInnen haben massive Informationsdefizite und Vorurteile sowohlüber die Einsetzbarkeit und Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungals auch über rechtliche Belange einer Beschäftigung dieser Personen.

Die Reflexion der Erfahrungen mit unterschiedlichen Maßnahmen für amArbeitsmarkt benachteiligte Personengruppen hat aber auch die Notwendig-keit einer verbesserten Kommunikation und intensiveren Kooperation aller amIntegrationsprozess beteiligten Akteure (Gebietskörperschaften, Sozialpartner,Fördergeber, Trägerorganisationen etc.) deutlich aufgezeigt. Vor allem einestärkere Koordination der verschiedenen Aktivitäten ist dringend erforderlich,um für Menschen mit Behinderung und DienstgeberInnen klare Strukturen

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über spezifische Angebote und Zuständigkeiten zu schaffen und damit dieEffektivität der Integrationsbemühungen insgesamt zu steigern.

Österreichische ExpertInnen, die sich an diesem Analyse- und Diskussions-prozess im Rahmen einer transnationalen Fokusgruppe beteiligten, nahmendiese Erkenntnisse als Grundlage für die Entwicklung eines Modellprojektes,das im Hinblick auf seine vorrangigen Zielsetzungen – mehr Arbeitsplätze fürMenschen mit Behinderung und eine enge Zusammenarbeit aller maßgeblichenAkteure im Bereich der beruflichen Integration – den Namen JobAllianzerhielt. In Gesprächen mit den Bundessozialämtern wurde die Steiermarkausgewählt, um die JobAllianz als ein vorerst auf ein Jahr begrenztesPilotprojekt umzusetzen.

1999 wurde die JobAllianz in zwei steirischen Regionen (Juden-burg/Knittelfeld und Hartberg/Weiz) gestartet. Die verschiedenen Aktivitäten, diein diesem ersten Projektjahr (persönliche Firmenkontakte, Unternehmer-stammtische, Vernetzungstreffen etc.) zur Initiierung eines neuen konstruktivenDialoges mit den DienstgeberInnen der Regionen und zur Vernetzung derregionalen Einrichtungen und Projekte für Menschen mit Behinderungdurchgeführt wurden, fanden bei den Zielgruppen unterschiedliche Akzeptanzund hatten auch nicht immer jenen Erfolg, den man sich erwartet hatte.

Insgesamt gesehen waren aber die Erfahrungen mit diesem neuen,kommunikations- und kooperationsorientierten Ansatz der JobAllianz durchauspositiv und in einigen Punkten sogar sehr vielversprechend. Insbesondere dieIdee, gute Beispiele für eine berufliche Integration von Menschen mitBehinderung herauszustreichen und einer breiten Öffentlichkeit bekannt zumachen, indem vorbildlich engagierte DienstgeberInnen in der Region für ihreLeistungen mit einem Preis – dem JobOskar – ausgezeichnet werden, wurdenicht nur von vielen Unternehmen sehr positiv aufgenommen sondern fandauch große Beachtung in den regionalen Medien.

Ende 1999 wurde die JobAllianz von der Landesstellenleiterin desBundessozialamtes Steiermark, Drin Margareta Steiner, als eines von fünfeuropäischen „best-practice” Beispielen in Brüssel präsentiert. Diesesinternationale Interesse war eine Bestärkung darin, das „Experiment JobAllianz”fortzusetzen und regional auszuweiten. Im Projektjahr 2000 war erstmals auchdie Landeshauptstadt Graz ein Zielgebiet der Aktivitäten der JobAllianz.

Die Mittel der Beschäftigungsoffensive der österreichischen Bundes-regierung für Menschen mit Behinderung („Behindertenmilliarde”)ermöglichten es schließlich im darauf folgenden Jahr 2001, die JobAllianz alseines der Leitprojekte des Bundessozialamtes in allen Regionen derSteiermark zu etablieren.

Diese einzigartige Kommunikations- und Kooperationsinitiative wirdmittlerweile von allen maßgeblichen Stellen in der Steiermark unterstützt. Das

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Arbeitsmarktservice, die Wirtschaftskammer, das Sozial- und das Wirtschafts-ressort des Landes und nicht zuletzt die Landeshauptstadt Graz haben sich derJobAllianz angeschlossen und stehen hinter ihrem zentralen Anliegen undZiel: Eine stärkere berufliche Integration von Menschen mit Behinderung.

Die JobAllianz ist als regionales Kooperations- und Kommunikations-projekt konzipiert, auf die Bedürfnisse der Regionen zugeschnitten undversucht dementsprechend bei vorhandenen Ressourcen anzusetzen. Mit derkonkreten Umsetzung der JobAllianz hat das Bundessozialamt Steiermarkdaher von Anfang an bekannte steirische Trägerorganisationen im Bereich derBehindertenarbeit betraut, die über viel Know-how und Erfahrung bei derberuflichen Integration von Menschen mit Behinderung verfügen und solide inden einzelnen Regionen verankert sind.

In den letzten Jahren hat sich die JobAllianz aber nicht nur vom kleineninnovativen Pilotprojekt zu einem überregional bekannten Leitprojektverändert, parallel dazu erfolgte auch eine inhaltliche und organisatorischeWeiterentwicklung und Professionalisierung des Projektes. Die Erfahrungender ersten Jahre wurden in ein einheitliches Umsetzungskonzept mit präzisenZielen und einem klar definierten Dienstleistungskatalog eingearbeitet.

Allgemein will die JobAllianz mit all ihren Aktivitäten einen Beitrag zurVerbesserung der beruflichen Chancen von Menschen mit Behinderung leisten:

• Über kontinuierliche persönliche Kontakte und intensive Öffentlich-keitsarbeit in den Regionen sollen Informationsdefizite und Vorurteilebei steirischen DienstgeberInnen und in der Öffentlichkeit abgebaut unddadurch die Bereitschaft erhöht werden, Menschen mit Behinderung inBeschäftigung zu nehmen.

• Die gesellschaftlichen vor allem aber die betrieblichen Nutzeffekteeiner beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung sollenaufgezeigt und damit neue Arbeitsplätze und Beschäftigungs-möglichkeiten für diese Personengruppe erschlossen werden.

• Durch die Verleihung des Steirischen Integrationspreises (vormalsJobOskar) sollen gute Beispiele (best practice) für eine Arbeits-integration von Menschen mit Behinderung einer breiten Öffentlichkeitbekannt gemacht werden.

• Die JobAllianz will durch intensive Vernetzung auf regionaler undüberregionaler Ebene die Zusammenarbeit zwischen DienstgeberInnen,den Institutionen, Einrichtungen und Akteuren, die im Feld derberuflichen Integration von Menschen mit Behinderung tätig sind,forcieren.

Bisherige Bilanz und AusblickWie kaum einem anderen Projekt ist es der JobAllianz in den letzten Jahren

gelungen regionale, nationale und sogar internationale Bekanntheit zu

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erlangen. Insgesamt mehr als 600 Artikel und Beiträge über Aktivitäten derJobAllianz in regionalen und überregionalen Printmedien sowie TV- undRadioporträts zeigen, wie erfolgreich die Öffentlichkeitsarbeit für diesesProjekt bisher war.

Eine beeindruckende Größenordnung weisen auch andere Leistungsdatenauf: Mehr als 5000 persönliche Kontakte mit steirischen DienstgeberInnen zuunterschiedlichen Aspekten einer Beschäftigung von Menschen mitBehinderung und mehr als 250 kleinere und größere Veranstaltungen zumThemenfeld Arbeit und Behinderung wurden von den MitarbeiterInnen derJobAllianz bisher durchgeführt.

Besonders eindrucksvoll ist, in welchem Ausmaß es gelungen ist, die Ideevorbildlich engagierte Unternehmen auszuzeichnen, zu entwickeln. DerSteirische Integrationspreis ist mittlerweile eine begehrte Auszeichnung bei densteirischen DienstgeberInnen und ein Gütesiegel für praktizierte Chancengleich-heit von Menschen mit und ohne Behinderungen in einem Unternehmen.

