S¤tze und Aufgaben ¼ber Markoffsche Prozesse

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Heidelberger Taschenbiicher Band 51

Transcript of S¤tze und Aufgaben ¼ber Markoffsche Prozesse

AU$ dem Russischen iibersetzt von
K. Schiirger, Heidelberg
Mit 56 Abbildungen
Titel der Originalausgabe: Teoremy i zadaci 0 processach Markova:Nauka, Moskau 1967
Prof. Dr. E. B. DYNKIN
Mechanisch-mathematische Fakultiit
Mechanisch-mathematische FakultiU
ISBN-13: 978-3-540-04546-5 e-ISBN-13: 978-3-642-95114-5 DOI: 10.1007/978-3-642-95114-5
Aile Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages iibersetzt oder in irgend­
einer Form vervielfaltigt werden. © by Springer-Verlag Berlin· Heidelberg 1969.
Vorwort Ergebnisse und Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie finden
immer sHirker Anwendung in Naturwissenschaft und Technik; auch dringen sie immer tiefer in verschiedene Gebiete der Mathematik selbst ein. Sowohl fUr Mathematiker verschiedener Fachgebiete als auch fUr Physiker und Ingenieure ist es niitzlich, diese Methoden zu beherrschen. Indessen konnen elementare Lehrbiicher nur eine be­ grenzte V orstellung von der gegenwartigen Entwicklung dieses Ge­ bietes vermitteln; Monographien jedoch, die neuere Richtungen behandeln, sind gewohnlich fUr Spezialisten geschrieben und benut­ zen einen umfangreichen mengentheoretischen und analytischen Apparat.
Urn sich neue mathematische Ideen anzueignen, ist es notwendig, ihre Fruchtbarkeit zu spiiren und zu sehen, wie sie arbeiten. Dazu ist es besser, nicht mit allgemeinen Satzen, sondern mit konkreten Problemen zu beginnen. Die Probleme miissen sich auf natiirliche Weise ergeben; der jeweils zu Grunde liegende Sachverhalt solI ty­ pisch sein, er darf jedoch nicht durch unwesentliche technische Schwierigkeiten, die sich bei einer prazisen systematischen Darstel­ lung ergeben, kompliziert werden.
Dieses Buch mochte den Leser gerade auf einem solchen Weg in neuere Entwicklungen der Theorie der Markoffschen Prozesse ein­ fUhren.
Die Markoffschen Prozesse stellen die am meisten studierte Klasse von stochastischen Prozessen dar und besitzen vieIniltige Anwendungen. Teilgebiete der Theorie der Markoffschen Prozesse, die bereits als klassisch gel ten k6nnen, sind in einer Reihe von bril­ lant geschriebenen Biichern dargestellt (siehe z. B. [1] und [2]). In den letzten Jahren entstandenjedoch neue wichtige Richtungen, und es wurden neue Zusammenhange zwischen den Markoffschen Pro­ zessen und der mathematischen Analysis entdeckt. Diese Fragen werden in einigen Monographien behandelt (s. [3]-[11)); sie sind allerdings als erste EinfUhrung in diesen Gegenstand wenig geeignet. Indessen liegen dem ganzen Gebiet im wesentlichen einige iiberaus durchsichtige und anschauliche Sachverhalte zu Grunde, deren Stu­ dium sich fUr die Ubung im wahrscheinlichkeitstheoretischen Den­ ken als dank bar erweist.
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Dieses Buch enthalt vier Kapitel. Jedes von ihnen fUhrt den Leser in einen bestimmten Problemkreis ein: Potentiale, harmonische und exzessive Funktionen, das Grenzverhalten der Trajektorien eines Prozesses (Kapitel I), die wahrscheinlichkeitstheoretische Losung von Differentialgleichungen (Kapitel II), einige Probleme optimalen Stoppens (Kapitel III), wahrscheinlichkeitstheoretische Aspekte von Randwertaufgaben der Analysis (Kapitel IV).
1m ersten Kapitel wird· die einfachste Markoffsche Kette be­ trachtet: die symmetrische Irrfahrt auf dem Gitter. Es zeigt sich, daB die von der klassischen Analysis her bekannten Begriffe der har­ monischen Funktion, des Potentials, der Kapazit1it u. a. ihre Ana­ loga in diesem diskreten Modell besitzen und zur Losung rein wahr­ scheinlichkeitstheoretischer Probleme, zu denen etwa dasjenige der Bestimmung der Zahl der Eintritte in eine gegebene Menge gehOrt, benutzt werden konnen. Die Grundlage fUr dieses Kapitel bildete die Arbeit von ITO und McKEAN [12].
In Kapitel II wird gezeigt, wie sich wahrscheinlichkeitstheoreti­ sche Oberlegungen zur Erlangung analytischer Ergebnisse anwen­ den lassen. Insbesondere wird so die Existenz einer Losung des Di­ richletschen Problems fUr die Laplacesche Differentialgleichung fUr eine umfassende Klasse von Gebieten bewiesen*.
Der Zusammenhang zwischen Markoffschen Prozessen und Po­ tentialen findet eine iiberraschende Anwendung im dritten Kapitel beim Studium des Problems des optimalen Stoppens eines Markoff­ schen Prozesses. Als QueUe fiir dieses Kapitel diente die Arbeit [13].
In letzter Zeit richteten viele Forscher ihre Aufmerksamkeit auf das Problem, die umfassendsten Klassen von Randbedingungen fUr Differentialgleichungen und andere Arten von Gleichungen zu fin­ den. In Kapitel IV werden diese Fragen vom wahrscheinlichkeits­ theoretischen Standpunkt aus behandelt. Die Betrachtung des ein­ fachsten diskreten Modells (Geburts- und Todesprozesse) erlaubt eine Beschrlinkung aufvollkommen elementare Hilfsmittel. FELLER ist bahnbrechend in der Anwendung wahrscheinlichkeitstheoreti­ scher Methoden auf Randwertaufgaben. Geburts- und Todespro-
* Lange vor der Entstehung der allgemeinen Theorie der Markoffschen Prozesse bemerkte man bereits einen Zusammenhang zwischen der Wahr­ scheinlichkeitstheorie und dem Dirichletschen Problem (die Arbeiten von H. PHILLIPS und N. WIENER (1923), R. COURANT, K. FRIEDRICHS und H. LEWY (1928)). Diese Grundgedanken wurden weiter vertieft in den Arbeiten von A. J. CHiNTSCHIN (1933) und I. G. PETROVSKI (1934). Der Ausdruck, der die Lasung des Dirichletschen Problems mit Hilfe der Trajektorien eines Wiener­ schen Prozesses darstellt, wurde von J. L. DOOB (1954) entdeckt. 1m Gegen­ satz zu unserem Vorgehen benutzte DOOB diesen Ausdruck, urn aus Satzen der Analysis Eigenschaften der Trajektorien herzuleiten.
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zesse wurden von ibm in der Arbeit [14] betrachtet. Obwohl FELLER sich von wahrscheinlichkeitstheoretischer Intuition leiten laBt, fiihrt er doch samtliche Konstruktionen rein analytisch durch. Unser Vor­ gehen griindet sich auf die Betrachtung der Eigenschaften der Tra­ jektorien und stiitzt sich auf den Begriff des charakteristischen Ope­ rators (eine kurze Darstellung des Kapitels IV ist in der Arbeit [15] enthalten).
Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Aufgaben; sie dienen nicht lediglich als Obungsmaterial, sondern sie erganzen den Grund­ text und enthalten auch neuen Wissensstoff. So wird in Form von Aufgaben in Kapitel III der Martinsche Rand fiir eine abzahlbare Markoffsche Kette behandelt.
Urn nicht den Hauptgang der wahrscheinlichkeitstheoretischen Oberlegungen zu unterbrechen, wurden einige analytische Hilfsbe­ trachtungen in den Anhang verlegt.
Neben den schon erwahnten grundlegenden Quellen werden im Buch (am haufigsten in den Aufgaben und Beispielen) einige andere Arbeiten benutzt. Hinweise hierauf findet man in den FuBnoten.
Beim Leser wird lediglich die Kenntnis der Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie und der klassischen Analysis voraus­ gesetzt. Einige Aufgaben erfordern jedoch eine umfassendere Vor­ bildung. Wir haben es bewuBt in diesem einfiihrenden Text vermie­ den, uns auf MaBtheorie und MeBbarkeit zu beziehen. Derjenige Leser, der mit diesen Begriffen vertraut ist, wird keine Miihe haben, eine Darstellung von hoherem theoretischen Niveau zu verstehen.
Dieses Buch entstand aus Vorlesungen, die yom ersten der beiden Autoren an der Moskauer Universitat in den lahren 1962-1963 gehalten wurden (die Niederschrift dieser Vorlesungen besorgten M. B. MAUUTOFF, S. A. MOLTSCHANOFF und M. I. FREIDLIN). An­ schlieBend wurde dieser Stoff vervollstandigt und griindlich iiber­ arbeitet; weiter wurden dem Buch Aufgaben beigefiigt.
Die Autoren danken I. L. GENIS fiir die groBe Hilfe bei der Fer­ tigstellung des Manuskripts.
22. lanuar 1966 E. B. DYNKIN A. A. lUSCHKEWITSCH
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Vorwort zur deutschen Ausgabe
In der Wahrscheinlichkeitstheorie gibt es eine Fiille von Pro­ blemen, die sich recht elementar behandeln lassen, deren L6sungs­ gang anschaulich verfolgt werden kann, und die gleichzeitig durch Anwendungen wohl motiviert und nicht trivial sind und viele typi­ sche SchluBweisen moderner Mathematik enthalten. Ais ausgezeich­ netes Beispiel dieser Behandlungsweise der Wahrscheinlichkeits­ theorie war das Buch von W. FELLER, An introduction to probability theory and its applications, vol. I, John Wiley and Sons, New York, London, Sidney, 1. ed. 1950, 3. ed. 1968, seit langem wohlbekannt.
Das vorliegende Biichlein von DYNKIN und JUSCHKEWITSCH hat das schwierige Kunststiick fertiggebracht, in gleicher Weise auf kleinem Raum in ein sehr wichtiges Teilgebiet einzufUhren, das zwar sehr stark von seinen Anwendungen und seinem anschaulichen Gehalt gepragt ist, jedoch als technisch schwierig gilt, namlich die Theorie der MarkofIschen Prozesse. Der Leser braucht hier im Grunde keinerlei V orkenntnisse aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, sondem nur die mathematische Ausbildung, die er etwa in den ersten zwei bis drei Semestern an deutschen Hochschulen erhalt. 1m ganz elementaren ersten Kapitel des Buchs gewinnt er anhand der symmetrischen Irrfahrt auf der Geraden rasch ein GefUhl fUr den BegrifI der Wahrscheinlichkeit. Er gelangt dann sogleich zu den aktuellsten Themen, die noch nirgends eine elementare Darstellung gefunden haben: Wahrscheinlichkeitstheoretische L6sung partieller DifIerentialgleichungen und der Zusammenhang mit der Potential­ theorie, Randwerttheorie und Theorie des optimalen Stoppens MarkofIscher Ketten.
Das Biichlein bildet nicht nur eine ausgezeichnete schnelle Ein­ fUhrung in seinen eigentlichen Gegenstand, MarkofIsche Prozesse, sondem in wahrscheinlichkeitstheoretische Denkweisen iiberhaupt. Es ist daher hervorragend geeignet fUr Studenten der Mathematik ebenso wie der Physik, Biologie und anderer Anwendungsgebiete und zum Selbststudium. Besonders empfohlen werden kann es allen Lehrern, die sich fUr Wahrscheinlichkeitstheorie interessieren, und fUr Arbeitsgemeinschaften an h6heren Schulen, wo man es fUr sich oder auch parallel mit der allgemeinen EinfUhrung in die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie von H. ATHEN (Wahrscheinlich-
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keitstheorie und Statistik, Schroedel, Hannover, und Schoningh, Paderborn, 2. Aufl. 1968) behandeln konnte.
Das Buch von DYNKIN und JUSCHKEWITSCH ist wohl einzig­ artig in seiner Kombination elementarer und klarer Darstellung, Aktualitat und mathematischer Eleganz und Tiefe. Es ist sogleich nach Erscheinen im elementaren Seminar fiber Wahrscheinlich­ keitstheorie der Universitat Heidelberg mit gutem Erfolg auspro­ biert worden, und ich bin sehr froh, daB es jetzt durch die vorlie­ gende deutsche Ausgabe in preiswerter Taschenbuchform so vielen weiteren Interessenten zuganglich gemacht wird.
K. KRICKEBERG
KAPITEL I Rekurrenzkriterien .
