Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser,...

68
Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten

Transcript of Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser,...

Page 1: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

PolynomicsDr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus

Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten

Page 2: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Impressum

Herausgeber: Interpharma, Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, Basel

© Interpharma /Polynomics, September 2011

Bezug: InterpharmaPetersgraben 35, PostfachCH-4003 BaselE-Mail: [email protected]: www.interpharma.ch

Gestaltung:Continue AG, Basel

Druck:Effingerhof, Brugg

Page 3: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Inhaltsverzeichnis In Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Gesundheitsausgaben – nur ein Teil der Krankheitskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.1 Kosten sind mehr als Ausgaben – das ökonomische Kostenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten – eine Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.3 Wie lassen sich Krankheitskosten messen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4 Wie hoch sind die Krankheitskosten in der Schweiz? . . . . . . . . . . 22

3 Gesundheitsausgaben können Krankheitskosten reduzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.1 Gesundheitsausgaben beeinflussen Krankheitskosten – ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.2 Lohnen sich Gesundheitsausgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4 Akteure neigen zu Partialbetrachtungen – Schlussfolgerungen für die Schweizer Gesundheitspolitik . . 36 5 Steckbriefe zu den Krankheitskostenstudien für verschiedene Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1 Multiple Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.2 Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.3 Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.4 Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.5 Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.6 Kreuzschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.7 Gehirnerkrankungen insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

6 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Page 4: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

2 Polynomics

In Kürze

Man hat sich schon beinahe an das jährliche Ritual gewöhnt: Jeden Herbst, wenn die neuen Krankenversicherungsprämien für das folgende Jahr bekannt gegeben werden, stellt man fest, dass diese wie in den Vorjahren wieder deutlich gestiegen sind. Darauf folgt ein Aufschrei in der schweizerischen Presseland-schaft und die Politiker überbieten sich mit Forderungen, den Anstieg der Ge-sundheitsausgaben zu verlangsamen, wenn nicht gar zu stoppen. Dabei werden regelmässig zwei Sachen ausgeblendet: Einerseits verursacht Krankheit auch Kosten ausserhalb des Gesundheitswesens. Gesundheitsausgaben zeigen des-halb nur einen Teil der Gesamtkosten, welche die Schweizer Volkswirtschaft durch Krankheit zu tragen hat. Andererseits sind Gesundheitsausgaben letztlich Mittel zum Zweck, um die Gesundheit von kranken Menschen möglichst schnell und gut wiederherzustellen. Höhere Gesundheitsausgaben können deshalb zum Beispiel durch bessere Behandlungsmethoden die Krankheitskosten ausserhalb des Gesundheitswesens reduzieren. Erst eine Gesamtbetrachtung aller Kompo-nenten zeigt, ob sich Gesundheitsausgaben lohnen oder nicht.

Insgesamt setzen sich Krankheitskosten aus drei Komponenten zusammen: direkten, indirekten und intangiblen Kosten. Bei den direkten Krankheitskosten handelt es sich um finanzielle Ausgaben, die bei der Bekämpfung einer Krankheit aufgewendet werden müssen. Diese können sowohl innerhalb des Gesundheits-wesens (zum Beispiel Entlöhnung von Ärzten oder Ausgaben für Medikamente) als auch ausserhalb (zum Beispiel Ausgaben für den Umbau zu einer behinder-tengerechten Wohnung oder Fahrtkosten zum Arzt) anfallen, weshalb man von direkten medizinischen und direkten nicht medizinischen Kosten spricht.

Neben finanziellen Ausgaben verursacht Krankheit auch einen Verlust an pro-duktiver Zeit. Es resultieren Absenzen am Arbeitsplatz und damit indirekte Kos-ten durch Produktivitätsverluste für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Indirekte Kosten fallen aber auch an, wenn Familienangehörige und Freunde Zeit aufwen-den, um Patienten selbst zu pflegen (sogenannte informelle Pflege).

Schliesslich verursacht Krankheit auch Kosten in Form von Schmerz und Leid beziehungsweise allgemein schlechterer Lebensqualität, welche von Patienten, Angehörigen und Nahestehenden getragen werden. Auch wenn sich diese in-tangiblen Kosten kaum in Geld beziffern lassen, stellen sie doch einen realen Nutzenverlust für die Betroffenen dar und sind deshalb nicht zu vernachlässigen.

Page 5: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 3

Die Gesundheitsausgaben entsprechen in dieser Systematisierung der Krank-heitskosten den direkten medizinischen Kosten, also allen finanziellen Aufwen-dungen im Gesundheitswesen. Da es sich dabei um Ausgaben handelt, die di-rekt in Geldeinheiten anfallen, lassen sie sich relativ einfach erfassen und werden auch jährlich in öffentlichen Statistiken ausgewiesen. Die restlichen Komponen-ten der Krankheitskosten finden sich jedoch nicht in öffentlichen Statistiken, da es Kosten sind, die nicht direkt monetär anfallen, sondern indirekt durch eine Bewertung der entgangenen Zeit oder der reduzierten Lebensqualität ermittelt werden müssen. In sogenannten Krankheitskostenstudien (Cost-of-Illness-Stu-dien) werden solche Bewertungen für spezifische Krankheiten vorgenommen, woraus sich Erkenntnisse über die Grössenordnungen der verschiedenen Kos-tenkomponenten gewinnen lassen. Bestehende Studien für die Schweiz zeigen, dass die Gesundheitsausgaben bei verschiedenen Krankheiten jeweils nur einen kleinen Teil der gesamten Krankheitskosten ausmachen. Im Schnitt betrug der Anteil etwa ein Drittel und die restlichen zwei Drittel der Krankheitskosten wurden durch indirekte Kosten wie Produktivitätsverlust am Arbeitsplatz und informelle Pflege verursacht.

Diese statische Analyse zeigt bereits, dass eine ausschliessliche Betrachtung der Gesundheitsausgaben zu Fehlschlüssen führen kann, da nur ein kleiner Teil der gesamten Krankheitskosten betrachtet wird. Verstärkt wird diese Schlussfolge-rung noch, wenn berücksichtigt wird, dass Gesundheitsausgaben nicht einfach eine Kostenfolge von Krankheit sind, sondern vielmehr eingesetzt werden, um Krankheit zu bekämpfen und Patienten zu einem besseren Gesundheitszustand zu verhelfen. Gesundheitsausgaben reduzieren somit die übrigen Krankheitsko-sten, da ein besserer Gesundheitszustand oder eine schnellere Genesung zu weniger Produktivitätsverlusten, weniger informeller Pflege und einer Reduzie-rung von Schmerz und Leid führt.

Diese Beeinflussung von Krankheitskosten durch Gesundheitsausgaben ist vor allem im Zusammenhang mit dem medizintechnologischen Fortschritt von gros-ser Bedeutung. Innovationen im Gesundheitswesen führen zu neuen Geräten, Medikamenten und Verfahren, die üblicherweise teurer sind als Bestehendes, aber mit denen sich im Gegenzug Krankheiten wirkungsvoller und schneller be-handeln lassen. Beispiele dafür gibt es viele. So haben beispielsweise minimal-invasive chirurgische Verfahren wie die Laparoskopie dazu geführt, dass Leisten-bruchpatienten heute nach der Operation rund doppelt so schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren können und deutlich weniger Schmerzen haben.

Page 6: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

4 Polynomics

Durch diese Wechselbeziehungen zwischen direkten und indirekten beziehungs-weise intangiblen Krankheitskosten stellen steigende Gesundheitsausgaben, zum Beispiel durch medizintechnologischen Fortschritt, nicht von vornherein ein Problem dar. Es stellt sich vielmehr die Frage, wann sich höhere Gesundheits-ausgaben lohnen, beziehungsweise wie der Gesamteffekt zwischen höheren Gesundheitsausgaben und den reduzierten anderen Kostenkomponenten aus-fällt. Die empirische Evidenz lässt derzeit darauf schliessen, dass die höheren Gesundheitsausgaben der letzten dreissig Jahre durch den Nutzen aus dem damit verbundenen medizintechnologischen Fortschritt mehr als kompensiert wurden, die Krankheitskosten insgesamt also eher abgenommen haben. So gibt es einige Untersuchungen, die belegen, dass höhere Gesundheitsausgaben in den industrialisierten Ländern einen signifikanten Beitrag zur steigenden Le-benserwartung leisteten. Des Weiteren haben verschiedene wissenschaftliche Studien aus den USA gezeigt, dass jeder in den Jahren zwischen 1980 und 2000 ins Gesundheitswesen investierte Dollar einen Ertrag von 1.5 bis 2 Dollar erwirt-schaftete, und zwar in Form von höherer Lebenserwartung und verbesserter Gesundheit. Auch wenn sich diese Studien nicht direkt auf die Schweiz übertra-gen lassen und nichts darüber aussagen, ob durch Effizienzverbesserungen nicht ein noch höherer Ertrag möglich gewesen wäre, sind sie doch ein starker Hinweis dafür, dass sich der technologische Fortschritt und die damit verbun-denen höheren Gesundheitsausgaben auch in der Schweiz gelohnt haben, sind doch die USA das Land mit dem weltweit teuersten Gesundheitswesen.

Sowohl die statische als auch die dynamische Analyse zeigen, dass eine alleinige Fokussierung auf die Grösse der Gesundheitsausgaben nicht zielführend ist und somit Fehlentscheidungen zur Folge haben kann. Eine kurzfristige Reduktion der Gesundheitsausgaben kann unter Umständen in der langen Frist zu höheren Gesamtkosten führen und die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt reduzieren. So wie das Schweizer Gesundheitswesen heute ausgestaltet ist, hat keiner der Akteure eine Gesamtsicht auf die Krankheitskosten. Leistungserbringer und In-novatoren sind hauptsächlich an einer Verbesserung des Gesundheitszustands und damit einer Reduzierung der indirekten und der intangiblen Kosten interes-siert, während die Krankenversicherer vor allem die Gesundheitsausgaben in den Vordergrund stellen. Da die Schweizer Bevölkerung aber die gesamten Krankheitskosten zu tragen hat, sollten gesundheitspolitische Entscheide alle Kostenkomponenten von Krankheit und die häufig langfristigen Zusammen-hänge zwischen Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten berücksichtigen. Höhere Gesundheitsausgaben sind dann gerechtfertigt, wenn eine nachhaltige

Page 7: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 5

Verbesserung des Gesundheitszustands resultiert, welche die gesamten Krank-heitskosten reduziert. Im Gegensatz dazu ist eine Reduktion der Gesundheits-ausgaben nur dann gerechtfertigt, wenn sich daraus Effizienzverbesserungen im System ergeben und keine Leistungen mit einem hohen Nutzen abgebaut werden.

Page 8: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

6 Polynomics

1 Ausgangslage

Die Höhe und Entwicklung der Gesundheitsausgaben sind in der öffentlichen Diskussion in der Schweiz allgegenwärtig. Mit gut 11 Prozent Anteil am Brutto-inlandsprodukt ist die Schweiz regelmässig unter den Spitzenreitern bei interna-tionalen Vergleichen, was von verschiedenen Seiten kritisiert wird. Insbesondere bei der jährlichen Bekanntgabe der Krankenkassenprämien für das folgende Jahr wird jeweils die Forderung nach einer Reduzierung der Gesundheitsausgaben laut. Die meisten politischen Reformvorschläge zielen darauf ab, die Gesund-heitsausgaben zu senken oder deren Finanzierung zu verlagern.

Vernachlässigt wird in diesem Zusammenhang aber, dass die Gesundheitsaus-gaben nur einen Teil des Gesamtbildes darstellen und damit lediglich die Input-seite betrachtet wird. Die Wirkung von Gesundheitsausgaben auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung wird dabei oft ausgeblendet. Gesund-heitsausgaben resultieren durch Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen, mit dem Krankheiten bekämpft werden. Die daraus folgende Verbesserung des Ge-sundheitszustands reduziert die Kosten, die durch Krankheit ausserhalb des Gesundheitswesens anfallen.

Es gilt folglich zwischen den Begriffen Gesundheitsausgaben und Krankheits-kosten zu unterscheiden. Dabei machen die Gesundheitsausgaben nur einen Teil der Krankheitskosten aus. Während es sich dabei lediglich um die direkten me-dizinischen Kosten handelt, die mit der Behandlung von Krankheiten verbunden sind, beinhalten die Krankheitskosten die gesamten Kosten, die einer Gesell-schaft durch Krankheit entstehen. Neben den direkten medizinischen Kosten sind dies insbesondere direkte Kosten ausserhalb des Gesundheitswesens (zum Beispiel Kinderbetreuung wegen Krankheit der Eltern oder Umbauarbeiten, die aufgrund eines eingeschränkten Gesundheitszustandes erforderlich werden), indirekte Kosten durch krankheitsbedingte Produktivitätsverluste am Arbeits-platz und Kosten der informellen Pflege durch Angehörige oder Bekannte sowie intangible Kosten aufgrund von Schmerzen und Leid, die mit Krankheit verbun-den sind.

Für gesundheitspolitische Entscheide ist es wichtig, das Gesamtbild im Auge zu haben und bei Massnahmen auf der Aufwandseite (Input) immer auch die Ertrags-wirkungen (Outcome) mitzuberücksichtigen. Dies bedeutet den Fokus weg von den Gesundheitsausgaben hin zu den gesamten Krankheitskosten zu lenken. Es gilt zu berücksichtigen, dass die Gesundheitsausgaben lediglich Mittel zum

Page 9: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 7

Zweck sind, nämlich die Gesundheit von kranken Menschen möglichst schnell und gut wiederherzustellen. Dies wiederum heisst letztlich nichts anderes, als die indirekten und die intangiblen Kosten von Krankheit zu reduzieren. In einer Gesamtkostenbetrachtung entspricht eine Kostenreduktion dementsprechend immer einer Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt. Werden lediglich Gesundheitsausgaben gesenkt, können die eingesparten Ausgaben unter Um-ständen negative Auswirkungen auf die indirekten und die intangiblen Kosten haben, wenn die Krankheiten dadurch weniger gut bekämpft werden können.

Dieses Argument verstärkt sich noch, wenn dynamische Zusammenhänge durch den medizintechnologischen Fortschritt mitberücksichtigt werden. Für die Ent-wicklung von medizinischen Innovationen muss erst einmal viel Zeit und Geld aufgewendet werden und der Nutzen daraus fällt häufig erst in Zukunft an. Eine statische Betrachtung der Gesundheitsausgaben berücksichtigt dementspre-chend vor allem kurzfristige Effekte für eine Volkswirtschaft. Die längerfristige Wohlfahrt lässt sich nur bestimmen, wenn auch der Einfluss von Gesundheits-ausgaben auf die gesamten Krankheitskosten berücksichtigt wird.

Die vorliegende Studie soll unter anderem Antworten auf folgende Fragen liefern:• WassindKrankheitskostenundauswelchenKomponenten bestehen diese?• WielassensichGesundheitsausgabenunterdemOberbegriff

Krankheitskosten einordnen?• InwelchenGrössenordnungenbewegensichdieGesundheitsausgaben

im Vergleich zu den restlichen Krankheitskosten in der Schweiz?• WiebeeinflussenGesundheitsausgabendieübrigenKrankheitskostenund

welche Rolle spielt dabei der medizintechnologische Fortschritt?• HabensichinderVergangenheitdieGesundheitsausgaben

insgesamt gelohnt?• WelcheSchlussfolgerungenergebensichfürdieRegulierungdes

Gesundheitswesens?

Die Studie gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 wird zunächst das ökonomische Kostenkonzept erläutert und eine Begriffsabgrenzung vorgenommen, bevor Ver-fahren zur Messung von Krankheitskosten vorgestellt werden. Das Kapitel schliesst mit einer Zusammenfassung der empirischen Evidenz für ausgewählte Krankheitsbilder in der Schweiz. Kapitel 3 setzt sich mit den dynamischen Effek-ten auseinander. Dabei wird die Interdependenz zwischen Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten aufgezeigt und der Frage nachgegangen, ob sich Gesund-

Page 10: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

8 Polynomics

heitsausgaben als Einsatz zur Reduktion der Krankheitskosten lohnen. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse der Argumentationslinien in Schlussfolgerungen zusammen und ordnet diese in den gesundheitspolitischen Kontext der Schweiz ein. Aus-führliche Beschreibungen zu den für die Schweiz durchgeführten Studien zur Er-mittlung der Krankheitskosten (Cost-of-Illness-Studien) finden sich für ausge-wählte Krankheitsbilder in Form von Steckbriefen in Kapitel 5.

Page 11: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma
Page 12: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

10 Polynomics

2 Gesundheitsausgaben – nur ein Teil der Krankheitskosten

2 .1 Kosten sind mehr als Ausgaben – das ökonomische KostenkonzeptLandläufig werden Kosten mit Ausgaben gleichgesetzt, das heisst unter Kosten werden Geldbeträge verstanden, die für etwas aufgewendet werden müssen. So spricht man auch häufig von Gesundheitskosten, wenn eigentlich die Gesund-heitsausgaben gemeint sind, nämlich alle monetären Aufwendungen innerhalb des Gesundheitswesens. Dabei handelt es sich um die gesamten Geldströme, welche in einem Land für Leistungen und Güter mit dem Ziel der Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege von Krankheiten und Unfällen getätigt werden (vgl. BFS, 2011a).

Ökonomisch gesehen handelt es sich bei Ausgaben aber lediglich um einen Teil der Kosten. So werden in der Volkswirtschaftslehre Kosten allgemein als entgan-gener Nutzen angeschaut. Man spricht dabei von Opportunitäts- oder Alterna-tivkosten, die aus den ungenutzten Möglichkeiten resultieren, auf die man ver-zichten muss. Solche Opportunitätskosten existieren immer, wenn Ressourcen knapp sind, auch wenn gar keine monetären Ausgaben getätigt werden. So leistet zum Beispiel Robinson Crusoe an niemanden Geldzahlungen und den-noch weiss er, dass die Kosten des Erdbeerpflückens als die geopferte Himbeer-menge – beziehungsweise als seinen Nutzen daraus – aufgefasst werden kön-nen, die er andernfalls mit dem gleichen Aufwand an Zeit und Mühe hätte pflücken können (vgl. Samuelson, 1976).

Der Unterschied zwischen Ausgaben und ökonomischen Kosten lässt sich ein-fach am Beispiel eines Hochschulstudiums zeigen. Ein Student einer Universität oder einer Fachhochschule hat Ausgaben zu tätigen, mit denen er das Studium finanziert. Dazu zählen beispielsweise Zahlungen für Studiengebühren, Bücher und Fahrtkosten. Neben diesen monetären Ausgaben investiert ein Student aber zusätzlich Zeit in das Studium, indem er an Vorlesungen teilnimmt, lernt, Arbeiten und Prüfungen schreibt. Diese Zeit könnte er auch für alternative Tätigkeiten verwenden, beispielsweise um einem Erwerb nachzugehen und Geld zu verdie-nen. Dieses nicht verdiente Geld sind Opportunitätskosten, die durch das Stu-dium anfallen. Die Gesamtkosten des Studiums beinhalten deshalb neben den finanziellen Ausgaben auch die Opportunitätskosten der eingesetzten Zeit in Form des entgangenen Verdiensts, welcher mit dieser Zeit hätte erwirtschaftet werden können.

