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Leseprobe Gehlen, Dirk von Mashup Lob der Kopie © Suhrkamp Verlag edition suhrkamp 2621 978-3-518-12621-9 Suhrkamp Verlag

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Leseprobe

Gehlen, Dirk von

Mashup

Lob der Kopie

© Suhrkamp Verlag

edition suhrkamp 2621

978-3-518-12621-9

Suhrkamp Verlag

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Es ist nicht nur kinderleicht, es ist vor allem nahezu unumg�nglich: Ko-pieren ist im digitalen Raum zu einer allt�glichen Handlung geworden.Doch so selbstverst�ndlich wir kopieren, so unklar bleibt der Bezugs-und Bewertungsrahmen f�r diese T�tigkeit, die Dirk von Gehlen in Mash-up als grundlegende Kulturtechnik lobt. Ohne die kreative Kraft derKopie entsteht keine Kultur – nicht nur die modernen Verschmelzungenunterschiedlicher Werke zu einem neuen (Mashups, vom Englischen tomash) belegen dies. Die F�lle der abschreibenden Hoffnungstr�ger zuGuttenberg und Hegemann und die best�ndige Auseinandersetzung umFilesharing und Tauschbçrsen verdeutlichen aber auch, wie notwendig ei-ne Debatte �ber gutes Kopieren und betr�gerisches Abschreiben sowie�ber den rechtlichen Rahmen f�r die sich verfl�ssigende Unterscheidungzwischen Original und Kopie ist. Mit dieser Streitschrift bringt Dirk vonGehlen Ordnung in die begriffliche Verwirrung und zeigt, wie notwendigdie Kopie f�r unsere Kultur ist – online wie offline.

Dirk von Gehlen, geboren 1975, ist Chefredakteur von jetzt.de, dem jun-gen Magazin der S�ddeutschen Zeitung. Der Diplom-Journalist bloggt un-ter digitale-notizen.de.

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Dirk von GehlenMashup

Lob der Kopie

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edition suhrkamp 2621Erste Auflage 2011� Suhrkamp Verlag Berlin 2011OriginalausgabeAlle Rechte vorbehalten, insbesondere das der �bersetzung,des çffentlichen Vortrags sowie der �bertragung durch Rundfunkund Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,vervielf�ltigt oder verbreitet werden.Satz: H�mmer GmbH, Waldb�ttelbrunnDruck: Druckhaus Nomos, SinzheimUmschlag gestaltet nach einem Konzeptvon Willy Fleckhaus: Rolf StaudtPrinted in GermanyISBN 978-3-518-12621-9

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»Was da ist, das ist mein! h�tte er sagen sollen, und ob iches aus dem Leben oder aus dem Buche genommen, dasist gleich viel, es kam bloß darauf an, daß ich es recht ge-brauchte! Walter Scott brauchte eine Szene meines Egmontsund er hatte ein Recht dazu, und weil es mit Verstandgeschah, so ist er zu loben.«Johann Wolfgang von Goethe

»Nothing is original.«Jim Jarmusch

»Wir wollen eine M�cke tçten und verspr�hen DDT – mitKonsequenzen f�r die freie Kultur, die sehr viel verheeren-der sind als der Verlust dieser M�cke.«Lawrence Lessig

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Inhalt

I Vom Zauber der kreativen Kopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

II Die Krise des Originals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18»Wir sollten den Riesen auch einen Namen geben.«Debora Weber-Wulff �ber Plagiate und produk-tives Kopieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29»Die Kultur des Teilens ist in unserer DNAenthalten.« Urs Gasser �ber das Kopieren unddie Generation der digital natives . . . . . . . . . . . . . . 54

III Ein Wald aus lauter Kopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61»Musik wird frei wie Luft zum Atmen.« DavidDewaele von Soulwax �ber Kopien in der Musik . . 80»Kopieren ist eine politische Willens�ußerung.«Gerfried Stocker �ber das Grundrecht aufsKopieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86»Das Medikamenten-Mashup bietet großeVorteile.« Oliver Moldenhauer �ber die Bedeutungvon Generika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

IV Das Gesetz der vagabundierenden Kopie . . . . . . . . . . 101»Ich lebe in einer Remix-Kultur. Aber dasUrheberrecht verbietet das Remixen.« MarkusBeckedahl �ber das Konzept von CreativeCommons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