Bis Ende 2007 stellt die Kontaktarbeit mit steirischen DienstgeberInnenden Schwerpunkt der Aktivitäten der JobAllianz dar, wobei sich dieJobAllianz mit ihrem Informations- und Beratungsangebot grundsätzlich analle DienstgeberInnen unabhängig von der Art und der Größe desUnternehmens wendete.

Mit 2008 wird ein Großteil der bisherigen Aktivitäten der JobAllianz inRichtung Betriebe von einem neu installierten Unternehmensserviceübernommen, das österreichweit einheitlich umgesetzt vor allem Klein- undMittelbetrieben ein umfangreiches und kostenloses Informations- undBeratungsangebot rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungbietet. Diese Erweiterung im Leistungsspektrum des Bundessozialamtesmachte eine inhaltliche und konzeptuelle Neuausrichtung der JobAllianzerforderlich, wobei das Bundessozialamt Landesstelle Steiermark vor allemjene Leistungen und Aktivitäten der JobAllianz, die bisher einen wesentlichenBeitrag zur Sensibilisierung steirischer DienstgeberInnen sowie zurInformation und zu einem kontinuierlichen Erfahrungsaustausch allerrelevanten Akteure im Feld „Arbeit und Behinderung” geleistet haben und diedurch das neu installierte Unternehmerservice nicht abgedeckt werden,weiterführen und ausbauen will. Die JobAllianz wird sich in Zukunft auf dieZielgruppe der Gemeinden und öffentlichkeitsnahen Betriebe konzentrierenund sich vor allem darum bemühen, die Vernetzung der regionalen Akteureund der Angebote für Menschen mit Behinderung zu intensivieren. Diegeplante enge Zusammenarbeit von neuem Unternehmensservice undJobAllianz-neu optimiert das Angebotsspektrum und wird einen wesentlichenBeitrag zur Verbesserung der beruflichen Integration von Menschen mitBehinderung in der Steiermark leisten.

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VAMOS – VEREIN ZUR INTEGRATIONA – 7411 Markt Allhau 19Tel.: 0043 3356 7772-0, Fax: 0043 3356 [email protected] www.vereinvamos.atKontaktperson: Geschäftsführerin Gabriele Huterer

vamos – Verein zur Integration ist ein gemeinnütziger Verein, der sich derIntegration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen in alleLebensbereiche befasst. Der Verein arbeitet im südlichen Burgenland und hatStandorte in Markt Allhau, Windisch-Minihof und Jennersdorf.

Bei vamos arbeiten an den drei Standorten (Markt Allhau, Windisch-Minihof, Jennersdorf) insgesamt ca. 190 Personen. Diese setzen sich aus denSchlüsselkräften, den Klient/innen und zwei Zivildienern zusammen.

Die Schlüsselkräfte sichern die betrieblichen Strukturen und schaffeneinen Rahmen für persönliche Entfaltung der Klient/innen. Das Team bestehtaus zwei Geschäftsführerinnen, 25 betrieblichen und 15 pädagogischenMitarbeiter/innen. Der Verein legt großen Wert auf bestmöglicheQualifizierung jeder Schlüsselkraft. So wird allen Mitarbeiter/innen laufendumfangreiche Fortbildung angeboten, Supervision findet monatlich statt.

Die Klient/innen – Menschen mit besonderen Bedürfnissen – können unter-schiedlichste Unterstützungsangebote in vielen gesellschaftlichen Bereichennutzen.

Die vereinseigenen Betriebe dienen zur Qualifizierung und beruflichenEingliederung von arbeitslosen Personen mit und ohne Behinderung in denBereichen: Tischlerei, Küche, Konditorei, Öffentlichkeitsbereich (Veranstaltungenund Verkauf), Landschaftspflege, Rechnungswesen und Verwaltung. In allenBetrieben werden Produkte hergestellt und Dienstleistungen durchgeführt, dieam freien Markt Absatz finden bzw. gebraucht werden. Es wird großer Wertauf Strukturen gelegt, wie sie auch in der freien Wirtschaft zu finden sind.Gleichzeitig wird laufend an der hohen Qualität der Produkte und Dienstleistungengearbeitet. Diese beiden Faktoren sichern eine bestmögliche Qualifizierungund Vorbereitung auf einen beruflichen Wieder- bzw. Einstieg der Klient/innen.Die Erlöse sichern zusätzlich einen beträchtlichen Teil der Vereinsaktivitäten.

Folgende vermittlungsorientierte Dienstleistungen werden angeboten:Arbeitsassistenz, Arbeitsassistenz für Jugendliche, Clearing, Berufs-ausbildungsassistenz, Jobcoaching, Familienberatung für Integration. Dievermittlungsorientierten Dienstleistungen bieten allen Altersgruppen Beratungund Begleitung bei beruflicher Integration im Raum Oberwart.

Weiters bietet vamos Trainings an: In Markt Allhau und Windisch-Minihofkönnen Klient/innen in den vereinseigenen Betrieben unterschiedlichste

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Trainings mit dem Ziel der beruflichen Integration nutzen. Sie sind beschäftigtals Transitarbeitskräfte, Anlehrlinge, Lehrlinge oder gehen einer Beschäftigungim Rahmen der Beschäftigungstherapie bzw. einer Arbeitserprobung in einemder vereinseigenen Betriebe nach.

Die Schwerpunkte der Familienberatungsstelle sind: Unterstützung zurIntegration und der Zugang von Familien mit behinderten Angehörigen sowiebehinderten Personen in alle gesellschaftlichen Bereiche. Im Bereich derFamilienberatung für Integration am Standort Markt Allhau kann jeder bzw.jede eine unverbindliche, kostenlose und anonyme Beratung zum ThemaIntegration in Anspruch nehmen. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsenefinden Unterstützung und Begleitung in vielen Bereichen des täglichen Lebensdurch die Integrationsbegleitung in den drei südlichen Bezirken desBurgenlandes. Im Rahmen der Integrationsbegleitung wird auch mehr oderweniger betreutes Wohnen für jugendliche Menschen angeboten. DieseDienstleistung ist im Entstehen und wird als wichtiger Teil einer Erweiterungder zukünftigen Dienstleistungen gesehen.

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Die ungarischen KonferenzteilnehmerInnen besuchten den Verein vamos

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HLF GESMBH HOLZ UND HANDELH – 9831 Bérbaltavár, Béke u. 3.Tel./Fax: 94/575-044E-Mail: [email protected]: Diána Kiss Kovács

Die HLF GesmbH Holz und Handel ist Rechtsnachfolgerin der 1997gegründeten HLF KG Holz und Handel. Im Jahre 2003 hatte sich die Firmaderartig entwickelt, dass es möglich wurde, die UNternehmehnsform zuändern und zu einer GesmbH zu werden. Die Firma wurde von italienischenEigentümern gegründet, die sie auch bis zum heutigen Tage leiten.Eigentümer der Firma: Locatelli Roberto 80% Eigentumsanteil

Locatelli Severino 20% EigentumsanteilGeschäftsführer: Locatelli Severino

Die GesmbH Holz beschäftigt sich von Beginn an mit der Verkleidung vonFußböden, insbesondere mit der Fabrikation von Parkett. Industrie- undNutzapfen-Parkett werden hergestellt. Die Produkte sind auf deminternationalen Markt gefragt.

Seit Oktober 2002 beschäftigt die HLF GesmbH ArbeitnehmerInnen mitBehinderung, da die Produktion von Parkett ein leichter Arbeitsprozess ist,können darin auch ArbeitnehrInnen mit veränderter Arbeitsfähigkeitmiteinbezogen werden. Die Firma ist außerordentlich zufrieden mit der Arbeitdieser ArbeitnehmerInnen, so dass bereits seit 6 Jahren Behinderte in dieProduktion mit eingebunden sind. Bis zum heutigen Tag haben wir bezüglichder behinderten ArbeitnehmerInnen einen Anteil von 100% an der Gesamtzahlder Beschäftigten erreicht.