Page 13: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 11

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bei Entscheidungen die Opportunitäts-kosten mitzuberücksichtigen. Steht jemand vor dem Entscheid, ein Hochschul-studium zu beginnen, wägt er üblicherweise Kosten und Nutzen dieses Ent-scheids ab. Berücksichtigt er nur die monetären Ausgaben, vernachlässigt er eine wichtige Kostenkomponente, was eventuell zu einer falschen Entscheidung führt. Abbildung 1 illustriert diesen Fall an einem fiktiven Zahlenbeispiel. Ist je-mand beispielsweise nur am Einkommen interessiert,1 kann es sein, dass bei einer Gesamtbetrachtung das Studium schlecht abschneidet, weil der voraus-sichtlich höhere Lohn, welcher sich mit einem Hochschulabschluss erzielen lässt, durch das nicht erwirtschaftete Einkommen während des Studiums überkom-pensiert wird. Der Nutzen aus dem Hochschulstudium wäre in diesem Fall kleiner als der Nutzenverlust beziehungsweise die Kosten daraus, da das investierte Geld und die eingesetzte Zeit anderweitig – mit insgesamt höherem Einkommen – eingesetzt werden könnten (vgl. Abbildung 1).

1 Selbstverständlich spielen bei einem solchen Entscheid auch andere, nicht monetäre Komponenten eine Rolle. Diese können aber grundsätzlich ebenso als Nutzen respektive Kosten behandelt werden.

Bei einem Kosten-Nutzen-Vergleich müssen immer die Opportunitätskosten berücksichtigt werden, da die Ausgaben nur einen Teil der Kosten darstellen. Anhand des fiktiven Zahlenbeispiels eines Hochschulstudiums zeigt sich, dass bei rein finanziellen Interessen die Vernachlässigung der Opportunitätskosten zu einem falschen Entscheid führen kann. Die Ausgaben und der Lohnverzicht während des Studiums können nicht mit dem höheren Lohn nach dem Studium kompensiert werden.Quelle: Polynomics.

Abbildung 1 | Vergleich Kosten/Nutzen eines Studiums

Ausgaben Ausgaben

10 000 CHF 350 000 CHF300 000 CHF 300 000 CHF

Nutzen

zukünftigeLohndifferenz

Nutzen

zukünftigeLohndifferenz

Opportunitäts- kosten

Lohnverzicht während

des Studiums

Ausgaben / Nutzen Studium Kosten / Nutzen Studium

Page 14: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

12 Polynomics

2 .2 Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten – eine Begriffsabgrenzung

Bei einer Krankheit handelt es sich grundsätzlich um einen Nutzenverlust, der anfällt, weil eine Verschlechterung des normalen Gesundheitszustands eintritt. Dieser Nutzenverlust äussert sich in verschiedenen Kosten, die nicht alle aus monetären Zahlungen beziehungsweise Ausgaben bestehen. Dazu zählen die Ressourcen, die aufgewendet werden müssen, um die Krankheit zu bekämpfen oder Opportunitätskosten, die anfallen, weil kranke Personen in ihrer Arbeitsleis-tung eingeschränkt sind. Ebenso sind durch eine Krankheit verursachte Schmer-zen und Leid unter den ökonomischen Kostenbegriff zu zählen.

Zur Berechnung der Krankheitskosten wird deshalb bei gesundheitsökono-mischen Evaluationen zwischen drei grundsätzlichen Kostenkategorien unter-schieden: direkten, indirekten und intangiblen Kosten (vgl. zum Beispiel Schöffski et al., 2008).

Direkte Kosten entsprechen monetären Ausgaben, die aufgrund der Krankheit erforderlich werden. Sie sind direkt in Geldeinheiten erfassbar und fallen so-wohl innerhalb als auch ausserhalb des Gesundheitswesens an. Direkte Kosten lassen sich dementsprechend in medizinische und nicht medizinische Kosten einteilen. Die direkten medizinischen Kosten entstehen unmittelbar durch den Ressourcenaufwand zur Behandlung einer Krankheit, zum Beispiel durch Medi-kamente, Krankenhausaufenthalte und ambulante ärztliche sowie pflegerische Leistungen. Die direkten nicht medizinischen Kosten umfassen hingegen diejeni-gen Ausgaben, die zwar durch die Folgen der Krankheit respektive Behandlung entstehen, aber nicht im Gesundheitswesen anfallen. Dazu gehören beispiels-weise Ausgaben für krankheitsbedingte Wohnungsumbauten, Fahrtkosten oder Haushaltshilfen.

Im Gegensatz zu den direkten Kosten bezeichnen indirekte Kosten Opportuni-tätskosten, die zwar Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch haben, aber keine direkten Zahlungen beziehungsweise Ausgaben nach sich ziehen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Produktivitätsverluste, welche aufgrund von Krankheit oder vorzeitigem Tod entstehen, das heisst, es gehen Ressourcen (in Form von Zeit) verloren, die anders hätten eingesetzt werden können. Am Ar-beitsplatz entstehen dabei sowohl Produktivitätsverluste durch krankheitsbe-dingte Fehlzeiten (Absentismus) als auch eingeschränkte Leistungsfähigkeit (Präsentismus). Insgesamt handelt es sich bei den indirekten Kosten um den Wert entgangener Arbeits- und Freizeit. Dies kann sowohl die Zeit von Patienten

Page 15: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 13

Krankheitskosten können in direkte, indirekte und intangible Kosten eingeteilt werden. Die Zuteilung einzelner Kostenpunkte zu der entsprechenden Kategorie fällt in der Literatur unterschiedlich aus. So wird z. B. die informelle Pflege teil-weise auch den direkten Kosten zugeteilt. In Krankheitskostenstudien selten berücksichtigt werden die intangiblen Kosten und die verlorene Freizeit. Auch informelle Pflege und Produktivitätsverluste werden teilweise vernachlässigt. Bei den Produktivitätsverlusten werden zudem meist nur Absentismus, d.h. krank-heits bedingte Abwesenheit am Arbeitsplatz, und vorzeitige Pensionierung berücksichtigt. Weiter entstehen Kosten durch Präsentismus – verminderte Leistungs fähigkeit bei Anwesenheit am Arbeitsplatz – und Produktivitätsverluste aufgrund von vorzeitigem Tod.Quelle: Polynomics.

Abbildung 2 | Kostenkategorien von Krankheitskosten

Schmerz,Leid

VerloreneFreizeit

InformellePflege

Produktivitäts-verluste

DirekteKosten

Gesamt-kosten

IndirekteKosten

IntangibleKosten

Präsentismus

Absentismus

VorzeitigePensionierung

oder Tod

Haushalthilfe

Umbauten/Hilfsmittel

Transport-dienste

Medikamente

ÄrztlicheLeistung

Pflege

nichtmedizinische

Kosten

medizinischeKosten

Kosten bezahlt durch:■ Patient, Freunde und Verwandte■ Arbeitgeber und Arbeitnehmer■ Patient, Versicherte, Steuerzahler

Page 16: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

14 Polynomics

als auch die Zeit von Angehörigen und Freunden sein, die beispielsweise einen Patienten unentgeltlich pflegen (informelle Pflege2).

Bei den intangiblen Kosten handelt es sich um Nutzenverluste, die durch eine Krankheit entstehen, jedoch keine direkten Auswirkungen auf den Ressourcenver-brauch haben. Dazu zählen physische und psychische Beeinträchtigungen wie Leid, Schmerz oder allgemein der resultierende Verlust an Lebensqualität. Wie der Name bereits sagt, lassen sich intangible Kosten nur schwer monetär fassen, da damit keine bewertbaren Ressourcenwirkungen verbunden sind. Abbildung 2 bie-tet einen grafischen Überblick über die Systematisierung der Krankheitskosten.

Diese grobe Aufteilung in direkte, indirekte und intangible Kosten zeigt bereits, dass nicht alle Krankheitskosten von denselben Personen getragen werden. Die konkrete Ausgestaltung des nationalen Gesundheitswesens hat dabei einen grossen Einfluss darauf, welche Gruppen die krankheitsbedingten Kosten tragen müssen. In der Schweiz werden die finanziellen Aufwendungen zur Bekämpfung einer Krankheit – die direkten medizinischen Kosten – vor allem durch die Versi-cherten (über Prämien), Steuerzahler (kantonale Beiträge an die stationären Aus-gaben und Prämienverbilligungen) und Patienten (über Selbstbehalte, Franchisen und Selbstzahlungen) bezahlt. Die direkten nicht medizinischen Kosten werden demgegenüber vor allem von den Patienten und ihren Angehörigen finanziert. Bei den indirekten Kosten tragen die Produktivitätsverluste der verminderten Arbeitsfähigkeit vor allem die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer selbst,3 während die krankheitsbedingten intangiblen Kosten durch Schmerz und Leid wiederum vornehmlich die Kranken und ihre Angehörigen trifft.

Wie ordnen sich nun die Gesundheitsausgaben in diese Systematisierung der Krankheitskosten ein? Wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt, handelt es sich bei den Gesundheitsausgaben um das Geld, welches in einem Land für Leistungen und Güter mit dem Ziel der Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege von Krankheiten und Unfällen aufgewendet wird. Damit entsprechen die Gesund-heitsausgaben genau den direkten medizinischen Kosten (monetäre Ausgaben innerhalb des Gesundheitswesens, vgl. Abbildung 3). Die Gesundheitsausgaben

2 Die Einteilung der einzelnen Kostenkategorien ist in der Literatur nicht immer einheitlich gestaltet. In einigen Studien wird insbesondere die informelle Pflege den direkten (nicht medizinischen) Kosten zugeteilt (vgl. zum Beispiel Kobelt et al., 2006a).

3 Im Gegensatz zu Krankheit wird bei einem Unfall ein Teil der indirekten Kosten von den Prämienzahlern der Unfallversicherung übernommen, da der Produktivitätsverlust aufgrund von Arbeitsunfähigkeit im obliga-torischen Taggeld der Versicherungsleistungen enthalten ist. Im Bereich der Krankenversicherung ist eine solche Taggeldversicherung hingegen freiwillig.

Page 17: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 15

bilden entsprechend der hier aufgezeigten Systematik lediglich einen Teilbereich der direkten und gesamten Krankheitskosten ab. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sind aber die gesamten Krankheitskosten entscheidend, unabhängig da-von, wo, bei wem und in welcher Form sie anfallen. Nur durch die Gesamtbe-trachtung lässt sich bestimmen, welche Kosten eine Volkswirtschaft durch eine spezifische Krankheit zu tragen hat.

2 .3 Wie lassen sich Krankheitskosten messen?Gesundheitsausgaben lassen sich relativ einfach ermitteln, da sie direkte Kosten sind und dementsprechend in Form von Geldzahlungen anfallen. So werden Gesundheitsausgaben jährlich von statistischen Ämtern auf nationaler Ebene erhoben und publiziert. Demgegenüber lassen sich die gesamthaft für eine Krankheit anfallenden Kosten nur schwer beziffern, da indirekte und intangible Kosten nicht direkt monetär anfallen, sondern über Umwege ermittelt werden müssen. In der Ökonomie wurden für diesen Zweck verschiedene Methoden und Konzepte entwickelt.

Die Messung von indirekten KostenBei der Ermittlung der indirekten Kosten bestehen die Hauptschwierigkeiten da-rin, zu bestimmen, wie viele Ressourcen (hauptsächlich in Form von Zeit) der

Abbildung 3 | Anteil der Gesundheitsausgaben an den Krankheitskosten

Krankheitskosten setzen sich aus den intangiblen, indirekten und direkten Kosten zusammen. Die Gesundheitsausgaben bilden jedoch nur einen Teil der Gesamtkosten ab, sie entsprechen den direkten medizinischen Kosten.Quelle: Polynomics.

Schmerz,Leid

VerloreneFreizeit

InformellePflege

Produktivitäts-verluste

Gesamt-kosten

IndirekteKosten

IntangibleKosten

nichtmedizinische

Kosten

medizinischeKosten

Gesundheits-ausgaben

DirekteKosten

Page 18: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

16 Polynomics

Volkswirtschaft durch Krankheit verloren gehen und wie diese bewertet werden sollen. Da es bei den indirekten Kosten teilweise um Produktivitätsverluste geht, die sich am Arbeitsmarkt manifestieren, liegen den in der Praxis verwendeten Messkonzepten unterschiedliche Annahmen über das Funktionieren des Ar-beitsmarkts zugrunde. Normalerweise wird bei der Bestimmung der indirekten Kosten zwischen den Produktivitätsverlusten am Arbeitsmarkt und den Oppor-tunitätskosten von informeller Pflege durch Angehörige unterschieden (vgl. Ab-bildung 4).

Zur Messung des Produktivitätsverlustes am Arbeitsmarkt wird in den meisten Krankheitskostenstudien der Humankapitalansatz (HKA) angewandt (vgl. dazu zum Beispiel Breyer et al., 2005; oder Zhang und Anis, 2010). Bei diesem Ansatz wird jede durch Krankheit nicht gearbeitete Stunde als Produktivitätsverlust be-trachtet.4 Krankheit bei Nichterwerbstätigen wie Pensionierten oder arbeitsunfä-higen Personen hat bei diesem Konzept entsprechend keine indirekten Kosten für die Volkswirtschaft zur Folge. Um die indirekten Kosten in monetären Werten zu erhalten, wird die Anzahl verlorener Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn multipliziert. Dahinter liegt gemäss ökonomischer Theorie die Annahme, dass der bezahlte Lohn die Produktivität der Arbeitnehmer widerspiegelt. Damit entspricht der Stundenlohn den Opportunitätskosten einer verlorenen Stunde Arbeit.

Ein Vorteil dieser Methode ist, dass sie relativ einfach umsetzbar ist und sich grundsätzlich auch auf Haushaltsarbeit, Freiwilligenarbeit oder Freizeit anwen-den lässt. Ein Kritikpunkt am Humankapitalansatz ist, dass der bezahlte Lohn in der Realität häufig nicht der effektiven Produktivität der Arbeitnehmer ent-spricht. Dabei findet typischerweise eine Unterschätzung der tatsächlichen Kos ten statt, wenn der Lohn, zum Beispiel aufgrund von Risikoaversion der Arbeitnehmer, unterhalb der Produktivität liegt (vgl. Zhang und Anis, 2010). Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass der Humankapitalansatz von Voll-beschäftigung am Arbeitsmarkt ausgeht. Falls dies nicht der Fall ist und eine gewisse Arbeitslosigkeit vorhanden ist, werden mit dem Humankapitalansatz gerade aus Sicht der Arbeitgeber nicht die tatsächlich anfallenden, sondern vielmehr die potenziellen Kosten berechnet. Bei diesem Argument käme es zu

4 Die meisten Krankheitskostenstudien sind prävalenzbasiert, das heisst, es werden die Krankheitskosten für alle gegenwärtig Erkrankten des aktuellen Jahres berechnet. Im Gegensatz dazu gibt es auch die Variante von inzidenzbasierten Krankheitskostenstudien. Bei dieser Variante werden die Kosten aller Neuerkran-kungen eines Jahres für deren gesamte Lebenszeit berechnet (vgl. Larg und Moss, 2011). Bei solchen inzidenzbasierten Studien werden alle in der Zukunft anfallenden Produktivitätsverluste mit einem Zinssatz (Diskontrate) auf einen Gegenwartswert (net present value) heruntergerechnet (vgl. zum Beispiel Johannesson, 1996; Drummond et al., 1997).

Page 19: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 17

Abbildung 4 | Methoden zur Messung von indirekten Kosten

Zur Messung von indirekten Kosten stehen verschiedene Methoden zur Verfü-gung. Bei den Produktivitätsverlusten kann zwischen dem Humankapitalansatz (HKA) und dem Friktionskostenansatz (FKA) unterschieden werden. Der HKA berücksichtigt alle Produktivitätsverluste bis zur Pensionierung, während der FKA die Produktivitätsverluste auf eine sogenannte Friktionszeit beschränkt. Dies beruht auf der Annahme, dass der kranke Arbeitnehmer nach einer gewis-sen Zeit durch jemanden ersetzt wird, der bisher arbeitslos war. Auch zur mone-tären Bewertung der informellen Pflege bestehen zwei unter schiedliche Metho-den, der Ersetzungskostenansatz (EKA) und der Opportunitätskostenansatz (OKA). Beim EKA wird die durch Pflege aufgewendete Zeit mit dem Marktlohn für Pflege bewertet, während der OKA die tatsächlichen Opportunitätskosten des Pflegenden berücksichtigt.Quelle: Polynomics.

IndirekteKosten

InformellePflege

Produktivitäts-verlust

Friktionskosten-ansatz

Opportunitäts-kostenansatz

Ersetzungs-kostenansatz

Humankapital-ansatz

einer Überschätzung der tatsächlichen Kosten, weil beispielsweise Arbeitgeber einen nicht mehr arbeitsfähigen chronischen Kranken irgendwann ersetzen wer-den (vgl. van den Hout, 2010).

Vor allem um dem zweiten Kritikpunkt zu begegnen, wurde der Humankapitalan-satz zum Friktionskostenansatz (FKA) weiterentwickelt (vgl. Koopmanschap und van Ineveld, 1992). Beim Friktionskostenansatz wird der Erwerbsausfall nicht bis zur Pensionierung berechnet, sondern auf eine sogenannte Friktionszeit begrenzt. Es werden nur die Produktionsverluste berechnet, bis die erkrankte Person durch einen neuen (bisher arbeitslosen) Arbeitnehmer ersetzt wird. Die Friktionszeit ist abhängig von der Verfügbarkeit von Arbeitssuchenden, das heisst von der Höhe der Arbeitslosigkeit. Zusätzlich zum Produktivitätsverlust entstehen Transaktions-kosten für die Suche und Einarbeitung des neuen Mitarbeiters. Auch bei kurzfris-

Page 20: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

18 Polynomics

tiger Arbeitsunfähigkeit ohne Ersatz durch einen neuen Mitarbeiter wird beim FKA ein geringerer Produktionsverlust als beim HKA unterstellt. Es wird davon ausge-gangen, dass ein Teil der Arbeit vorübergehend von Kollegen übernommen oder nach der Rückkehr zum Arbeitsplatz erledigt werden kann.

Der wichtigste Kritikpunkt am Friktionskostenansatz ist, dass die tatsächlichen indirekten Kosten unterschätzt werden, da er auf Erwerbstätigkeit beschränkt ist und Opportunitätskosten von Freiwilligenarbeit und entgangener Freizeit nicht berücksichtigt werden. Wie auch beim HKA fallen somit für Pensionierte oder Nichterwerbstätige keine indirekten Kosten aus Produktivitätsverlusten an. In der Literatur der Krankheitskostenstudien hat sich der Friktionskostenansatz bisher nicht durchgesetzt, mehrheitlich wird immer noch die Humankapitalmethode zur Messung der indirekten Kosten angewandt.

Neben der Methode zur Berechnung des Produktivitätsverlustes gibt es auch für die Bemessungsgrundlage einer Einheit Produktivitätsverlust unterschiedliche Ansätze. Dabei kann der individuelle Lohn erfasst oder das durchschnittliche nationale Einkommen verwendet werden. Letzteres lässt sich zusätzlich nach Geschlecht und Alter differenzieren. Anstatt des nationalen Bruttolohns kann auch der Mehrwert der Produktivität (added value of productivity) verwendet werden. Der Wert basiert auf der gesamten Produktion im Inland und berück-sichtigt Unterschiede zwischen Alter und Geschlecht. Da der Rückgang der Ar-beitsproduktivität nicht proportional zur Reduktion der jährlichen Arbeitszeit ist, wird ein Elastizitätsfaktor als Korrektur eingeführt (vgl. Verstappen et al., 2005).

