Südtirol

6

description

Italien, Wein, Südtirol, Vernatsch, Weißburgunder, Berg

Transcript of Südtirol

Page 1: Südtirol
Page 2: Südtirol

Sie sind von beeindruckender Schönheit, diese bleichen Felstürme des Rosengartens, die vor Jahrmillionen als Korallenriffs im tropischen Meer entstanden. Schon tags-über, wenn sich ihre gewaltigen Zacken in den tiefblauen Himmel recken, schlägt das Herz jedes Naturliebhabers höher. Aber wenn die Abendsonne sie in Flammen setzt, dann stockt einem angesichts der in magischem Rosarot leuchtenden Dolomitengipfel schier der Atem.

Nicht minder atemberaubend sind die markanten Felswände der Drei Zinnen im Hochpustertal, dem wild zerrissenen Bergmassiv des Langkofel mit seinen vielen Türmen oder die glitzernden Gletscher des mächtigen, fast 4.000 Meter in die Höhe ragenden Alpengipfels des Ortler – doch auch das sind nur die Highlights der spektakulären alpinen Szenerie mit über 300 steinernen Riesen, die Hö-hen über 3.000 Meter erreichen. Sie bilden mit den endlos weiten sattgrünen Almen, den kristallklaren Bergseen, den märchenhaften Wäldern aus dunkelgrünen Latschenkiefern und wildromantischen Schluchten ein überaus reizvolles Landschaftsmosaik. Es wird noch ergänzt durch die maleri-schen Täler, in deren mediterranem Klima Feigen, Palmen, Granatäpfel und Oleander gedeihen, die im Frühjahr von den weißen Blüten der großen Apfelplantagen überzogen sind und deren Rebgärten an den Flanken der Berge nach oben klettern.

Der Fülle an Naturschönheiten, aber auch dem medi-terran geprägten Klima verdankt es Südtirol, dass es sich schon früh zu einem beliebten Urlaubsziel entwickelte. Schon gleich nachdem die österreichische Kaiserin Sissi 1870 ihre Ferien im Meraner Raum verbrachte, war Som-merfrische in Südtirol beim Adel und der besseren Ge-sellschaft angesagt. Jahrzehnte später lockte der legendäre Bergsteiger und Schriftsteller Luis Trenker mit seinen un-zähligen Heimatfilmen und -romanen in sein Heimatland.

alpine bergkulissen und palmen, traditionsbewusstsein und mediterrane leichtigkeit, alpenbarock und avantgardistische architektur, folklore und moderner style − südtirol ist wahrlich mehr als einen blick wert. und auch mehr als einen schluck! denn jenseits des brenners versetzen engagierte winzer quasi berge, um so anspruchsvolle wie süffige weine zu produzieren.

Der Berg ruft

südtirol

Die Wirtshaus-Institution Vögele ist mit wunder-schönen alpinen Antiquitäten ausgestattet.

Aber da rollten schon die Pkw-Karawanen des deutschen Wirtschaftwunders gen Süden. Und nicht wenige, die sich mit ihrem Käfer über den Brenner- oder den Reschenpass gequält hatten, blieben gleich im Norden Italiens hängen. Die Sonne schien, die Naturschönheiten begeisterten – und man sprach Deutsch! Wozu weiter in den Süden düsen?

Den Südtirolern war es recht. Schließlich lebten sie weitgehend von der Landwirtschaft – und das auf kleinstem Raum. Auch wenn Südtirol mit rund 7.400 Quadratkilome-tern – etwa der dreifachen Fläche von Luxemburg – zu den größten Provinzen Italiens gehört: Mal gerade drei Prozent sind bewohnbar, und nur ein Drittel der Fläche kann – teils nur mühsam – landwirtschaftlich genutzt werden. Der Rest: Fels und Wälder. Also stieg so mancher Südtiroler Bauer einfach um, vermietete Gästezimmer, verwandelte sein Domizil hoch in den Bergen in eine Pension, wurde zum

Seite 72 − 73: Das atemberaubende Massiv der Langkofelgruppe in den Grödner Dolomiten gehört zu den Highlights der Südtiroler Gebirgswelt.

Seite 74: Der gläserne Kubus des Museion bereichert seit 2008 das Stadtbild Bozens.

