Österreichischer Alltag: Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus · 2004. 11....

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Österreichischer Alltag: Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus Wir haben uns entschieden, verschiedene Vorfälle aus Österreich zu dokumentieren. Es geht dabei um die leider zu zahlreichen alltäglichen Vorkommnisse mit ausländerfeindlichem, rassistischem oder rechtsextremem Hintergrund. Unmittelbarer Auslöser für diese Entscheidung war eine Zeitungsmeldung vom 27.9.2000, in der über einen Übergriff auf einen Taxilenker in Graz berichtet wurde. Dieser – seit elf Jahren österreichischer Staatsbürger – wurde von fünf Betrunkenen, die er nicht in sein Taxi steigen lassen wollte, zusammengeschlagen. Nicht nur das, er wurde auch von einem Vertreter der Exekutive mit dem Worten: „Nimm den Tschik aus dem Mund. Ich mache dir deine nächsten Lebensjahre ganz schwer und es kostet viel zu viel, bis du lernst, wie man mit Inländern redet.“ (zit. Der Standard, 27.9.2000) In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Jahreslageberichte „Rechtsextremismus in Österreich“ des BMI verweisen. Diese werden jährlich von der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Abteilung II/7 publiziert. Ebenso beim BMI ist eine „Meldestelle für NS-Wiederbetätigung im Internet“ eingerichtet: http://62.200.2.168/web/bmiwebp.nsf/AllPages/BMI000412130136 Ein hervorragendes Zeitungsarchiv zum Themenbereich Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland bietet das „Dokumentations- und Infozentrum für Rassismusforschung“: http://www.uni-marburg.de/dir bzw. http://www.infolinks.de/dir-ml Ausgewertet und archiviert werden dort Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, tageszeitung, Junge Welt, Darmstädter Echo, Woche im Bundestag, Heute im Bundestag Eine Übersicht bzw. Bilanz über rechtsextreme Gewalt in Deutschland in den 90er Jahren ist bei der Frankfurter Rundschau nachzulesen: „Sie starben, weil sie anders aussahen, anders dachten, anders lebten“ (FR, 14.9.2000) http://www.f-r.de/fr/spezial/rechts/t201720000914252928.htm

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Österreichischer Alltag: Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus

Wir haben uns entschieden, verschiedene Vorfälle aus Österreich zu dokumentieren. Es geht dabei um die leider zu zahlreichen alltäglichen Vorkommnisse mit ausländerfeindlichem, rassistischem oder rechtsextremem Hintergrund.

Unmittelbarer Auslöser für diese Entscheidung war eine Zeitungsmeldung vom 27.9.2000, in der über einen Übergriff auf einen Taxilenker in Graz berichtet wurde. Dieser – seit elf Jahren österreichischer Staatsbürger – wurde von fünf Betrunkenen, die er nicht in sein Taxi steigen lassen wollte, zusammengeschlagen.

Nicht nur das, er wurde auch von einem Vertreter der Exekutive mit dem Worten: „Nimm den Tschik aus dem Mund. Ich mache dir deine nächsten Lebensjahre ganz schwer und es kostet viel zu viel, bis du lernst, wie man mit Inländern redet.“ (zit. Der Standard, 27.9.2000)

In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Jahreslageberichte „Rechtsextremismus in Österreich“ des BMI verweisen. Diese werden jährlich von der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Abteilung II/7 publiziert.

Ebenso beim BMI ist eine „Meldestelle für NS-Wiederbetätigung im Internet“ eingerichtet: http://62.200.2.168/web/bmiwebp.nsf/AllPages/BMI000412130136

Ein hervorragendes Zeitungsarchiv zum Themenbereich Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland bietet das „Dokumentations- und Infozentrum für Rassismusforschung“: http://www.uni-marburg.de/dir bzw. http://www.infolinks.de/dir-ml Ausgewertet und archiviert werden dort Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, tageszeitung, Junge Welt, Darmstädter Echo, Woche im Bundestag, Heute im Bundestag

Eine Übersicht bzw. Bilanz über rechtsextreme Gewalt in Deutschland in den 90er Jahren ist bei der Frankfurter Rundschau nachzulesen: „Sie starben, weil sie anders aussahen, anders dachten, anders lebten“ (FR, 14.9.2000) http://www.f-r.de/fr/spezial/rechts/t201720000914252928.htm

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DER STANDARD, 12. April 2002

NIEDERÖSTERREICH

Ein "öffentliches Totschweigen"

Buch über "wilde Arisierungen" im ländlichen Niederösterreich

Irene Brickner

St. Pölten - In überschaubaren Kleinstädten und Bauerndörfern trage auch das Unrecht persönlich bekannte Züge, weiß Martha Keil, stellvertretende Direktorin des St. Pöltener Instituts für Geschichte der Juden in Österreich. Bezogen auf die "wilden Arisierungen" im Jahr 1938, auf die Vertreibung jüdischer Kaufhausbesitzer, Handwerker, Ärzte und Hausfrauen aus den Gemeinden rund um die heutige Landeshauptstadt bedeute das: "Es waren Nachbarn und Ortsmitbewohner, die diese Raubzüge durchführten."

Leute also, deren Namen man kannte. Deren Namen in den Arisierungsakten nachzulesen sind, die der Zeitgeschichtler Christoph Lind bei der Forschung nach dem Schicksal der rund 900 St. Pöltener "Landjuden" durchblättert hat. Namen, die Lind allesamt in seinem neuen Buch veröffentlicht hat, "unter dem Eindruck der menschlichen Niedertracht, die aus diesen Akten spricht".

Proteste seien bisher ebenso ausgeblieben wie nach der Veröffentlichung seines ersten Buches über die Judenvertreibung in St. Pölten selbst, wundert sich Lind. Anscheinend werde die Thematik im traditionell "rot" regierten St. Pölten "öffentlich totgeschwiegen", weil sie "nicht in das Image der Widerstandsstadt passt".

Stattdessen hätten sich in den vergangenen eineinhalb Jahren "mindestens 40 Nachfahren Vertriebener" gemeldet, ergänzt Keil. Ebenso besorgte Anrainer, die wissen wollten, ob ihr Haus, ihre Wohnung ursprünglich arisiert worden seien. Keil: "Wir konnten sie alle beruhigen."

Linds neues Werk wird am 22. April in Wien, am 29. April in St. Pölten vorgestellt. Bis 2004, so der Autor, plane man außerdem die Herausgabe eines Handbuchs in Deutsch und Englisch über die NS-Judenvertreibung in ganz Niederösterreich. Christoph Lind: "... sind wir doch in unserer Heimat als Landmenschen aufgewachsen ...", Landesverlag, St. Pölten 2002 Der Standard WebTipp: members.nextra.at/injoest

© DER STANDARD, 12. April 2002

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Tiroler Tageszeitung, 8. April 2002

Schlägerei: Bereits 28 Beteiligte ermittelt Nach der Straßenschlacht am Innsbrucker Landhausplatz laufen die Ermittlungen auf

Hochtouren: Die Stapo hat bereits 28 Beteiligte ausgeforscht.

INNSBRUCK (tom). Wer gegen wen? Warum? Wer kam unschuldig zum Handkuss? Nach der Straßenschlacht in der Vorwoche am Innsbrucker Landhausplatz ermittelt die Abteilung 1 der Innsbrucker Polizei (Stapo) auf Hochtouren. "Und die Nachforschungen werden sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen", glaubt Stapo-Chef Gebhard Kiechl. Die Sachbearbeiter konnten inzwischen fünf weitere Beteiligte ausforschen. Damit ist die Anzahl der in die Schlägerei verwickelten Männer auf 28 angestiegen. Noch ungeklärt ist die Frage, warum vor der Rauferei drei Skinheads in die Wohnung eines Türken eingedrungen sind. Wie berichtet, wurde der 18-Jährige verprügelt und gedemütigt. Die Skinheads wollen sich auf Grund ihrer Alkoholisierung nicht erinnern können. Der Überfall gilt als Auslöser für die Rauferei.

© Tiroler Tageszeitung, 8. April 2002

Tiroler Tageszeitung, 4. April 2002

Skinheads urinierten auf Ausländer Unglaublicher Vorfall in Innsbruck: Skinheads drangen in eine Wohnung ein,

verprügelten einen Türken und urinierten auf den Verletzten. Von THOMAS HÖRMANN

INNSBRUCK. Verprügelt, bestohlen und gedemütigt: Kein Wunder, dass mehrere Innsbrucker türkischer Abstammung in der Nacht zum Ostermontag nur noch einen Gedanken hatten: Rache. Rache, die - wie berichtet - in einer Straßenschlacht am Landhausplatz gipfelte. Rund 30 Jugendliche und junge Männer prügelten teils mit Bierflaschen und Stangen aufeinander ein. Kaum ein Beteiligter blieb unverletzt. Rund zehn Personen mussten in der Innsbrucker Klinik versorgt werden.

Ein Fall für die Abteilung 1 (Stapo) der Innsbrucker Polizei. Zumal unmittelbar nach der Straßenschlacht Gerüchte auftauchten, Skinheads hätten die Innsbrucker Türken provoziert. "Das kann man wohl so sagen", bestätigt Stapo-Leiter Gebhard Kiechl: "Ein nahezu unglaublicher Vorfall dürfte der Massenschlägerei vorausgegangen sein." Im Detail: Drei Skinheads, 21, 23 und 30 Jahre alt, und ein 19-jähriges Mädchen sollen am Ostermontag gegen 0.30 Uhr in der Brixnerstraße an die Wohnungstür eines 19-jährigen Türken geklopft haben. Der Besitzer war nicht zu Hause, stattdessen öffnete ein 18-jähriger Verwandter: "Das Opfer wurde offenbar mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt", weiß Kiechl: "Dann drangen die Skinheads in die Wohnung ein und misshandelten den 18-Jährigen weiter."

Der Gipfel der Demütigung: Die Skinheads urinierten auf den verletzten und wehrlosen Jugendlichen. Anschließend durchwühlten die Täter die Wohnung, ehe sie mit einem Videorekorder das Weite suchten. "Zuletzt sperrten sie das Opfer mit

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dessen Schlüssel in der Wohnung ein", schildert Kiechl. "Der Bursche musste die Tür von innen aufbrechen, um sich zu befreien." Seiner erster Weg führte den Jugendlichen in eine Bar in der Salurnerstraße, wo sich der Wohnungsbesitzer aufhielt. Dann ging’s mit entsprechender Verstärkung zum Landhausplatz. Die Türken vermuteten, dass sich die Skinheads dort in einem Café aufhielten. Volltreffer - nach einem kurzen Geplänkel landete ein Innsbrucker in einem Schaufenster, eine Straßenschlacht war die Folge. Bei den ersten Einvernahmen wollten die Skinheads vom Eindringen in die Wohnung nichts wissen: Sie seien zu betrunken gewesen.

© Tiroler Tageszeitung, 4. April 2002

Tiroler Tageszeitung, 3. April 2002

30 Beteiligte, zehn Verletzte bei Prügelei Wüste Straßenschlacht in Innsbruck: Rund 30 Tiroler und Ausländer ließen im

Zentrum die Fäuste fliegen. Grund: Eine angeblich misshandelte Türkin. Von THOMAS HÖRMANN

INNSBRUCK. Rund 30 Beteiligte, zehn Verletzte und ein zerstörtes Schaufenster: Das sind die Eckdaten einer Straßenschlacht, die in der Nacht zum Ostermontag gegen zwei Uhr am Innsbrucker Landhausplatz für Aufsehen sorgte. Die genauen Umstände sind noch Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Fest steht nur, dass sich Jugendliche türkischer Abstammung und Tiroler eine wüste Schlägerei lieferten. Die Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, um die Streithähne zu trennen.

"Rund zehn bis 15 Türken standen in der Passage neben dem Cafe Taxis am Innsbrucker Landhausplatz einigen Innsbruckern gegenüber", schildert ein Augenzeuge den Beginn der Auseinandersetzung: "Ein Tiroler wollte schlichten, da ging’s schon los." Die Türken warfen einen Innsbrucker angeblich durch ein Schaufenster. "Dann haben sie auf den Mann eingetreten", so der Zeuge weiter: "Auch die anderen fünf Innsbrucker kamen nun zum Handkuss." Beide Parteien erhielten im Lauf der Schlägerei Verstärkung. Schließlich dürften etwa 30 Jugendliche und Männer beteiligt gewesen sein.

Angesichts der ersten Polizeistreife zerstreute sich die Menge in alle Windrichtungen: "Sämtliche verfügbaren Beamte haben dann die Stadt durchkämmt", schildert ein Polizist. Ergebnis: 23 Schläger konnten aufgegriffen werden, der Rest blieb vorerst unbekannt. Rund zehn Beteiligte wurden verletzt, zwei Jugendliche mussten mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht werden. Der angebliche Grund für die Wut der Ausländer: Vier Tiroler sollen eine Stunde vor der Straßenschlacht in der Brixnerstraße in die Wohnung einer Türkin eingedrungen sein. Die Frau wurde offenbar misshandelt, ihre Unterkunft demoliert. Die Innsbrucker Staatspolizei führt die weiteren Ermittlungen.

© Tiroler Tageszeitung, 3. April 2002

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DER STANDARD, 22. Jänner 2002

"Zur Zeit" - Anderes Gewand, selbe Inhalte Mölzer zum Eintrag im Verfassungsschutz- Bericht: "Das juckt mich wenig"

Neben den "Platzhirschen" auf dem Wochenmagazin-Sektor wird nun auch "Zur Zeit" - "für ein Europa der Vaterländer und unsere deutsche Kultur" - angepriesen. Das von FPÖ-Bundesrat John Gudenus, Botschafter a. D. Johann Josef Dengler und dem ehemaligen Kulturberater Jörg Haiders in Kärnten, Andreas Mölzer, herausgegebene Blatt erscheint seit Anfang des Jahres zudem mit neuem Layout und Format.

Rund ein halbes Jahr zuvor bekam "Zur Zeit" zum ersten Mal im Ministerrat eine Presseförderung (ausbezahlt wurden 861.364,50 Schilling/62.597,79 Euro) zugebilligt. Die Inhalte, kritisiert vor allem das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), sind bei manchen Autoren Rechtsextremismus verdächtig.

Bürgerlich, konservativ, "rechtes" Blatt

Mölzer selbst positionierte sein Magazin im Editorial der ersten Ausgabe 2002 als "Österreichs einziges bürgerliches, konservatives, wenn man so will 'rechtes' Wochenblatt". Genauer noch findet man die Richtung des Mediums etwas weiter im Text: "Auch im zweiten Jahr des neuen Jahrhunderts werden wir wertkonservativ, kulturdeutsch, bürgerlich im besten Sinne des Wortes politisch berichten, analysieren und kommentieren." Mit dem Relaunch wolle man "ohne jeden Abstrich inhaltlicher oder ideeller Natur die Information unserer Autoren lesbarer und zeitgemäßer gestalten".

Für das Dokumentationsarchiv gilt auch die Eigentümerstruktur von "Zur Zeit" als Anhaltspunkt für "rechtsextreme Tendenzen" - dabei beruft man sich auch auf den deutschen Verfassungsschutz: Das Wochenblatt erscheint in der "W3" Verlagsgesellschaft m.b.H. & Co Verlag KEG. In der GesmbH ist neben anderen auch die "Junge Freiheit Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H" (Amtsgericht Potsdam) mit einem zehnprozentigen Anteil zu finden.

Partnerorgan in deutschen Verfassungsschutzberichten

Zur "Jungen Freiheit" wird man unter anderem im deutschen Verfassungsschutzbericht 2000 fündig. Das Partnerorgan von "Zur Zeit" habe bei der undeutlicher gewordenen "Abgrenzung zwischen einigen demokratisch-konservativen und rechtsextremistischen Autoren auf publizistischer Ebene" eine wichtige Rolle gespielt, heißt es.

Forum ohne kritische Kommentierung

Laut dem Verfassungsschutzbericht fassen die Redakteure der "JF" bei Interviews demokratische Politiker mit Aussagen, "die den Positionen der 'Jungen Freiheit' widersprechen", kritisch an. "Bekannten Rechtsextremisten" biete man hingegen "ein Forum ohne kritische Kommentierung". Für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist die "'Junge Freiheit' (...) der 'Neuen Rechten' zuzurechnen, einer um

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Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus".

"Zur Zeit" selbst tauchte 1997 im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen auf: "Seit Oktober 1997 erscheint in Wien als Ersatz für die bisherige JF-Ausgabe für Österreich die neue Wochenzeitung 'Zur Zeit'. Die JF bleibt jedoch auch weiterhin durch wirtschaftliche und redaktionelle Verknüpfung beteiligt."

"Das juckt mich wenig

"Zur Zeit"-Herausgeber und -Chefredakteur Andreas Mölzer bestätigte im Gespräch mit der APA die Angaben des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzberichtes zur Eigentümerstruktur seines Blattes. Was in deutschen Verfassungsschutzberichten steht, "das juckt mich wenig, salopp formuliert". Und weiter: "Im übrigen ist dazu zu sagen, dass der Innenminister Nordrhein-Westfalens einen prononcierten Linkskurs fährt. Das ist genau das selbe, als wenn in Österreich das DÖW political correctness predigt und in diesem Sinne Listen aufstellt."

Für Mölzer ist wichtig, was seine Autoren in seinem Blatt schreiben. Platz haben sollte für ihn "alles, was gescheit und nicht links ist". Zu den Inserenten zählen neben "Nation & Europa" etwa auch das Land Steiermark, das sich in den ersten beiden Ausgaben 2002 jeweils mit einer ganzseitigen Anzeige einstellte. Sie alle tragen - neben Abo- und Einzelverkauf - zum Budget von "Zur Zeit" bei.

Geringer Anteil Presseförderung

Die Presseförderung, so Mölzer, mache dabei nur einen geringen Anteil aus - deutlich unter zehn Prozent. Die gedruckte Auflage bezifferte der "Zur Zeit"-Chefredakteur auf 25.000 bis 26.000 Stück pro Ausgabe. Genaue Angaben zum Jahresbudget machte er nicht: "Sie können davon ausgehen, dass lügt, wer sagt, mit vier Millionen Schilling ein Wochenmagazin machen zu können. Da müssen's schon etliches dazu geben." Der Relaunch koste aber nicht sehr viel, weil auch sehr viel idealistische Arbeit dahinter stecke. (APA)

© DER STANDARD, 22. Jänner 2002

DER STANDARD, 19./20. Jänner 2002

Walter Ochensberger neuerlich verurteilt Haftstrafe wegen Leugnung des Holocausts

Feldkirch - Das Urteil der Geschworenen im Prozess gegen den rechtsextremen Zeitungsherausgeber Walter Ochensberger fiel eindeutig aus. Die acht Laienrichterinnen und -richter erkannten den Angeklagten in allen sechs Fragen der Anklage einstimmig für schuldig. Die Zusatzfragen der Verteidigung, die auf Rechtsirrtum des Angeklagten plädierten, wurden ebenso einstimmig verneint.

"Es gilt den Anfängen zu wehren und Zeichen zu setzen", erklärte Richter Peter Mück in der Urteilsbegründung. Ein Rechtsstaat habe es aber nicht nötig, diese

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Zeichen durch drakonische Strafen zu setzen, begründete er das Strafausmaß von zwei Jahren (16 Monate davon auf drei Jahre bedingt).

Obwohl man dem Angeklagten, so Mück unter Hinweis auf Walter Ochensbergers einschlägige Vorstrafen, "eine gewisse Unverbesserlichkeit attestieren müsse, sei es nicht im Sinne des Rechtsstaates, "auf jemanden so draufzuschlagen, dass er nie mehr gesellschaftliche Akzeptanz erlangt".

Walter Ochensberger quittierte das Urteil heiser mit "Bedenkzeit". In seinem Schlusswort hatte er vor Beginn der langen Beratungen der Laienrichter versprochen: "Wie immer dieser Prozess ausgehen wird, ich werde nie mehr über diese Themen schreiben."

Ochensberger, seit Mitte der 70er-Jahre in diversen nationalen Gruppierungen tätig und seit 1983 hauptberuflich Journalist und Herausgeber einschlägiger Schriften, hatte nach Verbüßung seiner vorigen Haftstrafe in den Publikationen Phoenix und Top Secret abermals den Holocaust geleugnet, sich aber mit der Formel "Wir von Phoenix und Top Secret glauben an den Holocaust . . ., um einer langjährigen Haftstrafe zu entgehen" vom Inhalt der Artikel distanziert. Mit dieser Distanzierung wollte er sich Straffreiheit sichern. (jub)

© DER STANDARD, 19./20. Jänner 2002

DER STANDARD, 22. Jänner 2002

"Zur Zeit" - Anderes Gewand, selbe Inhalte Mölzer zum Eintrag im Verfassungsschutz- Bericht: "Das juckt mich wenig"

Neben den "Platzhirschen" auf dem Wochenmagazin-Sektor wird nun auch "Zur Zeit" - "für ein Europa der Vaterländer und unsere deutsche Kultur" - angepriesen. Das von FPÖ-Bundesrat John Gudenus, Botschafter a. D. Johann Josef Dengler und dem ehemaligen Kulturberater Jörg Haiders in Kärnten, Andreas Mölzer, herausgegebene Blatt erscheint seit Anfang des Jahres zudem mit neuem Layout und Format.

Rund ein halbes Jahr zuvor bekam "Zur Zeit" zum ersten Mal im Ministerrat eine Presseförderung (ausbezahlt wurden 861.364,50 Schilling/62.597,79 Euro) zugebilligt. Die Inhalte, kritisiert vor allem das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), sind bei manchen Autoren Rechtsextremismus verdächtig.

Bürgerlich, konservativ, "rechtes" Blatt

Mölzer selbst positionierte sein Magazin im Editorial der ersten Ausgabe 2002 als "Österreichs einziges bürgerliches, konservatives, wenn man so will 'rechtes' Wochenblatt". Genauer noch findet man die Richtung des Mediums etwas weiter im

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Text: "Auch im zweiten Jahr des neuen Jahrhunderts werden wir wertkonservativ, kulturdeutsch, bürgerlich im besten Sinne des Wortes politisch berichten, analysieren und kommentieren." Mit dem Relaunch wolle man "ohne jeden Abstrich inhaltlicher oder ideeller Natur die Information unserer Autoren lesbarer und zeitgemäßer gestalten".

Für das Dokumentationsarchiv gilt auch die Eigentümerstruktur von "Zur Zeit" als Anhaltspunkt für "rechtsextreme Tendenzen" - dabei beruft man sich auch auf den deutschen Verfassungsschutz: Das Wochenblatt erscheint in der "W3" Verlagsgesellschaft m.b.H. & Co Verlag KEG. In der GesmbH ist neben anderen auch die "Junge Freiheit Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H" (Amtsgericht Potsdam) mit einem zehnprozentigen Anteil zu finden.

Partnerorgan in deutschen Verfassungsschutzberichten

Zur "Jungen Freiheit" wird man unter anderem im deutschen Verfassungsschutzbericht 2000 fündig. Das Partnerorgan von "Zur Zeit" habe bei der undeutlicher gewordenen "Abgrenzung zwischen einigen demokratisch-konservativen und rechtsextremistischen Autoren auf publizistischer Ebene" eine wichtige Rolle gespielt, heißt es.

Forum ohne kritische Kommentierung

Laut dem Verfassungsschutzbericht fassen die Redakteure der "JF" bei Interviews demokratische Politiker mit Aussagen, "die den Positionen der 'Jungen Freiheit' widersprechen", kritisch an. "Bekannten Rechtsextremisten" biete man hingegen "ein Forum ohne kritische Kommentierung". Für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist die "'Junge Freiheit' (...) der 'Neuen Rechten' zuzurechnen, einer um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus".

"Zur Zeit" selbst tauchte 1997 im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen auf: "Seit Oktober 1997 erscheint in Wien als Ersatz für die bisherige JF-Ausgabe für Österreich die neue Wochenzeitung 'Zur Zeit'. Die JF bleibt jedoch auch weiterhin durch wirtschaftliche und redaktionelle Verknüpfung beteiligt."

"Das juckt mich wenig

"Zur Zeit"-Herausgeber und -Chefredakteur Andreas Mölzer bestätigte im Gespräch mit der APA die Angaben des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzberichtes zur Eigentümerstruktur seines Blattes. Was in deutschen Verfassungsschutzberichten steht, "das juckt mich wenig, salopp formuliert". Und weiter: "Im übrigen ist dazu zu sagen, dass der Innenminister Nordrhein-Westfalens einen prononcierten Linkskurs fährt. Das ist genau das selbe, als wenn in Österreich das DÖW political correctness predigt und in diesem Sinne Listen aufstellt."