§ 1. Die ~ymmetrische Irrfahrt . 1 § 2. Die Ubergangsfunktion. . 2 § 3. Das Verhalten der Trajektorien fUr n -HfJ 4 § 4. Harmonische Funktionen . 6 § 5. Das Potential . . . . 9 § 6. Exzessive Funktionen. 12 § 7. Die Kapazitiit. . . . 15 § 8. Rekurrenzkriterien. . 16 § 9. Die Rekurrenz von Teilmengen einer Koordinatenachse 22
Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
KAPITEL II Wahrscheinlichkeitstheoretische Losung einiger Differentialgleichungen. . . . . . . . . . 35
§ 1. Die Definition des Wienerschen Prozesses . . . . .. 35 § 2. Die Verteilung im Augenblick des Austritts aus einem
Kreis; die mittlere Austrittszeit. . . . . . . . .. 39 § 3. Die Markoffsche und die starke Markoffsche Eigen-
schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 4. Die Harmonizitiit der Austrittswahrscheinlichkeit.. 43 § 5. Reguliire und irreguliire Randpunkte . . . . . .. 47 § 6. Das Null-Eins-Gesetz. Ein hinreichendes Kriterium
fUr Regularitiit. . . . . . . . . . . . . . . .. 52 § 7. Das Dirichletsche Problem . . . . . . . . . .. 55 § 8. Wahrscheinlichkeitstheoretische Losung der Poisson-
schen Differentialgleichung . . . . . . . . . 63 § 9. Infinitesimaler und charakteristischer Operator. 64
Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . 70
KAPITEL III Das Problem des optimalen Stoppens . 81
§ 1. Das Problem der besten Wahl . . . . . . . 81 § 2. Das Problem des optimalen Stoppens einer Markoff-
schen Kette. . . . . 92 § 3. Exzessive Funktionen. . . . . . . . . . . . .. 96
XI
§ 4. Der Wert des Spiels . . . . . . . . . . . . .. 99 § 5. Die optimale Strategie . . . . . . . . . . . .. 101 § 6. Anwendung auf die Irrfahrt mit Absorption und auf
das Problem der besten Wahl . . . . . . . .. 103 § 7. Das optima Ie Stoppen des Wienerschen Prozesses. 106 § 8. Beweis einer fundamentalen Eigenschaft konvexer
Funktionen 113 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . .. 119
KAPITEL IV Randbedingungen 137
§ 1. Einfiihrung . . . . . . 13 7 § 2. Der Geburts- und TodesprozeB 141 § 3. Natiirliche Skala und Austrittswahrscheinlichkeit . 144 § 4. AbstoBende und anziehende Rander . . . . .. 151 § 5. Die Charakteristik, die mittlere Austrittszeit und das
GeschwindigkeitsmaB. . . . . . . . . . . . 152 § 6. Erreichbare und unerreichbare Rander . . . . 161 § 7. Fortsetzungen des Geburts- und Todesprozesses.
Formulierung des Problems. . . . . . . . . 163 § 8. SprungmaB und Reflexionskoeffizient. . . . . 169 § 9. Der Absorptionskoeffizient. Nach innen passierbare
Rander. . . . . . . 176 § 10. Randbedingungen . . 184 § 11. Der Eindeutigkeitssatz 188
Aufgaben. . . . . . 195
ANHANG .... 206
§ 1. Abschiitzung der Funktion g(x,Y) . . . . 206 § 2. Einige Eigenschaften konvexer Funktionen 210 § 3. Lasung der Funktionalgleichung p(s)p(t)=p(s+t) 214
Literatur . . . . . . . . . 216
Rekurrenzkriterien § 1. Die symmetrische Irrfahrt
Wir betrachten ein Teilchen, welches sich auf den Punk ten der x-Achse mit den Koordinaten 0, ± 1, ± 2, ... bewegt, indem es in gleichen Zeitintervallen jeweils urn eine Einheit nach links oder rechts springt. 1st dabei die Wahrscheinlichkeit, nach links oder rechts zu springen, stets gleich t, unabhangig yom vorangegangenen Verhalten des Teilchens, so sagt man, daB das Teilchen auf der Zahlengeraden eine symmetrische Irrfahrt voIlfUhre.
Die Punkte 0, + 1, -1, ... , zu denen das Teilchen gelangen kann, heiBen Zustiinde.
Es solI nun gezeigt werden, daB sich das Teilchen bei beliebiger Anfangslage mit Wahrscheinlichkeit 1 friiher oder spater in jedem moglichen Zustand befinden kann. Da alle Zustande offensichtlich gleichwertig sind, geniigt es nachzuweisen, daB es von einem belie­ bigen Zustand aus irgendwann nach ° gelangt. Bezeichnet n(x) die Wahrscheinlichkeit, von x nach ° zu gelangen, so hat man insbe­ sondere n(O) = 1. Aus dem Satz iiber die vollstandige Wahrschein­ lichkeit ergibt sich fUr x =l= 0
(1) n(x)=tn(x-1)+tn(x+ 1).
Betrachten wir den Graphen der Funktion n(x), x=O, 1,2, .... Aus der Beziehung (1) folgt, daB drei be1iebige benachbarte Punkte und somit aIle Punkte dieses Graphen auf einer Geraden liegen. Da n(O) = 1, ist, geht diese Gerade durch den Punkt (0,1). Gilt n(x) < 1 fUr ein gewisses x>O, so schneidet sie die x-Achse, und n(x) ist negativ fUr hinreichend groBe x. Da dies unmoglich ist, muB n(x}= 1 sein fUr alle x~O. Aus Symmetriegriinden gilt auch n(x) = 1 fUr x<O. Demnach ist also die Wahrscheinlichkeit, bei beliebigem Anfangszustand ° zu erreichen, gleich 1.
Ais natiirliche Verallgemeinerung der Irrfahrt auf der Geraden erscheint die Irrfahrt auf dem l-dimensionalen ganzzahligen Punkt­ gitter HI. Es besteht aus den Punkten (Vektoren) der Form
x=x1 e 1 + ... + xlel ,
wobei el' ... , el eine orthonormierte Basis des l-dimensionalen Raumes und die Koordinaten xl> ... , XI beJiebige ganze Zahlen
1 Dynkin/Juschkewitsch
bezeichnen. VergroBern oder verkleinern wir eine der Koordinaten des Punktes x urn 1 und lassen die iibrigen Koordinaten unge­ andert, so erhalten wir 21 Punkte des Gitters, die zu x benachbart sind. (So gibt es im zweidimensionalen Fall zu jedem Punkt vier Nachbarn: den rechten, linkt!ll, oberen und unteren). In jedem Zeitintervall springt das Teilchen mit jeweils gleicher Wahrschein-
1 lichkeit ~ in einen der benachbarten Punkte, unabhangig von
21 seiner Lage in den vorangegangenen Zeit punk ten.
Es zeigt sich, daB das Teilchen im zwei- wie auch im eindimen­ sionalen Fall von einem beliebigen Gitterpunkt mit Wahrschein­ lichkeit 1 zu einem beliebigen anderen Gitterpunkt gelangen kann (vgl. die Aufgaben am Ende dieses Kapitels). Wie wir sehen werden, gilt dies jedoch nicht mehr, falls das Gitter mindestens dreidimen­ sional ist. Die Wahrscheinlichkeit, statt eines Punktes eine gewisse Menge B zu erreichen, kann gleich oder kleiner als 1 sein. Wir bezeichnen diese Wahrscheinlichkeit mit 1tB(X), wo x fUr den An­ fangszustand des Teilchens steht. Die Menge B heiBe rekurrent, wenn 1tB(x) = 1 fUr alle Punkte x des Gitters gilt, und transient, wenn fUr mindestens einen Punkt x 1tB(x) < 1 zutrifft. In diesem Kapitel werden wir Kriterien herleiten, die zu entscheiden gestat­ ten, ob eine Menge rekurrent oder transient ist.
§ 2. Die Ubergangsfunktion
Mit x(o) bezeichnen wir die Anfangslage eines Teilchens, das eine symmetrische Irrfahrt vollfUhrt; mit x(n) dessen Lage nach n Schritten, n= 1,2,3, ....
Die Wahrscheinlichkeit fUr das Eintreten irgendeines Ereignisses A, das mit der Irrfahrt verkniipft ist, hangt natiirlich yom Start­ punkt x der Irrfahrt abo Wir schreiben dafUr P x {A} und setzen Mx ~ fUr die bzgl. Px gebildete mathematische Erwartung einer zu­ falligen Variablen ~.
Weiter stehe p(n,x,y) fUr die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses, daB sich das im Punkt x startende Teilchen nach n Schritten im Punkt y befindet:
p(n,x,y)= Px{x(n)= y}.
Die Funktion p(n,x,y) ist ein wichtiges Kennzeichen der Irrfahrt und heiBt deren Ubergangs!unktion. Ersichtlich gilt p(O,x,x)= 1 und p(O,x,y)=O fUr X=F y. Weiter jst klar, daB 2>(n,x,y) = 1 ist*.
y
* Hier und auch im folgenden bezeichne L die Summation tiber aile Gitterpunkte aus HI.
2
L p(n,x,y) = Px{x(n)EB} , yeB
wo B fUr eine beliebige Teilmenge von HI stehe, nennen wir Ober­ gangswahrscheinlichkeit (von x nach B in n Schritten zu gelangen).
Das Studium der Irrfahrt wird erleichtert durch die wiehtige Tatsaehe, daB die Spriinge ~k=x(k)-x(k-1), k= 1,2, ... , vonein­ ander unabhlingig sind, nieht vom Anfangszustand des Teilchens abhlingen und samtlich die gleiche Verteilung besitzen. Es ist klar, daB jeder der Vektoren ~k mit gleieher Wahrscheinliehkeit jeden der Werte ±e1 , ... , ± el annimmt. Hiervon machen wir Gebraueh bei der Herleitung einer Integraldarstellung fUr die Ubergangs­ funktion p(n, x, y).
O(x) bezeichne die Linearform, die im Vektor ek den Wert Ok annimmt. Aus x=X1el+"'+x1el folgt somit 0(X)=01X1+'" + 0IXI, Wir betraehten die Funktion
(2) F(O) = LP(n, x,y) ei8(y) = Mx ei8(x(n)) , y
d. h. die eharakteristisehe Funktion des zufalligen Vektors x(n). (Die Reihe in Formel (2) enthlilt natiirlieh nur endlich viele von Null versehiedene Glieder, da sieh ein von x ausgehendes Teilch:en naeh n Sehritten in hochstens (21)" verschiedenen Zustanden befinden kann). Die Ubergangsfunktion p(n,x,y) HiBt sich leicht durch die Funktion F(O) ausdriicken. In der Tat, sei Q die Menge aller Linear­ formen O(Z)=OlZl+···+OIZI mit Koeffizienten 01> ... ,01, deren Betrag nieht groBer als rr ist. Wir multiplizieren die Beziehung (2) mit e- i8(z), zEHI, und integrieren iiber Q. Da y und Z Vektoren mit ganzzahligen Koordinaten sind, ergibt sich
+7t +7t Jei8(y)-i8(Z)dO= J ... J ei(8t!YI-zd+···+8,(Y/- Z d)d01 ···dO I
Q -1t -1t
x(n) = x(O) + I ~k k=1
gilt, wo ~k den Sprung im k-ten Zeitintervall bezeichnet, so folgt n
F(8) = M x e i6(x(n)) = M x e i6(X(O)) IT ei6(~k). k=1
Da mit Wahrscheinlichkeit 1 x(O) = x ist und die zufalligen Vektoren ~k unabhangig sind und die gleiche Verteilung besitzen, ergibt sich
(4) F (8) = ei6(x) <l>n( 8),
falls wir zur Abkiirzung <1>(8) = Mx ei6(~ll setzen. Der Vektor ~ 1
1 nimmt mit Wahrscheinlichkeit - jeden der Werte ±e1 , ... , ±e1
an; folglich haben wir 21
(5) 1 1. _ 1 1
<1>(8) = - I (e,6 rn +e -,6m) = - L cos8m _
21m=1 Im=1
Fiihren wir den gefundenen Ausdruck in die Formel (3) ein und ersetzen z durch y, so gelangen wir zu
(6) 1 "_
Q
§ 3. Das Verhalten der Trajektorien fUr n ~ 00
Wir setzen jetzt 1 ~ 3 voraus und zeigen, daB fUr n-> 00 die Lange des Vektors x(n) mit Wahrscheinlichkeit 1 gegen Unendlich strebt. Wir werden sehen, daB sich daraus die Transienz einer beliebigen beschrankten Menge ergibt.
Wird irgendeine Folge von Versuchen durchgefUhrt, bei der die Wahrscheinlichkeit fUr einen Erfolg im n-ten Versuch gleich Pn ist, so stellt die Summe PI + pz + ... die mathematische Erwartung der Zahl der Erfolge dar. (In der Tat ist die Anzahl '1 der Erfolge gleich der Summe '11 +'1z+ "', wobei '1n=l ist, falls der n-te Versuch zu einem Erfolg fUhrt und '1n=O sonst).
Wir betrachten jetzt eine Irrfahrt, die im Punkt x startet, und sehen den n-ten Schritt als Erfolg an, falls x(n}= y gilt. Dann ist Pn=p(n,x,y}, und die Summe
00
4
stellt die mathematische Erwartung der Zahl der Treffer im Punkt y dar.
Zeigen wir, daB
(8) g(x,Y) < CXl
gilt. (Man kann beweisen, daB im ein- und zweidimensionalen Fall g(x,y)= CXl fUr beliebige x und y ist.)
Die Funktion <1>(8), die in (5) definiert wurde, ist stetig, und es gilt 1<1>(8)1 < 1 auf Q mit Ausnahme des Punktes (0, ... ,0) und der 21 Punkte der Form (± n, ... , ± n), in welchen 1<1>(8)1 = 1 ist. Des­ halb ergibt sich mit (6) und (7)
00 ,~ '~d8
(9) (2n)1 g(x,y) :s; n~J l<1>n(8)1 d8 = .11 -1<1>(8)1
Q Q
et. 2 Da coset. ~ 1 - - fUr et.---+O gilt, existiert eine Umgebung U des
2 Punktes (0, ... , 0), in welcher
82
gilt. Auf Grund der Beziehung (5) ergibt sich
1 1<1>(8)1=<1>(8)<1- 41(81+"'+8?), 8EU,
und wir haben somit
,. d8 ,. 41d8 , <, 2 2 < 00, 1'23 . • 1-1<1>(8)1 • 81 +",+81 u u
Ahnlich iiberzeugt man sich von der Konvergenz des Integrals in (9) in Umgebungen der Punkte 8=(±n, ... , ±n). Somit ist
,~ d8
Q
und die Ungleichung (8) ist bewiesen. Aus dieser Ungleichung schlieBt man, daB mit Wahrscheinlich­
keit 1 die Zahl der Besuche des Teilchens im Punkt y endlich ist. Foiglich gelangt das Teilchen nur endlich oft zu einem beliebig vorgegebenen Punkt des Gitters. Da der Durchschnitt einer ab­ ziihlbaren Menge sicherer Ereignisse wiederum ein sicheres Ereig-
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nis darstellt, gibt es mit Wahrseheinliehkeit 1 keinen Punkt, den das Teilchen unendlieh oft besueht. Hieraus folgt, daB es zu jeder besehrankten Teilmenge des Punktgitters mit Wahrseheinliehkeit 1 einen Zeitpunkt gibt, von dem an das Teilchen nieht mehr in diese Menge gelangt.
