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Studie T 2 3410 Arbeitslosigkeit, relative Deprivation und sozialer Protest Von Lain Walker & Leon Mann Studie über Arbeitslosigkeit Durchgeführt im Winter 1981 in Adelaid in Südaustralien Begriffe: Deprivation Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem sowie das Gefühl einer Benachteiligung. Innerhalb der Psychologie wird auf dem Gebiet der Wahrnehmung bzw. der sensorischen Stimulierung sowie der emotionalen Beziehungen von "Deprivation" gesprochen. In der Psychoanalyse wird der "Vaterverlust" als Deprivation begriffen. RD relative Deprivation Egoistische Deprivation Ich ist benachteiligt gegenüber anderen Vergleichspersonen Fraternale Deprivation Vergleiche auf Gruppenebene, die Eigengruppe wird mit Fremdgruppen verglichen die Eigengruppe ist benachteiligt. I. Ausgangspunkt Theorien der relativen Deprivation zufolge, spielt die Wahrnehmung relativer Deprivation eine zentrale Rolle dabei ob statusniedrige Gruppen ihren Status akzeptieren oder statt dessen den Status qou durch politische Mittel herausfordern. Grundlegende Annahme Auffassung der Diskrepanz zw. eigener Gruppenposition und einer mehr privilegierten Gruppe oder zw. persönlichen Erwartungen und Leistungen Forschungsstand der Zeit Beteiligung an Protestaktionen Fraternale Deprivation spielt eine größere Rolle Gruppenidentifikation II. Ergebnis Protestorientierung korreliert signifikant mit beiden Fraternalen RD-Maßen, aber mit keinem der egoistischen RD-Maßen. Stress korreliert signifikant nur mit ERD 2 Zwischen den 4 RD-Maßen gibt es nur eine signifikante Korrelation zwischen den beiden egoistischen Maßen. Egoistische und fraternale RD sind als 2 getrennte psychologische Bedingungen zu sehen. Der egoistische RD weist signifikant auf Stress hin. Beide fraternalen RD weisen einen signifikanten Zusammenhang zu Protest- Orientierung auf Das Ergebnis unterstreicht die Wichtigkeit der der konzeptionalen Unterscheidung zwischen egoistischer und fraternaler Deprivation um soziales Verhalten zu erklären Keine starke statistische Sicherheit Die Ergebnisse bestätigen die differentielle Rolle egoistischer und fraternaler Deprivation Sozialer Protest ist eine soziale Einstellung gegenüber kollektivem Handeln, weshalb fraternale Deprivation von größerer Bedeutung ist als egoistische Deprivation Stress ist eine individuelles Phänomen. Daher ist egoistische Deprivation gegenüber fraternaler Deprivation von größerer Bedeutung III. Hypothese Egoistische Deprivation kann die Anzahl von Stresssymptomen besser vorhersagen als fraternale Deprivation. Fraternale Deprivation sagt die Protestorientierung (kollektiven Handelns) besser vorher als egoistische Deprivation. Theoretische Überlegung Unterscheiden sich egoistische und fraternale Deprivation? Fraternale Deprivation sollte ein besserer Prädikator für die Einstellung zu sozialem Protest sein als egoistische, da sozialer Protest Gruppenidentiefaktion voraussetzt. Überprüfung der differentiellen Rolle egoistischer und fraternaler Deprivation im Hinblick auf zwei unterschiedliche Kriterien: 1. Stresssymptome 2. Haltung gegenüber sozialem Protest