In den letzten vier Jahren hat sich die durchschnittliche statistischeBeschäftigtenzahl der HLF GesmbH folgendermaßen entwickelt:

• 2004: 36 Personen, davon statistische Beschäftigtenzahl der behindertenArbeitnehmerInnen: 34 Personen

• 2005: 32 Personen, davon statistische Beschäftigtenzahl der behindertenArbeitnehmerInnen: 31 Personen

• 2006: 29 Personen, davon statistische Beschäftigtenzahl der behindertenArbeitnehmerInnen: 29 Personen

• 2007: 48 Personen, davon statistische Beschäftigtenzahl der behindertenArbeitnehmerInnen: 48 Personen

Gegenwärtig beschäftigt die HLF GesmbH 50 Personen, von denen alle 50behinderte ArbeitnehmerInnen sind.

Eine große Hilfe sind für uns die Non-Profit-Organisationen, die uns dieArbeitskräfte vermitteln.

Vor kurzem wandte sich unsere Firma einem neuen Tätigkeitsbereich zu,mit dem wir uns in den letzten Jahren noch nicht beschäftigten. Die Tätigkeit

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ist eigentlich eine Lohnarbeit, in deren Rahmen wir Schutzhelme fürMotorradfahrer grundieren. Die Arbeitsgänge sind sehr einfach: DieArbeitnehmerInnen schmirgeln sitzend mit einem Schleifpapier diegestrichenen Helme ab, so dass die Bewältigung dieser Aufgabe für sie mitkeinerlei Belastung verbunden ist. Zurzeit sind in diesen Tätigkeitsbereich 25Personen eingebunden, die anderen 25 Arbeitskräfte arbeiten im Bereich Holz.Wir sind zuversichtlich, dass dieser neue Tätigkeitsbereich von Erfolg gekröntsein wird und wir weitere Arbeitskräfte einstellen werden können.

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Die Podiumsdiskussion wurde von Geschäftsführer Dr. Walter Reiter moderiert (Mitte). Neben ihm

Betriebsleiter János Gyebrovszki, Expertin Judit Lechner-Vadász, Vorsitzender Karl Peter Fuß,

Landesgeschäftsführerin HR Claudia Finster und Obfrau Mag. Gabriele Krainz (v. l. n. r.)

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PODIUMSDISKUSSION

DiskutantInnen:• Obfrau Mag. Gabriele Krainz, Verein in.come• Landesgeschäftsführerin HR Claudia Finster, AMS Wien• Vorsitzender Karl Peter Fuß, Regionaldirektion Sachsen der

Bundesagentur für Arbeit• Judit Lechner-Vadász, Expertin für berufliche Rehabilitation, Amt für

Beschäftigung und Soziales• Betriebsleiter János Gyebrovszki, Betrieb Savaria Nett-Pack der

Gemeinnützigen Gesellschaft Fôkefe

• Moderation: Geschäftsführer Dr. Walter Reiter, L&R Sozialforschung

Dr. Walter ReiterMeine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich sehr, dass auch dieser zweite Tag der Konferenz so großesInteresse findet. Gerne möchte ich nun unsere Podiumsdiskussion zum Thema„Wie können die Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderungerhöht werden?” eröffnen. Eine Podiumsdiskussion zum Abschluss einerKonferenz ist immer eine gute Möglichkeit, noch einmal auf wichtigeKriterien, Probleme und Mängel hinzuweisen. Dass alle gezeigtenPräsentationen gute Beispiele sind ist selbstverständlich. Vor diesemHintergrund wird es vielleicht noch einmal notwendig sein, in der Diskussionauf wichtige Kriterien und Gefahren bei der Arbeit mit Menschen mitBehinderung aufmerksam zu machen. Aus dem Blickwinkel der Arbeitsmarkt-politik, für die Menschen mit Behinderung – sowohl in Deutschland als auchin Österreich und Ungarn – eine wichtige Zielgruppe sind, heißt das, dass inall diesen Ländern möglichst dauerhafte Arbeitsplätze für Menschen mitBehinderungen zu schaffen bzw. zu akquirieren sind. Aufgrund einer gutenKonjunktur haben die Arbeitsmarktservices hierbei gute Erfolge erzielt undkönnen sich ein wenig zurücklehnen. Es ändert aber nichts an der Tatsache,dass es wieder Zeiten geben wird, in denen es sehr schwierig sein wird,Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen.

Bevor ich nun mit den ersten Fragen starte, möchte ich die Kolleginnen undKollegen vorstellen. Frau Gabriele Krainz hat Pädagogik sowie Sonder- undHeilpädagogik in Wien studiert und arbeitet seit mehr als 20 Jahren mitbenachteiligten Jugendlichen und Menschen mit Behinderung. Sie ist Obfraudes Vereins in.come und Projektleiterin des mobilen Clearingteams sowieSprecherin der Clearingprojekte.

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Frau Claudia Finster ist eine unserer Unterstützerinnen der ersten Stundeim Bereich der ExpertInnenakademie, die sie mit ihren Empfehlungenhinsichtlich der thematischen Gestaltung immer wieder bereichert. Sie hatAnfang der 70er Jahre in der damaligen Arbeitsmarktverwaltung – demVorläufer des heutigen Arbeitsmarktservice – zu arbeiten begonnen. AlsExpertin für Controlling hat sie in der Bundesgeschäftsstelle im BereichQualitätsmanagement für EDV-Entwicklungen gearbeitet. Seit dem Jahr 2000ist sie Landesgeschäftsführerin des AMS Wien.

Ich darf auch einen deutschen Gast – ein Novum auf diesem Podium –begrüßen, Herrn Karl Peter Fuß, Vorsitzender der Regionaldirektion Sachsender Bundesagentur für Arbeit. Er ist über die Bundesagentur für Arbeit inBerlin dorthin gekommen, und hat sowohl im urbanen Bereich, wie auch imUmland Sachsen Erfahrungen gesammelt. Schwerpunktmäßig beschäftigt ersich mit Fragen der beruflichen Rehabilitation.

Frau Judit Lechner-Vadász ist seit 20 Jahren im Bereich der Humanpolitiktätig. Im früheren Arbeitsministerium beschäftigte sie sich mit den Fragen undProblemen benachteiligter Jobsuchender, insbesondere von Menschen mitBehinderung, und war zuständig für die Zusammenarbeit mit dem staatlichenBeschäftigungsdienst. Im Amt für Beschäftigung und Soziales umfasst ihrAufgabenbereich die Entwicklung neuer Programme.

Abschließend begrüße ich noch Herrn János Gyebrovszki, den Vorsitzendender Kommission für Soziales und Beschäftigung der Stadt Szombathely. Er istLeiter eines Betriebs, der insgesamt 1100 Personen beschäftigt, von denen 90% Menschen mit Behinderung sind. Dieses Unternehmen hat 20Niederlassungen, wobei sich 10 davon im Komitat Vas befinden.

Wenn wir uns die Diskussionen und Präsentationen noch einmal durch denKopf gehen lassen, werden wir feststellen, dass wir relativ wenig darübergehört haben, in wie weit die Betroffenen mit den Leistungen, in die sieinvolviert sind, zufrieden sind. Diesen Gedanken möchte ich für die ersteDiskussionsrunde aufwerfen. Wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation?Ist die Hauptanforderung noch mehr finanzielle Mittel aufzubringen, oderfehlt es noch an anderen Punkten?