Für Mölzer ist wichtig, was seine Autoren in seinem Blatt schreiben. Platz haben sollte für ihn "alles, was gescheit und nicht links ist". Zu den Inserenten zählen neben "Nation & Europa" etwa auch das Land Steiermark, das sich in den ersten beiden Ausgaben 2002 jeweils mit einer ganzseitigen Anzeige einstellte. Sie alle tragen - neben Abo- und Einzelverkauf - zum Budget von "Zur Zeit" bei.

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Geringer Anteil Presseförderung

Die Presseförderung, so Mölzer, mache dabei nur einen geringen Anteil aus - deutlich unter zehn Prozent. Die gedruckte Auflage bezifferte der "Zur Zeit"-Chefredakteur auf 25.000 bis 26.000 Stück pro Ausgabe. Genaue Angaben zum Jahresbudget machte er nicht: "Sie können davon ausgehen, dass lügt, wer sagt, mit vier Millionen Schilling ein Wochenmagazin machen zu können. Da müssen's schon etliches dazu geben." Der Relaunch koste aber nicht sehr viel, weil auch sehr viel idealistische Arbeit dahinter stecke. (APA)

© DER STANDARD, 22. Jänner 2002 DER STANDARD, 13. November 2001

RAU Förderungen

Eine feine Partie hat sich da versammelt auf Schloss Kranichberg bei Gloggnitz: Europas Rechtsextremisten, zusammengerufen von Andreas Mölzer, Herausgeber der schwerst rechtslastigen Zur Zeit und hin und wieder kulturpolitischer und sonstiger Berater von Jörg Haider: der französische Le-Pen-Ableger Bruno Mégret ("Mouvement National"), Filip Dewinter vom belgischen "Vlaams Blok" und der antisemitische Schriftsteller István Csurka von der ungarischen "Wahrheits- und Gerechtigkeitspartei". Es dürfte eine europäische Premiere gewesen sein - und die Atmosphäre im heutigen Österreich schien ideal. Anlass des Treffens war übrigens die vor vier Jahren erfolgte Gründung von Mölzers Zur Zeit. Die Leistung, solch prestigeträchtige Treffen auf österreichischem Boden zustande zu bringen, bleibt denn auch nicht unbelohnt. Soeben hat die Regierung 800.000 Schilling Presseförderung für Zur Zeit genehmigt. Kunststaatssekretär Franz Morak hingegen hat 200.000 Schilling für das Projekt "Schlussstrich" des Theatermachers Gernot Paul Lechner abgelehnt. "Schlussstrich" zeigt, wie Nachkriegspolitiker die Rückgabe geraubten Eigentums an die Nazi-Opfer behinderten.

© DER STANDARD, 13. November 2001 DER STANDARD, 9. November 2001

BLATTSALAT Die Flöte des Deutschtums

Günter Traxler

Die Flöte, so glaubten wir aus Kinderzeiten zu wissen, ist das Instrument des Rattenfängers. Und nun fließt uns direkt aus dem von Jörg Haider gelegentlich benutzten Kulturbeutel die Erkenntnis zu, wofür dieses Instrument wirklich steht. "Zur Zeit" mag da einer bescheidenen Flöte gleichen, formulierte dieser Tage Andreas Mölzer in einem rührselig-weinerlichen Brief - aus Anlass des vierjährigen Bestehens seines Wochenblättchens und auf Jagd nach Spenden und Lesern. Vier Jahre haben wir es geschafft, mit Ihrer Hilfe allen Anfeindungen, allen Diffamierungen, allen

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Klagen zu widerstehen, jammert der Chef des einzigen Mediums, das die deutsche Identität Österreichs als historisches Erbe und als kulturellen Auftrag versteht, eher undeutsch.

Schließlich wurde "Zur Zeit" im Blattsalat wiederholt gewürdigt, was vom Herausgeber gelegentlich als Förderung missdeutet wurde, und die derzeitige Regierung hat ihn in seiner Germanomanie durch eine nicht zu knappe Presseförderung bestärkt: Auch wenn politische Parteien aus allzu opportunistischen Gründen die deutsche Volks-und Kulturgemeinschaft vergessen wollen, wir pflegen sie - in unserer politischen Berichterstattung und in unserem Kulturteil. Hojotoho!

Und was hat das Blatt in diesen vier Jahren noch erreicht? Zur Zeit sind wir DAS EINZIGE PRINTMEDIUM, das den Freiheitlichen in positiv kritischer Distanz gegenübersteht, sie nicht verteufelt, ihnen aber immer wieder ins politisch ideologische Gewissen redet. Gerade als "Krone"-Kolumnist sollte Mölzer wissen, dass es noch ein zweites Printmedium mit diesem Anliegen gibt, auch wenn nicht einmal der große Hundestreichler bisher imstande war, so etwas wie ein politisch ideologisches Gewissen der Freiheitlichen aufzuspüren.

DER VOLKSTRIBUN AUS DEM BÄRENTAL hat unsere Unterstützung und unseren Respekt. Überraschender als diese Mitteilung nur noch die an old Siegfried erinnernde Kühnheit: Wir schrecken aber nicht davor zurück, stets an das, wofür er und seine politischen Freunde vor gut fünfzehn Jahren angetreten sind, immer wieder zu erinnern.

Jörg Haider würde sich glatt fürchten, wenn er nur wüsste, wofür er damals angetreten ist. Etwa für den Stil, antisemitische Ressentiments gleichzeitig einzusetzen und entrüstet zu leugnen? Die Hetze aus linken Kreisen gegen "Zur Zeit" geht weiter, heißt es auf einem Mölzers Bettelbrief beiliegenden Blatt. In einer parlamentarischen Anfrage wird versucht, unser Blatt, seine Linie und seine Autoren samt und sonders als Wüste von Rechtsextremisten und Antisemiten darzustellen, beklagt der freiheitlichen G'wissenswurm. Aber er vergisst nicht, einen Autor, der sein Blatt geklagt hat, für seine rechte Jagdgesellschaft ständig als jüdischen Journalisten zu markieren.

Auch nach vier Jahren: "Zur Zeit" widersteht dem linken Tugendterror und hat sich für diesen Zweck als eine Art Chefideologen den ao. Universitätsprofessor für Neuere Geschichte an der Universität Wien, Lothar Höbelt, angelacht, der, wie berichtet, auch den Festvortrag zum Vierjahresjubiläum halten soll. Und was Mölzer in der "Krone" für das einfache tierliebende Volk, soll Höbelt in der "Presse" für das akademische Publikum sein. Dort mühte er sich Dienstag ab, Westenthalers Fingerprint-Wahn als Vollendung der menschlichen Freiheit zu feiern, was nicht ohne tolle Kapriolen abging, indem er Stalins und Hitlers Diktaturen in ihrer Gefährlichkeit für die Freiheit mit dem demokratischen Wohlfahrtsstaat gleichsetzte:

Als der große Gegner der Freiheit hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts der Staat erwiesen, brutal und offen in der Form des "stato totalitario", den Mussolini auf seine Fahnen schrieb und den Stalin und Hitler mit ihren unterschiedlichen Versionen von nationalem Sozialismus perfektionierten, schleichend und homöopathisch in der Form des Wohlfahrtsstaates, der - beseelt, wie immer, von den besten Absichten -

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vom Ladenschluß bis zur Anredeformel seine schwer erziehbaren Bürger auf den rechten Weg zu bringen bemüht ist.

Da ja Mussolini, Stalin und Hitler stets vorgaben, beseelt, wie immer, von den besten Absichten zu sein, und viele, auch im Umfeld von "Zur Zeit" das noch heute glauben, wird sich niemand wundern, wenn Höbelt, nachdem er am Anfang seines Artikels den Wohlfahrtsstaat als großen Gegner der Freiheit entlarvt hatte, am Ende die Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols des Staates predigt, weil er die Freiheit nur dann bedroht sieht, wenn dieses Gewaltmonopol nicht von freiheitlichen Zwangsvorstellungen beseelt, wie immer, ist. Noch ein Flötist!

© DER STANDARD, 9. November 2001

DER STANDARD, 7. November 2001

Rechter Aufmarsch auf Burg Kranichberg Rechter Aufmarsch auf Burg Kranichberg "Zur Zeit" feiert sich und die

Rechtsparteien

Wien/Gloggnitz - Am Samstag nächster Woche feiert die von Andreas Mölzer herausgegebene Wochenzeitung Zur Zeit ihr vierjähriges Bestehen - und zwar mit einer Tagung über "Europas Rechte und die Medien", bei der Vertreter des Vlaams Blok und anderer Rechtsparteien sprechen werden. Das Treffen ist in der Zeitung bewusst ohne Ortsangabe angekündigt worden. Am Dienstag wurde bekannt, dass der Tagungsort das Seminarhotel Burg Kranichberg ist, das auf einer Anhöhe in der Nähe von Gloggnitz liegt.

Das verschwörerisch angekündigte rechte Stelldichein beginnt mit der halböffentlichen Tagung und klingt in einem kleinen, auf 30 Personen beschränkten "Abendessen im vertraulichen Kreis" aus. Wer zum Dinner kommt, muss dafür kräftig in die Tasche langen und eine stille Beteiligung an Zur Zeit eingehen. Dafür gibt es dann Tischgespräche mit den Referenten des Nachmittags. Das sind nicht nur die FPÖ-Landtagsklubchefin Barbara Rosenkranz und der Herausgeber Mölzer selbst, sondern auch der rechte Historiker Lothar Höbelt mit einem Vortrag "Europas Rechte als Medienereignis".

Geheim gehalten werden Titel und Inhalt der folgenden Referate, die von bekannten Exponenten des rechten Lagers kommen: Erwartet wird Bruno Mégret, der Le Pens Front National gespalten hat; Heinrich Lummer, der im Berlin der Achtzigerjahre die Hausbesetzerszene auseinander prügeln ließ; Filp Dewinter, dessen Vlaams Blok in flämischen Städten Nationalismus schürt. Offen ist, ob der neue Hamburger Innensenator, der als "Richter Gnadenlos" bekannte Ronald Schill, der rechten Versammlung die Ehre gibt. (cs)

© DER STANDARD, 7. November 2001

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DER STANDARD, 12. November 2001

Nationale Internationale für die Europawahlen Gemeinsam gegen "Political Correctness"

Gloggnitz - "Freude, schöner Götterfunken", die Europahymne, ist ihnen gemeinsam, sagt Andreas Mölzer. Mit der Haydn-Hymne tun sich die von Mölzer auf Burg Kranichberg bei Gloggnitz geladenen Exponenten der europäischen Rechten schon schwerer, vor allem mit dem 1841 von Hoffmann von Fallersleben gedichteten Text "Deutschland, Deutschland über alles". Schließlich sind die Gäste alle national gesinnt, jeder für seine Nation. Was da am Freitagabend bei reichlichem Konsum alkoholischer Getränke alles gesungen wurde, ist nicht mehr rekonstruierbar. Die Stimmung, erinnern sich die Teilnehmer, sei jedenfalls gut gewesen, obwohl nicht einmal der höchstrangige FP-Besucher der Tagung, Volksanwalt Ewald Stadler, die ganze Zeit blieb. Jedenfalls gebe es einen gemeinsamen Wunsch, sagt Filp Dewinter vom Vlaams Blok: eine gemeinsame Liste der Rechtsparteien für die Europawahlen, wie sie Jörg Haider schon angedacht hat.

Dass sich die Nationalisten über die nationalen Grenzen hinweg verstehen, ist für István Csurka von der ungarischen Wahrheits- und Lebenspartei (MIÉP) nichts Besonderes: Gemeinsam sei den zum 4. Geburtstag der Rechts-Postille Zur Zeit zusammengekommenen Politikern die Vision von einem "Europa der Vaterländer - wir wollen nicht im Sumpf des Internationalismus vesinken".

Oder in jenem der "Political Correctness, die eine dominante Ideologie, eine weltweite linke, materialistische Ideologie" sei. Oder in jenem der "amerikanischen Globalisierung", die Bruno Mégret vom "Mouvement National" ebenso verabscheut. Dabei beteuert Mégret, gerade jetzt auf der Seite der USA zu stehen - "wir müssen sie unterstützen, unser gemeinsames Problem ist der Islamismus. Die Einwanderung hat schon dazu geführt, dass der Islam zur zweitstärksten Religion Frankreichs wurde." Um nicht als rechter Rabauke missverstanden zu werden, schiebt Mégret die Bemerkung nach, "dass nicht jeder Muslim Islamist ist".

Das Bild in den Medien

Andererseits zitiert er eine Umfrage von Le Monde unter in Frankreich lebenden Muslimen, nach der zwölf Prozent eine "sehr gute" Meinung von Osama Bin Laden haben.

An solche Meldungen, die ihr Weltbild bestätigen, muss sich die Rechte klammern - viele davon gibt es ohnehin nicht. Das zu beklagen war das eigentliche Tagungsthema: "Europas Rechtsparteien und die Medien". Journalisten, die mehrheitlich links stünden, würden Themen der Rechten unterdrücken ("wenn sie weniger über Migration berichten, können sie dann verstärkend behaupten, dass Zuwanderung kein Thema mehr sei", analysiert Mégret) und ihre Vertreter totschweigen. Der Vlaams Blok sieht sich vom staatlichen belgischen Rundfunkt VRT offiziell boykottiert - in vielen flandrischen Städten ist er dennoch die stärkste Partei. (cs)

© DER STANDARD, 12. November 2001

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DER STANDARD, 8. November 2001

Europas Rechte in Österreich

Am kommenden Wochenende sollen führende Repräsentanten weit rechts stehender europäischer Parteien auf Einladung der Wochenzeitschrift "Zur Zeit" nach

Österreich kommen. Der Gast aus Ungarn könnte schon bald in der Regierung seines Landes sitzen.

Karl Pfeifer*

Die Reisediplomatie als vorübergehende Causa prima der österreichischen Politik lässt vergessen, welche Koalition heute Österreich regiert. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wurde von Präsident George W. Bush empfangen, und nun glauben einige ÖVP-Politiker, Österreich sei wieder auf dem Weg zur Insel der Seligen.

Sachte. Es gibt noch jemanden, der einen Strich durch diese Rechnung machen könnte. Am Samstag veranstaltet Zur Zeit in einem österreichischen Hotel die Tagung "Europas Rechte und die Medien". Diese der österreichischen Regierung nahe stehende Wiener Wochenzeitung wird von Botschafter a. D. Dr. Johann Josef Dengler (ÖVP), Bundesrat Oberst Mag. John Gudenus (FPÖ) und Andreas Mölzer herausgegeben. Von österreichischer Seite nehmen neben Chefredakteur Andreas Mölzer die niederösterreichische freiheitliche Landtagsabgeordnete Barbara Rosenkranz, der Historiker Lothar Höbelt und ein noch nicht namhaft gemachtes "hochrangiges Mitglied der FPÖ" teil.

Diskutanten am Podium sind u. a. Filip Dewinter vom Vlaams Blok in Belgien sowie Bruno Mégret, Le Pens Rivale vom "Mouvement National Republicain" (MNR), "die Hoffnung der französischen Rechten", und der Führer der im Parlament vertretenen ungarischen "Partei der Gerechtigkeit und des Lebens" (MIÉP), István Csurka, der laut Einladung "demnächst in Ungarn wohl in die Regierung eintreten dürfte".

Auf eine Frage der Süddeutschen Zeitung (vom 3. November) zur Person von István Csurka antwortete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán: "Es ist Teil der ungarischen Polit-Folklore, dass die Linke jeden Nichtlinken zum Antisemiten erklärt."

Doch Csurka hat erst unlängst wieder einmal ein Pamphlet veröffentlicht, in dem er der Regierung von Gyula Horn (1994-98) vorwirft, einen Mann mit "historischen Namen aus einer reformierten ungarischen Familie" von der Spitze der Nationalbank entfernt und wieder einen Protegé "jüdischer Abstammung" eingestellt zu haben, also Rassismus pur. Er schreckt auch nicht davor zurück, Zoltán Bosnyák, einen wegen seiner Beteiligung am Massenmord an den ungarischen Juden hingerichteten ungarischen Nazi, als Märtyrer dazustellen.

"Unterdrückte Völker"

Zu den Terroranschlägen in den USA meinte István Csurka: "Die unterdrückten Völker der Welt konnten nicht die Erniedrigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den in Palästina planmäßig durchgeführten Genozid ohne einen Antwortschlag erdulden." Trotzdem schließt Viktor Orbán eine Koalition mit einer von

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einem solchen Mann angeführten MIÉP, deren führende Funktionäre sich ebenfalls durch antisemitische Ausfälle bemerkbar machen, nicht aus. Glaubt er sich dabei auf das Beispiel seines Freundes Wolfgang Schüssel berufen zu können?

Der Bundeskanzler versprach am 3. Februar 2000 für ein Österreich zu arbeiten, "in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden". Wie lässt sich dieses Ziel mit einer solchen Tagung, die von einer von der Bundesregierung mit mehr als 800.000 S subventionierten Wochenzeitung organisiert wird und an der Protagonisten der extremen Rechten aus ganz Europa teilnehmen, in Einklang bringen? *Der Autor ist Wiener Korrespondent der christlichen, in Budapest erscheinenden Wochenzeitung "Hetek".

© DER STANDARD, 8. November 2001 (© Büro für Öffentlichkeitsarbeit, Universität Innsbruck)

Schockierender Übergriff auf afrikanische Studierende

13.11.2001 - Opfer einer fremdenfeindlichen Attacke wurden in der Nacht von Freitag auf Samstag zwei Studierende der Universität Innsbruck. Die beiden Priesterseminaristen Franklin Mboma und Luc Mazola aus dem Kongo wurden kurz nach Mitternacht von drei jungen Männern angegriffen.

Franklin Mboma und Luc Mazola befanden sich kurz nach Mitternacht auf den Heimweg von einem Besuch bei Freunden in der Nähe des Innsbrucker Flughafens, als sie von einem Auto mit drei jungen Männern verfolgt wurden. Die Unbekannten kurbelten das Autofenster hinunter und beschimpften die beiden jungen Männer, die jedoch nicht auf die Beleidigungen reagierten und wortlos ihren Weg fortsetzten. Schließlich beschleunigte der Fahrer und entfernte sich. Nach kurzer Zeit kehrte er jedoch mit aufgeblendeten Scheinwerfern zurück, stieß Franklin Mboma vorsätzlich zu Boden und beging danach Fahrerflucht. Mboma blieb nach dem Aufprall verletzt liegen und musste von der Rettung in die Innsbrucker Universitätsklinik gebracht werden, wo er zur Zeit stationär behandelt wird.

Rektor Hans Moser zeigte sich von diesem Vorfall und besonders von der Brutalität zutiefst schockiert.

Im Rahmen ihrer Ausbildung verbringen Priesterseminaristen aus Afrika, Lateinamerika und Asien häufig einige Jahre im Ausland, manche von ihnen auch in Innsbruck. Nach dem hier absolvierten Theologiestudium kehren sie in ihre Heimat zurück, um dort als Priester und Ordensleute für die katholische Kirche tätig zu sein. Das Opfer des Überfalls, Franklin Mbomo steht selbst kurz vor seiner Weihe zum Diakon.

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Tiroler Tageszeitung, 19. Juni 2001

Zwei Brandanschläge in Osttirol verübt Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund steigen in Tirol an. In Lienz wurden im Mai

zwei Brandanschläge verübt. Tirols Sicherheitsdirektor Ferdinand Knapp will mit verstärkter Aufklärung entgegensteuern.

INNSBRUCK (pn). Knapp spricht von einer auffälligen Tendenz. Die Zahl der Anzeigen steigt. "Wir dürfen natürlich nicht dramatisieren. Aber es ist nun einmal ein Faktum, dass auch in Tirol vermehrt rechtsextreme Untriebe zu verzeichnen sind", erläutert der Sicherheitsdirektor.

Zuletzt sorgten zwei Brandanschläge auf ein Haus mit 20 Bewohnern aus Ex-Jugoslawien und auf ein Chinarestaurant in Lienz für Aufsehen. Zwei Jugendliche wurden daraufhin ausgeforscht und in U-Haft genommen. Sie stehen im Verdacht, die selbst gebastelten Molotow-Cocktails auf die Häuser geworfen zu haben. Dazu Oberstaatsanwalt Eckart Rainer: "Die beiden Jugendlichen wurden heute gegen ein Gelöbnis und mit vielen Auflagen aus der U-Haft entlassen. Sie erhalten Bewährungshilfe." Laut Rainer wird gegen die beiden wegen versuchter Brandstiftung und des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ermittelt. "Ausländerfeindlichkeit kommt als Motiv in Frage." Einer der beiden Jugendlichen sei schon unter Bewährungshilfe gestanden.

Sicherheitsdirektor Knapp glaubt, dass den Jugendlichen oft gar nicht bewusst ist, "dass sie sich im strafbaren Rahmen bewegen". Mit verstärkter Aufklärung an den Schulen will die Exekutive präventiv wirken. Vor allem die Skinhead-Szene in Deutschland und Südtirol wirke nach Tirol, länderübergreifende Bande würden geschmiedet werden. In der einschlägigen Musikszene ortet Knapp jenes Bindeglied, das Ausländerfeindlichkeit gedeihen lässt. Als Beispiele nannte er die Musik der rechtsextremistischen deutschen Musikgruppe "Zillertaler Türkenjäger" oder Tonträger mit "Landser"- Stücken.

Tiroler Tageszeitung, 16. Juni 2001

Die Presse, 17. März 2001

Der Aufstand der "Gutmenschen" von Jörg Haider

Der Autor ist Landeshauptmann von Kärnten.

Die "politisch korrekten" Aufreger sind wieder unterwegs Wenn schon keine Ausländerfeindlichkeit, so sind sie wenigstens dem versteckten Antisemitismus auf der Spur. Da schafft man es, vergessen zu machen, wie schweigsam die "politisch korrekte" Gesellschaft war, als Bundeskanzler Kreisky antisemitische Attacken ritt oder der amtierende Nationalratspräsident Fischer den Juden Simon Wiesenthal eines Femegerichtes gegen Österreich zieh.

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Da schafft man es, vergessen zu lassen, daß prominente Sozialisten von heute nach 1945 nur das unmodern gewordene Wörtchen "national" vor dem "sozialistisch" gestrichen hatten. Vom Wahlkampf des Sozialisten Adolf Schärf ist gesichert die Parole überliefert: "Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr."

Nun verbeißt sich seit einigen Tagen die "politisch korrekte Gesellschaft der Anständigen" in einen Scham, den ich über Herrn Dr. Ariel Muzicant anläßlich einer Aschermittwoch?Rede machte. Humor ist Geschmackssache, das will ich gerne akzeptieren. Der Vorwurf des Antisemitismus gegen mich, aufgrund dieses Scherzes, ist keine Geschmackssache. Er ist einer der schlimmsten Vorwürfe in unserer Gesellschaft, erinnert er doch an den millionenfachen Mord an den Juden während der Nazizeit in den Konzentrationslagern. Daher nehme ich diese Kritik sehr ernst.

Doch wo liegt die Grenze zwischen einer von jenen "Anständigen" erlaubten Kritik an einem Mitglied der Jüdischen Religionsgemeinschaft und einer, die als antisemitisch abqualifiziert wird? Wer bestimmt hier, was zulässig ist und was nicht? Wer nimmt sich das Recht, mich als Antisemiten zu verurteilen und die peinlichen antisemitischen Attacken von Muzicant gegen den FPÖ?Generalsekretär Peter Sichrovsky ("Haiders Hofjude") gutzuheißen oder zu den Haßanfällen des SPÖ?Politikers Blechs gegen Israel zu schweigen? Ich lasse mir nicht verbieten, einen Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft zu kritisieren, wenn dieser einer demokratisch gewählten Regierung den Krieg erklärt, Dr. Muzicant war einer der Hauptverantwortlichen für die unerträgliche Hetze gegen unser Land nach Bildung der FPÖ/ÖVP?Koalition. Er hat ausländischen Zeitungen Interviews gegeben, in denen er mit unverständlicher Wut und Zorn über Österreich urteilte. Er wird in Haßbriefen des World Jewish Congress gegen Österreich als Zeuge zitiert, in denen behauptet wird, daß sich Juden in unserer Heimat nicht mehr sicher fühlen können. Er verweigert seine Unterschrift auf einer Vereinbarung, die endlich den Opfern der NS?Zeit eine gerechte Entschädigung ermöglicht. Er spricht von "Liquidation` der Jüdischen Gemeinde nachdem Hunderte Millionen aufgewendet wurden, um eine Jüdische Schule, ein Jüdisches Altersheim, ein Jüdisches Museum zu bauen und die Synagogen zu renovieren. Ich will die Mehrheit der Österreicher ins Lager der Anständigen bringen", sagte Herr Dr. Muzicant einst als Begründung seiner Attacken gegen die FPÖ/ÖVP?Regierung und schämt sich nicht, die Mehrheit eines Volkes, das ihm und seiner Familie als Einwanderer eine Heimat gab, als "unanständig" abzuqualifizieren und zu beleidigen. Der Kabarettist und Komponist Gerhard Bronner, wohl einer der bekanntesten österreichischen Künstler, schrieb über Herrn Dr. Muzicant in einerjüdischen Zeitung: "Es kann nicht die Aufgabe dieses Mannes sein, den latenten oder existenten Antisemitismus dieses Landes zu vermehren, sooft er seinen Mund aufmacht!"