V Der kopierende Verbraucher: Umweltschutzdes Informationszeitalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129»Der Mythos vom Original brçckelt.« Ana�sHostettler �ber Versionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

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VI Pl�doyer f�r einen neuen Begriff des Originals . . . . . . 165

VII Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

VIII Die Mashup-Compilation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

IX Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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I Vom Zauber der kreativen Kopie

»Imitationen von dirVerb�nden sich mit mir.«Tocotronic, »Imitationen«

Der Ruhm des Lionel Andr�s Messi beruht auf seinem außer-gewçhnlichen Kçnnen im Umgang mit dem Fußball. In denJahren 2009 und 2010 wurde der Argentinier in Diensten desFC Barcelona zum Weltfußballer des Jahres gew�hlt. Dochzu den ganz Großen z�hlt der 1,69 Meter kleine Messi, den sei-ne Fans »La Pulga« (der Floh) rufen, seit er im Fr�hling 2007einen Beitrag zu einem der wichtigsten Themen des 21. Jahr-hunderts geleistet hat, der Diskussion um das sogenannte geis-tige Eigentum. Messi tat damals einmal mehr,wof�r seine Fansihn lieben: Er erzielte ein Tor, ein außergewçhnliches, eines,dessen Eigentumsrechte,w�ren diese vom Weltfußballverbandbereits geregelt, vermutlich ein anderer geltend machen w�rde.Messi hat – zumindest indirekt – die Frage aufgeworfen, wiegeistige Leistungen bzw. immaterielle G�ter (wie ein Tor) ge-messen und bewertet werden kçnnen. Und diese Fragen – soprophezeit Mark Getty, Sohn des �l-Milliard�rs Paul Gettyund Gr�nder der Bildagentur Getty Images – werden im digi-talen 21. Jahrhundert so bedeutend sein wie es die Verteilungdes Rohstoffs �l im 20. Jahrhundert war.Den Feuilletonisten und hauptberuflichen Nachdenkern warall dies zun�chst entgangen. Doch die fast 100 000 Zuschauer,die am 18. April 2007 in das Stadion Camp Nou in Barcelonagekommen waren, um ihre Mannschaft im spanischen Pokal-halbfinale gegen den FC Getafe zu sehen, bemerkten es sofort:In der 29. Spielminute erlebten sie eine Vorf�hrung, die sp�terals historisch bezeichnet werden sollte. Der damals 19-j�hrige

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Messi erzielte den Treffer zum 2:0 f�r Barcelona (Endstand:5:2). Das ist das reine Ergebnis, in Wahrheit ist dieses Tor aberviel mehr, es ist eine Demonstration der Schçnheit der Kopie:Der Spieler mit der R�ckennummer 10 f�hrt den Ball fast sech-zig Meter �ber den Platz,umkurvt dabei elegant und in hohemTempo zwei angreifende Gegenspieler und dringt schließlichvon der rechten Angriffsseite in den Strafraum des FC Getafeein. Dort umspielt er zwei weitere Verteidiger sowie Torh�terLuis Garca und schiebt den Ball aus spitzem Winkel mit sei-nem rechten Fuß ins leere Tor.Dieser Spielzug hatte sich bereits zuvor ins kollektive Ge-d�chtnis der Fußballfans in aller Welt eingegraben. Im Som-mer 1986 erzielte in Mexiko ein anderer Argentinier mit derR�ckennummer 10 auf nahezu identische Art und Weise einenTreffer im WM-Viertelfinale gegen England. Es war ebenfallsein 2:0 und wurde anschließend zum »Tor des Jahrhunderts«gew�hlt. Aus der Perspektive der Haupttrib�ne spielte Argen-tinien von rechts nach links, so wie Barcelona gegen Getafe.England verlor den Ball im Mittelfeld, so wie Getafe den Ballin der H�lfte des FC Barcelona an Messi verlor. In beiden F�l-len wurde der Spielzug �ber die rechte Angriffsseite vorgetra-gen, es wurden insgesamt vier Verteidiger ausgespielt und derTreffer aus spitzem Winkel ins leere Tor erzielt. Der Spielzugaus dem Sommer 1986 gleicht jenem aus dem Fr�hjahr 2007 bisins Detail. Argentinien besiegte England im Viertelfinale undwurde sp�ter gegen Deutschland Weltmeister – angef�hrt vomSpielmacher und Torsch�tzenmit der R�ckennummer 10: Die-go Armando Maradona.Nach seinem Abschied aus dem aktiven Fußball Mitte derneunziger Jahre begann f�r den heute 50-J�hrigen, der bei derWM 2010mitgeringemErfolgdieargentinischeNationalmann-schaft trainierte und danach seinen Posten verlor, ein wechsel-voller Lebensabschnitt. Im Fernsehen wurde der �bergewich-tige Fußballrentner h�ufiger in Entzugskliniken als auf demFußballplatz gezeigt – bis zu jenem 18. April 2007. An diesem

