Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

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Leseprobe Steve Berry Antarctica Thriller Bestellen Sie mit einem Klick für 9,99 € Seiten: 608 Erscheinungstermin: 21. November 2016 Mehr Informationen zum Buch gibt es auf www.penguinrandomhouse.de

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Page 1: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Leseprobe

Steve Berry

Antarctica Thriller

Bestellen Sie mit einem Klick fuumlr 999 euro

Seiten 608

Erscheinungstermin 21 November 2016

Mehr Informationen zum Buch gibt es auf

wwwpenguinrandomhousede

Steve Berry

ANTARCTICA

Das Buch

Sein Leben lang dachte der ehemaligen Agent Cotton Malone dass sein Vaterbei einer U-Boot-Explosion im Nordatlantik starb Aber jetzt erfaumlhrt er dassdas U-Boot seines Vaters mit einem geheimen Kernreaktor ausgestattet war

und waumlhrend einer gefaumlhrlichen Mission unter dem ewigen Eis der Antarktisverloren ging

Die Zwillinge Dorothea Lindauer und Christl Falk sind ebenfalls festentschlossen herauszufinden was mit ihrem Vater passierte der im selben

U-Boot starb ndash und sie wissen etwas das Malone ignoriert Nachdem Nazi-Offiziere raumltselhafte Symbole im Grab von Karl dem Groszligen entdeckt hattenerforschten sie noch vor den Amerikanern die Antarktis um ein Geheimniszu luumlften das die Zukunft der Menschheit fuumlr immer veraumlndern sollte Mitden beiden Schwestern macht Cotton Malone sich auf die Suche nach derraumltselhaften raquoSprache des Himmelslaquo die der Grund war warum Malones

Vater die gefaumlhrliche Mission akzeptierte Verzweifelt versucht Malone her-auszufinden wer den Tod seines Vaters vertuschen will und was die geheimen

Schriften mit einer verschollenen Zivilisation verbindet Allerdings scheinter nicht der Einzige zu sein der sich fuumlr diesen Fall interessiert und seine

Gegner schrecken vor nichts zuruumlck hellip

Der Autor

Steve Berry war viele Jahre als erfolgreicher Anwalt taumltig bevor er seineLeidenschaft fuumlr das Schreiben entdeckte Mit jedem seiner hochspannen-den Thriller stuumlrmt er in den USA die Spitzenplaumltze der Bestsellerlisten undbegeistert Leser in uumlber 50 Laumlndern Steve Berry lebt mit seiner Frau in St

Augustine Florida

Bei Blanvalet von Steve Berry bereits erschienenDer Korse Das verbotene Reich Die Washington-Akte Die Kolumbus-Ver-

schwoumlrung Das Koumlnigs-Komplott Der Lincoln-Pakt

Besuchen Sie uns auch auf wwwfacebookcomblanvaletund wwwtwittercomBlanvaletVerlag

STEVE BERRY

ANTARCTICAThriller

Aus dem Amerikanischenvon Barbara Ostrop

Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem TitelraquoThe Charlemagne Pursuitlaquo bei Ballantine Books New York

Die Uumlbersetzung des vorangestellten Laotse-Zitats stammt aus Laozi Tao-te-king das Buch vom Sinn und LebenLaotse Uumlbersetzt und mit einemKommentar von Richard Wilhelm 9Auflage der Neuausgabe Muumlnchen

Diederichs 1995 (copy Eugen Diederichs Verlag Muumlnchen 1978)

Der Verlag weist ausdruumlcklich darauf hin dass im Textenthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveroumlffentlichung eingesehen werden konntenAuf spaumltere Veraumlnderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen

Verlagsgruppe Random House FSCreg N001967

1 AuflageTaschenbuchausgabe Dezember 2016 bei Blanvalet

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Straszlige 28 81673 Muumlnchen

Copyright der Originalausgabe copy 2008 by Steve BerryCopyright der deutschsprachigen Ausgabe copy 2011 by Blanvaleteinem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books

an imprint of Random House Publishing Groupa division of Random House Inc

Copyright copy Vaynich Manuskript Beinecke Rare Book andManuscript Library Yale University

Umschlaggestaltung Johannes Frick NeusaumlszligUmschlagabbildungen ShutterstockCardaf Jose Alberto Tejo

Willyam Bradberry und pixelparticleHerstellung wag

Druck und Einband GGP Media GmbH PoumlszligneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-7341-0393-3wwwblanvaletde

Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Steve Berry

ANTARCTICA

Das Buch

Sein Leben lang dachte der ehemaligen Agent Cotton Malone dass sein Vaterbei einer U-Boot-Explosion im Nordatlantik starb Aber jetzt erfaumlhrt er dassdas U-Boot seines Vaters mit einem geheimen Kernreaktor ausgestattet war

und waumlhrend einer gefaumlhrlichen Mission unter dem ewigen Eis der Antarktisverloren ging

Die Zwillinge Dorothea Lindauer und Christl Falk sind ebenfalls festentschlossen herauszufinden was mit ihrem Vater passierte der im selben

U-Boot starb ndash und sie wissen etwas das Malone ignoriert Nachdem Nazi-Offiziere raumltselhafte Symbole im Grab von Karl dem Groszligen entdeckt hattenerforschten sie noch vor den Amerikanern die Antarktis um ein Geheimniszu luumlften das die Zukunft der Menschheit fuumlr immer veraumlndern sollte Mitden beiden Schwestern macht Cotton Malone sich auf die Suche nach derraumltselhaften raquoSprache des Himmelslaquo die der Grund war warum Malones

Vater die gefaumlhrliche Mission akzeptierte Verzweifelt versucht Malone her-auszufinden wer den Tod seines Vaters vertuschen will und was die geheimen

Schriften mit einer verschollenen Zivilisation verbindet Allerdings scheinter nicht der Einzige zu sein der sich fuumlr diesen Fall interessiert und seine

Gegner schrecken vor nichts zuruumlck hellip

Der Autor

Steve Berry war viele Jahre als erfolgreicher Anwalt taumltig bevor er seineLeidenschaft fuumlr das Schreiben entdeckte Mit jedem seiner hochspannen-den Thriller stuumlrmt er in den USA die Spitzenplaumltze der Bestsellerlisten undbegeistert Leser in uumlber 50 Laumlndern Steve Berry lebt mit seiner Frau in St

Augustine Florida

Bei Blanvalet von Steve Berry bereits erschienenDer Korse Das verbotene Reich Die Washington-Akte Die Kolumbus-Ver-

schwoumlrung Das Koumlnigs-Komplott Der Lincoln-Pakt

Besuchen Sie uns auch auf wwwfacebookcomblanvaletund wwwtwittercomBlanvaletVerlag

STEVE BERRY

ANTARCTICAThriller

Aus dem Amerikanischenvon Barbara Ostrop

Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem TitelraquoThe Charlemagne Pursuitlaquo bei Ballantine Books New York

Die Uumlbersetzung des vorangestellten Laotse-Zitats stammt aus Laozi Tao-te-king das Buch vom Sinn und LebenLaotse Uumlbersetzt und mit einemKommentar von Richard Wilhelm 9Auflage der Neuausgabe Muumlnchen

Diederichs 1995 (copy Eugen Diederichs Verlag Muumlnchen 1978)

Der Verlag weist ausdruumlcklich darauf hin dass im Textenthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveroumlffentlichung eingesehen werden konntenAuf spaumltere Veraumlnderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen

Verlagsgruppe Random House FSCreg N001967

1 AuflageTaschenbuchausgabe Dezember 2016 bei Blanvalet

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Straszlige 28 81673 Muumlnchen

Copyright der Originalausgabe copy 2008 by Steve BerryCopyright der deutschsprachigen Ausgabe copy 2011 by Blanvaleteinem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books

an imprint of Random House Publishing Groupa division of Random House Inc

Copyright copy Vaynich Manuskript Beinecke Rare Book andManuscript Library Yale University

Umschlaggestaltung Johannes Frick NeusaumlszligUmschlagabbildungen ShutterstockCardaf Jose Alberto Tejo

Willyam Bradberry und pixelparticleHerstellung wag

Druck und Einband GGP Media GmbH PoumlszligneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-7341-0393-3wwwblanvaletde

Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

1

Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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2

Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 3: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Das Buch

Sein Leben lang dachte der ehemaligen Agent Cotton Malone dass sein Vaterbei einer U-Boot-Explosion im Nordatlantik starb Aber jetzt erfaumlhrt er dassdas U-Boot seines Vaters mit einem geheimen Kernreaktor ausgestattet war

und waumlhrend einer gefaumlhrlichen Mission unter dem ewigen Eis der Antarktisverloren ging

Die Zwillinge Dorothea Lindauer und Christl Falk sind ebenfalls festentschlossen herauszufinden was mit ihrem Vater passierte der im selben

U-Boot starb ndash und sie wissen etwas das Malone ignoriert Nachdem Nazi-Offiziere raumltselhafte Symbole im Grab von Karl dem Groszligen entdeckt hattenerforschten sie noch vor den Amerikanern die Antarktis um ein Geheimniszu luumlften das die Zukunft der Menschheit fuumlr immer veraumlndern sollte Mitden beiden Schwestern macht Cotton Malone sich auf die Suche nach derraumltselhaften raquoSprache des Himmelslaquo die der Grund war warum Malones

Vater die gefaumlhrliche Mission akzeptierte Verzweifelt versucht Malone her-auszufinden wer den Tod seines Vaters vertuschen will und was die geheimen

Schriften mit einer verschollenen Zivilisation verbindet Allerdings scheinter nicht der Einzige zu sein der sich fuumlr diesen Fall interessiert und seine

Gegner schrecken vor nichts zuruumlck hellip

Der Autor

Steve Berry war viele Jahre als erfolgreicher Anwalt taumltig bevor er seineLeidenschaft fuumlr das Schreiben entdeckte Mit jedem seiner hochspannen-den Thriller stuumlrmt er in den USA die Spitzenplaumltze der Bestsellerlisten undbegeistert Leser in uumlber 50 Laumlndern Steve Berry lebt mit seiner Frau in St

Augustine Florida

Bei Blanvalet von Steve Berry bereits erschienenDer Korse Das verbotene Reich Die Washington-Akte Die Kolumbus-Ver-

schwoumlrung Das Koumlnigs-Komplott Der Lincoln-Pakt

Besuchen Sie uns auch auf wwwfacebookcomblanvaletund wwwtwittercomBlanvaletVerlag

STEVE BERRY

ANTARCTICAThriller

Aus dem Amerikanischenvon Barbara Ostrop

Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem TitelraquoThe Charlemagne Pursuitlaquo bei Ballantine Books New York

Die Uumlbersetzung des vorangestellten Laotse-Zitats stammt aus Laozi Tao-te-king das Buch vom Sinn und LebenLaotse Uumlbersetzt und mit einemKommentar von Richard Wilhelm 9Auflage der Neuausgabe Muumlnchen

Diederichs 1995 (copy Eugen Diederichs Verlag Muumlnchen 1978)

Der Verlag weist ausdruumlcklich darauf hin dass im Textenthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveroumlffentlichung eingesehen werden konntenAuf spaumltere Veraumlnderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen

Verlagsgruppe Random House FSCreg N001967

1 AuflageTaschenbuchausgabe Dezember 2016 bei Blanvalet

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Straszlige 28 81673 Muumlnchen

Copyright der Originalausgabe copy 2008 by Steve BerryCopyright der deutschsprachigen Ausgabe copy 2011 by Blanvaleteinem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books

an imprint of Random House Publishing Groupa division of Random House Inc

Copyright copy Vaynich Manuskript Beinecke Rare Book andManuscript Library Yale University

Umschlaggestaltung Johannes Frick NeusaumlszligUmschlagabbildungen ShutterstockCardaf Jose Alberto Tejo

Willyam Bradberry und pixelparticleHerstellung wag

Druck und Einband GGP Media GmbH PoumlszligneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-7341-0393-3wwwblanvaletde

Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

1

Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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2

Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 4: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

STEVE BERRY

ANTARCTICAThriller

Aus dem Amerikanischenvon Barbara Ostrop

Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem TitelraquoThe Charlemagne Pursuitlaquo bei Ballantine Books New York

Die Uumlbersetzung des vorangestellten Laotse-Zitats stammt aus Laozi Tao-te-king das Buch vom Sinn und LebenLaotse Uumlbersetzt und mit einemKommentar von Richard Wilhelm 9Auflage der Neuausgabe Muumlnchen

Diederichs 1995 (copy Eugen Diederichs Verlag Muumlnchen 1978)

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Verlagsgruppe Random House FSCreg N001967

1 AuflageTaschenbuchausgabe Dezember 2016 bei Blanvalet

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Straszlige 28 81673 Muumlnchen

Copyright der Originalausgabe copy 2008 by Steve BerryCopyright der deutschsprachigen Ausgabe copy 2011 by Blanvaleteinem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books

an imprint of Random House Publishing Groupa division of Random House Inc

Copyright copy Vaynich Manuskript Beinecke Rare Book andManuscript Library Yale University

Umschlaggestaltung Johannes Frick NeusaumlszligUmschlagabbildungen ShutterstockCardaf Jose Alberto Tejo

Willyam Bradberry und pixelparticleHerstellung wag

Druck und Einband GGP Media GmbH PoumlszligneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-7341-0393-3wwwblanvaletde

Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem TitelraquoThe Charlemagne Pursuitlaquo bei Ballantine Books New York

Die Uumlbersetzung des vorangestellten Laotse-Zitats stammt aus Laozi Tao-te-king das Buch vom Sinn und LebenLaotse Uumlbersetzt und mit einemKommentar von Richard Wilhelm 9Auflage der Neuausgabe Muumlnchen

Diederichs 1995 (copy Eugen Diederichs Verlag Muumlnchen 1978)

Der Verlag weist ausdruumlcklich darauf hin dass im Textenthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveroumlffentlichung eingesehen werden konntenAuf spaumltere Veraumlnderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen

Verlagsgruppe Random House FSCreg N001967

1 AuflageTaschenbuchausgabe Dezember 2016 bei Blanvalet

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Straszlige 28 81673 Muumlnchen

Copyright der Originalausgabe copy 2008 by Steve BerryCopyright der deutschsprachigen Ausgabe copy 2011 by Blanvaleteinem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straszlige 28 81673 MuumlnchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books

an imprint of Random House Publishing Groupa division of Random House Inc

Copyright copy Vaynich Manuskript Beinecke Rare Book andManuscript Library Yale University

Umschlaggestaltung Johannes Frick NeusaumlszligUmschlagabbildungen ShutterstockCardaf Jose Alberto Tejo

Willyam Bradberry und pixelparticleHerstellung wag

Druck und Einband GGP Media GmbH PoumlszligneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-7341-0393-3wwwblanvaletde

Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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4

Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Fuumlr Pam Ahearn und Mark Tavanidie Traumlume wahr machen

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 7: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Studiere die Vergangenheit wenn du die Zukunft kennenwillst

ndash Konfuzius

Die vor alters tuumlchtig waren als Meisterwaren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren KraumlftenTief waren sie so dass man sie nicht kennen kannWeil man sie nicht kennen kanndarum kann man nur mit Muumlhe ihr Aumluszligeres beschreibenZoumlgernd wie wer im Winter einen Fluss durchschreitetvorsichtig wie wer von allen Seiten Nachbarn fuumlrchtetzuruumlckhaltend wie Gaumlstevergehend wie Eis das am Schmelzen isteinfach wie unbearbeiteter Stoff

ndash Laotse (604 v Chr)