Jetzt ist es einfaeh, die Transienz einer beliebigen besehrankten Menge B zu beweisen. Wir nehmen an, B sei rekurrent. Dann ist die Wahrseheinliehkeit des Ereignisses An={Das Teilchen gelangt beim n-ten Sehritt oder spater in B} bei beliebigem Anfangszustand x und beliebigem n naeh dem Satz von der vollstandigen Wahrsehein­ liehkeit gleieh
LP(n,x,y)nB(Y) = LP(n,x,y)= 1. y y
Foiglieh treten alle Ereignisse An mit Wahrseheinliehkeit 1 ein, d. h., das Teilchen gelangt in B zu belie big weit entfernt liegenden Zeitpunkten. Dies widersprieht dem oben Gesagten, naeh dem das Teilchen mit Wahrseheinliehkeit 1 naeh einem bestimmten Zeit­ punkt die Menge B stets meidet.
Aus den Beziehungen (9) und (10) ergibt sieh, daB die Reihe
n= 0
gliedweise bzgl. 8 integriert werden kann. Demnaeh ist 00 1 ,~ 1 ,. e i8(x - y)
(11) g(x y)= I - J ei8(X- Y)q,n(8)d8 =- J d8. , n=O (2n)l. (2n)l. l-q,(8)
Q Q
(12) CI
g(x,y) ~ Ilx-ylll-2' Ilx-yll~oo, I ~3,
fUr die Funktion g(x,y) zu beweisen, wobei Ilxll die Lange des Vektors x und CI eine gewisse positive Konstante bezeiehnet (s. Anhang, § 1). Diese Beziehung werden wir benutzen, urn Rekurrenzkriterien zu entwiekeln.
§ 4. Harmonische Funktionen
Sei f(x) eine auf der Menge HI der Gitterpunkte definierte Funktion. Wir setzen
(13) Pf(x)=Mxf(x(I))= LP(I,x,y)f(y). y
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Es liegt nahe, Pals Ubergangsoperator (bez. eines Schritts) zu be­ zeichnen.
Da p( 1, x, x + ek) = 211 ist, erscheint P auch als Operator der M it­ telwertbildung:
(hierbei wird summiert iiber k= ± 1, ... , ± I; wir setzen L k = -ek)·
Vor langerer Zeit bemerkte man, daB der lineare Operator
A=P-E,
worin P den Operator der Mitte1wertbildung und Eden identischen Operator bezeichnen, ein diskretes Analogon zum Operator 1 L1 darstellt. Dabei ist
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L1 =-+ ... +-- Dxi 8xf
der Laplacesche Operator.
Es ist bekannt, daB fUr hinreichend glatte Funktionen, die auf dem ganzen Raum definiert sind,
Llf(x) = lim Lf(x+he~)-2If(x) h-·D h
gilt, so daB man den Laplaceschen Operator aus dem Operator P - E da­ durch erhalt, daB man die Abstande der Punkte des Gitters HI gegen Null gehen HiBt.
Die Analogie zwischen den Operatoren 1 L1 und A geht sehr weit. Indem wir uns von ihr lei ten lassen, werden wir eine Reihe von Be­ griffen, die mit der Irrfahrt verkniipft sind, nach ihren Analoga in der Theorie der Differentialgleichungen benennen.
Eine auf HI definierte Funktion f(x) heiBe harmonisch, falls Af(x) = 0 und superharmonisch, falls Af(x):s:; 0 Ueweils fiir alle xEHI) ist. Mit anderen Worten, die Funktion f heiBt harmonisch. wenn P f=f, und superharmonisch, wenn P f:S:;f gilt.
Eine beliebige konstante Funktion ist ersichtlich harmonisch. Zeigen wir, daB jede beschriinkte harmonische Funktion konstant ist.
Der Beweis dafiir gestaltet sich sehr leicht, wenn die Funktion f ihr Supremum in einem gewissen Punkt Yo annimmt. Sind nam­ lich die Punkte Yt,Yz""'Y21 die Nachbarn des Punktes Yo, dann ist das arithmetische Mittel der Zahlen f (Yo) - f(yd gleich 0 (da ja Pf(yo) = f(Yo)ist). Da diese Zahlen nichtnegativ ~.ind, miissen sie samtlich gleich 0 sein. Deshalb enthalt die Menge der Punkte, in denen die Funktion f ihr Supremum annimmt, mit jedem Punkt dessen samtliche Nachbarn. Es ist somit klar, daB f konstant ist.
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Sei nun M das Supremum einer (beliebig) vorgegebenen be­ schrank ten Funktion cpo Zu jedem I: > 0 existiert ein Punkt y mit cp(y) ~ M - 1:. 1st cp zudem harmonisch, so zeigt man leicht, indem man obige SchluBweise wiederholt, daB fUr einen beliebigen, zu y benachbarten Punkt y' die Ungleichung cp(y')~M -21 G gilt. Dies hat im Fall M>O zur Folge, daB man zujeder noch so groBen Zahl N Punkte YO'Yl = Yo+e1 " .. , Yn= Yn-l +e 1 finden kann, fUr welche die Summe
wird. 1st nun f eine beliebige beschrankte harmonische Funktion, so
ist auch die Funktion cp(x) = f (x + e 1) - f (x) harmonisch und be­ schrankt. Fur sie ist die Summe
s= f(Yn+ed- f(yo)
h6chstens gleich dem doppelten Supremum der Funktion f. Zu­ sam men mit obiger Oberlegung bedeutet dies, daB fUr beliebiges x
cp(x) = f(x+e 1)- f(x)::;O
gilt. Analog zeigt man, daB man statt des Vektors elden Vektor - e 1
nehmen kann. Deshalb folgt
f(x+e1)=f(x)
und ahnlich f(x+e k )= f(x) fUr beliebige x und k. Als Beispiel fUr eine harmonische Funktion kann die Funktion
nB(x) dienen, welche die Wahrscheinlichkeit dafUr angibt, daB das in x startende Teilchen unendlich oft in die Menge B gelangt. In der Tat stellt
Y
die Wahrscheinlichkeit dafUr dar, daB das Teilchen, ausgehend von x, nach dem ersten Schritt unendlich oft nach B gelangt. Diese Wahrscheinlichkeit stimmt ersichtlich mit nB(x) uberein.
Da die Funktion nB(x) beschrankt ist, muB sie nach dem Be­ wiesenen konstant sein. Es solI gezeigt werden, daB sie identisch gleich 1 bzw. 0 ist, wenn die Menge B rekurrent bzw. transient ist. Sei B zunachst als transient vorausgesetzt. Bezeichnen wir durch q(n,y) die Wahrscheinlichkeit, ausgehend von x, in die Menge B zum erstenmal beim n-ten Schritt zu gelangen und dabei den Zustand Y anzunehmen, und durch nB(x), wie fruher, die Wahrscheinlichkeit, ausgehend von x, irgendwann nach B zu gelangen. Offenbar gilt
nB(x)= I I q(n,y). n= 0 YEB
8
Urn unendlich oft nach B zu gelangen, muB das Teilchen bei irgend­ einem Schritt zum erstenmal und anschlieBend unendlich oft nach B ge1angen. Berechnen wir die Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses durch Anwendung des Satzes von der vollstandigen Wahrschein­ lichkeit, so erhalten wir
00
n= 0 yeB
worin x einen beliebigen Gitterpunkt bezeichnet. Da B transient ist, existiert ein x mit nB(x) < 1, woraus sich nB=O ergibt.
1st die Menge B rekurrent, so ist die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses Cn = {Das Teilchen gelangt nach dem n-ten Schritt nicht mehr nach B} gleich 0 fUr beliebiges n~O und XEW. Daher hat man 1-nB(x)=Px {Das Teilchen gelangt nur endlich oft nach B}= =P {C uC u···}<P {C }+P {C }+ ... =0 und folglich n =1 xO 1 -xO xl B·
Deshalb kann man fUr die Rekurrenz eine weitere Definition ge- ben: Die Menge B heifJe rekurrent, wenn das Teilchen, ausgehend von einem beliebigen Gitterpunkt, mit Wahrscheinlichkeit 1 unendlich oft nach B gelangt. 1st die Wahrscheinlichkeit for das Eintreten dieses Ereignisses jedoch for irgendein x kleiner als 1, so ist sie gleich 0 for aile x, und B ist transient.
Zum SchluB dieses Abschnittes sei bemerkt, daB nicht nur die beschrankten harmonischen Funktionen, sondern auch die nach unten (oder oben) beschrankten harmonischen Funktionen auf HI konstant sind (vgl. die Aufgaben). Die Klasse der nach beiden Seiten unbeschrankten harmonischen Funktionen ist bedeutend umfassen­ der. Zum Beispiel geniigt eine beliebige lineare Funktion der Koor­ dinaten Xlo ... ,XI des Vektors x der Gleichung P f=f und ist des­ halb harmonisch.
§ 5. Das Potential
Mit dem Laplaceschen Operator L1 hangt eng der Begriff des Newtonschen Potentials zusammen. Sei im dreidimensionalen Raum R3 eine Masse mit der Dichte cp(y) vel-teilt. Entsprechend dem Newtonschen Gravitationsgesetz iibt diese Masse auf eine sich im Punkt x befindende Masse der GroBe 1 eine Kraft aus, die proportio­ nal dem Gradienten der Funktion
(15) 1 !' ()d
R3
9
ist, worin Ilx- yll den Abstand zwischen Punkten x und y bezeich­ net. Die Funktion f(x) heiBt Potential der Verteilung cp(y). Man kann f (x) auch interpretieren als Potential eines elektrostatischen Feldes, das erzeugt wird durch eine Ladungsdichte cpo
Es zeigt sich, daB unter ziemlich schwachen Voraussetzungen tiber die Funktion cp das Potential f eine L6sung der Poissonschen Differentialgleichung
(16) iLl f(x)= -cp{x)
ist. Vollkommen analog hierzu ist im l-dimensionalen Raum RI(l ~ 3) das Integral
(17) x - b J'~ cp(y)dy f( )- I. Ilx- ylll-2
R'
eine L6sung der Differentialgleichung (16); bl bezeichnet eine ge­ wisse positive Konstante. Dieses Integral wird Potential der Ver­ teilung cp (im I-dimensional en Raum) genannt.
1m diskreten Fall geht die Differentialgleichung (16) in die Gleichung
(18) Af(x) = - cp(x)
tiber, worin fund cp auf dem Punktgitter HI definierte Funktionen bezeichnen. Wir betrachten den Operator
(19)
(20)
Af= (P- E) f =(P- E)Gcp= Gcp - cp- Gcp= - cpo
Hiernach stellt der Operator G das Analogon zu dem im Ausdruck (17) gegebenen Integraloperator dar. Wir werden daher die Funktion G cp als Potential der Funktion cp( cp ~ 0) bezeichnen.
Das diskrete Potential 11iBt eine einfache wahrscheinlichkeits­ theoretische Deutung zu. Das liegt daran, daB
(21) pncp(x)= 2:>(n,x,y) cp(y) =Mxcp(x(n)), n~O, y
10
gilt. Fur n=O fUhrt diese Formel zu cp(x)=cp(x) und fUr n= 1 zur Definition des Operators P (vgl. den Ausdruck in (13)). Der Beweis der Beziehung (21) fur n ~ 2 geschieht nun durch vollstandige In­ duktion.
Nach dem Satz von der vollsUindigen Wahrscheinlichkeit ist
p(n+ l,x,y) = LP(I,x,z)p(n,z,y). z
Nehmen wir an, daB die Beziehung (21) fUr n bewiesen ist, so folgt
Mxq>(x(n + 1)) = L p(n + 1,x,y)q>(y) = L p(l,x,Z)[L p(n,z,y)q>(y)] y z y
= LP(l,x,z)[pnq>(z)] = pn+l q>(x), z
d. h. (21) gilt fUr n + 1.
Aus (21) ergibt sich, daB
(22) Gcp(x)= L Mxcp(x(n))=Mx L cp(x(n»). n=O n=O
ist. Diese Formel fiihrt zu folgender wichtigen Interpretation des Potentials. Moge jeder Treffer im Punkt y zu einem Zuwachs cp(y) fUhren. Dann stellt Gcp(x) den mittleren Zuwachs dar, der sich fur die gesamte Irrfahrt des im Punkt x startenden Teilchens ergibt.
Benutzen wir die vermoge (7) (§ 3) eingefUhrte Abkurzung w
g(x,y)= L p(n,x,y), n=O
so konnen wir das Potential in der Form
(23) G cp(x) = Lg(x, y) <p(y)
schreiben.
Wie am Ende des § 3 bemerkt wurde, gilt fUr groBe IIx - yll C
g(x,y) -llx-;F' " " q>(y)
G q>(x) = .y. g(x,y)q>(y) - ct .y.llx _ Yilt 2
Dies liefert
fUr Ilxll-+ 00, falls q>(x) nur in endlich vielen Punkten von 0 verschieden ist. Somit verhlilt sich fUr groBe Ilxll das diskrete Potential wie das Newtonsche Potential (17).