Von einem österreichischen Bürger darf man, wenn das eigene Land von außen zu unrecht verleumdet wird, Patriotismus und Anständigkeit erwarten. Herrn Muzicant war der Applaus der Österreich?Feinde wichtiger.

Die Presse, 17. März 2001

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DER STANDARD, 20. März 2001

Verhindert und vertrieben Die Neue Galerie Graz zeigt Werke steirischer Künstler aus der NS-Zeit

Graz - Erstmals befasst sich eine Ausstellung mit dem Schicksal steirischer Künstler und Künstlerinnen, die unter den Nationalsozialisten ins Exil oder in den Widerstand gingen, die den Freitod wählten oder zu glühenden Anhängern des Regimes wurden. Hingerichtet wurde ein Einziger: der Architekt Herbert Eichholzer.

Moderne in dunkler Zeit in der Neuen Galerie ist aber mehr als eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Sie zeigt vor allem, welche Entwicklung die Kunst im Zeitraum 1933 bis 1945 hätte nehmen können, welche Ansätze verloren gegangen sind, sagt Kurator Günther Holler-Schuster. Er hat an die 400 Werke, vorwiegend Ölbilder, Grafiken, Zeichnungen, von Verwandten, Sammlern und aus österreichischen Museen zusammengetragen und etliche Überraschungen erlebt. Eine davon ist die Begegnung mit der in Afrika lebenden 90-jährigen Grazerin Susanne Wenger, die kubistische Bilder gemalt hat. Von der Keramikerin Biljan-Bilger, bislang als Malerin unbekannt, entdeckte Holler-Schuster drei kubistisch aufgelöste Bilder und stieß auf "unübliche" Gemälde von Alfred Wickenburg und Wilhelm Thöny.

Im Katalog wird auf Details aus dem Leben der KünstlerInnen eingegangen. So ist nachzulesen, in welchem Umfeld sie lebten, welche Freunde sie gehabt haben und unter welchen Bedingungen sie gelebt haben. Für den Inhalt dieses Buches sind Peter Weibel und Günther Eisenhut verantwortlich. Eisenhut, der bereits eine viel beachtete Ausstellung über Herbert Eichholzer initiierte, war auch hier der Motor.

Drei Jahre lang war er in Archiven unterwegs, hat bei den Familien der Künstler angeklopft und ist nur selten unfreundlich empfangen worden. Er betrachtet dieses Projekt auch als wichtigen Beitrag zur steirischen Kultur- und Sozialgeschichte von 1993 bis 1945. Für Peter Weibel hat diese Ausstellung besondere Aktualität, "da die Ästhetik und Praktik des kulturellen Widerstands in Österreich wieder gefragt ist". Denise Leising Neue Galerie, 8010 Graz, Sackstraße 16, Infos: (0316) 82 91 55.

DER STANDARD, 20. März 2001

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DER STANDARD, 20. März 2001

BLATTSALAT Ahnl gegen Leihopa, das ist Brutalität!

Weil er sich in Sachen Antisemitismus von Wolfgang Schüssel nicht ausreichend verteidigt fühlte, hat sich Jörg Haider etwas ausgedacht. Er ließ sich am Wochenende von der "Presse" zu einem Kommentar von außen einladen und hat in eigener Sache flott quergeschrieben: Die "politisch korrekten" Aufreger sind wieder unterwegs. Wenn schon keine Ausländerfeindlichkeit, so sind sie wenigstens dem versteckten Antisemitismus auf der Spur. Dass er keine Ausländerfeindlichkeit sieht, erlaubt die Diagnose: blauer Star. Aber was heißt versteckter Antisemitismus, wo es doch um einen offenen Faschingsscherz geht?

Nun verbeißt sich seit einigen Tagen die "politisch korrekte Gesellschaft der Anständigen" (bitte endlich neue Invektiven!) in einen Scherz, den ich über Herrn Dr. Ariel Muzicant anläßlich einer Aschermittwoch-Rede machte. Humor ist Geschmackssache, das will ich gerne akzeptieren. Der Vorwurf des Antisemitismus gegen mich, aufgrund dieses Scherzes, ist keine Geschmackssache. Er ist einer der schlimmsten Vorwürfe in unserer Gesellschaft, erinnert er doch an den millionenfachen Mord an den Juden während der Nazizeit in den Konzentrationslagern. Daher nehme ich diese Kritik sehr ernst.

So ernst auch wieder nicht. Denn wer alljährlich auf dem Ulrichsberg fanatische Spießgesellen der millionenfachen Judenmörder als anständige und ihren Idealen treue Männer preist, wer immer wieder die Zeit, in der diese Massenmorde organisiert wurden, als eine vorbildliche abfeiert, kann nicht ernstlich glauben machen, er wäre von einem der schlimmste Vorwürfe in unserer Gesellschaft ernsthaft betroffen. Schon gar nicht, wenn er seine Anfälle von KZ-Gedenken ausgerechnet dann vorspielt, wenn er gegen einen Juden - scherzt.

Ich lasse mir nicht verbieten . . . diese Floskel dient immer als Lizenz für die nächste Gemeinheit . . . einen Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft zu kritisieren, wenn dieser einer demokratisch gewählten Regierung den Krieg erklärt. Was eine Kriegserklärung ist, bestimmt Haider, und Kritik an einer von ihm gestifteten Regierung ist es in jedem Fall. Von einem österreichischen Bürger darf man, wenn das eigene Land von außen zu unrecht verleumdet wird, Patriotismus und Anständigkeit erwarten. Wie wär 's umgekehrt? Jörg Haider ist nicht die Regierung, auch wenn er so tut; die Regierung ist noch lange nicht das Land, außer in einer Diktatur; und es sind die österreichischen Bürger, die von ihrer Regierung Patriotismus und Anständigkeit erwarten dürfen. Von oben diktierten Patriotismus gab es in der Zeit, in der Antisemitismus als Voraussetzung für Anständigkeit galt.

Jörg Haider kann schreiben, was er will, es kommt halt ständig durch, wieviel Dreck er an seinem ideologischen Stecken hat. Aber dass er schon selber tun muss, was "Die Presse" ihm da zu tun gestattet hat, ist ein gutes Zeichen.

In einer neuen Rolle war am Sonntag hingegen Kolumnist Cato zu bewundern. In seinem Kampf gegen den ORF-schwarzblau trat er als sehender Volksmund auf. Der Volksmund sieht politisches Handeln als ein schmutziges Geschäft an, das den Charakter verderbe. Es war aber ein Volksmund von schwankender Individualität:

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Metternich oder der bedeutende Journalist Gentz soll den Ausspruch getan haben. Auch wurscht, wenn es gegen Gerd Bacher geht. Der vom Tiger auf einen Leihopa geschrumpelte ORF-Weise droht die Geschäfte Dichands mit der Elektrofirma durch Qualitätsansprüche zu stören, was ihn sofort zum Objekt catonischer Strenge werden ließ: Sonntag wurde Bacher als roter Maulwurf im schwarzen Medienwesen enttarnt.

Paradox erscheint es, dass der erste schwarze Bundeskanzler nach 30 Jahren roter Herrschaft auf dem Ballhausplatz sich Gerd Bacher als Chef eines Weisenrates in Sachen ORF holt, der 1970 den ORF führte, als Bruno Kreisky Bundeskanzler Klaus als Kanzler ablöste. Wie konnte ihm das nur gelingen? Die ÖVP verlor 1970 erstmals die Kanzlerschaft an die Sozialisten, weil Gerd Bacher als Generalintendant des ORF den rhetorisch weit besseren Kanzlerkandidaten Kreisky immer wieder ins Bild rückte und ihm große Fernsehauftritte verschaffte. Wahlanalysten der damaligen Zeit hielten dies für den entscheidenden Grund seines Wahlsieges.

Das war aber nicht der einzige Streich des roten Gerd. Schon vorher war Bacher von der VP-Zeitung "Bildtelegraph" mit der gesamten Redaktion ins rote Lager übergelaufen. Eine Handlungsweise, die ihm allerdings nicht viel Glück brachte, denn er wurde die Zeitung bald wieder los. Seither verfolgt er alles, was auf dem Zeitungsmarkt erfolgreich ist, vor allem die "Kronen Zeitung", mit größter Abneigung. Die Logik der Argumentation ist bestechend, aber für den Fall, dass ihr nicht alle Leser folgen könnten, gab es am selben Tag zum selben Thema auch einen Leserbrief.

Darin werden Bachers neue teuflische Pläne enthüllt. Im neuen Gesetz, das Bacher Schüssel eingeredet hat, wird "Information und Kultur" groß geschrieben. Von quotenbringenden Sendungen halte er nichts. Und cui bono: Aber für wen wird das ganze inszeniert? Ist es vielleicht der deutsche Filmhändler Kirch, der ja schon immer nach Österreich wollte? Es ist ja bekannt, dass Bacher oft auf der Yacht Kirchs eingeladen war. So etwas verbindet. In jedem Fall: Klar, dass sich gegen ein solches Vorhaben der Generalintendant Gerhard Weis kräftig zur Wehr setzen wird. Klar auch, wer ihm dabei helfen wird. Der Leserbrief hat übrigens denselben Autor wie die Kolumne: Name und Anschrift der Redaktion bekannt. Und wie! Günter Traxler

DER STANDARD, 20. März 2001

DER STANDARD, 20. März 2001

HANS RAUSCHER Eine Grenze wurde überschritten

Österreich besteht nicht nur aus Haider. Aber der Mann hat mit seinen (seit Ende Jänner mindestens viermal) wiederholten Verbalspielen mit dem Antisemitismus eine unsichtbare Grenze überschritten. Vielleicht ist ihm das in seinem Egozentrismus gar nicht so sehr bewusst. Aber anderen schon. Es darf als signifikant angesehen

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werden, dass Hans Dichand, der seinen Staberl und seinen Wolf Martin schon am Rand des Antisemitismus spazieren gehen ließ, mit seinem Instinkt merkte, dass da einer zu weit gegangen ist: "Das war ein Fehler. Dafür wird er bezahlen", sagte Dichand zum profil über Haiders "Dreck am Stecken"-Vorwurf gegen Ariel Muzicant.

Typisch ist übrigens, wie in einem Teil der Öffentlichkeit sofort in dem gewissen "Man muss auch Juden kritisieren dürfen"-Tonfall Haiders Ausfälle in den Hintergrund geschoben und plötzlich nur die Frage erörtert wird, ob Muzicant nicht vielleicht wirklich irgendwie Dreck am Stecken hätte. Es gilt die Schuldvermutung. Gewiss, gewiss, man muss auch Juden kritisieren dürfen. Aber erinnern wir uns: Herr Haider hat schon einige Male über völlig honorige Bürger haarsträubend ehrenrührige Dinge behauptet, die sich dann als völlig falsch herausgestellt haben. Den Finanzrechtler Univ.-Prof. Werner Doralt beschuldigte er, in einen Bauskandal verwickelt zu sein, was diesen die Berufung zum Rechnungshofpräsidenten kostete. Sieben Jahre brauchte Doralt, ehe er gegen die Verschleppungstaktik von Haiders Anwalt Böhmdorfer und die Rechtsansichten des FP-nahen Richters Ernest Maurer seine Ehre wiederbekam! Oder der leukämiekranke Schuldirektor, den Haider als angeblichen Alkoholiker durchs Bierzelt zerrte! In einem anderen Presseprozess bestritt er, Äußerungen gemacht zu haben, die auf Video festgehalten sind. In Wirklichkeit muss man zunächst einmal skeptisch sein, wenn Haider sagt, die Erde sei eine Kugel.

Dann gibt es allerdings die andere Denkschule, die ihrerseits dazu auffordert, "doch nicht auf Haider hereinzufallen", indem man ihn durch Beachtung "aufwertet". Diese Sicht der Dinge ist bei honorigen Journalisten mit gewissem Erklärungsnotstand und bei coolen Wendephilosophen sehr beliebt. Ihre Seelenruhe sei ihnen gegönnt. Aber es gibt andere Leute, die nicht gern in einer Atmosphäre leben, in der das Spiel mit dem Antisemitismus nicht mehr als das bezeichnet werden darf, was es ist. Egal, ob es Haider nun nützt oder schadet: Eine Gesellschaft, in der es nicht mehr kritisiert werden darf, wenn im historischen Stammland des Antisemitismus der De-facto-Chef einer Regierungspartei solche Spiele treibt, ist schwer beschädigt.

Das scheint man im übrigen im Ausland ohnehin mehr und mehr von Österreich zu glauben. Die beiden "österreichischen Europäer" Franz Fischler und Ursula Stenzel reagierten auch deshalb so scharf auf Haider, weil sie - und nicht nur sie - "draußen" immer mehr auf achselzuckende Reaktionen stoßen: So ist Österreich eben. Hoffnungslos.

"Da haben wir jetzt wirklich eine gute Lösung mit der Restitution zustande gebracht, aber der Haider macht alles kaputt", sagt einer, der an den Verhandlungen beteiligt war. Alle Kenner der Materie, inklusive Muzicant, anerkennen auch, dass Wolfgang Schüssel mit seiner Autorität und Energie darauf geachtet hat, dass die Restitutionslösung so schnell zustande kommt. Umso schlimmer, wenn diese Tat nun durch die Worte Haiders weitgehend entwertet werden sollte. Noch einmal: Hier ist auf fatale Weise eine Grenze überschritten worden, und das muss auch der Bundeskanzler merken. [email protected]

DER STANDARD, 20. März 2001

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DER STANDARD, 20. März 2001

Alexander Van der Bellen Eine Hetz muss sein?

Jörg Haider lesen und verstehen

Der Gastkommentar von Jörg Haider in der Presse (17. 3.) ist lesenswert. Wer nämlich bisher Zweifel hatte, ob Passagen in Haiders Reden in Ried oder in Oberlaa antisemitisch waren, hat nun die Gewissheit. Der "Sager" von "Ariels Dreck am Stecken" war laut Haider ein Scherz. Humorlos, wer nicht lacht. Vielleicht ein geschmackloser Scherz, aber kein antisemitischer. Sagt Haider. Und: Er lasse sich nicht verbieten, Ariel Muzicant inhaltlich zu kritisieren. Schließlich habe dieser "einer demokratisch gewählten Regierung den Krieg erklärt".

Damit verwendet Haider unverblümt ein Stereotyp, dessen sich die NSDAP zur Rechtfertigung von Pogromen, später ihres Vernichtungsfeldzugs gegen Juden bedient hatte. Haider greift ungeniert auf eine Behauptung zurück, die bis heute bei Neonazis und Rechtsextremisten aller Spielarten geradezu Kultstatus genießt, wenn es darum geht, Judenverfolgungen oder den Holocaust zu legitimieren: "Die Juden" - ein neuerdings beliebtes Synonym ist "die Ostküste" - hätten den "Krieg" erklärt ... Und im Krieg sei doch quasi alles erlaubt. Aus Notwehr, sozusagen.

Es ist doch an Peinlichkeit nicht zu überbieten, wenn man im Jahr 2001 festhalten muss: Diese stereotypen Behauptungen sind unwahr. Weder hat das "internationale Judentum", oder wie die Nazis sonst zu sagen pflegten, jemals Deutschland den Krieg erklärt, noch hat Muzicant dieses Wort je gegen die österreichische Regierung gerichtet. Muzicant hat allerdings mehrfach die ÖVP-FPÖ-Regierung in bestimmten Punkten kritisiert. Dass das Haider als Kriegserklärung umdeutet, ist nicht neu. Schon letztes Jahr haben er und sein Justizminister oppositionellen Politikern mit den Hochverratsparagraphen des Strafrechts gedroht. Die dabei vorgenommene Gleichsetzung von Regierung und Staat ist kennzeichnend für autoritäres Politik- und Staatsverständnis. Die drei Weisen haben diesen schlicht vordemokratischen Drohgebärden in ihrem Bericht breiten Raum gewidmet.

Haiders autoritäre Fantasien sind nicht neu. Neu ist auch nicht sein Griff in unterste Schubladen. Neu ist, dass er jetzt offen antisemitische Ressentiments schürt. Nicht bloß erklärt der Jud' den Krieg (selber schuld, nun hat er sich die Folgen selbst zuzuschreiben), auch andere Uralt-Klischees werden in Haiders Text bedient: der heimatlose Jude, der Einwanderer (eigentlich kein "echter" Österreicher), und schließlich: Hätt' er seinen Mund nicht aufgemacht, gäb's auch keinen Antisemitismus.

Das alles hat uns der Landeshauptmann von Kärnten zu sagen, das Mitglied des Koalitionsausschusses, der Unterzeichner der Präambel zur Regierungserklärung. - Und was sagen die Abgeordneten des Kärntner Landtags? Zufrieden mit dem Scherzbold des Aschermittwochs? Das mit der ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches war nicht in Ordnung, da musste er zurücktreten, aber a bissl a Hetz mit und über und gegen Juden darf sein?

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Wo bleibt der Misstrauensantrag von ÖVP und SPÖ im Kärntner Landtag? Mit verbalen Distanzierungen ist es nicht mehr getan! Alexander Van der Bellen ist Bundessprecher der Grünen.

DER STANDARD, 20. März 2001

Tiroler Tageszeitung, 13. März 2001

Als Olympia-Vierter unerwünscht Obwohl Tuncay Caliskan Österreicher und Tirols erfolgreichster Olympia-Teilnehmer in Sydney ist, bleibt ihm der Zutritt zu Innsbrucks Diskotheken verwehrt. Der Grund:

Seine türkische Abstammung.

INNSBRUCK (tom). Tuncay Caliskan (23) Österreicher, Bundesheer-Angehöriger, Taekwondo-Staatsmeister, Worldcup-Sieger, umjubelter Vierter bei der Olympiade in Sydney. Trotz aller Erfolge von einem Prominentenbonus hat der gebürtige Türke bislang nichts gemerkt. Im Gegenteil „ich kann nicht einmal in Ruhe ein Bier in den Innsbrucker Diskotheken trinken“, ärgert sich der Kampfsportler. Spätestens bei den Türstehern ist regelmäßig Endstation Ausländer unerwünscht. „Da hilft nicht einmal mein Bundesheer-Ausweis, den ja nur ein österreichischer Staatsbürger bekommen kann.“ Caliskans Enttäuschung ist verständlich, zumal der Sportler mit Leib und Seele Österreicher ist: „Ich bin stolz auf die Fahne und dankbar, für dieses Land mein Bestes geben zu dürfen. Ich empfinde das als Auszeichnung“, beteuert der Kämpfer mit typisch südländischem Pathos. Dabei ist der symphatische Spitzensportler ohnehin kein Partytiger „bei sieben Stunden Training pro Tag ein Ding der Unmöglichkeit“, erzählt Caliskan: „Aber alle paar Monate suche auch ich manchmal Ablenkung. Ich will sehen, wie meine Altersgenossen die Freizeit verbringen, was im Nachtleben so abgeht.“ Dreimal abgewiesen Für Caliskan ging zumindest im Vorjahr gar nichts ab die Türsteher von zwei Innsbrucker Tanztempeln zeigten dem Taekwondo-Künstler dreimal die kalte Schulter. „Sie fragten nach einem Ausweis. Als die Türsteher meinen Namen auf dem Bundesheer-Ausweis lasen, war's endgültig vorbei.“ Caliskans Reaktion: „Ich sagte, ich bin mehr Österreicher als viele andere, weil ich für dieses Land kämpfe.“ Aber nur auf der Taekwondo-Matte außerhalb von Wettkämpfen ist Gewalt für den 23-Jährigen tabu: „Raufereien wären schlecht für mich und wohl auch für die anderen“, schmunzelt Caliskan. Der 1994 eingebürgerte Österreicher ist sich freilich bewusst, dass „viele meiner ehemaligen Landsleute in Lokalen Probleme machen.“ Die Ursache: „Hauptsächlich Anpassungsschwierigkeiten!“ Daher hat der Olympia-Teilnehmer sogar Verständnis für Lokalbetreiber, die Randalierer fern halten wollen. „Aber man kann doch nicht alle in einen Topf werfen.“ Namen registrieren Das findet auch Caliskans Trainer Christian Huber: „Die Türsteher müssten nur die Namen bestimmter Gäste registrieren. Wer dann Probleme macht, kann leicht ausgeforscht und zur Verantwortung gezogen werden.“

Tiroler Tageszeitung, 13. März 2001

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DER STANDARD, 2. März 2001

Fastenpredigt für den Kärntner Landeshauptmann

Politik `a la Hofbräuhaus

"Wer mit den Namen von Menschen ein frivol-aggressives Spiel treibt, hat ,Dreck im Maul'", schreibt Bischofsberater Harald Baloch in einem (ziemlich) offenen Brief an

Jörg Haider nach dessen Auftritt in der Rieder Turnhalle.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Diese formelle Anrede steht Ihnen von Amts wegen zu, ist aber nach Ihrer gestrigen Aschermittwochrede (Auszüge davon sah ich in der ZiB 2) eigentlich eine bloße Floskel.

Ich dachte zunächst, auf Ihre Rede genauso zu reagieren wie protestantische nordirische Freunde gegenüber dem radikalen Pastor Ian Paisley - resignierend: "So ist er halt, unser Doktor." Warum ich Ihnen dennoch schreibe? Erstens, weil Sie mit Ihren Aschermittwochreden die von Franz Josef Strauß begonnene Pervertierung eines katholischen Festes fortsetzen, und zweitens, weil ich - wahrscheinlich naiv - jeden Menschen grundsätzlich für einsichtig und veränderbar halte.

Die Aschermittwochszene in Ried im Innkreis war absolut klar: Nach Bier und Ihren Worten Dürstende lauschten und applaudierten Ihnen als einem von der eigenen Rhetorik Trunkenen. Sehen wir vom religiösen Skandal ab, den diese doppelte Sauferei an einem traditionellen Fastentag bedeutet, so bleibt noch immer der politische: das schamlose Provozieren von Ressentiments und die Weckung billiger Gemeinschaftsgefühle durch Herabwürdigung politischer Gegner. Und immer wieder Ihr zynisches Lächeln, wenn eine Pointe aus der untersten Schublade des Volkswitzes gesessen ist.

Gestatten Sie, dass ich daran erinnere: Das alles ist Hofbräuhaus-Methode unseligen Angedenkens, abgestellt allerdings auf die Bedürfnisse einer Unterhaltungsgesellschaft, deren soziale Not - verglichen mit den 30er-Jahren - am ehesten die Langeweile des Wohlstands ist.

Sie selbst weisen die Rückbezüglichkeit Ihrer Aussagen auf die Nazi-Zeit immer empört zurück, und es gelingt Ihnen sogar meistens, sich als unschuldiges Opfer entsprechender Vorwürfe zu stilisieren. Was war dann aber Ihr "Gag" mit dem Namen des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien? Wie könne jemand "Ariel" heißen, der "so viel Dreck am Stecken" habe, sagten Sie, die eigene "Witzigkeit" primitiv genießend. Ganz genau so verfuhren die Propagandaredner der Nazis, wenn sie jüdische Namen lächerlich machten, und das Schlimmste ist - Sie wissen das! Und dennoch hören Sie mit solchen und anderen Wortspielen, um deren Umschlagen in Hass und Gewalt jeder halbwegs gebildete Mensch weiß, nicht auf.

Ich sage Ihnen ganz offen und unmissverständlich: Wer mit den Namen von Menschen ein frivol-aggressives Spiel treibt, hat "Dreck im Maul". Zugleich bedauere ich, mich in der Abwehr einer unerträglichen Situation so ausdrücken zu müssen, weil ich fürchte, dass eine höflichere Argumentation einfach an Ihnen abgleiten würde.

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Ich bitte Sie herzlich, diese Fastenpredigt zugunsten einer zumindest sprachlich menschlichen Politik ernst zu nehmen. Zu einem Gespräch bin ich jederzeit bereit.

Harald Baloch, Bischöflicher Berater für Wissenschaft und Kultur in Graz

DER STANDARD, 2. März 2001

DER STANDARD, 2. März 2001

HANS RAUSCHER Haider spielt jetzt mit dem Antisemitismus

Dreimal innerhalb von fünf Wochen hat nun Herr Jörg Haider vor einem johlenden Publikum mit antisemitischen Anspielungen gearbeitet. Geschickt, wohl überlegt an der Grenze spazieren gehend. Sein Publikum versteht schon.