Gabriele KrainzIch spreche hier über eine spezielle Personengruppe, die gestern und heute

noch nicht Thema war. Es handelt sich dabei um Jugendliche mitBehinderungen bzw. Benachteiligungen, die sich direkt im Übergang von derSchule in den Beruf befinden. Mein beruflicher Schwerpunkt liegt daher eherin der beruflichen Erstintegration und weniger in der Rehabilitation. Daraufbezieht sich auch mein Statement. Bildung bzw. Ausbildung sind ganzwesentliche Schlüsselelemente für beruflichen Erfolg. Das gilt für Menschen

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mit und auch für Menschen ohne Behinderungen bzw. Benachteiligungen. InÖsterreich hat im Jahre 2001 im Rahmen einer Beschäftigungsoffensive derösterreichischen Bundesregierung die Implementierung einer Maßnahme mitdem Namen Clearing stattgefunden. Ich bin die Koordinatorin derClearingprojekte in Österreich. Mit der Einführung des Clearings wurde derSchwerpunkt auf die Zielgruppe der Jugendlichen mit Behinderungen bzw.Benachteiligungen gelegt. Das Clearing steht am Übergang von der Schule inden Beruf, in das Erwachsenen- und Erwerbsleben. Im Rahmen des Clearingsversuchen die Clearerinnen und Clearer gemeinsam mit den Jugendlichen undderen Umfeld – Eltern, Erziehungsberechtigte, LehrerInnen und Therapeut-Innen – herauszuarbeiten, wo die Stärken, Fähigkeiten und Interessen dieserJugendlichen liegen. Man sucht also nicht nach den Defiziten, sondern nachden Potentialen. Ganz wesentlich dabei ist, dass die Clearingstellen sehrintensiv mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, d.h. im Rahmen einesClearings absolvieren die Jugendlichen mit Behinderungen bzw.Benachteiligungen Praktika am ersten Arbeitsmarkt. Es hat sich als sinnvollerwiesen, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, mehrere Berufsfelder inForm von Praktika zu erproben, ohne sich gleich auf eine bestimmte Tätigkeitoder einen Beruf festlegen zu müssen. Das beruht darauf, dass Jugendlichegerade in der Pubertät das Recht haben sollten, etwas auszuprobieren, etwaszu verwerfen, und sich einem neuen Berufsfeld zuzuwenden. Das alles erfolgtin Zusammenarbeit mit den ClearerInnen. Um Stärken und Fähigkeiten nochgezielter herauszuarbeiten, werden die MitarbeiterInnen in den jeweiligenPraktikumsbetrieben befragt, so dass man im Anschluss auch tatsächlich einMatching zwischen den Anforderungen des Lehrberufs und den Fähigkeitendieser Jugendlichen machen kann. Natürlich muss bei der beruflichenErstintegration auch immer Rücksicht auf die Schwächen und Defizite derJugendlichen genommen werden, nur so kann eine Vermittlung mitNachhaltigkeit stattfinden. Dieser Ansatz, Jugendliche mit Behinderung bzw.Benachteiligung auszubilden, mit ihnen und ihrem Umfeld gemeinsam ihreStärken und Fähigkeiten herauszufinden, das ist aus meiner Sicht dererfolgversprechendste Ansatz in der beruflichen Integration von jungenMenschen.

Claudia FinsterDie Situation am Wiener bzw. österreichischen Arbeitsmarkt ist momentan

sehr gut. In den vorangegangenen eher schlechteren Jahren haben wir sehrintensiv an Fördermaßnahmen gearbeitet und überlegt, wie wir Menschen mitBehinderungen oder Menschen, die länger als 12 Monate aus dem Arbeits-prozess herausgerissen waren, ganzheitlich helfen könnten, um sie wieder inden Markt einzugliedern. Wir haben uns mehr mit dem Problem der

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Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in Arbeitsmarkt konzentriert.Natürlich sind viele der diskutierten Themen auch jene, mit denen wir unstäglich auseinandersetzen. Allerdings ist mehr als die individuelle Begleitungeiner Person notwendig, es bedarf vor allem der Bereitschaft der Betriebe, unddamit verbunden bedarf es wiederum Vertrauen dieser in den Vermittler. Dasalles kostet Zeit und diese muss investiert, wie auch finanziert werden. In Wienhaben wir es geschafft, die gesetzten Maßnahmen finanzieren zu können. Dieswar nicht immer selbstverständlich, denn zu gewissen Zeiten hatten wirweitaus mehr Vorgemerkte als finanzielle Mittel. Derzeit gelingt es mit rund32 Millionen Euro, Menschen mit Handicaps wieder in den Markt zu helfen.Wie bereits beschrieben wurde, haben wir einerseits Kooperationen mitSchulen, die wir nicht finanzieren, die aber inhaltlich mitarbeiten. Es bestehenaber auch Kooperationen mit Ausbildungsinstitutionen, bei denen wirLehrausbildungen für Menschen mit Behinderung finanzieren. Hierinvestieren wir hauptsächlich in die integrative Berufsausbildung für jungeMenschen. Pro Jahr kommen rund 1.100 Menschen mit Behinderung in denGenuss, eine Berufsausbildung zu beginnen. Wir investieren in dieQualifizierung und Orientierung von Erwachsenen. Rund 4000 Menschen imJahr werden vom AMS Wien in solchen Qualifizierungsmaßnahmen finanziertund begleitet. Zusätzlich haben wir in den letzten Jahren begonnen, intensiv inNetzwerke zu investieren, d.h. in Zusammenarbeit mit Partnern wie z.B. HerrnPöschl, wird versucht, Case-Managements in Wien zu akquirieren. AlleOrganisationen und Institutionen, die benachteiligten Menschen helfenkönnen, die Richtlinien, Regeln, Erlässe, Gesetze, Aufträge und auch Gelderdafür haben, werden an einen Tisch geholt und zu bestimmten Themen undEinzelfällen werden Vereinbarungen und Entscheidungen getroffen sowieLösungen besprochen. Aus diesen Netzwerken haben sich dann neue Wegeentwickelt, mit denen es uns jetzt immer häufiger gelingt, behinderteMenschen genauso wie langzeitbeschäftigungslose Menschen wieder in denersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen, dieoft hintereinander angeboten werden: eine Orientierung, eine Bildungs-planung, eine Ausbildung und danach eine Begleitung während derVermittlung und der ersten Beschäftigungsmonate, aber auch Lohnkosten-übernahmen sowie Lohnkostensubventionen. Bei manchen Menschen genügtes, einen Anstoß zu geben, manche muss man länger begleiten. Im Schnitt istes so, dass wir es schaffen, von diesen 5.000 Menschen ungefähr 50 %innerhalb der ersten fünf Monate nach Abschluss ihrer Ausbildungen in eineunselbstständige Beschäftigung zu vermitteln, wo sie dann langfristigbeschäftig sind. Große Probleme haben wir noch mit dem Thema Sucht, demwir uns in den kommenden Jahren widmen.

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Karl Peter FußNach allem, was wir bereits gehört haben, habe ich festgestellt, dass wir

alle das gleiche Ziel verfolgen und mit den gleichen Instrumenten arbeiten. Ichhatte vor, Ihnen das deutsche Reha-System zu schildern, möchte Ihnen nunaber eher vermitteln, was ich in diesen letzen Tagen hier gelernt habe. DieFrage, ob man mehr Geld investieren müsse, um bessere Erfolge zu erzielen,beantworte ich mit Nein. In der Bundesrepublik Deutschland, im BezirkSachsen, sind die finanziellen Mittel vorhanden. Die Bundesagentur fürArbeit, die für die berufliche Rehabilitation zuständig ist, investiert in einemJahr 2,4 Milliarden Euro dafür. Mit zusätzlichen Geldern anderer Trägerkommt man in der Bundesrepublik in einem Jahr auf ungefähr 9 MilliardenEuro, die Menschen mit Behinderungen zukommen. Das ist eine großeSumme, und ich wage zu bezweifeln, dass diese Gelder immer vernünftigeingesetzt werden. Die Kritik gilt auch mir selbst, nach 30 Jahren in diesemBereich tätig, weiß ich wovon ich spreche. Die Frage ist, wo denn dieFehlschaltungen in diesem System sind? In Sachsen herrscht eine erfreulichgute Konjunktur. Trotz Abbau der Arbeitslosigkeit, hat sich die Zahl derarbeitslosen Menschen mit Behinderung jedoch nicht verändert. Der„Sockelbetrag” ist der gleiche geblieben, den wir auch vor der gutenKonjunktur hatten, hier muss also irgendwo der Fehler liegen. Ich verkenneallerdings nicht, dass wir in gewissen Perioden immer wieder Arbeitsplätze fürdiesen Personenkreis akquirieren konnten, aber dies hatte keine nachhaltigeWirkung und das hat für mich folgende Gründe: Die Bundesagentur für Arbeithat immer wieder Programme für Menschen mit Behinderung gestartet, um dieZahlen der Arbeitslosen zu senken. Die darin vorgesehenen Vorgaben wurdenstets erreicht. Sobald jedoch das Programm ausgelaufen war und dieFörderung fehlte, stiegen die Zahlen wieder an. Somit ist es an der Zeit, überVeränderungen in diesem System nachzudenken. Meine Ideen sind nicht neu,sondern unterstreichen nur das von meinen Vorrednern bereits Gesagte. Es gibtdrei Hebel, die wir bedienen müssen: Der erste Hebel betrifft eine Änderungdes Umgangs mit den potentiellen Arbeitgebern. „Bittsteller” zu sein, ist derfalsche Weg, man muss den Arbeitgebern die Vorteile und die hoheLeistungsfähigkeit dieser Menschen aufzeigen. Das Stigmatisieren mussaufhören, besonders in einer Zeit, wo man z.B. im Metallbereich vonFacharbeitermangel spricht. Diese Menschen sind leistungsfähig und mitdiesem Argument muss man bei den Arbeitgebern akquirieren. DieBundesagentur für Arbeit hat einen neuen Arbeitgeberservice, womit derArbeitgeber gut betreut wird. Das ist der erste Hebel, der, wenn er konsequentverfolgt wird, funktionieren kann.