Wir zeigen nun, daB
11
gilt, falls f = G cp ist und "C den Zeitpunkt des ersten Eintritts in die Menge B bezeichnet. (Wenn das Teilchen niemals nach B gelangt, setzen wir "C= 00 und f(x("C)) =0).
Wir haben
(25) f(x)= Gcp(x)=Mx[cp(x(O)) + cp(x(1)) + .. J
Die Zerlegung der Trajektorie des Teilchens in das Stuck vor dem Zeitpunkt "C und dasjenige, das sich von "C an ergibt, liefert
(26) f(x) =Mx[cp(x(O)) + ... +cp(x("C-1))]
+ Mx[cp(x("C)) + cp(x("C + 1))+ ... ].
Der erste Summand in (26) stellt anschaulich den mittleren Zuwachs bis zum Eintritt des Teilchens in B dar und entsprechend der zweite Summand den Zuwachs vom ersten Eintritt in B an. Urn aus (26) die Beziehung (24) zu erhalten, bleibt zu zeigen, daB
Mx[cp(x("C)) + cp (x ("C + 1))+ .. J =Mxf(x("C))
gilt. Benutzen wir die Wahrscheinlichkeit q(n,y)=Px { "C =n, x(n) = y}, so konnen wir schreiben
Mxcp(x("C+k))= Lq(n,y)Mycp(x(k)), n.y
n
wobei n die Zahlen von 0 bis 00 und y die Menge B durchlaufen. Hieraus folgt
0() 0()
0()
= L f(y) Px {x("C) = y} = Mxf(x("C)). y
§ 6. Exzessive Funktionen
Wir erinnern daran, daB eine Funktion f(X)(XEHi) superharmo­ nisch genannt wird, falls P f -::;;,f gilt. Eine wichtige Rolle in der Theo­ rie der Markoffschen Prozesse spiel en die nichtnegativen super­ harmonischen Funktionen; sie werden exzessiv genannt. Da fUr eine
12
harmonische Funktion f P f = f gilt, ist eine harmonische Funktion exzessiv, falls sie nichtnegativ ist. 1st weiter f = G cp, cp ~ 0, dann folgt
f -Pf =(cp+Pcp+p2 cp+ ···)_P(cp+pcp+p2 cp+ ···)=cp~O.
Demnach ist das Potential einer beliebigen nichtnegativen Funktion exzeSSlV.
Es solI gezeigt werden, daB eine beliebige exzessive Funktion darstellbar ist als Summe einer beliebigen nichtnegativen harmo­ nischen Funktion und des Potentials einer nichtnegativen Funktion. (Dieses Ergebnis stellt das diskrete Analogon zu einem bekannten Satz von RIESZ in der Theorie der Differentialgleichungen dar.)
Sei f eine exzessive Funktion. Setzen wir f - P f = cp, so folgt cp~O und
(27) f=cp+Pcp+ ... +pn - 1 cp+pnf.
Aus der Ungleichung
ergibt sich, daB
Gcp=cp+Pcp+ ···<00
ist. Hiermit schlieBt man aus (27), daB der Grenzwert h = lim pnf existiert und n--ao
(28) f=Gcp+h
gilt. Ersichtlich ist Ph = h; h erweist sich demnach als harmonisch. Als Beispiel fUr eine exzessive Funktion kann die Funktion
1tB(X) dienen: die Wahrscheinlichkeit, von x aus die Menge B zu erreichen. Hierzu betrachten wir die Folge der Ereignisse
An = {Das Teilchen gelangt in die Menge B beim n-ten Schritt oder spater}.
Es ist klar, daB Ao2A12 ... gilt. Man beachte, daB Px{Ao} =1tB(X) ist. Vermoge der Beziehung (21) erhalt man
(29) y
insbesondere also P1tB(x)=Px{Ad~Px{Ao}=1tB(X). Danach ist die Funktion 1tB(X) exzessiv. GemaB der Zerlegung (28) laBt sich die Funktion 1tB(X) in der Form
(30)
schreiben, wobei nB(x) = lim pn 1tB(X), CPB(X) = 1tB(x) - P1tB(x) gilt. n--ao
13
Wegen (29) foIgt nB(x) = IimPx{An}=Px{nAn}. Demnach ist n'" 00 n
nB(x) die Wahrscheinlichkeit dafiir, daB das Teilchen zu belie big weit entfernt liegenden Zeitpunkten in die Menge B fallt, d. h. unendlich oft dorthin gelangt. Diese Wahrscheinlichkeit begegnete uns in § 4. Dort wurde gezeigt, daB sie in der Tat gleich 0 ist, falls B transient, und gleich 1, falls B rekurrent ist. Fur eine transiente Menge gilt also
1IB(X) = G CPB(X),
d. h., die Wahrscheinlichkeit 1IB(X) erweist sich als Potential einer nichtnegativen Funktion CPB' Hierbei stellt wegen der Beziehung (29) CPB(X)=1IB(x)- P1IB(X) = Px{Ao} - Px{Ad =Px{Ao- Ad die Wahr­ scheinlichkeit dafiir dar, daB das Teilchen in x startet, sich zu Be­ ginn in B befindet und vom ersten Schritt an nicht mehr in die Menge B gelangt. Es ist klar, daB diese Wahrscheinlichkeit h6chstens im Fall xEB von Null verschieden sein kann, d.h., die Funktion CPB ist auj3erhalb der Menge B gleich O.
Der erste Summand in der Zerlegung (30) stellt die Wahrschein­ lichkeit dafiir dar, daB das Teilchen lediglich endlich oft in die Menge B gelangt. Indem man die SchluBweise vom vorigen Absatz wiederholt, zeigt man leicht, daB P"CPB(x)=Px{An-An+ d, n~O, gilt; dies bedeutet, daB die Beziehung
n=O
der Darstellung der genannten Wahrscheinlichkeit als Summe der Wahrscheinlichkeiten dafiir entspricht, zum letztenmal beim n-ten Schritt in die Menge B zu gelangen, n:2>: O.
Aus der Beziehung (24), die am Ende des letzten Abschnitts her­ geleitet wurde, ist ersichtlich, daB
(31) Mxf(x(r)):S;f(x)
gilt, falls f = G cp( cp:2>: 0) ist und r den Zeitpunkt des ersten Eintritts in die Menge B bezeichnet. Aus der Zerlegung (28) ergibt sich, daB eine beliebige beschrankte exzessive Funktion dieser Ungleichung geniigt (da nach § 4 eine beschrankte harmonische Funktion kon­ stant ist). 1m folgenden werden wir sehen, daB es unn6tig ist, die Funktion f als beschrankt vorauszusetzen, und daB die Unglei­ chung (31) von einer viel umfassenderen Klasse von Zeiten befriedigt wird (vgl. Kap. III, § 3). Die Ungleichung (31) erinnert an die Un­ gleichung Mxf(x(l)) = Pf(x) :S;f(x), die in die Definition der exzessiven Funktionen eingeht, mit dem Unterschied, daB r jetzt eine zufallige Zeit darstellt.
14
§ 7. Die Kapazitat
Mit dem Newtonschen Potential ist eng verknupft der Begriff der Kapazitiit. Die KapaziHit eines Korpers B wird in der Elektrostatik in folgender Weise definiert. Man betrachtet alle Verteilungen qJ von positiven Ladungen auf B, deren Potential in einem beliebigen Raumpunkt 1 nieht iiberschreitet. Es wird bewiesen, daB unter diesen Potentialen ein groBtes existiert. Man nennt es Gleichge­ wiehtspotential; die zugehOrige Ladungsverteilung wird als Gleich­ gewichtsverteilung bezeichnet. Die Gesamtladung
C(B)= S qJ(y)dy B
bzgl. der Gleiehgewichtsverteilung qJ wird Kapazitat des Korpers B genannt. Geht man von der Formel (17) aus, so kann man die Defi­ nition der Kapazitat im /-dimensionalen Raum R' fUr I> 3 erhalten. Die Kapazitat ist einer der zentralen Begriffe in der Theorie der Laplaceschen Differentialgleichung.
Ausgehend von diskreten Potentialen f = G qJ versuchen wir, einen analogen Begriff fUr Funktionen, die auf dem Punktgitter H' definiert sind, zu entwiekeln. Wir wahlen eine feste (beliebige) Teil­ menge B dieses Punktgitters und betrachten die Familie KB aller Funktionen qJ ~ 0, die auBerhalb von B verschwinden und fUr welche GqJ::;; 1 gilt.
Fiir die Funktion f = G qJ, qJE K B , nimmt die Beziehung (24) aus § 5 die Form
(32) f(x)=Mxf(x(r»)
an, worin r den Zeitpunkt des ersten Eintritts des Teilchens in die Menge B bezeichne. Aus f::;; 1 ergibt sich MJ(x(r»::;;Px{r< oo} =7tB(X). Demnach erhalten wir aus (32) die Ungleichung
(33) f(x)::;; 7tB{X).
1st die Menge B transient, so gilt, wie wir im vorangehenden Ab­ schnitt sahen, 7tB=GqJB, qJB=7tB-P7tBEKB • Es ist demnach nahe­ liegend, 7tB als Gleichgewichtspotential, qJB als Gleichgewichtsvertei­ lung und den Ausdruck
(34) y
als Kapazitiit der Menge B zu bezeiehnen. Fur rekurrente Mengen wird der Begriff der Kapazitat gewohn­
lich nicht definiert. Wir erinnern daran, daB aIle endlichen Mengen transient sind.
15
Wir werden zeigen, daB die Gleichgewichtsverteilung CPB eine Extremaleigenschaft besitzt, die als diskretes Analogon des Satzes von GAUSS aus der Theorie des Newtonschen Potentials erscheint. Sei die Menge B transient. Wir beweisen nun, daB dann fUr eine be­ liebige Funktion cP E K B
(35) LCP(Y)~LCPB(y)=C(B)
gilt. Es ist natiirlich, die GroBe L cp(y) als Gesamtladung zu be- y
zeichnen, welche der Verteilung cP entspricht. Die Ungleichung (35) zeigt, daB die Kapazitiit einer transienten Menge B als die maxima Ie aul B konzentrierte Gesamtladung definiert werden kann, deren Po­ tentiall nicht iiberschreitet.
Zum Beweis der Beziehung (35) fUhren wir die Abkiirzung
(f1 ,f2) = L 11 (y) I2(Y)
ein. Auf Grund der Symmetrie der Irrfahrt ist p(n,x,y)=p(n,y,x) und folglich g(x, y) = g(y, x). Somit haben wir
(G 11,12) = (fl' G 12)'
Indem wir benutzen, daB 'lrB = 1 auf B und G cP ~ 1 fUr CPBE KB gilt, erhalten wir
L cp(y) = (cp, 'lrB) = (cp, G CPB) = (G cP, CPB) ~ (1, CPB) = C(B). y
§ 8. Rekurrenzkriterien
Wir leiten jetzt eine notwendige und hinreichende Bedingung fUr die Rekurrenz einer Teilmenge B des dreidimensionalen Gitters her. Diese Bedingung wird mit Hilfe des Kapazitatsbegriffs formu­ liert und hat, was ihr Wesen und ihre Formulierung anbetrifft, groBe Ahnlichkeit mit einem von der Theorie der Differentialgleichungen her bekannten Kriterium von WIENER fUr die Regularitat von Randpunkten*. Der Leser iibertragt die folgenden Uberlegungen leicht auf den Fall I> 3.
Da eine beliebige beschrankte Menge transient ist, hangt die Rekurrenz einer Menge B nicht ab von deren Struktur innerhalb einer beliebigen festen Kugel. Es zeigt sich, daB die Rekurrenz von B
* s. z. B. COURANT, R. : Methods of mathematical physics, Vol. II: Partial differential equations, Interscience, New York, 1962, Kap. IV, § 4, No. 4a.
16
davon abhangt, wie schnell die Zahl der Punkte von B, welche in einer Kugel yom Radius r liegen, fUr r-+ CfJ wachst.
Wir betrachten eine wachsende Folge von Kugeln, deren Mittel­ punkte imNullpunkt liegen und deren Radien die Werte r= 1,2,22, ... ,
2\ ... haben und so mit eine wachsende geometrische F olge bilden. Mit Bk bezeichnen wir den Teil der Menge B, der zwischen der k-ten und (k+ I)-ten Kugeloberflache liegt (genauer: die Menge aller XEB, fUr welche 2k - 1 <llxll::::;2k gilt; vgl. Abb. 1). Die Menge Bk ist endlich; folglich ist fUr sie die Kapazitat C(Bk ) definiert. Es gilt folgendes Kriterium: Fur die Rekurrenz einer Menge B ist 1101-
wendig und hinreichend, daj3 die Reihe
(36)
divergiert. Wir beweisen zunachst die Notwendigkeit dieser Bedingung,
d. h., wir zeigen, daB aus der Konvergenz der Reihe (36) die Transienz der Menge B folgt.
El
Abb. I
Wir iiberzeugen uns zunachst davon, daB mit der Reihe (36) zu­ gleich die Reihe
(37)
konvergiert. Dazu machen wir Gebrauch von der am Ende des § 3 angegebenen asymptotischen Beziehung
(38) g(X,Y) ~ ~-- fUr Ilx-YII-+CfJ, Ilx-YII
wobei Q = C3 ist (vgl. (12)). Wegen der Beziehung (38) existiert ein
2 Dynkin/luschkewitsch 17
N>O derart, daB fUr YEBk , k>N, die Ungleichung
(39) (0 ) < 2Q 9 ,Y - iIYTi
gilt. Da 7tBk(X) das Gleichgewichtspotential fUr die Menge Bk dar­ stellt, hat man
7tBk(O) = G CPBk(O) = LY(O,y) CPBk(Y)' y
wobei CPBk die Gleichgewichtsverteilung auf der Menge Bk bezeichne. Benutzt man die Abschatzung (39) und die Tatsache, daB CPBk auBerhalb von Bk verschwindet und daB Ilyll > 2k - 1 fUr YE Bk gilt, so gelangt man zu
7t (0)<" 2QCPBJy) < ~ " ( ,)=4Q C(Bk) Bk =7 IIYII = 2k - 2 7CPBk } 2k '
Das bedeutet, daB die Reihe (37) bis auf einen konstanten Faktor von der Reihe (36) majorisiert wird und somit eben falls konvergiert.