Es ist die Schande Österreichs, dass ein solcher Politiker eine wichtige Rolle in diesem Land spielen kann; dass von einem solchen Politiker die Existenz einer österreichischen Bundesregierung und damit auch das standing unseres Landes in Europa und der Welt abhängt.

Herr Haider hat in den letzten Wochen mit steigender Penetranz ein Thema gespielt: die Juden.

Am 21. Jänner sagte er beim Dreikönigstreffen der FPÖ in der Wiener Kurhalle Oberlaa zum Thema der Entschädigungen für "arisierten" jüdischen Besitz, der auch von der neuerstandenen Republik nach dem Krieg nur zögerlich und unvollständig zurückgegeben wurde: "Einmal muss Schluss sein." Es sei "die trügerische Hoffnung des Bundeskanzlers, dass er ungeteilten Applaus an der Ostküste bekommen" werde. "Ostküste" ist schon seit der Waldheim-Affäre das Codewort für die jüdische Bevölkerung in und um New York und ihren angeblichen Einfluss. Haider fuhr fort: "Der Herr Muzicant (Präsident der jüdischen Kultusgemeinde, Anm.) ist erst zufrieden, bis man ihm auch jene 600 Millionen Schulden bezahlt, die von ihm in Wien angehäuft worden sind."

Einschub: Herr Haider sitzt auf einem arisierten Großgrundbesitz (Bärental), das den jüdischen Vorbesitzern unter den Nazis abgepresst wurde. In den 50er-Jahren wurde ein Vergleich über eine Abgeltung geschlossen, die einen Bruchteil des heutigen Wertes ausmacht.

Am 21. Februar sagte Haider bei der Wahlkampferöffnung ebenfalls in Oberlaa: "Der Häupl (Wiener SPÖ-Bürgermeister, Anm.) hat einen Wahlkampfstrategen, der heißt GREENBERG". Lautes, wissendes Lachen im Saal. Haider weiter: "Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen! Liebe Freunde, ihr habt die Wahl, zwischen Spindoctor Greenberg von der Ostküste oder dem Wienerherz zu entscheiden!" Und noch einmal: "Wir brauchen keine Zurufe von der Ostküste. Jetzt ist es einmal genug.

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Jetzt geht es um einen anderen Teil der Geschiche, die Wiedergutmachung für die Heimatvertriebenen".

Schließlich sagte Haider bei seiner Aschermittwochrede am 28. Februar in der "Jahnturnhalle" in Ried im Innkreis über Ariel Muzicant: "Ich verstehe nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann!" (Das versteht auch die Innviertler Jahnturnhalle: Ariel - ein Waschmittel - Vorname eines Juden - Dreck am Stecken).

Bisher hat er sich zurückgehalten. Nun, im Wiener Wahlkampf, und da es ihm persönlich nicht so gut geht, entdeckt Haider plötzlich die Juden als Thema. Vor einem johlenden Publikum, komplett mit dummschlauen Anspielungen, ekelhaften Witzen über jüdische Namen und Vornamen und einer infamen Gegenüberstellung von "Ostküste" und "Wienerherz".

Ich behaupte: Dass er sich das jetzt traut, hängt unter anderem mit der "Das wird man doch noch sagen dürfen"-Diskussion zusammen, die auch in Qualitätsmedien über die obskuren Behauptungen eines jüdischen Autors von der "Holocaust-Industrie" allen Ernstes geführt wird.

Bundeskanzler Schüssel hat sich nach Aussagen von Kennern engagiert für die Entschädigungszahlungen eingesetzt. Er sei mit allem schuldigen Respekt noch einmal darauf hingewiesen: Ein Politiker, der wie sein Partner Haider, so mit dem Antisemitismus spielt, wäre in Deutschland keine Minute mehr länger in der Politik. [email protected]

© DER STANDARD, 2. März 2001

DER STANDARD, 2. März 2001

Symbolik eines Waschmittels Andrea Waldbrunner

Ried/Wien - "Es ist Zeit, dass in Österreich auch ein Landeshauptmann einen korrekten Umgangston lernt." Mit diesem Satz reagierte Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, auf Jörg Haiders Beschimpfung. In seiner Aschermittwochsrede in Ried hatte Haider in Zusammenhang mit den Entschädigungszahlungen an Nazi-Opfer wörtlich gesagt: "Ich verstehe überhaupt nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann." Muzicant zeichnete seine Aussendung am Donnerstag mit "Ariel Israel Muzicant". Während der NS-Zeit zwischen 1939 und 1945 hatten alle männlichen jüdischen Mitbürger den zusätzlichen Vornamen "Israel" tragen müssen.

Für Wiens Bürgermeister Michael Häupl ist Haiders Aussage "purer und blanker Antisemitismus". Die Katholische Aktion bezeichnete die Attacken als "Verunglimpfung aus der untersten Schublade". FPÖ-General Peter Sichrovsky wies die "Empörung" über "Haiders Symbolik zwischen dem Präsidenten der

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Kultusgemeinde und einem bekannten Waschmittel" zurück: "Sozialdemokraten scheinen Fachleute für nicht jüdische Waschmittel zu sein oder schmutzige Juden, vielleicht sogar für beides."

Als roter Faden für seine Rede in Ried dienten Haider Angriffe gegen Ausländer, "die Linke" und "die Sozialisten". Politiker der SPÖ und der Grünen mussten es sich gefallen lassen, als "schwer vermittelbar", "Flegel" oder "Schlaftablette der Nation" bezeichnet zu werden.

Tief in rhetorische Ebenen gelangte Haider, als er die EU-Sanktionen kritisierte: Er bedauerte die Deutschen, "einen Koffer in Berlin" (Anm.: Kanzler Schröder) zu haben. Mit Joschka Fischer sitze "ein Terrorist" in der Regierung. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac rede wie eine "Kurtisane über Moral und Anstand" und sitze wegen Korruption "bald hinter schwedischen Gardinen".

© DER STANDARD, 2. März 2001

DER STANDARD, 16. Februar 2001

Ein Spiel, aus dem ein Denkprozess wird Erfahrungen mit dem Abbau von Vorurteilen: Eine österreichische Trainerin berichtet

Wien - Es geht um den Abbau von Vorurteilen: Marion Wisinger, Mitarbeiterin in der Gesellschaft für Politische Bildung und Trainerin in "A World of Difference" gibt STANDARD-Mitarbeiterin Elisabeth Boyer Auskunft

STANDARD: Wie sind Sie zum Awod-Programm gekommen? Wisinger: Meine Arbeit mit Lehrern und Erwachsenenbildnern führt zu Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Umgang mit anderen und interkulturellen Konflikten. Als ich von dem "Awod-Programm" hörte, dachte ich, das ist interessant, zumal es in Österreich großen Bedarf gibt. Mich hat das Programm angesprochen, da es in der Schule, am Arbeitsplatz und an anderen Orten einsetzbar ist.

STANDARD: Was ist das Programm für Sie? Wisinger: Es ist ein Anti-Vorurteils-Bildungsprogramm, das sich mit allen möglichen Formen der Diskriminierung auseinander setzt. Faszinierend daran ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich zunächst spielerisch mit sich selbst und der Gruppe beschäftigen und bald wie von selbst kritisch überlegen, welche Bilder habe ich eigentlich von anderen Menschen, wodurch wurden sie geprägt. Dieses Programm leitet einen Prozess ein.

STANDARD: Was ist Ihnen bei sich selbst aufgefallen? Wisinger: Mir ist aufgefallen, wie unsicher ich plötzlich werde, wenn es darum geht, mich in andere Personen hineinzuversetzen, und mich auch dazu zu äußern. Es gibt eine Übung, wo man sich vorstellt, eine andere Person zu sein. In meinem Fall war das jemand, der eine Lernschwäche hat. Ich habe das so gut ich konnte präsentiert und eine andere Teilnehmerin, deren Sohn zufällig eben eine solche Schwäche hat,

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war erschüttert. Mir war das wirklich peinlich. Ich fragte mich, wie ich mir eigentlich Meinungen bilde. Von da ist es nämlich zu Vorurteilen nicht mehr weit.

STANDARD: Was muss für Österreich adaptiert werden? Wisinger: Für Österreich ist etwa der Umgang mit der Bedeutung von "Rasse", zu verwenden. Für uns Awod-TrainerInnen gibt es jede Menge Arbeit.

© DER STANDARD, 16. Februar 2001

DER STANDARD, 16. Februar 2001

Viel Interesse an Toleranztraining nach US-Vorbild Miteinander reden, um Vorurteile abzubauen: "A World of Difference" auch in

Österreich

Wien - Etwa zwanzig Menschen stehen einander in zwei Kreisen gegenüber. "Und jetzt erzählen Sie sich, wann Sie zum ersten Mal einen Fremden gesehen haben", lautet die Übung. Stimmengewirr folgt. "Und bitte hören Sie nur zu, nicht dazwischenreden, wenn der andere spricht."

Miteinander reden, herausfinden, wo Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Vorurteile liegen. Das Programm "A World of Difference" (Awod) soll sensibilisieren. Beginnend bei der Reise in die eigene Identität über das kulturelle Umfeld zur Biografie will Awod auch Handlungs- und Denkstrategien im Umgang miteinander aufzeigen. Rassismus, Antisemitismus und jegliche Art von Intoleranz sind die Themen der Trainings, die ihren Ursprung in den USA haben.

Die Anti-Defamation League (ADL), eine der ältesten Menschenrechtsorganisationen, entwickelte das Programm 1985 nach Rassenunruhen in Boston. Seitdem haben mehr als 350.000 Personen daran teilgenommen. In Deutschland, so Frank Lenau, der dortige Koordinator, werde schon seit 1992 mit dem Programm gearbeitet.

"In den USA werden solche Toleranztrainings in den meisten großen Firmen und Organisationen, in Verwaltung und Polizei bereits seit Jahren durchgeführt", ergänzt Marta S. Halpert, Direktorin des Zentral- und Osteuropa-Büros der ADL in Wien. Nun wird "das wichtigste Projekt und die größte Herausforderung unserer Organisation in Österreich" (Halpert) auch hier etabliert.

Bereits vergangenen Sommer haben acht Multiplikatorinnen und Multiplikatoren an einem ersten Training in den USA teilgenommen (DER STANDARD berichtete) und können mittlerweile auch selbst Trainings leiten.

Gesichert ist inzwischen die Finanzierung der Adaptierung des Materials für den Schulbereich durch das Außenministerium. Mit dem Innenministerium gibt es bereits eine Vereinbarung, Trainer auszubilden und Trainings durchzuführen. Interesse an

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Schulungen für Schalterbeamte hat auch das AMS bekundet. Die Stadt Wien wiederum interessiert sich für Schulungen für Magistratsbeamte.

© DER STANDARD, 16. Februar 2001

DER STANDARD, 16. Februar 2001

Auch Menschenrechtsbeirat deckt Mängel bei Schubhaftsituation auf "Noch viel zu verbessern"

Wien - "An der Situation für Schubhäftlinge in Österreich gibt es noch viel zu verbessern." Gerhart Holzinger, Verfassungsrichter und Vorsitzender des Menschenrechtsbeirates im Innenministerium, stellt klar: "Allein die Tatsache, dass wir kontrollieren, heißt noch lange nicht, dass alles in Ordnung ist. Die Umsetzung unserer Empfehlungen liegt bei Innenminister Ernst Strasser beziehungsweise nachgestellten Behörden."

Wie berichtet, hat zuletzt die Internationale Helsinki Föderation (IHF) die Zustände in den beiden Wiener Polizeigefangenenhäusern, in denen hauptsächlich Schubhäftlinge angehalten werden, scharf kritisiert. Für Holzinger nichts Neues: "Kommissionsmitglieder haben die Gefängnisse im Vorjahr dreimal mit und dreimal ohne Vorankündigung besucht." Daraus entstand ein Bericht, in dem folgende Mankos festgehalten wurden: Die gemeinsame Unterbringung von Straf- und Schubhäftlingen sei abzulehnen; die medizinische Versorgung sei nicht optimal; zu wenig weibliches Personal für die Betreuung von Frauen; die Ausstattung der Hafträume sei dürftig. Holzinger: "Ganz oben auf unserer Prioritätenliste steht die derzeit nur spärliche psychologische Betreuung von Schubhäftlingen."

Vor wenigen Tagen wurden die neuen Quartalsberichte für den Menschenrechtsbeirat fertig. Er nehme nicht an, dass sich die Probleme mit der Schubhaft inzwischen erledigt hätten, so Holzinger. Dazu seien die Abstände zwischen den Berichten zu kurz.

Grundsätzlich sei es Aufgabe des Menschenrechtsbeirates, strukturelle Mängel aufzudecken. Nur in akuten Ausnahmefällen gebe es so genannte Ad-hoc-Berichte. Eine Empfehlung des Menschenrechtsbeirates Ende Jänner betraf einen Erlass zur "Sensibilisierung für die Bedeutung der Sprache". Anlass war der "immer wieder behauptete diskriminierende Sprachgebrauch in der Exekutive".

© DER STANDARD, 16. Februar 2001

DER STANDARD, 16. Februar 2001

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Wels: Bürgermeister will Erlebnisflohmarkt kündigen Marktplatz einschlägiger Devotionalien

Wels/Linz - Ein- bis zweimal pro Monat finden auf dem Gelände der Welser Messe so genannte Erlebnisflohmärkte statt. Mehrere Hundert Aussteller bieten dort ein Sammelsurium von Waren an, darunter finden sich auch NS-Devotionalien. Erst am vergangenen Wochenende beschlagnahmte die Polizei eine Hitlerbüste und Postkarten mit NS-Symbolen. Vonseiten der Stadt bemüht man sich nun um eine Auflösung des Vertrages mit dem Flohmarktveranstalter, Ludwig Reinthaler.

Für den Welser Bürgermeister Peter Koits (SP) besteht ein "Interesse an einer rechtlich einwandfreien Vertragsauflösung". Flohmärkte sollten zwar als wichtige kommunikative Einrichtung erhalten bleiben, aber nicht auf dem Gelände der Welser Messe, die zu 100 Prozent der Stadt gehört, erklärt Koits.

Auch der Geschäftsführer der Messe, Arnold Wiesberger, bestätigt ein laufendes Verfahren. "Derzeit prüfen unsere Rechtsanwälte, ob eine Vertragsverletzung durch den Veranstalter vorliegt." Es gäbe nämlich einen Passus, dass bei einer Verletzung des Ansehens der Messe oder durch Handlungen, die öffentliche Kritik hervorrufen, der Vertag gelöst werden kann.

Ludwig Reinthaler versteht die Aufregung nicht ganz. Von Gegnern wird er immer wieder mit der rechten Szene in Verbindung gebracht, er selbst sieht das aber anders. Er habe zwar in den 90er-Jahren Flugblätter gegen Ausländer und Hermann Nitsch verteilt, aber nur, weil er sich wegen dieser Dinge "geärgert" habe.

"Mir kann man sicher kein schuldhaftes Verhalten vorwerfen", erklärt er zur aktuellen Causa. Sollte ihm gekündigt werden, werde er sich sicher wehren. Es sei absolut nicht in seinem Interesse, wenn NS-Objekte aufliegen würden, daher würde er die Aussteller in Aushängen auch darauf hinweisen. Zusätzlich fordere er beim Kassieren der Standmieten zur Entfernung der Objekte auf, sofern er sie bemerke. Derartiges komme aber nur relativ selten vor.

Dem widerspricht der Welser Polizeidirektor Johann Rudlstorfer. Es gebe regelmäßig Kontrollen, ebenso regelmäßig werde einschlägiges Material gefunden.

© DER STANDARD, 16. Februar 2001

DER STANDARD, 23. Jänner 2001

Ein Plädoyer für Haltungen

Exkanzler Vranitzky warnt bei Verleihung des Kreisky-Preises vor "Signalen aus Oberlaa"

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Wien - Ein Plädoyer für das Politische, für die Überzeugung, das Engagement, für Haltungen und gegen die bloße Regentschaft des volkswirtschaftlichen Rechenstifts hielt am Montag bei der diesjährigen Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky. Mit seinem Plädoyer verknüpfte Vranitzky eine Warnungen vor den "Signalen aus Oberlaa". Beim Neujahrstreffen der FPÖ seien "Fremdenfeindlichkeit, die Verächtlichmachung des politischen Gegners und Unterstellungen" auf der Tagesordnung gestanden.

Der Kreisky-Preis, der seit 1993 für politische Literatur vergeben wird, geht heuer an die Historiker Felix Kreissler und Ian Kershaw sowie den Ökonomen Jeremy Rifkin. Kreissler wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet, Kershaw erhält den Preis für seine zweibändige Hitler-Biografie (Rezension im STANDARD-ALBUM vom 20./21. Jänner) und Rifkin für das Buch "Access, das Verschwinden des Eigentums". Bei einer Pressekonferenz mit den Preisträgern kritisierte Juryvorsitzender Hannes Swoboda die Verwechslung von Chauvinismus und Nationalismus mit Patriotismus und Heimatliebe. Auf Parallelen zwischen der heutigen politischen Situation und den 30er-Jahren wies Kreissler hin: Es gebe eine konservative Regierungspartei, die sich immer weiter nach rechts beuge.

Eine Beschädigung des Ansehens Österreichs seit der Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung stellte Kershaw fest. Man könne aus der NS-Zeit lernen, wie Heimatliebe sich leicht in "aggressiven Nationalismus und Chauvinismus" wandeln könne, wie die Sehnsucht nach einer Volksgemeinschaft gleichzeitig die Ausgrenzung bestimmter Gruppen bedeute und Menschen durch einen "charismatische Führungspersönlichkeit" angezogen würden. Gemeint ist damit Jörg Haider, der für den in Frankreich lebende Historiker Kreissler ein "Westentaschen-Charismatiker" ist. (ina)

© DER STANDARD, 23. Jänner 2001

DER STANDARD, 23. Jänner 2001

RAU Der kleine Schimanek

Wenn in Österreich einer "die amerikanische Ostküste" sagt, dann meint er die Juden. Wenn in Österreich einer sagt "einmal muss Schluss sein", dann lautet die Übersetzung: Die Juden haben eh schon viel zu viel bekommen, so viel haben wir ihnen doch gar nicht stehlen und rauben können. Wenn Jörg Haider so etwas sagt, wie zum Beispiel beim großen FPÖ-Erweckungstreffen am Wochenende in Wien, dann zielt er ungewohnt deutlich in die Schmutzecken der österreichischen Seele. Und zwar ausgerechnet er, der auf einem Bärental sitzt, das den jüdischen Vorbesitzern unter den Nazis zuerst abgepresst und dann nach dem Krieg für einen relativen Pappenstiel abgekauft wurde. Wenn aber der Mitbegründer dieser Regierungskoalition sagt: "In Österreich wird der kleine Schimanek acht Jahre lang weggesperrt, weil er eine kleine Wehrsportübung gemacht hat", dann sollten die Frau

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Vizekanzlerin und der Herr Bundeskanzler ein bisserl aufhorchen, denn der "kleine Schimanek" ist wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt worden und hat ein paar Hundert Kameraden "wehrsportlich" ausgebildet, unter anderem im Gurgeldurchschneiden. Aber er ist eh schon wieder frei (nach vier Jahren).

© DER STANDARD, 23. Jänner 2001

DER STANDARD, 22. Jänner 2001

FPÖ-PARTEITAG ZITIERT

Als die FPÖ unter Norbert Steger in den 80er-Jahren den Versuch unternahm, liberal zu sein, war es auch noch Helene Partik-Pablé. Als FPÖ-Sicherheitssprecherin mutierte sie im nächsten Jahrzehnt jedoch unter der Obmannschaft von Jörg Haider zur absoluten Hardlinerin: "Erkundigen Sie sich doch einmal bei den Beamten über die Art der Schwarzafrikaner! Sie schauen nicht nur anders aus, wie Sie heute gesagt haben, sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie ganz besonders aggressiv. Das liegt offensichtlich in der Natur dieser Menschen." Partik-Pablé zur Abge- ordneten Terezija Stoisits in einer Parlamentsde- batte, 1999 "Ich finde es entsetzlich, wer aller mit einem österreichischen Pass herumläuft." Partik-Pablé 1998 "Drogendealer und die organisierte Kriminalität haben Wien erobert und spinnen in den noblen Villen in Hietzing ihre Netze." Partik-Pablé witterte bei der FPÖ-Wahlkampf- auftaktveranstaltung in Wien am 20. 10. 2000 überall Gefahren.

© DER STANDARD, 22. Jänner 2001

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DER STANDARD, 22. Jänner 2001

FPÖ-PARTEITAG Wo die FPÖ überall "Ordnung machen" will

Partei setzt auf Altbewährtes: ORF und ÖIAG, Kinderschänder, Drogenhändler,

Ausländer

Wien - Die Inszenierung des Neujahrstreffens der FPÖ war ganz auf den ehemaligen Parteichef Jörg Haider zugeschnitten. Auch wenn der Kärntner Landeshauptmann als "einfaches Parteimitglied" auftrat, das nur ein paar "ungeordnete Gedanken" äußerte.

Haider nahm sich gleich einmal den Koalitionspartner auf Bundesebene zur Brust: "Wir haben einen durchaus ängstlichen Partner in der ÖVP. Wir werden aber auch der ÖVP beibringen, dass sie mit einem freiheitlichen Regierungspartner gezwungen sind, anständig zu werden." Die ÖVP sei nämlich im "Faulbett des rot-schwarzen Proporzes aufgewachsen und groß geworden". Die FPÖ werde jetzt nicht nur in der ÖIAG "Ordnung machen", sondern auch in deren Tochterfirmen "hingehen". Auch in der Stromwirtschaft werde nun "Ordnung gemacht", selbstverständlich auch im ORF, wo die FPÖ "die Widerstandsnester beseitigen" werde.

Bundespräsident Thomas Klestil hatte schon in der Rede von Parteichefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer sein Fett abbekommen, was vom Publikum mit begeisterten "Lump"-Rufen quittiert wurde. Auch Haider konnte an diesem Thema nicht vorbei: Ganz glücklich sei man über die ungeschickten Äußerungen des Salzburger Parteichefs Karl Schnell nicht gewesen, der Inhalt der Kritik sei aber in Ordnung gewesen. Wieder folgten begeisterte "Lump"-Rufe.

"Jämmerliche Figuren" Andere Staatsmänner gerieten ob ihrer Kritik an der FPÖ ebenfalls ins Visier des einfachen Parteimitglieds: Bei Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac, Spaniens Ministerpräsident José María Aznar und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber handle es sich um "jämmerliche Figuren". Und während in Deutschland ein RAF-Sympathisant Außenminister werden dürfe, werde in Österreich "der kleine Schimanek acht Jahre lang weggesperrt, nur weil er eine kleine Wehrsportübung gemacht hat". Irgendwie ergab sich der Bogen zu den Restitutionsverhandlungen: "Wir haben andere Probleme, als ständig zu verhandeln, wie wir Wiedergutmachung zu leisten haben", sprach Haider, "einmal muss Schluss sein". Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, werde ohnedies erst dann zufrieden sein, "bis man ihm auch jene 600 Millionen Schilling Schulden bezahlt, die von ihm in Wien angehäuft worden sind".

Parteichefin Riess-Passer hatte zuvor ein ganz ähnliches Programm geboten. Sie teilte tüchtig in Richtung Klestil und ORF aus, höhnte die SPÖ und ihren Chef Alfred Gusenbauer, brachte schließlich noch Kritik am Koalitionspartner an: Auch dort hätten die Verbündeten gegen die FPÖ ihre "Handlanger und Helfershelfer", in den Länder-und Vorfeldorganisationen der ÖVP gebe es noch so manche, "die der Koalition mit den Roten noch dicke, dicke Tränen nachweinen".

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Auf dem Menüplan der Vizekanzlerin standen noch Kinderschänder ("null Toleranz"), Drogenhändler ("lebenslang") und Ausländer. Für die Freiheitlichen komme eine Erhöhung der Einwanderung nach Österreich nicht infrage: "Mit der FPÖ in der Regierung wird es keine Erhöhung der Zuwandererquote geben, das verspreche und garantiere ich euch", rief sie ins Publikum, das entsprechend erfreut reagierte. (völ)

© DER STANDARD, 22. Jänner 2001

DER STANDARD, 12. Jänner 2001

Klage des Kärntner Landeshauptmanns gegen ZDF wird abgewiesen Jörg Haider darf als "politischer Gauner" bezeichnet werden

Selbst der Justizminister hält den Begriff nicht für strafbar Daniel Glattauer

Jörg Haider strahlt die auf ihn gerichteten Kameras an und wünscht ihnen wie immer gutes Gelingen. Dann sagt er, wie schon so oft, als Zeuge aus. Dann schaut er als Landeshauptmann auf die Uhr und muss gehen. Dann blitzt er als Kläger ab. Sein Verteidiger verliert die Farbe im Gesicht; Haider verliert den Prozess gegen das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF). Aber wozu gibt es ein Höchstgericht? - Die klagend abgewiesene Partei geht in die Berufung.

