Stromboli – Leuchtturm des Mittelmeers

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Leuchtturm des Mittelmeers S TROMBOLI Alfred und Verena Bollinger

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Stromboli fasziniert durch die weltweit einzigartigen, täglichen Lava-Eruptionen und seine geheimnisvolle wilde Schönheit. Schon in der Bronzezeit war die Insel bewohnt und wurde im Mittelalter von Seeräubern geplündert. Während der letzten zwei Jahrzehnte erlebte sie einen bemerkenswerten Aufschwung dank des modernen Tourismus.

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Leuchtturm des MittelmeersSTROMBOLI

Alfred und Verena Bollinger

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Alfred und Verena Bollinger

STROMBOLILeuchtturm des Mittelmeers

AS Verlag

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www.as-verlag.ch

© AS Verlag & Buchkonzept AG, Zürich 2012Gestaltung: Urs Bolz, Heinz von Arx,www.vonarxgrafik.ch, ZürichLektorat: Pablo Egger, www.lektorat-egger.chFarblithos: Litho Atelier Thalmann GmbH, WollerauKorrektorat: Adrian von Moos, ZürichDruck: B&K Offsetdruck GmbH, OttersweierEinband: Josef Spinner Großbuchbinderei GmbH, OttersweierISBN 978-3-909111-93-0

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INHALT

INSEL UND LEUTE

15 Vulkan – Vulkaninsel – Seamount

21 Erde, Wasser, Luft und Feuer

29 Die Dörfer Stromboli und Ginostra

41 Farbtupfer aus der Frühgeschichte

47 Das Auf und Ab der Bevölkerung

59 Aufbruch nach Übersee

67 Alles aus Sizilien, mit Ausnahmeder Frauen

71 «Pesce fresco!»

75 Segler, Dampfer und Flügelboote

DER VULKAN

85 Zur Erdgeschichte der Insel

89 Formen der vulkanischen Aktivitäten

99 Kaltblütige Vulkanforscher

107 Der Ausbruch von 1930

113 Der Ausbruch von 2002/03

125 Der Ausbruch von 2007

133 Spiel mir das Lied vom Feuer

143 Auf zum Vulkan

NATUR, KÜNSTLER UND TOURISTEN

157 Ferragosto oder der wilde August

165 Was aus Stein und Pflaster entsteht

175 Kraken, Geckos und Bergziegen

183 Wo Kapern und Lilien blühen

195 Der Vulkan wird zumMagneten

199 Mit Pinsel, Meißel oder Feder

209 Jules Vernes Vision

ANHANG

214 Praktische Hinweise

218 Kultur im Anschluss

220 Glossar

222 Literaturauswahl

224 Dank und Anmerkungen

224 Bildnachweis

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«An einem friedlichen Sommernachmittag erwarteteder Geistliche im Kirchlein von Ginostra unter

dem drohenden Vulkan sein Völklein zum Segen.Oh wie tief drangen seine Worte in mein Herz,

und wäre ich nicht beim Hinausgehen durch die Sakristeiauf eine Totenbahre gestoßen, so hätte ich mich unterdiesen guten, vom wahren Glauben beseelten Menschen

schon im Himmelreich gewähnt.»

Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich

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INSEL UND LEUTE

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Der südliche Mittelmeerraum ist reich an Feuerbergen. Berühmt und be-rüchtigt ist der Vesuv, der die antiken Städte Pompeji und Herculaneum

79 n. Chr. unter Asche begraben hat. Er ruht seit dem Ende des Zweiten Welt-kriegs. Doch für wie lange? Unheimlich ist auch die Region der PhlegräischenFelder nördlich von Neapel, wo der Monte Nuovo letztmals 1538 ausgebrochenist. Die Abhänge beider Vulkane sind heute dicht besiedelt.

Ein geradezu apokalyptischer Ausbruch des Santorin auf der griechischenKykladeninsel gleichen Namens ereignete sich in prähistorischer Zeit. Gewal-tige Kräfte katapultierten den Riesenleib des Vulkans in die Luft. Übrig bliebeine Caldera, die einen mächtigen Halbkreis bildet und eine Lagune umrahmt,in der nun die Kreuzfahrtschiffe ankern. Von der Frühkultur der Minoer zeugennoch Ruinen und wundervolle Fresken, die unter einer dicken Schicht von Aus-wurfmaterial entdeckt wurden.