Wer sein Haus zerruumlttet der wird Wind erbenndash Spruumlche 11 29

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 8: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Prolog

November 1971

Der Alarm schrillte und Forrest Malone schreckte aufraquoTiefelaquo rief erraquoZweihundert MeterlaquoraquoWas liegt unter unslaquoraquoWeitere siebenhundert Meter kaltes WasserlaquoAngespannt sah er auf die Messanzeigen Messuhren und

Thermometer In der winzigen Kommandozentrale saszlig der Sei-tenrudergaumlnger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergaumlngereingeklemmt zu seiner Linken beide Maumlnner hatten die Haumlndeum Steuerknuumlppel gelegt Die Stromversorgung ging an undaus

raquoAuf zwei Knoten verlangsamenlaquoDas U-Boot schlingerte im WasserDas Alarmsignal verstummte In der Kommandozentrale

war es ploumltzlich dunkelraquoCaptain Meldung aus dem Reaktorraum Bei einem der

Regelstaumlbe hat es einen Kurzschluss gegebenlaquoMalone begriff was passiert war Der in die stoumlranfaumlllige

Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automa-tisch die anderen Regelstaumlbe einfahren lassen ndash die Schnell-abschaltung des Reaktors war eingeleitet worden Nun gabes nur noch eine moumlgliche Reaktion raquoAuf Batterien um-schaltenlaquo

Matte Notleuchten gingen an Flanders Malones LeitenderIngenieur und ein energischer und tuumlchtiger Mann auf den er

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sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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2

Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 9: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

sich verlassen konnte trat in die Kommandozentrale Malonesagte raquoSchieszligen Sie los Tomlaquo

raquoIch weiszlig nicht wie schwer der Zwischenfall ist oder wieviel Zeit wir zur Reparatur benoumltigen werden aber wir muumlssenden Stromverbrauch senkenlaquo

Die Stromerzeugung war auch schon fruumlher zusammen-gebrochen sogar schon mehrere Male und Malone wusstedass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch fuumlr zweiTage Strom hatten Auf genau diese Art von Situation hatteseine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitetaber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor lautHandbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren wer-den Falls mehr Zeit verging musste das Boot zum naumlchstgele-genen Hafen gebracht werden

Der aber lag uumlber zweitausend Kilometer entferntraquoSchaltet alles ab was wir nicht brauchenlaquo sagte MaloneraquoCaptain es wird schwer werden das Boot im Gleich-

gewicht zu haltenlaquo bemerkte der SeitenrudergaumlngerMalone kannte das Archimedische Prinzip Ein Objekt das

genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumenssank nicht noch stieg es auf Vielmehr schwebte es im WasserJedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzipund wurde mit Antriebsmaschinen die fuumlr den noumltigen Schubsorgten unter Wasser manoumlvriert Ohne Elektrizitaumlt hatten siekeinen Antrieb kein Tiefenruder und konnten keine Fahrtmachen All diesen Problemen waumlre durch das Aufsteigen andie Wasseroberflaumlche leicht zu begegnen gewesen aber uumlberihnen war nicht der offene Ozean Sie steckten unter einer Eis-decke fest

raquoCaptain der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck imRohrleitungssystemlaquo

raquoEin kleineres Lecklaquo fragte Malone raquoGerade jetztlaquoraquoEs wurde schon fruumlher entdeckt aber jetzt da die Stromver-

sorgung zusammengebrochen ist wird um die Genehmigung

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gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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4

Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 10: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

gebeten ein Ventil zu schlieszligen um das Leck zu unterbindendamit ein Schlauch ersetzt werden kannlaquo

Logisch raquoGenehmigt Und ich hoffe das waren jetzt dieletzten schlechten Nachrichtenlaquo Er wandte sich dem Sonar-mann zu raquoIst vor uns irgendetwaslaquo

U-Boot-Mannschaften lernten von denen die vor ihnen dieMeere befahren hatten und die Ersten die mit zugefrorenenMeeren gekaumlmpft hatten hatten zwei Lektionen weitergege-ben Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes wenn esnicht sein muss Wenn es sich aber nicht vermeiden laumlsst fahrelangsam mit dem Bug gegen das Eis schiebe sanft und bete

raquoVoraus ist alles klarlaquo meldete der SonarmannraquoWir beginnen zu treibenlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerraquoGegensteuern Aber Vorsicht mit dem EnergieverbrauchlaquoPloumltzlich schoss der Bug des U-Boots nach untenraquoWas zum Teufel helliplaquo murmelte MaloneraquoHecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestelltlaquo schrie

der Tiefenrudergaumlnger der aufsprang und heftig am Steuer-knuumlppel zerrte raquoSie reagieren nichtlaquo

raquoBlountlaquo bruumlllte Malone raquoHelfen Sie ihmlaquoDer Angerufene kam aus dem Sonarraum gestuumlrmt und eilte

dem Tiefenrudergaumlnger zu Hilfe Die Abwaumlrtsfahrt wurde nochsteiler Malone hielt sich am Kartentisch fest waumlhrend alleswas nicht befestigt war lawinenartig vorwaumlrtsstuumlrzte

raquoTiefenrudernotkontrollelaquo bruumlllte MaloneDie Abwaumlrtsfahrt wurde noch steilerraquoUumlber fuumlnfundvierzig Grad Neigunglaquo meldete der Seiten-

rudergaumlnger raquoTiefenruder ist noch immer auf Abtauchen ge-stellt Es funktioniert nichtlaquo

Malone packte den Tisch fester und kaumlmpfte um sein Gleich-gewicht

raquoDreihundert Meter und es geht noch weiter nach untenlaquoDie Tiefenanzeige aumlnderte sich so schnell dass die Ziffern

verschwammen Das Boot war bis tausend Meter tauchfaumlhig

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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4

Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

8

Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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aber der Meeresgrund naumlherte sich rasch und der Auszligendruckdes Wassers stieg ndash wenn es zu schnell ging wuumlrde der Rumpfimplodieren Aber die Aussicht mit voller Fahrt den Meeres-grund zu rammen war auch nicht gerade angenehm

Es blieb nur noch ein einziger AuswegraquoNotgang ruumlckwaumlrts Alle Ballasttanks anblasenlaquoDas Boot erzitterte als die Maschinerie Malones Komman-

do gehorchte Die Propeller drehten in die Gegenrichtung undDruckluft donnerte in die Tanks und draumlngte das Wasser hi-naus Der Seitenrudergaumlnger hielt den Steuerknuumlppel fest DerTiefenrudergaumlnger bereitete sich auf das vor was wie Malonewusste gleich bevorstand

Das Boot bekam wieder AuftriebDie Fahrt nach unten verlangsamte sichDer Bug wanderte nach oben bis das Schiff wieder horizon-

tal lagraquoBalancieren Sie das Boot auslaquo befahl Malone raquoHalten Sie

uns im Schwebezustand Ich will nicht aufsteigenlaquoDer Tiefenrudergaumlnger reagierte auf sein KommandoraquoWie weit noch bis zum MeeresgrundlaquoBlount kehrte in den Sonarraum zuruumlck raquoSiebzig MeterlaquoMalones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinuumlber Achthun-

dert Meter Der Rumpf aumlchzte unter dem Druck hielt aberstand Sein Blick heftete sich auf die Oumlffnungsanzeigen DieSignalleuchten zeigten dass alle Ventile geschlossen waren unddass es keine Lecks gab Endlich einmal eine gute Nachricht

raquoSetzen Sie uns ablaquoDer Vorteil den dieses U-Boot gegenuumlber anderen besaszlig be-

stand darin dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte Daswar einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots ndashso wie das aumlrgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystemdessen Schwaumlchen ihnen gerade eben eindringlich vor Augengefuumlhrt worden waren

Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf

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Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 12: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke Keinersagte etwas Das war auch nicht noumltig Malone wusste was siedachten Das war knapp

raquoWissen wir was passiert istlaquo fragte erraquoDer Maschinenraum meldet dass beim Schlieszligen des Ven-

tils fuumlr die Reparatur die normale Steuerung die Notsteuerungund die Tauchsysteme ausgefallen sind Das ist noch nie zuvorpassiertlaquo

raquoKoumlnnten Sie mir etwas erzaumlhlen was ich nicht schonweiszliglaquo

raquoDas Ventil ist jetzt wieder geoumlffnetlaquoEr laumlchelte uumlber die ausweichende Antwort seines Leitenden

Ingenieurs Wenn ich mehr wuumlsste wuumlrde ich es Ihnen sagenraquoOkay sagen Sie den Leuten dass sie die Reparatur durchfuumlh-ren sollen Was ist mit dem Reaktorlaquo

Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hattensie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht

raquoNoch immer abgeschaltetlaquo antwortete der Erste OffizierDie Stunde die ihnen fuumlr den Neustart des Systems zur Ver-

fuumlgung stand verstrich schnellraquoCaptainlaquo rief Blount aus dem Sonarraum raquoWir haben

auszligerhalb des Rumpfs etwas entdeckt Mehrere feste ObjekteWir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegenlaquo

Malone beschloss ein wenig Strom zu opfern raquoKameras undAuszligenleuchten anschalten Aber nur ein kurzer Blick dannmachen wir wieder auslaquo

Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klaresWasser in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm DasU-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben die kreuz und querauf dem Meeresgrund verstreut lagen

raquoMerkwuumlrdiglaquo sagte einer der MaumlnnerAuch Malone war es aufgefallen raquoDas sind keine Gesteins-

brocken Es sind behauene Steine Und zwar groszlige Kuben undWuumlrfel Zoomen Sie einen heranlaquo

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Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 13: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera aufeinen der Steine aus

raquoHeilige Scheiszligelaquo sagte der Erste OffizierIn den Stein war etwas eingraviert Keine Schrift die Malone

kannte Es war ein abgerundeter flieszligender Kursivstil Ein-zelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiertaber er konnte nichts lesen

raquoAuf den anderen Steinbloumlcken steht auch etwaslaquo sagteBlount und Malone studierte die restlichen Bildschirme

Sie waren von Verfall umgeben und die Steinbloumlcke ragtenum sie herum auf wie Geister

raquoSchalten Sie die Kameras auslaquo befahl Malone Im Momentwar der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge nichtdie Neugierde raquoKoumlnnen wir hier ungefaumlhrdet liegen bleibenlaquofragte er

raquoWir haben auf einer freien Stelle aufgesetztlaquo erklaumlrteBlount raquoAlles ist in Ordnunglaquo

Ein Alarmsignal ertoumlnte Malone erkannte auf der Anzeigedass es um die Elektrik ging

raquoCaptain Sie werden vorn gebrauchtlaquo schrie der ErsteOffizier uumlber das Fiepen hinweg

Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zuder Leiter die in den Turm hinauffuumlhrte An deren Fuszlig standschon sein Leitender Ingenieur

Das Alarmsignal verstummteEr spuumlrte Hitze und seine Augen hefteten sich auf das Deck

Nichts Gutes ahnend buumlckte er sich und beruumlhrte ganz leichtdas Metall houmlllisch heiszlig Das war nicht gut Unter der Ab-deckung lagen hundertfuumlnfzig Silber-Zink-Batterien in einemAluminiumschacht Aus bitterer Erfahrung wusste er dassderen Anordnung weit eher kuumlnstlerischen als wissenschaft-lichen Gesichtspunkten genuumlgte Es gab staumlndig Pannen

Eine nach der anderen loumlste ein Maschinist vier Schraubenwelche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten Diese wurde

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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entfernt und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zumVorschein Malone begriff sofort wo das Problem lag DieKaliumhydroxidloumlsung in den Batterien war uumlbergelaufen

Wieder einmalKrachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt Aber

das wuumlrde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen Baldwuumlrde das Ventilationssystem den beiszligenden Qualm im gan-zen U-Boot verteilen und da sie nicht luumlften konnten wuumlrdensie bald alle tot sein

Malone rannte in die Kommandozentrale zuruumlckEr wollte nicht sterben aber ihre Optionen schwanden rasch

Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten ndash sowohlauf diesel- als auch auf atomgetriebenen Nur einer von fuumlnfBewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine dennkoumlrperliche Untersuchungen psychologische Interviews undReaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus Die sil-bernen Delphine hatte ihm sein erster Kapitaumln angesteckt under selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizierenerwiesen

Er wusste also BescheidDas Spiel war ausSonderbarerweise erfuumlllte ihn nur ein einziger Gedanke als

er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitetewenigstens so zu tun als haumltten sie eine Chance Der Gedankean seinen Sohn Der war zehn Jahre alt Und wuumlrde ohne Vateraufwachsen

Ich liebe dich Cotton

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ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 15: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

ERSTER TEIL

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

8

Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 16: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

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Garmisch DeutschlandDienstag 11 Dezember Gegenwart1340 Uhr

Cotton Malone hasste es eingeschlossen zu seinSein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert

dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war Die meistenPassagiere hatten Urlaub waren farbenfroh gekleidet und hat-ten Skier und Skistoumlcke geschultert Alle moumlglichen Nationenwaren vertreten Einige Italiener ein paar Schweizer eineHandvoll Franzosen aber uumlberwiegend Deutsche Er war alseiner der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich um seinUnbehagen zu bekaumlmpfen an eines der vereisten Fenster ge-stellt Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die naumlherkommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Him-mel ab der eindrucksvolle graue Gipfel war mit spaumltherbst-lichem Schnee bedeckt

Es war nicht klug gewesen diesem Ort zuzustimmenDie Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und

kam an einer von mehreren Stahlstuumltzen vorbei die aus denzerkluumlfteten Felsen aufragten

Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedraumlnges in derGondel Oben auf Deutschlands houmlchstem Gipfel erwartetenihn die Geister der Vergangenheit Er hatte diese Begegnungseit Jahrzehnten vermieden Menschen wie er die ihre Vergan-genheit so entschlossen begraben hatten sollten ihr nicht somir nichts dir nichts wieder aus dem Grab helfen

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Und doch tat er jetzt genau dasDie Vibrationen houmlrten auf als die Gondel in die Gipfelsta-

tion einfuhr und hieltDie mit Skiern beladenen Fahrgaumlste stroumlmten zu einer ande-

ren Bergbahn die sie weiter abwaumlrts in ein Bergtal bringenwuumlrde wo ein Chalet und Skihaumlnge auf sie warteten Malonefuhr nicht Ski das hatte er noch nie getan und hatte es auch inZukunft nicht vor

Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild alsMuumlnchner Haus gekennzeichnet Die eine Haumllfte des Gebaumludeswurde von einem Restaurant eingenommen in der anderen be-fanden sich ein Vortragssaal ein Imbiss Andenkenlaumlden undeine meteorologische Beobachtungsstation

Er schob sich durch die dicken Glastuumlren und trat auf einevon einer Bruumlstung eingefasste Terrasse Die frische Alpen-luft stach ihm in die Lippen Stephanie Nelle zufolge sollteseine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwartenEines war offensichtlich Die fast dreitausend Houmlhenmeterverliehen diesem Treffen zweifellos eine zusaumltzliche privateNote

Die Zugspitze lag an der Grenze Suumldwaumlrts in RichtungOumlsterreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel ImNorden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes TalEin eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche Staumldtchen Gar-misch mit dem dazugehoumlrigen Partenkirchen vor den BlickenBeide Orte waren Sport-Mekkas und in der Region warennicht nur Skifahren sondern auch Bobschlittenfahren Eislaufund Eisstockschieszligen im Angebot