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Studie T 2 3410 Arbeitslosigkeit, relative Deprivation und sozialer Protest Von Lain Walker & Leon Mann Studie über Arbeitslosigkeit Durchgeführt im Winter 1981 in Adelaid in Südaustralien Begriffe: Deprivation ⇒ Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem sowie das Gefühl einer Benachteiligung. Innerhalb der Psychologie wird auf dem Gebiet der Wahrnehmung bzw. der sensorischen Stimulierung sowie der emotionalen Beziehungen von "Deprivation" gesprochen. In der Psychoanalyse wird der "Vaterverlust" als Deprivation begriffen. RD ⇒ relative Deprivation Egoistische Deprivation ⇒ Ich ist benachteiligt gegenüber anderen Vergleichspersonen Fraternale Deprivation ⇒ Vergleiche auf Gruppenebene, die Eigengruppe wird mit Fremdgruppen verglichen ⇒ die Eigengruppe ist benachteiligt. I. Ausgangspunkt Theorien der relativen Deprivation zufolge, spielt die Wahrnehmung relativer Deprivation eine zentrale Rolle dabei ob statusniedrige Gruppen ihren Status akzeptieren oder statt dessen den Status qou durch politische Mittel herausfordern. Grundlegende Annahme ⇒ Auffassung der Diskrepanz zw. eigener Gruppenposition und einer mehr privilegierten Gruppe oder zw. persönlichen Erwartungen und Leistungen Forschungsstand der Zeit ⇒ Beteiligung an Protestaktionen ⇒ Fraternale Deprivation spielt eine größere Rolle ⇒ Gruppenidentifikation II. Ergebnis • Protestorientierung korreliert signifikant mit beiden Fraternalen RD-Maßen, aber

mit keinem der egoistischen RD-Maßen. • Stress korreliert signifikant nur mit ERD 2 • Zwischen den 4 RD-Maßen gibt es nur eine signifikante Korrelation zwischen den

beiden egoistischen Maßen. • Egoistische und fraternale RD sind als 2 getrennte psychologische Bedingungen

zu sehen. • Der egoistische RD weist signifikant auf Stress hin. • Beide fraternalen RD weisen einen signifikanten Zusammenhang zu Protest-

Orientierung auf • Das Ergebnis unterstreicht die Wichtigkeit der der konzeptionalen Unterscheidung

zwischen egoistischer und fraternaler Deprivation um soziales Verhalten zu erklären

• Keine starke statistische Sicherheit • Die Ergebnisse bestätigen die differentielle Rolle egoistischer und fraternaler

Deprivation • Sozialer Protest ist eine soziale Einstellung gegenüber kollektivem Handeln,

weshalb fraternale Deprivation von größerer Bedeutung ist als egoistische Deprivation

• Stress ist eine individuelles Phänomen. Daher ist egoistische Deprivation gegenüber fraternaler Deprivation von größerer Bedeutung

III. Hypothese Egoistische Deprivation kann die Anzahl von Stresssymptomen besser vorhersagen als fraternale Deprivation. Fraternale Deprivation sagt die Protestorientierung (kollektiven Handelns) besser vorher als egoistische Deprivation. Theoretische Überlegung Unterscheiden sich egoistische und fraternale Deprivation? Fraternale Deprivation sollte ein besserer Prädikator für die Einstellung zu sozialem Protest sein als egoistische, da sozialer Protest Gruppenidentiefaktion voraussetzt. Überprüfung der differentiellen Rolle egoistischer und fraternaler Deprivation im Hinblick auf zwei unterschiedliche Kriterien: 1. Stresssymptome

2. Haltung gegenüber sozialem Protest

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Ziel der Studie 1.) Vergleichende Testung von individueller und fraternaler Deprivation ⇒ sozialer

Protest 2.) Prädikative Wirkung für die Vorhersage des Phänomens des individuellen

