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VERBRECHER VERLAG

HANNAH PILARCZYK (HRSG.)

ICH HATTE DIE ZEIT MEINES LEBENSÜber den Film »Dirty Dancing« und seine Bedeutung

Mit Illustrationen von Oliver Grajewski

Auch 25 Jahre nach seinem Erscheinen erzielt »Dirty Dancing«im Fernsehen Rekordquoten, feiert als Musical Erfolge undwird in zahllosen Serien und Filmen zitiert. Als vermeintlicher»Frauen film« abgetan, hat er jedoch weder in der Filmkritiknoch in den Film- oder Kulturwissenschaften eine angemesseneWürdigung erfahren.Dieser Sammelband untersucht jetzt erstmals die Bedingungendes zeitlosen Erfolgs des Films, geht den jüdischen Spuren undschwarzen Moves nach, verortet Babys Geschichte im Com-ing-Of-Age-Genre und unterzieht ihn einer feministisch-kri-tischen Würdigung. Er zeigt den besonderen Blick der 80er-Jahre auf den Sommer 1963 und würdigt dabei natürlich auchden unvergesslichen Soundtrack.

Inhalt

7 Vorwort

Hannah Pilarczyk13 Die Geschichte von Baby und Johnny

Wie »Dirty Dancing« wurde, was es ist

Birgit Glombitza43 Die Frau, die schwebt

Nach 25 Jahren: ein zweiter Blick auf »Dirty Dancing«

David Kleingers59 Back to the Present

Projektionen von Vergangenheit in »Dirty Dancing« undanderen US-amerikanischen Coming-of-Age-Filmen

Caspar Battegay83 »I look at you and I fantasize«

Blicke, Körper und jüdische Identität in »Dirty Dancing«

Astrid Kusser101 Ausgerechnet Wassermelonen

Farbenblindheit in »Dirty Dancing«

Kirsten Rießelmann123 Wie aus »Little Darlings« »Mean Girls« wurden

»Dirty Dancing« und der weibliche Coming-of-Age-Film

Christoph Twickel147 Die Globalisierung des Mambonick

»Dirty Dancing« und die jüdischen Roots der Salsa

Erste AuflageVerbrecher Verlag Berlin 2012www.verbrecherei.de

© Verbrecher Verlag 2012Einbandentwurf: Sarah LamparterLektorat: Kristina WengorzSatz: Christian Walter

ISBN: 978-3-943167-13-9

Printed in Germany

Der Verlag dankt Rebecca Hürter, Elisabeth Göskeund Annemarie Leipe

Vorwort

»Nobody puts Baby in a corner.«* Mit diesem Satz beginntdie berühmte Schlussszene von »Dirty Dancing«. TänzerJohnny Castle (Patrick Swayze) tritt damit vor den Tisch, andem seine Tanzpartnerin und Geliebte Baby (Jennifer Grey)mit ihren Eltern sitzt, und zieht sie fort ins Rampenlicht, wosie unter dem Jubel aller den Abschlusstanz der Sommersaison1963 in Kellermans Ferienresort tanzen.

25 Jahre später – in deren Verlauf der Film an den interna-tionalen Kinokassen das 35-Fache seines ursprünglichen Bud-gets einspielen wird, sich der Soundtrack mit über 42 Millio-nen verkauften Exemplaren zu einem der erfolgreichstenAlben aller Zeiten entwickeln wird, es eine kurzlebige TV-Se-rienadaption geben wird, die Fortsetzung »Dirty Dancing –Havana Nights« in die Kinos kommen und eine Musical-Adaption Erfolge feiern wird – ist trotzdem genau das einge-treten, was Johnny verhindern wollte: Baby is in a corner.

Obwohl von Millionen von Fans geliebt, haben Kritikerin-nen und Kritiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerdie Geschichte von Baby und Johnny weitgehend ignoriert.»Dirty Dancing« taucht nicht in den entscheidenden »BesteFilme aller Zeiten«-Listen auf, und außer Fan-Büchern gibt

* In der deutschen Synchronfassung ist daraus »Mein Baby gehört zumir« geworden, was Johnnys Ehrerweisung gegenüber Baby zu einerErklärung von Besitzansprüchen umdeutet. Da die deutsche Fassungreich an solchen grob verzerrenden Übersetzungen ist, wird im Buchausschließlich aus dem englischsprachigen Original zitiert.