Weitere Sportarten die Malone immer gemieden hatteDie Aussichtsplattform lag verlassen da abgesehen von

einem aumllteren Paar und ein paar Skifahrern die offensichtlichum des schoumlnen Ausblicks willen hier Halt machten Malonewar hierhergekommen um ein Geheimnis zu luumlften das ihmauf der Seele lag seit die Maumlnner in Uniform damals gekom-

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men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 18: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

men waren um seine Mutter uumlber den Tod ihres Mannes zuinformieren

raquoDer Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzigStunden verloren gegangen Wir haben Such- und Rettungs-schiffe in den Nordatlantik geschickt die die letzte bekanntePosition abgesucht haben Wrackteile wurden vor sechs Stun-den gefunden Wir haben mit der Benachrichtigung der Fami-lien gewartet bis wir sicher sein konnten dass es keine Uumlber-lebenden gibtlaquo

Seine Mutter hatte nicht geweint Das war nicht ihre ArtAber das bedeutete nicht dass sie nicht niedergeschmettertwar Es dauerte Jahre bevor ihm als Jugendlichem die erstenFragen kamen Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erklauml-rung an die uumlber die offiziellen Verlautbarungen hinausgingAls er bei der Marine anfing hatte er versucht Zugang zumBericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Unter-suchungskommission zu bekommen hatte aber erfahren muumls-sen dass dieser streng geheim war Spaumlter als Agent des Justiz-ministeriums der auch vertrauliche Dokumente einsehenkonnte hatte er es erneut versucht Wieder ohne Erfolg AlsGary sein fuumlnfzehnjaumlhriger Sohn in diesem Sommer zu Besuchgekommen war hatte Malone sich mit neuen Fragen konfron-tiert gesehen Gary hatte mehr uumlber seinen Groszligvater erfahrenwollen und hatte sich besonders fuumlr dessen Tod interessiertDie Presse hatte uumlber den Untergang der USS Blazek im No-vember 1971 berichtet und so hatten sie viele der alten Artikelim Internet nachgelesen Ihre Unterhaltungen hatten seinealten Zweifel wieder aufleben lassen ndash und zwar so stark dasser schlieszliglich beschlossen hatte etwas zu unternehmen

Er steckte die geballten Faumluste in die Taschen seines Parkasund ging uumlber die Aussichtsterrasse

Bei der Bruumlstung waren Teleskope aufgestellt Vor einemdavon stand eine Frau deren dunkles Haar zu einem wenigvorteilhaften Knoten aufgesteckt war Sie war in ein knalliges

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

3

Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Outfit gekleidet hatte Skier und Skistoumlcke neben sich abge-stellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal

Er ging unauffaumlllig hinuumlber Eine Regel hatte er schon vorlanger Zeit gelernt nie etwas uumlberstuumlrzen Das brachte nurAumlrger

raquoEine eindrucksvolle Aussichtlaquo sagte erSie drehte sich um raquoUnbedingtlaquoIhr Teint war zimtbraun was in Verbindung mit den wie er

fand aumlgyptischen Zuumlgen um Mund Nase und Augen auf Vor-fahren aus dem Nahen Osten schlieszligen lieszlig

raquoIch bin Cotton MalonelaquoraquoWoher wussten Sie dass ich diejenige bin die Sie treffen

sollenlaquoEr deutete auf den braunen Umschlag der auf dem Sockel

des Teleskops lag raquoOffensichtlich ist das keine besondersdringliche Missionlaquo Er laumlchelte raquoSind Sie einfach nur eineBotinlaquo

raquoEtwas in der Art Ich bin zum Skilaufen hergekommenEine Woche Urlaub endlich einmal Das wollte ich immerschon mal machen Stephanie bat mich das hierlaquo sie zeigteauf den Umschlag raquomitzunehmenlaquo Die Frau wandte sich wie-der dem Teleskop zu raquoMacht es Ihnen etwas aus wenn ichhier noch zu Ende schaue Es hat mich einen Euro gekostetund ich moumlchte sehen was dort unten liegtlaquo

Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Taldas sich unten uumlber Kilometer hinzog

raquoHaben Sie einen Namenlaquo fragte MaloneraquoJessicalaquo sagte sie das Auge immer noch ans Okular ge-

heftetEr griff nach dem UmschlagSie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh raquoNoch nicht

Stephanie sagte ich solle Sie eindringlich darauf hinweisendass Sie beide damit quitt sindlaquo

Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich

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aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 20: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

aus der Patsche geholfen Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm ge-sagt dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich des-sen klug bedienen solle

Das hatte er getanraquoEinverstanden Die Schuld ist beglichenlaquoSie wandte sich vom Teleskop ab Vom Wind waren ihre

Wangen geroumltet raquoIch habe im Magellan Billet von Ihnen ge-houmlrt Sie sind so eine Art Legende Einer der urspruumlnglichenzwoumllf Agentenlaquo

raquoMir war gar nicht bewusst dass ich so beliebt binlaquoraquoStephanie sagte dass Sie auch bescheiden waumlrenlaquoEr war nicht in der Stimmung fuumlr Komplimente Die Ver-

gangenheit erwartete ihn raquoKoumlnnte ich die Unterlagen jetzthabenlaquo

Ihre Augen funkelten raquoKlarlaquoEr nahm den Umschlag an sich Der erste Gedanke der ihm

durch den Kopf zuckte war die Uumlberlegung wie etwas soDuumlnnes so viele Fragen beantworten konnte

raquoDas muss wichtig seinlaquo sagte JessicaNoch eine Lektion die er gelernt hat Uumlbergehe Fragen die

du nicht beantworten moumlchtest raquoSind Sie schon lange beimBilletlaquo

raquoSeit ein paar Jahrenlaquo Sie trat vom Teleskopsockel herunterraquoAber es gefaumlllt mir nicht Ich denke uumlbers Aussteigen nachWie ich houmlrte sind auch Sie vorzeitig ausgestiegenlaquo

So sorglos wie sie sich verhielt erschien die Kuumlndigung ihmals ein guter Karriereschritt Waumlhrend seiner zwoumllf Jahre beimBillet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht und waumlhrend die-ser Zeit war er staumlndig auf der Hut gewesen Paranoia war eineder Berufskrankheiten des Agenten und nach zwei Jahren frei-willigen Ruumlckzugs aus diesem Leben war er noch immer nichtgeheilt

raquoViel Spaszlig beim Skifahrenlaquo wuumlnschte er JessicaMorgen wuumlrde er nach Kopenhagen zuruumlckfliegen Heute

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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2

Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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4

Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

9

Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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wollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar Laumldenfuumlr seltene Buumlcher vorbeischauen ndash eine Berufskrankheit seinesneuen Betaumltigungsfeldes Er war Buchantiquar

Mit einem wuumltenden Blick griff sie nach ihren Skiern undStoumlcken raquoDas habe ich auch vorlaquo

Sie verlieszligen die Terrasse und gingen durch das beinahemenschenleere Besucherzentrum Jessica wandte sich dem Liftzu der sie ins Bergtal bringen wuumlrde Malone kehrte zur Seil-bahn zuruumlck die ihn dreitausend Meter tiefer am Fuszlig des Ber-ges absetzen sollte

Er trat in die leere Gondel den Umschlag in der HandEs gefiel ihm dass auszliger ihm keiner in der Gondel war Dochunmittelbar bevor die Tuumlr sich schloss eilten ein Mann undeine Frau Hand in Hand herein Der Seilbahnwart schlug dieTuumlr von auszligen zu und die Gondel glitt langsam von der Sta-tion weg

Malone sah aus den vorderen FensternEingeschlossensein war schon schlimm genug Aber in einem

engen Raum eingeschlossen zu sein das war noch schlimmerEr litt nicht an Klaustrophobie nein es ging eher um ein Ge-fuumlhl verwehrter Freiheit Er hatte das bisher schon oft genugertragen ndash mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befun-den ndash aber sein Unbehagen war einer der Gruumlnde aus denener sich vor Jahren als er zur Navy ging anders als sein Vaternicht fuumlr U-Boote entschieden hatte

raquoMr MalonelaquoEr drehte sich umDie Frau stand da eine Pistole in der HandraquoIch nehme diesen Umschlag an michlaquo

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2

Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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5

Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

8

Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Baltimore Maryland0910 Uhr

Admiral Langford C Ramsey sprach ausgesprochen gerne zuMenschenmengen Dass er diese Erfahrung genoss hatte erzum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt und im Laufeseiner uumlber vierzigjaumlhrigen Karriere hatte er staumlndig nach Moumlg-lichkeiten gesucht diesem Vergnuumlgen nachzugehen Heutesprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs ndashwas fuumlr den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein biss-chen ungewoumlhnlich war Er lebte normalerweise in einer ge-heimen Welt aus Fakten Geruumlchten und Spekulationen unduumlber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingenseine Moumlglichkeiten zur oumlffentlichen Rede sonst nicht hinausDoch in juumlngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetz-ten verfuumlgbarer geworden Er sprach honorarfrei und es gabkeine Restriktionen fuumlr die Presse Je groumlszliger die Zuhoumlrerschaftdesto besser

Und viele hatten zugegriffenDies hier war sein achter Auftritt in diesem MonatraquoIch bin heute gekommen um Ihnen von etwas zu erzaumlh-

len woruumlber Sie mit Sicherheit wenig wissen Es war langeZeit geheim Amerikas kleinstes atomgetriebenes Untersee-bootlaquo Er sah in die aufmerksame Menge raquoJetzt fragen Siesich bestimmt Spinnt der Der Chef des Nachrichtendienstesder Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot er-zaumlhlenlaquo

Er nickteraquoGenau das habe ich vorlaquo

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raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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4

Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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Page 23: Steve Berry ANTARCTICA - penguinrandomhouse.de

raquoCaptain es gibt ein Problemlaquo sagte der SeitenrudergaumlngerRamsey war hinter dem Sitz des Tiefenrudergaumlngers immer

wieder eingedoumlst Der U-Boot-Kapitaumln der neben ihm saszligstand auf und konzentrierte sich auf die Kamerabildschirme

Jede einzelne Auszligenkamera zeigte SeeminenraquoHeilige Mutter Gotteslaquo murmelte der Kapitaumln raquoSofort

komplett stoppen Keinen Zentimeter weiterlaquoDer Pilot gehorchte dem Kommando und betaumltigte eine

Reihe von Schaltern Auch wenn Ramsey damals erst Leutnantwar wusste er doch dass Sprengstoffe hochempfindlich wur-den wenn sie laumlngere Zeit in Salzwasser lagen Sie fuhren un-mittelbar vor der franzoumlsischen Kuumlste uumlber den Grund des Mit-telmeeres und waren ploumltzlich von hochgefaumlhrlichen Uumlberrestendes Zweiten Weltkriegs umgeben Eine einzige Beruumlhrung miteinem der Metallkoumlrper und NR-1 waumlre nicht mehr strenggeheim sondern einfach ausradiert

Das Boot war die spezialisierteste Waffe der Navy vonAdmiral Hyman Rickover forciert und fuumlr schlappe hundertMillionen Dollar gebaut Mit seinen nur fuumlnfzig Metern Laumlngeund vier Metern Breite und einer Besatzung von gerade mal elfMann war das U-Boot zwar vergleichsweise winzig steckteaber voller Raffinessen Das bis tausend Meter tauchfaumlhigeFahrzeug wurde von einem einzigartigen Reaktor angetriebenDrei Beobachtungsfenster gestatteten eine visuelle Inspektiondes Auszligengelaumlndes Scheinwerfer unterstuumltzten zahlreiche Au-szligenkameras Mit Hilfe eines mechanischen Greifarms lieszligensich Objekte einholen ein Manipulatorarm verfuumlgte uumlberGreif- und Schneidewerkzeuge Im Gegensatz zu Angriffs-oder Raketen-U-Booten war die NR-1 mit einem Turm inknalligem Orange einem flachen Oberdeck einem klobigenKastenkiel und zahlreichen aumluszligeren Zusatzteilen ausgeruumlstetdarunter zwei ausfahrbare Raumlder mit alkoholbefuumlllten LKW-Reifen von Goodyear die es ihr gestatteten uumlber den Meeres-grund zu fahren

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raquoAbwaumlrtsstrahlruder betaumltigenlaquoRamsey begriff was sein Kapitaumln tat Er hielt den Boots-

rumpf auf dem Meeresgrund fest Das war gut so Auf denMonitoren waren zahllose Minen zu sehen

raquoAnblasen der Tauchzellen vorbereitenlaquo sagte der KapitaumlnraquoIch moumlchte dass wir lotrecht aufsteigen Kein Schwankenlaquo

In der Kommandozentrale war es still wodurch das Heu-len der Turbinen das Zischen von Luft das Quietschen derhydraulischen Fluumlssigkeit und das Piepen der elektronischenGeraumlte nur umso deutlicher zu houmlren war ein Geraumluschpegelder vor kurzem noch wie ein Beruhigungsmittel auf ihn ge-wirkt hatte

raquoRuhig und stetiglaquo sagte der Kapitaumln raquoHalten Sie das Bootbeim Aufsteigen in der Balancelaquo

Der Pilot packte die SteuerknuumlppelDas Boot war nicht mit einem Steuerrad ausgestattet Statt-

dessen waren vier Steuerknuumlppel von Kampfjets umgeruumlstetworden Das war typisch fuumlr die NR-1 Obgleich Antrieb undKonzeption dem neuesten Stand der Technik entsprachen ge-houmlrte die Ausstattung eher ins Steinzeit- denn ins Raumfahrt-zeitalter Das Essen wurde im billigen Nachbau eines Ofenszubereitet wie er in Passagierflugzeugen zum Einsatz kamDer Manipulatorarm war von einem anderen Projekt der Navyuumlbrig geblieben Das von Langstreckenflugzeugen adaptierteNavigationssystem funktionierte unter Wasser so gut wie garnicht Die Mannschaftsquartiere waren beengt die Toilettefast immer verstopft und zum Essen gab es nur Fertigmahl-zeiten die vor dem Aufbruch in einem Supermarkt vor Orteingekauft worden waren

raquoHatten wir keinen Sonarkontakt zu diesen Minenlaquo fragteder Kapitaumln raquoBevor sie ploumltzlich da warenlaquo

raquoNeinlaquo antwortete ein Besatzungsmitglied raquoSie sind ganzploumltzlich aus der Dunkelheit aufgetauchtlaquo

Druckluft rauschte in die Tauchzellen und das U-Boot stieg

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auf Der Pilot hatte beide Haumlnde um die Steuerknuumlppel gelegtund war darauf vorbereitet die Lage des Bootes mit Hilfe derStrahlruder zu korrigieren

Sie mussten nur etwa dreiszligig Meter aufsteigen dann warensie aus der Gefahrenzone

raquoWie Sie sehen haben wir das Boot aus dem Minenfeldherausgeschafftlaquo erklaumlrte Ramsey den Versammelten raquoDaswar im Fruumlhjahr 1971laquo Er nickte raquoRichtig das ist lange herIch war einer der wenigen die das Gluumlck hatten auf der NR-1zu dienenlaquo

Er registrierte die verbluumlfften BlickeraquoNur wenige Leute wissen uumlber dieses U-Boot Bescheid