Ein ZDF-Moderator hatte nach den Wahlen im Oktober 1999 behauptet, Haider sei ein skrupelloser Demagoge und ein verdeckter Sunnyboy. (Das war dem FPÖ-Chef genug.) Und: Haider sei ein "gefährlicher politischer Gauner". - Das war ihm zu viel.

Richterin Ilse Maria Vrabl-Sanda findet die Bezeichnung nicht so schlimm, "mag sie auch etwas überzogen sein". Sie traut den vorwiegend deutschen Sehern des TV-Magazins "Frontal" jedenfalls zu, erkannt zu haben, dass Haider keineswegs als Gauner im kriminellen Sinne zu betrachten sei. "Und ein Politiker muss sich im Rahmen einer öffentlichen Diskussion eben mehr gefallen lassen als ein normaler Staatsbürger."

Selbst Justizminister Dieter Böhmdorfer ist, wenn auch unabsichtlich, auf der Seite vom ZDF. In einem (noch nicht ausgestrahlten) Interview verriet er einem deutschen Journalisten, was er vom Ausdruck "politischer Gauner" hält: "Nach meiner Auffassung ist das nicht klagbar und strafbar in Österreich." - Jetzt kann er froh sein, dass er nicht mehr Haiders Anwalt ist.

Die Zeugeneinvernahme war für Haider nicht sehr angenehm. Das ZDF hat gut ein Dutzend gaunereiverdächtige Wortspenden des ehemaligen FPÖ-Obmanns zusammengetragen: Lech Walesa war "mehr breit als hoch". Ein Betriebsarzt war "ein Stasi-Geheimdienstmitglied". Die Nationalbank verkaufte "still und heimlich" Goldreserven. Ein Falter-Interview "hat nicht stattgefunden". Österreichs Nation war "eine ideologische Missgeburt". Wenigstens die Beschäftigungspolitik im dritten Reich war in Ordnung. Und die schwarze Bevölkerung "bringt nichts zusammen, da ist Hopfen und Malz verloren". - "War da nicht die ÖVP gemeint?", fragt sein Verteidiger. - Endlich darf Haider einmal lachen.

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DER STANDARD, 12. Jänner 2001

Der lange Arm des Rechtsradikalismus "Rechtsextremismus - dumme Szene oder ernsthafte Bedrohung ?" war das Thema des letzten "Zentraleuropa-Gesprächs", das - diesmal in Zürich - in Kooperation der drei Qualitäts-Tageszeitungen "Tages-Anzeiger", Zürich, "Süddeutsche", München

und Standard, Wien, veranstaltet wurde.

In manchen Gegenden (Ost-)Deutschlands sind "Ausländer" ihres Lebens nicht sicher, aber auch die Schweiz ist keine Insel der Seligen. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Saal des Kunsthauses Zürich beim Thema "Rechtsextremismus" überfüllt ist, geschätzt 500 Leute. Und das zeigt die Einschätzung von Urs von Däniken, Bundespolizei Bern: "In den letzten beiden Jahren ist die rechtsradikale Szene gewachsen. Sie besteht aus Trägern neonazistischen Gedankenguts, das sich bei der Skinheadszene stark und kontinuierlich verstärkt. Die Zahl der Vorfälle hat sich von 1999 auf 2000 mehr als verdreifacht, von 41 auf 130, 55 davon waren gewalttätig. Ich würde davor warnen, die Aktionen der Rechtsradikalen als plan- und sinnlose Freizeitbeschäftigung abzutun. Es sind Waffen verwendet worden und die Szene hat sich immer besser organisiert. Sie hat auch bewusst die Öffentlichkeit zu suchen begonnen und sich eine politische Plattform geschaffen. Sie glauben langfristig an politische Erfolge, weil sie der Meinung sind, dass die schweigende Mehrheit hinter ihnen steht."

Damit ist die thematische Frage der vom Tages-Anzeiger organisierten Diskussion von deutschen, schweizerischen und österreichischen Politikern, Behördenvertretern und Publizisten unter der Leitung von Roger Köppel, Chefredakteur des Tagesanzeiger-Magazins, schon teilweise beantwortet. Heiner Geissler, das (oft überhörte) liberale Gewissen der CDU, früher Generalsekretär, jetzt Bundestagsabgeordneter, verweist auf den gesellschaftlichen Hintergrund: "Die Gewalttaten geschehen auf dem Hintergrund einer Mentalität, die 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung teilen. Ausländerhass ist viel verbreiteter als die drei oder vier Prozent, die rechtsextreme Parteien bei Wahlen erhalten. Rechtsradikalismus hat einen langen Arm in die Gesellschaft hinein."

Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen im deutschen Bundestag: "Wir haben es mit Rechtsradikalismus neuen Typs zu tun, der teilweise zu einer neuen Jugend- und Alltagskultur wird und in breite Gesellschaftsschichten vordringt. Die Leute brauchen nicht rechtsradikal zu wählen, in Deutschland gibt es sozialdemokratische und christdemokratische Wähler, die ein eindeutig völkisches Weltbild haben."

In Österreich gibt es derzeit keine vergleichbare rechte Gewaltszene mit schweren Straftaten wie in Deutschland, berichtet Hans Rauscher, STANDARD-Kolumnist. Es gab in jüngerer Zeit fremdenfeindliche und rassistische Übergriffe, vor allem auch gegen die Schwarzafrikaner, aber ein guter Teil davon nicht durch Skinheads, sondern durch die Polizei und unter einem sozialdemokratischen Innenminister. Das eigentliche Problem: Fremdenfeindlichkeit ist Teil der offiziellen (Regierungs-)Politik geworden, schon unter sozialdemokratischer Vorherrschaft, aber auch jetzt unter Regierungsbeteiligung der FPÖ. Allerdings: Eine gesellschaftliche Gegenbewegung hat sich etabliert, und unter einem christdemokratischen Innenminister findet auch an der Spitze der Polizei ein gewisses Umdenken statt.

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An dieser Stelle fallen zwei Namen: Haider und Blocher. Der Chef der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) hat ähnliche Erfolge erzielt wie Haider. Wie ist die Rolle der rechtsbürgerlichen Parteien?, fragt Diskussionsleiter Roger Köppel. Zähmen sie das Potenzial der rechtsextremen Szene oder schüren sie es und machen es salonfähig?

Georg Kreis, Leiter des Europa-Instituts Basel: "Die Exponenten der rechtsbürgerlichen Parteien sagen natürlich, sie seien ein Bollwerk gegen den Rechtsradikalismus. ich halte sie vielmehr für Anstifter. Ihre Botschaften bestehen doch im Wesentlichen darin, die Ungleichwertigkeit von Menschen zu betonen und salonfähig zu machen. Die Wurzeln des Rechtsradikalismus liegen in diesen Haltungen, die eben bis weit in die Mitte reichen. Wenn unsere bürgerlichen Parteien in der Schweiz die Ausländer im Zusammenhang mit Asylmissbrauch und Kriminalität thematisieren, dann sind sie Wegbereiter für rechtsradikale Strömungen."

Ist es nicht Verdienst eines Haider, fragt der Moderator den österreichischen Vertreter, dass er mit seinem Verbalradikalismus der rechtsextremen Szene den Wind aus den Segeln genommen hat? Rauschers Antwort: Da besteht keine Verbindung. Einerseits ist die Gewaltbereitschaft unter viel besseren wirtschaftlichen Bedingungen in Österreich viel geringer als etwa in Ostdeutschland. Andererseits hat eben die offizielle Politik viele fremdenfeindliche Elemente aufgenommen. Georg Kreis: "Haider oder rechtsbürgerliche Politiker in der Schweiz domestizieren nicht den Rechtsradikalismus, sie bemühen sich, ihn zu banalisieren, zu entpolitisieren, die Gewaltakte als Lausbubenstreiche hinzustellen."

Was tun? Sollen die Medien rechtsradikale Vorfälle "nicht so hochspielen"? Philipp Löpfe, Chefredakteur des Tages-Anzeigers: "Wir haben den Auftritt von hundert Skinheads bei der 1.-August-Feier auf dem Rütli nur klein gebracht, um nicht dem Vorwurf des ,Anheizens' ausgesetzt zu sein, aber wir berichten ausführlich über die Zunahme nationalistischen Denkens bei Jugendlichen. Hier den richtigen Weg zu finden erfordert tägliches Abwägen." Und Rauscher: "Wenn Gift gestreut wird, dann muss man sagen dürfen: Hier wird Gift gestreut."

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig: Der richtige Weg ist ein Mix aus wohldosierter polizeilicher Repression (von Däniken: "Wir schauen nicht weg") und Verstärkung der Zivilgesellschaft (Özdemir: "Nur wenn die Gesellschaft mit einem klaren Signal antwortet, haben wir eine Chance"). Und Geissler: "Wir müssen den Leuten klarmachen, dass die Deutschen nie mehr ,unter sich' sein werden, sondern dass sie mit sieben, acht Millionen Menschen zusammenleben werden, deren Eltern eine andere Herkunft haben, die aber gleichzeitig in Deutschland ihre Heimat haben" (red)

© DER STANDARD, 12. Jänner 2001

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DER STANDARD, 4. Jänner 2001

Yahoo gesperrt für Nazi-Objekte

San Francisco - Der Internetdienstleister Yahoo verbietet ab kommenden Mittwoch den Vertrieb von Nazi-Objekten auf seinen eigenen Auktionsseiten im World Wide Web. Der Anwalt von Yahoo sagte, die Entscheidung sei keine Reaktion auf die einstweilige Verfügung - DER STANDARD berichtete - eines Pariser Gerichts vom November. Danach muss der Internetriese täglich 100.000 Franc (209.774 S/ 15.245 EURO) Strafe zahlen, wenn er seine Internetseiten mit Nazi-Angeboten nicht bis 20. Februar für französische Internetbenutzer blockiert. Yahoo hatte dagegen Berufung eingelegt, da der Fall außerhalb der Zuständigkeit des Pariser Gerichts liege. Das Unternehmen, das in den bedeutenden Ländern der Welt über so genannte Internetportale neben Auktionen auch Nachrichten, Finanzdienstleistungen oder E-Mail-Dienste anbietet, hat seinen Stammsitz in Kalifornien.

Yahoo war in Frankreich von der Jüdischen Studenten-Union (UEJF) und der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (LICRA) verklagt worden. Die Klage bezog sich unter anderem auf Yahoo-Internetseiten, auf denen Nachbildungen von Behältern des in den Konzentrationslagern verwendeten Nervengases Zyklon B und Hakenkreuz-Armbinden zu ersteigern sind. In Deutschland drohte Yahoo ebenso ein Rechtsstreit: Der Zentralrat der Juden wollte prüfen, ob er gegen Angebote von Nazi-Objekten klagt. (APA/red)

© DER STANDARD, 4. Jänner 2001

DER STANDARD, 20. Dezember 2000

Schüssel nimmt Brief Amatos zur Kenntnis

Rom/Wien - Der vom italienischen Ministerpräsidenten Giuliano Amato angekündigte Brief nach dem Besuch des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (FP) in Italien ist bei Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) eingetroffen. Der Brief sei sehr kurz gefasst und informiere über eine Diskussion im italienischen Ministerrat nach der Kritik Haiders an der Einwanderungspolitik Italiens. Dem Brief beigelegt sei ein Pressebericht über den Besuch Haiders in Italien.

Schüssel betonte, er nehme den Brief gerne zur Kenntnis und respektiere die Information. Amato habe richtig reagiert, weil dieser nicht einen massiven Protest eingelegt habe, sondern über eine Diskussion im Ministerrat informiert habe.

Im Interview mit der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera kritisiert der Bischof die Ausdrucksweise Haiders, dem er Achtung vor der Empfindsamkeit anderer Völker empfiehlt. Haider sei aber kein Faschist. Die nicht ausreichende Differenzierung des kritisierungswürdigen Populisten Haiders sei aber keine Rechtfertigung für die Gewalt der Demonstranten in Rom.

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Der in Österreich geborene Filmschauspieler Arnold Schwarzenegger übt im Interview für die französische Libération heftige Kritik an Haider. "Wenn ein Individuum seine politischen Meinungen, die auf dem Konzept des Ausschlusses begründet sind, offen kundtut, dann hat es keinen Platz an der Spitze eines Staates." (red/APA)

© DER STANDARD, 20. Dezember 2000

DER STANDARD, 20. Dezember 2000

"Sind keinen Schritt weiter"

Fall Omofuma: Pattstellung durch Gerichtsgutachten

Wien - Auf den Exklusivbericht des STANDARD über das vorläufig letzte Gutachten zum Tod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma reagierten am Dienstag die Rechtsvertreter der gegnerischen Parteien: "Von einem Erstickungstod kann nicht mehr gesprochen werden", sagte Anwalt Farid Rifaat, der Vertreter der drei Fremdenpolizisten, gegen die wegen "Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge" ermittelt wird.

Wie berichtet, hat der Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter nun seine früheren Obduktionsergebnisse bestätigt: Es sei nicht auszuschließen, dass Omofuma, der am 1. Mai 1999 bei seiner Abschiebung ums Leben kam, an einer Herzkrankheit gestorben sei. Der bulgarische Experte Stojcho Radanov hingegen stellte fest, dass Omofuma erstickt sei - weil er gefesselt und geknebelt war.

Anwalt Georg Zanger, der Omofumas Familie vertritt, kommentierte das neue Gutachten so: "Wie schon vor einem Jahr heißt es jetzt wieder Gutachten gegen Gutachten. Wir sind keinen Schritt weiter." Die Staatsanwaltschaft muss nun - im Einvernehmen mit dem Justizministerium - entscheiden, ob ein Obergutachter bestellt wird. (simo)

© DER STANDARD, 20. Dezember 2000

DER STANDARD, 18. Dezember 2000

Politstreit um Flüchtlinge: Baby tot

Säugling gehörte zu jener Kosovaren-Gruppe, die Haider aus Kärnten wegschicken wollte

Klagenfurt/Wien - Der Tod eines sieben Monate alten Flüchtlingskindes in Kärnten löst neuerlich heftige Kritik an der Asylpolitk des Landes, aber auch an der des

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Bundes aus. Das Baby, das laut Format bereits am 28. November an einer Lungenblutung verstorben ist, gehörte zu jener Gruppe von 48 Kosovaren, um die im vergangenen Herbst ein politischer Streit zwischen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) und dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) entbrannt war.

Wie DER STANDARD berichtete, hatte Haider einen Streit über die Finanzierung der Flüchtlingshilfe vom Zaun gebrochen. Falls sich das Innenministerium nicht an den Kosten beteilige, werde er in Kärnten stationierte Asylwerber "vor die Tore von Traiskirchen (wo sich das größte Flüchtlingslager des Bundes befindet; Anm.) stellen". Haider zog die Drohung später zurück, trotzdem sollen Flüchtlinge zwischen Klagenfurt und Traiskirchen hin- und hergeschoben worden sein.

Der Säugling Samuel B., der seit Geburt ein Loch in der Herzscheidewand hatte und - wie sich nachher herausstellte - offenbar auch eine Missbildung der Lunge, erkrankte wenig später an einer Lungenentzündung, an deren Folgen er am 28. November verstarb. Die Krankheit war trotz vorgeschriebener Untersuchungen nicht erkannt worden.

Die Familie sei offenbar politisch instrumentalisiert worden, wird der für Flüchtlinge zuständige Sektionsleiter im Innenministerium, Wolf Szymanski, in Format zitiert. Der Kärntner Flüchtlingsbeauftragte Gernot Steiner sagte am Sonntag, er sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Tod des Babys und den politischen Auseinandersetzungen. Das betreffende Ehepaar Zef und Sofia B. sei in Kärnten am 10. Oktober aus der Bundesbetreuung entlassen worden. Steiner: "Die Familie wollte selbst ins Flüchtlingslager nach Traiskirchen fahren." Man habe ihr auch die notwendigen Zugtickets gratis zur Verfügung gestellt. Die Familie erhielt bisher kein Asyl und soll im Jänner abgeschoben werden.

Der tragische Tod des Babys erinnert an den vierjährigen afghanischen Flüchtlingsbuben Hamid, der im Mai im Burgenland verstarb. Auch in diesem Fall war eine lebensgefährliche Krankheit des Kindes nicht erkannt worden. Hamids Eltern wurden später aus "humanitären Gründen" als Flüchtlinge anerkannt. (APA/simo)

© DER STANDARD, 18. Dezember 2000

DER STANDARD, 18. Dezember 2000

Überwachungsgruppen

Laut Finanzministerium sind beim österreichischen Zoll rund 4500 Frauen und Männer beschäftigt, mehr als die Hälfte davon sind zivile Beamte. Uniformierte, bewaffnete mobile Überwachungsgruppen, kurz MÜG, führen Kontrollen des Warenverkehrs im gesamten Bundesgebiet durch. Dabei werden, als Ausgleichsmaßnahme zu den offenen Schengengrenzen, vornehmlich ausländische Fahrzeuge und Personen überprüft. Für eine Zollkontrolle muss, im Gegensatz zur Kompetenz der Polizei, kein Verdacht vorliegen. In ganz Österreich gibt es rund 40 mobile Zollwachegruppen. (simo)

© DER STANDARD, 18. Dezember 2000

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DER STANDARD, 18. Dezember 2000

Braune "Kampfaufrufe" bei der Zollwache

Generalinspektor Peter Zeller schaltet Staatsanwaltschaft ein

Michael Simoner

Wien - "Mir reicht es. Ich werde jetzt die Staatsanwaltschaft einschalten." Was Peter Zeller, den Generalinspektor der Zollwache im Finanzministerium, so erzürnt, sind rechtsextreme Pamphlete, die seit geraumer Zeit durch Dienststellen der österreichischen Zollwache geistern. Was ihn noch mehr ärgert: dass er selbst beschuldigt wird, dem braunen Gedankengut Vorschub zu leisten.

Pamphlete einer "Kampfgruppe zum Schutz der Zollwache" tauchten erstmals vor zwei Jahren auf. Darin hieß es unter anderem: "Die Mobile Überwachungsgruppe ist das Paradepferd der Zollwache. Die Gruppenführer sind aufgerufen, in ihren Reihen mit aller Härte zum Wohle Österreichs gegen die Ausländer, vor allem aus dem ehemaligen Ostblock wie Polen, Rumänien, Bosnien usw., mit ihren Einsatzbeamten vorzugehen."

In den "Kampfaufrufen" - einige davon liegen dem STANDARD vor - wird auch der größere nicht uniformierte Teil der Zollbehörde als "hinterhältiges Pack der Zivilisten" bezeichnet.

"General befiehl" Und es ist dauernd von "unserem General" die Rede, der "in langen Kämpfen die Front von hinten" aufrolle. Alle "Kampfaufrufe" enden mit: "General befiehl, wir folgen Dir, es lebe die Zollwache." Gemeint kann nur Generalinspektor Peter Zeller sein, der in der Vereinnahmung seiner Person für die Hetzschriften einen gezielten Versuch sieht, ihn anzupatzen. "Das sind widerliche Produkte kranker Gehirne", meint Zeller im STANDARD-Gespräch.

In einem ebenfalls anonymen Schreiben einer "Interessengemeinschaft demokratischer Zöllner" wird Zeller beschuldigt, die "eindeutig rechtslastigen Tendenzen" beim Zoll zu verstärken. Zeller habe etwa in einem Artikel über den Korpsgeist in der Zeitschrift Die Zollwacht in Nazi-Diktion geschrieben, dass "als psychische Hygiene eine Erneuerung der inneren Sauberkeit" geboten sei.

Verantwortungsgefühl Zeller erinnert sich: "Aus dem Zusammenhang gerissen, mag das vielleicht eigenartig klingen. Tatsächlich war es eine Reaktion auf Verbrechen, die 1998 von Zollbeamten begangen wurden - darunter auch die Vergewaltigung einer Touristin." Er habe in dem Artikel an das Verantwortungsgefühl der Beamtengemeinschaft appelliert.

Der Generalinspektor vermutet in den Angriffen gegen seine Person eine "Racheaktion" ehemaliger Mitarbeiter. Vor einigen Jahren, als die Grenzgendarmerie Aufgaben der Zollwache übernommen hatte, war es zu heftigen internen Zoll-

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Diskussionen gekommen. Das "feindliche" Verhältnis zwischen Zoll und Gendarmerie gipfelte im Frühjahr 1997, als unbekannte Täter beim Zollamt Langegg in der Steiermark drei "gehängte" Puppen in Zollwacheuniformen hinterließen.

Dass es "braune Schafe" in den Reihen der Zollbehörde, die heuer ihr 170-jähriges Bestehen feierte, gebe, könne man bei einem Personalstand von rund 4500 Frauen und Männern nicht ausschließen, so Zeller. "Aber die sollen wissen, dass sie bei uns nichts verloren haben." Er wird Anzeigen wegen Verhetzung und wegen Verleumdung erstatten.

© DER STANDARD, 18. Dezember 2000

DER STANDARD, 18. Dezember 2000

Bundespräsident Adolf Schärf wirkte 1939 an Arisierung mit

Wien - Der spätere sozialistische Parteichef (1945 bis 1957) und Bundespräsident (1957 bis 1965) Adolf Schärf war in zumindest einem Fall an einer Enteignung einer jüdischen Familie zugunsten eines SS-Mannes beteiligt. Das hat das Nachrichtenmagazin profil aufgedeckt.

Schärf war in der Zeit des Ständestaats und der Nazi-Diktatur als Anwalt tätig - seit 1938 mit einer eigenen Kanzlei in der Skodagasse 1 in Wien-Josefstadt. In seiner Funktion als Rechtsanwalt hat Schärf im März 1939 für einen SS-Mann die "Arisierung" eines Hauses abgewickelt.

Schärf habe sich für seinen Klienten bei der Vermögensverkehrsstelle, die über die "Arisierung" jüdischen Besitzes bestimmte, eingesetzt. Der Kauf des Hauses, so der Anwalt in seinem mit "Heil Hitler" unterzeichneten Brief, stelle für seinen Mandanten eine "Existenzfrage" dar.

Gleichzeitig belegen laut dem Magazin Dokumente die Kenntnisse Schärfs, dass der Verkauf des Hauses für die jüdischen Besitzer praktisch entschädigungslose Enteignung bedeutete, da der Großteil des Kaufpreises vom Regime beschlagnahmt wurde.

Die Rückstellungskommission hat zu der Transaktion im Jahr 1953 festgehalten, dass dabei die Regeln des redlichen Verkehrs nicht eingehalten worden seien. Dennoch sei es wie in vielen weiteren Fällen zu einem Vergleich gekommen, in dem der "Ariseur" aus der Rückstellung weiter profitiert habe: Die Eigentümer mussten sich verpflichten, die geräumige Wohnung des früheren SS-Mannes zehn Jahre lang nicht zu kündigen. (red)

© DER STANDARD, 18. Dezember 2000

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DER STANDARD, 16./17. Dezember 2000

Ausstellung über "Wert des Lebens"

Aufarbeitung von NS-Ideologie

Alkoven - Schloss Hartheim trägt eine schwere historische Last. In dem Prachtbau der Renaissance wurden zwischen 1940 und 1944 30.000 Menschen systematisch getötet. Es war ihrer Meinung nach "unwertes Leben", das die Nationalsozialisten in der "Aktion T4" hier vernichtet haben: jenes behinderter Menschen.

Die Ausstellung "Wert des Lebens" auf Schloss Hartheim widmet sich nun der gesellschaftlichen Stellung geistig und körperlich behinderter Menschen. Nicht nur die Grausamkeiten im Dritten Reich werden beleuchtet, sondern auch die historische Entwicklung der Ideologie gegenüber Behinderten.

Die Ausstellungskonzeption stammt von Josef Weidenholzer und Brigitte Kepplinger, beide Universität Linz. Kepplinger will "einen assoziativen Zugang" zu dem Thema. Neue Medien und emotionale Aspekte sollen den Blick für behinderte Menschen schärfen. Wichtig sei, die "wechselseitige Wahrnehmung" von Behinderten und Nichtbehinderten.

Neben aktuellen Themen, wie etwa der Sterbehilfe-Debatte in den Niederlanden, soll auch "Ermutigendes" beleuchtet werden, wie die Verankerung eines allgemeinen Diskriminierungsverbots in der oberösterreichischen Landesverfassung vor wenigen Tagen.