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Tag, Maradona befand sich gerade in Buenos Aires in station�-rer Behandlung, rief ein junger Spieler des FC Barcelona derWelt in Erinnerung, was f�r ein großartiger Fußballer DiegoArmando Maradona gewesen war. Und dem jungen Spieler ge-lang dies mithilfe einer vermeintlichminderwertigen T�tigkeit.Lionel Messi kopierte. Damit nicht genug: Messi imitierte denbekanntesten argentinischen Fußballer des 20. Jahrhunderts ineinem seiner ber�hmtesten Werke: Maradona hatte ein schein-bar einzigartiges Jahrhunderttor erzielt. Kçnnte man diesenSuperlativ steigern, Messi h�tte die grammatikalische Unmçg-lichkeit verdient: Er konnte das Einzigartige wiederholen.Anschließend gibt er sich bescheiden und widmet das Tor dembettl�gerigen Maradona. »Ich will nur, dass er wieder auf dieBeine kommt. Ganz Argentinien braucht ihn«, l�sst Messi wis-sen. Und wie reagiert der Kopierte? Er erkl�rt Messi zu seinemlegitimen Nachfolger. »Ich habe einen Erben«, wird der Welt-meister von 1986 zitiert.Man kann den Zauber dieses Moments aus dem Camp Nou inzahlreichen Filmen im Internet per Knopfdruck nacherleben,er ist dort langfristig (in Kopie) archiviert.1 Es dauert nur we-nige Augenblicke, bis die spanischen Reporter den Namen»Maradona« rufen. Messi hat bei seinem Jubellauf nicht maldie Eckfahne erreicht, da haben die Berichterstatter bereitsden historischen Kontext hergestellt, in dem dieser Treffer zubewerten ist. Doch Messi wird nicht als Plagiator gescholten,die spanischen Reporter (und nicht nur die) feiern »La Pulga«als großen Helden des Weltfußballs. Das liegt zun�chst nat�r-lich daran, dass Messi eine sportliche Leistung vollbracht hat,die herausragt. Doch durch die Referenz, die in seinem Sturm-lauf liegt, bekommt das Tor eine zweite Ebene: Die Szene gehtum die Welt, Fußballfans schneiden den Ablauf von Marado-nas Jahrhunderttor zusammen mit Messis Sturmlauf, spani-

1 Eine solche Videocollage ist z. B. unter dem Titel »Messidona« online ver-f�gbar unter: Ywww.youtube.com/watch?v=RFRhtWwn9T8y (Stand M�rz2011).

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sche Zeitungen adeln den Offensivspieler mit den Wortneu-schçpfungen »Messi-as« (Sport), »Messidona« (Marca) und»Diego Armando Messi« (El Peri�dico).Diese Neologismen sind Beispiele f�r sogenannte Mashups.Dieser Begriff, der auf das englische to mash (deutsch: vermi-schen) zur�ckgeht, beschreibt, wie durch die (Re-)Kombina-tion von Bestehendem Neues geschaffen wird, etwa aus denNamen Messi und Maradona der Titel »Messidona«.2 Mankennt Mashups in der Musik, in der Malerei, in der Literaturund vor allem auch im Internet. Und dank Lionel Messi undDiego Maradona kennt man sie jetzt auch im Fußball. All die-se Ph�nomene stehen f�r eine grundlegende Kulturtechnik,die durch die technischen Mçglichkeiten der Digitalisierungeinerseits an Verbreitung und andererseits an Bedeutung ge-wonnen hat. Sie stehen f�r die Kopie! Deshalb beginne ichdieses Buch mit einem Besuch im Fußballstadion – wohl wis-send, dass es bei Messis Pokaltreffer gegen Getafe zun�chst umeine rein kçrperliche Leistung geht, die ihren sportlichen Wertaus dem Tempo, der Ballf�hrung und dem erfolgreichen Ab-schluss gewinnt. Doch die Tatsache, dass dieses eine Toraus dem Fr�hjahr 2007 aus der großen Anzahl herausragenderMessi-Treffer heraussticht, liegt an der Referenz an Maradona,an der f�r ein Fußballstadion ungewçhnlichen Kopie. Kopienbegegnen uns allerdings h�ufig an Orten, an denen wir sie zu-n�chst nicht erwarten, sie sind notwendiger und pr�senter, alsihr schlechtes Image vermuten l�sst, sie sind eine Grundlage