75

Page 3: Südtirol

Kellner oder Gastronomen. Und spätestens mit der Fertig-stellung der Brenner-Autobahn vor rund 35 Jahren wurde der Tourismus zum bedeutendsten Wirtschaftsfaktor, wobei die Deutschen rund die Hälfte der jährlich fünf Millionen Touristen ausmachen. Der Fremdenverkehr, gepaart mit landwirtschaftlichen Erfolgsprodukten wie den selbst in China beliebten Äpfeln, brachten den 500.000 Einwohnern Südtirols Wohlstand – ein Status, den es zu halten gilt.

Tradition und Trend

Es ist noch gar nicht lange her, da verband man mit Südtirol jene traditionsverhaftete und idealisierte heile Bergwelt, die Luis Trenker einst beschrieb – vom Edelweiß über knorrige Bergbauern mit Trachtenhut bis hin zu Speckbrettl und Kalterer Wein. Eben genau das, was über Jahrzehnte die Generation 50 plus ins Land holte, für deren Kinder Südtirol aber zu verstaubt war. Die Zeiten sind vorbei! Südtirol hat sich vom Ferienziel mit Alpenbarock und Folklore in eine Urlaubsdestination verwandelt, die Tradition und Trend auf höchst attraktive Art und Weise verbindet. Nun zieht es auch die Trendsportler nach Südti-rol. In St. Vigil bei Bruneck hangeln sich Adrenalinjunkies an Drahtseilen über Hänge und Schluchten von Baum zu

Baum. Auf der Ahrn wagen die Rafter den wilden Ritt über Stromschnellen den Fluss hinunter. Von den Drei Zinnen springen mutige Basejumper in die Tiefe, am Reschensee trifft sich die internationale Snowkite-Elite, und am Ritten düsen die Downhillbiker über Stock und Stein.

Ganz offensichtlich hat man im erzkonservativen Südti-rol Gefallen daran gefunden, das verstaubte Image abzule-gen. Überall verknüpft man Vertrautes mit frischen Ideen. Der Name Luis Trenker steht heute für ein Lifestyle-Label, unter dem man Mode-Kollektionen für die betuchte Brettl-Community verkauft. Hotels mit Almhüttencharme locken mit Infinity-Pools, auf den Bilderbuchbalkonen mit Herz-schnitzereien steht Lounge-Mobiliar, in Wellness-Oasen setzt man auf die heilenden Kräfte der Natur – von Peelings mit Vinschgauer Marmor über das Ultner Schafwollbad bis hin zu Treatments aus heimischen Produkten wie Kastani-en oder Bergsalz. Hinter so mancher geschichtsträchtigen Hotel fassade verbirgt sich ein ultramoderner Kern. Heimi-sches Lärchenholz in organischen Formen prägt so manche avantgardistische Neubauten, von denen einige der weltbe-rühmte Bozener Designer und Stararchitekt Matteo Thun entwarf. Unter anderem gab er der Meraner Therme ihr eindrucksvolles zeitgenössisches Gesicht aus Glas und Stahl.

Apropos Meran! Die Kurstadt aus Sissis Zeiten lockt mit einem charmanten Mix aus Palmen und Gletscher,

Berge, Wald und Weinreben rahmen das kleine Dorf Oberplanitzing an der Gemeindegrenze von Kaltern zu Eppan ein.

76

Page 4: Südtirol

Tradition und Moderne. Hier uralte Laubengänge, herr-liche Parks und Prachtbauten aus der Belle Epoque, dort großstädtischer Chic, moderne Kunst, zeitgeistige Fassaden und trendige Shoppingadressen. In der Landeshauptstadt Bozen ist man ebenfalls auf der Höhe der Zeit angekom-men, ohne die traditionellen Wurzeln zu vernachlässigen. Die mittel alterliche Altstadt, deren enge Gassen von uralten Laubenhäusern mit prachtvoll bemalten Fassaden und schmucken Erkern gesäumt werden, hat bei aller Gediegen-heit spritziges italienisches Flair. In den gotischen Arkaden der Bozener Lauben locken die Südtiroler Designer mit stylischer, alpin inspirierter Mode. Nicht weit entfernt vom historischen Bau des Südtiroler Archäologiemuseums, in dem jährlich mehr als 250.000 Besucher die gut gekühlte Mumie Ötzi bewundern, finden Liebhaber zeitgenössischer Kunst den avantgardistischen Glaskubus des Modern Art Museums Museion. Und die Bozener Nächte können inzwischen auch so richtig lang sein.