Schloss Hartheim wird derzeit renoviert. 2003 wird die Ausstellung samt Gedenkstätte eröffnet. Beim Schloss liegt auch das Institut Hartheim, eine heute anerkannte Pflegeeinrichtung. Bereits vor einem Jahr wurde das Projekt "Wert des Lebens" angekündigt, es wurde aber aus Geld- und Zeitnot verschoben, da es intensive Vorbereitungen brauche. (aw)

© DER STANDARD, 16./17. Dezember 2000

DER STANDARD, 15. Dezember 2000

Haider-Quiz mit Rechts-Folgen Haider-Quiz mit Rechts-Folgen Medienprozess um Rhetorik Haiders

Wien - "Maybe." "Kann mich nicht erinnern." "Das ist nicht meine Diktion." "Sicher nicht." - So oder so ähnlich antwortete Jörg Haider Donnerstag zwei Stunden lang auf Fragen nach seiner Rhetorik. Anlass für die richterliche Überprüfung seiner Zitate war ein "Gesinnungsquiz", in dem die Süddeutsche Zeitung Aussagen von Jörg

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Haider und von Adolf Hitler gegenübergestellt hatte. Haider fand das gar nicht lustig und klagte.

Und bekam beim Prozess im Wiener Landesgericht Zitat um Zitat vorgelesen. Manche will er nie gesagt haben (etwa "wir sind das Schädlingsbekämpfungsmittel"), für andere hat er sich - meinetwegen - entschuldigt (etwa für die "ordentliche Beschäftigungspolitik"), manche hat er ganz anders gemeint. Das Zitat "Mit den Schwarzen ist es so ein Problem. Selbst dort, wo sie die Mehrheit haben, bringen sie nichts zusammen" etwa habe nichts mit Afrika zu tun, sondern nur mit der ÖVP.

Daniel Charim, Anwalt der Süddeutschen, versuchte mit einer 170 Seiten dicken Zitatensammlung und mit einem Gutachten zu beweisen, dass es sprachliche Parallelen zwischen Haider und Hitler gebe. So hätten beide den Parlamentarismus angezweifelt. Zeuge Haider versuchte so zu kontern: Erstens seien Aussagen wie die von der ideologischen Missgeburt oder die über die "formaldemokratische Maskerade" des Parlamentarismus teils nur ein "Kunstgriff" gewesen, und zweitens: "Ich nehme an, die Nazis haben auch Guten Morgen gesagt. Das ist nicht inkriminiert."

Beim Großteil der Zitate, vor allem bei denen, die nicht im Fernseharchiv sind, fühlt sich Haider falsch wiedergegeben. Was den Richter zur Frage veranlasste: "Sie sind ein Vollblutpolitiker, ein brillanter Rhetoriker. Warum passiert das gerade Ihnen, dass Sie immer mit solchen Sachen zitiert werden, und etwa der Vizekanzlerin nicht?" - Haider: "In 25 Jahren an der Spitze einer Partei passieren auch Sachen, die nicht immer gut sind." Einmal hat der Richter den Prozess schon eingestellt, das Oberlandesgericht hatte die Entscheidung revidiert. Diesmal wurde der Prozess vertagt - Charim soll Beweise für die Authentizität der bestrittenen Zitate vorlegen. (eli)

© DER STANDARD, 15. Dezember 2000

DER STANDARD, 15. Dezember 2000

Dramatische Flüchtlingssituation

Von 15.226 Asylanträgen wurden nur 799 positiv erledigt

Wien - Im Vergleich zum Vorjahr wird die heurige Bilanz über positive Asylentscheidungen wieder mager aussehen: Von Jänner bis Oktober 2000 gab es 15.226 Asylanträge; lediglich 302 Flüchtlinge bekamen "echtes" Asyl. Ihre positiven Bescheide wurden auf 497 Ehepartner und Kinder ausgedehnt - insgesamt 799 anerkannte Flüchtlinge. Im ganzen Jahr 1999 waren es viermal so viele gewesen. "Das Vorjahr war aber wegen der Kosovo-Krise eine humanitäre Ausnahme", sagt Michael Genner von der privaten Hilfsorganisation "Asyl in Not". Was sich in der Rekordzahl von rund 3200 anerkannten Flüchtlingen widerspiegelte. Genner: "Der

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Blick ins Jahr 1998 ist wieder ein trauriger, damals gingen nur knapp 500 Asylanträge durch."

Zehn Prozent aller heuer anerkannten Flüchtlinge wurden von den nur elf, teils ehrenamtlichen Mitarbeitern von "Asyl in Not" betreut. "Es war ein schwieriges Jahr", zieht Genner Bilanz. Auch das Wiener Büro des UNO-Flüchtlingshochkommissars (UNHCR) stellte fest, dass sich die Situation für Asylsuchende in Österreich dramatisch verschlechtert habe. Vor allem die unzulängliche Bundesbetreuung gefährde faire Asylverfahren. Nur einem Drittel aller Asylwerber wird staatliche Betreuung (Unterkunft, Krankenversicherung und Taschengeld) gewährt. (simo) Spendenkonto: "Asyl in Not", Bank Austria 698 035 557

© DER STANDARD, 15. Dezember 2000

DER STANDARD, 6. Dezember 2000

Anzeigen gegen FP-Politiker

Personenkomitee will "Wiederbetätigung" prüfen lassen

Wien - Die Interessengemeinschaft (IG) Autorinnen und Autoren sowie ein hochrangig besetztes Personenkomitee, dem Künstler, Menschenrechtsaktivisten und KZ-Überlebende angehören, bringen zwei Strafanzeigen gegen prominente FPÖ-Politiker wegen des Verdachtes auf Wiederbetätigung ein. Die Anzeigen, die Rechtsanwalt Gabriel Lansky verfasst hat, richten sich gegen Jörg Haider, Dieter Böhmdorfer, Herbert Scheibner und Hilmar Kabas.

Die Sachverhaltsdarstellungen stützten sich auf die Dokumentation des Buches von Hans-Henning Scharsach und Kurt Kuch, "Haider, Schatten über Europa". Die erste Anzeige richte sich gegen Haider und Böhmdorfer. In einem Schriftsatz, den Böhmdorfer als Anwalt von Haider 1998 bei Gericht eingebracht hat, werde etwa der verbrecherische Charakter der Waffen-SS bestritten. In diesem Schriftsatz erklärte Böhmdorfer, die Waffen-SS sei "keine verbrecherische Organisation" gewesen, sondern habe einen "ehrlichen Krieg" geführt. Die zweite Strafanzeige richte sich gegen Haider, Scheibner und Kabas wegen der Parolen, die im "Anti-Ausländer-Wahlkampf" 1999 in Wien verwendet worden seien. (völ)

© DER STANDARD, 6. Dezember 2000

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DER STANDARD, 6. Dezember 2000

Mit "Händen und Füßen" gegen Abschiebung

13 Monate Haft, Freispruch, wieder Haft

Michael Simoner

Wien/Korneuburg - Wieder Aufregung um die Abschiebung eines nigerianischen Staatsbürgers: Laut Polizei habe sich der 25-jährige Anthony O. Montagfrüh mit "Händen und Füßen" dagegen gewehrt, am Flughafen Wien-Schwechat in eine Maschine der niederländischen Fluglinie KLM verfrachtet zu werden. Gemäß den seit dem tragischen Tod von Marcus Omofuma (Mai 1999) geltenden Richtlinien wurde der Schubhäftling daraufhin nicht abgeschoben - sondern im zuständigen Landesgericht Korneuburg wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt in U-Haft genommen.

Die Aktion wurde von einer Hand voll Demonstranten begleitet. Sie warfen den Behörden vor, dem Nigerianer durch die Abschiebung eine mögliche Haftentschädigung zu stehlen. Hintergrund: Der Asylwerber Anthony O. war im vergangenen September bei einer Drogenrazzia in einem Wiener Gesellenheim festgenommen worden. Mehr als ein Jahr saß der 25-Jährige daraufhin wegen des Verdachts, mit illegalen Drogen gehandelt zu haben, in U-Haft, bevor er vor wenigen Wochen - im Zweifel - freigesprochen wurde. Trotzdem wanderte O. gleich wieder hinter Gitter, in Schubhaft. Sein Asylverfahren endete negativ.

Die grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits kritisierte im Gespräch mit dem STANDARD, dass O. nicht einmal die, wenn auch winzige, Chance eingeräumt worden sei, um eine Haftentschädigung zu kämpfen. Stoisits: "Immerhin saß der Beschuldigte 13 Monate unschuldig im Gefängnis."

Um Haftentschädigung beantragen zu können, müsste Anthony O. allerdings zuerst seinen "Freispruch im Zweifel" bekämpfen. Erst nach einer "lupenreinen" Entkräftung des Verdachtes kann mit der Republik um die Höhe einer Entschädigung verhandelt werden. Nach mehreren Rügen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof müssen derartige Verhandlungen öffentlich geführt werden. Es genüge nicht, dass im Rahmen eines Entschädigungsbegehrens die Feststellung "im Zweifel" oder "ohne Zweifel" nur aufgrund der Aktenlage entschieden werde. Öffentliche und mündliche Verhandlungen können nicht ohne die Hauptperson geführt werden. O. müsste also in Österreich bleiben.

Zwischen 1990 und 1995, aktuellere Daten gibt es nicht, erhielten in Österreich 65 Häftlinge Haftentschädigung. Ausbezahlt wurden knapp acht Millionen Schilling.

© DER STANDARD, 6. Dezember 2000

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DER STANDARD, 5. Dezember 2000

Österreicher "anderer Rasse" wartete Wochen auf Ersatzpass

Lagos/Wien - "Der Verdacht", sagt Christian Berlakovits, "ist halt größer, auch bei Österreichern, die einer anderen - wenn ich den Ausdruck verwenden darf - Rasse angehören und vielleicht die Sprache nicht so beherrschen, als bei einem waschechten Österreicher - das ist normal, oder?" Berlakovits leitet die Abteilung für Grenzverkehr im Außenministerium.

Anlass der STANDARD-Anfrage: Peter A., Österreicher, ehemals Nigerianer, bereitet die Gründung einer Import-Export-Firma vor, reist oft und ausgedehnt, um den Markt zu sondieren. Vor kurzem, als er von Lagos heimfliegen wollte, war sein Pass verschwunden - vermutlich gestohlen. Bei der österreichischen Botschaft in Lagos (Leitung: Christoph Parisini) wurde A. wegen der Ausstellung eines Ersatzdokumentes zwei Wochen lang vertröstet.

Christa F., seine Geschäftspartnerin und Exfrau, versuchte unterdessen von Wien aus, die Mühlen der Bürokratie zu beschleunigen. Auskunft der Botschaft in Lagos (laut Frau F.): "Mit Ihnen rede ich überhaupt nicht, Sie haben keine Parteienstellung." Auskunft des Außenministeriums, Bürgerservicetelefon (laut Frau F.): "Einen Ersatzpass auszustellen, dauert zehn Minuten." Auskünfte des Außenministeriums, Abteilung für Grenzverkehr (laut Frau F.): "Wir leiden unter Personalmangel und haben wirklich keine Zeit"; "Muss der überhaupt zurückkommen?"; "Der kennt ja das Land, der ist dort gut aufgehoben."

Eine Beschwerde von Frau F. brachte nichts, erst als sich über Vermittlung von Asyl in Not DER STANDARD für die Sache zu interessieren begann, kam plötzlich Bewegung hinein: Zwei Tage später hatte Herr A. seinen Ersatzpass und konnte heimkehren.

Wo also lag das Problem? A.s Identität war stets fest gestanden: Er konnte sich mit Personalausweis und Führerschein ausweisen. Berlakovits: "Als Rosafarbiger erkennt man einen anderen Rosafarbigen am Foto leichter als jemanden, der einer anderen Rasse angehört. Das ist dasselbe wie bei den Chinesen, die geben auch immer wieder untereinander die Pässe weiter, und wir merken nichts."

"In Nigeria Gold wert" Wolf Szymanski, Ausländer-Sektionschef im Innenministerium: "Ein österreichischer Pass, in dem ein Schwarzafrikaner abgebildet ist, ist in Nigeria Gold wert. Den kann man auch selber verkaufen." Derlei geschehe dort offenbar regelmäßig.

Indiz für Szymanski: Peter A. habe vor ein paar Wochen bei der Botschaft in Lagos um ein Echtheitszertifikat für seinen Pass gefragt. Christa F. dazu: Das habe A. tatsächlich, wenn auch schon vor ein paar Monaten. Die Ethiopian Air habe das Zertifikat für die Buchung verlangt. Einigkeit herrscht darüber, dass A. ohne Zertifikat hochkant aus der Botschaft hinausflog. Seitdem habe der Beamte der Botschaft zwei Morddrohungen erhalten, so Szymanski. Ein Zusammenhang mit A. sei nicht nachzuweisen.

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A., sagt Szymanski, sei im Verdacht gestanden, ein "Naheverhältnis" zur Antidrogen-Aktion "Operation Spring" gehabt zu haben. Bei A. sei, so Szymanski, jedoch vor Gericht gar nichts übrig geblieben. Christa F.: A. habe von Ermittlungen nie erfahren. Einzige mögliche "Verwicklung": Er sei ein entfernter Bekannter von Charles Ofoedu, dem von der Polizei ursprünglich fälschlicherweise als "Drogenboss" beschuldigten Schriftsteller.

Die Botschaft in Lagos habe, so Szymanski, eine Sachverhaltsdarstellung über A. an die Staatsanwaltschaft in Wien geschickt. Dort ist sie jedoch (noch) nicht eingelangt. (schles)

© DER STANDARD, 5. Dezember 2000

DER STANDARD, 28. November 2000

Vormarsch der digitalen Hasstiraden Gruppen, die Rassismus und Hass predigen, benutzen zunehmend das World Wide Web. Laut neuesten Unter-suchungen hat sich die Zahl dieser Webseiten gegenüber

1999 verdoppelt. Rita Neugebauer aus Palo Alto

Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles zum ersten Mal eine CD-ROM mit dem bezeichnenden Namen Digital Hate 2000. Darauf identifizierte das Zentrum weltweit 1426 Webseiten als "problematisch". Es handelte sich um "hate sites", die entweder selbst ihren Hass gegenüber anderen im weltweiten Web ausschütten oder Verbindungen zu solchen Seiten herstellen. Wie etwa die Seite von Nole Page, die sich auf den ersten Blick mit dem kalifornischen Santa Barbara beschäftigt, sich dann aber in eine Seite mit Nazi-Propaganda verwandelt. Nun kam Digital Hate 2001 heraus. Die Zahl der Webseiten mit Hasstiraden gegen Juden, Schwarze oder Angehörige von Minderheiten hat sich in nur einem Jahr verdoppelt. Mehr als 3000 Seiten werden inzwischen als "hate sites" eingestuft. Eine Zunahme, so der Direktor des Zentrums, Rabbi Abraham Cooper, lässt sich vor allem in den USA beobachten, wo das Grundgesetz die Verbreitung von Material garantiert, das in vielen europäischen Ländern als illegal eingestuft werden würde.

Vom WC ins Netz "Dieses Material fand sich früher auf öffentlichen Toiletten, nun ist es online." Die Veröffentlichung fällt mit der Kontroverse um Yahoo in Frankreich zusammen. Das Onlineauktionshaus wurde dort gerichtlich aufgefordert, zukünftig Nazi-Material wie Flaggen, Fotografien und Bücher von seiner Webseite zu entfernen.

Auch in Deutschland werden Klagen gegen Yahoo überlegt. Der Berliner Rechtsanwalt und Experte für Internetrecht, Niko Härting, beurteilt die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage des Zentralrats der Juden gegen den Internetanbieter Yahoo allerdings skeptisch, berichtet Reuters. "Wir kennen in

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Deutschland mit wenigen Ausnahmen kein Verbandsklagerecht", sagte Härting. Wer klagen wolle, müsse geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Die japanische Polizei hat am Montag das Tokioter Büro des Internetanbieters Yahoo Japan im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Kinderpornographie durchsucht.

Der Leiter einer Tanzschule werde verdächtigt, über die Website des Unternehmens Videos mit Kinderpornographie verkauft zu haben, teilte die Polizei mit.

Massive Beschwerden Ein anderer aufsehenerregender Fall betraf im vergangenen Jahr den Onlinebuchhändler Amazon. Erst nach massiver Beschwerde versprach Amazon, zukünftig Hitlers "Mein Kampf" nicht mehr nach Deutschland auszuliefern. Nach der Veröffentlichung von Digital Hate 2000 entfernte Yahoo zwar 39 Gruppen von seiner Suchmaschine. Darunter auch Gruppen, die den Namen Ku Klux Klan benutzten. Doch Don Black, Ku-Klux-Klan-Mitglied und einer der Ersten, der das Web für seine Propagandazwecke nutzte, entging der Säuberung. Seine zwei Webseiten mit Namen Stormfront, darunter eine für Kinder, von seinem elfjährigen Sohn gemanagt, finden sich weiterhin bei Yahoo. Seine Gruppe verfügt über einen eigenen Server und die Seite kostet angeblich nur rund 1000 Dollar im Monat. Ein billiges Medium, wenn damit Millionen User erreicht werden. Das Wiesenthal-Center macht zehn verschiedene Kategorien von "Hass-Seiten" aus. Darunter Seiten, die auf Kinder abzielen, Hass mittels Musik propagieren, den Holocaust negieren oder Anleitungen zum Bombenbasteln bieten.

"Arischer Chat" Hasstiraden lassen sich aber auch in Chatrooms, Newsgroups oder digitalen Gemeinschaften finden, wo sich "Arische Schwestern und Brüder" tummeln. Während Cooper für eine Sperre dieser Websites eintritt, hält das Southern Poverty Law Center in Montgomery wenig von einer solchen Zensur. Das Zentrum, das ebenfalls "hate sites" identifiziert, möchte, dass die Gruppen bloßgestellt werden, aber glaubt nicht, dass eine Zensur an deren Existenz etwas ändern würde.

© DER STANDARD, 28. November 2000

DER STANDARD, 28. November 2000

Auch Privatfirmen ist Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten Mehr Freizügigkeit für Europas Arbeitnehmer

Europäischer Gerichtshof dehnt bisherige Regelung aus

Luxemburg/Wien - Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der jede Diskriminierung von Unionsbürgern aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet, gilt nicht nur für den Staat, sondern auch für

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Privatunternehmen. Dies ist die Kernaussage des Grundsatzurteils zur so genannten unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, das der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache Angonese (C-281/98, vom 6. Juni 2000) gefällt hat.

Dem Urteil liegt ein Fall aus Südtirol zugrunde. Roman Angonese, ein in der Provinz Bozen wohnender italienischer Staatsangehöriger deutscher Muttersprache hatte einen Teil seines Studiums in Österreich absolviert. Er bewarb sich auf eine Annonce um eine Stelle bei der privaten Bankgesellschaft Cassa di Risparmio di Bolzano.

Eine der Einstellungsbedingungen war der Besitz der Bescheinigung über die Zweisprachigkeit (Italienisch/ Deutsch). Die entsprechende Prüfung dafür kann allein bei der öffentlichen Verwaltung in der Provinz Bozen abgelegt werden. In Südtirol ist es üblich, sich die Bescheinigung für jeden denkbaren Fall im Hinblick auf die Arbeitssuche zu beschaffen. Für alle, die nicht in der Region wohnen, ist es aber offensichtlich nur unter großem Aufwand möglich, die Zweisprachigkeitsbescheinigung zu erwerben: Sie müssten nach Südtirol reisen. Vor allem wird es Auswärtigen kaum gelingen, die entsprechenden Prüfungen so schnell zu machen, dass sie die Bescheinigung auch für eine kurzfristige Bewerbung in Südtirol vorlegen können.

Angonese hatte diese Bescheinigung nicht, war aber dennoch perfekt zweisprachig, wie er durch mehrere Zeugnisse belegen konnte. Die Cassa di Risparmio lehnte seine Bewerbung trotzdem ab.

Indem der EuGH dieses Vorgehen für unvereinbar mit der in Artikel 39 EG-Vertrag gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit erklärt, unterwirft er nun endgültig auch private Unternehmen dieser Vertragsbestimmung, die jede Diskrimierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet. Ursprünglich waren nur die Staaten selbst als Adressaten der Norm betrachtet worden. Der EuGH erweiterte dies dann auf Körperschaften, die mit staatlicher Macht beliehen wurden. Zuletzt hatten die Richter dann alle privaten Verbände - wegen ihrer besonderen Machtstellung - Artikel 39 unterworfen (z. B. im berühmten Bosman-Urteil).

Keine Benachteiligung Für Unternehmer hat der EuGH-Spruch zur Folge, dass sie bei Entscheidungen, die ausländische EU-Bürger (und Türken - wegen des Beschlusses Nr. 2/76 des Assoziationsrats EWG-Türkei) benachteiligen, besonders vorsichtig sein müssen: Jede offene und auch verdeckte Diskriminierung (also Anknüpfung an Tatbestände, die regelmäßig nur von Ausländern erfüllt werden) ist ihnen verboten.

Dazu gehört auch, dass der betroffene Arbeitnehmer keine Nachteile erleiden darf, nur weil er irgendwelche Bescheinigungen oder Nachweise in einem anderen EU-Staat erworben hat. Damit sind dann auch die eigenen Staatsangehörigen geschützt - und können ihre Rechte vor den Zivilgerichten durchsetzen.

Unklar ist allerdings, ob der EuGH nach dem Angonese-Urteil private Unternehmen auch dem so genannten Beschränkungsverbot des Artikel 39 EG-Vertrag unterwirft. Das würde dann nämlich bedeuten, dass jede unternehmerische Vorschrift (zum Beispiel im Arbeitsvertrag), die den Arbeitnehmer daran hindert, sich über die Grenzen hinweg frei auf dem EU-Arbeitsmarkt zu bewegen, als gemeinschaftsrechtswidrig verboten ist - auch wenn die Vorschrift gar nichts mit der

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Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers zu tun hat. Aus der Sicht vieler Kritiker wäre das ein ganz massiver Eingriff in die Privatautonomie.

Die Entscheidung des EuGH lässt auch eine andere Frage offen: Artikel 39 EG-Vertrag gibt in Einzelfällen die Möglichkeit, Diskriminierungen zu rechtfertigen. Die Rechtfertigungsgründe - öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit - passen aber nur zu Staaten. Bei einer Drittwirkung der Vorschrift sind Privatunternehmer also benachteiligt, denn für sie würde die Rechtfertigung viel schwieriger. Hier muss der Gerichtshof noch für Klarstellung sorgen.

© DER STANDARD, 28. November 2000

DER STANDARD, 4. November 2000

Skinheads angezeigt

Klagenfurt - Die Gendarmerie hat in Wolfsberg einer Skinhead-Bande das Handwerk gelegt, die es in erster Linie auf Sachbeschädigungen abgesehen hatte. Wie am Freitag mitgeteilt wurde, konnten den mutmaßlichen Tätern 161 Straftaten nachgewiesen werden, bei denen ein Schaden von über 500.000 Schilling entstanden ist. Zur Bande gehörten drei Erwachsene und zwölf Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. "Sie zerstörten alles, was ihnen in die Hände kam", sagte ein Beamter. Besonders "beliebt" waren Verkehrszeichen, Autos und Schaufenster. (APA/chr)

© DER STANDARD, 4. November 2000

DER STANDARD, 4. November 2000

SPITZELSKANDAL ZITIERT

Ich werde das aushalten. Ich werde das durchstehen. Justizminister Dieter Böhmdorfer am 28. 10.

Aus meiner Sicht ist er über jeden Verdacht erhaben.

Böhmdorfer über Haider

Die ganze Spitzelaffäre ist in den kranken Gehirnen einiger Journalisten entstanden. Wir sind jetzt so gereizt, dass wir in diesem Sumpf von

Indiskretionen Ordnung schaffen werden. Jörg Haider am 30. 10.

Ich nehme die Herausforderung an und werde zurückschlagen. Wir werden

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Ordnung in diesem Spitzelstaat machen, der von den Roten entwickelt wurde. Haider am 30. 10.

Wenn sich nichts ändert, wird sich alles ändern.

Haider am 30. 10. zum Zusammenhang von Ermittlungen und Koalition

Die SPÖ führt einen heiligen Krieg gegen Jörg Haider. Ihr geht es nur darum, Jörg Haider und die FPÖ zu vernichten und diese Koalition zu sprengen.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer am 30. 10.

Wenn Strasser so weiter tut, ist er der beste Helfershelfer der Sozialisten. Haider am 2. 11.