Wir bemerken nun, daB sich auf Grund der Darstellbarkeit des
Ereignisses {Das Teilchen gelangt in die Menge En = k9n Bk} als
Vereinigung der Ereignisse {Das Teilchen gelangt in die Menge Bk },
k=n, n+ 1,,,_., die Ungleichung
GO
niiJO):::;; L 7tBk (O) k~n
ergibt. Dies bes~gt,_ daB fUr hinreichend groBes n 7tiiJO) < 1 gilt und die Menge B = Bn somit transient ist. Weil die endliche Menge 13 = B - B ebenfalls transient ist, bleibt nachzuweisen, daB die Ver­ einigung zweier transienter Mengen transient ist.
Hierzu erinnern wir uns an die zweite Definition der Rekurrenz, nach der eine Menge transient ist, falls das Teilchen mit Wahr­ scheinlichkeit 1 nur endlich oft in diese Menge gelangt (s. § 4). Da der Durchschnitt zweier sicherer Ereignisse wiederum ein sicheres Ereignis liefert, gelangt das Teilchen mit Wahrscheinlichkeit 1 so­ wohl in die Menge E als auch in die Menge 13 und damit in deren Vereinigung B = E u B jewei.ls nur endlich oft. Folglich ist die Menge B transient.
Es ist komplizierter zu zeigen, daB obiges Kriterium auch hinreichend fUr Rekurrenz ist. Die Reihe (36) mage divergieren. Wir
18
spalten sie in vier Reihen auf, wobei jede von ihnen gerade die­ jenigen Summanden der Reihe (36) enthalt, deren lndizes bei der Division durch 4 jeweils den gleichen Rest liefern. Wir werden spe­ zieB annehmen, daB die Reihe
(40) L C(B4k) k 24k
divergiert. Mit Sk bezeichnen wir die Menge derjenigen Gitterpunkte, die
in der von den Kugeln mit den Radien 24k - Z bzw. 24k - Z + 1 gebil­ deten Kugelschale liegen (d. h. die Menge aller yE H 3, fur welche 24k-z::;;llyll::;;24k - z+l gilt) (Abb. 2). Die Menge B4k liegt dann zwischen den Kugelschalen Sk und Sk+ 1, und zwar bedeutend naher an Sk als an Sk+l'
Abb. 2
Da sich der Abstand des Teilchens vom Nullpunkt bei einem Schritt urn hochstens 1 andert, kann es nicht alle Punkte einer Kugelschale Sk auslassen, wenn es Sk kreuzt. Das Teilchen gelangt mit Wahrscheinlichkeit 1 ins Unendliche und durchschreitet dem­ nach aIle Kugelschalen Sk , die den Anfangszustand x umschlieBen. Wir betrachten das Ereignis Ak , welches darin besteht, daj3 das Teilchen auf seinem Weg von der Kugelschale Sk zur Kugelschale Sk+ 1 (genauer: zwischen den Zeitpunkten des erst en Eintritts in Sk bzw. Sk+l) in die Menge B4k gelangt. Wir zeigen, daB fur aBe hinreichend groBen k
C(B4d (41) Py{Ad~Ql 14k' YESk
gilt, worin die Zahl Q 1 > 0 nieht von y und k abhangt.
2* 19
Wenn das Teilchen, ausgehend von YESk, in die Menge B4k ge­ langt, so tritt entweder das Ereignis Ak oder das Ereignis Dk = {Das Teilchen gelangt in die Menge B4b nachdem es sich in der Kugel­ schale Sk + 1 befunden hatte} ein. Also folgt
Es ist klar, daB
Py{Dd::;; lIl:ax 1t B4k(Z) ze8k + 1
gilt. (Diese Ungleichung beweist man formal durch EinfUhrung der Wahrscheinlichkeit q(n,z) des Ereignisses, zum erstenmal beim n-ten Schritt in die Kugelschal~ ~%+ 1 zu gelangen und dabei den Zustand z anzunehmen - vgl. dIe Uberlegungen am Ende von § 5.) Somit ist
(42)
Es ist noch die Funktion 1tB4k abzuschatzen. Da diese Funktion das Potential der Gleichgewichtsverteilung <f>B4k ist und <f>B4k auBerhalb von B4k verschwindet, folgt aus der Ungleichung (42), daB fUr YESk
:2:C(B4k)(ming(y,u)- max g(z,u)) yeSk zeSk+ 1
ueB4k ueB4k
gilt, wobei man noch zu beach ten hat, daB die aus der Gleichge­ wichtsverteilung <f>B4k resultierende Gesamtladung gleich der Kapa­ zitat C(B4k) ist. Wendet man hier die asymptotische Beziehung (38) an, so sieht man, daB fUr hinreichend groBe k und YESk
gilt, worin rk fUr den graBten Abstand zwischen den Punkten YESk und uEB4k stehen mage, entsprechend Rk fUr den kleinsten Ab­ stand zwischen ZESk + 1 und uEB4k. Aus der Lage der Mengen Sb B4k und Sk+ 1 relativ zueinander ergeben sich die Ungleichungen
20
P {A } > Q C(B4k) y k - 36 247"
Die Ungleichung (41) ist damit bewiesen. Es ist jetzt nicht mehr schwer, mit Hilfe der Ungleichung (41) die
Rekurrenz der Menge B zu beweisen. Wir wahlen eine Zahl m derart, daB der Anfangszustand x innerhalb der Kugelschale Sm liegt und die Ungleichung (41) fUr alle k?m zutrifft. Mit 'k be­ zeichnen wir den Augenblick des ersten Eintritts in die Kugel­ schale Sk' Komplementar zum Ereignis Ak ist das Ereignis Ak = {Das Teilchen gelangt im Zeitintervall ['b 'k+ 1] nicht in die Menge B4d. Aus der Ungleichung (41) folgt, daB unabhiingig von den Werten von 'k und X('k) sowie vom Verhalten des Teilchens bis zum Zeit­ punkt 'k die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses Ak nicht groBer als
Setzen wir namlich
so ergibt sich
Px{Amn ... nAk- 1 nAd = Lqk(n,y)Py{Ad n,Y
( C(B4k)) - -:::; 1 - Q 1 24k P x {Am n ... n Ak - 1} .
LaBt man nun S--> 00 streben und beachtet, daB die Reihe
L Q1 C~~~k) divergiert, so erhiilt man
Px{Am u Am+1 u ... } = 1-Px{Am nAm+1 n ... } = 1.
Das bedeutet, daB das Teilchen mit Wahrscheinlichkeit 1 in eine der Mengen B4k fallt, welche in B liegen. Die Menge B ist somit rekurrent.
21
Wir werden unter Benutzung des im vorigen Abschnitt ge­ wonnenen Rekurrenzkriteriums versuchen, uns eine Vorstellung von der Struktur der rekurrenten und transienten Mengen des drei­ dimensionalen Punktgitters zu verschaffen.
Es ist klar, daB eine beliebige Teilmenge einer transienten Menge ebenfalls transient ist und daB jede Menge, welche eine rekurrente Teilmenge enthalt, selbst rekurrent ist. AuBerdem wissen wir, daB jede beschdinkte Menge transient ist.
Wir bezeichnen die Koordinaten des Punktes x(n) durch xdn), x2(n) bzw. x3(n). Wir zeigen, daB die Koordinatenflache X3=0 rekurrent ist. Ersichtlich andert sich die Variable x3(n) wie folgt: In der Zeit 1 vergroBert oder verringert sie sich um 1 jeweils mit der Wahrscheinlichkeit 1" wah rend sie mit der Wahrscheinlich­ keit t ihren Wert beibehalt. Die Wahrscheinlichkeit dafiir, daB die Variable x 3 (n) ihren Wert bei k aufeinanderfolgenden Schritten beibehalt, ist (tl. Dies strebt gegen 0 fUr k~ 00; folglich andert sich der Wert von x 3 (n) mit Wahrscheinlichkeit 1 fruher oder spater. Aus Symmetriegrunden ist klar, daB der erste Zuwachs der Variablen x 3 (n) jeweils mit der Wahrscheinlichkeit t gleich -1 oder + 1 ist. Demnach unterscheidet sich das Gesetz fUr die zu­ fallige Anderung der Varia bIen x 3 (n) von der zu Beginn von § 1 beschriebenen symmetrischen Irrfahrt lediglich hinsichtlich der Moglichkeit, daB die zufallige Variable x3(n) in jedem Zustand, in dem sie sich befindet, endlich lange verharren kann. Es ist klar, daB hierdurch nicht die Wahrscheinlichkeit, den Zustand 0 zu erreichen, geandert wird, da lediglich die Geschwindigkeit der Bewegung, nicht aber die Form der Trajektorien beeinfluBt werden. Da bei der eindimensionalen symmetrischen Irrfahrt der Nullpunkt von einem beliebigen anderen Punkt aus mit Wahrscheinlichkeit 1 erreicht wird, nimmt x3(n) mit Wahrscheinlichkeit 1 irgendwann den Wert 0 an. Somit ist die Koordinatenflache X3 =0 rekurrent.
Indem man von der Tatsache Gebrauch macht, daB bei der zwei­ dimensionalen symmetrischen Irrfahrt der Nullpunkt eben falls von einem beliebigen anderen Punkt aus mit Wahrscheinlichkeit 1 er­ reicht wird (s. die Aufgaben), kann man analog beweisen, daB die Koordinatenachse X2 = X3 = 0 eine rekurrente Menge bildet. Die Benutzung des Wieners chen Kriteriums gestattet nicht nur den Be­ weis dieser vergleichsweise einfachen Tatsache, sondern auch die Herleitung der folgenden hinreichenden Bedingung fUr die Rekur­ renz einer Menge B, welche aus Punkten der Form (b n , 0, 0) besteht, wobei die bl>b2 , ... naturliche Zahlen mit 0<b1 <b2 < ... bezeichnen:
22
1 Wenn die Reihe I b konvergiert, dann ist die Menge B trans-
n 1
ient; wenn die Reihe I - divergiert und fur grojJe n bn
(43) c=const >0
gilt, dann ist die Menge B rekurrent. Der Zusammenhang der Rekurrenz der Menge B mit der Diver-
1 genz der Reihe I - ist sehr plausibel: Die Divergenz dieser Reihe
bn
besagt, daB die Punkte (bn,O,O) nahe beieinanderliegen, wahrend Konvergenz bedeutet, daB die Zahlen bn schnell wachsen. Die Be­ dingung (43), welche mit der im Beweis verwendeten Methode der Abschatzung von Kapazitaten zusammenhangt*, wird nur von sehr langsam divergierenden Reihen erfUllt. 1st z. B. bn = [ n 10g2 nJ ([x] bezeichne den ganzen Teil von x), so gilt fUr groBe n
bn + 1 -bn ~ (n+ 1)10g2(n+ 1)-1-nlog2n ~ log2n-l
n 1~ 1 = 10g2 2 ~ 10g2 V nlog211 ~ 210g2 bn ;
die Ungleichung (43) ist somit erfUllt. Demnach ist fUr bn = [n log2 nJ die Menge B rekurrent. Falls jedoch bn = [1110g211 ] mit'Y. > 1 ist,
so konvergiert die Reihe I ~ , und B ist transient. n
* Die Bedingung (43) kann man abschwachen, indem man fordert, daB
eine Teilfolge b"k derart existiert, daB I Ii- = ex und fUr aile k k "k
b"k + 1 - b"k :2: C log2 b"k
gilt. In diesem Fall enthalt die Menge Beine rekurrente Teilmenge und ist folglich selbst rekurrent. Die Frage liegt nahe, ob es moglich ist, aus jeder
1 Folge bn, fur welche I h = CfJ ist, eine Teilfolge b"k auszuwahlen, fUr welche
1 " I h = CfJ gilt und die Bedingung (43) erfullt ist. Beispiele, die von S. M. k nk
GUSEIN-ZADE und L. A. I W A~()H konstruiert wurden, zeigen, daB dies nicht immer moglich ist. 1
1st nun die Divergenz der Reihe I b hinreichend fUr die Rekurrenz n
der Menge B? In der Arbeit von R. S. BuCY, Recurrent sets, Ann. Math. Sta- tistics 36: 2 (1965), 535-545, wird ein Beispiel angegeben, welches diese Vcr­ mutung widerlegt. Andererseits wird in dieser Arbeit gezeigt, daB man die Zusatzbedingung (43) durch die Forderung ersetzen kann, daB die Differen­ zen bn + 1 -bn monoton zunehmen.
23
Wir setzen nun voraus, daB die Reihe L; konvergiert. Wir n
bemerken, daB die Kapazitat einer endlichen Menge nicht groBer ist als die Anzahl der Elemente dieser Menge. Dies ist klar auf Grund der Definition der KapaziHit vermoge
C(B) = L CPB(X) , XEB
wobei CPB als Wahrscheinlichkeit nicht groBer als 1 sein kann. Wir schatzen die Zahl der Elemente der Menge Bk , die im Rekurrenz­ kriterium auf tritt, ab; sie sei mit IBkl bezeichnet. Falls bnEBk* ist,
gilt 2k- 1 <bn~2k, folglich ;k ~ ;n' Summieren wir diese Un­
gleichung uber alle Punkte der gegebenen Menge Bk , so erhalten wir
IBkl < L l 2k - bnEBk bn
und somit C(Bk) < L l
2k - bnEBk bn .