Die indirekten Kosten für die informelle Pflege werden im Gegensatz zu den Produktivitätsverlusten am Arbeitsplatz aufgrund der schwierigen Erfassung in der Literatur oft vernachlässigt. Bei den Bewertungsmethoden kann zwischen dem Opportunitätskosten- und dem Ersetzungskostenansatz unterschieden werden. Beim Opportunitätskostenansatz (OKA) wird davon ausgegangen, dass Individuen so lange arbeiten, bis der Grenznutzen der Arbeit den Grenzkosten der Freizeit entspricht, das heisst die Opportunitätskosten der Freizeit entspre-chen dem eigenen Nettolohnsatz. Demgegenüber wird beim Ersetzungskosten-ansatz (EKA) die für Pflege aufgewendete Zeit mit dem Marktlohn für Pflege und Haushaltsführung verrechnet. Dies entspricht den Kosten, die bei einer profes-sionellen Pflege entstünden, unabhängig von den tatsächlichen Opportunitäts-kosten des informellen Pflegers. Der Opportunitätskostenansatz definiert dabei eher eine Untergrenze und der Ersetzungskostenansatz eine Obergrenze der tatsächlichen Kosten, da davon ausgegangen werden kann, dass informelle

Page 21: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 19

Pflege nur dann durchgeführt wird, wenn die Opportunitätskosten der Freizeit des Pflegenden geringer sind als die Kosten für eine professionelle Pflege (vgl. Krauth, 2010).

Die Messung von intangiblen KostenDeutlich schwieriger gestaltet sich – wie der Name bereits sagt – die Messung der intangiblen Kosten von Krankheit, da keine Ressourcenwirkungen damit ver-bunden sind, die bewertet werden könnten. Vielmehr handelt es sich bei dieser Kostenart um einen reinen Nutzenverlust. Will man trotzdem etwas über die Grössenordnung dieser Kosten aussagen, müssen sie in Geldeinheiten bewertet werden. In der Ökonomie wird zur Bewertung von Nutzen üblicherweise das Konzept der Zahlungsbereitschaft verwendet. Die diesem Konzept zugrunde-liegende Annahme ist, dass der Nutzen aus einem Gut 5 der Wert ist, den ihm die Personen beimessen, die es konsumieren oder nutzen. Der Betrag, den eine Person für ein bestimmtes Gut zu bezahlen bereit ist, variiert dabei von In-dividuum zu Individuum. Im Fall von handelbaren Gütern, die verkauft werden, bestimmt der Vergleich von Zahlungsbereitschaft und Preis darüber, ob das Gut gekauft wird oder nicht. Eine Person wird ein Gut kaufen, wenn die Zahlungsbe-reitschaft grösser als der verlangte Preis ist, wenn also der Nutzen aus dem Gut die damit verbundenen Kosten übersteigt. Wenn der Preis genau der Zahlungs-bereitschaft entspricht, wird die Person unentschieden sein, das Gut zu kaufen oder das Geld zu behalten. Der Nutzen aus dem Gut ist in diesem Fall genau gleich gross wie die damit verbundenen Kosten. Liegt der Preis über der Zah-lungsbereitschaft, wird die Person das Gut nicht kaufen, da die Kosten grösser sind als der Nutzen aus dem Gut.

Auch der Nutzen aus nicht handelbaren Gütern lässt sich mit dem Konzept der Zahlungsbereitschaft erfassen. Im Zusammenhang mit den intangiblen Kosten von Krankheit lässt sich der Nutzenverlust bestimmen, indem die Zahlungsbe-reitschaft zur Vermeidung von Schmerz und Leid beziehungsweise für eine un-eingeschränkte Lebensqualität bestimmt wird. Dies entspricht nichts anderem als einer monetären Bewertung des damit verbundenen Nutzenverlustes.

Grundsätzlich lassen sich Zahlungsbereitschaften mit direkten oder indirekten Methoden bestimmen (vgl. Abbildung 5). Bei den indirekten Methoden, den so-genannten «Revealed-Preference-Methoden», werden offenbarte Präferenzen

5 Der Begriff Gut ist in diesem Zusammenhang allgemein zu verstehen. Neben Konsumgütern können auch Dienstleistungen oder nicht gehandelte Güter wie zum Beispiel eine schöne Landschaft oder eben Gesund-heit beziehungsweise Schmerzfreiheit darunter gefasst werden.

Page 22: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

20 Polynomics

untersucht. Hierbei werden Verhaltensweisen in der Realität beobachtet und da-raus Rückschlüsse auf die Zahlungsbereitschaft für ein Produkt gezogen. So lässt sich beispielsweise aus dem Kauf eines Schmerzmittels der Wert für Schmerz-freiheit ableiten. Für Personen, die keine Schmerzmittel kaufen, kann davon aus-gegangen werden, dass der Nutzen kleiner als der Marktpreis ist. Für die Käufer bildet der Marktpreis demgegenüber die Untergrenze des Wertes, den sie Schmerzfreiheit beimessen. Variiert die Höhe der akzeptierten Preise über Indivi-duen oder verschiedene Gruppen hinweg, lassen sich aus den Kaufentschei-dungen Zahlungsbereitschaften ableiten (vgl. zum Beispiel Johannesson, 1996).

Intangible Kosten entsprechen einem Nutzenverlust, der sich mit dem Zahlungs-bereitschaftsansatz monetär bewerten lässt. Dazu kann entweder eine direkte oder eine indirekte Methode angewandt werden. Bei der indirekten Methode (Revealed-Preference-Methode) wird versucht, die Zahlungsbereitschaft einer Person anhand ihres Verhaltens indirekt abzuleiten, während die direkte Methode (Stated-Preference-Methode) die Zahlungsbereitschaft mittels direkten Befra-gungen oder Discrete-Choice-Experimenten innerhalb einer Umfrage misst. Beide Methoden sind jedoch mit einem relativ hohen Aufwand verbunden. Die intangiblen Kosten können auch über den QALY-Ansatz (Quality Adjusted Life Years) näherungsweise ermittelt werden. Dabei wird der Nutzenverlust aufgrund der Krankheit ermittelt und mit einem pauschalen Kostenansatz pro QALY monetarisiert.Quelle: Polynomics.

Dir. Methode«Stated

Preference»

Indir. Methode«Revealed

Preference»

Discrete-Choice-

Experiment

Zahlungs-bereitschaft

QALY

Intangible Kosten

Contingent-Valuation-Methode

Abbildung 5 | Methoden zur Messung von intangiblen Kosten

Page 23: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 21

Die Auswertung solcher beobachteter Daten erweist sich aus statistischer Sicht oftmals als problematisch. Zum einen besteht Unklarheit, ob dem Individuum bei der Wahlentscheidung die jeweiligen Alternativen überhaupt bekannt waren. Da die meisten Entscheidungen auf mehreren Kriterien beruhen, ist auf Basis dieser Daten nicht sicherzustellen, dass auch alle Aspekte in die Entscheidungsfindung eingeflossen sind. Zum anderen lassen sich Revealed-Preference-Methoden meist nur bei sehr speziellen Situationen anwenden, bei denen überhaupt solche Produkte auf einem Markt existieren und sich Kaufentscheidungen beobachten lassen, aufgrund derer man auf die Zahlungsbereitschaft schliessen kann. Ge-rade im Bereich von intangiblen Kosten von Krankheiten dürfte dies selten erfüllt sein.6

Als Alternative zu den indirekten Methoden wurden in der Ökonomie sogenannte «Stated-Preference-Methoden» entwickelt. Bei diesen direkten Methoden wer-den geäusserte Präferenzen in Form von Umfragen erfasst. Grundsätzlich kann zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden. Mit der Contingent-Valuation-Methode wird die Person mittels Fragebogen oder persönlichem Interview nach ihrer Zahlungsbereitschaft befragt, während in Discrete-Choice-Experimenten die Zahlungsbereitschaft auf Basis diskreter Entscheidungen zwischen verschie-den ausgestalteten Szenarios ermittelt wird (vgl. dazu Telser, 2002). Beide Ver-fahren erfordern eine Befragung von Patienten und Angehörigen, was mit einem grossen Aufwand verbunden ist. Daher werden sie in Krankheitskostenstudien selten angewandt.

Als Näherung, die intangiblen Kosten zu ermitteln, wird in einigen Studien ein sogenannter «QALY-Ansatz» (Quality Adjusted Life Years) eingesetzt. Ein QALY ist ein Mass für die Bewertung eines Lebensjahres in Abhängigkeit des Gesund-heitszustandes. Bei voller Gesundheit beträgt das QALY den Wert eins. Je nach-dem wie einschränkend eine Krankheit ist, fällt der Wert geringer aus, bis er bei Tod null beträgt. Der Nutzenverlust aus einem Lebensjahr bei nicht vollständiger Gesundheit wird dann anhand einer Monetarisierung des QALY ermittelt. Hierzu werden in den Studien meist pauschale Kostenansätze gewählt. Über den «rich-tigen» oder «angemessenen» Wert eines QALY wird in der Literatur umfassend diskutiert (Eichler et al., 2004), eine individuelle Betrachtung des Nutzenverlustes durch Krankheit lässt sich mit diesem Ansatz aber nicht vornehmen.

Insgesamt gestaltet sich die Ermittlung der Zahlungsbereitschaft zur Verhinde-rung von Schmerz, Leid und eingeschränkter Lebensqualität bei Patienten und 6 Für weitere Beispiele des Einsatzes von Revealed-Preference-Methoden vgl. Telser (2002, Kap. 2).

Page 24: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

22 Polynomics

Angehörigen als deutlich aufwendiger als die Berechnung der direkten und indi-rekten Kosten. Entsprechend verzichten die meisten Krankheitskostenstudien darauf, die intangiblen Kosten zu berechnen, und weisen nur direkte und indi-rekte Kosten aus.

2 .4 Wie hoch sind die Krankheitskosten in der Schweiz?Krankheitskostenstudien (Cost-of-Illness-Studien) werden im Normalfall durch-geführt, um die volkswirtschaftlichen Kosten einzelner Krankheiten zu erkennen. Es handelt sich dementsprechend immer um Partialanalysen. Die Frage, wie hoch die gesamten Krankheitskosten in der Schweiz ausfallen, wird sich anhand der wissenschaftlichen Literatur nicht abschliessend beantworten lassen. Die bestehenden Krankheitskostenstudien können aber dahingehend verwendet werden, die Grössenordnungen von Gesundheitsausgaben und Krankheitsko-sten für spezifische Krankheitsbilder abzuschätzen und daraus Schlussfolge-rungen für das gesamte Gesundheitswesen zu ziehen. Vorzugsweise werden solche Schlussfolgerungen aufgrund von Studien mit Bezug zur Schweiz gezo-gen, da die nationalen Gesundheitswesen häufig sehr unterschiedlich ausgestal-tet sind, wodurch die Aufteilung der Kostenkategorien in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausfallen kann.

Im Folgenden werden die Hauptergebnisse aus sieben Studien, in denen die Gesamtkosten von unterschiedlichen Krankheiten für die Schweiz aufgezeigt werden, dargestellt.7 Es handelt sich dabei um Studien, die alle in den letzten Jahren publiziert wurden und die sowohl Angaben zu direkten als auch indirekten Kosten einer Krankheit machen, sodass es möglich ist, aktuelle Aussagen über das Verhältnis von Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten für verschie-dene Krankheitsbereiche zu machen. Ältere Studien und solche, die nur unge-nügende Angaben zu einzelnen Kostenkomponenten machten, wurden für die im Folgenden aufgeführte Zusammenstellung ausgeschlossen.

Die sieben Studien mit Krankheitskosten für die Schweiz beschäftigen sich über-wiegend mit chronischen Krankheiten, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass chronische Krankheiten aufgrund der demografischen Alterung immer häufiger auftreten und an Wichtigkeit gewinnen (vgl. Christensen et al., 2009). Drei Arbei-ten berechnen Kosten von Gehirnerkrankungen, wobei neben Multipler Sklerose (Kobelt et al., 2006a und 2006b) und Demenz (Kraft et al., 2010) eine Übersichts-studie alle wichtigen Hirnerkrankungen abdeckt (Andlin-Sobocki et al., 2005).

7 Genauere Beschreibungen der Studien und ihrer Resultate finden sich in Kapitel 5.

Page 25: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 23

Weitere chronische Krankheiten, für die Schweizer Kostenzahlen vorliegen, sind Krebs (Jönsson und Wilking, 2007), rheumatoide Arthritis (Lundkvist et al., 2008) und chronische Kreuzschmerzen (Wieser et al., 2010). Bei der einzigen Krank-heitskostenstudie mit einer akuten Krankheit handelt es sich um Sepsis respek-tive Blutvergiftung (Schmid et al., 2004).

Selbstverständlich handelt es sich bei den Krankheitsbildern in diesen sieben Studien nicht um eine repräsentative Auswahl aller Krankheiten in der Schweiz. Mit rheumatoider Arthritis, Krebs und Gehirnerkrankungen (inklusive Depres-sionen und Migräne) finden sich unter den Studien jedoch vier der sieben häu-figsten chronischen Krankheiten in der Schweiz. Zusätzlich behandelt die Studie über Kreuzschmerzen die häufigste körperliche Beschwerde in der Schweiz, an der beinahe die Hälfte der Bevölkerung leidet und die nicht direkt einer Krankheit zugeordnet werden kann (vgl. BFS, 2010).

Tabelle 1 bietet einen Überblick über die in diesen Studien gesamthaft ermittelten Kosten für die Schweiz. Die Gesamtkosten setzen sich dabei im Wesentlichen aus direkten medizinischen und direkten nicht medizinischen sowie indirekten Kosten (Produktivitätsverlust und informelle Pflege) zusammen.8 Die direkten medizinischen Kosten sind, wie in Kapitel 2.2 beschrieben, den Gesundheitsaus-gaben für diese Krankheit gleichzusetzen. Die Resultate zeigen zum einen, dass sich die Gesamtkosten pro Krankheitsbild für die Schweiz teils deutlich unter-scheiden. Dies ist nicht weiter erstaunlich, liegen den verschiedenen Krankheiten doch ganz andere Prävalenzzahlen und Behandlungsformen zugrunde.

Die höchsten Kosten verursachen neben den Gehirnerkrankungen, welche zwölf verschiedene Erkrankungen erfassen, die Kreuzschmerzen. Beide weisen relativ geringe Kosten pro Patient auf, haben aber eine hohe Prävalenz. Pro Patient die teuerste Krankheit ist Sepsis, gefolgt von Demenz und Multipler Sklerose (vgl. dazu Kapitel 5). Die relativ geringe Prävalenz dieser Krankheiten führt dennoch zu insgesamt niedrigeren Gesamtkosten. Ein direkter Vergleich zwischen den Krankheiten ist jedoch nur bedingt möglich, da die Studien teilweise unterschied-liche Methoden und Daten verwendet haben.

Ein Hauptresultat aus diesem Überblick ist die Erkenntnis, dass die direkten medizinischen Kosten – die Gesundheitsausgaben – praktisch bei jedem Krank-heitsbild einen relativ kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen. Einzig bei De-

8 Intangible Kosten wurden lediglich in der Studie zu den Kosten der Multiplen Sklerose berechnet und sind hier deshalb nicht ausgewiesen (vgl. Kobelt et al., 2006a und Kapitel 5.1).

Page 26: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

24 Polynomics

menz erreichen die Gesundheitsausgaben einen Anteil von über 50 Prozent, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Demenz überwiegend ältere Personen betrifft, die sich meist nicht mehr im Arbeitsprozess befinden. Arbeitsproduktivi-tätsverluste wurden deshalb für Demenzkrankheiten nicht ermittelt. Dies schlägt sich in geringeren indirekten Kosten nieder. Bei allen anderen Krankheiten errei-chen die Gesundheitsausgaben zwischen 26 und 40 Prozent der Gesamtkosten. Im Durchschnitt liegen sie etwa bei gut einem Drittel.

Dieses Resultat gilt auch für Sepsis, die einzige Akuterkrankung unter den be-rücksichtigten Studien. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass der Anteil der indirekten Kosten bei Akuterkrankungen deutlich niedriger ausfällt als bei den chronischen Krankheiten, da die Produktivitätsverluste sich auf einen kürze-ren Zeitraum beschränken.9 Auf der anderen Seite unterschätzen die meisten Studien die indirekten Kosten, da üblicherweise nur Produktivitätsverluste und informelle Pflege berücksichtigt werden. Indirekte Kosten bei Nichterwerbstäti-gen und allgemein die Kosten von entgangener Freizeit werden selten berück-sichtigt.

Insgesamt zeigen die Resultate relativ deutlich, dass ein Grossteil der Krank-heitskosten nicht in den offiziellen Statistiken des Gesundheitswesens auftaucht. Aufgrund der präsentierten Studien kann man davon ausgehen, dass die Krank-heitskosten, die der Volkswirtschaft ausserhalb des Gesundheitswesens oder in indirekter Form anfallen, ungefähr zwei Drittel ausmachen. Die Gesundheitsaus-gaben zeigen somit nur gerade ein Drittel der Gesamtkosten auf.

9 Die indirekten Kosten von Sepsis werden hauptsächlich durch die hohe Mortalitätsrate verursacht, in der untersuchten Studie lag sie bei knapp 50 Prozent. Dadurch resultierten hohe Produktivitätsverluste aufgrund von vorzeitigem Tod, die in dieser Studie mit in die Berechnung einfliessen.

Page 27: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 25

Tabelle 1 | Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten in der Schweiz

Gesundheits-

ausgaben (direkte medizinische

Kosten) in Mio. CHF/a

Direkte nicht medizinische

Kosten in Mio. CHF/a

Indirekte Kosten

in Mio. CHF/aGesamtkosten in Mio. CHF/a

Anteil Gesundheits-ausgaben an Krankheits-

kosten

Multiple Sklerose 192 55 273 520 37.0%

Sepsis 355 k.A. 844 1 199 29.6%

Rheumatoide Arthritis

790 278 1 332 2 400 32.9%

Demenz 3 486 k.A. 2 771 6 257 55.7%

Krebs 3 062 241 4 593 7 655 40.0%

Kreuzschmerzen (HKA)

2 751 1 224 6 316 10 291 26.7%

Kreuzschmerzen (FKA)

2 751 1 224 3 390 7 365 37.3%

Gehirn- erkrankungen

6 082 2 696 9 831 18 609 32.7%

HKA: Humankapitalansatz; FKA: Friktionskostenansatz zur Berechnung der Produktivitätsverluste

Die Gesamtkosten einer Krankheit setzen sich aus den direkten medizinischen, den direkten nicht medizinischen und den indirekten Kosten zusammen. Die intangiblen Kosten werden hier nicht berücksichtigt, da sie nur in einer Studie zu Multipler Sklerose berechnet wurden. Die direkten medizinischen Kosten wider-spiegeln dabei die Gesundheitsausgaben. Es zeigt sich, dass diese nur ein kleinen Anteil der Krankheitskosten ausmachen, durchschnittlich gut einen Drittel. Die indirekten Kosten machen im Durchschnitt 55% der Gesamtkosten aus. Insgesamt verursachen neben den Gehirnerkrankungen, welche zwölf Erkrankungen erfassen, Kreuzschmerzen die höchsten Kosten. Aber auch Krebs und Demenz verursachen mit rund 6 bis 8 Mrd. CHF pro Jahr hohe Kosten für die schweizerische Volkswirtschaft.Quelle: Andlin-Sobocki et al. (2005), Jäger et al. (2008), Jönsson und Wilking (2007), Kobelt et al. (2006a), Kraft et al. (2010), Lundkvist et al. (2008), Schmid et al. (2004), Wieser et al. (2010), eigene Berechnungen.