In diesem Land werden nicht die Gauner gejagt, sondern die Aufdecker.

Haider am 2. 11.

Ich glaube, dass Bundeskanzler Schüssel den Ernst der Lage erkennt und sich nicht von seinem Innenminister zum Narren machen lässt.

Haider am 2. 11.

Ich fühle mich sehr wohl und sehr zufrieden. Innenminister Ernst Strasser am 2. 11.

Das Problem ist nicht die FPÖ, nicht die ÖVP, nicht die Regierung. Das

Problem ist allein der Innenminister. FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler am 2. 11.

Ich habe keinen Hut.

Strasser am 2. 11. auf die Frage, ob er seinen Hut nehmen werde.

Es gibt überhaupt keinen Grund, dass hier das Koalitionsklima in irgendeiner

Form gefährdet ist. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat am 2. 11.

Die Aufzeiger werden kriminalisiert und die Kriminellen werden geschützt. Das

ist ärger als bei der Gestapo und im Ostblock, das gäbe es nicht einmal in Pakistan.

Salzburgs FP-Chef Karl Schnell am 2. 11.

Es muss endlich Schluss mit dem Versuch eines konzertierten Vernichtungsfeldzuges gegen die FPÖ sein, bei dem Behauptungen ohne Basis

die Grundlage für ungerechtfertigte Angriffe sind. Wiens FP-Chef Hilmar Kabas am 2. 11.

Wir ermitteln nicht gegen Blau, Schwarz, Rot oder Grün, sondern für Rot-Weiß-

Rot. Strasser am 2. 11.

© DER STANDARD, 4. November 2000

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DER STANDARD, 4. November 2000

Der Spitzelskandal lässt die Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und FPÖ ausufern. Im Zentrum steht der Innenminister.

FPÖ beschimpft Strasser als "Judas"

Wien - Einen neuen Höhepunkt hat am Freitag die Auseinandersetzung zwischen den Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ im Spitzelskandal erreicht. Der Kärntner FPÖ-Chef Jörg Freunschlag hat Innenminister Ernst Strasser angegriffen und die Ermittlungsmethoden gegen FPÖ-Politiker als "unwürdige Menschenhatz" bezeichnet. Zur Weigerung Strassers, eine zweite Sonderkommission einzusetzen, meinte Freunschlag, der Minister agiere wie "Judas".

FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler sieht in Strasser ein "ÖVP-internes Problem". Die FPÖ treibe keinen Keil zwischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Strasser, "das treibt der Innenminister höchstpersönlich". Sollte Strasser nicht am Koalitionsausschuss teilnehmen, wäre er ein "Drückeberger".

Der Salzburger FPÖ-Chef Karl Schnell, gegen den, wie Salzburger Justizkreise am Freitag bestätigten, ebenfalls ermittelt wird, fordert die Ablöse von Generaldirektor Erik Buxbaum bis Montag. Sonst sei Innenminister Strasser "fällig", und er werde im Bundesparteivorstand das Ausscheiden seiner Partei aus der Koalition beantragen. "Damit bin ich sicher nicht allein", so Schnell, der laut Vernehmung von Josef Kleindienst zu Hause mehr brisante Akten lagere, als am entsprechenden Gendarmerieposten vorhanden und auch Gegenstände aufbewahre, "die dem Verbotsgesetz zuzuordnen sind".

Schnell, der hinter der Affäre nicht politische Aktivitäten von SPÖ und ÖVP vermutet, sondern den Versuch "der organisierten Kriminalität, Freiheitliche mundtot zu machen", sparte auch nicht mit Kritik am "Fehlverhalten" (Schnell) seiner Parteifreunde. Diese verhielten sich in der Regierung "wie paralysiert". Die Aussage von Generalsekretär Peter Sichrovsky, der Strasser vertraut, bezeichnete Schnell als "unsinnig". Im Spitzelskandal haben sich seit Beginn der Woche die Ereignisse überschlagen. Am Dienstag teilte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, die Suspendierung von elf Beamten mit. Begründet wurde die Maßnahme mit dem Verdacht der illegalen Abfrage von Daten aus dem EKIS-Computer bzw. der illegalen Beschaffung und Weitergabe von Daten. Es handelt sich dabei um vorläufige Suspendierungen. Ausgesprochen werden sie von der jeweiligen Dienstbehörde des Beamten.

Kranke Gehirne FPÖ-Altparteiobmann Jörg Haider holte Tags darauf zu einem Rundumschlag aus: "Ich habe genug. Man hat mich lange genug gereizt. Jetzt werde ich Ordnung machen in diesem Sumpf von Indiskretionen", erklärte Haider. Laut Haider gebe es keinen einzigen Beweis oder konkretisierbaren Vorwurf, dass er oder andere FPÖ-Funktionäre in diese Affäre verwickelt seien. "Das Ganze ist in den kranken Gehirnen einiger Journalisten entstanden." Diese würden einfach Dinge behaupten, aufgrund derer "die Behörden gezwungen sind vorzugehen", sagte der Landeshauptmann.

Die FPÖ begann mit einer Kampagne gegen Innenminister Ernst Strasser und den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum. Ihnen wird vorgeworfen, nur

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einseitig gegen die FPÖ zu ermitteln. Den Fortgang der Ermittlungen bestimmt aber längst nicht mehr das Innenministerium, sondern die Staatsanwälte Michael Klackl und Sepp-Dieter Fasching.

Unter schweren Druck geraten ist auch Justizminister Dieter Böhmdorfer, der angekündigt hat, von seinem Weisungsrecht nicht Gebrauch zu machen. Ihm wird Verstoß gegen das Datenschutzgesetz in seiner früheren Tätigkeit als Anwalt vorgeworfen. (red)

© DER STANDARD, 4. November 2000

Tiroler Tageszeitung, 4. November 2000

Schnell vergriff sich im Ton

SALZBURG (TT APA). Der Salzburger FPÖ?Landesparteiobmann Karl Schnell ist am Freitag selbst schwer unter Beschuss geraten. Schnell, der Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) wegen der Ermittlungen gegen FPÖ?Politiker schon mehrfach zum Rücktritt aufforderte, hatte in diesem Zusammenhang auch von "Gestapo? und Stasi?Methoden" der ermittelnden Sonderkommission gesprochen.

Die Folge war ein Proteststurm, sogar Schnells Parteichefin Susanne Riess?Passer ließ wissen, dass sie "nichts von solchen Vergleichen" halte, auch wenn sie die Emotionen der betroffenen FPÖ?Politiker verstehe. Von der SPÖ wurde Schnell indes zum Rücktritt aufgefordert, dessen Äußerungen seien "eine Schande für die FPO" ließ etwa SPÖ?Vize Nationalratspräsident Heinz Fischer wissen. Auch der ÖVP?Abgeordnete Werner Amon sprach von einem "Skandal". Gerade bei der FPÖ, die gegenüber "Wertungsexzessen" ihrer Kritiker besonders sensibel sei, müsse ein strenger Beurteilungsstandard angelegt werden, so Amon.

Schnell ist von den Ermittlungen der Sonderkommission auch betroffen, sein Parteivize Helmut Naderer soll ihm vertrauliche Dokumente verschafft haben, die er dann im Wahlkampf verwendet haben soll. Schnell bestreitet das.

© Tiroler Tageszeitung, 4. November 2000

DER STANDARD, 31. Oktober 2000

Protestkundgebung gegen Aufmarsch von SS-Kameraden verboten

Salzburg - Wenn am Allerheiligentag die "Kameradschaft IV" ihren traditionellen Aufmarsch am Salzburger Kommunalfriedhof abhält, dann sollen die ehemalige Kameraden der Waffen-SS von Protesten verschont bleiben. So will es jedenfalls Salzburgs Polizeipräsident Karl Schwaiger. Seine Behörde hat eine

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Trauerkundgebung für "ermordete Salzburger JüdInnen, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter, Euthanasieopfer, Kriegsdienstverweigerer und Personen des Widerstandes gegen die Nazis" per Bescheid verboten.

Die Trauerversammlung für die NS-Opfer würde den Strafgesetzen zuwiderlaufen, da es sich nicht um einen "volksgebräuchlichen Aufzug" handle, argumentiert die Bundespolizeidirektion. Im Gegensatz dazu wurde die Kundgebung der "Kameradschaft IV" in der Vergangenheit von der Polizei wiederholt als "volksgebräuchlich" klassifiziert. Daher ist keine Bewilligung erforderlich.

Der Konflikt um das SS-Totengedenken in Salzburg reicht schon Jahre zurück. So wurde der Münchner Künstler Wolfram Kastner 1997 für eine Protestaktion mit einer Verwaltungsstrafe belegt. Die Causa beschäftigt derzeit den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Auch ein stiller Protest von Grünen und Sozialistischer Jugend, die im Gedenken an ermordete Juden papierene Judensterne trugen, wurde behördlich verboten - Friedhofsbesucher empfanden diese "als eine Verhöhnung der Gefallenen der beiden Weltkriege".

Selbst die "drei Weisen" wurden von den Vorgängen am Salzburger Kommunalfriedhof informiert. Vertreter österreichischer NGOs haben ihnen eine umfangreiche Dokumentation zum Thema übergeben.

Heuer wurde das Gedenken an die NS-Opfer von zwölf Personen angemeldet. Unter ihnen Kastner, der Historiker Gert Kerschbaumer und Grünen-Nationalrat Peter Pilz. Ungeachtet des Verbotes hat die Fraktion der Bürgerliste im Salzburger Gemeinderat angekündigt, dass sie einen Kranz zum Gedenken an die von der SS ermordeten Deserteure niederlegen wird.

Auch die Organisatoren der untersagten Trauerkundgebung haben nicht aufgegeben. Sie laden für 1. November, zehn Uhr, "alle Salzburger ein, dem Aufmarsch der Waffen-SS beizuwohnen und mit eigenen Augen wahrzunehmen, was in Österreich offiziell als volksgebräuchlich und schützenswert gilt." Und Polizeipräsident Schwaiger selbst wird heuer den - ebenfalls schon traditionellen - massiven Polizeischutz für die "Kameradschaft IV" wieder persönlich leiten. (neu)

© DER STANDARD, 31. Oktober 2000

DER STANDARD, 30. Oktober 2000

Chef der italienischen Rechtsextremisten: "Wir blicken nach Österreich"

Italiens Rechtsextremisten von der Forza nuova schwärmen für Jörg Haiders Ideen. Mit deren Chef Roberto Fiore sprach in Rom Standard-Mitarbeiter Gerhard Mumelter.

Der Faschismus hat für Roberto Fiore Vorbildfunktion. "Die Sozialgesetze des Faschismus waren so beispielhaft, dass sie in vielen Ländern Nachahmer fanden", schwärmt Fiore. "Auch die Einigung Italiens war ein Werk der Faschisten. Vorher

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hatte man es nur mit Gewalt versucht. Auch im Kampf gegen Freimaurerei und für die katholische Kirche setzen wir die Tradition des Faschismus fort", versichert Fiore.

War für den Führer der rechtsextremen Organisation Forza nuova bisher Mussolini das wichtigste Vorbild, so gilt seine wachsende Aufmerksamkeit jetzt dem Nachbarland Österreich. "Was dort passiert, ist hochinteressant. Österreich ist das erste Land mit einer national gesinnten Regierung, die den Willen zur Verteidigung der nationalen Souveränität zeigt", freut sich Fiore im STANDARD-Gespräch. "Haider ist ein neues Phänomen, dessen Tragweite wir als Erste in Italien begriffen haben. Wir sind für Haider auf die Straße gegangen."

Forza nuova ist eine schlagkräftige Organisation. Mit 5000 meist militanten Mitgliedern, 20.000 Sympathisanten, 65 Büros in ganz Italien und dem Kampfblatt Foglio di lotta ist sie die Speerspitze des Rechtsextremismus in Italien. "Bisher waren unsere Mitglieder vorwiegend Jugendliche aus der Unterschicht und dem kleinen Bürgertum, vielfach Tifosi aus den Fußballstadien. Jetzt stoßen neue Schichten zu uns: Freiberufler, Bauern, Hausfrauen, Geschäftsleute. Wir verzeichnen starken Zuwachs. In einigen Städten bringen wir es bei den Wahlen bereits auf vier Prozent", stellt Fiore mit Genugtuung fest.

"Unsere Auffassungen decken sich in drei wesentlichen Punkten mit Haiders Ideen: in der nationalen Frage, bei der Bekämpfung des Geburtenrückgangs und beim Ausländerproblem. Wir begrüßen es, wenn jemand nationale Gesinnung zeigt. Wir befürworten Maßnahmen wie Kindergeld und Familienförderung. Und wir sind gegen die Einwanderung von Ausländern. Es gibt eine Art Naturgesetz, wonach jeder in seinem Land aufwachsen und leben soll. Das hat nichts mit Rassismus zu tun. Zurück zur Normalität: Österreich den Österreichern, Rumänien den Rumänen", so Fiore.

Die Entwicklung in Mitteleuropa interessiert Forza nuova mehr als "das Wiedererwachen Deutschlands". Denn dort knüpfe man an ein wichtiges Kapitel europäischer Geschichte an. "Die Entnazifizierung hat dort die historischen Wurzeln weniger zerstört als in Deutschland. Das Bekenntnis zur katholischen Kirche ist dort stark verankert. Deshalb versprechen wir uns viel von der Entwicklung in Mitteleuropa", sagt Fiore. "Es ist für uns unwichtig, ob Haider unsere Schützenhilfe schätzt. Er sollte zufrieden sein, dass sich ähnliches Gedankengut verbreitet."

Von einem "Modell Österreich" will Fiore nicht sprechen. "Dazu müsste die Abtreibung verboten und neue Formen sozialer Gerechtigkeit eingeführt werden. Aber die Entwicklung ist hochinteressant." Seinen Beitrag zur Bekämpfung des Geburtenrückgangs hat Fiore geleistet. Der mit einer Spanierin verheiratete Rechtsextremist ist Vater von sieben Kindern.

© DER STANDARD, 30. Oktober 2000

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DER STANDARD, 30. Oktober 2000

"Aber das sind ja keine Menschen" Anrainer gegen Behindertenheim in Klagenfurts Villenviertel, auch

Bürgermeister skeptisch

Klagenfurt - Im Klagenfurter Villenviertel Viktring droht ein geplantes Wohnprojekt für sieben geistig und körperlich behinderte Menschen am Widerstand der Anrainer zu scheitern. "Ich habe nichts gegen Behinderte - aber das sind ja keine Menschen", hatte eine Nachbarin in einem ORF-Interview gesagt. "Beschämend" für Helmut Wiss vom Sozialreferat des Landes: Rund um die "in Kärnten bereits bestehenden 23 öffentlichen Einrichtungen und 580 offenen psychiatrischen Pflegestellen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen" habe es sonst "nirgends Probleme mit den Anrainern gegeben".

"Formalfehler" In Viktring war es zu Protesten gekommen, weil die Anrainer im Zuge des bereits begonnenen Umbaus nicht, wie das Kärntner Sozialhilfegesetz es vorschreibt, über das geplante Wohnheim informiert worden waren. Der Hauseigentümer hat mittlerweile die-sen "Formalfehler" eingeräumt. Wegen der dadurch entstandenen Verzögerung entsteht laut Errichterin "pro mente Kärnten" ein "schwerer finanzieller Verlust".

Ein weiterer Stolperstein könnte laut Baurechtsabteilungsleiter Peter Jost die Bauverhandlung werden, die frühestens in einigen Wochen stattfinden wird. Zuvor sollen die Viktringer in Informationsveranstaltungen von Anrainern ähnlicher Wohnheime aufgeklärt werden.

Der Leiter von "pro mente Kärnten", Primarius Thomas Platz, befürchtet nach einer Unterredung mit Klagenfurts Bürgermeister Harald Scheucher (VP) jedoch, dass sich die Genehmigung länger verzögern könnte. Er habe Scheucher eine Liste mit 850 spontan zugeschickten Unterstützungsunterschriften für das das Heim überreicht. Der Bürgermeister habe erwidert, dass er das Projekt dennoch negativ beurteilen werde. (cj)

© DER STANDARD, 30. Oktober 2000

DER STANDARD, 24. Oktober 2000

"Was Haider nicht tun kann, führen wir aus" Jugendliche nach FP-Wahlkampfveranstaltung krankenhausreif geprügelt

Wien - Michael Kreißl bedauert. "Jede Straftat ist eine Straftat zu viel. Es tut mir Leid für die Betroffenen", erklärte der Wiener FP-Landesparteisekretär Montagvormittag im Gespräch mit dem STANDARD. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Straftat und der Wahlkampfauftaktveranstaltung der FPÖ am Freitagabend in der Wiener Stadthalle geben könnte, sieht er allerdings nicht: "Da wird von der SJ und Ihrer Zeitung möglicherweise etwas konstruiert was gar nicht stimmt."

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Die - laut Kreißl - "möglicherweise konstruierte" Angelegenheit beschäftigt allerdings mittlerweile die Staatspolizei. Davor - in der Nacht vom Freitag zum Samstag - die Ärzte in der Intensivstation des Hanusch Krankenhauses. Denn eingebildet, erklärt Janos Fehervary (23), hat er sich jene Schläger sicher nicht, die ihn nach dem Besuch der FPÖ-Veranstaltung auf der Hütteldorferstraße so zusammenschlugen, dass man im Spital zunächst ein Schädel-Hirn-Trauma befürchtete. Fehervary: "Woher die Schläger kamen war klar. Sie haben es selbst gesagt: ,Was der Haider nicht machen kann, das führen wir aus.'"

Der Journalist Fehervary war nach der FP-Veranstaltung von einer siebenköpfigen Gruppe abgepasst worden, die ihn und vier Freunde, die ihn von der Stadthalle abgeholt hatten, attackierten. Die vier - wie Fehervary Mitglieder der Sozialistischen Jugend - hatten zuvor an der Kundgebung gegen die FPÖ-Veranstaltung teilgenommen.

Daran, dass der Schlägertrupp - darunter zwei Skinheads -, der außer Fehervary noch zwei andere junge Männer zusammenschlug und zum Teil erheblich verletzte (gebrochene Finger, Prellungen, Blutergüsse und Abschürfungen), von der FP-Veranstaltung "inspiriert" war, bestand für die Opfer kein Zweifel: "Drinnen wird geredet, draußen gehandelt", soll einer der Täter immer wieder gesagt haben, während ein anderer Fehervary zuletzt ein Messer ansetzte. "Stich die linke Sau nicht ab, sie ist es nicht wert", soll dann beim Auftauchen der Polizei gefallen sein.

Kreißl: Linke Gewalt "Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Leute etwas mit uns zu tun haben", betont FP-Landesparteisekretär Michael Kreißl, schränkt jedoch selbst ein, dass es, "wenn man eine Million Wähler hat, auch Kriminelle darunter" geben könne.

Generell, trat der FPÖ-Politiker am Montag nach Bekanntwerden des Vorfalles eine Aussendungslawine los, sei am Freitag aber die Gewalt von "linken Randalierern" ausgegangen. FP-Sympathisanten, die die Stadthalle betreten wollten, wären beschimpft und attackiert worden. Wie schon Freitagabend kritisierte Kreißl vor allem die Führung der Wiener Polizei scharf, weil sie die Anti-FPÖ-Kundgebung vor der Stadthalle nicht aufgelöst habe.

Dass die Skins, die lange nach Ende der Protestkundgebungen zuschlugen, sich auf Aussagen beriefen, die nicht zuletzt Jörg Haider in der Stadthalle getätigt hatte - Haider hatte wörtlich von der "Beseitigung" von Menschen gesprochen -, weist Kreiß strikt von sich: "Solche Aufforderungen sind nicht gefallen."

© DER STANDARD, 24. Oktober 2000

DER STANDARD, 21. Oktober 2000

Kundgebung in der Wiener Stadthalle von lautstarken Protesten begleitet

Die FPÖ eröffnete den "Ausländer-Wahlkampf" Innenminister im Visier Jörg Haiders: "Ein schwarzer Roter"

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Wien - Die Band intonierte "Final Countdown" von Europe, Jubel brauste auf - und Jörg Haider, Kärntner Landeshauptmann und einfaches FPÖ-Mitglied, zog in den Halle ein. Er und der Wiener Landesparteichef Hilmar Kabas traten vor etwa 2000 Anhänger. Offiziell hat der Wiener Wahlkampf noch nicht begonnen, nicht einmal ein Wahltag steht fest - lediglich kolportiert wird der 25. März 2001 als Enddatum für die von manchen so genannte Mutter der Wahlschlachten. Doch Freitagabend setzten die Freiheitlichen in der Wiener Stadthalle einen inoffiziellen Beginn dieses Wahlkampfes.

Vor den Toren demonstrierten lautstark FP-Kritiker, drinnen spielte Musik (die nicht allen gefiel - "können's nicht auch was Deutsches spielen", fragte ein Parteigänger laut vernehmlich). Auf der "blauen Bühne" bedankte man sich bei den erschienen Pensionisten, dass sie sich "dem linken Terror auf der Straße" widersetzt hätten.

FP-Stadträtin Karin Landauer versprach Kindergeld - Wiener und Wienerinnen könnten sich so wieder zu Kindern entschließen. Helene Partik-Pablé, FP-Stadtrat Johann Herzog und weitere Mandatare heizten ein. Sie sprachen über die von der Stadtregierung angekündigte teilweise Öffnung der Gemeindebauten für Nicht-Österreicher: "Machen wir aus der nächsten Wahl eine Volksabstimmung"; schon im vergangenen Wahlkampf waren die "Ausländer im Gemeindebau" Thema gewesen. Freitagabend hieß es: "40 Prozent der Gemeindewohnungen werden an vorzeitig eingebürgerte Ex-Ausländer vergeben". Es ging um den (für nicht schwerwiegende Delikte vorgesehenen) außergerichtlichen Tatausgleich: "Schwere Verbrechen werden einem Parkvergehen gleichgesetzt".

Schließlich wurde der Bogen zur Drogenpolitik gespannt: Scheinasylanten seien an den Universitäten scheininskribiert und dealten mit Drogen. Dem Auftritt des Kärntner Landeshauptmannes war der Boden bereitet.

"Seit ich in Kärnten regiere, traut sich kein Linker mehr zu demonstrieren": Haider stellte sich hinter den jüngst von einem Tortenwurf getroffenen und mit Nachrichten über einen "Sicherheitscheck" im Bordell kämpfenden Hilmar Kabas. Er sei mies behandelt worden, sagte Haider. In Kärnten gäbe es so etwas nicht.

Er mühte sich, die Regierungspolitik zu verteidigen ("die Herrschaften", die gegen die Studiengebühren demonstrieren, "sollen gescheiter studieren"), das Publikum dankte ihm die Rolle des Volkstribunen mehr. Den Angriff auf Bürgermeister Michael Häupl etwa, der in Wien mit dem Slogan plakatiert ist, "ich stehe für Wien gerade". Haider: "Bei den vielen Besuchen beim ,Bauer-Gustl' fragt man sich, ob er wirklich noch gerade stehen kann".

Es hagelt weitere Angriffe: Die Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter der Nazizeit seien zu junktimieren mit einer Entschädigung für Spätheimkehrer - "Wiedergutmachung darf es nicht nur für jene geben, die in New York oder weiter östlich sitzen (Heiterkeit im Auditorium), sondern auch für Sudentendeutsche" (Jubel). "Unsere Leute zuerst", gab Haider das Motto vor, keine Osterweiterung ohne Volksabstimmung. "Dieses Land muss das Recht haben, sich auszusuchen, wer zuwandern darf", nach Haiders Rechnung gibt es eine Million Fremde in Österreich.

Im Fadenkreuz der freiheitlichen Kritik steht aber auch Innenminister Ernst Strasser - ein "schwarzer Roter", prangerte Haider ihn an. Hilmar Kabas hatte es schon davor

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gesagt: Mit diesem Innenminister müsse man ein ernstes Wort reden, "der lehnt sich an die Linkslinken an". Mit den Demonstrationen müssen "irgendwann Schluss sein".

Zu dieser Zeit begann sich die Kundgebung vor den Türen der Stadthalle bereits aufzulösen. Die Polizei war davon ausgegangen, dass sich der angekündigte "Widerstand" im Rahmen halten würde, tatsächlich gab es aber teils heftige Proteste. Es flogen Eier und Farbbeutel. Passanten und Veranstaltungsteilnehmer reagierten aufgebracht: "Demonstrieren kannst im Häus'l, Krautschädel depperta", meinte etwa ein älterer Herr. Ein nächster wurde wenig später, offenbar nach einer ähnlich verstandenen Bemerkung, zu Boden gerissen und mit Eiern und Farbe beworfen. Polizisten zerrten den Mann über die Absperrung. Anfangs der Proteste hatte es auch eine Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Protestierern gegeben, die jedoch ohne gravierende Folgen blieb. FPÖ-Landesparteisekretär Michael Kreißl ressumierte: "Ein Skandal." (rott/simo)

© DER STANDARD, 21. Oktober 2000

DER STANDARD, 19. Oktober 2000

Gendarm rastete aus: Schuss auf Jugendliche

Salzburg - Weil er zufällig hörte, wie sich zwei Jugendliche auf der Straße über einen Expolizisten unterhielten, rastete ein Salzburger Gendarm aus und gab sogar einen Schuss aus einer Pistole ab. Der Beamte vom Landesgendarmeriekommando wurde vorläufig suspendiert und angezeigt. Ihm droht nun ein Strafverfahren.