Die Reihe (36) wird also durch die Reihe L; majorlSlert und
konvergiert deshalb ebenfalls. Auf Grund des Rekurrenzkriteriums ist die Menge B transient. 1
Wir setzen jetzt voraus, daB die Reihe L b divergiert. 1st zudem n
die Ungleichung (43) erfUllt, so existiert, wie wir zeigen werden, eine feste Zahl M derart, daB fUr beliebiges x und k ~ 1
(44) L g(x,Y) ~ M YEBk
gilt. Mit Hilfe dieser Ungleichung schatzen wir C(Bk ) nach un ten
abo Wir betrachten die Funktion cp(y), die gleich ~ auf Bk und
gleich 0 in den ubrigen Punkten ist. Das Potential dieser Funktion ergibt sich zu
1 f(x) = L g(x,y)cp(y) = M L g(x,y)
Y YEBk
und ist wegen (44) in jedem Punkt hochstens gleich 1. Auf Grund der am Ende von § 7 angegebenen Definition der Kapazitat als
* Hier wie im folgenden schreiben wir statt (br"O,O) kiirzer bn" Der Leser wird leicht erkennen konnen, ob es sich bei bn urn eine Zahl oder urn einen Punkt des Gitters H3 handelt.
24
maximale Gesamtladung, deren Potential nirgends groBer als 1 ist, erhalten wir
Falls bnEBk ist, so ergibt sich 2k - 1 < bn ':;;2\ also ;n < 2}-T. Sum­
mieren wir diese Ungleichung iiber bnEBk' so gelangen wir zu
I l < IBkl < 2M ~(Bk) b"EBkbn-2k-l- 2k ·
F olglich wird die Reihe I1.. bis auf den Faktor 2 M von der bn
Reihe (36) majorisiert. Aus der Divergenz der Reihe I; ergibt n
sich die Divergenz der Reihe (36), also die Rekurrenz der Menge B.
Ib;~' 2 k-l !9o'l
x
Abb.3
Es bleibt schlieBlich nur noch die Ungleichung (44) zu beweisen. Ersichtlich konnen wir k c: 2 annehmen. Wir bemerken, daB auf Grund der asymptotischen Beziehung (12) die GroBen g(x,y) und Ilx - yll g(x,y) durch eine gewisse Zahl Q beschrankt werden. Seien bn und bn + I die dem Punkt x am nachsten liegenden Punkte der Menge Bk ; bn- I, bn- 2 , •.• ,bn - i sowie bn+2 , bn+3 , ... ,bn+j mogen die restlichen Punkte dieser Menge bezeichnen (Abb.3).
Auf Grund der kurz zuvor gemachten Bemerkung folgt
( 1 1 1 ) Y~k g(x,y).:;; 2Q + Q Ilx-bn-lll + Ilx-bn - 211 + ... + Ilx-bn=:]f
+Q + + ... +---- . ( 1 1 1 ) Ilx-bn+zll Ilx-bn +3 11 Ilx-bn+jll
Aus der Ungleichung (43) ergibt sich fiir Punkte der Menge Bk die Abschatzung
bl+l-blc:clog2blc:clog22k-I=C(k-l).
IIx-bn-1112.bn-bn-12.C(k-1),
Ilx-bn - i II2.bn -bn- i 2.ic(k-1),
Ilx-bn +2112.bn +2 -bn+ 12.c(k-1),
Ilx-bn + 3 112.bn + 3 -bn+ 12.2c(k-1),
und somit
Q (1 1 1 1) L g(x,y)~2Q + -- 1 + - + '" + ~ + 1 + - + ... + -. - . yeBk c(k-1) 2 I 2 J-1
Da i und j nicht gr613er sind als die Anzahl 2k - 1 der zwischen den Kuge1n mit Radien 2k- 1 bzw. 2k liegenden Punkte, hat man weiter
2Q ( 1 1 1 ) y~kg(x,Y)~2Q + c(k-l) 1 + 2 + 3 + .. , + 2k - 1 •
Nun ist aber n
~ ~ J dx, n x
yeBk C
x c(k-l)
Zweidimensionales Gitter
1. Fur die symmetrische Irrfahrt auf dem zweidimensionalen Gitter gilt g(x, x) = 00.
26
g(X,X) = L p(2k,x,x). k=O
In der Darstellung (6) fur p(2k,x,x) ist die unter dem Integralzeichen stehende Funktion nichtnegativ. Demnach kann man gliedweise integrieren und erMlt
-1[ -1t
cos rx;?: 1 - 2' Irxl < rxo, abgescMtzt.
2. Mit r(x) bezeichnen wir die Wahrscheinlichkeit dafUr, daB das in x startende Teilchen irgendwann nach x zuruckkehrt. Dann gilt
00
g(X,X)= L r(x)". n=O
Hinweis. Wir betrachten die zuHillige Variable ~k' die gleich 1 ist, wenn das Teilchen zum Punkt x mindestens kmal zuruckkehrt, und die gleich 0 sonst ist, k= 1,2, .... Dann hat man
g(x,x)= 1 +MA~l +~2 + ... ). 3. Bei der symmetrischen Irrfahrt auf dem zweidimensionalen
Gitter ist eine einpunktige Menge rekurrent. Hinweis. Aus den Aufgaben 1 und 2 folgt, daB r(x)= 1 ist. An­
dererseits ist l-r(x);?:s(x,y)(l-nx (y)), wobei s(x,y) die Wahr­ scheinlichkeit dafUr bezeichne, von x aus nach y vor der erst en Ruck­ kehr nach x zu gelangen.
Extremalpunkte einer konvexen Menge
Sei Heine endliche oder abzahlbare Menge und E eine gewisse Menge von Funktionen, die auf H definiert sind. Wir sagen, die Funktionenfolge Un} konvergiere gegen die Funktion f, falls fn(x)-+f(x) gilt fUr jedes xEH. Die Menge E heiBe abgeschlossen, falls aus fn-+f, fnEE, folgt, daB fEE gilt; sie heiBe kompakt, falls sie abgeschlossen ist und falls aus jeder Folge Un}, f"E E, eine konver­ gente Teilfolge ausgewahlt werden kann. Wenn aus fl EE, f2EE folgt, daB fUr beliebige Zahlen p > 0, q > 0 mit p + q = 1 P fl + qf2 E E gilt, so sagt man, E sei konvex.
27
4. Eine abgeschlossene Menge E ist kompakt genau dann, falls es eine Funktion c(x) gibt, so daB If(x)1 ~c(x) fUr fEE und XEH gilt.
Hinweis. Urn zu zeigen, daB die angegebene Bedingung hinrei­ chend ist, numeriere man die Punkte der Menge H und benutze ein Diagonalverfahren.
Eine kompakte Teilmenge A der Menge E heiBe Extremalmenge, falls aus fEA, f=pf1 +qf2' f1,f2EE, P>O, q>O, p+q=l folgt, daB f1,f2 E A gilt.
5. Sei A eine Extremalmenge. Gilt fEA mit
f=a1 f1 + ... + ani",
wobei f1, ... ,f"EE, a1, ... ,a,,>0, a1 + ... +a,,= 1 ist, so folgt f1,···,f"EA.
Ein Funktional i(f) heiBe iinear, falls i(af1 +bf2)=ai(fd +bl(f2) fUr beliebige Zahlen a,b und Funktionen f1,f2 gilt und falls ausf,,---+f l(f,,)---+l(f) folgt. Z. B. wird durch l(f)= f(x o) ein lineares Funktional definiert, wobei Xo ein fixierter Punkt in H sei.
6. Sei A eine Extremalmenge, I ein lineares Funktional und werde
M=maxl(f) JEA
gesetzt. Dann ist die Menge A 1 aller Funktionen f E A, fUr welche l(f) = M gilt, eben falls eine Extremalmenge.
7. Sei A1 ::lA2::l ... ::l A,,::l ... eine Folge kompakter Extremal­ men gen. Dann ist die Menge A = n A" ebenfalls eine Extremalmenge.
" Eine Extremalmenge, welche nur aus einem Punkt besteht, heiBe Extremalpunkt.
8. Eine beliebige kompakte konvexe Menge E besitzt einen Extremalpunkt.
Hinweis. Auf Grund von Aufgabe 4 nimmt das durch IAf) =f(x), xEH, fest, definierte Funktional auf jedem Kompaktum sein Maximum an; mit seiner Hilfe kann man schon vorhandene Extremalmengen "zusammenziehen" (s. Aufgabe 6). Beginnt man mit der gesamten Menge E und numeriert samtliche Funktionale Ix in irgendeiner Reihenfolge, so gelangt man im Grenzfall zu einer Extremalmenge Aexo (s. Aufgabe 7). Diese Menge enthalt eine einzige Funktion.
Es laBt sich beweisen, daB eine beliebige kompakte konvexe Menge aus allen Funktionen der Form a1 f1 + ... +a"f" besteht mit a 1 ,···,a">0, 0(1 +···+0(,,=1, wobei f1, ... ,f" Extremalpunkte sind,
28
sowie aus allen Grenzwerten von Folgen derartiger Funktionen (Satz von KREIN-MILMAN)*. Wir benotigen diesen Satz fUr den spe­ ziellen Fall, daB E lediglich einen Extremalpunkt besitzt.
9. Falls eine kompakte konvexe Menge E nur einen Extremal­ punkt besitzt, so besteht E aus einer einzigen Funktion g.
Hinweis. Wir nehmen an, daB hEE, h+g gelte. Dann existiert ein XEH derart, daB fUr eines der durch l(f)= ±f(x) definierten linearen Funktionale I(h) > I(g) gilt. Nach Aufgabe 6 existiert eine kompakte, konvexe Extremalmenge A, die nicht 9 enthlUt. Die Menge A besitzt einen Extremalpunkt gl +g, der sich als Extremal­ punkt fUr die gesamte Menge E erweist.
Positive harmonische Funktionen
10. Falls eine nichtnegative harmonische Funktion in irgend­ einem Punkt den Wert 0 annimmt, so ist sie identisch O.
11. Der Grenzwert einer Folge harmonischer Funktionen stellt eine harmonische Funktion dar.
12. Falls f eine positive harmonische Funktion ist, so folgt die Ungleichung
f(x±ek)~21 f(x),
wobei 1 die Dimension des Gitters bezeichne. Mit E bezeichnen wir die Klasse aller positiven harmonischen
Funktionen, welche im Punkt x = 0 den Wert 1 annehmen.
13. Die Menge E ist konvex und kompakt. Hinweis. Man benutze die Aufgaben 12, 11 und 4.
14. Falls fEE gilt, so gehort fUr jeden Vektor a mit ganzen Zah­ len als Komponenten die Funktion
f(x+a) g(x) = zu E.
f(a)
15. 1st 9 ein Extremalpunkt der Menge E, so hat man
g(x ± ek) = g(ek) ± 1 g(x).
Hinweis. Man benutze die Beziehung 9 = P 9 sowie die Auf­ gaben 14 und 5.
16. Unter den Voraussetzungen der vorigen Aufgabe gilt g(x)= 1 fUr aIle xEHI.
* s. z. B. NEUMARK, M. A.: Normierte Algebren. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1959, § 3, S. 76.
29
Hinweis. Da g(ek)+g(ek)-1~2 gilt und Gleichheit nur im Fall g(ek) = 1 moglich ist, folgt aus der Beziehung g=Pg, daB g(ek) = 1 ist.
Aus den Aufgaben 9, 13 sowie 16 ergibt sich, daB die Menge E lediglich aus der Funktion besteht, die identisch gleich 1 ist; dem­ nach ist eine beliebige positive harmonische Funktion konstant.
17. Falls eine harmonische Funktion nach unten (nach oben) beschrankt ist, so ist sie konstant.
Das Dirichletsche Problem
Sei Beine Teilmenge des Punktgitters HI. Ein Punkt x$B heiBe Randpunkt der Menge B, falls einer der Punkte der Form x±ek zu B gehOrt. Die Gesamtheit der Randpunkte der Menge B heiBe Rand von B und werde mit oB bezeichnet. Wir sagen, daB eine Funktion f(x), xEBuoB, harmonisch (superharmonisch) auf B sei, falls f(x)=Pf(x) (falls die Ungleichung f(x)~Pf(x») fUr aIle XEB gilt. Die Menge B heiBe zusammenhiingend, wenn zu zwei be­ liebigen Punkten x,YEB eine Folge Xl =X,X2,X3'''''Xn = Y von Punkten aus B derart existiert, daB jede der Differenzen Xi - Xi - 1
von der Form ±ek ist. 18. 1st die Menge B zusammenhlingend, ist f eine auf B super­
harmonische Funktion und nimmt f seinen kleinsten Wert auf BuoB in einem Punkt XEB an, so ist f auf BuoB konstant.
19. 1st die Menge B zusammenhangend und endlich und stim­ men zwei harmonische Funktionen f1 und f2 auf dem Rand oB iiberein, so stimmen sie auch auf B iiberein.
Hinweis. Man wende Aufgabe 18 auf die Funktionen f1 - f2 und f2 - f1 an.
In den Aufgaben 20-24 bezeichnen r den Augenblick des ersten Eintritts in die Menge oB und qJ eine beliebige auf oB definierte Funktion.
20. 1st die Menge B zusammenhlingend, so existiert die mathe­ matische Erwartung MAx(r)) entweder iiberall oder nirgends auf B.
21. Die Funktion f(x)=MxqJ(x(r)} stellt eine auf B harmonische Funktion dar, die auf dem Rand oB mit qJ iibereinstimmt (unter der Voraussetzung, daB diese Erwartung fUr aile XEB existiert).