Page 28: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

26 Polynomics

3 Gesundheitsausgaben können Krankheitskosten reduzieren

3 .1 Gesundheitsausgaben beeinflussen Krankheitskosten – ein ÜberblickDie bisherigen Ausführungen zu Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten in Kapitel 2 haben gezeigt, dass die in den offiziellen Statistiken ausgewiesenen Gesundheitsausgaben nur einen Teil der gesamten Krankheitskosten ausma-chen. Dabei handelte es sich um eine rein statische Analyse. Die Gesundheits-ausgaben werden in einer solchen Betrachtung als eine reine Kostenkompo-nente von Krankheit angesehen. Neben diesem statischen Ergebnis bestehen aber auch noch dynamische Zusammenhänge zwischen Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten, wodurch ein einseitiges Fokussieren auf Gesundheits-ausgaben zu Fehleinschätzungen führen kann.

Der dynamische Zusammenhang kommt deshalb zustande, weil die Gesund-heitsausgaben nur dann anfallen, wenn eine Krankheit überhaupt bekämpft wird.10 Würde Krankheit nicht bekämpft werden, müssten keine Ressourcen im Gesundheitswesen aufgewendet werden. Die Krankheit würde dabei ihren Lauf nehmen und zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen, was Krankheitskosten in Form von Opportunitätskosten11 durch entgangene Arbeits- und Freizeit sowie von Nutzenverlusten durch reduzierte Lebensqualität nach sich ziehen würde. Die Krankheitskosten würden in einem solchen Szenario le-diglich aus indirekten und intangiblen Kostenelementen bestehen (vgl. Abbildung 6, oberer Teil).

Erst wenn Ressourcen aufgewendet werden, um eine Krankheit zu bekämpfen, fallen Gesundheitsausgaben an, was ceteris paribus die gesamten Krankheits-kosten erst einmal erhöht. Durch die Bekämpfung der Krankheit werden die Gesundheitsausgaben aber in einem solchen Szenario zu einem Input, mit dem der Output beziehungsweise Outcome bessere Gesundheit «produziert» werden soll. Dies führt zu weniger schlimmen Folgen von Krankheit und damit auch zu einer Reduzierung von indirekten und intangiblen Kosten gegenüber einem Zu-stand ohne Bekämpfung (vgl. Abbildung 6, unterer Teil). Führt eine medizinische Behandlung beispielsweise dazu, dass ein Patient schneller gesund wird und früher wieder arbeiten kann, reduzieren sich die indirekten Kosten aus Produk-

10 Prävention kann in diesem Zusammenhang als Bekämpfung einer Krankheit vor deren Ausbruch verstanden werden.

11 Dazu zählen auch Kosten durch einen krankheitsbedingten frühzeitigen Tod.

Page 29: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 27

Diese Grafik stellt die Zusammenhänge zwischen Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten stark vereinfachend dar. Gesundheitsausgaben fallen bei der Bekämpfung einer Krankheit an. Ohne eine solche Bekämpfung würde Krankheit zu einem verschlechterten Gesundheitszustand mit daraus folgenden indirekten und intangiblen Kosten führen (oberer Teil der Abbildung). Erst wenn Ressourcen aufgewendet werden, um eine Krankheit zu bekämpfen, fallen die Gesundheits-ausgaben als Kosten dieser Ressourcen an. Dadurch erhöhen sich zwar die Krankheitskosten, gleichzeitig fungieren die Gesundheitsausgaben aber als Input, was zu einem besseren Gesundheitszustand und niedrigeren indirekten und intangiblen Krankheitskosten führt (unterer Teil der Abbildung).Quelle: Polynomics.

Gesundheitszustand

Gesundheitszustand

Indirekte undintangible

Krankheitskosten

Gesundheitszustand

Gesundheitszustand

Gesund-heits-

ausgaben

Krankheit

Krankheit Ressourcen-einsatz

Indirekte undintangible

Krankheitskosten

Abbildung 6 | Zusammenhänge zwischen Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten

Page 30: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

28 Polynomics

tivitätsverlusten am Arbeitsplatz. In einer Situation mit Gesundheitsausgaben als Input im Gesundungsprozess bestehen dementsprechend Substitutionsbezie-hungen zwischen den Gesundheitsausgaben als direkte medizinische Kosten und den anderen Krankheitskostenkomponenten, namentlich den indirekten und den intangiblen Kosten.12

Die dynamische Komponente verstärkt sich noch, wenn der medizintechnolo-gische Fortschritt mitberücksichtigt wird. Dieser führt im Normalfall dazu, dass die direkten medizinischen Kosten – die Gesundheitsausgaben – steigen, da die Innovationen meist teurer als herkömmliche Verfahren sind. Gleichzeitig lassen sich Krankheiten wirkungsvoller behandeln, was die indirekten und die intan-giblen Kosten stärker reduziert. Ein neues Medikament, welches beispielsweise Schmerzen bei Arthritis wirksam bekämpft, führt dazu, dass die intangiblen Kos-ten der verminderten Lebensqualität aus dieser Krankheit kleiner werden.

Es gibt eine Vielzahl an wissenschaftlicher Literatur, welche die Substitutionsbe-ziehung, dass medizintechnologischer Fortschritt indirekte und intangible Kos-ten reduziert, belegt. Die meisten dieser Studien führen den Nachweis entweder auf der Ebene einer Krankheit oder einer bestimmten Behandlungsart. Einen Überblick über diese Literatur zu geben, würde den Rahmen der vorliegenden Studie sprengen, weshalb nachfolgend lediglich einige wenige Arbeiten exem-plarisch aufgeführt sind.

12 Zusätzlich ist es möglich, dass Substitutionsbeziehungen innerhalb der Gesundheitsausgaben bestehen, indem zum Beispiel Verschiebungen von einer stationären zu einer ambulanten Behandlung stattfinden (vgl. Lichtenberg, 2001, aber auch Law und Grépin, 2010).

Page 31: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 29

Gesundheitsausgaben als Kostenkomponente oder Input für bessere Gesundheit – das Beispiel der demografischen AlterungDer Unterschied zwischen der statischen Sichtweise, bei der die Gesundheits-ausgaben vor allem als Kostenkomponente von Krankheit gesehen werden, und der dynamischen, welche Gesundheitsausgaben als Input für bessere Gesund-heit betrachtet, lässt sich am Beispiel der Debatte zur demografischen Alterung darstellen. In den Industrienationen sind die in den letzten 30 Jahren stark stei-genden Gesundheitsausgaben mit einem bemerkenswerten Zuwachs an Lebens-erwartung vor allem bei den Personen über 60 Jahre einhergegangen (vgl. Chri-stensen et al., 2009).

In der Literatur werden die Auswirkungen der höheren Lebenserwartung auf die Gesundheit kontrovers diskutiert. Es existieren zwei konkurrierende Theorien. Die Kompressionsthese geht davon aus, dass die Menschen mit steigender Lebens-erwartung bis ins hohe Alter weitgehend gesund bleiben und schwere Krank-heiten sich erst im letzten Lebensabschnitt, also kurz vor dem Tod, einstellen (Fries, 1980). Die gewonnenen Jahre werden vornehmlich in guter Gesundheit verlebt. Krankheit tritt in der Phase kurz vor dem Tod auf. Diese Phase verkürzt sich durch die bessere Medizin aber zunehmend. Dagegen geht die Expansions- oder Medikalisierungsthese davon aus, dass die höhere Lebenserwartung zu mehr Alterskrankheiten führt und die gewonnenen Jahre zunehmend in Krankheit und Behinderung verbracht werden (vgl. Olshansky et al., 1991).

Beide Theorien können höhere Gesundheitsausgaben zur Folge haben. Im Fall der Expansionsthese sind diese sogar zwingend die Folge aus der demogra-fischen Alterung. Die steigende Lebenserwartung wird mit mehr chronischen Alterskrankheiten und als Folge davon höheren Gesundheitsausgaben «erkauft». Bei der Kompressionsthese können Gesundheitsausgaben steigen, weil diese als Input für eine Verbesserung des Gesundheitszustands im Alter betrachtet werden. Ältere Menschen können hohe Gesundheitsausgaben verursachen und trotzdem nicht behindert oder pflegebedürftig sein. Wenn die medizinischen Massnahmen wirken, führen sie zu einer Verbesserung der Gesundheit und verhindern Behin-derungen und Pflegebedürftigkeit (vgl. Niehaus, 2006).

Die meisten Studien, die sich mit demografischer Alterung beschäftigen kommen zum Schluss, dass die bisherigen Entwicklungen eher für die Kompressionsthese sprechen. Am wahrscheinlichsten ist aber eine Mischform aus den beiden The-sen, im Sinne, dass zwar häufiger chronische Alterskrankheiten auftreten, diese aber weniger schwer ausfallen als früher und das Alter somit insgesamt in einem

Page 32: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

30 Polynomics

besseren Gesundheitszustand verbracht wird als bis anhin (vgl. z. B. Christensen et al., 2009). Dies ist ein klarer Hinweis dafür, dass im dynamischen Zeitverlauf der Inputcharakter der Gesundheitsausgaben gegenüber der reinen Kostenkom-ponente überwiegt.

Die allermeisten Studien beschäftigen sich mit der Wirkung von medizintechno-logischem Fortschritt in Form von neuen Verfahren, Geräten oder Medikamenten auf den Gesundheitszustand. Gerade im Bereich der Medikamente existiert eine Vielzahl an Studien, da die Zulassungsbehörden in den meisten Ländern einen Nachweis besserer Wirksamkeit verlangen, bevor ein neues Präparat eingesetzt werden darf. Als Beispiel sei der technologische Fortschritt im Bereich der Anti-koagulantien zur Hemmung der Blutgerinnung genannt. Hier hat beispielsweise der neue Wirkstoff Rivaroxaban das Risiko einer Thrombose nach grossen or-thopädischen Operationen um rund die Hälfte senken können (vgl. Eriksson et al., 2008, und Lassen et al., 2008).

Einige Studien gehen einen Schritt weiter und untersuchen die Auswirkungen auf Krankheitskostenkomponenten, die sich aus dem medizintechnologischen Fort-schritt ergeben. Zhang und Anis (2010) zeigen in einer Überblicksstudie bei-spielsweise im Fall von rheumatoider Arthritis auf, dass neue Behandlungsformen mit Biologika zu bis zu 50 Prozent weniger Arbeitsplatzverlusten führten. Zudem liessen sich mit diesen Innovationen sowohl die Abwesenheiten vom Arbeitsplatz (Absentismus) als auch die Produktivitätsverluste während der Arbeitszeit (Prä-sentismus) deutlich reduzieren.

Dass sich der technologische Fortschritt nicht nur bei Arzneimitteln äussert, zeigt das Beispiel der laparoskopischen Chirurgie, bei der die Bauchhöhle und die darin liegenden Organe mit speziellen Stablinsen-Optiken (Endoskopen) durch kleine, vom Chirurgen geschaffene Öffnungen in der Bauchdecke sichtbar ge-macht werden. Dadurch werden Öffnungen der Bauchdecke verhindert, wes-halb das Verfahren der minimalinvasiven Chirurgie zugeordnet wird. In der Ver-gangenheit hat der medizintechnologische Fortschritt dazu geführt, dass immer mehr Eingriffe laparoskopisch durchgeführt werden konnten. Eine solche An-wendungsform ist der Leistenbruch (Hernie), der sowohl durch ein Öffnen der Bauchdecke als auch mittels laparoskopischen Verfahrens operiert werden kann. Während das laparoskopische Verfahren nicht bei allen Facetten des Gesund-heitszustandes überlegene Resultate zur Folge hat und insbesondere häufigere Rückfälle nach sich zieht, ist es aber auch nachweislich weniger schmerzhaft

Page 33: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 31

und führt zu einer schnelleren Erholung als das offene Verfahren (Goers et al., 2008). In einer englischen Studie konnten Stoker et al. (1994) zeigen, dass Pa-tienten nach einem laparoskopischen Verfahren im Median nach 14 Tagen wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren konnten, während diese Dauer bei Patienten mit offenem Verfahren doppelt so lange (28 Tage) ausfiel. Die Innovation führt somit zu einer deutlichen Reduktion der indirekten Krankheitskosten in Form von Produktivitätsverlusten am Arbeitsplatz. Zudem waren bei den Laparosko-piepatienten deutlich mehr Personen ohne Schmerzen und deutlich weniger Per-sonen mit grossen Schmerzen zu finden, was eine Reduktion der intangiblen Kosten nach sich zieht.

Während es auf der Ebene der Krankheit oder der Verfahren wie gezeigt eine Vielzahl an Untersuchungen gibt, die zeigen, dass vor allem medizintechnolo-gischer Fortschritt zu einem besseren Gesundheitszustand von Patienten und reduzierten indirekten und intangiblen Kosten führt, sind solche Studien auf der Ebene der Gesamtgesellschaft eher selten. Dies ist vor allem durch die grös-seren Schwierigkeiten in der empirischen Umsetzung auf der aggregierten Ebene begründet. Ausnahmen gibt es vor allem im Bereich der Forschung zu den De-terminanten von Lebenserwartung. So konnten beispielsweise Zweifel und Fer-rari (1992) in einer Studie mit Daten aus 19 OECD-Ländern zeigen, dass sich um 10 Prozent höhere Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben im Jahr 1970 zehn Jahre später in einer um gut 1 Prozent verlängerten Restlebenserwartung niederschla-gen. Dieser positive Zusammenhang zwischen Gesundheitsausgaben und Le-benserwartung wurde in einer späteren Studie auch für die Zeit bis 2000 nach-gewiesen (vgl. Zweifel et al., 2005). Zu einem ähnlichen Resultat kamen die Gesundheitsökonomen Frech und Miller in zwei Studien mit WHO- und OECD-Daten aus 18 Ländern (vgl. Frech und Miller, 1999, sowie Miller und Frech, 2004). Sie kommen in beiden Studien zum Schluss, dass innerhalb der Gesundheits-ausgaben vor allem die Ausgaben für Medikamente die Lebenserwartung am stärksten positiv beeinflussen. Eine 10-prozentige Erhöhung der Medikamenten-ausgaben führte zu einer knapp 1-prozentigen Erhöhung der behinderungskor-rigierten Lebenserwartung (Disability-Adjusted Life Expectancy, DALE).

Über die Betrachtung der Lebenserwartung hinaus geht eine Studie von Lichten-berg und Virabhak (2007). Die Autoren untersuchen in einem Wachstumsmodell, welchen Einfluss der medizintechnologische Fortschritt bei Medikamenten auf verschiedene gesundheitsbezogene Grössen hat. Anhand von US-amerika-nischen Daten können sie zeigen, dass der technologische Fortschritt nicht nur zu besseren Überlebensraten geführt hat, sondern auch den wahrgenommenen

Page 34: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

32 Polynomics

Gesundheitszustand positiv beeinflusst und die körperlichen Einschränkungen durch Krankheit reduziert hat.

3 .2 Lohnen sich Gesundheitsausgaben?Das vorige Kapitel hat gezeigt, dass Gesundheitsausgaben nicht einfach als Kostenkomponente von Krankheit aufzufassen sind, sondern vielmehr einen In-put bei der Bekämpfung von Krankheit darstellen, der dazu führt, dass ein bes-serer Gesundheitszustand erreicht wird und sich deshalb indirekte und intangi-ble Krankheitskosten reduzieren. Aufgrund dieser Substitutionsbeziehungen zwischen direkten und indirekten beziehungsweise intangiblen Krankheitskosten stellen steigende Gesundheitsausgaben, zum Beispiel durch den medizintech-nologischen Fortschritt, nicht a priori ein Problem dar. Es stellt sich deshalb die Frage, wann sich höhere Gesundheitsausgaben lohnen beziehungsweise der Gesamteffekt aus den höheren Gesundheitsausgaben und den reduzierten üb-rigen Kostenkomponenten vorteilhaft ist. Höhere Gesundheitsausgaben sind dann gerechtfertigt, wenn der Nutzen daraus höher ist, das heisst, die Krank-heitskosten insgesamt trotz der höheren Gesundheitsausgaben niedriger ausfal-len und somit der Rückgang bei den indirekten und den intangiblen Kosten grös-ser ist als die Erhöhung der Gesundheitsausgaben.

Eine hinreichende Bedingung dafür, dass sich Gesundheitsausgaben lohnen, wäre, dass die Zahlungsbereitschaft für die damit verbundenen Verbesserungen des Gesundheitszustandes grösser ausfällt als die Gesundheitsausgaben dafür. Während in Kapitel 2.3 der Zahlungsbereitschaftsansatz lediglich zur Berech-nung der intangiblen Kosten verwendet wurde, kann er in diesem Zusammen-hang auch dafür verwendet werden, den Nutzen einer Verbesserung des Ge-sundheitszustands monetär zu bewerten. Der in Geldeinheiten bewertete Nutzengewinn aus beispielsweise besseren Behandlungsmöglichkeiten lässt sich so direkt mit den damit anfallenden Mehrkosten in Form höherer Gesund-heitsausgaben vergleichen. Liegt die Zahlungsbereitschaft höher, lohnen sich die höheren Gesundheitsausgaben.

Solche Zahlungsbereitschaftsanalysen werden beinahe ausschliesslich im Zu-sammenhang mit einzelnen Verfahren, Behandlungen oder Programmen durch-geführt. Für die Schweiz ist zum Beispiel die Studie von Nocera et al. (2002 und 2003) zu nennen, bei der eine Kosten-Nutzen-Analyse zu verschiedenen Pro-grammen gegen die Alzheimerkrankheit durchgeführt wurde. Die Autoren kom-men zum Schluss, dass ein Programm zur Entlastung der pflegenden Angehö-rigen von Alzheimerpatienten insgesamt mehr Nutzen als Kosten generieren

Page 35: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 33

würde. Bei einem solchen Programm könnten pflegende Angehörige für ein paar Wochen pro Jahr zulasten der Krankenversicherung professionelle Pfleger an-fordern, um sich selbst zu entlasten. Dies käme einer Verschiebung von indi-rekten Kosten durch informelle Pflege hin zu den direkten Kosten in Form höherer Ausgaben für professionelle Pflege gleich. Offensichtlich wird die Einsparung bei der informellen Pflege von der Schweizer Bevölkerung höher eingeschätzt als die damit anfallenden Mehrkosten bei den Gesundheitsausgaben beziehungsweise Versicherungsprämien. Je nach Erhebungsmethode fällt ein Nettonutzen von mindestens 21 Mio. CHF pro Jahr an. Im Gegensatz dazu würde ein Programm zur Früherkennung der Alzheimerkrankheit deutlich schlechter abschneiden und bei gewissen Erhebungsmethoden sogar zu einem Nettoverlust von -19 Mio. CHF führen, wo die zusätzlichen Gesundheitsausgaben durch den Nutzengewinn nicht kompensiert würden.