2 Peter Burghardt wies in der S�ddeutschen Zeitung (12. Juni 2010) in sei-nem Artikel »Zwei Kinder mit Ball« darauf hin, dass schon bei MaradonasTor im Azteken-Stadion in Mexiko Stadt ein Mashup aus den Worten »Die-go« und »Goal« geschaffen wurde. Der Radioreporter Victor Hugo Moraleskommentierte den Spielzug damals mit den Worten: »Genie, Genie. Ich willheulen! Heiliger Gott, es lebe der Fußball! Maradona im besten Spielzug allerZeiten. Himmelsdrachen, von welchem Planeten kommst du, dass du so vieleEngl�nder auf der Strecke l�sst? Diegol, Diegol (›Gol‹ bedeutet auf Spanisch›Tor‹, d. Red.), Diego Armando Maradona. Danke Gott, f�r den Fußball, f�rMaradona, f�r die Tr�nen, f�r dieses Argentinien zwei, England null!«

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der Kreativit�t, und ja, sie sind �berlebensnotwendig f�r un-sere Kultur.Dabei entspricht das Bild, das Nachahmer in der çffentlichenWahrnehmung genießen, keineswegs dem Stellenwert dieserKulturleistung. Die Adjektive, die der Kopie gewçhnlich bei-gef�gt werden, stammenaus demabwertendenund geringsch�t-zenden Spektrum: Kopien gelten als »billig« oder »plump« undverblassen vor dem hohen Wert, der einem Original beigemes-sen wird. Auf den Punkt brachte der Bçrsenverein des deut-schen Buchhandels dieses negative Image im Fr�hjahr 2007in seiner Kampagne »Kopieren ist keine Kunst«, mit der ervor Piraterie warnenwollte. Vor dem Hintergrund der massen-haften Vervielf�ltigung durch die »Kopiermaschine Internet«,3

als die der Wired-Mitgr�nder Kevin Kelly das World WideWeb einmal bezeichnet hat, wird das Kopieren zudem mittelssogenannten Digital Rights Managements technisch blockiertund in Kampagnen wie »Raubkopierer sind Verbrecher« kri-minalisiert. Weil dar�ber der schçpferische Wert des Kopie-rens aus dem Blick ger�t, habe ich dieses Buch begonnen. Esversammelt Beobachtungen und Notizen, die ich in den ver-gangenen Jahren gemacht habe, und stellt diese – auch mittelseiniger Interviews – in einen neuen Kontext. Damit mçchteich keineswegs Urheberrechtsverletzungen rechtfertigen, mirgeht es vielmehr darum, einen Schritt aus der oftmals hekti-schen und ideologisch aufgeladenen Aktualit�t zur�ckzutre-ten, um einzuordnen, welchen Wandel die Digitalisierungangestoßen hat und welchen Stellenwert das Kopieren als kul-turelle Errungenschaft darin einnimmt.Als Redaktionsleiter von jetzt.de, dem jungen Magazin derS�ddeutschen Zeitung, war ich fr�h mit neuen Formen der di-gitalen Kopie und ihren Folgen konfrontiert. »Darf man Mu-sik aus dem Netz laden und f�r seine Freunde kopieren?«, ist

3 Kevin Kelly, »Besser als kostenlos (›Better than free‹)«, online aufDeutsch verf�gbar unter: Yhttp://bewegliche-lettern.de/2009/08/kevin-kelly-besser-als-kostenlos-better-than-free y (Stand M�rz 2011).