Klasse statt Masse

Mit demselben Elan, mit dem die Südtiroler ihr touris-tisches Profil der Neuzeit anpassten, ging man auch als Weinland den Weg von der Massenproduktion in Richtung

Qualität. Südtirol zählt zu den kleinen Weinregionen Europas, nur knapp ein Prozent der Weine Italiens stammt aus Südtirol. Der Weinbau vollzieht sich weitgehend in den Tälern von Etsch und Eisack, die sich bei Bozen treffen. Die Weingärten – in der Regel kleine Parzellen – ziehen sich von den Talsohlen über deren hügelige Ränder auf Terrassen die steilen Bergflanken empor.

Im Wesentlichen wächst der Wein auf Höhen von 200 bis zu 900 Metern. In den nach Süden hin geöff-neten Tälern herrscht ein warmes mediterranes Klima, denn die Lage südlich des Alpenhauptkamms schützt das Anbaugebiet vor kalten Nordwinden. Es gibt aber starke Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht wie auch zwischen den Jahreszeiten, was ein schönes Gleichgewicht von Fruchtigkeit und Säure in den Trauben begünstigt. Rein geologisch gedeihen die Reben auf von Lehm durch-mischtem roten Porphyr, Urgesteinsböden, Dolomitgestein oder sandhaltigem Mergel. Dies alles lässt eine imposante Vielfalt an Rebsorten zu.

Freilich verarbeiten nur rund 100 der insgesamt 5.000 Südtiroler Weinbauern ihre Trauben selbst zu Wein. Die anderen verkaufen sie an eine der 40 Privatkellereien und die 16 Kellereigenossenschaften. Ein Grund dafür ist, dass die meisten Weingartenbesitzer aufgrund der gebir-gigen Lage nur einige relativ kleine Parzellen besitzen,

Gemeinsam innehalten − das können diese jungen Südtiroler Traubenlieferanten am besten bei einem Glas Wein.

südtirol 77

Page 5: Südtirol

die darüber hinaus auch noch verstreut liegen. Es lohnt sich einfach nicht, in eine eigene Kellerei zu investieren. Dafür ist der Ertrag zu gering, und die Wege sind zu weit. Insofern gründeten sich schon früh große Genossenschaf-ten, die heute durch Traubenpreise, die deutlich höher sind als beispielweise im Süden Italiens, den Weinbauern ihr Grundeinkommen sicherten und noch sichern, das durch Nebentätigkeiten wie den Apfelanbau ergänzt wird.

So weit, so gut. Freilich bestand noch in den achtziger Jahren das Gros des Angebots aus eher belanglosen Durch-schnittsweinen, von denen der größte Teil in die Schweiz ging oder von den Touristen gegen den Durst getrunken wurde. Durch diese Ausrichtung auf Masse statt Klasse wurde der Durst auf Südtiroler Weine freilich immer kleiner, denn die Kundschaft wurde anspruchsvoller, was dann auch zu einem grundlegenden Richtungswechsel führte. Auch in der Weinproduktion setzte man fortan – wie später im Touris-mus – auf eine Kombination von Innovation und Tradition.

Tradition, indem man den regionalen Rebsorten wie Vernatsch oder Gewürztraminer durch mehr Ausdruck

und Charakter zu neuem Glanz verhalf. Innovation wiede-rum, indem international gefragte Sorten wie zum Beispiel Sauvignon Blanc oder Merlot mit ins Portfolio aufgenom-men wurden. Vom Anbau der Reben bis zur Verarbeitung im Keller wurde mit fortschrittlichen Methoden und mo-dernster Technik die Qualität der Weine konsequent vor-angetrieben. Inzwischen hat sich Südtirol zum Produzenten für rote und weiße Spitzenweine gemausert, die höchste Anerkennung finden und Weintrinkern jeglicher Couleur eine enorme Bandbreite bieten. Weine mit Charakter, die so individuell sind wie ihre Macher.