Der zweite Hebel bezieht sich auf Veränderungen im Umgang mit denMenschen mit Behinderung selbst. Wir müssen Menschen mit Behinderung

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dazu befähigen, selbstbestimmt über ihr Schicksal und auch über ihren Berufzu bestimmen. Deshalb gibt es eine Innovation im SGB 9 – das betreffendeGesetz in der Bundesrepublik Deutschland – das so genannte „persönlicheBudget”. Das sei an dieser Stelle kurz skizziert: Früher bekam der Mensch mitBehinderung immer eine bestimmte Leistung bewilligt, eine Reha-Maßnahme,eine Fortbildungs- oder eine Trainingsmaßnahme, Betreuung zu Hause odermöglicherweise einen PKW. Das Gesetz sieht seit dem 01.01.2008 folgendeMöglichkeit vor: Der Mensch mit Behinderung stellt einen Antrag und erhältaber nicht wie zuvor die Einzelleistung sondern ein Gesamtbudget. Dasbefähigt ihn dazu, die Leistungen, die er braucht, persönlich „einzukaufen”. Esgibt unterschiedliche Meinungen dazu und dieses System wird auch noch nichtso gut angenommen. In Sachsen gab es seit dem 01.01.2008 erst etwa zehnFälle. Wenn dieses System, das die Auswahlmöglichkeiten relativ offen lässt,eingesetzt werden soll, ist eine umfassende Beratung notwendig. MeinerMeinung nach ist es wichtig, den Menschen mit Behinderung mehrSelbstständigkeit zu geben. Betreuung da, wo sie sein muss, aber im Grundegenommen sollten sie selbst über ihr Schicksal bestimmen können.

Nun zum letzten Hebel: Laut Statistik gibt es derzeit 20.000 arbeitsloseMenschen mit Behinderung. Diese haben das Defizit der Behinderung, aber oftsind es auch bildungsferne Menschen, Menschen, die einmal eine Ausbildunggemacht haben, diese aber nicht aktualisiert haben. Da ist mein Hebel: Ausbildungum jeden Preis und die Menschen mit aktuellen Bildungen für den Arbeitsmarktverfügbar machen. Wenn man die drei eben genannten Hebel konsequentanwendet, werden wir mehr und nachhaltigere Erfolge aufweisen können.

Judit Lechner-VadászRehabilitation braucht viel Geld und das trifft ganz besonders auf Ungarn

zu. Dazu muss man wissen, dass es in Ungarn eigentlich erst seit der WendeRahmenbedingungen und Instrumente für die berufliche Rehabilitation gibt.Erst seitdem sind Non-Profit-Organisationen entstanden, während die früherenBeschäftigungsmöglichkeiten in Großbetrieben aufgrund der Umstrukturierungs-prozesse nicht mehr bestehen.

In den letzten Jahren hat der Nationale Beschäftigungsdienst systematischRehabilitationsdienstleistungen entwickelt. Die Non-Profit-Organisationenübernahmen von ihren Partnern eine Reihe positiver Werkzeuge undentwickelten diese in Ungarn weiter. Mit Hilfe bedeutender Fördermaßnahmenergaben sich Möglichkeiten, diese best-practice-Modelle zu verbreiten. JedesInstrument, über das in den letzten zwei Tagen referiert wurde, ist in Ungarnbereits vorhanden. Es gilt allerdings den gleichberechtigten Zugang zuermöglichen, denn es ist eine Eigentümlichkeit der Non-Profit-Organisationen,dass sie nur in bestimmten Regionen vertreten sind und in anderen gar nicht

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präsent sind. Zur Gewährleistung dieser Dienstleistungen sind finanzielleMittel notwendig. Wir befinden uns derzeit in der glücklichen Lage, dass dieEU-Programme uns bedeutende Mittel zur Entwicklung dieserDienstleistungen zur Verfügung stellen. Wir sind zuversichtlich, dass dieseDienstleistungen im ganzen Land Verbreitung finden werden.

Ein Problem in Ungarn ist die begriffliche Uneinheitlichkeit. Eine Klärungist unabdingbar, damit wir uns auf dieselbe Zielgruppe beziehen, wenn wir vonMenschen mit Behinderungen sprechen. Auf dem ungarischen Arbeitsmarktwerden sie als ArbeitnehmerInnen mit veränderter Arbeitsfähigkeit bezeichnet,und diese Terminologie wird auch in den Rechtsordnungen verwendet. Bei derBeschäftigung von ArbeitnehmerInnen mit veränderter Arbeitsfähigkeit sinddie ArbeitgeberInnen berechtigt eine Förderung zu erhalten, wenn eine ArtQualifikation, die sogenannte Akkreditierung, besteht. Der/die ungarischeArbeitgeberIn unterscheidet sich in keiner Weise von den ArbeitgeberInnenanderer Länder, auch ihn/sie muss man überzeugen. In unseren Plänen sindgroße Summen zur Motivation der ArbeitgeberInnen und zur Schaffungbesserer Beschäftigungsbedingungen für Menschen mit Behinderungenveranschlagt. Bereits fertig sind Programme zur Motivation und Umgestaltungdes Managements. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Verbreitung derneuen Maßnahmen bald gute Fortschritte erzielen werden.

Meiner Ansicht nach müssen auch Menschen mit Behinderung Schritteunternehmen, um eine tatsächliche Integration zu erreichen. In der Vergangenheithaben sie sich eher um geschützte Beschäftigungen bemüht. Die Integration aufdem freien Arbeitsmarkt, mit all ihren Schwierigkeiten und Risiken, nehmen erstsehr wenige auf sich. Unter den jungen Menschen mit Behinderung zeigt sichjedoch ein Durchbruch. Junge Menschen mit Behinderungen, die die Möglichkeithatten sich zu bilden, einen Hochschulabschluss zu erlangen oder eineBerufsausbildung zu erwerben, wollen ein unabhängiges Leben führen und nichtauf geschützten Arbeitsplätzen arbeiten. Ihre berufliche Integration ist eineGarantie dafür, dass sich etwas in diesem Bereich verändern wird.

János Gyebrovszki Mehrfach wurden die geschützten Einrichtungen angesprochen, wobei ihre

Rolle stark hinterfragt wurde, weil dort Menschen mit Behinderung vomersten Arbeitsmarkt fern gehalten werden. Ich teile diese Ansichten nicht.Natürlich wäre ein Großteil der Menschen mit Behinderung in den erstenArbeitsmarkt integrierbar, weil ihre Behinderung erlaubt, dass Arbeit-geberInnen sie auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigen. Es gibt aber eineSchicht, die nicht auf den ersten Arbeitsmarkt zurückgeführt werden kann.Savaria Nett-Pack beschäftigt 490 Menschen mit mehrfachen Benachteiligungenund Behinderungen, die eigentlich nie in den ersten Arbeitsmarkt integriert

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werden könnten. Zu einem vollwertigen Leben ist jedoch Selbstbestimmungnotwendig, wie z.B. das eigene Einkommen – nicht die staatlicheUnterstützung, sondern das durch die eigene Arbeit erzielte Einkommen.Diese Art der Identität darf niemandem genommen werden.