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zu einer zentralen Frage in der Lebenswelt nicht nur jungerMenschen geworden. Die digitale Kopie fordert auch beste-hende Vertriebswege f�r kulturelle Produkte heraus, sie stellt,wie Gerfried Stocker (der Leiter des Linzer KulturfestivalsArs Electronica) im Gespr�ch in diesem Buch erkl�rt, die bis-herigen Gesch�ftsmodelle auf den Kopf. Denn die kulturellePraxis des digitalen Kopierens ist f�r viele (nicht nur junge)Menschen l�ngst Alltag geworden. So selbstverst�ndlich wiedie Generation zuvor Songs aus dem Radio aufnahm und aufMixtapes kopierte, wird heute aus dem Internet geladen, ge-brannt und neu zusammengestellt.4 Doch anders als die soge-nannten Kassettenjungs und Kassettenm�dchen der neunzigerJahrekçnnen die jungen Kopierer des neuen Jahrtausends nichtmit einer musealen Verkl�rung ihrer Mischkultur rechnen.Dabei tun sie kaum etwas anderes als die Generationenzuvor – allerdings mit einer besseren technischen Ausstat-tung.5 Die Frage, wie man diese Alltagspraxis bewerten soll,spaltet die Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen diejenigen,die das Herunterladen und Kopieren von Musik aus dem Netzverdammen; auf deranderen Seite – nicht selten im Kinderzim-mer der gleichen Wohnungen und H�user – befinden sich die-jenigen, die es ganz selbstverst�ndlich tagt�glich tun. WelcheFolgen dieser digitale Graben, den das Internet gerissen hat,f�r die Bewertung der Kopie aber auch f�r die Gesellschaft ins-gesamt haben kann, untersuchte der Schweizer Jurist Urs Gas-ser unter anderem in seinem Buch Generation Internet.6 Im

4 Laut einer Bitkom-Jugendstudie, die im Januar 2011 verçffentlicht wurde,w�nscht sich jeder zweite Jugendliche (49 Prozent), »dass das kostenlose Ko-pieren und Herunterladen von Musik und Filmen aus dem Internet grund-s�tzlich erlaubt sein soll«. Online verf�gbar unter: Ywww.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Studie_ Jugend_2.0.pdfy (Stand Februar 2011).5 Das literarische Standardwerk zum Thema Mixtapes ist nach wie vorNick Hornbys High Fidelity, M�nchen: Droemer Knaur 1999 [englische Ori-ginalausgabe: 1995].6 John Palfrey/Urs Gasser, Generation Internet. Die Digital Natives. Wiesie leben – Was sie denken – Wie sie arbeiten, M�nchen: Hanser 2008 [2008].

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Gespr�ch im vorliegenden Band erkl�rt er, wie man ihn wie-der schließen kann. Denn die digitalisierte Musik steht nuram Anfang einer Entwicklung, die von der digitalen Kopie alszentraler Innovation angestoßen wurde.7 Die digitale Kopieals Vervielf�ltigungsform verwischt die Grenze zwischen Vor-lage und Nachahmung, Original und Kopie sind nicht mehr zuunterscheiden. Dateien, Songs und auch Filme kçnnen ohneQualit�tsverlust dupliziert und verbreitet werden – wenn sieeinmal, das ist die zweite entscheidende Innovation, von ihremanalogen Datentr�ger (Vinyl, Papier, Film) gelçst und digita-lisiert worden sind. Die digitale Kopie und die Befreiung derInformation vom Datentr�ger bilden die beiden grundlegen-den Herausforderungen des Zeitalters, das als ra der Digita-lisierung beschrieben wird – auch f�r das Urheberrecht. Mirgeht es nicht darum, dem Bruch des Urheberrechts das Wortzu reden. Ich bin allerdings mittlerweile davon �berzeugt,dass man diese Herausforderungen nur wird meistern kçnnen,wenn man sie annimmt und positiv zu gestalten versucht, an-statt sie zu bek�mpfen. Deshalb mçchte ich die Perspektive aufdie digitale Kopie und ihre Folgen ausweiten: �ber die be-stehende Strategie der technischen und juristischen Erschwe-rung und Verhinderung des Kopierens hinaus will ich einer-seits die Chancen des technologischen Fortschritts aufzeigenund vor allem die Gefahren benennen, die die bisherige Krimi-nalisierungsstrategie mit sich bringt. Wer die Kopie einseitigverdammt, greift damit die Grundlagenunserer Kulturan. Dar-�ber hinaus, so die Kritik des Kunsthistorikers Wolfgang Ull-rich in seiner lesenswerten Hommage an die Reproduktions-kultur, f�hre die »sch�dliche Fixierung des Kunstinteresses