Auf einer Diagonale zwischen Vesuv und Ätna liegen bogenförmig angeordnetdie sieben Äolischen oder Liparischen Inseln: die Hauptinsel Lipari, ferner Vul-cano, Salina, Filicudi, Alicudi, Panarea und Stromboli. Alle sind vulkanischenUrsprungs. Bis heute aktiv bliebenVulcanound Stromboli. Ersteremverdankendie Vulkane weltweit ihren Namen. Dort oder auf dem Ätna soll laut griechi-scher Sagen Hephaistos, der hinkende Gott des Feuers und der Schmiedekunst,die Rüstung des Achill gefertigt haben. Seit dem Mittelalter pflegte der Fossa-Krater von Vulcano in Intervallen von etwa hundert Jahren auszubrechen,letztmals 1888–1890, als die Schwefelarbeiter vor dem Schlackenwurf flüchtenmussten. Zu Recht, denn am 15. März 1890 regnete es tonnenschwere Bomben,zumTeil in Brotkrustenformundbis zu 5mDurchmesser.Niemandweiß,wanndie Fossa wieder erwachen wird. Heute dampfen auf den Rändern ihres KratersFumarolen, die bizarre Gebilde aus gelben Schwefel-Inkrustationen ablagern.Kranke Menschen, die Linderung von ihren rheumatischen Beschwerden su-chen, suhlen sich im warmen Fangotümpel am Fuß des Vulkans. Aus hygieni-schen Gründen ist davon aber eher abzuraten.

Im Jahr 1997 erklärte die UNESCO den Äolischen Archipel zum Weltna-turerbe.

Sowohl Süditalien als auch Griechenland liegen im Bereich einer Subduk-tionszone. Die schwerere afrikanische Kontinentalplatte schiebt sich unter dieleichtere eurasische. Dabei freigesetzte Kräfte lösen verheerende Erdbeben

VULKAN – VULKANINSEL – SEAMOUNT

Ein Vulkan stehtfest auf dem Land;die Vulkaninselerhebt sich vomMeeresboden; derSeamount wächstim Verborgenender Oberfläche ent-gegen (künstlerischdargestellt vonPaola Saffioti).

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Die Canna von Filicudi

Wie von Zyklopenhand hingeworfen,ragen zwischen den Inseln Filicudi undAlicudi Basaltklippen aus dem Meer. Ammeisten beeindruckt der Obelisk derCanna, 71 m hoch und zigarrenschlank.Seine Spitze krönt eine Madonna ausBronze, die Extremkletterer mit ihrem rät-selhaften Lächeln bezirzt. Das Riff wurde1973 durch fünf Bergführer aus Macugna-ga erstbestiegen. Als sie in der senkrech-ten Wand unterwegs waren, huschtenzwei schwarze Eidechsen über ihren Kör-per. Wie die auf den Galapagosinselnheimische Tierwelt, die Charles Darwinzu seiner Evolutionstheorie inspirierthatte, zeigten sie keine Furcht vor denMenschen. Respekt hatten sie hingegen

vor den auf dem Riff nistenden Königs-falken (Falco eleonorae). Diese seltenenZugvögel überwintern in Madagaskar.Während der Brutzeit im Hochsommerbetreiben sie eine Art Kollektivjagd, in-dem sie in mehreren Paaren Schwärmevon Kleinvögeln einkreisen. Neben derCanna findet man sie auf den Felsriffenvor Lipari und Panarea.

Die Canna ist die stolze Schwester desStrombolicchio. Ihr Magmakern, ebensoein Relikt der frühen Erdgeschichte, wi-derstand dem Wellengang bis heute. Ein-mal, so wird erzählt, warf ein Sturm dieMadonna von ihrem luftigen Sockel. Tau-cher fischten sie aus dem Meer und über-gaben sie einer Seilschaft, die sie wiederauf die Spitze hisste.

Die Canna, Bruder-riff des Strombo-licchio vor der West-küste der äolischenInsel Filicudi, imHintergrund dieInsel Alicudi.

Gesamtdorf Strom-boli: Vorne SanBartolo und Piscità,am linken BildrandFicogrande (vorAnker ein Wasser-schiff) und PuntaLena, im Hinter-grund San Vincenzound Scari mit demLandesteg.

San Vincenzo mitKirche und Platz(unten).

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Enge Gasse inPiscità mit Bougain-villea auf demCanna-Dach derVeranda.

Rechts Dorfteil Scarimit dem Landesteg.Hier legen die Kurs-schiffe an.

Piscità in einerAufnahme vomFrühling 1972. Da-mals gab es nochviele Ruinen. AmHang blühte gelberRiesenfenchel(unten).

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Sandstrand. Bootsvermieter preisen ihre Dienste an, Händler aus SizilienFrüchte, Gemüse und allerlei Krimskrams. Einen Espresso schlürfend demTreiben zuzuschauen kann durchaus amüsant sein, etwa wenn zwei perfektblondierte Damen aus Klagenfurt in hochhackigen Schuhen versuchen, aufdem Kopfsteinpflaster ihr Gleichgewicht zu wahren. Trifft ein Ausflugsschiffaus Lipari oder Tropea ein, überflutet eine schier endlose Menschenmengeden Landesteg und verstopft die Gasse zwischen Hafen und Kirchplatz. Dennhier in der Via Roma wird eingekauft, werden neue Läden und Boutiquen eröff-net, hier befinden sich die Post und ein Automat, um – falls er wirklich funk-tioniert – mit Kreditkarten Geld beziehen zu können. Eine Bank sucht man aufder Insel vergeblich.