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Jan Kedves161 Ah, shake it up, shake it (work, work)

Zu Kontext und Bedeutung des »Dirty Dancing«-Soundtracks

Christine Kirchhoff175 Tanz den Ödipus

Was lädt an »Dirty Dancing« dazu ein, sich den Film immer wieder anzusehen? – Einpsychoanalytischer Erklärungsversuch

189 Autorinnen und Autoren

es keine Monografien, die sich dieses außergewöhnlichen Welt-erfolgs annehmen. Der Film wurde weder als politisches Werkbreiter diskutiert, noch machten sich Kritikerinnen und Kriti-ker die Mühe, seine filmischen Mittel einer genaueren Analysezu unterziehen. Als ein Film, der eine klassische Coming-of-Age-Geschichte mit einer weibliche Hauptfigur neu erzählt,der Bezug auf die Abtreibungsdebatte nimmt, der tief in denculture war der 1980er verstrickt ist und gleichzeitig in einerReihe mit prominenten Hollywood-Filmen steht, die dasErbe der 1960er-Jahre verhandeln – in diesen Perspektiven ist»Dirty Dancing« schlicht verkannt worden. Noch immerherrscht die freundliche Herablassung vor, mit der schon derKritiker der Süddeutschen Zeitung 1987 über den Filmschrieb: »›Dirty Dancing‹ ist irgendwie lebensnah, behandeltwirkliche Probleme und stellt die richtigen Fragen: Warummüssen sich kleine, hübsche Mädchen immer in ihren Skileh-rer verlieben?«*

Das vorliegende Buch will die Ignoranz gegenüber »DirtyDancing« beenden. Es legt den jüdischen Hintergrund der Ge-schichte offen und kritisiert die sublimierte Präsenz von Afro-Amerikanern. Es prüft, inwieweit Baby als feministisches Rol-lenmodell taugt, und zeigt auf, wie sich von »Dirty Dancing«aus die Entwicklungslinien der globalen Tanzkultur bis in dieGegenwart verfolgen lassen.

Der Name des Sammelbands ist dem Namen des Titelsongs»(I’ve Had) The Time of My Life« entlehnt, aber nicht bloßesZitat. Vielmehr ist Zeit ein zentraler Begriff für die hier ver-

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sammelten Texte. Manche deuten »Dirty Dancing« als Anfangvon bestimmten filmischen und politischen Entwicklungen,manche als Endpunkt. Andere setzen den Inhalt des Films inBezug zu Konzeptionalisierungen von Zeit, etwa wenn sieseine Strategien zur Inszenierung der Vergangenheit analysie-ren, oder wenn sie den Film dem Coming-of-Age- statt demLiebes- oder Tanzfilm-Genre zuordnen. Und nicht zuletztfragt der abschließende Text des Bands danach, was seine Zu-schauerinnen und Zuschauer dazu bringt, sich den Film im-mer wieder anzusehen.

Der erste Text fungiert als Grundlage für die folgenden Ar-tikel, da er Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Filmsnachzeichnet. Darüber hinaus stehen die Texte für sich, zumTeil überschneiden sie sich in ihren Analysen und Urteilen,zum Teil widersprechen sie sich. Zu den besonderen Eigen-schaften des Films gehört nämlich, dass er vielschichtiger, wi-dersprüchlicher und ambivalenter ist, als es ein allzu flüchtigerBlick nahelegt. »Dirty Dancing« lohnt den zweiten, den ge-naueren Blick. Was es dabei zu entdecken gibt, steht in diesemBuch.

Zwischen die Texte sind Illustrationen des Berliner ZeichnersOliver Grajewski gestreut, die er für dieses Buch angefertigthat. Sie zeigen, auf welche Weise andere Filme und Fernsehse-rien in den Jahren seit der Veröffentlichung von »Dirty Danc-ing« immer wieder Bezug auf ihn genommen haben. Im Ge-gensatz zu Texten und Büchern hat der Film in den visuellenMedien nämlich ein riesiges Echo erfahren.

Hannah Pilarczyk

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* Michael Althen: »Mambo, zwo, drei, vier. ›Dirty Dancing‹ fürs Ge-müt«, in: Süddeutsche Zeitung, 23.11.1987.

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»Crazy, Stupid, Love« (USA, Kino, 2011)

Hannah (Emma Stone): Tell me your big move!Jacob (Ryan Gosling): I work “Dirty Dancing” into the con-versation. (…)Hannah: Why “Dirty Dancing”? What do we do? Do wewatch it?Jacob: You know the big move at the end of “Dirty Dancing”,where Patrick Swayze picks up Jennifer Grey?Hannah: Yeah.Jacob: I can do that.Hannah: Okay.Jacob: So I tell girls I can do the move. I put on the song “Timeof your Life”, I do the big move and they always wanna havesex with me.