7 Die Mçglichkeiten des 3D-Drucks, dem Zukunftsforscher den baldi-gen Durchbruch prognostizieren, �bertragen all die Themen, die im Folgen-den f�r den digitalen Raum besprochen werden, in die analoge Welt. Verglei-che dazu: Dirk von Gehlen, »Fleißige Bienen in 3D«, in: S�ddeutsche Zeitung(19. November 2010).

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auf Originale«8 zu einer k�nstlerischen Verengung des Blicks:»Es w�re schon viel erreicht«, schreibt Ullrich in Raffinier-te Kunst, »wenn man im Original k�nftig nicht mehr nurdas Unmittelbare und Urspr�ngliche suchte, sondern darinzugleich das Anf�ngliche, noch Unfertige und Unvollkom-mene s�he.«9

Ich habe mich auf eine Spurensuche begeben, die aufzeigt, wound wie menschliches Leben und unsere Vorstellung von Kul-tur von der Kopie abh�ngen. Diese ist bedroht, wenn – zumBeispiel mittels politisch aufgeladener Begriffe – der Vorgangder Nachahmung, Imitation und Kopie und die damit verbun-dene Referenzkultur verdammt werden. Die Erfindung desBegriffs der »Raubkopie« steht dabei beispielhaft f�r die bis-herige repressive Praxis, mit der ich mich im Folgenden eben-falls auseinandersetzen werde. Dabei handelt es sich allerdingsnicht umeine juristische Kategorie, das Wort »Raubkopie« fin-det man in keinem Gesetz, und dennoch ist der »Raubkopie-rer« allgegenw�rtig. Eine massive Marketing- und Lobbymachthat daf�r gesorgt, dass das Wort sich im Alltag verbreitet hat,um gegen die digitale Kopie und ihre Folgen vorzugehen. DieKampagnentragen Titel wie »Nur Original ist legal« oder »Ko-pienbrauchen Originale«,und ihre Macher argumentieren ein-seitig gegen die Kopie. Die Gr�nde f�r dieses Vorgehenwirkennachvollziehbar, die Folgen, die man dabei billigend in Kaufnimmt, erscheinen mir hingegen als bisher vernachl�ssigte Be-drohung: Unter dem Vorwand, einen Teilbereich des Kopie-rens bek�mpfen zu wollen (die Tauschbçrsennutzung, die nuneinmal herkçmmliche Vertriebs- und Gesch�ftsmodelle ge-f�hrdet), wird die Zukunft der freien Kultur infrage gestellt.Der Jurist James Boyle hat dieses Problem in seinem BuchThe Public Domain aufgegriffen. Dort spricht er von der Not-wendigkeit, nach dem Vorbild der �kologiebewegung der sieb-

8 Wolfgang Ullrich, Raffinierte Kunst: �bung vor Reproduktionen, Berlin:Wagenbach 2009, S.143.9 Ebd., S.17.

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ziger und achtziger Jahre eine Art digitalen Umweltschutz(»environmentalism for information«)10 zu entwerfen, der sichf�r den Erhalt der Umwelt und damit auch f�r die kreativenPotenziale der Kopie einsetzen soll.In diesem Sinne verstehe ich das Lob der Kopie auch als Streit-schrift f�r einen digitalen Umweltschutz. Denn �hnlich wieim Umgang mit den endlichen Ressourcen der Natur geht esauch bei der Debatte um die Kopie am Ende um die Frage, wel-che gesellschaftliche Zukunft uns vorschwebt und was wir da-f�r tun wollen. Diese Herausforderung bei allen berechtigtenwirtschaftlichen Interessen nicht aus dem Blick zu verlieren,ist ein Anliegen dieses Buches. Im Mittelpunkt steht dabei eineSpurensuche, mit deren Hilfe ich nachzuvollziehen versuche,welche Sch�den die freie Kultur bereits nimmt (und noch neh-men wird), wenn die Kopie mit unverh�ltnism�ßigen Mittelnbek�mpft wird. Erg�nzt werden diese �berlegungen durch sie-ben Expertengespr�che, die zwischen die einzelnen Kapitel ge-schaltet sind und die neue Perspektiven auf das Thema werfensollen. Im umfangreichen Glossar am Ende des Bandes erl�u-tere ich wichtige Fachbegriffe.