Mitte der Sechzigerjahre wurde es unter strenger Geheimhal-tung gebaut selbst die meisten Admiraumlle wussten damals nichtsdavon Es war mit einem verbluumlffenden Arsenal von Geraumltenausgestattet und konnte dreimal tiefer tauchen als jedes andereU-Boot Es trug keinen Namen war nicht mit Waffen oderTorpedos ausgeruumlstet und hatte keine offizielle BesatzungSeine Missionen waren geheim und viele bleiben es bis zumheutigen Tag Noch verbluumlffender ist dass das Boot noch heuteim Einsatz ist ndash es ist inzwischen das zweitaumllteste U-Boot imDienst naumlmlich seit 1969 So geheim wie fruumlher ist es nichtmehr Heute wird es sowohl zu militaumlrischen als auch zu zivilenZwecken genutzt Aber wo immer tief im Ozean menschlicheAugen und Ohren vonnoumlten sind ist die NR-1 gefragt Erin-nern Sie sich an all diese Geschichten wie Amerika transatlan-tische Telefonkabel angezapft und die Sowjets belauscht hatDas war die NR-1 Als 1976 eine F-14 mit einer neuen Phoe-nix-Rakete in den Ozean stuumlrzte barg die NR-1 diese bevorsie den Sowjets in die Haumlnde fallen konnte Nach dem Challen-ger-Ungluumlck war es die NR-1 die die Feststoffrakete mit demfehlerhaften O-Ring gefunden hatlaquo

Mit nichts konnte man ein Publikum besser fesseln als mit

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solchen Geschichten und aus seiner Dienstzeit auf dem ein-zigartigen U-Boot hatte er eine Menge davon auf Lager DieNR-1 war keineswegs ein technologisches Meisterwerk ge-wesen sondern geplagt von Fehlfunktionen Allein der Erfin-dungsreichtum ihrer Crew hatte sie in Betrieb gehalten DieBetriebsanleitung war unbrauchbar gewesen ndash und so hattedas Motto an Bord Innovation geheiszligen Beinahe jeder Offi-zier der an Bord gedient hatte war spaumlter in eine houmlhere Posi-tion aufgestiegen Ramsey selbst eingeschlossen Es gefiel ihmdass er jetzt von der NR-1 erzaumlhlen konnte Im Rahmen desRekrutierungsprogramms der Navy wurden Erfolge zur Schaugestellt Veteranen wie er konnten ihre Geschichten erzaumlhlenund Leute wie jene die ihm jetzt von ihren Fruumlhstuumlckstischenaus zuhoumlrten wuumlrden ihn spaumlter Wort fuumlr Wort zitieren DiePresse deren Anwesenheit man ihm zugesagt hatte wuumlrdefuumlr eine noch weitere Verbreitung sorgen Admiral LangfordRamsey Chef des Nachrichtendienstes der Marine sagte beieiner Rede vor der nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs hellip

Er hatte eine schlichte Sicht auf das Thema ErfolgErfolg raumlumte mit Misserfolgen aufBereits vor zwei Jahren haumltte er in Pension gehen sollen

doch er war der houmlchstrangige farbige Angehoumlrige des US-Militaumlrs und der erste bekennende Junggeselle der je in denAdmiralsrang aufgestiegen war Er hatte sein Vorhaben langegeplant und war aumluszligerst vorsichtig gewesen Er achtete da-rauf dass sein Gesicht so ruhig wie seine Stimme bliebseine Stirn faltenfrei und sein offener Blick mild und gelassenEr hatte seine gesamte Karriere in der Marine mit der Praumlzi-sion eines U-Boot-Navigators geplant Stoumlrungen wuumlrde ernicht dulden insbesondere jetzt nicht da sein Ziel in Sichtwar

Und so blickte er auf seine Zuhoumlrerschaft und erzaumlhlte mitzuversichtlicher Stimme weitere Geschichten

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Doch ein Problem belastete ihnEin moumlgliches Schlagloch auf seinem WegGarmisch

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Garmisch

Malone sah auf die Waffe und bewahrte die Fassung Er hatteein bisschen hart uumlber Jessica geurteilt Offensichtlich war aucher nicht wachsam genug gewesen Er winkte mit dem UmschlagraquoDas hier wollen Sie Sind nur ein paar Rettet-die-Berge-Broschuumlren die ich meiner Greenpeace-Ortsgruppe zuschickenwill Wir bekommen Sonderpunkte fuumlr Reisen vor Ortlaquo

Die Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fortraquoSehr witziglaquo sagte die FrauraquoIch hatte an eine Karriere als Stand-up-Comedian gedacht

Meinen Sie das war ein FehlerlaquoGenau solche Situationen waren der Grund warum er sich

hatte pensionieren lassen Ein Agent des Magellan Billet ver-diente 72300 Dollar jaumlhrlich vor Steuern Als Buchantiquarmachte er mehr Gewinn und zwar ohne das Risiko

Zumindest hatte er das geglaubtJetzt wurde es Zeit zur alten Sichtweise zuruumlckzukehrenUnd auf einen Patzer des Gegners zu wartenraquoWer sind Sielaquo fragte erSie war klein und untersetzt und ihr Haar wies einen wenig

schmeichelhaften roumltlichen Braunton auf Vielleicht war sieAnfang dreiszligig Sie trug einen blauen Wollmantel und einengoldfarbenen Schal Der Mann trug einen roten Mantel undschien weiter keine Rolle zu spielen Sie gab ihrem Komplizeneinen Wink mit der Waffe und sagte raquoNehmen Sie daslaquo

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Rotmantel sprang vor und riss den Umschlag an sichDie Frau warf einen kurzen Blick auf die zerkluumlfteten Felsen

die an den beschlagenen Fenstern vorbeisausten Diesen Mo-ment nutzte Malone um den Pistolenlauf mit einem linkenHaken zur Seite zu schlagen

Sie schossDer Knall droumlhnte ihm in den Ohren die Kugel durchschlug

eine der FensterscheibenKalte Luft stroumlmte hereinEr verpasste dem Mann einen Faustschlag so dass dieser

zuruumlcktaumelte Dann umfasste er das Kinn der Frau mitseiner behandschuhten Hand und schlug ihren Hinterkopfgegen das Fenster Ein Spinnennetz von Rissen bildete sich imGlas

Ihre Augen klappten zu und er stieszlig sie zu BodenRotmantel sprang auf und stuumlrzte sich auf ihn Zusammen

krachten sie gegen die gegenuumlberliegende Gondelwand undstuumlrzten dann auf den feuchten Boden Malone waumllzte sich zurSeite um einen Wuumlrgegriff um seine Kehle zu loumlsen Er houmlrtewie die Frau etwas murmelte und begriff dass er es bald wie-der mit zwei Gegnern zu tun haben wuumlrde von denen einerbewaffnet war Also oumlffnete er die Haumlnde und schlug mit denHandflaumlchen auf die Ohren des Mannes Das mit den Ohrenhatte er bei seiner Ausbildung als Navy-Soldat gelernt DieOhren waren so ziemlich die empfindlichsten Koumlrperteile DieHandschuhe waren unguumlnstig doch beim dritten Schlag schrieder Mann vor Schmerz auf und lieszlig seinen Hals los

Malone stieszlig den Angreifer mit einem Tritt von sich undsprang auf Ehe er jedoch den naumlchsten Schritt einleiten konntelangte Rotmantel ihm uumlber die Schulter umklammerte erneutseine Kehle und zwang sein Gesicht gegen eine der Fenster-scheiben wo das uumlberfrierende Kondenswasser eiskalt seineWangen beruumlhrte

raquoKeine Bewegunglaquo befahl der Mann

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Malones rechter Arm war verdreht Er versuchte sich zubefreien doch Rotmantel war stark

raquoKeine Bewegung hab ich gesagtlaquoMalone beschloss vorlaumlufig zu gehorchenraquoPanya alles in Ordnung mit Ihnenlaquo Rotmantel versuchte

offensichtlich die Frau auf sich aufmerksam zu machenMalones Gesicht war noch immer gegen das Glas gepresst

und sein Blick war nach vorn gerichtet in Fahrtrichtung derGondel

raquoPanyalaquoMalone sah etwa fuumlnfzig Meter entfernt und schnell naumlher

kommend eine der Stahlstuumltzen Dann merkte er dass sein lin-ker Arm gegen etwas gequetscht war das sich wie ein Griffanfuumlhlte Offensichtlich waren sie bei ihrem Kampf an der Tuumlrgelandet

raquoPanya antworten Sie mir Alles in Ordnung mit IhnenSuchen Sie die Pistolelaquo

Der Druck auf seine Kehle war enorm und sein Arm stecktewie in einem Schraubstock Doch Newton hatte recht Fuumlr jedeAktion gab es eine gleichwertige entgegengesetzte Reaktion

Inzwischen waren sie beinahe bei den duumlnnen Streben derStahlstuumltze angelangt Die Gondel wuumlrde so nahe daran vor-beifahren dass man die Stuumltze mit ausgestrecktem Arm beruumlh-ren konnte

Daher riss er den Tuumlrgriff nach oben und oumlffnete die Tuumlrwobei er sich gleichzeitig in die eiskalte Luft hinausschwang

Rotmantel der damit nicht gerechnet hatte wurde aus demWagen geschleudert und prallte gegen die Stuumltze Malone hieltden Tuumlrgriff fest umklammert Sein Angreifer der zwischen derGondel und der Stuumltze eingeklemmt wurde stuumlrzte in die Tiefe

Sein Schrei verhallte raschMalone hangelte sich wieder nach drinnen Mit jedem Atem-

zug stieszlig er ein weiszliges Woumllkchen aus Seine Kehle war mehrals trocken

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Die Frau richtete sich muumlhsam aufEr trat ihr gegen das Kinn und sie ging wieder zu BodenDann taumelte er nach vorn und sah nach untenAn der Haltestation der Gondel standen zwei Maumlnner in

dunklen Maumlnteln Verstaumlrkung Er befand sich noch dreihun-dert Meter uumlber ihnen Unter ihm breitete sich ein dichter Waldaus der sich uumlber die unteren Berghaumlnge zog ein dichter Be-wuchs immergruumlner dick mit Schnee bedeckter Zweige Erbemerkte eine Kontrolltafel Drei Lichter blinkten gruumln zweirot Er starrte aus dem Fenster und sah dass eine weitere derhoch aufragenden Stuumltzen sich naumlherte deshalb griff er nachder Notbremse und legte den Hebel um

Ein Ruck ging durch die Gondel und sie verlangsamte ihreFahrt blieb aber nicht vollkommen stehen Wieder galt IsaacNewtons Gesetz Die Reibung wuumlrde die Vorwaumlrtsbewegungschlieszliglich stoppen

Er hob den Umschlag auf der neben der Frau lag und steckteihn unter seinen Mantel Dann griff er nach der Pistole und lieszligsie in seine Manteltasche gleiten trat zur Tuumlr und wartete da-rauf dass die Stuumltze naumlher kam Die Gondel bewegte sich imSchneckentempo aber trotzdem wuumlrde der Sprung riskantsein Tempo und Entfernung abschaumltzend sprang er zu einerder staumlhlernen Querstreben wo er mit seinen behandschuhtenHaumlnden Halt suchte

Unsanft krachte er gegen das Gestell und daumlmpfte den Auf-prall mit seinem Ledermantel

Zwischen seinen Fingern und der Strebe knirschte SchneeEr klammerte sich daran festDie Gondel setzte ihre Abwaumlrtsfahrt fort und blieb etwa

dreiszligig Meter weiter unten stehen Malone schnappte ein paarMal nach Luft und hangelte sich dann auf eine Leiter zu die ander Hauptstuumltze nach unten fuumlhrte Trockener Schnee rieselteherab wie Talkumpuder Bei der Leiter angekommen stellte erseine Gummisohlen auf eine schneebedeckte Sprosse Er sah

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wie die beiden Maumlnner in den dunklen Maumlnteln unten bei derStation eilig wegrannten Sie bedeuteten Aumlrger genau wie ervermutet hatte

Er stieg die Leiter hinunter und sprang auf den BodenJetzt befand er sich in gut hundertfuumlnfzig Meter Houmlhe auf

dem bewaldeten HangEr stapfte zwischen den Baumlumen hindurch und stieszlig auf eine

asphaltierte Straszlige die den Hang entlangfuumlhrte Vor ihm er-hob sich ein von schneebedeckten Buumlschen umsaumlumtes mitbraunen Schindeln gedecktes Gebaumlude Irgendein Arbeitsge-baumlude Dahinter fuumlhrte die von Schnee geraumlumte Straszlige weiterEr ging zum Tor das auf das umzaumlunte Gelaumlnde fuumlhrte EinVorhaumlngeschloss verschloss den Eingang Ploumltzlich houmlrte ereinen Motor der die Straszlige heraufdroumlhnte zog sich hintereinen abgestellten Traktor zuruumlck und beobachtete wie eindunkler Peugeot um die Kurve kam und langsamer wurde umdas Gelaumlnde rings um das Gebaumlude zu inspizieren

Die Waffe in der Hand wartete Malone kampfbereit abDoch der Wagen beschleunigte wieder und fuhr bergauf

weiterMalone sah das schwarze Band eines weiteren schmalen

Straumlszligchens das durch den Wald zur Seilbahnstation hinunter-fuumlhrte

Er eilte darauf zuHoch oben stand die Gondel noch immer still In der Kabine

lag eine bewusstlose Frau in einem blauen Mantel Ein toterMann der einen roten Mantel trug lag irgendwo im Schnee

Beides ging ihn nichts anUnd was war dann sein ProblemNun die Frage wer uumlber Stephanie Nelles und seine Ange-

legenheiten Bescheid wusste

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Atlanta Georgia0745 Uhr

Stephanie Nelle sah auf die Uhr Sie hatte seit kurz vor siebenin ihrem Buumlro gearbeitet und war Berichte ihrer Agentendurchgegangen Von ihren zwoumllf juristisch geschulten Agentenwaren derzeit acht im Einsatz Zwei hielten sich in Belgien aufals Teil eines internationalen Teams das mit der Uumlberfuumlhrungvon Kriegsverbrechern betraut war Zwei weitere waren gerademit einer Mission die heikel werden konnte in Saudi-Arabieneingetroffen Die restlichen vier waren an verschiedenen OrtenEuropas und Asiens im Einsatz

Eine ihrer Agentinnen befand sich jedoch im UrlaubIn DeutschlandDas Magellan Billet beschraumlnkte sich absichtlich auf wenige

Mitarbeiter Neben dem einen Dutzend Juristen-Agenten be-schaumlftigte die Einheit fuumlnf Verwaltungsassistenten und drei Be-rater Stephanie hatte darauf bestanden dass ihre Mannschaftklein blieb Je weniger Augen und Ohren desto weniger un-dichte Stellen und in den vierzehn Jahren der Existenz des Bil-lets war es nie gefaumlhrdet worden

Sie wandte sich von ihrem Computer ab und schob ihrenStuhl zuruumlck

Ihr Buumlro war schlicht und funktional eingerichtet Nichts fielaus dem Rahmen ndash das waumlre nicht ihr Stil gewesen Sie warhungrig da sie zu Hause nach dem Aufwachen vor zwei Stun-den das Fruumlhstuumlck uumlbergangen hatte Anscheinend verschwen-dete sie immer weniger Gedanken auf das Essen Zum Teilwohl weil sie allein lebte und zum Teil auch weil sie nicht