Auf der Ebene des gesamten Gesundheitswesens sind praktisch keine Zah-lungsbereitschaftsanalysen zu finden, da sie für eine so aggregierte Grösse un-gleich schwieriger durchzuführen sind. Eine Ausnahme bildet die Studie von Telser et al. (2004),13 in der für die Schweiz der Nutzenverlust aus möglichen Reformen im Gesundheitswesen mit dem Zahlungsbereitschaftsansatz beziffert wurde. Eine betrachtete Reformmöglichkeit war dabei ein um zwei Jahre verzö-gerter Zugang zu Innovationen, was bei der schweizerischen Bevölkerung zu einem jährlichen Nutzenverlust von -780 CHF pro Kopf führen würde. Hochge-rechnet auf die erwachsene Schweizer Bevölkerung beträgt damit der Nutzen aus einem sofortigen anstatt verzögerten Zugang zu Innovation rund 5 Mrd. CHF pro Jahr. Dieser Wert machte zum Zeitpunkt der Studie rund 10 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus, was den hohen Nutzen aus Innovation für die Schweizer Bevölkerung unterstreicht. Eine Bewertung mit den tatsächlich anfallenden Gesundheitsausgaben wurde in dieser Studie allerdings nicht vor-genommen, sodass nicht abschliessend beurteilt werden kann, ob insgesamt ein Nettonutzen aus technologischem Fortschritt anfällt.

In den USA haben erst kürzlich zwei Studien versucht, diese Frage zu beantwor-ten. Murphy und Topel (2006) haben die durch den medizintechnologischen Fort-schritt bedingte Erhöhung der Lebenserwartung berechnet und den Nutzenge-winn daraus mittels des Zahlungsbereitschaftsansatzes zu gesamtwirtschaftlichen Bruttonutzenwerten hochgerechnet. Dieser gesamtgesellschaftliche Nutzen aus der erhöhten Lebenserwartung lässt sich anschliessend mit den Gesundheits-ausgaben vergleichen, die aufgewendet wurden, um dieses Ergebnis zu errei-13 Vgl. dazu auch Zweifel et al. (2006).

Page 36: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

34 Polynomics

chen. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse dieser Analyse für die Jahre 1980 bis 2000. Sowohl für die Dekade 1980 bis 1990 als auch für 1990 bis 2000 resultierte in den USA eine höhere Lebenserwartung, die für die gesamte Volkswirtschaft einen Nutzen in Höhe von rund 25 Bio. USD darstellte. Im gleichen Zeitraum betrugen der Zuwachs bei den Gesundheitsausgaben 15 beziehungsweise 11.6 Bio. USD, was für die beiden Dekaden einen Nutzenüberschuss von knapp 10 respektive 12 Bio. USD, ausmachte. Dies bedeutet, dass jeder in Form von Gesundheitsaus-gaben investierte Dollar einen Ertrag von 1.64 USD in der ersten Dekade und von 2.04 USD in der zweiten Dekade generierte. Für den gesamten betrachteten Zeitraum betrug der Investitionsertrag (Return on Investment, ROI) 1.81 USD pro investierten Dollar.

Dieses Ergebnis wurde durch eine zweite Studie von Luce et al. (2006) bestätigt. Auch in dieser Untersuchung bewerten die Autoren die durch den medizintech-nologischen Fortschritt erzielten Verbesserungen in der Lebenserwartung bezie-hungsweise die Reduzierung krankheitsbedingter Mortalität. Über denselben Zeitraum zwischen 1980 und 2000 erhalten die Autoren pro investierten Dollar einen Investitionsertrag von 1.94 USD, wenn man nur die reduzierten Todesfälle betrachtet, und von 1.55 USD, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung den Untersuchungsgegenstand bildet. Damit liegen die Werte in der gleichen

Tabelle 2 | Nutzen und Kosten aus medizintechnologischem Fortschritt in den USA

in Milliarden USD1980–1990 1990–2000 1980–2000

Bruttonutzen aus verringerter Mortalität 24 538 23 593 48 131

Erhöhung der Gesundheitsausgaben 14 928 11 591 26 519

Nettonutzen 9 611 12 001 21 612

Investitionsertrag pro investierten USD (ROI) 1.64 2.04 1.81

Über den Zeitraum zwischen 1980 und 2000 hat der medizintechnologische Fortschritt in den USA mehr Nutzen generiert, als er gekostet hat. Der Brutto-nutzen aus der verringerten Mortalität entspricht den eingesparten indirekten Krankheitskosten und liegt deutlich über den gestiegenen Gesundheitsausga-ben, den direkten medizinischen Krankheitskosten. Pro investierten Dollar wurde über den gesamten Zeitraum ein Nutzen von 1.81 USD «erwirtschaftet», wobei der Investitionsertrag nach 1990 noch leicht zugenommen hat.Quelle: Murphy und Topel (2006).

Page 37: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 35

Grössenordnung wie bei Murphy und Topel (2006). Dies ist ein relativ starker Hinweis dafür, dass sich zumindest in den USA die Gesundheitsausgaben in der Vergangenheit gelohnt haben. Der Nutzen des medizintechnologischen Fort-schritts übersteigt die Gesundheitsausgaben um 50 bis 100 Prozent.

Page 38: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

36 Polynomics

4 Akteure neigen zu Partialbetrachtungen – Schluss-folgerungen für die Schweizer Gesundheitspolitik

Die Diskussion um die Gesundheitsausgaben ist allgegenwärtig. Alljährlich de-battieren spätestens im Herbst bei Bekanntgabe der Krankenkassenprämien Politiker und Journalisten sowohl über die absolute Höhe als auch die jährliche Steigerung. Dabei ist festzuhalten, dass es in diesen Diskussionen jeweils nur um jene Ausgaben oder Kosten geht, die direkt im Gesundheitswesen anfallen und die mit dem Ziel der Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege von Krankheiten und Unfällen getätigt werden (vgl. BFS, 2011a). Wie «teuer» die Ge-sundheit die Schweizer Volkswirtschaft insgesamt zu stehen kommt, steht meist nicht zur Debatte. Neben den eigentlichen Gesundheitsausgaben fallen nämlich wie gezeigt verschiedene weitere krankheitsbedingte Kosten an. Neben direkten nicht medizinischen Kosten ausserhalb des Gesundheitswesens (zum Beispiel Umbauten aufgrund von Behinderungen) gehören insbesondere die indirekten Kosten – in Form von Produktivitätsverlusten am Arbeitsplatz oder informeller Pflege durch Angehörige – zu den Bestandteilen der Gesamtkosten einer Krank-heit. Aber auch sogenannte intangible Kosten, wie zum Beispiel die Schmerzen und das Leid von Patienten und Angehörigen sind nicht zu vernachlässigen, auch wenn deren konkrete Bezifferung oftmals äusserst schwierig ist.

Anhand verschiedener Krankheitskostenstudien konnte gezeigt werden, dass die indirekten Krankheitskosten die Gesundheitsausgaben in der Schweiz deut-lich übersteigen. Im Durchschnitt machen die Gesundheitsausgaben etwa ein Drittel der gesamten Krankheitskosten aus. In der politischen Diskussion gilt das Hauptaugenmerk jedoch überwiegend Massnahmen zur Senkung der Gesund-heitsausgaben. Dies ist bereits bei statischer Betrachtungsweise als kritisch an-zusehen, da andere Kostenkomponenten nicht berücksichtigt werden, und ge-winnt zusätzlich an Brisanz, wenn die dynamischen Effekte in die Betrachtung mit einfliessen. Versteht man Gesundheitsausgaben allein als Kostenkompo-nente von Krankheit und lässt die nachgelagerten indirekten Effekte ausser Be-tracht, besteht die Gefahr von gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen. Ge-wisse Massnahmen können kurzfristig zwar kostensenkend sein, in der langen Frist aber höhere indirekte Krankheitskosten wie beispielsweise vermehrte Pro-duktivitätsverluste nach sich ziehen, wenn sich der Gesundheitszustand der Pa-tienten verschlechtert. Im Gegensatz dazu verursacht der medizintechnolo-gische Fortschritt im Normalfall zunehmende Gesundheitsausgaben, kann langfristig aber andere Kostenkomponenten reduzieren, weil Patienten beispiels-weise schneller gesund werden oder weniger Schmerzen haben.

Page 39: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 37

Diverse empirische Studien zeigen, dass der Nutzen durch eine höhere Lebens-erwartung oder einen nachhaltig verbesserten Gesundheitszustand die dafür erforderlichen Gesundheitsaufwendungen übersteigen. Ob alle im Gesundheits-wesen eingesetzten Mittel auch effizient eingesetzt werden, lässt sich daraus noch nicht zwingend ableiten. Auch für die Schweiz ist anzunehmen, dass Ressourcen besser eingesetzt werden könnten, um die Ziele eines besseren Gesundheitszustandes und der Reduktion der indirekten und der intangiblen Kosten zu erreichen.

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge gilt es, in der gesundheitspoli-tischen Diskussion nicht nur die Gesundheitsausgaben zu betrachten, sondern insbesondere auch die Effekte auf den Outcome und damit die indirekten sowie die intangiblen Kosten im Auge zu haben. Inwiefern die Akteure im Schweizer Gesundheitswesen Anreize haben, diese Gesamtsicht einzunehmen, soll im Fol-genden kurz diskutiert werden. Betrachtet werden sollen Leistungserbringer, Versicherer, die Politik, sowie die Bevölkerung in ihrer Rolle als Patient, Angehö-rige, Prämien- und Steuerzahler.

Auf Seiten der Leistungserbringer lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, zum einen die niedergelassenen Ärzte, Spitäler und Apotheken, deren Hauptaugen-merk auf der Wiederherstellung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes ihrer erkrankten Patienten liegt. Da letztere aufgrund der umfassenden Kranken-versicherung nur einen Bruchteil der anfallenden direkten medizinischen Kosten unmittelbar tragen, haben diese Leistungserbringer kaum Anreize, Gesundheits-ausgaben bei ihren Entscheiden bezüglich der Behandlung zu berücksichtigen. Sie zeigen vielmehr ein hauptsächliches Interesse an der Verbesserung des Ge-sundheitszustandes und damit an einer Reduzierung der indirekten und intan-giblen Kosten. Gesundheitsausgaben finden aufgrund der Versicherungsde-ckung nur untergeordnet Berücksichtigung. Für Ärzte und Spitäler reduziert zusätzlich noch der im heutigen System implementierte Kontrahierungszwang die Anreize, die Gesundheitsausgaben gering zu halten, indem die Leistungen aller zugelassenen Leistungserbringer von den Krankenkassen vergütet werden, ungeachtet des Umfangs und der Qualität, in welcher die Leistung erbracht wird.Ähnliches gilt für die zweite Gruppe der Leistungserbringer, die «Innovatoren» wie forschende Pharma- oder Medtechunternehmen. Auch hier überträgt sich das reduzierte Interesse an den Gesundheitsausgaben bei den versicherten Patien-ten auf die Leistungserbringer. Sie werden sich besser am Markt behaupten können, wenn sie neue Behandlungs- und Therapieformen erforschen und ent-wickeln, anhand derer sich im Vergleich zu bisherigen Verfahren ein «Mehr» an

Page 40: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

38 Polynomics

Gesundheit oder eine höhere Lebenserwartung generieren lässt. Produktinno-vationen, welche die indirekten und intangiblen Kostenkomponenten senken, lohnen sich in einem solchen System eher als Prozessinnovationen, die zu nied-rigeren Gesundheitsausgaben führen. Der prinzipiell offene Leistungskatalog in der Grundversicherung verstärkt diese Anreize noch, auch wenn bei Medika-menten die Aufnahme in die Spezialitätenliste vorgängig durch das Bundesamt für Gesundheit zu prüfen ist.

Während die Leistungserbringer also primär den Gesundheitszustand der Patien-ten im Auge haben und versuchen, durch geeignete Behandlungen und Innova-tionen die indirekten und die intangiblen Krankheitskosten zu reduzieren, liegt das primäre Interesse der Krankenkassen genau umgekehrt in einer Reduktion der Gesundheitsausgaben. Massnahmen zur Senkung der zu erstattenden Kos-ten dürften generell auf Unterstützung durch die Krankenkassen stossen, sei dies über eine Erhöhung der Kostenbeteiligung der Patienten, einen höheren Anteil an der Finanzierung der (stationären) Gesundheitsausgaben durch die Kantone oder eine Beschneidung des Leistungskatalogs oder der Spezialitäten-liste für Medikamente. Alle übrigen Krankheitskosten sind für sie bei der heutigen Ausgestaltung des Gesundheitswesens von untergeordneter Bedeutung. Im Ge-gensatz zu der Unfallversicherung gibt es keine obligatorische Taggeldversiche-rung, welche zumindest einen Teil der Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz in die Sichtweite der Versicherer rückt.

Auf Seiten der Politik müsste aufgrund der Wechselwirkungen zwischen Ge-sundheitsausgaben und Krankheitskosten grundsätzlich ein Interesse vorliegen, alle Kostenkomponenten im Auge zu behalten. Wie in den Krankheitskostenstu-dien für die Schweiz gezeigt werden konnte, fallen die Produktivitätsverluste so-wie die Kosten für informelle Pflege je nach Krankheit sehr hoch aus. Massnah-men zur Bekämpfung oder Linderung insbesondere der chronischen Krankheiten können trotz höherer Gesundheitsausgaben einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen nach sich ziehen, wenn beispielsweise langfristig Produktivitätsverluste reduziert werden können. Nichtsdestotrotz zeichnet sich die Gesundheitspolitik vornehmlich durch eher kurzfristig ausgerichtete Massnahmen zur Reduktion der Gesundheitsausgaben aus. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass unmittelbare Kostenreduktionen bei den Gesundheitsausgaben ein-facher zu kommunizieren sind und relativ schnell anfallen, was die kurzfristigen Wahlchancen erhöht. Langfristige Effekte auf die Gesamtkosten sind demgegen-über schwieriger zu vermitteln und liegen häufig ausserhalb des Zeithorizontes bis zu den nächsten Wahlen.

Page 41: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 39

Sowohl Leistungserbringer als auch Krankenkassen oder die Politik haben je-weils nur eine Partialbetrachtung vor Augen, wenn es um die Krankheitskosten geht. Einzig für die Bevölkerung spielen alle Kostenkomponenten eine wichtige Rolle. Die intangiblen Kosten durch Schmerz und Leid einer Krankheit werden von den Patienten und ihren Angehörigen getragen. Die indirekten Kosten aus der informellen Pflege fallen bei Angehörigen an, die Kosten für Produktivitäts-verluste bei Arbeitgebern aber auch bei den Individuen selbst, da mit einge-schränkter Arbeitsfähigkeit auch Einkommenseinbussen zu erwarten sind. Auf-seiten der direkten Kosten, namentlich der Gesundheitsausgaben, ist die Kostenwirkung bei den Individuen aufgrund der Versicherungsdeckung und der teilweise kantonal finanzierten stationären Leistungen zwar nicht so direkt. An-gesichts der Kostenbeteiligungen in Form von Franchisen und Selbstbehalten, der monatlich zu entrichtenden Krankenkassenprämien sowie der Steuerzah-lungen werden aber auch diese Kosten schlussendlich von den Individuen be-ziehungsweise der Bevölkerung als Ganzes getragen.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet besteht also ein Interesse, alle Kosten-komponenten gleichermassen im Auge zu haben, wenn gesundheitspolitische Massnahmen diskutiert werden. Eine Reduzierung der Diskussion auf die Ein-dämmung der Gesundheitsausgaben unter Vernachlässigung der anderen Kos-tenkomponenten vermögen gegebenenfalls in der kurzen Frist zu wirken, lang-fristig lassen sich dadurch, was die Gesamtkosten angeht, unter Umständen gegenteilige Effekte bewirken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im derzeitigen schweizerischen Gesundheitssystem die Anreize zur Betrachtung der verschiedenen Kostenkom-ponenten bei den relevanten Akteuren sehr unterschiedlich gesetzt sind, sodass es schwierig ist, eine mehrheitsfähige und vor allem nachhaltige Gesundheitspo-litik zu betreiben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass chronische Erkrankungen nicht zuletzt aufgrund der demografischen Alterung in den näch-sten Jahren weiter zunehmen werden. Dadurch wird das Schweizer Gesund-heitssystem laufend vor neue Herausforderungen hinsichtlich der Finanzierung gestellt, für die es langfristig ausgerichtete Lösungsvorschläge braucht. Neben der gesamtheitlichen Betrachtung aller mit Krankheit verbundenen Kostenkom-ponenten gilt es auch Effizienzsteigerungsmöglichkeiten im Gesundheitssystem zu identifizieren, um den durch medizintechnologischen Fortschritt unweigerlich steigenden Gesundheitsausgaben durch einen effizienteren Ressourceneinsatz entgegenwirken zu können.

Page 42: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

40 Polynomics

5 Steckbriefe zu den Krankheitskostenstudien für verschiedene Krankheitsbilder

Im Folgenden sollen anhand von sieben Studien die Gesamtkosten von unter-schiedlichen Krankheiten für die Schweiz aufgezeigt werden. Tabelle 3 bietet einen Überblick über die gesamthaft ermittelten Kosten für ausgewählte Krank-heitsbilder auf Basis der verfügbaren Studien für die Schweiz. Die Gesamtkosten setzen sich dabei im Wesentlichen aus direkten und indirekten Kosten zusam-men. Intangible Kosten werden lediglich in der Studie zu den Kosten der Multi-plen Sklerose ausgewiesen. Die Zuteilung der verschiedenen anfallenden Kos-tenarten zu diesen beiden Kategorien ist nicht in allen betrachteten Studien einheitlich, sodass für die vorliegende Zusammenstellung aus Gründen der Ver-gleichbarkeit die Kostenarten wie in Kapitel 2.2 beschrieben zugeteilt wurden. Zu den untersuchten Krankheitsbildern werden im Folgenden jeweils die verschie-denen Kostenarten pro Patient und unter Verwendung der Prävalenzzahlen ge-samthaft für die Schweiz ausgewiesen.

Tabelle 3 | Überblick Krankheitskosten in der Schweiz

Direkte Kosten CH

in Mio . CHF/aIndirekte Kosten CH

in Mio . CHF/aGesamtkosten CH

in Mio . CHF/a

Multiple Sklerose 247 273 520a)

Sepsis 355 844 1 199

Rheumatoide Arthritis 1 068 1 332 2 400

Demenz 3 486 2 771 6 257

Krebs 3 062 4 593 7 655

Kreuzschmerzen 3 975 6 316 10 291

Gehirnerkrankungen 8 778 9 831 18 609

a) Zwecks Vergleichbarkeit mit anderen Krankheiten ohne intangible Kosten ausgewiesen

Der Anteil der indirekten Kosten an den Gesamtkosten schwankt zwischen 44 und 70%. Die höchsten Kosten verursachen neben den Gehirnerkrankungen aufgrund der hohen Prävalenz die Kreuzschmerzen. Multiple Sklerose verursacht insgesamt die geringsten Kosten, u. a. weil die Krankheit in der Schweiz vergli-chen mit anderen Krankheitsbildern eine geringe Prävalenz aufweist. Generell lassen sich die Kosten der unterschiedlichen Krankheiten jedoch nur bedingt miteinander vergleichen, da ihre Ermittlung teilweise auf unterschiedlichen Daten und Methoden beruht.Quelle: Andlin-Sobocki et al. (2005), Jäger et al. (2008), Jönsson und Wilking (2007), Kobelt et al. (2006a), Kraft et al. (2010), Lundkvist et al. (2008), Schmid et al. (2004), Wieser et al. (2010), eigene Berechnungen.