10 James Boyle, The Public Domain. Enclosing the Commons of the Mind,Yale University Press: New Haven 2008. Das Buch ist online verf�gbar unter:Yhttp://yupnet.org/boyle/y (Stand M�rz 2011).

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II Die Krise des Originals

»Man spricht immer von Originalit�t, allein was will dassagen! So wie wir geboren werden, f�ngt die Welt an, auf unszu wirken, und das geht so fort bis ans Ende. Wenn ichsagen kçnnte, was ich alles großen Vorg�ngern und Mitleben-den schuldig geworden bin, so bliebe nicht viel �brig.«Johann Wolfgang von Goethe

Kann man das machen: eine �bel beleumundete T�tigkeit wiedas Kopieren loben, als existenziell f�r unsere Kultur darstel-len und gleichzeitig ein ganzes Kapitel lang eine Definition desBegriffs schuldig bleiben? Da Sie noch weiterlesen, nehme ichan: man kann. Mir geht es hier keineswegs um die ebenfalls alsKopie beschriebene T�tigkeit der bewussten T�uschung, desBetrugs, des durch Karl-Theodor zu Guttenberg medial sehrpr�senten Plagiats, der F�lschung oder gar der L�ge,1 mir gehtes um einen klar definierten Vorgang. Ich habe dessen Defini-tion jedoch bewusst so lange offengelassen, weil es mir auchdarum geht, unsere Wahrnehmung in Bezug auf das zu hinter-fragen,was wirals Original (und damit gut) und als Kopie (unddamit minderwertig) ansehen.An der auf das lateinische copia2 (»Vorrat« oder »�berfluss«)

1 Christian Gastgeber schreibt dazu in seinem Buch Kopie und F�lschung:»Von der F�lschung unterscheidet sich die Kopie durch die Intention des Aus-f�hrenden. Mit der Kopie ist eine Abbildung des Originals intendiert, diejedoch nicht als Original verstanden werden will, sondern eben als bewusstesDuplikat, das sich mehr oder weniger an das Original h�lt.« Vgl. ChristianGastgeber, Kopie und F�lschung. �berblick �ber die F�lschungen von der An-tike bis zur Gegenwart, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 2001,S. 43.2 Peter Hawel definiert den Begriff wie folgt: »Kopie, mlat. copiare – ab-schreiben; Vervielf�ltigung, Nachbildung oder Wiederholung eines Kunst-werkes bei gleicher Grçße und gleichem Material durch andere K�nstler oderWerkst�tten«, vgl. Peter Hawel, Lexikon zur Kunst und Geschichte abendl�n-

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zur�ckgehenden Kopie muss man in diesem Zusammenhangzwei Aspekte unterscheiden: Zum einen das reine Vervielf�lti-gen, ein Bereich, der angesichts der Digitalisierung vor grund-legenden Ver�nderungen steht und in dem Umbr�che notwen-dig seinwerden. Mit den Schwierigkeiten (und auch K�mpfen),die dieser Aspekt des Kopierensmit sichbringt,befasse ichmichuntenab Kapitel IV,beginnenmçchte ich jedochmit dem zwei-ten Aspekt der Kopie, den ich als kreative Referenzkultur be-schreibe. Dabei handelt es sich um eine Technik der Bezugnah-me, des Zitats und der Adaption, die schon immer Grundlageunseres Kulturverst�ndnisses war, die jedoch – ebenso wie dieVervielf�ltigung – durch die Digitalisierung einem Ver�nde-rungsprozess unterworfen ist, der ihre Bedeutung noch ver-st�rkt. In beiden F�llen r�ckt die Kopie in den Mittelpunkt,weil sie einfach von sehr viel mehr Menschen genutzt werdenkann. Einerseits im Sinne der Vervielf�ltigung durch beispiels-weise das Duplizieren einer Datei, andererseits aberauch durchdie vereinfachten Formen der Bezugnahme. Wo Inhalte digitalvorliegen, kçnnen sie leichter adaptiert, parodiert und geremixtwerden als zu rein analogen Zeiten.3