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gerne kochte Sie beschloss sich einen Happen in der Cafeteriazu besorgen Natuumlrlich war das Kantinenfraszlig aber ihr knur-render Magen wollte gefuumlllt werden Vielleicht wuumlrde sie sichzu Mittag ein Essen auszligerhalb des Buumlros goumlnnen ndash gegrilltenFisch oder etwas Aumlhnliches

Sie verlieszlig ihren gesicherten Buumlrotrakt und ging zum LiftDer vierte Stock des Gebaumludes beherbergte das Innenminis-terium und auszligerdem eine Abteilung des Gesundheitsminis-teriums Das Magellan Billet lag hier absichtlich versteckt ndashJUSTIZMINISTERIUM JURISTISCHE TASK FORCE standin unauffaumllligen Buchstaben an der Tuumlr ndash und ihr gefiel dieAnonymitaumlt

Der Lift kam an Als die Tuumlr aufging trat ein hochgewach-sener schlaksiger Mann mit schuumltterem grauem Haar undruhigen blauen Augen heraus

Edwin DavisEr laumlchelte sie kurz an raquoStephanie Genau zu Ihnen wollte

ichlaquoSie war sofort auf der Hut Einer der stellvertretenden Nati-

onalen Sicherheitsberater des Praumlsidenten Bei ihr in GeorgiaUnangekuumlndigt Das konnte nichts Gutes bedeuten

raquoUnd es ist erfrischend Sie einmal nicht in einer Gefaumlngnis-zelle anzutreffenlaquo sagte Davis

Sie erinnerte sich an das letzte Mal als Davis ploumltzlich auf-getaucht war

raquoWo wollten Sie denn hinlaquo fragte erraquoIn die CafeterialaquoraquoWas dagegen dass ich mitkommelaquoraquoHabe ich die WahllaquoEr laumlchelte raquoSo schlimm ist es nichtlaquoSie fuhren zum ersten Stock hinunter und fanden einen

Tisch Sie trank Orangensaft waumlhrend Davis eine Flasche Was-ser leerte Der Appetit war ihr vergangen

raquoMoumlchten Sie mir sagen warum Sie vor fuumlnf Tagen auf den

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Untersuchungsbericht zum Untergang der USS Blazek zuge-griffen habenlaquo

Sie verbarg ihre Uumlberraschung raquoEs war mir nicht bewusstdass ich damit das Weiszlige Haus involvieren wuumlrdelaquo

raquoDie Akte ist geheimlaquoraquoIch habe kein Gesetz gebrochenlaquoraquoSie haben sie nach Deutschland geschickt An Cotton

Malone Ist Ihnen eigentlich klar was Sie damit in Gang ge-setzt habenlaquo

Jetzt schrillten bei ihr alle Alarmglocken raquoIhr Informations-netzwerk ist gutlaquo

raquoDas sichert unser aller UumlberlebenlaquoraquoCotton hat eine hohe SicherheitseinstufunglaquoraquoHatte Er ist pensioniertlaquoJetzt war sie erregt raquoDas hat Sie nicht weiter gestoumlrt als Sie

ihn letzthin in all diese Probleme in Zentralasien mit hinein-gezerrt haben Und das war bestimmt auch streng geheim Eshat auch den Praumlsidenten nicht daran gehindert Cotton zuinvolvieren als es um den Orden vom Goldenen Vlies ginglaquo

Davisrsquo glattes Gesicht legte sich in Sorgenfalten raquoSie wissennicht was vor weniger als einer Stunde auf der Zugspitze vor-gefallen ist oderlaquo

Sie schuumlttelte den KopfEr stuumlrzte sich in einen umfassenden Bericht und erzaumlhlte

dass ein Mann aus einer Seilbahngondel gestuumlrzt war waumlhrendein anderer Mann aus derselben Gondel gesprungen und eineder Stahlstuumltzen hinuntergeklettert war und dass man eine be-wusstlose Frau und ein durchschossenes Fenster vorgefundenhatte als die Gondel endlich nach unten gebracht worden war

raquoWer von den beiden Maumlnnern ist wohl Cottonlaquo fragteDavis

raquoIch hoffe derjenige der entkommen istlaquoEr nickte raquoSie haben die Leiche gefunden Es war nicht

Malonelaquo

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raquoWoher wissen Sie das alleslaquoraquoIch habe das Gebiet uumlberwachen lassenlaquoIhre Neugier war geweckt raquoWarum denn daslaquoDavis leerte sein Wasser raquoIch habe es immer merkwuumlrdig

gefunden dass Malone das Billet so abrupt verlassen hat ZwoumllfJahre war er dabei und dann ist er einfach so mir nichts dirnichts komplett ausgestiegenlaquo

raquoDass in Mexico City damals sieben Menschen ums Lebengekommen sind hat ihn sehr mitgenommen Und es warschlieszliglich Ihr Chef der Praumlsident der ihn persoumlnlich hat ge-hen lassen Eine Revanche fuumlr einen geleisteten Gefallen wieich es erinnerelaquo

Davis schien in Gedanken versunken raquoDas ist die Waumlhrungder Politik Die Leute denken dass Geld das System am Lau-fen haumlltlaquo Er schuumlttelte den Kopf raquoEs sind die GefaumllligkeitenMan tut jemandem einen Gefallen und hat Anspruch aufRevanchelaquo

Sie bemerkte einen sonderbaren Unterton raquoIch habe michbei Malone fuumlr einen Gefallen revanchiert als ich ihm die Aktegab Er will uumlber seinen Vater Bescheid wissen helliplaquo

raquoDazu hatten Sie kein RechtlaquoIhre Erregung machte Veraumlrgerung Platz raquoDas sehe ich an-

derslaquoSie leerte ihren Orangensaft und versuchte die zahllosen

verstoumlrenden Gedanken abzuwehren die ihr durch den Kopfschwirrten

raquoDie Sache liegt inzwischen achtunddreiszligig Jahre zuruumlcklaquoerklaumlrte sie

Davis griff in seine Anzugtasche und legte einen USB-Stickvor ihr auf den Tisch raquoHaben Sie die Akte gelesenlaquo

Sie schuumlttelte den Kopf raquoIch habe sie nicht angeruumlhrt Ichhabe einen meiner Agenten damit beauftragt eine Kopie aus-zudrucken und diese Malone zu uumlberbringenlaquo

Er zeigte auf den USB-Stick raquoSie muumlssen das hier lesenlaquo

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Feststellungen der Untersuchungskommissionzur USS Blazek

Nachdem noch immer keinerlei Spuren der USS Blazek gefun-den worden sind konzentrierte die Kommission sich bei ihremerneuten Zusammentreten im Dezember 1971 auf das Auf-zeigen von Optionen statt auf die Ursachenforschung ImBewusstsein fehlender physischer Beweisstuumlcke wurde daraufgeachtet die Suche nach der wahrscheinlichsten Ursache desUngluumlcks nicht von vorgefassten Meinungen beeinflussen zulassen Erschwert wurde die Aufgabe durch die hohe Geheim-haltungsstufe und es wurde streng darauf geachtet die Ver-traulichkeit bezuumlglich des Unterseeboots und seiner Mission zuwahren Nach Untersuchung aller bekannten Tatsachen undUmstaumlnde im Zusammenhang mit dem Verlust der Blazek haumlltdie Kommission Folgendes fest

Feststellung der Tatsachen

1 USS Blazek ist ein fiktiver Name Das tatsaumlchlich von dieserUntersuchung betroffene Unterseeboot ist die im Mai 1969 inAuftrag gegebene NR-1A Das Boot wurde im Rahmen einesgeheimen Programms zur Entwicklung technisch fortgeschrit-tener Unterwasserkapazitaumlten als eines von zwei Untersee-booten gebaut Weder die NR-1 noch die NR-1A haben einenoffiziellen Namen doch aufgrund der Tragoumldie und der unver-meidlichen oumlffentlichen Aufmerksamkeit wurde ein fiktiverName vergeben Offiziell bleibt das Boot allerdings die NR-1AZum Zwecke der oumlffentlichen Diskussion wird die USS Blazek

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als ein technisch fortgeschrittenes U-Boot beschrieben das imNordatlantik fuumlr unterseeische Bergungsaktionen getestet wur-de

2 Die NR-1A war auf eine Tauchtiefe von tausend Meternausgelegt Wartungsberichte erwaumlhnen eine Vielzahl techni-scher Probleme waumlhrend des zweijaumlhrigen EinsatzzeitraumsDiese wurden nicht als Versagen der Konstrukteure betrachtetsondern als Herausforderungen eines radikalen Entwurfs derdie Grenzen der U-Boot-Technik auslotet Die NR-1 hat mitaumlhnlichen Betriebsproblemen zu kaumlmpfen was die vorliegendeUntersuchung umso dringlicher macht da dieses Fahrzeug imEinsatz bleibt und etwaige Fehler identifiziert und korrigiertwerden muumlssen

3 Der Miniaturreaktor wurde ausschlieszliglich fuumlr die beidenBoote der NR-Klasse gebaut Obwohl der revolutionaumlre Reak-tor auch problematisch ist gibt es am Ungluumlcksort keinenHinweis auf den Austritt von Radioaktivitaumlt was darauf hin-zudeuten scheint dass das Ungluumlck nicht durch ein katastro-phales Reaktorversagen ausgeloumlst wurde Natuumlrlich schlieszligteine solche Feststellung die Moumlglichkeit eines Versagens derElektrik nicht aus Beide Boote der NR-Klasse berichteten wie-derholt von Problemen mit den Batterien

4 Elf Mann befanden sich zum Zeitpunkt des Untergangs anBord der NR-1A Oberkommando Kommandant ForrestMalone Erster Offizier Kapitaumlnleutnant Beck Stvan Navi-gation Kapitaumlnleutnant Tim Morris Funk E-Maat TomFlanders Reaktorsteuerung E-Maat Gordon Jackson Reak-torbetrieb E-Maat George Turner Bordelektronik Elektro-nik-Maat Jeff Johnson Bordkommunikation Zentrale-MaatMichael Fender Sonar und Verpflegungsdienst Maschinisten-Maat Mikey Blount Mechanische Abteilung Zentrale-Maat

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Bill Jenkins Reaktorlabor Maschinisten-Maat Doug VaughtAuszligenspezialist Dietz Oberhauser

5 Der NR-1A zugeschriebene akustische Signale wurden vonHorchstationen in Argentinien und Suumldafrika aufgefangen Diejeweiligen akustischen Signale und Stationen sind auf den fol-genden Seiten unter dem Titel raquoTabelle der faktischen akus-tischen Ereignisselaquo aufgelistet Die Nummer des akustischenEreignisses wurde von Experten als Ergebnis einer Energiefrei-setzung bestimmt die viele tiefe Frequenzen und keine erkenn-bare harmonische Struktur aufweist Kein Experte konnte fest-stellen ob es sich bei dem Ereignis um eine Explosion oder eineImplosion handelte

6 Die NR-1A operierte unter dem antarktischen PackeisKurs und Fahrtziel waren dem Flottenkommando nicht be-kannt da die Mission streng geheim war Zum Zweck der vor-liegenden Untersuchung wurden der Kommission die letztenbekannten Koordinaten der NR-1A als 73 degS 15 degW ungefaumlhr150 Meilen noumlrdlich des Norvegia-Kaps mitgeteilt Der Auf-enthalt in derart truumlgerischen und nicht kartierten Gewaumlssernhat die Entdeckung physischer Beweisstuumlcke erschwert Bisherwurden keine Uumlberreste des Unterseeboots gefunden Hinzukommt dass die akustische Unterwasseruumlberwachung in derAntarktis minimal ist

7 Eine Untersuchung der NR-1 mit dem Zweck im Schwes-terschiff etwaige technische Schwachstellen aufzuspuumlrenzeigte dass die negativen Batteriepole mit Quecksilber be-schichtet worden waren um ihre Lebenszeit zu verlaumlngernDer Gebrauch von Quecksilber ist in Unterseebooten verbotenEs ist unklar warum diese Regel im Falle der NR-Klasse auszligerAcht gelassen wurde Sollten Batterien an Bord der NR-1AFeuer gefangen haben was den Reparaturlogbuumlchern zufolge

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sowohl auf der NR-1 als auch auf der NR-1A mehrfach vorge-kommen ist duumlrften die entstandenen Quecksilberdaumlmpfe sichals toumldlich erwiesen haben Natuumlrlich gibt es keinerlei Beweisefuumlr ein Feuer oder Batterieversagen

8 Die USS Holden wurde unter dem Kommando von Kapi-taumlnleutnant Zachary Alexander am 23 November 1971 zurletzten bekannten Position der NR-1A geschickt Laut demBericht eines spezialisierten Erkundungsteams wurden keineSpuren der NR-1A gefunden Ausgedehnte Sonarmessungenerbrachten kein Ergebnis Radioaktive Strahlung wurde nichtentdeckt Eine groszlig angelegte Such- und Rettungsoperationhaumltte moumlglicherweise ein anderes Ergebnis gezeitigt doch dieMannschaft der NR-1A hat vor ihrem Aufbruch eine Opera-tionsanweisung unterschrieben in der sie sich damit einver-standen erklaumlrte dass im Falle einer Katastrophe eine Sucheund Rettung unterbleiben wuumlrde Die Genehmigung fuumlr diesenungewoumlhnlichen Vorgang kam unmittelbar vom Oberkomman-do der Navy Der Geheimbefehl liegt der Kommission vor

Einschaumltzung der KommissionAuch wenn die NR-1A nicht gefunden wurde verringert das inAnbetracht der Tatsache dass die NR-1 noch immer im Ein-satz ist nicht die Verpflichtung alle zu korrigierenden Prakti-ken Gegebenheiten und Unzulaumlnglichkeiten zu identifizierenund zu korrigieren Nach sorgfaumlltigem Abwaumlgen der begrenz-ten Hinweise kommt die Kommission zu dem Schluss dasssich die genaue Ursache oder die Ursachen fuumlr den Verlust derNR-1A nicht bestimmen lassen Offensichtlich hat sich ein fol-genschwerer Unfall ereignet doch die isolierte Lage des Unter-seeboots das Nichtauffinden des Wracks fehlende Funkverbin-dungen und die Abwesenheit eines Versorgungsschiffs machenjedes Urteil der Kommission zum Ablauf des Unfalls zur reinenSpekulation

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EmpfehlungenAls Teil der fortdauernden Bemuumlhungen zusaumltzliche Informa-tionen uumlber die Ursache der Tragoumldie zu erlangen und eine ver-gleichbare Havarie der NR-1 zu verhindern soll sobald prak-tisch durchfuumlhrbar eine weitere technische Untersuchung derNR-1 mit Hilfe der neuesten Untersuchungsmethoden vorge-nommen werden Zweck einer solchen Untersuchung waumlre dasFeststellen moumlglicher Schadensmechanismen die Evaluationihrer sekundaumlren Effekte das Ermitteln von derzeit nicht ver-fuumlgbaren Daten zur technischen Verbesserung und wenn moumlg-lich die Feststellung der Ursache des Ungluumlcks der NR-1A

Malone saszlig in seinem Zimmer im Posthotel Durch die Fensterim ersten Stock sah man jenseits von Garmisch das Wetter-steingebirge und die hoch aufragende Zugspitze doch alleinder Anblick dieses fernen Gipfels erinnerte ihn nur allzu deut-lich an das was zwei Stunden zuvor geschehen war