Page 43: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 41

Die höchsten Kosten verursachen neben den Gehirnerkrankungen, deren Studie zwölf verschiedene Erkrankungen erfasst, die Kreuzschmerzen. Beide weisen relativ geringe Kosten pro Patient auf, haben aber eine hohe Prävalenz. Pro Pa-tient die teuerste Krankheit ist mit Abstand Sepsis, gefolgt von Demenz und Multipler Sklerose. Ein direkter Vergleich zwischen den Krankheiten ist jedoch nur bedingt möglich, da die Studien teilweise unterschiedliche Methoden und Daten verwendet haben.

Für die in der Tabelle ausgewiesenen Krankheitsbilder werden die jeweiligen Studien zur Ermittlung der Krankheitskosten im Folgenden näher vorgestellt und die Datenbasis sowie das gewählte Vorgehen und die unterstellten Annahmen erläutert.

5 .1 Multiple SkleroseMultiple Sklerose (MS) ist eine chronische, fortschreitende, entzündliche Erkran-kung des zentralen Nervensystems, welches sich aus Gehirn und Rückenmark zusammensetzt.14 Bei der Entmarkung der Nervenfasern wird die Myelinscheide, welche die Axone der Nervenzellen als eine Art Isolationsschicht umgibt, geschä-digt oder zerstört. Dies führt dazu, dass elektrische Impulse nur noch langsam oder gar nicht mehr weitergeleitet werden und Symptome wie beispielsweise Sehstörungen, Sprechstörungen, Muskelschwäche oder Koordinationsstö-rungen auftreten. Da es jedoch kein festes Muster der Symptome gibt, können sich diese sowohl im Auftreten als auch im Schweregrad von Patient zu Patient unterscheiden. Auch der Krankheitsverlauf ist individuell, wobei zwischen einer schubförmigen, einer primär chronisch-progredienten und einer sekundär chro-nisch-progredienten MS unterschieden werden kann. Die Ursache von MS ist bis heute noch unklar. Sie ist die häufigste neurologische Krankheit bei jungen Er-wachsenen; bei einem Grossteil der Erkrankten zeigen sich die ersten Symptome bereits im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Frauen sind etwa doppelt bis dreimal so häufig betroffen wie Männer. Die Krankheit ist nicht heilbar, aufgrund der grossen Fortschritte in der Forschung in den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit der Einführung von immunmodulierender Therapie, kann der Verlauf der Krankheit jedoch abgeschwächt und verlangsamt werden. Dies erfolgt mittels Medikamenten, welche das Immunsystem beeinflussen. Auch die Mortalität, wel-che bei MS-Patienten gegenüber Nichterkrankten nicht wesentlich erhöht ist, konnte in den letzten Jahren weiter gesenkt werden.

14 Vgl. dazu und im Folgenden www.multiplesklerose.ch/Multiple-Sklerose.ms.0.html; www.sprechzimmer.ch/ → Krankheitsbilder → Multiple Sklerose, Zugriff am 13.07.2011.

Page 44: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

42 Polynomics

In der Schweiz geht man von einer Prävalenz von 8 000 (Jäger et al., 2008, und Andlin-Sobocki et al., 2005) aus. Diese Zahl geht auf eine Arbeit von Beer und Kesserling (1994) zurück, welche für den Kanton Bern eine Prävalenzrate von 110 Erkrankten pro 100 000 Einwohner im Jahr 1986 berechneten. Es liegen jedoch keine offiziellen statistischen Daten vor.

Kobelt et al. (2006a und 2006b) berechnen die durch MS verursachten Kosten für verschiedene europäische Länder, unter anderem auch für die Schweiz. Da-für wurden 1 100 bei der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft regis-trierte Patienten mittels Fragebogen befragt. Die Kosten wurden jeweils für un-terschiedliche Schweregrade der Krankheit (Expanded Disability Status Scale) berechnet. Da die Stichprobe nur registrierte Patienten berücksichtigt, kann die Verteilung der Schweregrade nach oben verzerrt sein, wenn man von der An-nahme ausgeht, dass eher die schweren Fälle von MS bei der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft registriert sind.

Je nach Schweregrad der Krankheit schwanken die jährlichen durchschnittlichen Kosten pro Patient zwischen knapp 20 000 CHF und über 140 000 CHF (direkte und indirekte Kosten). Tabelle 4 fasst die Kosten für den Medianschweregrad zusammen, sie betragen für das Jahr 2005 pro Patient 65 000 CHF. Daraus re-sultieren unter der Annahme von 8 018 MS-Patienten in der Schweiz (vgl. Andlin-Sobocki et al., 2005) jährliche Kosten in der Höhe von 520 Mio CHF. Der Anteil der direkten und der indirekten Kosten ist dabei ungefähr gleich hoch.

Medikamentenkosten verursachen rund 40 Prozent der direkten medizinischen Kosten. 13 Prozent der Befragten verbrachten durchschnittlich 38 Tage (während der untersuchten Zeitspanne von 3 Monaten) im Krankenhaus, was jährliche durchschnittliche Kosten von rund 4 000 CHF pro Patient verursacht. Leicht niedriger sind die Kosten für ambulante Behandlung, welche von fast 80 Prozent der Patienten durchschnittlich fünfmal pro Monat beansprucht wurde. Den grössten Anteil an den medizinischen Kosten verursacht die professionelle Pflege. Bei den direkten nicht medizinischen Kosten wird gut die Hälfte der Kos-ten durch Investitionen in Wohnungsanpassungen, Rollstühle und Gehhilfen ver-ursacht. Die andere Hälfte sind Kosten für professionelle Haushaltshilfen.

Unter den indirekten Kosten wurden für die hier vorgenommene Gegenüberstel-lung sowohl die informelle Pflege als auch Produktivitätsverluste erfasst. Fast die Hälfte der MS-Patienten beansprucht im Durchschnitt täglich 3.5 Stunden informelle Pflegeleistung. Dies führt, ausgehend vom jeweils durchschnittlich

Page 45: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 43

verfügbaren Einkommen, zu durchschnittlichen jährlichen Kosten pro Patient in der Höhe von gut 9 000 CHF. Informelle Pflege macht im Vergleich zu den Pro-duktivitätsverlusten, welche für rund 40 Prozent der Gesamtkosten verantwort-lich sind, jedoch einen geringen Anteil an den indirekten Kosten aus. Eine Be-rechnung der informellen Pflege mit der Ersetzungskostenmethode (vgl. Kapitel 2.3) würde jedoch zu einem deutlich höheren Wert führen. Die Produktivitäts-verluste, die pro Patient und Jahr durchschnittlich 25 000 CHF betragen, wurden mit dem Humankapitalansatz berechnet. Rund ein Drittel der Patienten trat krankheitsbedingt bei einem durchschnittlichen Alter von 42 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. Die Frühpensionierung verursacht somit mit jährlichen Kosten

Tabelle 4 | Kosten von Multipler Sklerose

pro Patient in CHF/a

Kosten CH in Mio . CHF/a

in Prozent der Gesamtkosten

Direkte medizinische Kosten 24 002 192 37.0%

davon Medikamentenkosten 9 775 78 15.1%

Direkte nicht medizinische Kosten 6 847 55 10.6%

Total direkte Kosten 30 849 247 47.6%

Informelle Pflege 9 335 75 14.4%

Produktivitätsverluste 24 669 198 38.0%

Total indirekte Kosten 34 004 273 52.4%

Gesamtkosten 64 853 520 100.0%

Intangible Kosten 23 000 184

Gesamtkosten (inkl. intangibler Kosten) 87 853 704

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2004/2005

Gesamtkosten wurden hochgerechnet unter der Annahme von 8 018 MS-Erkrankten gemäss Andlin-Sobocki et al. (2005)

Die jährlichen Kosten für MS, direkte und indirekte Kosten, betragen in der Schweiz rund 270 Mio. CHF resp. 65 000 CHF pro Patient. Gut die Hälfte der Kosten wird von den indirekten Kosten verursacht, d.h. von informeller Pflege und insbesondere von Produktivitätsverlusten. Bei Letzteren ist die Haupt-ursache die hohe Rate an Frühpensionierungen unter den MS-Erkrankten. Die direkten medizinischen Kosten, welche die Gesundheitsausgaben umfassen, machen etwas mehr als ein Drittel der Gesamtkosten aus. Werden zusätzlich die intangiblen Kosten berücksichtigt, erhöhen sich die durchschnittlichen jährlichen Kosten pro Patient um 23 000 CHF, was zu Gesamt kosten in der Höhe von 700 Mio. CHF führt.Quelle: Kobelt et al. (2006a), eigene Berechnungen.

Page 46: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

44 Polynomics

pro Patient von 24 000 CHF den Hauptanteil der Produktivitätsverluste. Eine Berechnung mit dem Friktionskostenansatz würde hier zu deutlich geringeren Kosten führen.

Kobelt et al. (2006a und 2006b) berechnen im Gegensatz zu den meisten ande-ren Studien zusätzlich die intangiblen Kosten der Krankheit. Die durchschnitt-liche Lebensqualität von MS-Erkrankten liegt gemäss der Studie etwa ein Drittel unter jener der Normalbevölkerung. Der damit verbundene Verlust an qualitäts-bereinigten Lebensjahren wurde anschliessend monetär bewertet (vgl. dazu Ka-pitel 2.3). Dies führt zu jährlichen intangiblen Kosten in der Höhe von 23 000 CHF. Damit erhöhen sich die jährlichen Gesamtkosten von MS um 35 Prozent auf 88 000 CHF pro Patient respektive 700 Mio CHF. insgesamt.

5 .2 SepsisBei einer Sepsis oder Blutvergiftung handelt es sich um eine generalisierte Infek-tionskrankheit im ganzen Körper.15 Krankheitserreger sind Bakterien, Viren oder Pilze, welche meist über Wunden, geschädigte Haut oder die Lunge in den Kör-per eintreten. Bei einem geschwächten Immunsystem können diese über das Blut und die Lymphwege in den Kreislauf gelangen und so in lebenswichtige Organe des Körpers transportiert werden und dort Infektionen hervorrufen. Es wird zwischen Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock unterschieden. Eine rechtzeitig behandelte Sepsis hat relativ grosse Heilungschancen. Hinge-gen kann eine zu spät oder unbehandelte Sepsis tödlich enden, wenn sie zu Organversagen führt. Schwere Sepsis und septischer Schock zählen zu den häufigsten Todesursachen auf der Intensivstation. Als Therapie stehen Arznei-mittel zur Behandlung von Infektionskrankheiten zur Verfügung. Bei einer schwe-ren Sepsis und einem septischen Schock ist eine sofortige intensivmedizinische Behandlung notwendig.

Die Inzidenz respektive Mortalitätsrate von Sepsis wird in Statistiken grundsätz-lich unterschätzt, da Sepsis sich häufig aus anderen Grunderkrankungen ent-wickelt und deshalb nicht immer als Todesursache deklariert wird. So erfassen beispielsweise Schmid et al. (2004) zur Berechnung der Prävalenz bei den Sterblichkeitsdaten nicht nur als Sepsis deklarierte Todesfälle, sondern auch Organversagen, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit durch Sepsis verursacht wurden.

15 Vgl. dazu und im Folgenden www.sepsis-gesellschaft.de; www.sprechzimmer.ch → Krankheitsbilder → Blutvergiftung, Sepsis, Zugriff am 13.07.2011.

Page 47: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 45

Schmid et al. (2004) berechnen die Kosten von schwerer Sepsis für die Schweiz, die Werte sind in Tabelle 5 abgebildet. Gemäss ihren Berechnungen werden in der Schweiz jährlich 5 800 bis 14 000 Fälle von Sepsis behandelt, davon handelt es sich bei rund 60 Prozent um schwere Sepsis. Die Kosten werden anhand von 61 Patientenakten aus dem Jahr 2001, ungefähr einem Prozent der jährlichen Fälle, hochgerechnet. Diese Patienten haben ein durchschnittliches Alter von 62 Jahren. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation betrug 13 Tage und die Mortalitätsrate lag bei knapp 50 Prozent, wobei kein Zusammen-hang zwischen Mortalität und Alter gefunden werden konnte.

Die Gesamtkosten pro Patient betragen 140 000 CHF, was unter der Annahme von insgesamt 3 500 Fällen (Untergrenze) schwerer Sepsis zu Gesamtkosten in der Höhe von rund 500 Mio. CHF führt. Bei einer Prävalenz von 8 500 (Ober-grenze) betragen die Gesamtkosten 1.2 Mrd CHF. Darin sind jedoch nur die Kos-

Tabelle 5 | Kosten von schwerer Sepsis

pro Patient

in CHF/a

Kosten CH in Mio . CHF/a

(low)

Kosten CH in Mio . CHF/a

(high)

in Prozent der Gesamt-

kosten

Direkte medizinische Kosten 41 790 146 355 29.6%

davon Medikamentenkosten 8 020 28 68 5.7%

Direkte nicht medizinische Kosten

k.A. k.A. k.A. k.A.

Total direkte Kosten 41 790 146 355 29.6%

Informelle Pflege 0.0%

Produktivitätsverluste 99 271 347 844 70.4%

Total indirekte Kosten 99 271 347 844 70.4%

Gesamtkosten 141 061 493 1 199 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2001Gesamtkosten wurden hochgerechnet unter der Annahme von 3 500 resp. 8 500 Patientenlow: Untergrenze mit 3 500 Patienten; high: Obergrenze mit 8 500 Patienten

Die jährlichen Kosten für schwere Sepsis betragen in der Schweiz zwischen 500 Mio. CHF und 1.2 Mrd. CHF resp. 140 000 CHF pro Patient. Dabei wird von einer Prävalenz von 3 500 bis 8 500 ausgegangen und mit einer Mortalitätsrate von 50%. Über 70% der Kosten entfallen auf Produktivitäts verluste, insbeson-dere aufgrund des frühzeitigen Todes. Auch die direkten medizinischen Kosten pro Patient sind relativ hoch, da es sich um Aufenthalte in der Intensivstation handelt.Quelle: Schmid et al. (2004).

Page 48: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

46 Polynomics

ten während der stationären Behandlung enthalten, Kosten von allfälligen Folge-schäden einer überlebten Sepsis sowie anfallenden Folgekosten im ambulanten Bereich wurden nicht berücksichtigt. Die direkten Kosten, welche die Kosten für den Aufenthalt auf der Intensivstation abbilden, machen rund 30 Prozent der Gesamtkosten aus. Dabei verursachen Patienten, welche die Sepsis nicht über-leben, höhere durchschnittliche direkte Kosten pro Patient als Überlebende. Die Personalkosten machen die Hälfte der direkten Kosten aus, für Medikamente fallen 20 Prozent der Kosten an.

Die indirekten Kosten enthalten nur Produktivitätsverluste, zu deren Berechnung der Humankapitalansatz angewandt wurde. Dabei wurden krankheitsbedingte Abwesenheit am Arbeitsplatz (nur während der Zeit im Krankenhaus), Frühpen-sionierung sowie frühzeitiger Tod erfasst. Die Kosten belaufen sich im Durch-schnitt pro Patient auf fast 100 000 CHF. Davon fallen 95 Prozent aufgrund von vorzeitigem Tod an. Die hohen Kosten pro Patient erklären sich dadurch, dass im Gegensatz zu den anderen untersuchten Studien die Produktivitätsverluste nicht nur für ein Jahr, sondern für die gesamte Lebenszeit respektive bis zur Pensionierung (65 Jahre) berechnet wurden.

5 .3 Rheumatoide ArthritisRheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündliche rheumatologische Er-krankung der Gelenke.16 Meist sind Finger und Handgelenke befallen, es können jedoch auch andere Gelenke betroffen sein. Die Ursache ist bisher nicht bekannt, man geht jedoch von einer Autoimmunerkrankung aus, bei der Zellen des Im-munsystems körpereigene Substanzen angreifen. Die dadurch entstehenden Entzündungen können Knochen und Knorpel der betroffenen Gelenke angreifen und zerstören. Die chronische Krankheit verläuft meist schubweise und führt zu starken Schmerzen, Einschränkungen des Bewegungsapparates und entzün-dungsbedingter Müdigkeit. RA beginnt meist zwischen dem 40. und 60. Lebens-jahr, es können jedoch alle Altersgruppen erkranken. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. Frauen sind zwei bis dreimal so häufig betroffen wie Männer. RA sollte möglichst früh medikamentös behandelt werden, um Gewebeschäden zu verhindern. Dazu werden Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem regu-lieren, entzündungshemmend und schmerzstillend wirken. Eine weitere thera-peutische Massnahme ist die Rheumachirurgie, bei der die schwersten Gelenk-veränderungen operativ behandelt werden.

16 Vgl. dazu und im Folgenden www.rheuma-schweiz.ch/go2/de/141; www.sprechzimmer.ch → Krankheitsbilder → Rheumatoide Arthritis, Polyarthritis chronische, Zugriff am13.07.2011.

Page 49: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 47

Rheuma Schweiz17 gibt für die Schweiz eine Prävalenzrate von 1 Prozent an, die Inzidenzrate liegt bei rund 30 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. Lund-kvist et al. (2008) gehen von einer Prävalenzrate von 0.66 Prozent für Mittel- und Nordeuropa aus und kommen so für die Schweiz im Jahr 2006 auf 49 000 Er-krankte.

Die Gesamtkosten von RA für die Schweiz sind in Tabelle 6 abgebildet. Gemäss Lundkvist et al. (2008) resultieren jährliche Kosten in der Höhe von 2.4 Mrd. CHF respektive durchschnittlich 49 000 CHF pro Patient. Dabei handelt es sich je-doch nicht um Schweizer Daten. Zur Berechnung der Kosten wurden in anderen Studien publizierte Daten verschiedener europäischer Länder verwendet. Die pro Patient berechneten durchschnittlichen Kosten für einzelne Ressourcen-typen wurden an das Preisniveau der Schweiz angepasst und anschliessend mit der Prävalenzrate extrapoliert. Die direkten medizinischen Kosten machen rund ein Drittel der Gesamtkosten aus, davon sind gut 40 Prozent Medikamentenkos-17 www.rheuma-schweiz.ch/go2/de/160, Zugriff am 13.07.2011.