Dabei ist die von mir als lobenswert beschriebene Kopie durchdrei grundlegende Kriterien definiert, die man anhand des»kopierten« Jahrhunderttors Lionel Messis beispielhaft veran-schaulichen kann: Zum einen hat Messi bei seinem Treffer seinBezugssystem nicht verschwiegen oder gar den Ursprung zuverschleiern versucht. Diesen Punkt kann man vor dem Hin-tergrund der Debatte um Karl-Theodor zu Guttenbergs Pro-motion, die im Fr�hjahr 2011 die Republik ersch�tterte, gar

discher Kultur, Hawel-Verlag: M�nchen 2005, S.398. Das Wçrterbuch Designvon Michael Erlhoff und Tim Marshall spezifiziert: »Im heutigen Gebrauchist eine Kopie allerdings nicht mehr als Anh�ufung von Dingen zu verstehen,vielmehr als Vervielf�ltigung eines Ursprungsobjekts.« Vgl. Michael Erlhoff/Tim Marshall (Hg.),Wçrterbuch Design, Basel: Birkh�user 2007, S. 246.3 Auf diese Form der Referenzkultur werde ich unten (Seite 48) unter demStichwort der YouTube-Karaoke anhand des Beispiels des Numa-Numa-Guys noch ausf�hrlich eingehen.

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nicht �berbetonen: Es geht darum, die Quellen offenzulegen.Denn genau darin unterscheidet sich die oben beschriebeneKopie des Lionel Messi von dem vom ertappten Verteidigungs-minister sp�ter als »Blçdsinn« bezeichneten Vorgang. Zu Gut-tenberg war nachgewiesen worden, weite Teile seiner Promo-tion abgeschrieben zuhaben – ohne Angabe seiner Quellen. BeiMessi lag der Fall anders: Seine Ankn�pfung an MaradonasJahrhunderttreffer war so offensichtlich, dass Messi nach demSpiel seine Quellen nicht offenlegen und Maradona nicht alsInspiration nennen musste – das war allen Zuschauern l�ngstklar. Messi hat den bekanntesten argentinischen Fußballerdes 20. Jahrhunderts kopiert und keinen unbekannten Spieler.Sein Treffer ist insofern wie die Parodie auf einen Politiker zulesen – man versteht sie nur, weil man die Vorlage kennt. W�redie Vorlage unbekannt, w�rde die Parodie nicht gelingen, dieReferenz scheitert und wird dann zu Recht als Plagiat gelesen.In einem Artikel �ber Mashups in der Musik habe ich diesenbedeutsamen Unterschied auch in Bezug auf die Popularit�tder Vorlage im Fr�hjahr 2010 wie folgt zusammengefasst:

»Mit dem Mashup verh�lt es sich also ein wenig wie mit der Iro-nie. In beiden F�llen m�ssen vor der Verçffentlichung bezie-hungsweise der ußerung die Grundlagen gekl�rt sein. Es ist un-glaubw�rdig, erst lauthals eine Behauptung aufzustellen und beiWiderspruch zu behaupten, alles ja nur ironisch gemeint zu ha-ben. Genauso liegt der Fall bei der kreativen Adaption. Wer nichtvor der Kopie seinen Referenzrahmen benennt, wird es im An-schluss schwer haben, als glaubw�rdig zu gelten.«4

Diese Glaubw�rdigkeit will ich zum ersten Kriterium f�r jeneForm der Kopie machen, von der das Lob der Kopie handelt.Zweitens hat Messi sein Zitat – als solches will ich den Trefferhier verstehen – in eine neue Form gegossen: Sein Treffer fiel ineine andere Zeit, in einem anderen Stadion, gegen eine andere

4 Dirk von Gehlen, »Das Genie in der Krise«, in: S�ddeutsche Zeitung(24. Februar 2010).

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