Es ist eine weitere Tatsache, dass die ArbeitgeberInnen des erstenArbeitsmarkts, trotz nicht unerheblicher staatlicher Förderungen, Menschenmit Behinderungen nur in kleiner Zahl beschäftigen. Die Praxis zeigt, dass sieeher die Weiterbeschäftigung von Personen, die einen Unfall am Arbeitsplatzhatten, gewährleisten. Auch das betrifft nicht wenige Personen, aber bedeutendweniger als die am Arbeitsmarkt benachteiligten ArbeitnehmerInnen mitBehinderung. Hier bemängle ich vor allem den fehlenden Weitblick derWirtschaft. In erster Linie müssten sich Firmen bereitstellen, die mit einemArbeitskräftemangel zu kämpfen haben und die in der Lage sind, dieArbeitsorganisation so umzugestalten, dass Menschen mit Behinderungendiese Arbeiten aufnehmen können.

Darauf zielt auch die Kooperationsvereinbarung ab, die wir am Ende derKonferenz mit dem Regionalen Arbeitsamt unterzeichnen werden. Beruhendauf dem best-practice-Prinzip und auf unseren in den letzten 60 Jahrenerworbenen Kenntnissen, wollen wir dazu beitragen, dass Menschen mitBehinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Auch in derForm, dass der/die Behinderte bei uns seine/ihre Arbeit beginnt, einige Monatebzw. abhängig von der Behinderung bis zu einem Jahr bei uns arbeitet, um dannzu versuchen, ihn/sie auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Während dieserZeit erhält er/sie eine Ausbildung und wird mental auf den ersten Arbeitsmarktvorbereitet. Es ist uns allen bekannt, dass eine veränderte Arbeitsfähigkeit nichtnur gesundheitliche Einschränkungen bedeutet, sondern dass damit auch einemotionaler Abbau verbunden ist, der häufig die Beschäftigung weitaus mehrbehindert als der gesundheitliche Schaden. Wir müssen diese Menschen davonüberzeugen, dass sie gleichwertige Menschen sind.

Es ist sehr wichtig, dass wir zwischen Menschen mit Behinderung, die imLaufe ihres aktiven Lebens einen Unfall oder gesundheitliche Problemehatten, und Personen mit angeborenen Behinderungen, die bereits mit einemanderen Bewusstsein und mit familiärer Unterstützung gegen die Nachteileihrer Behinderung ankämpfen, unterscheiden. Letztere erwerben eineBerufsausbildung, die ihrer Behinderung entspricht.

Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu unserer Firma sagen. Wirbeschäftigen 933 Menschen mit Behinderungen, darunter 250 Sehbehinderte.Unser gegenwärtiges Lohnniveau übersteigt den Minimallohn um 20 %. Es istalso nicht richtig, wenn behauptet wird, dass wir die ArbeitnehmerInnen zumMinimallohn beschäftigen. Wir beschäftigen auch Zuarbeitende, die in ihrergewohnten Wohnumgebung die Arbeit erledigen, denn manche können ihre

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Wohnung aufgrund der Beeinträchtigung nicht verlassen. Es ist wichtiger,ihnen eine Beschäftigung zu ermöglichen als sie in einer geschütztenWerkstätte unterzubringen.

Dr. Walter ReiterNun möchte ich folgenden Aspekt in den Mittelpunkt rücken: Es gibt

offensichtlich bei einer Reihe von Menschen mit Behinderung und auch ihrenEltern den Wunsch, eher in geschützten Bereichen unterzukommen.Demgegenüber gibt es Ambitionen – sowohl von den Projektträgern, als auchden öffentlichen Stellen – für Menschen mit Behinderung Möglichkeiten zuschaffen und zu realisieren, um diese am ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.Besteht Gefahr, dass man Behinderte überfordert? Überfordert mitSelbstbestimmung, mit einem gewissen Druck, sich am ersten Arbeitsmarkt zuorientieren? Sind unsere Ambitionen nicht zu überzogen, so dass der Schutzden sie bisher gehabt haben, nicht eventuell zur Schutzlosigkeit wird?

Gabriele KrainzIn Österreich gibt es seit 25 Jahren die schulische Integration, seit 1983 die

erste Integrationsklasse im Burgenland. Wesentliche Partnerinnen und Partnersind immer wieder die Eltern, die eine enorm wichtige Lobbyarbeit betreiben.Ohne diese Lobbyarbeit der Eltern gäbe es keine schulische und in der Folgekeine berufliche Integration. Ich würde mir wünschen, dass das sehr wohlhonoriert wird und man nicht annimmt, dass Eltern eher den Weg in eineBeschäftigungstherapie bevorzugen. Das entspricht nicht meinen Erfahrungen.Natürlich muss man auf die Defizite der Menschen mit Behinderungen eingehenund sollte sie nicht überfordern, was immer eine pädagogische Gratwanderungzwischen Selbst- und Fremdbestimmung ist. Darauf gibt es keineAllgemeinantwort, denn es hängt immer von der Individuallage des einzelnenMenschen mit Behinderung ab. Wenn man das Umfeld mit einbezieht undversucht – was auch ein wesentlicher Teil des Clearings ist – gemeinsam eineZukunftsplanung zu machen, Helfersysteme und Unterstützerkreise aufzubauen,läuft man vielleicht weniger Gefahr, Menschen zu überfordern.

Claudia FinsterAuch ich bin davon überzeugt, dass man das ganze Umfeld mit

berücksichtigen muss und keinen Druck machen sollte. Damit würde mandavor mühsam aufgebaute Arbeit im therapeutischen Bereich und in derBeschäftigungstherapie zerstören. In der geschützten Einrichtung steht einExpertenteam, bestehend aus Begleitpersonen sowie Ärzten und Fachärzten,die auf diese Dinge spezialisiert sind, zur Verfügung. Wenn Eltern undMenschen mit Behinderung es für gut erachten, kümmern wir uns um

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Möglichkeiten eines Arbeitsversuches, d.h. wir befragen das gesamte Umfeldin Bezug auf einen möglichen Arbeitsplatz, nach den Interessen derbetreffenden Person. Beispielsweise ob ein Arbeitsplatz in einem Baugeschäft,einer Gärtnerei oder in einem Büro angemessen wäre. Danach bemühen wiruns um ein Arbeitstraining, d.h. die betreffende Person kann dann in demBetrieb ein begleitetes Praktikum machen. Wenn sich die betroffene Personeinlebt, wird er/sie gerne bleiben, wenn allerdings Überforderungsaspekteauftreten, wird er/sie zurück wollen. Diese Rückkehr muss ihm garantiert sein.

Karl Peter FußWenn man etwas umsteuert, eingeschwungene Zustände in eine andere

Richtung bringen möchte, gerät man leicht in Gefahr zu überziehen, denn nurmit einem gewissen Druck kann man ja auch etwas erreichen. Eine Sicherheit,dies nicht zu tun, gibt es nicht. Aber es gibt Instrumente, die die Gefahreinengen, wie z.B. eine vernünftige Anamnese über die Fähigkeiten desBehinderten, das Aufstellen eines vernünftigen Trainingsprogramms, das inder Zielvereinbarung auch die Eltern mit einbezieht. Wichtig ist auch, dasskompetente Beratungsdienste erhalten bleiben, die die Probleme kennen undüber eine Analyse darüber verfügen. Die Bundesagentur für Arbeit ist eine vonvielen Einrichtungen, die einen umfangreichen Beratungsdienst geschaffenhat. Wenn man vernünftig zusammenspielt, wird das auch ein Erfolgssystemwerden. Die Gefahr zu überziehen ist sicher immer vorhanden.