Stresserlebens IV. Experiment Stichprobe: Vpn: 64 Jugendlichen ∅ Alter 23,5 Jahre 39 männlich/ 25 weiblich 73% Singel und in Australien geboren die meisten hatten eine Arbeit bevor sie arbeitslos wurden ∅ Jahresgehalt $ 7000 - $ 9000 27% haben einen High Scool Abschluss Referenzgruppe ⇒ arbeitende Jugendlichen Gebiet 2 Gebiete von Aidelaide in Südaustralien außerhalb der Commenwelth Employment Services Office Boden Bromton = Arbeitslosen Zentrum für Jüngere in einem ärmlicheren Stadteil von Adelaide Methode Fragebogeninterview (30-40 min.) Interviewleitfaden mit Fragebogenelementen V. Design Korrelationsdesign mit einem Messzeitpunkt Klumpenstichprobe Prädikatorvariable o 2 Maße für egoistische und fraternale Deprivation o Opernationalisierung durch 2 Formen der SASS (Self Anchoring Striving Scales =

Selbsteinschätzung Stress und Anspannungs- Scala) o Daraus wurden die Maße der ERD1 & ERD2 (egoistische), sowie FRD1 & FRD2

(fraternale) errechnet ⇒ Differenzwerte Kriteriumsvariable o 1. Kriteriumsvariable: Haltung zu sozialem Protest, Operationalisierung durch

Summenwert (4 Protestformen mit 4 möglichen Bewertungen von Zustimmung ⇔ Ablehnung, Teilnahmebereitschaft, frühere Teilnahme, Wirksamkeitseinschätzung ⇒ Variation zw. 0 ⇒ 16) 1. Protesttreffen oder Märsche, die von der Obrigkeit erlaubt wurden 2. Weigerung ungerechten Gesetzen folge zu Leisten 3. Aufhalten der Regierung durch Protestsitzen, Massendemonstrationen.

Hausbesetzungen 4. Protestverhalten mit Gewaltbereitschaft gegen Polizei und Zerstörung von

öffentlichen und privaten Eigentums

o 2. Kriteriumsvariable: Stresssymptomatik, operationalisiert über einen Summenwert (13 Möglichkeiten ⇒ Mehrfachauswahl 0 ⇒ 13 Kopfweh, Ohnmachtsanfälle, Verdauungsstörungen, Zittern der Hände und Füße, Gesichts-/Augenzuckungen, Kribbeln oder Verspannungen, häufige Reizbarkeit, Schnelle Übermüdung, Nägelkauen, Depressionen, Ängstlichkeit, Müdigkeit, Stressgefühle

⇒ dichotome Skale⇒ Zustimmung 1, Ablehnung 0 Statistische Verfahren Hierarchische multiple Regression Stressindex/ Protestindex als Kriteriumsvariable ⇒ alle anderen Maße FRD/ ERD werden zu Prädiktorvariablen R2- Change: Überprüfung der differntiellen Rolle von egoistischer und fraternaler Deprivaton ⇒ um festzustellen ob der Zuwachs signifikant ist, wenn man eine Varible hinzunimmt (ERD 1, FRD 1, FRD 2 + ERD 2 )