Der Vorfall spielte sich in der Freizeit und vor der Wohnung des Beamten ab: Auf dem Weg vom Hauseingang zur Tiefgarage ging der Gendarm an einer Gruppe Jugendlicher vorbei und schnappte die Bemerkung vom "Expolizisten" auf. Der 45-Jährige bezog die Sache prompt auf sich, ging zu dem 17-Jährigen und beschimpfte ihn. Nach einem kurzen Handgemenge ging der Gendarm in seine Wohnung und kam mit einer Pistole zurück. Die richtete er auf den 17-Jährigen, bezeichnete ihn angeblich als "Türkenschwein" und forderte außerdem einen 15-Jährigen auf, zur Seite zu gehen, ansonsten werde er "auch erschossen".

Es fiel tatsächlich ein Schuss, niemand wurde verletzt. Die Burschen erstatteten Anzeige. Der Beamte leugnete die Schussabgabe. Es habe sich um einen "Knallkörper" gehandelt. Doch bei der Hausdurchsuchung wurde nicht nur die Waffe, sondern am Tatort auch eine leere Patronenhülse sichergestellt. (APA)

© DER STANDARD, 19. Oktober 2000

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Tiroler Tageszeitung, 14. Oktober 2000

Trio schikanierte Ausländer: In mehreren Nächten haben Jugendliche aus Fließ an der Haustüre von türkischen Familien geklingelt. Die Burschen verlangten Bier oder

Feuer und rasten mit den Mopeds davon.

FLIESS (hwe). Der jüngste Vorfall geschah vorigen Samstag im Ortsteil Bannholz. Gegen 3 Uhr in der Früh klingelte es in einem Wohnhaus, in dem zwei türkische Familien leben. Eine hochschwangere Frau sprang durch das Fenster ins Freie, um die drei Jugendlichen zu stellen. Doch die Burschen schwangen sich in den Sattel ihrer Mopeds und gaben Vollgas. Auch der Hausbesitzer war aufgewacht und verständigte die Gendarmerie. Als die Beamten eintrafen, hatte sich das Trio längst aus dem Staub gemacht. „Nachdem die Burschen das erste Mal geklingelt hatten, glaubte ich noch an einen einmaligen üblen Scherz“, schildert der empörte Hausbesitzer, „sie besaßen die Frechheit, unsere Mieter um ein Bier, Zigaretten oder ein Feuerzeug zu fragen. Nachdem sich der Vorfall wiederholte, habe ich eine Anzeige gemacht.“

Etwa zehn Mal hat das Trio, das jetzt ausgeforscht werden konnte, den nächtlichen Terror inszeniert. Die Gendarmerie versicherte, die Bursche müssten mit einer saftigen Geldstrafe rechnen.

© Tiroler Tageszeitung, 14. Oktober 2000

DER STANDARD, 13. Oktober 2000

GERICHT Wer kennt Steinberger?

Der Politologe Werner Pfeifenberger ist am 13. Mai gestorben. Entweder war es Selbstmord oder ein Bergunfall. Fremdverschulden wurde ausgeschlossen. Zumindest von der Polizei. Nicht von Erwin Steinberger. Er schrieb im rechtslastigen Wiener Wochenblatt Zur Zeit: Der "jüdische Journalist" Karl Pfeifer hatte gegen den "aus dem katholischen Umfeld kommenden" Wissenschafter "eine Menschenhatz eröffnet, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte". Pfeifer klagte Erwin Steinberger wegen übler Nachrede. Im Gerichtssaal wartet man vergeblich auf Erwin Steinberger, wobei sich herausstellt, dass keiner weiß, auf wen genau man wartet. Bald stellt sich die prinzipielle Frage: Muss man ihn überhaupt kennen? Und es stellt sich des Weiteren die Frage: Auch wenn ihn keiner kennt, wer ist er? Es stellt sich nämlich die Frage: Gibt es ihn überhaupt? Selbst sein Anwalt muss passen: Er kennt ihn nicht. "Vielleicht ist Erwin Steinberger ein Pseudonym", sagt er. Aber für wen? - Diese allerletzte Frage stellt sich, ehe der Ehrenbeleidigungsprozess vertagt wird. Man will nun Steinberger suchen. Die Sache geht auf das Jahr 1933 zurück. "Schon 1933 hat Judäa ganz Deutschland den Krieg erklärt", schrieb Pfeifenberger, der an der Uni Münster lehrte, im "Jahrbuch für politische Erneuerung 1995", welches von der FPÖ-Akademie herausgegeben wurde. (Gratulation an Andreas Mölzer und Lothar Höbelt; für solche Sager muss man erst einmal Herausgeber finden.) Karl Pfeifer von der israelitischen Kultusgemeinde äußerte

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seinen Unmut über die Nazi-Töne öffentlich. Der Politikwissenschafter klagte ihn und verlor. Schlimmer noch: Er selbst wurde nach dem NS-Verbotsgesetz angeklagt und sollte sich im vergangenen Juni vor einem Wiener Geschworenengericht verantworten. Einen Monat vorher starb er. - Er wurde von der jüdischen "Jagdgesellschaft zur Strecke gebracht", meint Erwin Steinberger. Meint wer?

© DER STANDARD, 13. Oktober 2000

DER STANDARD, 11. Oktober 2000

FPÖ bekämpft Strassers Ausländerquote Grüne werfen Partik-Pablé "rassistische Gebärpolitik" vor - Häupl begrüßt

Vorschlag

Wien - Die Grünen werfen der freiheitlichen Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pablé "rassistische Gebärpolitik" vor. Partik-Pablé hatte in Zusammenhang mit der von Innenminister Ernst Strasser vorgeschlagenen Ausländerquote für 2001 gemeint, die Österreicher sollten "mehr Kinder kriegen". Terezija Stoisits, Migrationssprecherin der Grünen, erinnert diese Aufforderung "an längst vergangene Zeiten, wo noch Mutterkreuze für das Kinderkriegen vergeben wurden". Die Aussage von Partik-Pablé entspreche dem "reaktionären Frauenbild der FPÖ". Das Problem des Arbeitskräftemangels könne mit "Gebäraufforderungen" nicht gelöst werden.

Partik-Pablé meldete sich davon unbeeindruckt auch am Dienstag wieder zu Wort und forderte die Wirtschaft, die sich für die Ausweitung der Quote ausspricht, auf, ihren Blickpunkt zu revidieren: "Es kann doch nicht sein, dass alles, was die Industriestaaten dringend brauchen, eingeflogen wird, egal woher."

Der Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn ortet ein großes Defizit an qualifizierten Facharbeitern und IT-Spezialisten (Informationstechnologie) in Österreich. Prinzhorn verweist auf eine WIFO-Studie, die einen zusätzlichen Bedarf an 13.000 IT-Arbeitern bis 2003 nachgewiesen habe. Die Hinzuziehung von ausländischen Arbeitskräften in diesem Bereich dürfe jedoch "nicht gleichzeitig eine Erhöhung der Zuwanderungsquote bedeuten".

"Es gibt eine fixe Quote für einen geplanten Ausländerzuzug in Österreich. Die Aufnahme von IT-Spezialisten und Facharbeitern muss einen wachsenden Teil dieser Quote darstellen, der konkret festzulegen sein wird", meint Prinzhorn.

Der Vorschlag von Innenminister Strasser, der für nächstes Jahr eine Ausländerquote von 9583 vorsieht, stößt bei der FPÖ rundum auf Ablehnung. "Ausdrücklich begrüßt" hat ihn dagegen Wiens Bürgermeister Michael Häupl. "Bei uns ist immer Platz für Spezialisten." Häupl meint damit die neu eingeführte Quote für Spezialisten im Bereich der Informationstechnologie, die insgesamt bei 1985 und in Wien bei 650 liegt. Nichts hält Häupl hingegen vom "Beißeffekt", der bei der FPÖ immer auftrete, sobald man dort nur das Wort "Ausländer" höre. "Ich betone immer wieder: Die Wissenschaft ist international." (völ)

© DER STANDARD, 11. Oktober 2000

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DER STANDARD, 11. Oktober 2000

Der Ausländerreflex der FPÖ In der Quotendebatte wäre ein klärendes - und kritisches - Kanzlerwort

angebracht

Es ist jedes Jahr das Gleiche: Der Innenminister gibt die geplante Niederlassungsverordnung - kurz "Ausländerquote" - bekannt, und die FPÖ jault empört auf. Es ist ein Reflex: Es fällt das Wort "Ausländer", und die FPÖ beißt zu, ungeachtet aller Umstände, Fakten oder Argumente. "Mit Sicherheit nicht", legt sich Klubobmann Peter Westenthaler gegen eine Erhöhung der Ausländerquote gleich fest.

Wolfgang Schüssel kritisierte, dass die FPÖ "Ausländerhetze" betreibe und dabei "mit der Angst spielt". Die ÖVP wolle "ein solches Spiel mit Emotionen nicht hinnehmen". Wer sich jetzt wundert: Schüssel sagte dies im September vergangenen Jahres, als bei gleicher Gelegenheit das Ausländerquoten-Geheul der Freiheitlichen anhoben. Schüssel war Vizekanzler, die FPÖ noch in Opposition. Heute ist Schüssel Bundeskanzler mithilfe der FPÖ - und sagt nichts. Die ÖVP schweigt sich aus. "Sie werden keine Meinungsverschiedenheit am lebenden Fleisch vorgeführt bekommen", so die Erläuterung von ÖVP-Klubobmann Andreas Khol.

Die Erstellung der Ausländerquote ist immer ein Kompromiss. Sie richtet sich erstens nach den realen Gegebenheiten - Möglichkeiten und Bedarf - und zweitens nach den politischen Gegebenheiten - FPÖ und die Stimmung in der Bevölkerung. Was gelegentlich deckungsgleich sein kann. Beim Versuch, diesen Spagat zu bewerkstelligen, ist der vorige Innenminister Karl Schlögl mit einem Bein immer mehr auf die Seite der FPÖ hinübergetreten - oder hinübergerutscht. Das Ergebnis war zuletzt eine Quote von 8000 Plätzen für das heurige Jahr.

Innenminister Ernst Strasser hat sich nun wieder um einen Kompromiss bemüht: Die Quote für das kommende Jahr wurde gesenkt, aber um eine eigene Sparte für die so dringend benötigten Informationstechnologie-Experten ergänzt: 2000 Plätze sind vorgesehen. Daraus ergibt sich insgesamt eine Quote, die um 1583 über dem heurigen Jahr liegt. Die FPÖ hat aber diesen Trick durchschaut oder auch nicht, jedenfalls dürfe kein einziger Ausländer mehr kommen. Sollte Österreich tatsächlich zusätzliche Facharbeiter brauchen, dann müsse man laut FPÖ eben bei der "Familienzusammenführung" sparen.

Genau dort aber liegt das Problem, im Innenministerium wird es als "Rucksack" bezeichnet: 11.600 Menschen warten unter dem Titel "Familienzusammenführung" bereits auf eine Niederlassungsbewilligung. Ihre Väter, Mütter, Männer, Frauen arbeiten und leben seit mehreren Jahren in Österreich. Sie haben ein Recht auf Familienleben, und nur so kann der von der Regierung strapazierte Slogan "Integration vor Neuzuzug" auch verstanden und umgesetzt werden.

Humanität ist in der Politik kein Maßstab, schon gar nicht in der Ausländerpolitik. Strasser kann man zumindest den guten Willen nicht absprechen, vielleicht war auch nur das Problem in Papierform schon so drängend: Der Innenminister hat innerhalb der Gesamtquote die Zahlen für Familienzusammenführung erhöht. Von heuer 5000 auf 5440 im nächsten Jahr. Angesichts von 11.600 im Ausland wartenden

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Familienangehörigen ohnedies bescheiden. Mit 5440 Plätzen kann nicht einmal die Hälfte des Rückstaus abgebaut werden, ganz zu schweigen von Anträgen aus dem heurigen Jahr.

Die Wirtschaftsdaten zeigen, dass Österreich einen regulierten Zuzug verträgt und in manchen Bereichen sogar braucht. Das Aufjaulen der FPÖ geht an der Realität vorbei. Die FPÖ-Abgeordnete Partik-Pablé wüsste eine Alternative: Die Österreicher sollen mehr Kinder bekommen. Schließlich gehe es nicht an, "dass alles eingeflogen wird, egal woher". Die FPÖ betreibt in dieser Sache Ausländerhetze, wie schon richtig bemerkt, ein Spiel mit Ängsten und Emotionen. Und das hätte man gerne noch einmal gehört - nicht nur von einem Vizekanzler, der im Wahlkampf stand, sondern auch von einem Bundeskanzler Schüssel, der dieser Koalitionsregierung vorsteht.

© DER STANDARD, 11. Oktober 2000

DER STANDARD, 4. Oktober 2000

STEIERMARK : Nur Inländer in der Kutsche Bei Taxikunden steigt die Ablehnung ausländischer Fahrer

Graz/Wien - Angebot und Nachfrage müssen stimmen. In der Taxiszene heißt Angebot auch: inländische Fahrer. Weil sich das die Kunden oft wünschen. Die Funkgruppen reagieren darauf unterschiedlich. So warb erst kürzlich Horst Knauss, Chef der Grazer Funkgruppe 889, in einer Tageszeitung mit Sätzen wie: "In allen Taxis werden die Fahrgäste von durchwegs heimischem Personal kutschiert." "Es ist unsere Firmenphilosophie, nur mit inländischen Fahrern zu arbeiten", verteidigt Horst Knauss seine Werbestrategie.

In Wien verpasst die Funkgruppe 31 300 ihren Fahrern, die schlecht Deutsch sprechen oder sich nicht auskennen, so genannte "Merkmale": einen elektronischen Code. Bei Bedarf wählt der Computer "Merkmal"-lose Fahrer aus. "Wir richten uns da nach dem Wunsch der Stammkunden", sagt Geschäftsführer Nikolaus Norman. Außerdem gäbe es ja auch andere "Merkmale": wie das Fahren eines Mercedes. Oder eine Klimaanlage.

"Bei uns gibt es keine vergleichbare interne Diktion" versichert Leo Müllner, Chef der Wiener 40100-Funkgruppe. Da die Nationalität der Fahrer nicht vermerkt sei, gebe es auf Wunsch nur "gut Deutsch sprechende Fahrer".

"Das ist unglaublich. Jetzt geht es um die Hautfarbe und Herkunft." Für Khedar Shadman, Geschäftsführer des Grazer Ausländerbeirates, ist die Grazer 889-Werbung Geschäftemacherei auf Kosten von Ausländern. Er sieht seine langjährige Forderung nach einem Antidiskrimierungsgesetz bestätigt: "Es ist sehr besorgniserregend, dass es bei uns keine Regelungen gegen derartige Werbungen gibt." Auch der Grazer Grünen-Klubobmann Markus Scheuchern kritisiert: "Werbung mit der Herkunft von Menschen zu machen ist fernab jeglicher Humanität."

Doch nicht nur die Ablehnung, auch körperliche Aggressionen gegen Taxilenker ausländischer Herkunft nehmen zu. Vergangenen Freitag reagierten betroffene Taxler mit einer friedlichen Kundgebung am Grazer Hauptplatz. Auch Bürgermeister Alfred Stingl (SP) kündigte seine Unterstützung an, doch Eduard Ruschka, Chef der

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Funktaxigruppe 2801 sieht dennoch einen gegensätzlichen Trend: "Seit dieser Kundgebung ist der Anti-Ausländer-Boom noch stärker."

© DER STANDARD, 4. Oktober 2000

DER STANDARD, 27. September 2000

"Wie man mit Inländern redet" In Graz nehmen Aggressionen gegen ausländische Taxifahrer zu

Graz - "Bist wohl ein Ausländer? Türkisches Arschloch." Es ist vier Uhr morgens in der Grazer Innenstadt. Der Taxilenker Mamduh S. (38) will nicht fünf Fahrgäste in sein Auto steigen lassen. Drei der Betrunkenen quittieren das mit verbalen Attacken. Und Schlägen: Ein geschwollenes Auge, geprellte Arme und Beine. Halskrause. "Ich wollte doch nur, dass sie höflich zu mir sind", sagt der promovierte Tierarzt aus Kairo zum STANDARD.

Doch Höflichkeit wird ihm angeblich auch von der Exekutive nicht zuteil. "Nimm den Tschik aus dem Mund. Ich mache dir deine nächsten Lebensjahre ganz schwer und es kostet viel zu viel bis du lernst, wie man mit Inländern redet", soll es einem Beamtenmund entfahren sein.

Seit dem Vorfall vor zehn Tagen läuft ein polizeiinternes Verfahren. Aber: "Ich will nicht, dass das Ganze hochgepusht wird. Denn die anderen Polizisten waren sehr nett", versichert S., seit elf Jahren österreichischer Staatsbürger. Die Untersuchung soll noch diese Woche abgeschlossen sein, heißt es seitens der Sicherheitsdirektion. Bislang könne man dem als "ruhigen und pflichtbewussten" bekannten Beamten (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) nur Eines vorwerfen: Dass er seine Dienstnummer partout nicht herzeigen wollte. "Wissen Sie, von vierzig Beamten-Beschwerden pro Jahr erweisen sich 35 als unbegründet", meint Zentralinspektor Konrad Goldberger.

"Solche Fälle müssen raschest aufgeklärt werden", fordert Khedar Shadman, Geschäftsführer des Grazer Ausländerbeirates. Er unterstützt gemeinsam mit dem Verein Zebra die Kundgebung "Stopp der zunehmenden Aggression gegen Taxilenker ausländischer Herkunft", die kommenden Freitag am Grazer Hauptplatz stattfinden soll. Denn die Gewalttätigkeit und Beschimpfungen wie "Geh' ham" würden sich in letzter Zeit extrem häufen, meint Zebra-Geschäftsführerin Edith Glanzer. Auch der Chef einer der größten Grazer Funkgruppen bestätigt: "Die Situation wird immer heikler." Viele Kunden bestellten extra ein "Inländertaxi".

© DER STANDARD, 27. September 2000

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DER STANDARD, 23. September 2000

"Menschen nicht wie Vieh behandeln"

Empörung über Jörg Haiders "Flüchtlings-Ultimatum"

Villach/Wien - "Warum will man uns schon wieder wegbringen. Wir haben Angst." Amir Drdalaj aus dem Kosovo ist geschockt. Er hat erfahren, dass man ihn und seine Familie aus Villach vielleicht bald wieder ins Flüchtlingslager Traiskirchen (NÖ) überstellen könnte. Damit droht jedenfalls Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (FPO). Freilich nicht direkt den Flüchtlingen, sondern Innenminister Ernst Strasser (ÖVP).

Haider geht es ums Geld, konkret um eine Fortführung der Bundesunterstützung für Flüchtlingsbetreuung. Falls er, Haider, nicht binnen einer Woche die Zusage erhalte, dass sich der Bund an den Kosten beteilige, "werde ich sie ihm vor die Tore von Traiskirchen stellen" - sie, das sind insgesamt 48 Menschen aus dem Kosovo, die in Villach Zuflucht gefunden haben. Seit dem Ablaufen der Kosovo-Aktion des Bundes seien dem Land Kärnten laut Haider Kosten in der Höhe von 700.000 Schilling entstanden. Bis Jahresende würden es knapp zwei Millionen sein. Haider fordert mit Hinweis auf einen Beschluss der Landeshauptleute-Konferenz von Strasser die teilweise Kosten-Rückerstattung sowie eine Zusage auf eine weitere Zweidrittelbeteiligung des Bundes.

Österreich-Odyssee Herr Drdalaj weiß nicht, dass auf seinem Rücken ein Streit ums Geld, von dem er ohnehin nichts sieht, ausgetragen wird. Die fünfköpfige Familie, vor einem Jahr nach Österreich geflüchtet, hat bereits eine Odyssee hinter sich: Villacher Flüchtlingsheim am GretIweg, Traiskirchen, Feld am See (Kärnten), Latschach am Faakersee, Villach.

Die Kärntner Soziallandesrätin Gabriele Schaunig-Kandut (SPÖ) forderte eine "menschliche Lösung": "Man kann die Menschen nicht wie Vieh behandeln und einfach so herumschieben." Dieser Meinung schloss sich auch der Traiskirchner Bürgermeister und SP-Landesrat Fritz Knotzer an. Das Flüchtlingslager in seiner Gemeinde sei zudem heillos überfüllt.

Wie berichtet, ist die Zahl von Flüchtlingen in Bundesbetreuung drastisch zurückgegangen: Von Anfang des Jahres 4300 auf 3000 Ende Juli. Laut Statistik des Innenministeriums, die in einer von den Grünen begehrten Anfragebeantwortung enthalten ist, hat Kärnten im Juli nur 55 Asylwerber aufgenommen, Niederösterreich 883.

Die Angst vor Abschiebung hat vermutlich einen 13-jährigen Bosnier, der sich Dienstag von der Villacher Stadtpfarrkirche stürzte, in den Tod getrieben. (stein/simo)

@ DER STANDARD, 23./24. September 2000

DER STANDARD, 7, September 2000

Polizei erwartet neue "rechtsextreme Welle" Aktueller Extremismus-Bericht vorgelegt

Wien - Es zeichnet sich eine "nun erstarkende dritte Welle" des Rechtsextremismus ab: So dramatisch wird die Lage im nun vorliegenden ExtremismusBericht des Innenministeriums dargestellt. Die Exekutive schränkt jedoch ein: Es gebe derzeit keine Leitfigur, die imstande wäre, "einschlägig ausgerichtete Organisationen und Personen zu einigen und zu führen".

Beobachtet wurde laut Bericht, dass neue rechte Strömungen "nicht immer offen nationalsozialistische Zielsetzungen oder das Wiedererstarken dieser Ideologie erkennen lassen, sondern vielmehr Agitationen, die das systematische ,Untergraben'der Demokratie und deren Grundwerte zum Inhalt haben". Das mache den Kampf dagegen schwerer.

Schwerpunkte der behördlichen Beobachtung sind Skinheadund Jugendbandenwesen, deren Events und Musik sowie das Internet.

Eine neue organisatorische Heimat bietet laut Ministerium die NDP in Bayern, vor allem für "Ideologen". Ziel dieser Aktivitäten sei, in Deutschland mit Wirkung nach Österreich derart tätig zu werden, 'Wie es das Verbotsgesetz in Österreich selbst nicht erlaubt". Der Einfluss von geflüchteten Rechtsextremisten nach

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Österreich wird zwar als gering eingeschätzt, immerhin aber soll ein wegen der Schändung des jüdischen Friedhofs in Eisenstadt seit 1992 gesuchter Rechtsextremist Unterschlupf in Südafrika gefunden haben.

Die globale Diagnose: Der Schwerpunkt der rechtsextremen Strömungen, in den 60er- und 70er-Jahren in den industriell noch wenig entwickelten Ländern Südosteuropas, habe sich nach Mittel-und Nordeuropa verschoben.

Die Zahl der Anzeigen wegen rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Vorfälle in Osterreich ist heuer um knapp 48 Prozent gestiegen. Das Ministerium macht dafür eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Behörden verantwortlich. (APA)

@ DER STANDARD, 7. September 2000

DER STANDARD, 4. September 2000

STEIERMARK Messerstich: Skinhead gefasst

Graz - Jener Skinhead, der Freitagabend in Graz einen Mann mit einem Messer verletzt hatte, ist ausgeforscht: Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurde ein 16-Jähriger als mutmaßlicher Täter verhaftet. Er ist geständig. Als Motiv gab er an, seine Freundin sei von einem der Lokalbesucher beleidigt worden. In der Nacht zum Samstag war es in einem Café in der Münzgrabenstaße zu einer Auseinandersetzung zwischen den Gästen gekommen. Einige Mädchen sollen andere Besucher provoziert und dann ihre Freunde zu Hilfe gerufen haben. Eine ganze Gruppe Skinheads erschien und begann mit den Lokalbesuchern einen Streit. Einer der Männer wurde von einem Skinhead mit einem Messer verletzt. (APA)

© DER STANDARD, 4. September 2000