Zu verdanken ist dies den Winzerpersönlichkeiten, die schon vor über 30 Jahren in ihrem konservativen Umfeld neue Wege beschritten, dabei durch Rat und Tat Über-zeugungsarbeit leisteten. Dazu gehört Dr. Luis Raifer, der gerne als die Lokomotive des Südtiroler Weinbaus bezeich-net wird. Der ehemalige Leiter der Kellereigenossenschaft Schreckbichl, die heute von seinem Sohn Wolfgang geführt wird, setzte schon um 1970 die Weichen für eine rigorose Qualitätsweinerzeugung und machte Schreckbichl zu einer

Der Patscheiderhof auf dem Ritten, dem Bozener Hausberg, ist berühmt für Knödelspezialitäten wie Speckknödel-Suppe.

Page 6: Südtirol

der besten und innovativsten Kellereien Italiens. Früh gesellte sich Hans Terzer dazu, der als junger Kellermeister von St. Michael-Eppan die Möglichkeiten für die Erzeu-gung hochwertiger Weine erkannte und umsetzte, womit er der Kellerei auch im Ausland zu Ruhm und Ehre verhalf. Alois Lageder ist der dritte Name, der für die Erneuerung der Südtiroler Weinwelt steht. Ein Idealist durch und durch, mit Respekt vor Traditionen, Kompetenz und Weitsicht, innovativen Ideen und dem Mut, diese auch umzusetzen.

Der Funke ist auf die meisten der Weinproduzenten Südtirols übergesprungen. Man arbeitet allerorten mit Enga-gement und Ehrgeiz im Namen der Qualität, was sich nicht zuletzt darin ausdrückt, dass man auch das Erscheinungs-bild der Kellereien und Weingüter mit pfiffigen und / oder innovativen Ideen der neuen Philosophie anpasste. Nun be-reichern aufregende, teils provokante Kellereineubauten das Landschaftsbild, und so mancher Verkaufsraum toppt das Ambiente der Vinotheken in den Trendmetropolen Italiens.

Der Innovationsschub machte auch vor den Küchen des Landes nicht halt. Man serviert zwar weiterhin die

althergebrachten deftigen Spezialitäten des Landes wie die typische Brotzeit mit Südtiroler Speck, Käse aus Bergbauernmilch und Schüttelbrot, die Speckknödel, Schweinsrippen und Schlutzkrapfen. Man verwöhnt aber auch mit italienischen Raffinessen und kreativster Küche, die heimische Zutaten mit innovativen Zubereitungsme-thoden paart. Da wird dann ein heimischer Rehrücken in Birkenlaub pochiert oder Risotto mit Latschenkieferpesto angerührt, knuspriges Spanferkel trifft auf Kaviar und Apfelstrudel auf Vanille-Espuma.

Man genießt auch weiterhin in urgemütlichen Stuben wie der des schon kultigen, fast 500 Jahre alten Patscheider-hofs hoch oben im Gebirge bei Bozen oder des Wirtshauses Vögele, seit Jahrhunderten eine Institution in Bozen. Man schlemmt aber auch in trendigen Szenelokalen oder Ster-nerestaurants, deren Dichte in keiner anderen italienischen Provinz so groß ist wie in Südtirol. Womit das landschaft-lich so reizvolle Genussland jenseits des Brenners in jeder Beziehung in der Moderne angekommen ist. ari

südtirol

a l t o a d i g es ü d t i r o l

MeranoMeran

TerlanoTerlan

BolzanoBozen

Appiano / Eppan

Caldaro / Kaltern

Tramin / Termeno

BressanoneBrixen

TrentoTrient

Rovereto

t r e n t i n o

v e n e t i e n

l o m b a r d e i

ö s t e r r e i c h

s c h w e i z

Lago di CaldaroKalterer See

Lago di Garda

Anbaugebiete

Südtirol:

1 Südtirol Eisacktaler

2 St. Magdalener

3 Kalterer See

Weißburgunder − in ganz Südtirol

Trentino:

4 Teroldego

5 Trentino

Valadige − in ganz Südtirol und Trentino

1

2

3

5

5

5

4

Adige / Etsch

EisackA22

10 20 30 40 50 km

5 10 15 20 25 mi

79