Aus den Aufgaben 19 und 21 ergibt sich, daB zu jeder echten Teil­ menge B des Gitters und zu jeder auf oB definierten beschrankten Funktion qJ eine Funktion f existiert, die auf B harmonisch ist und auf oB mit qJ iibereinstimmt (d. h., das Dirichletsche Problem hat eine Losung), und daB im Fall einer endlichen Menge B die Losung eindeutig ist. Eine hinreichende Bedingung fUr die Eindeutigkeit
30
einer beschrankten Losung des Dirichletschen Problems fUr eine unendliche Menge B wird in Aufgabe 22 gegeben.
22. Falls der Rand 8B der Menge B rekurrent ist und die Funktion cP beschrankt ist, so stellt f(x) = Mx f(X(T)) die einzige beschrankte Funktion dar, welche auf B harmonisch ist und auf 8B mit cP uber­ einstimmt.
Hinweis. Bezeichne g(x) eine auf B beschrankte harmonische Funktion, die auf dem Rand 8B mit cP ubereinstimmt, K entsprechend den l-dimensionalen Wurfel mit dem NUllpunkt als Mittelpunkt und der SeitenIange a und femer T 1 den Augenblick des ersten Eintritts in die Menge 8(BnK). Dann gilt g(x)=Mxg(X(Td) fUr xEBnK; fUr a-HJJ geht diese Beziehung iiber in g(x)=Mxcp(X(T))= f(x) (auf Grund der Rekurrenz von 8B strebt die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses T 1 = T fUr a -HXJ gegen 1).
23. Falls die Menge 8B transient ist, so ist die Aussage von Auf­ gabe 22 im allgemeinen falsch.
Hinweis. Man betrachte die Funktionen f == 1 sowie g = 7raB(X). 24. Die auf dem gesamten Gitter harmonischen Funktionen
lassen sich auch auf folgende Weise charakterisieren: Die Funktion fist harmonisch, falls fUr beliebiges x und eine beliebige x enthal­ tende Menge B f(x)=Mxf(x(T)) gilt.
Eigenschaften von Potentialen
In den Aufgaben 25-31 beziehe sich "Potential" (Bezeichnung: Gcp), wenn nichts anderes gesagt ist, auf ein endliches Potential einer nichtnegativen Funktion.
25. Es gibt Punkte, in denen ein Potential beliebig nahe bei 0 liegende Werte annimmt.
Hinweis. Man wende auf die Ungleichung G cp?: h (h = const > 0) den Operator P" an und lasse n gegen Unendlich streben.
26. Falls cp(x)?: I: auf einer gewissen rekurrenten Menge B gilt (I: sei eine positive Zahl), so ist das Potential G cp unendlich.
27. Falls eine exzessive Funktion f nicht groBer als ein gewisses Potential ist, so ist sie selbst ein Potential.
Hinweis. Man benutze die Beziehung f = G cp + h und Aufgabe 25. 28. (Enveloppenprinzip) Fur eine beliebige Familie {fa} von
Potentialen gilt, daB die Funktion f(x) = inf fa(x) ebenfalls ein Potential ist. a
Unter dem Tager eines Potentials Gcp verstehen wir die Menge aller Punkte x, fUr welche cp(x) > 0 gilt.
29. (Dominationsprinzip) Gilt GCPI ?:GCP2 auf dem Trager von G <P2' so gilt G <PI?: G <pz liberal!.
31
Hinweis. Man benutze die Beziehung (24), wobei r fUr den Augen­ blick des ersten Eintritts in den Trager von G CfJ2 stehe.
30. (Prinzip des Fegens). Die Funktion f(x)=MxGCfJ(x(r)) (r bezeichne den Augenblick des ersten Eintritts in die Menge B) besitzt folgende Eigenschaften: 1. fist ein Potential; 2. f stimmt auf B mit G CfJ uberein; 3. fist hOchstens gleich G CfJ; 4. der Trager von fist in B enthalten. Durch die Eigenschaften 1.-4. wird f ein­ deutig bestimmt.
31. Trifft die folgende Aussage zu: "Aus GCfJl??GCfJ2 folgt CfJ 1 ?? CfJ2 "?
Hinweis. Wirsetzen CfJl(O) = CfJl(ed= 1, CfJl(X)=O fUr die ubrigen x sowie CfJ2(0) = 1 +10, CfJ2(X)=0 fUr x =1=0. Fur groBe Werte von Ilxll ist die Ungleichung GCfJl?? GCfJ2 auf Grund der asymptotischen Beziehung (12) gleichzeitig fUr aIle 10 aus dem IntervaIl (O,!) erfUIlt. Fur die restlichen x kann man zur gewunschten Ungleichung durch eine Verkleinerung von 10 gelangen, da fUr 10=0 GCfJl>GCfJZ gilt und G CfJz stetig von 10 abhangt.
Exzessive Funktionen
32. Die Darstellung einer exzessiven Funktion in der Form f = G CfJ + h, worin CfJ, h?? 0 sind und heine harmonische Funktion bezeichnet, ist eindeutig.
33. Fur 1= 1,2 sind aIle exzessiven Funktionen konstant. 34. Die exzessiven Funktionen kann man auf folgende Weise
definieren: fist exzessiv, falls fUr einen beliebigen Zustand x und eine beliebige (auch leere) Menge B die Ungleichung f(x)??Mxf(x(r)) gilt, worin r den Augenblick des ersten Eintritts in B bezeichne.
Eigenschaften der Kapazitiit
In den Aufgaben 35-41 werden aIle betrachteten Mengen als transient vorausgesetzt; oB bezeichne den Rand der Menge B (s. die Bemerkungen vor Aufgabe 18).
35. Aus A c B folgt C(A)::;; C(B).
36. C(A u B)::;; C(A) + C(B). Hinweis. Man betrachte zunachst disjunkte Mengen. 37. Die Gleichgewichtsverteilung fUr die Menge B u oB ist auf
o B konzentriert. 38. Die Gleichgewichtsverteilungen fUr die Mengen B u 0 B
und 0 B stimmen uberein; insbesondere hat man C(B U 0 B) = C(O B).
32
Hinweis. Hat das Teilchen einen Zustand aus der Menge B an­ genommen, so gelangt es mit Wahrscheinlichkeit 1 auf den Rand a B, da die Menge HI - B rekurrent ist.
39. Die Kapazitlit des Punktes x ist gleich ~(1 ). g X,x
40. Die Kapazitat einer aus n Punkten bestehenden Menge
strebt gegen g(;,O)' falls die gegenseitigen AbsHinde der Punkte
dieser Menge unbegrenzt wachsen. Hinweis. Man benutze die asymptotische Beziehung (12) und die
Aufgaben 35 und 39.
41. Die Kapazitat einer transienten unendlichen Menge ist un­ endlich.
Die asymmetrische Irrfahrt
Ein Teilchen, welches auf den Punkten des Gitters HZ eine Irrfahrt vollfiihrt, gelange von einem Punkt aus in den rechten, linken, obe­ ren oder unteren Nachbarpunkt mit der Wahrscheinlichkeit p, q, r bzw. s(p, q, r, s > 0, p + q + r + s = 1), unabhangig von seinem friiheren Verhalten. Wir setzen P f(x) = pf(x+e 1 ) + qf(x-ed + r f(x +ez) + sf (x - ez) und nennen die Funktion f harmonisch, falls P f = f gilt. Wie im symmetrischen Fall zeigt man leicht, daB die Klasse E der positiven harmonischen Funktionen, die im Nullpunkt den Wert 1 annehmen, konvex und kompakt ist (vgl. die Aufgaben 11-13). Wir werden die Extremalpunkte der Menge E bestimmen.
42. Wenn A(x) ein Extremalpunkt der Menge E ist, dann gilt
(45)
worin A und J1 positive Zahlen bezeichnen, die der Gleichung
(46)
geniigen. Hinweis. Vgl. Aufgabe 15.
In den Aufgaben 43-47 wird gezeigt, daB umgekehrt die durch die Beziehung (45) definierte Funktion A(x) ein Extremalpunkt ist (vgl. die Uberlegungen in § 4).
3 DynkinjJuschkewitsch 33
cp(x) s~p A(x) = M < 00.
1st im Punkt Y cp(y) > M- A(y) - e,
so folgt
c=l+ p AZ +T+Aj1 .
44. 1st in der vorigen Aufgabe M > 0, so existiert zu einer be­ liebigen Zahl N eine Folge von Zustanden Yo, Yl = Yo + eb ···, Yn = Y n - 1 + e1 derart, daB
( ) + cp(Yd + ... + CP(Yn) > N A( ) cP Yo A An - Yo
gilt.
s~p A(x) < 00,
cp(x) = f(x + e1) - Af(x).
46. Unter den Voraussetzungen der vorigen Aufgabe gilt f =A. Hinweis. Man wende die gleichen Uberlegungen auf die Vek­
toren - eb ez und - ez an.
47. Die Funktion A ist ein Extremalpunkt der Menge E. Aus den Aufgaben 42 und 47 ergibt sich, daB sich die Extremal­
punkte der Menge E eineindeutig den positiven Losungen (J"j1) der Gleichung (46) zuordnen lassen. Man iiberzeugt sich leicht davon, daB im Fall p=q, r=s diese Gleichung die (eindeutig be­ stimmte) Losung A = j1 = 1 besitzt, wah rend sie in allen iibrigen Fallen als Losungsmenge ein gewisses Oval im Quadranten A> 0, J1 >0, liefert.
34
§ 1. Die Definition des Wienersehen Prozesses
1m vorigen Kapitel untersuchten wir die Irrfahrt auf dem ganz­ zahligen l-dimensionalen Punktgitter. Wir stellen uns jetzt vor, daB die Lange des Abstandes zwischen benachbarten Punkten des Git­ ters nicht gleich 1, sondern gleich einer ZahllJ ist (diese Zahl werden wir als Gitterparameter bezeichnen). Es ist klar, daB in diesem Fall die Lange des Weges, den das Teilchen bei n Schritten zuriicklegt, proportional zu lJ ist. Wir werden deshalb in Abhangigkeit von lJ die Zahl der Spriinge so variieren, daB bei beliebigem lJ das Teilchen in gleichen Zeitabschnitten im Mittel den gleichen Weg zuriicklegt. Es ist zu erwarten, daB man im Grenzfall fUr lJ~O einen stetigen ProzeB erhalt, der durch seine Eigenschaften an die Irrfahrt auf dem Punktgitter erinnert.
Um eine geeignete Beziehung zwischen dem abnehmenden Para­ meter lJ und der zunehmenden Zahl der Spriinge zu finden und um die Grenzverteilung der Bewegung des Teilchens wahrend der Zeit t zu erhalten, benutzen wir den zentralen Grenzwertsatz fUr Summen unabhangiger zufaUiger Vektoren. Unter der speziellen Voraus­ setzung, daB die unabhangigen und gleich verteilten Vektoren ~i (i = 1,2, ... ) den Mittelwert 0 sowie endliche zweite Momente be­ sitzen, besagt dieser Satz, daB die Verteilung der normierten Summe
~l + ... + ~n
Vn (1)
fUr n~oo gegen die Normalverteilung strebt, welche den Mittel­ wert 0 und die gleiche Kovarianzmatrix wie der zufallige Vektor ~i besitzt.
Mit ~i bezeichnen wir die Verschiebung des Teilchens beim i-ten Schritt, das eine Irrfahrt auf dem Gitter mit dem Parameter lJ = 1 vollfUhrt. Wegen der Symmetrie der Irrfahrt ist M~i=O. Wir be­ rechnen die zweiten Momente des zufalligen Vektors ~i mit den Koordinaten Xt> ... ,X/. Da nur eine der Koordinaten X1, ... ,X/ von Null verschieden sein kann, sind alle gemischten Momente MXjXk
3' 35
fUr j=t=k gleich O. Da Xj jeweils mit Wahrscheinlichkeit ;z die
Werte ± 1 annimmt und mit Wahrscheinlichkeit 1 - f gleich 0 ist,
erhalten wir Mxi = ... = MX7 = f. Daher besitzt der Vektor (1) im
Grenzfall eine kugelsymmetrische Normalverteilung, deren Varianz 1
bezuglich einer beliebigen Richtung gleich 1 ist. Wir bemerken nun, daB bei der Irrfahrt auf dem Gitter mit dem
Parameter £5 die Verschiebung des Teilchens bei n Schritten gleich
(2) b(~l+"'+~n)
ist. Vergleicht man (1) und (2), so sieht man, daB der Parameter 15 1
von der GroBenordnung - sein muB oder, was dasselbe ist, die
Vn 1 Zahl n der Schritte von der GroBenordnung £52 sein muB, damit
sich eine vernunftige Grenzverteilung ergibt. Wir werden deshalb annehmen, daB das Teilchen bei einem Sprung jeweils eine Strecke
15 2 1 der Lange T zuruckgelegt (der Faktor 1 wurde zur Vereinfachung
des Endresultats eingefUhrt). Die Lage des Teilchens zum Zeit­ punkt t sei bei einer derartigen Irrfahrt durch x(t) bezeichnet (es versteht sich, da/3 x(t) zunachst nur fUr solche t definiert ist, die
ein Vielfaches von bZ 2 sind). Bis zum Zeitpunkt t vollfUhrt das
Teilchen n = ~; Sprunge. Dies bedeutet, da/3
x(t)-x(O) = V!(~l + ... + ~n) mit n = ~~ gilt.
Danach erhalt man den Vektor x(t)-x(O) aus dem Vektor (1) durch Multiplikation mit dem Koeffizienten VIt. Foiglich besitzt der Zuwachs x(t) - x(O) beim Grenzubergang 15---+0 eine symme­ trische Normalverteilung, deren Varianz bezuglich einer beliebigen
Richtung gleich ~ (Vt"I)2 = t ist. Die Dichte dieser Verteilung wird gegeben durch Z
1 -y?~.+y? 1 y2
(3) p(t,y) = P(t,Yl"",YI) = --I e 2t = --I e- 2i
(2nt)2 (2nt)2
36
(Falls Y = Y1 e1 + ... + Yl el ist, so setzen wir i = yi + ... + yf.) 1m Grenzfall konnen t eine beliebige positive reelle Zahl und x(t) sowie x(O) beliebige Punkte des l-dimensionalen Raumes sein.