Tabelle 6 | Kosten von rheumatoider Arthritis

pro Patient

in CHF/aKosten CH

in Mio . CHF/ain Prozent der

Gesamtkosten

Direkte medizinische Kosten 16 120 790 32.9%

davon Medikamentenkosten 6 655 326 13.6%

Direkte nicht medizinische Kosten 5 675 278 11.6%

Total direkte Kosten 21 794 1 068 44.5%

Informelle Pflege 10 457 512 21.4%

Produktivitätsverluste 16 720 819 34.1%

Total indirekte Kosten 27 177 1 332 55.5%

Gesamtkosten 48 972 2 400 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2006 (Eurowerte wurden mit Kaufkraftparitäten umgerechnet)

Gesamtkosten hochgerechnet unter der Annahme von 49 000 RA-Erkrankten

Die jährlichen Kosten für RA betragen in der Schweiz rund 2.4 Mrd. CHF resp. 49 000 CHF pro Patient. Dabei machen die indirekten Kosten etwas mehr als die Hälfte aus. Je ein Drittel der Kosten wird durch die direkten medizinischen Kos-ten und die Produktivitätsverluste verursacht. Die Angaben basieren jedoch nicht auf Schweizer Daten, sondern wurden auf Basis von Daten anderer Länder für die Schweiz extrapoliert.Quelle: Lundkvist et al. (2008).

Page 50: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

48 Polynomics

ten. Die direkten Kosten sind insgesamt für 45 Prozent der Gesamtkosten ver-antwortlich, somit machen die indirekten Kosten etwas mehr als die Hälfte aus. Die informelle Pflege weist einen Anteil von gut 20 Prozent und Produktivitätsver-luste einen von 34 Prozent an den Gesamtkosten auf. Intangible Kosten der rheu-matoiden Arthritis wurden in der Studie von Lundkvist et al. (2008) nicht ermittelt.

5 .4 DemenzUnter Demenz, ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, werden über 50 Erkrankungen zusammengefasst, wobei die häufigste Form die Alzheimerkrankheit ist.18 Die Ursache von Alzheimer ist bisher noch nicht voll-ständig geklärt. Durch den fortschreitenden und irreversiblen Zerfall der Gehirn-funktion treten Verluste des Erinnerungsvermögens, Verschlechterung des Denkvermögens, der Sprache und des praktischen Geschicks auf, was zum Verlust der Selbständigkeit führt. Von Demenz sind hauptsächlich Personen ab dem 65. Lebensjahr betroffen. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer, was unter anderem durch ihre längere Lebenserwartung begründet ist, da das Alter der Hauptrisikofaktor für Demenz ist. Demenz kann heute noch nicht geheilt werden, seit einigen Jahren existieren jedoch Medikamente, sogenannte Antide-mentiva, die den Verlauf der Krankheit um ein paar Jahre verzögern können. Diese wirken aber nur bei einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung.

In der Schweiz geht man von rund 100 000 Betroffenen aus (Kraft et al., 2010). Infolge der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl laufend erhöhen wird.

Die Kosten von Demenz in der Schweiz betragen gemäss Kraft et al. (2010) im Jahr 2007 über 6 Mrd. CHF (vgl. Tabelle 7). Pro Patient fallen jährliche Kosten bei einer Pflege im Heim von 69 000 CHF oder bei einer Pflege zu Hause von 55 000 CHF an. Für die schweizweiten Gesamtkosten wurde angenommen, dass 58 Prozent der Demenzerkrankten in einem Pflegeheim leben, während die übrigen 42 Prozent zu Hause gepflegt werden. Die direkten medizinischen Kos-ten machen über die Hälfte der Gesamtkosten aus, der Hauptteil davon sind Kosten für Pflege. Bei Patienten im Pflegeheim belaufen sich die Pflegekosten auf 68 400 CHF. Bei Patienten, die zu Hause gepflegt werden, macht die profes-sionelle Pflege wie Spitex rund 60 Prozent der direkten medizinischen Kosten aus. Ebenfalls einen hohen Anteil verursachen stationäre Behandlungen, welche jedoch nur für zu Hause gepflegte Patienten berechnet wurden. Nicht berück-

18 Vgl. dazu und im Folgenden www.alz.ch/d/html/alzheimer+6.html; www.sprechzimmer.ch → Krankheits-bilder → Demenz, Altersdemenz, Zugriff am 13.07.2011.

Page 51: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 49

sichtigt wurden Kosten für Hilfsmittel oder krankheitsbedingte Wohnungsum-bauten, sodass keine direkten nicht medizinischen Kosten vorliegen.

Zur Berechnung der informellen Pflege wurde der Ersetzungskostenansatz ver-wendet, das heisst die für Pflege aufgewendete Zeit wurde mit einem Marktlohn für Pflege bewertet. Dadurch resultieren für durchschnittlich 3.2 Stunden Pflege pro Tag jährliche Kosten in der Höhe von rund 47 000 CHF. Produktivitätsverluste wurden in den Kosten nicht berücksichtigt, da die Mehrheit der Demenzkranken über 65 Jahre alt ist und somit nur beschränkt Produktivitätsverluste aufgrund eingeschränkter Arbeitsfähigkeit oder Frühpensionierung anfallen. Intangible Kos ten auf Seiten der Erkrankten oder der pflegenden Angehörigen wurden in der Studie von Kraft et al. (2010) nicht beziffert.

Tabelle 7 | Kosten von Demenz

pro Patient Pflegeheim

in CHF/a

pro Patient zu Hause in CHF/a

Kosten CH in Mio . CHF/a

in Prozent der Gesamt-

kosten

Direkte medizinische Kosten 68 891 8 720 3 486 55.7%

davon Medikamentenkosten 266 266 27 0.4%

Direkte nicht medizinische Kosten

k.A. k.A. k.A. k.A.

Total direkte Kosten 68 891 8 720 3 486 55.7%

Informelle Pflege 0 46 581 2 771 44.3%

Produktivitätsverluste k.A. k.A. k.A. k.A.

Total indirekte Kosten 0 46 581 2 771 44.3%

Gesamtkosten 68 891 55 301 6 257 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2007 (Eurowerte wurden mit Kaufkraftparitäten umgerechnet)

Gesamtkosten hochgerechnet unter der Annahme von 102 560 Demenzerkrankten

Die jährlichen Kosten für Demenz betragen in der Schweiz rund 6 Mrd. CHF resp. rund 60 000 CHF pro Patient, wobei die nicht medizinischen direkten Kosten mangels Daten nicht ermittelt werden konnten. Patienten, welche in einem Pfle-geheim leben, verursachen höhere Kosten als solche, die zu Hause gepflegt werden. Den grössten Anteil der Kosten macht insgesamt die Pflege – sowohl im Heim als auch zu Hause – aus. Da die meisten Demenzkranken über 65-jäh-rig sind, wurden keine Produktivitätsverluste am Arbeitsmarkt berechnet.Quelle: Kraft et al. (2010).

Page 52: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

50 Polynomics

5 .5 KrebsKrebs ist ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsbilder der Organe, im Allgemeinen versteht man darunter bösartige Tumore.19 Diese entstehen durch ursprünglich normale Gewebezellen, die sich unkontrolliert vermehren und in das umgebende Gewebe eindringen und es zerstören. Diese Krebszellen können an weiteren Körperstellen Ableger, sogenannte Metastasen, bilden. Daneben gibt es auch bösartige Systemerkrankungen, welche 5 Prozent aller Krebserkran-kungen ausmachen. Dabei ist nicht nur ein Organ, sondern das ganze Blut- oder Lymphsystem betroffen (z. B. Leukämie). Die Behandlungsmethoden sind je nach Tumor unterschiedlich. Dabei stehen grundsätzlich die operative Entfernung des Tumors, Strahlentherapie oder eine medikamentöse Behandlung zur Verfügung. In den letzten Jahrzehnten ist die Mortalitätsrate bei den meisten Krebslokalisa-tionen aufgrund des Fortschritts bei der Krebstherapie gesunken (Wilking und Jönsson, 2005).

In der Schweiz gibt es gemäss Bundesamt für Statistik jedes Jahr rund 36 000 Neuerkrankungen, wobei die Mortalität von Krebs bei 16 000 liegt. Prävalenz-zahlen liegen nur für Brustkrebs (72 000) und Dickdarmkrebs (32 000) vor (BFS, 2011b).

Tabelle 8 bildet die von Jönsson und Wilking (2007) berechneten Kosten von Krebs für die Schweiz ab. Dabei wurde aus anderen Studien der Anteil der Ge-sundheitsausgaben für Krebs an den gesamten Gesundheitsausgaben erfasst. Im Gegensatz zu den anderen untersuchten Studien wurden somit nicht die Kosten pro Patient ermittelt und anschliessend hochgerechnet, sondern über einen «Top-down»-Ansatz direkt die Gesamtkosten berechnet. Für die Schweiz wurde mangels detaillierter Daten auf Basis der Erkenntnisse aus anderen Län-dern ein durchschnittlicher Anteil der Kosten für die Behandlung von Krebs an den Gesamtgesundheitsausgaben von 6.6 Prozent unterstellt. Dies führt für das Jahr 2004 zu direkten Kosten in der Höhe von 3 Mrd. CHF. Ein grosser Teil der Kosten fällt dabei für die stationäre Krankenhausversorgung an. Die Medikamen-tenkosten zur Behandlung von Krebserkrankungen wurden unter der Annahme, dass sie 5 Prozent der gesamten Ausgaben für Medikamente ausmachen, be-rechnet. Dies ergibt für die Schweiz einen Wert von 240 Mio. CHF respektive einen Anteil von 8 Prozent an den direkten Kosten. Zur Plausibilisierung wurde für das Jahr 2004 der Verkaufswert von 67 Krebsmedikamenten untersucht, wel-che die Mehrheit der verwendeten Krebsmedikamente ausmachen. Dies ergab für die Schweiz mit 223 Mio. CHF einen ähnlichen Wert.19 Vgl. dazu und im Folgenden www.krebsliga.ch/de/uber_krebs, Zugriff am 13.07.2011.

Page 53: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 51

Die indirekten Kosten werden von Jönsson und Wilking (2007) aufgrund man-gelnder Daten nicht berechnet. Die Autoren des vorliegenden Berichts haben diese approximativ abgeschätzt. In den in Jönsson und Wilking (2007) betrach-teten Studien machen die indirekten Kosten rund 70 bis 85 Prozent aus. Diese Studien sind jedoch nicht aktuell und anhand von Untersuchungen in den USA und Schweden zeigt sich, dass der Anteil der indirekten Kosten im Laufe der Zeit abgenommen hat. So sank der Anteil in den USA von 71 Prozent im Jahr 2000 auf 65 Prozent im Jahr 2002. In Schweden liegt der Anteil 2004 bei 50 Prozent, während er vier Jahre zuvor noch bei 57 Prozent lag. Ein Grund dafür sind laufend neue und bessere Behandlungen, welche die Überlebenswahrschein-lichkeit erhöhen. Dadurch sinken die Kosten für Produktivitätsverluste aufgrund vorzeitigen Todes, welche einen Grossteil der indirekten Kosten ausmachen. Weiter erhöhen sich durch neue Entwicklungen die Medikamentenpreise, sodass die direkten Kosten im Verhältnis zu den indirekten zunehmen. Aufgrund dieser Werte wurde ein Anteil der indirekten Kosten von 60 Prozent angenommen.

Tabelle 8 | Kosten von Krebs

pro Kopf a) in CHF/a

Kosten CH in Mio . CHF/a

in Prozent der Gesamtkosten

Direkte medizinische Kosten 414 3 062 40.0%

davon Medikamentenkosten 33 241 3.2%

Direkte nicht medizinische Kosten k.A. k.A. k.A.

Total direkte Kosten 414 3 062 40.0%

Informelle Pflege k.A. k.A. k.A.

Produktivitätsverluste 622 4 593 60.0%

Total indirekte Kosten 622 4 593 60.0%

Gesamtkosten 1 036 7 655 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2004 (Eurowerte wurden mit Kaufkraftparitäten umgerechnet)

a) Aufgrund fehlender Prävalenzdaten können keine Kosten pro Patient ausgewiesen werden. Die Pro-Kopf-Werte wurden mit einer Bevölkerung von 7 390 000 für das Jahr 2004 berechnet.

Die jährlichen Kosten für Krebs betragen in der Schweiz rund 7.7 Mrd. CHF. Dieser Wert basiert auf der Annahme, dass die direkten medizinischen Kosten 6.6% der gesamten Gesundheitsausgaben und die indirekten Kosten (ohne in-formelle Pflege) einen Anteil von 60% an den Gesamtkosten ausmachen. Pro Kopf verursacht Krebs jährlich Kosten von gut 1 000 CHF. Die Medikamentenko-sten machen dabei lediglich einen Anteil von 3.2% aus. Quelle: Jönsson und Wilking (2007), eigene Berechnungen.

Page 54: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

52 Polynomics

Damit resultieren für die Schweiz jährliche indirekte Kosten in der Höhe von 4.6 Mrd. CHF respektive Gesamtkosten in Höhe von 7.7 Mrd. CHF. Nicht berück-sichtigt sind wiederum die intangiblen Kosten.

Andlin-Sobocki et al. (2005) kommen für Gehirntumore, welche rund 1.5 Prozent aller Neuerkrankungen pro Jahr ausmachen, auf Gesamtkosten in der Höhe von 175 Mio. CHF (vgl. Kapitel 5.7). Dies entspricht 2.3 Prozent der ermittelten Ge-samtkosten für alle Krebsarten.

5 .6 Kreuzschmerzen Kreuzschmerzen sind Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule.20 Dabei spricht man bei einer Dauer von weniger als sechs Wochen von akuten Kreuz-schmerzen, bei einer Dauer von mehr als zwölf Wochen von chronischen Kreuz-schmerzen. Für die Beschwerden können unterschiedliche Ursachen vorliegen, in vielen Fällen ist die Ursache auch nicht erkennbar. Chronische Kreuzschmer-zen können durch andere chronische Erkrankungen verursacht sein oder sich aus akuten Beschwerden entwickeln. Vorbeugende Massnahmen sind eine gut trainierte Rückenmuskulatur. Bei akuten Schmerzen können Schmerzmittel ge-nommen werden, sodass die alltäglichen Aktivitäten weiter durchgeführt werden können. Bei länger anhaltenden Schmerzen werden Krankengymnastik, Massa-gen etc. empfohlen. Bei chronischen Schmerzen helfen vor allem Akupunktur und verhaltenstherapeutische Massnahmen.

Rückenschmerzen respektive Kreuzschmerzen gehören zu den wichtigsten Gründen für Arztbesuche in der Schweiz. Die schweizerische Gesundheitsbefra-gung im Jahr 2007 ergab, dass 47 Prozent der Frauen und 39 Prozent der Män-ner in den letzten vier Wochen vor der Befragung unter Rückenschmerzen litten. Davon gaben 10 Prozent an, unter starken Beschwerden zu leiden (BFS, 2010). Das MEM Research Center der Universität Bern kommt bei einer gross ange-legten Befragung, bei der 16 634 über 18-jährige Deutschsprachige teilgenom-men haben, auf eine Prävalenzrate von 24.3 Prozent (vgl. Wieser et al., 2010).

Wieser et al. (2010) berechnen die Kosten von chronischen Kreuzschmerzen für die Schweiz. Tabelle 9 fasst die Resultate zusammen. Pro Patient betragen diese im Jahr 2005 durchschnittlich 7 400 CHF. Aufgrund der hohen Prävalenz, rund

20 Vgl. dazu und im Folgenden Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeits-gemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Nationale Versorgungs-Leitlinie Kreuzschmerz – Langfassung. Version 1.1. 2010 [06.06.2011]: http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/kreuzschmerz.

Page 55: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 53

1.4 Mio. Betroffenen, belaufen sich die Gesamtkosten auf 10.3 Mrd. CHF. Die Daten stützen sich auf eine Befragung von 1 253 Personen, welche bereits in einer vorangegangen Querschnittsbefragung vom MEM Research Center der Universität Bern angaben, Kreuzschmerzen zu haben. Bei fast 90 Prozent der Befragten dauerte die aktuelle Episode der Kreuzschmerzen vier Wochen oder länger. Fast die Hälfte der Befragten beanspruchte während der untersuchten Zeit keine Ressourcen im Gesundheitswesen und verursachte damit keine di-rekten medizinischen Kosten.

Rund ein Viertel der Gesamtkosten machen die direkten medizinischen Kosten aus. Diese sind hauptsächlich durch ärztliche Versorgung verursacht, wobei die ambulante Betreuung, welche 23 Prozent der Befragten in den letzten vier Wo-chen beanspruchte, einen grösseren Anteil ausmacht als die stationäre. Hier liegt der Anteil der Befragten, die in den letzten zwölf Monaten einen Krankenhaus-

Tabelle 9 | Kosten von Kreuzschmerzen

pro Patient

in CHF/a

Kosten CH in Mio.

CHF/a (HKA)in

Prozent

Kosten CH in Mio.

CHF/a (FKA)

in Prozent der Gesamt-

kosten

Direkte medizinische Kosten 1 974 2 751 26.7% 2 751 37.3%

davon Medikamentenkosten 31 42 0.4% 42 0.6%

Direkte nicht medizinische Kosten 878 1 224 11.9% 1 224 16.6%

Total direkte Kosten 2 851 3 975 38.6% 3 975 54.0%

Informelle Pflege k.A. k.A. k.A. k.A. k.A.

Produktivitätsverluste 4 529 6 316 61.4% 3 390 46.0%

Total indirekte Kosten 4 529 6 316 61.4% 3 390 46.0%

Gesamtkosten 7 381 10 291 100.0% 7 365 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2005

Gesamtkosten hochgerechnet unter der Annahme von 1 394 318 Betroffenen

HKA: Humankapitalansatz; FKA: Friktionskostenansatz zur Berechnung der Produktivitätsverluste

Kosten für informelle Pflege lassen sich nicht separat ausweisen, sie sind in den nicht medizinischen Kosten enthalten

Die jährlichen Kosten für Kreuzschmerzen betragen in der Schweiz rund 10 Mrd. CHF resp. 7 400 CHF pro Patient. Wird für die Berechnung der indirekten Kosten anstatt des Humankapitalansatzes (HKA) der Friktionskostenansatz (FKA) gewählt, liegen die Gesamtkosten mit rund 7 Mrd. CHF etwas niedriger. Die Kosten werden zu einem grossen Teil durch die Produktivitätsverluste be-stimmt, insbesondere durch reduzierte Produktivität am Arbeitsplatz.Quelle: Wieser et al. (2010).

Page 56: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

54 Polynomics

oder Rehaklinikaufenthalt benötigten, bei rund 9 Prozent. Die Medikamentenkos-ten machen einen vernachlässigbaren Anteil aus, sie betragen im Durchschnitt 30 CHF pro Jahr und Patient. Dieser geringe Betrag resultiert daraus, dass zum einen nur 28 Prozent der Befragten innerhalb der letzten vier Wochen Schmerz-mittel zu sich genommen haben, zum anderen diese relativ kostengünstig sind. Hilfe für Alltagsaktivitäten verursacht den grössten Anteil der direkten nicht me-dizinischen Kosten. Rund 7 Prozent der Befragten nahmen eine solche Hilfe in Anspruch. Darin ist jedoch auch die informelle Hilfe enthalten, da nicht zwischen professioneller Hilfe und Hilfe durch Verwandte und Freunde unterschieden wird. Die durchschnittlich aufgewendete Zeit von 6.5 Stunden pro Woche wurde mit einem Stundenlohn von 23 CHF bewertet und ergibt durchschnittliche Kosten pro Patient von 522 CHF, wobei kein separater Ausweis der Kosten für informelle Pflege möglich ist.