Er hatte den Bericht gelesen Zwei MalDie Bestimmungen der Navy sahen vor dass unmittelbar

nach einem Schiffsungluumlck eine Untersuchungskommission ausAdmiralen einberufen wurde die die Aufgabe hatte die Wahr-heit herauszufinden

Doch diese Untersuchung war eine Farce gewesenSein Vater hatte sich auf keiner Mission im Nordatlantik be-

funden Und die USS Blazek existierte nicht einmal Stattdessenwar sein Vater an Bord eines streng geheimen U-Boots in derAntarktis unterwegs gewesen und hatte weiszlig Gott was getan

Malone erinnerte sich an das NachspielSchiffe hatten den Nordatlantik abgesucht doch es waren

keine Wrackteile gefunden worden In den Nachrichtensendun-gen hatte es geheiszligen die Blazek ein atomgetriebenes U-Bootdas fuumlr Bergungsarbeiten in der Tiefsee getestet wurde seiimplodiert Malone erinnerte sich was der Mann in Uniform ndashkein Vizeadmiral der U-Boot-Flotte der wie Malone spaumlter

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erfuhr der Frau eines Kommandanten normalerweise dieNachricht vom Tod ihres Mannes uumlberbracht haumltte sondernein Captain aus dem Pentagon ndash seiner Mutter gesagt hatteraquoSie waren im Nordatlantik in vierhundert Meter Tiefelaquo

Entweder hatte der Mann gelogen oder die Navy hatte ihnbelogen Kein Wunder dass der Bericht geheim gehalten wor-den war

Amerikanische Atom-U-Boote sanken nur selten Seit 1945war das erst drei Mal vorgekommen Die Thresher war auf-grund des Bruchs einer Rohrleitung gesunken Die Scorpiondurch eine ungeklaumlrte Explosion Und die Blazek aus unbe-kanntem Grund Oder genauer gesagt die NR-1A aus unbe-kanntem Grund

In jedem einzelnen der Presseartikel die er im Sommer einzweites Mal mit Gary gelesen hatte war vom Nordatlantik dieRede gewesen Dass kein Wrack gefunden wurde erklaumlrte manmit der Wassertiefe und dem von tiefen Schluchten durchzoge-nen Meeresgrund Malone hatte da schon immer seine Zweifelgehabt In groszliger Tiefe waumlre der Rumpf geborsten und dasU-Boot vollgelaufen so dass irgendwann Wrackteile an dieOberflaumlche haumltten aufsteigen muumlssen Die Navy hatte auch dieMeere nach Geraumluschen abgehorcht Die Untersuchungskom-mission stellte fest dass akustische Signale aufgefangen wor-den waren aber diese Geraumlusche erklaumlrten praktisch nichtsund in diesem Teil der Welt wurde zu wenig gehorcht als dasses von Belang gewesen waumlre

VerdammtEr hatte in der Navy gedient war freiwillig eingetreten hatte

einen Eid abgelegt und ihn gehaltenDie Navy dagegen nichtAls irgendwo in der Antarktis ein U-Boot gesunken war

hatte keine Flottille von Schiffen das Gebiet abgesucht und denMeeresgrund mit Sonar abgetastet Fuumlr die Beurteilung derUrsache hatte man nicht Ordner voller Zeugenberichte Kar-

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ten Zeichnungen Briefe Fotos oder Operationsanweisungengesammelt Man hatte nur ein einziges jaumlmmerliches Schiff los-geschickt ihm drei Tage Zeit fuumlr die Untersuchung eingeraumlumtund einen nichtssagenden vierseitigen Bericht verfasst

In der Ferne laumluteten GlockenEr haumltte am liebsten mit der Faust die Wand durchschlagen

Aber was haumltte das genuumltztStattdessen griff er nach seinem Handy

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Captain Sterling Wilkerson von der US Navy blickte durch dievereiste Fensterscheibe auf das Posthotel Er saszlig diskret aufder gegenuumlberliegenden Straszligenseite in einem gut besuchtenMcDonaldrsquos Drauszligen gingen Passanten vorbei alle warengegen die Kaumllte und den bestaumlndig fallenden Schnee einge-mummelt

Garmisch war ein Gewirr verstopfter Straszligen und Fuszliggaumln-gerzonen Der ganze Ort kam ihm vor wie eine dieser Spiel-zeugstaumldte im Spielzeugladen mit bunt bemalten in weiszligerWatte halb verborgenen Alpenhaumluschen die dick mit Plastik-schneeflocken bestreut waren Die Touristen kamen sicherlichwegen der Atmosphaumlre und der nahegelegenen Skihaumlnge Erwar wegen Cotton Malone gekommen und hatte vorhin zuge-sehen wie der Exagent des Magellan Billet inzwischen Buch-haumlndler in Kopenhagen einen Mann getoumltet hatte und dannaus einer Seilbahngondel gesprungen auf den Erdboden geklet-tert und in seinem Mietwagen gefluumlchtet war Wilkerson warihm gefolgt und als Malone direkt zum Posthotel gefahrenund drinnen verschwunden war hatte er auf der Straszligenseitegegenuumlber Stellung bezogen und sich beim Warten ein Bier ge-nehmigt

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Er wusste alles uumlber Cotton MaloneDieser stammte aus Georgia und war achtundvierzig Jahre

alt Ehemaliger Marineoffizier In Georgetown hatte er einJurastudium abgeschlossen Anschlieszligend hatte er im JudgeAdvocate Generalrsquos Corps gedient und war Agent des Justiz-ministeriums gewesen Vor zwei Jahren war Malone in eineSchieszligerei in Mexico City verwickelt und zum vierten Mal beider Ausuumlbung seiner Pflichten verwundet worden womit of-fensichtlich das Maszlig voll gewesen war denn er hatte beschlos-sen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden was der Praumlsidentpersoumlnlich genehmigt hatte Malone hatte dann sein Offiziers-patent zuruumlckgegeben und war nach Kopenhagen gezogen woer ein Buchantiquariat eroumlffnet hatte

All das konnte Wilkerson verstehenZwei Dinge aber verwirrten ihnZum einen der Name Cotton In der Akte war Malones amt-

licher Name als Harold Earl festgehalten Der ungewoumlhnlicheSpitzname war nirgends erklaumlrt

Und zum anderen fragte er sich wie wichtig Malones Vaterwar Oder genauer gesagt die Erinnerung an ihn Der Mannwar vor achtunddreiszligig Jahren gestorben

War das immer noch von BedeutungAnscheinend ja da Malone einen Menschen getoumltet hatte

um die Unterlagen zu schuumltzen die Stephanie ihm geschickthatte

Wilkerson trank sein BierDrauszligen fuhr ein Windstoszlig vorbei und wirbelte die tanzen-

den Schneeflocken noch heftiger auf Ein bunter Schlittentauchte auf der von zwei taumlnzelnden Pferden gezogen wurdeDie Fahrgaumlste waren in karierte Decken gehuumlllt und der Kut-scher hielt die Zuumlgel fest in der Hand

Wilkerson verstand einen Mann wie Cotton MaloneEr selbst war ihm ganz aumlhnlichEinunddreiszligig Jahre hatte er in der Navy gedient Nur we-

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nige stiegen zum Kapitaumln auf und noch weniger brachten eszur Admiralswuumlrde Elf Jahre lang hatte er fuumlr den Nachrich-tendienst der Navy gearbeitet davon die letzten sechs Jahre inUumlbersee wo er in Berlin zum Buumlrochef aufgestiegen war SeinePersonalakte strotzte von erfolgreich erledigten schwierigenAuftraumlgen Gewiss er war niemals in dreihundert Meter Houmlheaus der Gondel einer Seilbahn gesprungen aber auch er hatteGefahren in die Augen geblickt

Er sah auf die Uhr 1620 UhrDas Leben war gutDie Scheidung von seiner zweiten Frau im letzten Jahr war

nicht teuer gewesen Tatsaumlchlich war seine Ex ohne viel Thea-ter gegangen Danach hatte er zehn Kilo abgenommen und seinblondes Haar kastanienbraun gefaumlrbt so dass er jetzt zehnJahre juumlnger als seine dreiundfuumlnfzig aussah Dank eines fran-zoumlsischen Schoumlnheitschirurgen der die Faumlltchen um seine Au-gen geliftet hatte wirkte sein Blick jetzt lebhafter Ein weitererSpezialist sorgte dafuumlr dass er keine Brille mehr tragen musstewaumlhrend ein Freund der Ernaumlhrungsberater war ihn lehrtewie man durch vegetarische Kost seine Vitalitaumlt steigerte SeineCharakternase die straffen Wangen und die scharfen Gesichts-zuumlge wuumlrden lauter Truumlmpfe sein wenn er schlieszliglich in denAdmiralsrang aufstieg

AdmiralDas war das ZielZwei Mal war er uumlbergangen worden Mehr Chancen bot

die Navy einem normalerweise nicht Doch Langford Ramseyhatte ihm eine dritte Chance versprochen

Sein Handy vibrierteraquoInzwischen hat Malone die Unterlagen gelesenlaquo sagte eine

StimmeraquoJedes einzelne Wort da bin ich mir sicherlaquoraquoBringen Sie ihn in BewegunglaquoraquoMaumlnner wie ihn kann man nicht antreibenlaquo gab er zuruumlck

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raquoAber man kann sie lenkenlaquoraquoDas alles hat doch schon zwoumllfhundert Jahre gewartet bis

es gefunden wurdelaquo Dies musste er einfach sagenraquoDann lassen Sie es jetzt nicht noch laumlnger wartenlaquo

Stephanie saszlig an ihrem Schreibtisch und beendete die Lektuumlredes Berichts der Untersuchungskommission raquoDie ganze Sacheist gefaumllschtlaquo

Davis nickte raquoDieses U-Boot war uumlberhaupt nicht im Nord-atlantiklaquo

raquoWelchen Sinn hatte das dennlaquoraquoRickover hat zwei NR-Boote bauen lassen Die waren sein

Lebenswerk Er hat auf dem Houmlhepunkt des Kalten Krieges einVermoumlgen fuumlr sie aufgewendet und keiner hat auch nur eineSekunde lang gezoumlgert zweihundert Millionen Dollar auszuge-ben um die Sowjets abzuhaumlngen Aber er hat an allen Eckenund Enden gespart Sicherheit war nicht die Hauptsorge esging um Ergebnisse Zum Teufel es wusste ja kaum jemandauch nur dass diese U-Boote existierten Aber der Untergangder NR-1A warf auf vielen Ebenen Probleme auf Das U-Bootselbst Die Mission Viele peinliche Fragen Also versteckte sichdie Navy hinter dem nationalen Sicherheitsinteresse und er-fand eine Deckgeschichtelaquo

raquoEs wurde nur ein einziges Schiff losgeschickt um nachUumlberlebenden Ausschau zu haltenlaquo

Davis nickte raquoIch stimme Ihnen zu Stephanie Malone hatdas Recht das hier zu lesen Die Frage ist aber ob er es auchwirklich tun solltelaquo

Ihre Antwort kam ohne jedes Zoumlgern raquoUnbedingtlaquo Sie er-innerte sich an ihren eigenen Schmerz wegen der ungeloumlstenFragen uumlber den Selbstmord ihres Mannes und den Tod ihresSohnes Malone hatte ihr geholfen diese quaumllenden Fragen zuklaumlren und genau das war der Grund warum sie ihm etwasschuldig gewesen war

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Ihr Schreibtischtelefon summte Einer ihrer Mitarbeitersagte dass Cotton Malone am Apparat sei und mit ihr zu spre-chen wuumlnsche

Sie und Davis wechselten einen erstaunten BlickraquoSchauen Sie mich nicht anlaquo sagte Davis raquoNicht ich habe

ihm diese Unterlagen gegebenlaquoSie nahm den Houmlrer ab Davis zeigte auf eine Lautsprecher-

box Das gefiel ihr zwar nicht doch sie aktivierte das Geraumlt sodass er mithoumlren konnte

raquoStephanie lass mich einfach sagen dass ich im Momentnicht in der Stimmung fuumlr irgendeinen Scheiszlig binlaquo

raquoEbenfalls hallolaquoraquoHast du das Dokument gelesen bevor du es mir geschickt

hastlaquoraquoNeinlaquo Das war die WahrheitraquoWir sind jetzt schon lange befreundet Ich weiszlig zu schaumlt-

zen dass du das fuumlr mich getan hast Aber ich brauche nochetwas anderes und ich will keine Fragen houmlrenlaquo

raquoIch dachte wir waumlren quittlaquo versuchte sie esraquoSetz es auf meine RechnunglaquoSie wusste schon was er wollteraquoEs geht um ein Schiff der Navylaquo sagte er raquoDie Holden Im

November 1971 wurde sie in die Antarktis geschickt Ichmoumlchte wissen ob der Kapitaumln noch lebt ndash es handelt sich umeinen Mann namens Zachary Alexander Falls ja wo ist erjetzt Und falls nein lebt dann noch irgendeiner seiner Offi-zierelaquo

raquoDu wirst mir wohl nicht sagen warumlaquoraquoHast du das Dokument inzwischen gelesenlaquo fragte erraquoWarum fragst dulaquoraquoDu hast es gelesen das houmlre ich deiner Stimme an Dir ist

also klar warum ich es wissen willlaquoraquoIch habe vor kurzem das mit der Zugspitze erfahren Da

habe ich beschlossen das Dokument zu lesenlaquo

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raquoHattest du Leute da Am BodenlaquoraquoNicht meine eigenenlaquoraquoWenn du den Bericht gelesen hast weiszligt du dass die

Schweine gelogen haben Sie haben dieses U-Boot einfach dadrauszligen gelassen Vielleicht haben mein Vater und die anderenzehn Maumlnner dort auf dem Meeresgrund gelegen und daraufgewartet dass sie gerettet werden Aber es ist nie jemand ge-kommen Ich moumlchte wissen warum die Navy das gemachthatlaquo

Er war eindeutig wuumltend Sie selbst auchraquoIch moumlchte mit einem oder mehreren dieser Offiziere von

der Holden sprechenlaquo sagte er raquoSuche sie fuumlr michlaquoraquoKommst du herlaquoraquoSobald du sie gefunden hastlaquoDavis signalisierte mit einem Nicken seine ZustimmungraquoOkay Ich finde heraus wo sie sich aufhaltenlaquoSie hatte diese Farce satt Edwin Davis war ja nicht grundlos

hier Malone war offensichtlich manipuliert worden Und sieselbst uumlbrigens ebenfalls

raquoDa ist noch etwaslaquo sagte er raquowo du schon uumlber den Vor-fall in der Seilbahn Bescheid weiszligt Die Frau die da war ndash ichhabe ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt aber ich muss siefinden Wurde sie in Haft genommen Oder hat man sie laufenlassen Was ist mit ihrlaquo

Sie rufen ihn zuruumlck fluumlsterte Davis lautlos mit deutlichenLippenbewegungen

Genug Malone war ihr Freund Er hatte ihr zur Seite gestan-den als sie ihn wirklich gebraucht hatte und so war es jetzt ander Zeit ihm zu sagen was ablief ndash Edwin Davis hin oder her

raquoSchon gutlaquo sagte Malone ploumltzlichraquoWas meinst dulaquoraquoIch habe sie gerade gefundenlaquo