Wie aus der Beziehung (3) ersichtlich, sind die Koordinaten des Zuwachses x(t) - x(O) im Grenzfall voneinander unabhangig. Wir bemerken, daB dies fiir die Koordinaten der Summanden ~i nicht gilt: Falls eine von ihnen von Null verschieden ist, so sind die rest­ lichen gleich O. Die Grenzverteilung jeder der Koordinaten des Vektors x(t) - x(O) stellt, unabhangig von der Dimension des Rau­ mes, eine Normalverteilung mit dem Mittelwert 0 und der Varianz t dar.
Man kann sich folglich vorstellen, daB im Grenzfall die Irrfahrt auf dem Gitter in einen stetigen ProzeB ubergeht, bei dem die zu­ fallige Bewegung des Teilchens wahrend eines Zeitintervalls der Lange t die Dichte (3) besitzt. Zu diesem ProzeB fiihrt auch die mathematische Theorie der im Jahre 1828 von dem Botaniker BROWN entdeckten ungeordneten Bewegung, welche sehr kleine, in einer Flussigkeit suspendierte Teilchen ausfiihren. Die Theorie der Brownschen Bewegung wurde 1906 von EINSTEIN und SMOLU­ CHOWSKI geschaffen. Die mathematisch korrekte Konstruktion des entsprechenden stochastischen Prozesses wurde 1923 von WIENER ausgefiihrt. Es ist ublich, diesen ProzeB als Wienerschen Prozej3 zu bezeichnen. Wir geben nun seine Definition.
Wir betrachten einen Raum X, der aus Funktionen x(t), t~O, besteht, die ihre Werte im l-dimensionalen Vektorraum R annehmen. Die Menge dieser Funktionen wird interpretiert als die Gesamtheit aller moglichen Trajektorien eines Teilchens, das eine Brownsche Bewegung ausfiihrt. Auf X sei eine Familie von Verteilungen (d. h. von Wahrscheinlichkeiten) Px gegeben, wobei x ein beliebiger Punkt aus R sei. Die Wahrscheinlichkeit Px kann man interpretieren als V erteil ung der zufalligen Tra jektorien des Teilchens, das seine Be­ wegung zum Zeitpunkt t=O im Punkt x beginnt. Die der Wahr­ scheinlichkeit Px entsprechende mathematische Erwartung werden wir durch Mx bezeichnen. (Falls Px oder Mx nicht von x abhangen, schreiben wir statt dessen einfach P bzw. M*.)
* Manehmal werden uns zufallige GraBen ~ begegnen, die nieht auf allen Trajektorien definiert sind.
Unter der mathematisehen Erwartung einer derartigen zufalligen GroBe verstehen wir den tibliehen Ausdruek, in welchem sieh die Integration bzw. Summation nieht tiber den gesamten Raum Q der Elementarereignisse, son­ dem lediglieh tiber den Definitionsbereieh Q~ der zufalligen GroBe ~ erstreekt. Eine damit gleiehwertige Definition der mathematisehen Erwartung Mx ( erhalt man, wenn man (= 0 jeweils in den Fallen setzt, in denen ( nieht erkJart ist.
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Man sagt, eine Familie von Wahrscheinlichkeitsmaj3en Px auf X definiere einen Wienerschen Prozej3 x(t), falls die folgenden Bedin­ gungen erfiillt sind:
a) Der Raum X enthalt nur stetige Funktionen. b) Px{x(O)=x} = 1. c) Der zuflillige Zuwachs x(t+s)-x(s), S20, t>O, besitzt eine
symmetrische Normalverteilung mit der Dichte (3); dieser Zuwachs hiingt nicht ab von beliebigen Ereignissen und beliebigen zufiilligen Groj3en, die vom Verhalten der Trajektorie x(t) bis zum Zeitpunkt s bestimmt werden*.
Insbesondere hat man fUr ein beliebiges Gebiet r c R
(4) Px{X(t)Er} =Px{x(t)-X(O)Er-X}
= S p(t,y)dy = S p(t,z-x)dz, t>O, xER. T-x T
Diese Wahrscheinlichkeit, fUr die wir P(t,x,r) schreiben, bezeich­ nen wir als Ubergangswahrscheinlichkeit des Wieners chen Prozesses.
Manchmal erweist es sich als niitzlich, eine Trajektorie zu be­ trachten, die nicht in einem fixierten Punkt x, sondern in einem zuf:illigen Punkt beginnt, der die Verteilung J1 besitzt. In diesem Fall berechnet sich die Wahrscheinlichkeit eines beliebigen Ereig­ nisses A gemaB
P,,{A} = SPx {A}J1(dx). R
Einen derartigen ProzeB werden wir als Wienerschen Prozej3 mit der Arifangsverteilung J1 bezeichnen. Wir mer ken an, daB fUr eine be­ liebige zufallige GroBe ~
(5) M" ~ = S Mx ~ J1(dx) R
gilt.
* Unter derartigen Ereignissen und zufalligen GraBen versteht man Mengen bzw. Funktionen, die meBbar sind bezuglich der kleinsten tr-Algebra im Raum X, die aile Mengen der Form {X(U)Er} enthalt, wobei rein be­ Jiebiges Gebiet in R bezeichne und U beJiebig mit u::::; s sei. 1m folgenden gehen wir nicht weiter auf MeBbarkeitsfragen ein.
Derjenige Leser, der sich hierfUr sHirker interessiert, findet daruber Aus­ fUhrlicheres z. B. im Kap. 3 des Buches [4].
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§ 2. Die Verteilung im Augenhlick des Austritts aus einem Kreis; die mittlere Austrittszeit
In Kap. I wurden diejenigen Mengen charakterisiert, die bei der Irrfahrt auf dem Punktgitter HI mit Wahrscheinlichkeit 1 erreicht werden. Da das Erreichen der Menge A den Austritt aus der kom­ plementaren Menge HI- A bedeutet, haben wir zugleich unter­ sucht, aus welch en Mengen das Teilchen irgendwann mit Wahr­ scheinlichkeit 1 austritt. Es ist naheliegend, die analoge Frage beim Wienerschen Proze13 zu stellen. Sei G ein beliebiges Gebiet und r der Augenblick des ersten Austritts der Trajektorie x(t) aus diesem Gebiet. Wir werden uns nicht nur fur die Wahrscheinlichkeit des Austritts, Px{r< oo}, XEG, sondern auch fUr den Erwartungswert Mx r und die Verteilung der Lage x(r) des Teilchens zum Zeit­ punkt r interessieren (Abb. 4).
Abb.4
Es liegt nahe, zunachst die analogen Probleme fUr die Irrfahrt auf dem Punktgitter zu betrachten; da der Proze13 im stetigen Fall jedoch eine gro13ere Symmetrie besitzt, nehmen die Losungen hier eine einfachere analytische Form an. Wie wir sehen werden, fUhren die gestellten Probleme auf Randwertprobleme fUr die Laplacesche Differentialgleichung Ll u = 0 und die Poissonsche Differential­ gleichung Ll u = - 2. Es wird moglich, einerseits analytische Hilfs­ mittel beim Studium der Eigenschaften einer zufalligen Bewegung zu benutzen und andererseits wahrscheinlichkeitstheoretische Me­ thoden zur Losung analytischer Probleme zu verwenden.
1m folgenden werden wir den Wienerschen ProzeB in der Ebene betrachten. Alle Resultate lassen sich leicht auf einen Raum belie­ biger Dimension ubertragen*.
Zuerst studieren wir den Augenblick r des ersten Austritts aus einem Kreis K mit dem Radius r unter der Annahme. daB das Teilchen seine Bewegung im Mittelpunkt dieses Kreises beginnt.
* Besonders einfache Ausdrticke gewinnt man im eindimensionalen Fall (s. die Aufgaben am Ende dieses Kapitels).
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Da der Zuwaehs x(t) - x(O) nicht vom Anfangspunkt x(O) abhangt, spielt die Lage des Kreises in der Ebene keine Rolle; wir werden deshalb voraussetzen, daB dessen Mittelpunkt mit dem Koordina­ tenursprung zusammenfallt (Abb. 5).
Zunaehst iiberzeugen wir uns davon, daB das Teilchen mit Wahr­ scheinlichkeit 1 den Kreis K verliifJt. Bleibt die Trajektorie x(t) bis zur Zeit t=n im Innern von K, so sind die Betrage der Zuwaehse x(l)-x(O), x(2)-x(1), ... ,x(n)-x(n-l) ersichtlieh samtlich kleiner als 2r. Diese Zuwaehse sind unabhangig und besitzen aIle die gleiehe Normalverteilung. Deshalb folgt
(6) Po{r~n}:-::;; [P{lx(l)-x(O)1 < 2r}Y = IXn ,
wobei IX eeht kleiner als 1 ist. Dies bedeutet, daB Po {r = C1J} :-::;; IXn
fUr beliebiges n ist, so daB sieh Po {r = C1J} = 0 ergibt.
Abb.5
Wir bestimmen jetzt die Verteilung des Punktes x(r). Ersieht­ lieht liegt x(r) auf der Periptlerie C des Kreises K. Da die Diehte der Verteilung eines beliebigen Zuwaehses x(t) - x(s) nur von t - s und der Lange des Vektors x(t)-x(s) abhangt, andert sich die Verteilung der Trajektorie eines Wienersehen Prozesses nieht, falls die Ebene urn einen beliebigen Winkel urn den Nullpunkt gedreht wird. Demnaeh ist die Verteilung des zufalligen Punktes x(r) in­ variant gegeniiber allen Drehungen der Peripherie C. Die einzige Verteilung mit dieser Eigensehaft ist die Gleiehverteilung, bei der die Wahrseheinhehkeit, zu einem Kreisbogen r zu gelangen, pro­ portional zur Lange dieses Bogens ist. Somit ist x(r) auf der Peri­ pherie C gleichverteilt.
SchlieBlich zeigen wir, daB der M ittelwert Mo r der Zeit pro­ portional dem Quadrat des Radius des Kreises Kist. Dazu maehen wir von der folgenden Eigensehaft des Wienersehen Prozesses Ge­ braueh: Streekt man die Ebene R urn den Faktor r und die Zeit­ aehse urn den Faktor r2 (r > 0), so erhalt man aus dem Wiener-
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schen ProzeJ3 wieder einen Wienerschen ProzeJ3. Ersichtlich bleiben namlich bei einer solchen Transformation die Stetigkeit der Trajek­ torien und die Unabhangigkeit der Zuwachse erhalten; weiter andert sich offenbar auch nicht die Normalverteilung mit der Dichte (3).
o
Abb.6
Wir betrachten zwei Kreise, deren Mittelpunkte mit dem Koordinatenursprung zusammenfallen mogen: den Kreis Kr mit dem Radius r und den Kreis K1 mit dem Radius 1 (Abb.6). Wir lassen die Trajektorie x(t) des Wienerschen Prozesses im Null­ punkt beginnen und bezeichnen mit 'r bzw. 'I den Augenblick ihres ersten Austritts aus K, bzw. K 1 • Haben wir di(' Kurve x(t), so konstruieren wir die Trajektorie x(t) = r x(t'), t = r2 t', und bezeich­ nen mit i, den Augenblick des ersten Austritts der Trajektorie x(t) aus dem Kreis K,. Es ist klar, daJ3 dann i, = r2 'I und demnach Moi,=r2MO'1 gilt. Andererseits erweist sich der ProzeJ3 x(t) auf Grund der im vorigen Absatz erwahnten Eigenschaft als Wiener­ scher ProzeJ3; folglich haben wir
(7)
worin c = Mo '1 eine gewisse Konstante darstellt. Allerdings wissen wir bis jetzt nicht, ob c endlich ist. Die End­
lichkeit der GroJ3e M O'1 erhlilt man leicht aus der Abschatzung (6). In der Tat, stellt F(t) die Verteilungsfunktion von, dar, so hat man
00 oon 00 n
M o' = J tdF(t) = L J tdF(t)::; L n J dF(t) o n=1 n-1 n=1 n-I
00 00
::; L nPo{,;:::n-l}::; L nrxn-I<oo. n=1 n=1
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Die gewonnenen Resultate gelten fur den Wienersehen ProzeB in einem Raum beliebiger Dimension l. Es sei angemerkt, daB bei beliebigem I in der Beziehung (7) der Exponent 2 (und nieht 11) auf­ tritt; die Konstante c hangt naturlieh von lab. Genauere Betraeh-
tungen zeigen, daB c = fist (vgl. die Aufgaben). Somit hat man
im zweidimensionalen Fall
(8)
Die Tatsaehe, daB die GroBe x(r) gleiehverteilt ist, hat im ein­ dimensionalen Fall zur Folge, daB das Teilchen, welches seine Be­ wegung im Mittelpunkt eines Intervalls beginnt, zu jedem der Endpunkte mit der Wahrseheinliehkeit i gelangt.
§ 3. Die Markoffsche uod die starke Markoffsche Eigeoschaft
Es wird jetzt eine allgemeine Eigensehaft eines Wienersehen Prozesses x(t), der in einem beliebigen Punkt x startet, benotigt. Wir bemerken zunaehst, daB die Summe eines zufalligen Vektors mit der Verteilung Jl und eines von ihm unabhangigen Wienersehen Prozesses, der im Nullpunkt beginnt, einen Wienersehen ProzeB mit der Anfangsverteilung Jl bildet. Andererseits erweist sieh die Differ