Die Produktivitätsverluste wurden sowohl mit dem Humankapital- als auch mit dem Friktionskostenansatz berechnet, wobei eine Friktionszeit von 22 Wochen unterstellt wurde. Als Produktivitätsverluste wurden nicht nur die krankheitsbe-dingte Abwesenheit am Arbeitsplatz sowie Frühpensionierung berücksichtigt, sondern auch Präsentismus, das heisst reduzierte Produktivität am Arbeitsplatz. Fast 20 Prozent gaben an, im Durchschnitt um rund 30 Prozent weniger produk-tiv zu sein. Dies verursacht unabhängig von der Methode den grössten Anteil der Kosten für Produktivitätsverluste. Beim Humankapitalansatz sind es 44 Prozent der Kosten, beim Friktionskostenansatz sogar über 80 Prozent. Den zweithöchs-ten Kostenanteil macht beim Humankapitalansatz mit rund 40 Prozent die dau-erhafte Erwerbsunfähigkeit, welche 4 Prozent der Befragten betrifft, aus. Die indirekten Kosten machen bei der Verwendung des Humankapitalansatzes ins-gesamt über 60 Prozent der Gesamtkosten aus. Beim Friktionskostenansatz sind es 46 Prozent. Die Zahlen zeigen, dass die Wahl der Methode einen ent-scheidenden Einfluss auf das Ergebnis hat. So sind die Gesamtkosten beim Humankapitalansatz mit 10.3 Mrd. CHF 40 Prozent höher als beim Friktionsko-stenansatz (7.4 Mrd. CHF). Intangible Kosten von Kreuzschmerzen wurden in der Studie nicht ermittelt.

5 .7 Gehirnerkrankungen insgesamtIn der Studie von Andlin-Sobocki et al. (2005) sind die zwölf häufigsten und teu-ersten Gehirnerkrankungen zusammengefasst. Diese können in neurologische (Parkinson, Multiple Sklerose, Schlaganfall, Epilepsie, Migräne, Demenz), neuro-chirurgische (Trauma, Gehirntumor) und psychische Erkrankungen (psychotische Störungen, Angststörungen, Suchtstörungen, affektive Störungen, Demenz) ein-

Page 57: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 55

Tabelle 10 | Überblick Gehirnerkrankungen

Direkte medizinische

Kosten

Direkte nicht medizinische

KostenIndirekte

Kostena)

Prävalenz-rate CH pro 100 000 EW

Gesamt- kosten CH

in Mio. CHF/a

Neurologische Erkrankungen 9 667 3 753

Parkinson x x x 202d) 402

Multiple Sklerose x x x 110 599

Schlaganfall x x x 137e) 633

Epilepsie x x x 600f) 772

Migräne x x 8 619f) 1 347

Neurochirurgische Erkrankungen

176 314

Trauma x 153 139

Gehirntumor x x x 23 175

Neurologische/psychische Erkrankungen

992 2 898

Demenz x x 992 d) 2 898

Psychische Erkrankungen 17 285 11 644

Psychotische Störungen x x 522f) 1 097

Angststörungen x xb) 9 784f) 2 271

Suchtstörungen (Alkohol und Drogen)

x x xc) 1 892f) 2 827

Affektive Störungen x x 5 088f) 5 450

Gesamtkosten 18 609

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2004 (Eurowerte wurden mit Kaufkraftparitäten umgerechnet)

a) enthält nur Produktivitätsverlust, informelle Pflege wurde nur für Multiple Sklerose und Demenz erfasst; b) nur Absentismus erfasst; c) nur für Drogen erfasst; d) Daten basieren auf

über 64-Jährigen; e) Daten basieren auf über 24-Jährigen; f) Daten basieren auf 18- bis 65-Jährigen

Die Tabelle bietet eine Übersicht über die verschiedenen Gehirnerkrankungen sowie über die erfassten Kostenarten. Nicht für alle Krankheiten wurden direkte nicht medizinische und indirekte Kosten berechnet, sodass die ausgewiesenen Gesamtkosten bei einigen der Krankheitsbilder als untere Grenze zu verstehen sind. Dies gilt insbesondere für die Migräne sowie Angststörungen, die in der Schweiz mit jeweils rund 9 000 Fällen pro 100 000 Einwohnern eine hohe Präva-lenz aufweisen und für die nicht alle Kostenarten berechnet wurden. Auch die informelle Pflege konnte nur für zwei Erkrankungen erfasst werden (Demenz, Multiple Sklerose).Quelle: Andlin-Sobocki et al. (2005).

Page 58: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

56 Polynomics

geteilt werden. Andlin-Sobocki et al. (2005) berechnen anhand von Daten aus bestehender Literatur für die Schweiz eine Prävalenz von über 2 Mio. Fällen, was gut einem Viertel der Gesamtbevölkerung entspricht, der durch eine dieser Krank-heiten betroffen ist. Es besteht jedoch das Problem von Komorbidität, das heisst von gleichzeitig bestehenden Erkrankungen, sodass Doppelzählungen wahr-scheinlich sind. Vor allem bei den psychischen Erkrankungen kommen oft Mehr-fachdiagnosen vor, so zeigen sich beispielsweise bei Suchtstörungen häufig auch Angststörungen oder Depressionen.

In Tabelle 10 ist die Prävalenzrate der untersuchten Erkrankungen angegeben. Weiter ist ersichtlich, welche Kostenarten in die Berechnung der Gesamtkosten einfliessen. Eine hohe Prävalenz weisen Migräne und Angststörungen auf, welche zusammen fast zwei Drittel der gesamten Erkrankten ausmachen. Zu den Angst-störungen gehören Panikstörungen, generalisierte Angststörung, spezifische Phobien, Zwangsneurosen, Agoraphobie und soziale Phobie. Weiter sind auch affektive Störungen, das heisst Depression und manisch-depressive Erkran-kungen, relativ weitverbreitet. Insgesamt verursachen diese drei Erkrankungen 20 Prozent der Gesamtkosten von Gehirnerkrankungen. Im Gegensatz dazu gibt es relativ wenige Patienten mit Gehirntumor, Multipler Sklerose oder Schlaganfall. Aufgrund der hohen Fallkosten führen diese Krankheiten trotzdem zu hohen Kos-ten für die Schweiz. So verursacht beispielsweise ein Patient mit Gehirntumor im Durchschnitt rund 50-mal höhere Kosten als ein Patient mit Migräne. Da die ein-zelnen Krankheiten jedoch nicht immer dieselben Kostenkategorien berücksich-tigen, ist ein Vergleich nur bedingt möglich. Insgesamt verursachen die psychi-schen Erkrankungen innerhalb der Gehirnerkrankungen aufgrund ihrer Häufigkeit in der Schweiz die höchsten Kosten.

Die Gesamtkosten für Gehirnerkrankungen sind in Tabelle 11 abgebildet. Die jährlichen Kosten für die Schweiz betragen im Jahr 2004 18.6 Mrd. CHF. Pro Patient belaufen sie sich durchschnittlich auf 9 000 CHF. Davon entfällt ein Drittel auf die direkten medizinischen Kosten. Die Medikamentenkosten machen davon rund 7 Prozent aus. Die direkten nicht medizinischen Kosten verursachen rund 15 Prozent der Gesamtkosten, wurden jedoch nicht berechnet für Migräne, Trauma, Angststörungen und affektive Störungen.

Die informelle Pflege wurde nur für Demenz und Multiple Sklerose erfasst, der Anteil von 4 Prozent an den Gesamtkosten ist somit deutlich unterschätzt. Auch die Produktivitätsverluste wurden nicht für alle Erkrankungen berechnet; nicht berücksichtig sind sie bei Trauma, Demenz und psychotischen Störungen, wobei

Page 59: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 57

Tabelle 11 | Kosten von Gehirnerkrankungen insgesamt

pro Patient

in CHF/aKosten CH

in Mio. CHF/ain Prozent der Gesamtkosten

Direkte medizinische Kosten 2 967 6 082 32.7%

davon Medikamentenkosten 216 443 2.4%

Direkte nicht medizinische Kosten 1 315 2 696 14.5%

Total direkte Kosten 4 282 8 778 47.2%

Informelle Pflege 372 762 4.1%

Produktivitätsverluste 4 424 9 069 48.7%

Total indirekte Kosten 4 796 9 831 52.8%

Gesamtkosten 9 078 18 609 100.0%

Angaben beziehen sich auf jährliche Kosten in CHF 2004 (Eurowerte wurden mit Kaufkraftparitäten umgerechnet)

Gesamtkosten hochgerechnet unter der Annahme von 2 049 854 Erkrankten

Gehirnerkrankungen verursachen in der Schweiz jährlich Kosten von 18.6 Mrd. CHF resp. 9 000 CHF pro Patient. Die Kosten enthalten die zwölf häufigsten und teuersten Erkrankungen. Es wurden jedoch nicht für alle Erkrankungen die direk-ten nicht medizinischen Kosten, die Produktivitätsverluste oder die informelle Pflege berechnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine vermehrte Berücksichtigung der informellen Pflege, welche nur für zwei Erkrankungen er-fasst wurde, den Anteil der indirekten Kosten sowie die Gesamtkosten deutlich erhöhen würde.Quelle: Andlin-Sobocki et al. (2005), Jäger et al. (2008).

im Fall von Demenz die meisten Erkrankten über 65 Jahre alt sind und über den Humankapitalansatz kein Produktivitätsverlust ermittelt werden würde. Für keine der ausgewiesenen Krankheitsbilder wurden die intangiblen Kosten ermittelt, die insbesondere bei Gehirnerkrankungen aufgrund der damit verbundenen Ein-schränkungen im Leben hoch ausfallen dürften.

Page 60: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

58 Polynomics

6 Quellenverzeichnis

Andlin-Sobocki, P., B. Jönsson, H.-U. Wittchen und J. Olesen (2005): Cost of Disorders of the Brain in Europe, European Journal of Neurology 12 (Suppl. 1), 1–27.

Beer S. und J. Kesserling (1994): High Prevalence of Multiple Sclerosis in Switzerland, Neuroepidemiology 19, 14–18.

BFS (2010): Gesundheit und Gesundheitsverhalten in der Schweiz 2007 – Schweizerische Gesundheitsbefragung, Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

BFS (2011a): Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens – Detaillierte Ergebnisse 2008 und jüngste Entwicklung, BFS Aktuell, Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

BFS (2011b): Krebs in der Schweiz, Stand und Entwicklung von 1983 bis 2007, Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

Breyer, F., P. Zweifel und F. Kifmann (2005): Gesundheitsökonomie, 5. Auflage, Berlin, Springer Verlag.

Christensen, K., G. Doblhammer, R. Rau und J. W. Vaupel (2009): Ageing Populations: The Challenges Ahead, Lancet 374, 1196–1208.

Drummond, M. F., B. O’Brien, G. L. Stoddart und G. W. Torrance (1997): Methods for the Economic Evaluation of Health Care Programmes, 2. Auflage, Oxford, New York, Toronto: Oxford University Press.

Eichler H.-G., S. X. Kong und W. C. Gerth et al. (2004): Use of Cost-Effectiveness Analysis in Health Care Resource Allocation Decision-Making: How are Cost-Effectiveness Thresholds Expected to Emerge?, Value in Health 7, 518–528.

Eriksson, B. I., L. C. Borris, R. J. Friedman et al. (2008): Rivaroxaban versus Enoxaparin for Thromboprophylaxis after Hip Arthroplasty, The New England Journal of Medicine 358(26), 2765–2775.

Frech III., H. E. und R. D. Miller Jr. (1999): The Productivity of Health Care and Pharmaceuticals: An International Comparison, Washington D.C.: The AEI Press.

Fries, J. F. (1980): Aging, Natural Death, and the Compression of Morbidity, The New England Journal of Medicine 303, 130–136.

Goers, T. A., M. E. Klingensmith, L. I. Chen und S. C. Glasgow (2008): The Washington Manual of Surgery, Philadelphia: Wolters Kluwer Health/Lippincott Williams & Wilkins.

Page 61: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 59

Jäger, M., P. Sobocki und W. Rössler (2008): Cost of Disorders of the Brain in Switzerland, Swiss Medical Weekly 138, 4–11.

Johannesson, M. (1996): Theory and Methods of Economic Evaluation of Health Care, Dordrecht, Boston, London: Kluwer Academic Publishers.

Jönsson, B. und N. Wilking (2007): The Burden and Cost of Cancer, Annals of Oncology 18 (Suppl. 3), 8–22.

Kobelt, G., J. Berg, P. Lindgren, A. Gerfin und J. Lutz (2006a): Costs and Quality of Life of Patients with Multiple Sclerosis in Switzerland, The European Journal of Health Economics 7 (Suppl. 2), 86-95.

Kobelt, G., J. Berg, P. Lindgren, S. Fredrikson und B. Jonsson, (2006b): Costs and Quality of Life of Patients with Multiple Sclerosis in Europe, Journal of Neurological Neurosurgery & Psychiatry 77, 918–926.

Koopmanschap, M. A. und B. M. van Ineveld (1992): Towards a New Approach for Estimating Indirect Costs of Disease, Social Science and Medicine 34, 1005–1010.

Kraft, E., M. Marti, S. Werner und H. Sommer (2010): Cost of Dementia in Switzerland, Swiss Medical Weekly, 140, E1–E8.

Krauth, C. (2010): Methoden der Kostenbestimmung in der gesundheitsökonomischen Evaluation, Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 15(5), 251–259.

Lakdawalla, D. N., D. P. Goldman, P.-C. Michaud et al. (2008): U.S. Pharmaceutical Policy in a Global Marketplace, Health Affairs 28(1), w138–w150.

Larg, A. und J. R. Moss (2011): Cost-of-Illness Studies – A Guide to Critical Evaluation, Pharmacoeconomics 29(8), 653–671.

Lassen, M R., W. Ageno, L. C. Borris et al. (2008): Rivaroxaban versus Enoxaparin for Thromboprophylaxis after Total Knee Arthroplasty, The New England Journal of Medicine 358(26), 2776–2786.

Law, M. und K. A. Grépin (2010): Is Newer Always Better? Re-Evaluating the Benefits of Newer Pharmaceuticals, Journal of Health Economics 29, 743–750.

Lichtenberg, F. R. (2001): Are The Benefits Of Newer Drugs Worth Their Cost? Evidence From The 1996 MEPS, Health Affairs 20(5), 241–251.

Page 62: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

60 Polynomics

Lichtenberg, F. R. und S. Virabhak (2007): Pharmaceutical-Embodied Technical Progress, Longevity, and Quality of Life: Drugs as Equipment for Your Health, Managerial and Decision Economics 28, 371–392.

Luce, B. R., J. Mauskopf, F. A. Sloan et al. (2006): The Return on Investment in Health Care: From 1980 to 2000, Value in Health 9(3), 146–156.

Lundkvist, J., F. Kastäng und G. Kobelt (2008): The Burden of Rheumatoid Arthritis and Access to Treatment: Health Burden and Costs, The European Journal of Health Economics 8 (Suppl. 2), 49–60.

Miller Jr., R. D. und H. E. Frech III (2004): Health Care Matters. Pharmaceuticals, Obesity, and the Quality of Life, Washington D.C.: AEI Press.

Murphy, K. M. und R. H. Topel (2006): The Value of Health and Longevity, Journal of Political Economy 114(5), 871–904.

Niehaus, F. (2006): Alter und steigende Lebenserwartung – Eine Analyse der Auswirkungen auf die Gesundheitsausgaben, Köln: WIP Wissenschaftliches Institut der PKV.

Nocera, S., D. Bonato und H. Telser (2002): The Contingency of Contingent Valuation, International Journal of Health Care Finance and Economics 2(3), 219–240.

Nocera, S., H. Telser und D. Bonato (2003): The Contingent Valuation Method in Health Care: An Economic Evaluation of Alzheimer’s Disease, Kluwer Academic Publishers: Boston, Dordrecht, London.

Olshansky, S. J., M. A. Rudberg, B. A. Carnes et al. (1991): Trading Off Longer Life for Worsening Health: The Expansion of Morbidity Hypothesis, Journal of Aging and Health 3, 194–216.

Samuelson, P. A. (1976): Economics, 10. Auflage, New York: McGraw-Hill.

Schmid, A., J. Pugin, J. C. Chevrolet et al. (2004): Burden of Illness Imposed by Severe Sepsis in Switzerland, Swiss Medical Weekly 134(7/8), 97–102.

Schöffski, O. und J.-M. Graf v. d. Schulenburg (Hrsg.) (2008): Gesundheitsökonomische Evaluationen, 3. Auflage, Berlin, Heidelberg, New York: Springer.

Stoker, D. L., D. J. Spiegelhalter, R. Singh und J. M. Wellwood (1994): Laparoscopic versus Open Inguinal Hernia Repair: Randomized Prospective Trial, The Lancet 343, 1243–1245.

Page 63: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

Gesundheitsausgaben und Krankheitskosten 61

Telser, H. (2002): Nutzenmessung im Gesundheitswesen – Die Methode der Discrete-Choice-Experimente, Hamburg: Verlag Dr. Kova.

Telser, H., S. Vaterlaus, P. Zweifel und P. Eugster (2004): Was leistet unser Gesundheitswesen?, Zürich: Verlag Rüegger.

Van den Hout, W. B. (2010): The Value of Productivity: Human-Capital versus Friction-Cost Method, Annals of the Rheumatic Diseases 69 (Suppl. 1), 89–91.

Verstappen, S. M. M., A. Boonen, H. Verkleij et al. (2005): Productivity Costs among Patients with Rheumatoid Arthritis: The Influence of Methods and Sources to Value Loss of Productivity, Annals of the Rheumatic Diseases 64, 1754–1760.

Wieser, S., B. Horisberger, S. Schmidhauser et al. (2010): Cost of Low Back Pain in Switzerland in 2005, The European Journal of Health Economics, 1–13.

Wilking, N. und B. Jönsson (2005): A Pan-European Comparison Regarding Patient Access to Cancer Drugs, Stockholm, Sweden, Karolinska Institutet und Stockholm School of Economics.

Zhang, W. und A. H. Anis (2010): The Economic Burden of Rheumatoid Arthritis: Beyond Health Care Costs, Clinical Rheumatology, 1–8.

Zweifel, P. und M. Ferrari (1992): Is there a Sisyphus Syndrome in Health Care?, in: P. Zweifel und H. Frech III (Hrsg.), Health Economics Worldwide, Dordrecht, Boston, London: Kluwer Academic Publishers, 311–330.

Zweifel, P, L. Steinmann und P. Eugster (2005): The Sisyphus Syndrome in Health Revisited. International Journal of Health Care Finance and Economics 5(2), 127–145.

Zweifel, P., H. Telser und S. Vaterlaus (2006): Consumer Resistance Against Regulation: The Case of Health Care, Journal of Regulatory Economics 29(3), 319–332.

Page 64: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma
Page 65: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma
Page 66: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma
Page 67: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma
Page 68: Studie im Auftrag von Interpharma Gesundheitsausgaben und ... · Polynomics Dr. Harry Telser, Barbara Fischer, Dr. Karolin Leukert, Dr. Stephan Vaterlaus Studie im Auftrag von Interpharma

InterpharmaPetersgraben 35, PostfachCH-4003 BaselTelefon +41 (0)61 264 34 00Fax +41 (0)61 264 34 [email protected]