In San Bartolo musste die Kirche wegen Einsturzgefahr geschlossen wer-den. Eine Petition mit unzähligen Unterschriften verlangte vom Vatikan diedringende Renovation. 2011 war es endlich so weit, dass Gottesdienste undHochzeiten risikolos wieder möglich wurden. Zum Dorfteil gehört der WeilerPiscità. Seine typischen weißen Häuserkuben sitzen auf den schwarzen Lava-klippen, die im Abendlicht rot aufschimmern und schroff gezackt ins Meerabfallen. Darin eingestreut liegen Buchten mit idealen Badestränden. GegenWesten schließt die Spiaggia lunga an, der lange Strand, der bei Scirocco-Stür-men als Notlandestelle für Barken dient. Vom Dorfende aus schlängelt sichdie Mulattiera, ein Saumpfad aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, zumMekka der Inselbesucher empor, zur Pizzeria beim Osservatorio Labronzo. Sieist bequem in einer halben Stunde zu erreichen. Vor Kurzem musste die Terras-se mit den Gästetischen im Freien bergwärts neu erstellt werden (s. S. 131), da

Elektroauto derPolizei auf dem Platzvon San Vincenzo,dahinter beflaggt dieBar Ingrid.

In Ginostra ist derTransport mit Eselnwie eh und je not-wendig.

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«Luigi Rizzo» hinzu, die den Namen des Fregattenkapitäns aus Milazzo erhielt.Rizzo hatte im Ersten Weltkrieg als Kommandant eines Torpedoboots das öster-reichische Schlachtschiff «MS Wien» versenkt, wurde zum Admiral befördertund in den Adelsstand erhoben. Ab 1936 verkehrte die «Eolo» in den tyrrheni-schen Gewässern. Nicht für lange. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sievon der italienischen Marine eingezogen und von den Engländern gekapert.Paradoxerweise erging es ihr deshalb besser als der «Luigi Rizzo», die im Kanalvon Messina unterging und nach Friedensschluss gehoben werden musste.Nach dem Krieg von den Engländern zurückerstattet, nahm die «Eolo» den Pas-sagierdienst wieder auf, und zwar bis in die Sechzigerjahre. Die zur selben Zeiteingesetzte «Panarea» wurde später durch die «Lipari» ersetzt. Diese hatte ein

Das Dampfschiff«Eolo» hat vorFicogrande Ankergeworfen. Die Passa-giere klettern überdie Falltreppe insStehruderboot undwerden an Land ge-rudert (60er Jahre).

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Bordrestaurant mit livrierten Kellnern, wo sich genüsslich speisen und rätselnließ, warum Goethe auf seiner Sizilienreise die Äolischen Inseln gar nicht be-achtet, sondern geschlafen oder am Schauspiel «Torquato Tasso» geschriebenhatte. Für die Navigation verantwortlich war jetzt die «Navisarma», die zusätz-lich die Zwillingsschiffe «Basiluzzo» und «Vulcanello» in Dienst stellte. Ihrer-seits wurde sie 1976 von der «Siremar» übernommen, einer Tochtergesellschaftder «Tirrenia». Nun wurden große Fährschiffe angeschafft, hintereinander die«Piero della Francesca», die «Caravaggio» und die «Laurana». Letztere verkehrtmomentan zweimal wöchentlich zwischen Neapel, den Inseln und dem sizi-lianischen Milazzo. Ihre Ankunft oder Abfahrt am Pontile von Scari bleibt stetsein Ereignis. Die Siremar betreibt aber auch Tragflügelboote, die den Nah-verkehr mit Sizilien gewährleisten. In Konkurrenz zur subventionierten Gesell-schaft steht die private «Ustica Lines». Ihr Service beschränkt sich auf Trag-flügelboote, die Fahrten nach Sizilien anbieten. Im Hochsommer fahren auchKatamarane der «AliLauro» von Neapel zum Archipel.

Vor allem im Frühjahr, Herbst und Winter wüten gelegentlich Stürme, dieein Anlegen am Pontile von Stromboli unmöglich machen. Um relativ sicherdas Reiseziel zu erreichen, schalten Kluge einen Puffertag ein. Denn es geht un-ter die Haut, wenn ein Tourist die Schalterbeamten beschimpft und mit dem

2010 fahren Last-wagen vom Lande-steg Scari in denBauch der Fähre«Laurana».