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Stresssymptome ⇒ werden durch ERD am besten vorhergesagt VI. Fragen 1. Formulieren Sie die zentralen Hypothesen der Untersuchung Die Vorhersage von kollektivem Handeln (hier sozialer Protest) gelingt besser anhand fraternaler Deprivation als anhand egoistischer Deprivation. Individuelle Folgen von Deprivation (hier Stresssymptomatik) lassen sich anhand egoistischer Deprivation besser vorhersagen als anhand fraternaler Deprivation. 2. Wie wurden die zentralen Prädiktorvariablen, wie die zentralen Kriteriumsvariablen operationalisiert? Es gab jeweils zwei Variablen mit denen fraternale und egoistische Deprivation gemessen wurden. Die 4 Prädiktoren wurden durch zwei Formen der 10stufigen Self Anchoring Striving Scale (SASS) von Cantril (1965) operationalisiert. 1. Form: Einschätzung des individuellen Status-Quo auf der Skala von 10 = the best possible life you could possibly achieve und 1 = the worst possible live you could possibly achieve. 2. Form: Einschätzung des eigenen Status-Quo bzw. des Status-Quo der jeweiligen Gruppe auf der Skala von 10 = the best possible rank in Australian society und 1 = the worst possible rank in Australian society verankern. FRD 1: Differenz zwischen dem Status-Quo von Arbeitslosen und dem Status-Quo von der eigenen Peer Gruppe. FRD 2: Differenz zwischen dem Status-Quo der Beschäftigten und dem Status-Quo von Arbeitslosen. ERD 1: Differenz zwischen dem höchsten Rang in der ersten Form der SASS und dem individuellen Status-Quo. ERD 2: Differenz zwischen dem höchsten Rang in der zweiten Form der SASS und dem individuellen Status-Quo. 1. Kriteriumsvariable: Sozialer Protest wurde durch einen Summenwert über vier Protestformen (durch Autoritäten erlaubte Protestzusammenkünfte, Verweigern von Gesetzestreue, Teilnahme an unerlaubten Massendemonstration, Teilnahme an gewalttätigen Aktionen) in Bezug auf vier Einstellungen/Meinungen gebildet (Zustimmung, Teilnahmebereitschaft, frühere Teilnahme, Wirksamkeitseinschätzung). Die Werte konnten zwischen 0 und 16 variieren. 2. Kriteriumsvariable: Stresssymptomatik wurde durch einen Summenwert aus 13 Stresssymptomen gebildet. Die Werte konnten zwischen 0 und 13 variieren. Die einzelnen Antwortmöglichkeiten in der 1. und 2. Kriteriumsvariable wurden auf dichotomen 0 -1 Skalen kodiert. 3. Erklären Sie, wie die vermutete differentielle Rolle der unterschiedlichen Formen relativer Deprivation mittels der hierarchischen multiplen Regression überprüft wurde. Die differentielle Rolle von egoistischer und fraternaler Deprivation wurde mit Hilfe des sog. R² -Change überprüft. Damit lässt sich die prädiktorspezifische Varianzaufklärung im Kriterium statistisch absichern, d.h. die Varianzaufklärung, welche über die Effekte anderer Prädiktoren hinausgeht. Verbessert sich z.B. die aufgeklärte Varianz im Stresskriterium signifikant, wenn man Maße der egoistischen relativen Deprivation in die Gleichung aufnimmt und verbessert sie sich nicht, wenn man Maße der fraternalen egoistischen Deprivation berücksichtigt, spricht dies für den differentiellen Prognosewert von egoistischer relativer Deprivation gegenüber fraternaler relativer Deprivation für Stress. 4. Diskutieren Sie potenzielle Einschränkungen der Validität der Schlussfolgerungen, die sich aus dem korrelationsstatistischen Untersuchungsdesign ergeben könnten. Entwerfen Sie ein Forschungsdesign für eine weitere Untersuchung zum Test der zentralen Hypothesen, mit dem sich diese Einschränkungen ausräumen ließen. Korrelationsstudien erlauben keine kausalen Schlüsse, weil a) die Richtung einer kausalen Verursachung nicht bestimmt werden kann und b) Einfluss möglicher Drittvariablen, die eine Korrelation erst entstehen lassen, nicht ausgeschlossen werden kann. Wenn aufgrund korrelativer Befunde Aussagen über Ursache-Wirkungszusammenhänge gemacht werden, sind sie allenfalls theoretisch, nicht aber statistisch abgesichert. Kausale Hypothesen können entweder in einer Längsschnittstudie oder in einem experimentellen

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Design überprüft werden. Im Experiment sollte die Manipulation egoistischer Deprivation (fraternaler Deprivation) zu Unterschieden in der Stressvariable (Protestvariable) führen. Mögliches experimentelles Untersuchungsdesign: UV Egoistische Deprivation Vorhanden Nicht vorhanden AV1 Stress AV1 Stress AV2 Protest AV2 Protest UV Fraternale Deprivation Vorhanden Nicht vorhanden AV1 Stress AV2 Protest AV1 Stress AV2 Protest