Judit Lechner-Vadász Wenn es uns ernst damit ist, die Mehrheit der Menschen mit Behinderung

für die berufliche Integration zu gewinnen, müssen mehr neue Beschäftigungs-möglichkeiten geschaffen werden. In der Sozialwirtschaft kann man einenÜbergangsbereich zwischen der geschützten Beschäftigung und dem freienMarkt finden. Der Integration wäre auch dienlich, wenn sich die geschütztenEinrichtungen in die Transitbeschäftigung einschalten würden. Im ProgrammWestungarns geht es bereits darum. Die Umsetzung der Transitbeschäftigungdurch die mit hoher Technik ausgerüsteten geschützten Einrichtungen könnteden Personen, die eine Behinderung erlitten haben, auch ihr Verbleiben amArbeitsmarkt sichern.

Ich halte es für ein großes Problem, dass Themen wie Rehabilitation,Umgang mit Benachteiligungen, Menschen mit Benachteiligungen undBehinderungen kein Bestandteil der Allgemeinbildung ist. Diese Themen sindauch nicht Teil der pädagogischen, beruflichen und allgemeinmedizinischenAusbildung – mit Ausnahme der Ausbildung von Fachärzten fürRehabilitation. Diese Zielgruppe wird jetzt quasi zur beruflichen Integrationgedrängt, ohne dass die Mehrheit der sich damit beschäftigenden Fachleute

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eine Ahnung vom Rehabilitationsprozess hat. Dadurch entfallen vieleAufgaben auf die Non-Profit-Organisationen und auf die Arbeitsämter. Fürwichtig hielte ich außerdem, in Abstimmung mit dem Hochschulwesen, dieSuche nach gemeinsamen Lösungen auf europäischer Ebene.

Ungarn strebt derzeit eine Lösung an, bei der den LeistungsbezieherInnenfür die zusätzliche Beschäftigung bestimmte Grenzen gesetzt werden. Damitist verbunden, dass die Leistung nur dann pausiert (nicht getilgt wird), wenneine verhältnismäßig gute Existenzsicherung gewährleistet ist und diebehinderte Person einen sich dem früheren Niveau annähernden Lohnverdient. In keiner Weise darf der geförderten Person vermittelt werden, dasssie ab morgen ein selbstständiges Wesen zu sein hat, das gelingt nur in denseltensten Fällen.

Die Betroffenen müssten viel umfangreicher über die neuen Bestrebungeninformiert werden. Im Fachbereich werden im Allgemeinen die Vorhaben gutbesprochen, aber weder die Betroffenen, noch die mit ihnen arbeitendenFachkräfte bekommen detaillierte Informationen. Viel hängt davon ab, wie wirmit jenen Menschen mit Behinderung umgehen, die jetzt in das Systemgelangen. Die Frage ist wie und mit welchen Methoden man sie davonüberzeugen kann, dass dieser Weg ihnen mehr Perspektiven bietet als diebisherigen Möglichkeiten.

János Gyebrovszki Die Transitbeschäftigung halte ich für ein entscheidendes Mittel, um auf

dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. In unserer geschützten Einrichtungarbeiten wir nach individuellen Rehabilitationsplänen, auf deren GrundlageKurse, Berufsausbildung und andere Programme angeboten werden, die derEntwicklung der jeweiligen Person dienen. Ausbildung ist eines derwesentlichsten Instrumente der beruflichen Integration. Eine Überforderungdurch unser System ist nicht möglich, weil wir nach persönlichenRehabilitationsplänen vorgehen. Der ständige persönliche Kontakt und dieKenntnis der persönlichen Kompetenzen des Menschen mit Behinderungschließen dies aus. Es ist zweifellos eine Tatsache, dass das Verlassen desgeschützten Bereiches, das Ausbrechen aus einer Art Abhängigkeitsverhältnisfür alle eine schmerzliche Angelegenheit ist und auch nicht reibungslos vorsich geht.

Dr. Walter ReiterIch danke allen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern für ihreaufschlussreichen Beiträge. Ich hoffe, dass es uns zumindest teilweisegelungen ist, wichtige Themen noch einmal anzusprechen und dass diesePodiumsdiskussion ein interessanter Abschluss unserer Veranstaltung war.

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Abschluss der Konferenz

AMBRUS KISS GeneraldirektorRegionales Arbeitsamt Westtransdanubien

Werte Damen und Herren!

Die diesjährige Konferenz war reich an Gehaltvollem, viel Arbeit liegt hinteruns. Gerade deshalb ist es auch unmöglich, die Konferenzergebnisse in einpaar Minuten umfassend zusammenzufassen und deren Botschaft zuformulieren. Erlauben Sie mir, lediglich einige Momente hervorzuheben,deren Begründung in den Vorträgen und Diskussionen erfolgt ist.

Die Konferenz hat die Wiedereingliederung von behinderten Personenthematisiert. Mein erster Eindruck war der, dass die ungarischen Vortragendenweitaus mehr die Begriffe „Behinderung” bzw. „veränderte Arbeitsfähigkeit”benutzten als die ausländischen. Der Grund dafür ist sicher in der ungeklärtenterminologischen Situation zu suchen. Verschiedene grundlegende Terminimüssen wir noch für uns klären. Häufig scheint „Behinderung” bzw. „veränderteArbeitsfähigkeit” Unfähigkeit zu bedeuten, wobei dies überhaupt nicht der Fallist, sondern nur auf Schwierigkeiten verweist. Gegen Schwierigkeiten kann manangehen, dagegen kann und muss man etwas tun, Investitionen vornehmen.

Als spannend erweist sich die Zielrichtung des Umgangs mit Behinderten– auf der Konferenz wurde als vorrangige Richtung die Integration betont.Wenn wir von der Integration von Behinderten in den ersten Arbeitsmarktsprechen, werten wir nicht die Bedeutung der geschützten Beschäftigung ab;dies haben wir – meine ich – auch vorhin mit der Unterzeichnung des Vertragsbekundet. Damit wollen wir unsere Beziehung zur geschützten Beschäftigungbereichern und erfolgreicher gestalten, wo das Ergebnis teilweise, aber nichtausschließlich Integration, d.h. Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt bedeutet.

In den vergangenen anderthalb Tagen wurde mir mehrfach die Fragegestellt, wo Menschen mit verminderter Arbeitsfähigkeit in der Regionarbeiten werden. Ich meine: überall, in allen Unternehmen. Integrationbedeutet, dass man ihnen alle Bereiche zugänglich macht und Förderungen,die eine entsprechende Beschäftigung ermöglichen, zu gewährleisten sind.Dafür, wie in Europa die integrierte Beschäftigung und die beruflicheRehabilitation erreicht werden, lassen sich zahlreiche Beispiele anführen.Auch Ungarn ist in der Lage, gute Ergebnisse zu produzieren und dienotwendigen Bedingungen für die Integration zu schaffen.

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Bei einem Teil der WirtschaftsakteurInnen gibt es allerdings Probleme inBezug auf eine tiefe Unwissenheit und schreckliche Vorurteile. Vor uns liegtnun die Aufgabe, die Lehren und Botschaften der Konferenz in die Praxis zuübertragen und in einem breiteren Ausmaß zu diskutieren, um Wissen zuvermitteln und Vorurteile abzubauen. Dazu können wir uns auch an dieÖffentlichkeit wenden und mit den Mitteln der PR arbeiten. Im Programm 4Mwidmen wir uns weitaus mehr der Betreuung von ArbeitgeberInnen, um mitguten PartnerInnen kooperieren zu können.

In der Arbeitswelt gibt es aber nicht nur bei den ArbeitgeberInnenUnwissenheit und Vorurteile – auch bei einem Teil der ArbeitnehmerInnensind sie zu beobachten. Gerade im Programm 4M hätten Unternehmen gernBehinderte beschäftigt, aber zukünftige ArbeitskollegInnen äußerten sichbereits im Vorfeld ablehnend. Es hieß zum Beispiel, dass schon der Anblickeiner/eines Behinderten ihre Arbeitslust vermindere usw. Das sindSchwierigkeiten, die überwunden werden können und im Programm auchüberwunden wurden. Es ist notwendig, dass der/die MentorIn, BeraterIn solange in den Prozess eingebunden bleibt, bis diese inneren Spannungen, dieUnwissenheit und die Vorurteile abgebaut sind bzw. in einem solchen Maßeabnehmen, dass sie die Arbeitausführung nicht mehr beeinträchtigen.