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7

Garmisch

Malone stand am Fenster im ersten Stock und sah auf die ge-schaumlftige Straszlige hinunter Panya die Frau aus der Seilbahnging ganz gelassen auf einen verschneiten Parkplatz vor einemMcDonaldrsquos zu Das Schnellrestaurant lag halb verborgen ineinem Gebaumlude im bayrischen Stil und nur das Zeichen mitden goldgelben Boumlgen und ein paar Fensterdekorationen kuumln-deten diskret von seiner Anwesenheit

Er lieszlig den Spitzenvorhang zufallen Was tat diese Frau hierWar sie vielleicht geflohen Oder hatte die Polizei sie einfachgehen lassen

Hastig griff er nach seiner Lederjacke und den Handschuhenund steckte die Pistole die er ihr abgenommen hatte in eineseiner Jackentaschen Sich vorsichtig aber nach auszligen hin laumls-sig bewegend verlieszlig er das Hotelzimmer und ging ins Erd-geschoss hinunter

Drauszligen war die Luft so eisig wie im Inneren einer Gefrier-truhe Sein Mietwagen parkte ein paar Schritte neben der TuumlrAuf der anderen Straszligenseite sah er dass der dunkle Peugeotauf den die Frau zugegangen war gerade mit gesetztem rech-tem Blinker aus dem Parkplatz ausscheren wollte

Er sprang in seinen Wagen und folgte dem Wagen

Wilkerson schuumlttete den Rest von seinem Bier runter Er hattegesehen wie sich in dem Fenster im zweiten Stock die Vor-haumlnge geteilt hatten als die Frau aus der Seilbahn vor demRestaurant vorbeigeschlendert war

Timing war wirklich alles

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Er hatte geglaubt Malone koumlnne man nicht lenkenDoch da hatte er sich wohl geirrt

Stephanie war sauer raquoIch mach da nicht mitlaquo erklaumlrte sieEdwin Davis raquoIch rufe Cotton zuruumlck Sie koumlnnen mich ruhigfeuern das ist mir scheiszligegallaquo

raquoIch bin nicht in offizieller Eigenschaft hierlaquoSie sah ihn misstrauisch an raquoDer Praumlsident weiszlig nicht Be-

scheidlaquoDavis schuumlttelte den Kopf raquoDas hier ist persoumlnlichlaquoraquoDann muumlssen Sie mir sagen warumlaquoSie hatte bisher erst ein einziges Mal unmittelbar mit Davis

zu tun gehabt und da war er nicht sehr entgegenkommendgewesen und hatte sogar ihr Leben in Gefahr gebracht Docham Ende hatte sie begriffen dass dieser Mann kein Dummkopfwar Er hatte zwei Doktortitel ndash einen in Amerikanischer Ge-schichte den anderen in Internationalen Beziehungen ndash und be-saszlig auszligerdem ein hervorragendes Organisationstalent Er warimmer houmlflich Volksnah Darin aumlhnelte er Praumlsident DanielsSie hatte gesehen dass die Leute dazu neigten Davis zu unter-schaumltzen und das war auch ihr selbst schon passiert DreiStaatssekretaumlre hatten mit seiner Hilfe ihre chaotischen Abtei-lungen auf Trab gebracht Inzwischen arbeitete er fuumlr dasWeiszlige Haus und half der Regierung durch die letzten dreiJahre ihrer zweiten Amtszeit

Und doch brach dieser Karrierebuumlrokrat nun offen dieRegeln

raquoIch dachte ich waumlre hier das einzige schwarze Schaflaquosagte sie

raquoSie haumltten Malone dieses Dokument nicht zukommen las-sen duumlrfen Aber nachdem ich davon erfahren hatte habe ichmir gesagt dass ich durchaus Hilfe gebrauchen kannlaquo

raquoWozulaquoraquoIch schulde jemandem etwaslaquo

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raquoUnd jetzt sind Sie in der Position Ihre Schulden zu be-gleichen Mit Ihrem Ruumlckhalt im Weiszligen Hauslaquo

raquoSo ungefaumlhrlaquoSie seufzte raquoWas wollen Sie von mirlaquoraquoMalone hat recht Wir muumlssen uns mit der Holden und

ihren Offizieren befassen Falls einige von ihnen noch lebenmuumlssen wir sie findenlaquo

Malone folgte dem Peugeot Zu beiden Seiten der Landstraszligeragten von Schnee gestreifte saumlgezahnfoumlrmige Berge auf Esging in noumlrdlicher Richtung auf einer ansteigenden kurvenrei-chen Straszlige aus Garmisch hinaus Hohe Baumlume mit schwarzenStaumlmmen saumlumten die Straszlige und bildeten eine malerischeSzenerie die einer Beschreibung im Baedeker wuumlrdig gewesenwaumlre So weit im Norden brach im Winter die Dunkelheit fruumlhherein ndash es war noch nicht einmal fuumlnf Uhr und das Tageslichtwar schon halb verschwunden

Er nahm die Landkarte vom Beifahrersitz und stellte festdass vor ihnen ein Tal durchs Ammergebirge fuumlhrte das sicham Fuszlig des uumlber eintausendsechshundert Meter hohen EttalerMandl kilometerweit hinzog In der Naumlhe des Ettaler Mandlwar auf der Karte ein Dorf verzeichnet und mit gedrosselterGeschwindigkeit fuhren sowohl er selbst als auch der Peugeotdort hinein

Malone beobachtete wie die Verfolgte unvermittelt auf einenParkplatz vor einem groszligen weiszligen Gebaumlude einbog einemzweigeschossigen symmetrischen und mit Rundbogenfensternversehenen Bauwerk In seiner Mitte ragte eine hohe Kuppelauf die links und rechts von zwei kleineren Tuumlrmen flankiertwurde Das Dach war mit schwarzem Kupfer gedeckt und dasganze Gebaumlude war mit Scheinwerfern angestrahlt

Auf einem Bronzeschild stand KLOSTER ETTALDie Frau stieg aus und verschwand unter dem Rundbogen

eines Portals

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Malone parkte und folgte ihrDie Luft war merklich kaumllter als in Garmisch was an der

groumlszligeren Houmlhe lag Er haumltte einen waumlrmeren Mantel mitneh-men sollen aber er hasste Maumlntel Das stereotype Bild desSpions im Trenchcoat war laumlcherlich Die Dinger schraumlnktendie Bewegungsfreiheit ein Er steckte die behandschuhten Haumln-de in seine Jackentaschen und legte die rechte Hand um diePistole Der Schnee knirschte unter seinen Fuumlszligen als er uumlbereinen betonierten Durchgang in einen Hof trat der Fuszligball-feldgroumlszlige hatte und von weiteren barocken Gebaumluden um-schlossen war Die Frau eilte uumlber einen ansteigenden Weg aufein Kirchenportal zu

Menschen gingen dort ein und ausEr versuchte sie im Laufschritt einzuholen und rannte

durch eine Stille die nur vom Geraumlusch seiner auf das vereistePflaster treffenden Schuhsohlen und dem Ruf eines Kuckucksin der Ferne durchbrochen wurde

Durch ein barockes Portal dessen Giebelfeld mit biblischenSzenen geschmuumlckt war betrat er die Kirche Seine Augen wur-den sofort zu den Fresken in der Kuppel hinaufgezogen diesich wie ein Himmel uumlber ihm woumllbte Die Waumlnde waren uumlppigmit Stuckstatuen Putten und verschlungenen Ornamenten ver-ziert und alles glaumlnzte in Schattierungen von Gold Rosa Grauund Gruumln die zu flackern schienen als waumlren sie in steter Be-wegung Er hatte schon fruumlher Rokokokirchen gesehen diemeistens so uumlberladen waren dass das Gefuumlhl fuumlr das Gebaumludeverloren ging aber hier war das anders Die Dekorationenschienen sich der Architektur unterzuordnen

Leute gingen herum Manche saszligen auf den KirchenbaumlnkenDie Frau der er folgte ging zwanzig Meter rechts von ihm ander Kanzel vorbei auf ein weiteres Portal zu

Sie trat ein und schloss eine schwere Holztuumlr hinter sichMalone blieb stehen und waumlgte seine Optionen abEr hatte keine Wahl

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Also trat er zu der Tuumlr und packte den eisernen TuumlrgriffDie rechte Hand hielt er noch immer um die Pistole gelegtdoch er lieszlig die Waffe in seiner Jackentasche stecken

Langsam druumlckte er den Tuumlrgriff herunter und schob die Tuumlrauf

Der Raum dahinter war kleiner und das Deckengewoumllbewurde von schlanken weiszligen Saumlulen getragen Wieder warendie Waumlnde mit Rokokodekorationen verziert aber nicht ganzso uumlppig Vielleicht war das hier die Sakristei Ein paar hoheSchraumlnke und zwei Tische stellten die einzige Moumlblierung darNeben einem der Tische standen zwei Frauen ndash die Frau ausder Seilbahn und noch eine andere

raquoWillkommen Herr Malonelaquo sagte die unbekannte FrauraquoIch habe Sie erwartetlaquo

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Maryland1215 Uhr

Das Haus lag verlassen da kein Mensch hielt sich in den um-liegenden Waumlldern auf und doch fluumlsterte der Wind immerwieder seinen Namen

RamseyEr blieb stehenEs war eigentlich keine richtige Stimme sondern eher ein

Gemurmel das der Winterwind mit sich trug Er hatte dasHaus durch eine geoumlffnete Hintertuumlr betreten und befand sichnun in einem geraumlumigen Salon in dem mit schmuddeligenbraunen Tuumlchern verhaumlngte Moumlbelstuumlcke standen Durch dieFenster in der gegenuumlberliegenden Wand war eine groszlige Wiesezu sehen Er blieb weiter stocksteif stehen und spitzte die

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Ohren Er sagte sich dass er seinen Namen gar nicht gehoumlrthaben konnte

Langford RamseyWar das wirklich eine Stimme oder einfach nur seine Einbil-

dungskraft die sich von der unheimlichen Umgebung inspirie-ren lieszlig Von der Versammlung beim Kiwanis-Club war er al-lein nach Maryland aufs Land gefahren Er trug keine UniformSeine Aufgabe als Leiter des Nachrichtendienstes der Navy ver-langte ein unauffaumllligeres Auftreten und das war der Grundwarum er normalerweise keine offizielle Kleidung trug und aufeinen von der Regierung gestellten Chauffeur verzichtete Nichtsauf der kalten Erde drauszligen lieszlig darauf schlieszligen dass letzthinirgendjemand hier vorbeigekommen war und ein Stacheldraht-zaun war schon vor langem weggerostet Das Haus war einverschachtelter Bau mit zahlreichen Anbauten viele der Fensterwaren zerbrochen und ein klaffendes Loch im Dach wurdeoffensichtlich von niemandem repariert Er schaumltzte das Hausauf neunzehntes Jahrhundert sicherlich war es einmal ein ele-gantes Gutshaus gewesen doch nun zerfiel es rasch zur Ruine

Der Wind wehte weiter Laut Wetterbericht sollte im Ostenbald Schnee fallen Er warf einen Blick auf den schmutzigenHolzboden und versuchte dort Spuren zu entdecken sah abernur Hinweise auf seine eigenen Schritte

Irgendwo hinten im Haus klirrte etwas War Glas zerbro-chen Schlug Metall aufeinander Schwer zu sagen

Genug von diesem UnsinnEr knoumlpfte seinen Mantel auf und zog eine Walther hervor

Er schlich sich nach links Der Korridor lag in tiefes Dunkelgetaucht vor ihm und ihn froumlstelte unwillkuumlrlich Zentimeter-weise schob er sich zum Ende des Gangs vor

Wieder ein Geraumlusch Ein Scharren Rechts von ihm Dannein anderer Laut Metall auf Metall Von hinten im Haus

Offensichtlich gab es zwei EindringlingeRamsey schlich sich durch den Gang und beschloss dass ein

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rascher Angriff ihm einen Vorteil verschaffen wuumlrde umsomehr als der unbekannte Eindringling seine Anwesenheit wei-ter mit einem stetigen metallischen Scheppern verkuumlndete

Er holte tief Luft machte seine Pistole schussbereit undstuumlrmte in die Kuumlche

Von einer der Arbeitsplatten starrte ihm aus drei Meter Ent-fernung ein Hund entgegen Es war ein groszliger Mischling mitrundlichen Ohren und einem gelbbraunen am Bauch hellerenFell mit weiszliger Kehle und ebensolcher Schnauze

Ein Knurren stieg aus der Kehle des Tiers Es fletschte scharfeReiszligzaumlhne und seine Hinterbeine spannten sich sprungbereitan

Von vorne im Haus ertoumlnte ein BellenZwei HundeDer Hund vor ihm sprang von der Arbeitsplatte und rannte

durch die Kuumlchentuumlr nach drauszligenRamsey eilte in den vorderen Bereich des Hauses zuruumlck und

sah gerade noch wie das andere Tier durch einen leeren Fens-terrahmen floh

Ramsey atmete tief ausRamseyEs war als haumltte der Wind selbst sich zu Vokalen und Kon-

sonanten geformt Die Stimme war nicht laut oder deutlich Siewar einfach nur da

Oder doch nichtEr zwang sich sein laumlcherliches Unbehagen zu ignorieren

verlieszlig den Salon im vorderen Bereich des Hauses folgte einemGang und kam an weiteren Raumlumen mit stoffverhuumlllten Mouml-beln vorbei in denen die Tapeten sich stellenweise von denWaumlnden geloumlst hatten Ein altes Klavier stand aufgedeckt daMit Stoff verhaumlngte Gemaumllde hingen gesichtslos an den Waumln-den Neugierig blieb er stehen um ein paar Bilder zu unter-suchen ndash es waren braumlunlich verfaumlrbte Stiche vom BuumlrgerkriegEiner stellte Monticello dar ein anderer Mount Vernon

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Beim Speisesaal zoumlgerte er und stellte sich vor wie sich dortvor zwei Jahrhunderten die weiszlighaumlutigen Gaumlste den Bauch mitBeefsteak und warmem Crumb Cake vollgeschlagen hattenVielleicht war hinterher im Salon Whiskey-Soda gereicht wor-den Dort mochte man eine Partie Bridge gespielt haben waumlh-rend ein Kohlenbecken den Raum waumlrmte und mit dem Aromavon Eukalyptus erfuumlllte Ramseys Vorfahren waren damalsnatuumlrlich drauszligen gewesen und hatten in den Sklavenhuumlttengefroren

Er spaumlhte einen langen Korridor entlang Ein Raum am Endedes Gangs zog ihn vorwaumlrts Er untersuchte den Boden aufSpuren aber auf den Brettern war nur Staub zu sehen

Am Ende des Korridors blieb er im Eingang zu dem Raumstehen

Wieder fiel sein Blick durch ein schmutziges Fenster aufdie kahle Wiese Wie in den anderen Zimmern war auch hierdas Mobiliar mit Tuumlchern abgedeckt abgesehen von einemSchreibtisch Der war aus Ebenholz alt und verzogen und diemit Intarsien verzierte Tischplatte war mit graublauem Staubbedeckt An braungrauen Waumlnden hingen Hirschgeweihe undbraune Tuumlcher verhaumlngten Wandgestelle vermutlich Buumlcher-regale In der Luft schwebten Staubteilchen