Wir müssen uns auch noch der Frage der notwendigen Investitionenannehmen. Handelt es sich dabei um gewinnbringende Investitionen, undwenn ja, in welchen Zeitraum kommen sie zum Tragen, und sollen sieunbegrenzt zur Verfügung stehen? Die Förderung von Menschen mitBehinderung muss in gesonderten Verfahren erfolgen, wie dies auch von allenVortragenden angesprochen und belegt wurde. Zum Wesen dieser Verfahrengehört, dass sie nicht von vornherein geplant werden können und man wedervon oben noch von außen die Mittel regulieren kann, d.h. die für die einzelnePerson aufzuwendenden Geldmittel, die im Laufe des Verfahrens erforderlichsein werden. Die Planung kann in dem Moment erfolgen, wenn dieSituationsanalyse der jeweiligen Person erfolgt ist und eine Maßnahmen-vereinbarung abgeschlossen wurde, in der der/die KlientIn seinen/ihren Willenbekundet hat. Auf dieser Grundlage zeigt sich, ob die notwendigenFörderungen höher oder niedriger als die durchschnittlichen Kosten sind, diein den Regelungen oder unserer bisherigen Praxis festgelegt sind. Notwendigeund begründete Förderungen sind zu gewähren. Es wäre der größte Fehler,wenn die Dienstleistungen aus durchschnittlichen Kostengründen oderaufgrund irgendwelcher Vorschriften vorzeitig abgebrochen würden, weil sichdann die Investitionen in keinem Fall rentieren würden.

Bei der Errechnung des Kostenausgleichs ist zu beachten – und imAllgemeinen wird das nicht getan –, dass im Fall einer Beschäftigung Kostenwegfallen, die es früher gab, wie z.B. bei einem jungen Menschen die

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lebenslangen Renten- und Sozialkosten. Es gilt damit zu rechnen, dass einbehinderter Mensch, der arbeitet, sein eigenes Einkommen schafft unddadurch die bisher ausgezahlte Beihilfe einlöst. Er wird zum Einzahlenden indie gesellschaftliche Kasse, aus der er bisher Bezüge erhalten hat. Von dort istes nur noch eine einfache mathematische Aufgabe festzustellen, wie schnellsich derartige Investitionen bezahlt machen.

Es stellt sich natürlich die Frage, wie mit Dienstleistungen, die nicht daserwartete Ergebnis bringen, umgegangen wird. Selbst in erprobten, effektivenSystemen kann es vorkommen, dass es nicht gelingt, die Pläne in vollemUmfang zu verwirklichen. Bei der Integration in die Beschäftigung ist es sogarvorstellbar, dass sie zu 50% oder in einem noch höheren Maße erfolglos endet.Aber jede Erfolgsquote, auch eine von nur einem Drittel, senkt diegesellschaftlichen Ausgaben und schafft so viel gesellschaftlichesEinkommen, dass davon selbst die Investition abgedeckt ist, deren Umschlagnicht gewährleistet ist. Wenn wir uns unter diesem Aspekt der Problematiknähern, gewähren wir noch leichteren Herzens die Förderungen zurBeschäftigung von behinderten Personen.

Im Zusammenhang mit der Integration erwähnte Herr Gyula Pulay gesterndie Transitbeschäftigung. Die Verbreitung der Transitbeschäftigung in Ungarnund deren dauerhafte Eingliederung in das Dienstleistungssystem ist eineunserer vornehmlichsten Aufgaben. Wir müssen uns darum bemühen, dass inneuen und bereits funktionierenden Einrichtungen, die geneigt und fähig sind,sich an der Transitbeschäftigung zu beteiligen, in diese Richtung gehendeAktivitäten unternommen werden. Wir werden sie dabei unterstützen.

Von Anbeginn der Konferenz an war ich überzeugt, dass sie von Erfolggekrönt sein wird. Ich denke, dass ich nun verkünden kann, dass sie uns allebereichert hat und wir in einem Jahr darüber berichten können, dass auch dieseKonferenz zur Entwicklung der Dienstleistungen zur Integration in denArbeitsmarkt beigetragen hat.

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TEILNEHMER/INNENLISTE

HR Claudia Finster AMS WienProf. Dr. Günther Steinbach AMS ÖsterreichMag.a Helene Sengstbratl AMS BurgenlandDr. Hans-Paul Nosko AMS WienMartin Steinbichl Amt der Oberösterreichischen LandesregierungDr. Gerhard Simetits AMS BurgenlandMag. Peter Bencsics AMS BurgenlandDr. Walter Reiter L&R SozialforschungMag.a Barbara Willsberger L&R SozialforschungMag. Thomas Eglseer L&R SozialforschungDr. Hermann Zemlicka Agens - Bildung und Beratung GmbHAlfred Walbert AMS NiederösterreichEva Burjan AMS OberwartDr.in Ingeborg Marktl Neue Arbeit Gemeinnützige

Beschäftigungsmodell GmbHMag.a Annemarie Duller Neue Arbeit Gemeinnützige

Beschäftigungsmodell GmbHMag.a Gabriele Krainz in.comeMichaela Meier BFI SteiermarkClaudia Hack BFI SteiermarkDr. Anthony Williams ÖAR - Österreichische Arbeitsgemeinschaft

RehabilitationDr. Günther Schuster Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen

- BundessozialamtMag. Roman Pöschl BBRZ - Berufliches Bildungs- und

RehabilitationszentrumRobert Reitzer Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen

- BundessozialamtGabriele Huterer vamos - Verein zur IntegrationMag. Simon Trießnig IFA Unternehmensberatung GmbHDSA Hemma Holler-Gschwandtner wienworkWerner Pitzl TRANSJOB – Verein für Wirtschafts- und

BeschäftigungsinitiativenMag. Gerhard Heinz Lebenshilfe EnnstalHelmut Schinnerl atempoKaroline Binder Lebenshilfe EnnstalSabine Humpl Lebenshilfe EnnstalIngrid Lestina ibis acam Bildungs GmbH

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Josef Werner Fleck Kultur im DorfHelga Lilli Varadi Kultur im DorfSilvia Lackner-Karrer Regionalmanagement Graz/Graz-UmgebungPeter Maier BFI BurgenlandJürgen Grandits BFI BurgenlandSabine Swatek-Venus BFI BurgenlandMag.a Dorli Csecsinovits BFI BurgenlandDr. Peter Rezar Burgenländische LandesregierungLaszlo Nyari BFI UngarnEwald Gossy BFI UngarnJohann Kastler AMS MattersburgMSc Britta Brooks Kooperationsbüro ArbeitsmarktpolitikMag.a Sigrid Köhl Kooperationsbüro ArbeitsmarktpolitikMag.a(FH) Sigrid Röhrich Kooperationsbüro ArbeitsmarktpolitikMag. Dieter Frizberg Kooperationsbüro ArbeitsmarktpolitikMag. MAS Roland Hanak Kooperationsbüro ArbeitsmarktpolitikDSA Alfred Müller ÖZIV ArbeitsassistenzAnton Sabo Verein zur Förderung der BBRZ GruppeKonrad Mager Verein zur Förderung der BBRZ GruppeJudit Szele Diakonie HasenberglSissi Plischke-Delabro TrendwerkGabriela Ecker TrendwerkDSA Ing. Michael Kvasnicka atempo Betriebsgesellschaft mbHAndrea Pfeiffer TrendwerkKarl Peter Fuß Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion

SachsenSylvio Herzog Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion

SachsenJörg Jablinski Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion

SachsenUlrich Rauchstädt ORB Marketing DresdenDusan Conka Landratsamt WeißeritzkreisRolf Salo SALO Holding AG HamburgManfred Philipp SALO Holding AG HamburgIldikó Hanuliak UPSVAR Dunajská Streda

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Die Konferenz ging mit den Schlussworten von Generaldirektor Ambrus Kiss zu Ende

Am Ende der Konferenz unterzeichneten Generaldirektor Ambrus Kiss und Betriebsleiter János Gyebrovszki

eine Vereinbarung zur Förderung der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen

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