RamseyDas war nicht der WindEr entdeckte wo die Stimme herkam eilte zu einem abge-

deckten Stuhl und riss das Tuch herunter was eine weiterenebelartige Staubwolke aufsteigen lieszlig Auf dem halb zerfalle-nen Polster stand ein alter Kassettenrekorder dessen Kassettehalb abgelaufen war

Er packte seine Pistole festerraquoWie ich sehe haben Sie mein Gespenst gefundenlaquo sagte

eine StimmeEr drehte sich um und sah einen Mann in der Tuumlr stehen

Der war klein Mitte vierzig hatte ein rundes Gesicht sein

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Teint war so blass wie der Schnee der bald fallen sollte Dasduumlnne schwarze Haar war gerade gebuumlrstet und silberneStraumlhnen schimmerten darin

Der Mann laumlchelte Wie immerraquoWar dieses Theater wirklich noumltig Charlielaquo fragte Ram-

sey waumlhrend er seine Waffe wieder einsteckteraquoDas hat viel mehr Spaszlig gemacht als einfach nur Guten Tag

zu sagen und ich mochte die Hunde Es scheint ihnen hier zugefallenlaquo

Seit fuumlnfzehn Jahren arbeiteten sie zusammen dabei kannteRamsey noch nicht einmal den echten Namen dieses MannesEr kannte ihn nur als Charles C Smith junior wobei die Beto-nung auf dem junior lag Er hatte einmal nach Mr Smith seni-or gefragt und sich einen halbstuumlndigen Vortrag zur Familien-geschichte anhoumlren muumlssen die mit Sicherheit komplett erstun-ken und erlogen gewesen war

raquoWem gehoumlrt dieses Hauslaquo fragte RamseyraquoInzwischen mir Habrsquos vor einem Monat gekauft Dachte

ein Schlupfwinkel auf dem Land waumlre eine kluge InvestitionHab mir uumlberlegt dass ich es in Ordnung bringe und vermieteIch werde es Bailey Mill nennenlaquo

raquoZahle ich Ihnen etwa nicht genuglaquoraquoMan muss diversifizieren Admiral Man kann sich nicht

einfach darauf verlassen dass der Gehaltsscheck schon eintref-fen wird Wer sich aufs Alter vorbereiten will braucht Aktien-und Immobilienbesitzlaquo

raquoEs wird ein Vermoumlgen kosten das in Ordnung zu bringenlaquoraquoDas veranlasst mich zu einer formlosen Anmerkung Auf-

grund unerwartet gestiegener Treibstoffkosten unvorhergese-hen hoher Fahrtkosten und eines allgemeinen Anstiegs der Ge-meinkosten und Ausgaben steht eine leichte Tariferhoumlhung anObwohl wir uns bemuumlhen bei exzellentem Service trotzdemdie Kosten niedrig zu halten verlangen unsere Aktionaumlre dasswir eine akzeptable Gewinnmarge einhaltenlaquo

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raquoSie sind ein Scheiszligkerl CharlielaquoraquoUnd auszligerdem hat mich das Haus ein Vermoumlgen gekostet

deshalb brauche ich mehr GeldlaquoAuf dem Papier war Smith ein bezahlter Agent der spezia-

lisierte Uumlberwachungsdienste in Uumlbersee leistete wo Lausch-angriffe nicht gesetzlich reglementiert waren insbesondere inZentralasien und im Nahen Osten Daher war es Ramseyscheiszligegal was Smith berechnete raquoSchicken Sie mir eine Rech-nung Und jetzt houmlren Sie zu Es wird Zeit zu handelnlaquo

Er war froh dass die Vorbereitungen im vergangenen Jahrabgeschlossen worden waren Saumlmtliche Unterlagen lagen be-reit die Plaumlne standen fest Er hatte gewusst dass sich irgend-wann eine Gelegenheit bieten wuumlrde ndash nicht wann oder wieaber dass sie sich bieten wuumlrde

Und so war es auch gekommenraquoFangen Sie mit dem wichtigsten Zielobjekt an wie bespro-

chen Danach fahren Sie nach Suumlden und erledigen Nummerzwei und dreilaquo

Smith salutierte spoumlttisch raquoZu Befehl Captain SparrowWir setzen die Segel und suchen den besten Windlaquo

Er ging nicht auf den Idioten ein raquoKein Kontakt zwischenuns bis alle drei erledigt sind Geraumluschlos und sauber Char-lie Wirklich sauberlaquo

raquoWir bieten bei Nichtzufriedenheit eine Geld-zuruumlck-Garan-tie Nichts ist uns wichtiger als zufriedene Kundenlaquo

Manche Leute schrieben Songs erdachten Romane maltenbildhauerten oder zeichneten Smiths Talent war das ToumltenWaumlre Charlie Smith nicht der beste Auftragskiller den er je ge-kannt hatte haumltte er den nervtoumltenden Idioten laumlngst erschossen

Dennoch beschloss er ihm den Ernst der Lage vollkommenklarzumachen

Daher spannte er seine Walther und rammte Smith die Muumln-dung ins Gesicht Ramsey war gut fuumlnfzehn Zentimeter groumlszligerund so starrte er auf Smith hinunter und sagte raquoVermasseln

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Sie das nicht Ich houmlre mir den Unsinn an den Sie verzapfenaber Vermasseln Sie Das Nichtlaquo

Smith hob die Haumlnde in gespielter Unterwuumlrfigkeit raquoBitteMiss Scarlett nicht schlagen Bitte nicht schlagen helliplaquo

Ramsey mochte keine rassistischen Scherze und hielt dieWaffe deshalb weiter auf Smith gerichtet

Dieser lachte los raquoAch Admiral regen Sie sich doch ablaquoRamsey fragte sich was wohl dazu noumltig war diesen Mann

aus der Fassung zu bringen Er steckte die Waffe wieder unterseinen Mantel

raquoAber ich habe noch eine Fragelaquo sagte Smith raquoDie ist wich-tig Ich muss das wirklich wissenlaquo

Ramsey wartete abraquoBoxershorts oder SliplaquoGenug Ramsey drehte sich um und verlieszlig den RaumSmith lachte wieder los raquoKommen Sie schon Admiral Bo-

xershorts oder Slip Oder gehoumlren Sie zu denen die dem Windfreien Zugang lassen Laut CNN tragen zehn Prozent von unsuumlberhaupt keine Unterwaumlsche So wie ich ndash freier Zugang fuumlrden Windlaquo

Ramsey hielt weiter auf die Tuumlr zuraquoMoumlge die Kraft mit Ihnen sein Admirallaquo bruumlllte Smith

raquoEin Jedi-Ritter versagt nie Und keine Sorge die werden alletot sein ehe Sie sichrsquos versehenlaquo

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Malone sah sich mit scharfem Blick im Raum um Jedes Detailwar wichtig Eine geoumlffnete Tuumlr zu seiner Rechten beunruhigteihn besonders die undurchdringliche Dunkelheit dahinter

raquoWir sind alleinlaquo sagte seine Gastgeberin Ihr Englisch wargut und wies nur einen leichten deutschen Akzent auf

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Sie gab der Frau aus der Seilbahn einen Wink und diesestolzierte auf Malone zu Im Naumlherkommen strich sie sichuumlber die Prellung in ihrem Gesicht die sein Tritt hinterlassenhatte

raquoVielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit Ihnen denGefallen heimzuzahlenlaquo knurrte sie Malone an

raquoDas haben Sie doch schon Offensichtlich bin ich mani-puliert wordenlaquo

Sie laumlchelte unverhohlen zufrieden und ging dann aus demRaum wobei sie die Tuumlr kraumlftig hinter sich zuschlug

Er betrachtete die Frau die zuruumlckgeblieben war Sie warhochgewachsen und wohlgeformt das aschblonde Haar warhinten im Nacken kurz geschnitten Der zarte Teint ihrer rosi-gen Haut war ohne Makel Ihre Augen waren milchkaffee-braun ein Farbton den er so noch nie gesehen hatte und erkonnte sich ihrer Faszination nur schwer entziehen Sie trugeinen Pulli mit geripptem Kragen Jeans und einen Lambswool-Blazer

Es war unuumlbersehbar dass sie sowohl eine privilegierte alsauch eine problematische Frau war

Sie sah groszligartig aus und wusste esraquoWer sind Sielaquo fragte er und zog die PistoleraquoIch versichere Ihnen dass ich keine Bedrohung fuumlr Sie dar-

stelle Ich habe es mich einiges kosten lassen Ihnen hier zubegegnenlaquo

raquoMit Verlaub mit der Waffe in der Hand fuumlhle ich michwohlerlaquo

Sie zuckte die Schultern raquoWie Sie wollen Um Ihre Frage zubeantworten ich bin Dorothea Lindauer Ich wohne hier in derNaumlhe Meine Familie ist bayrisch ihr Stammbaum reicht biszu den Wittelsbachern zuruumlck Wir sind Oberbayern in denAlpen verwurzelt Auszligerdem haben wir tiefe Bande zu diesemKloster Diese sind so stark dass die Benediktiner uns einigeFreiheiten gestattenlaquo

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raquoWie zum Beispiel einen Mann zu toumlten und dann den Moumlr-der in diese Sakristei hier zu fuumlhrenlaquo

Zwischen Lindauers Augenbrauen grub sich eine Falte einraquoUnter anderem Aber man muss schon sagen dass das einesehr groszlige Freiheit istlaquo

raquoWoher wussten Sie dass ich heute auf der Zugspitze seinwuumlrdelaquo

raquoIch habe Freunde die mich informierenlaquoraquoIch brauche eine bessere AntwortlaquoraquoDie USS Blazek interessiert mich Auch ich will schon seit

langem herausfinden was damals wirklich geschehen ist Ichnehme an dass Sie das Dokument inzwischen gelesen habenSagen Sie mir war es informativlaquo

raquoIch spiele hier nicht mitlaquo Malone wandte sich zur TuumlrraquoSie und ich wir haben etwas gemeinsamlaquo sagte sieEr ging weiterraquoSowohl Ihr als auch mein Vater haben sich an Bord dieses

U-Boots befundenlaquo

Stephanie bediente eine Telefontaste Sie befand sich nochimmer mit Edwin Davis in ihrem Buumlro

raquoEs ist das Weiszlige Hauslaquo informierte ihr Assistent sie uumlberden Lautsprecher

Davis verhielt sich still Sie nahm das Gespraumlch sofort anraquoAnscheinend geht es wieder loslaquo droumlhnte die Stimme so-

wohl aus dem Houmlrer als auch aus dem Lautsprecher uumlber denDavis zuhoumlrte

Praumlsident Danny DanielsraquoUnd was ist es diesmallaquo fragte StephanieraquoStephanie es waumlre einfacher wenn wir zur Sache kommen

koumlnntenlaquo Eine neue Stimme Weiblich Diane McCoy Eineweitere Stellvertretende Sicherheitsberaterin Sie bekleideteden gleichen Rang wie Edwin Davis und war keine FreundinStephanies

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raquoUm welche Sache geht es denn DianelaquoraquoVor zwanzig Minuten haben Sie ein Dokument uumlber Cap-

tain Zachary Alexander pensionierter Kapitaumln der US-Navyheruntergeladen Wir wuumlssten gern warum der Nachrichten-dienst der Navy seinerseits Nachforschungen uumlber Ihr Interes-sengebiet anstellt und warum Sie vor ein paar Tagen dasKopieren eines geheimen Dokuments uumlber ein vor achtunddrei-szligig Jahren verloren gegangenes U-Boot gestattet habenlaquo

raquoMir scheint es gibt da eine bessere Fragelaquo entgegnete Ste-phanie raquoWarum ist das dem Nachrichtendienst der Navy nichtscheiszligegal Das ist doch eine uralte Geschichtelaquo

raquoDa sind wir einer Meinunglaquo antwortete Diane raquoAuf dieseFrage haumltte ich auch gerne eine Antwort Ich habe mir dieselbePersonalakte angeschaut die Sie gerade heruntergeladen ha-ben und dort ist nichts zu finden Alexander war ein guterOffizier der seine zwanzig Jahre gedient hat und dann in denRuhestand versetzt wurdelaquo

raquoMr President warum interessieren Sie sich fuumlr diese Ange-legenheitlaquo

raquoWeil Diane in mein Buumlro gekommen ist und mir gesagt hatdass wir Sie anrufen muumlssenlaquo

Das war Quatsch Keiner sagte Danny Daniels was er zutun und zu lassen hatte Er war drei Mal zum Gouverneur undein Mal zum Senator gewaumlhlt worden und hatte es geschafftzwei Mal zum Praumlsidenten der Vereinigten Staaten gewaumlhlt zuwerden Er war kein Dummkopf auch wenn manche ihn dafuumlrhielten

raquoMit Verlaub Sir aber nach allem was ich von Ihnen ge-sehen habe tun Sie immer genau das was Sie selbst wollenlaquo

raquoEin Privileg meines Jobs Jedenfalls da Sie Dianes Fragenicht beantworten wollen houmlren Sie jetzt meine Wissen Siewo Edwin istlaquo

Davis bat sie mit einem Handzeichen ihn zu verleugnenraquoIst er abhandengekommenlaquo

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Daniels kicherte raquoSie haben diesem Drecksack Brent Greendie Houmllle heiszlig gemacht und mir dabei wahrscheinlich dasLeben gerettet Mut Den haben Sie Stephanie Aber hierhaben wir ein Problem Edwin ist in eigener Sache unterwegsEs geht da um irgendetwas Persoumlnliches Er hat sich gestern einpaar Tage frei genommen Diane glaubt dass er zu Ihnen ge-gangen istlaquo

raquoIch mag ihn nicht einmal Schlieszliglich ist er schuld dass ichin Venedig beinahe ums Leben gekommen waumlrelaquo

raquoDas Sicherheitsprotokoll Ihres Eingangsbereichs laumlsst erken-nen dass er sich derzeit in Ihrem Gebaumlude aufhaumlltlaquo bemerkteMcCoy

raquoStephanielaquo meinte Daniels raquoals ich klein war erzaumlhlte einFreund von mir einmal unserer Lehrerin er und sein Vater seienangeln gegangen und haumltten im Verlauf einer einzigen Stundeeinen dreiszligig Kilo schweren Barsch gefangen Die Lehrerin warnicht dumm und erklaumlrte das sei unmoumlglich Um meinemKumpel eine Lehre uumlbers Luumlgen zu erteilen erzaumlhlte sie ein Baumlrsei aus dem Wald gekommen und habe sie angegriffen sei abervon einem kleinen Huumlndchen mit einem einzigen Bellen ver-trieben worden rsaquoGlaubst du daslsaquo fragte die Lehrerin rsaquoKlarlsaquoantwortete mein Kumpel rsaquodas war naumlmlich mein Hundlsaquolaquo

Stephanie laumlchelteraquoUnd Edwin ist mein Hund Stephanie Was er tut wird mir

auf direktem Weg berichtet Und im Moment steckt er tief imDreck Koumlnnen Sie mir hier helfen Weshalb interessieren Siesich fuumlr Captain Zachary Alexanderlaquo

Genug Sie hatte einfach nur Malone und dann Davis helfenwollen war dabei aber schon viel zu weit gegangen So sagtesie Daniels nun die Wahrheit raquoWeil Edwin mich dazu aufge-fordert hatlaquo

Davisrsquo Gesicht umwoumllkte sichraquoLassen Sie mich mit ihm redenlaquo sagte DanielsSie reichte Davis den Houmlrer

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