Summer 2015 Arbeitsrecht - Eversheds Sutherland · 3. Mindestlohn und Entgeltfortzahlung 4....

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Arbeitsrecht Newsletter Read all about it Employment law update 3/2015 Summer 2015

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Arbeitsrecht Newsletter

Read all about it Employment law update

3/2015

Summer 2015

Themen

Rechtsprechung/Urteile

1. Kündigung wegen „Pensionsberechtigung“

2. Tatkündigung wegen Raubkopien

3. Kettenbefristung bei Vertretung wegen Kinderbetreuung

4. Leistungsbonus auf Mindestlohn anrechenbar

5. Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit6. Arbeitsverhältnis mit Entleiher trotz

Überlassungserlaubnis?

In Kürze

1. BAG kippt „Spätehenklausel“

2. Entschädigung bei wiederholter Kündigung einer Schwangeren

3. Mindestlohn und Entgeltfortzahlung4. Massenentlassung: Geschäftsführer

zählt als Arbeitnehmer

Aus dem Bundestag

1. Neue Mindestlohnverordnung

2. Reform des kirchlichen Arbeitsrechts

Aus der Praxis

1. Steuerberater dürfen Einhaltung des Mindeslohns bescheinigen

Aktuelles

Veranstaltungen

Liebe Mandanten, liebe Geschäftsfreunde,

Kündigung, Befristung, Urlaub und Diskriminierung – dank klagefreudiger Arbeitnehmer beschäftigten sich die Arbeitsgerichte in den letzten Monaten verstärkt mit den „Klassikern“ des Individualarbeitsrechts. Die praktischen Folgen der wichtigsten Urteile haben wir in diesem Newsletter für Sie zusammengefasst.

Auch zum allgegenwärtigen Mindestlohn erging erneut ein praxisrelevantes Urteil: Das Arbeitsgericht Düsseldorf beschäftigte sich mit der Anrechenbarkeit von Leistungsboni. Auch die Gesetzgebung stand in diesem Bereich nicht still: Zum 1. August 2015 wurden die Dokumentationspflichten hinsichtlich des Mindestlohns erneut gelockert.

Eine in diesem Zusammenhang beachtenswerte Pressemitteilung stellt Dr. Manuela Rauch in der Rubrik „Aus der Praxis“ vor: Steuerberater dürfen künftig die Einhaltung des Mindestlohns bescheinigen und können so das Haftungsrisiko von Auftraggebern reduzieren.

Wir würden uns außerdem freuen, Sie im Rahmen eines unserer zahlreichen Workshops in unserem neuen Münchener Büro begrüßen zu dürfen. Die Termine finden Sie am Ende dieses Newsletters.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht

Ihr Arbeitsrechts-Team

Rechtsprechung/Urteile

Die Entscheidung

Einer Arzthelferin wurde anlässlich einer Umstrukturierung gekündigt. Ihre vier jüngeren Kolleginnen behielten den Arbeitsplatz. Im Kündigungsschreiben erwähnte die Arbeitgeberin, die 63-jährige sei ja „inzwischen pensionsberechtigt“. Dies deutete die Arbeitnehmerin als Altersdiskriminierung. Sie erhob Kündigungsschutzklage und verlangte Entschädigung nach dem AGG. Die Arbeitgeberin entgegnete, man habe die betrieblich notwendige Kündigung lediglich freundlich formulieren wollen, die Rentenberechtigung sei nicht der Kündigungsgrund gewesen.

Das Sächsische LAG nahm zwar eine Benachteiligung der Klägerin wegen Alters an, hielt diese jedoch für gerechtfertigt und daher die Kündigung für wirksam. Anders das BAG: Es erklärte die Kündigung für unwirksam und verwies die Sache zur Entscheidung über die Höhe des Entschädigungsanspruchs an das LAG zurück.

Folgen für die Praxis

Unbedachte Formulierungen im Kündigungsschreiben können vor Gericht schwerwiegende Folgen haben, denn eine diskriminierende Kündigung ist sowohl unwirksam als auch entschädigungspflichtig. Dies kann auch Arbeitgeber in Kleinbetrieben treffen: Zwar findet das KSchG hier keine Anwendung, das AGG und das in ihm verankerte Diskriminierungsverbot gelten jedoch in vollem Umfang.

Arbeitgeber sollten Hinweise auf die Rentenberechtigung in der Kündigung daher vermeiden, denn dies kann bereits ein Indiz für Altersdiskriminierung darstellen. Dem Arbeitgeber ist es dann nur noch schwer möglich das Gegenteil zu beweisen und die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist nur in Ausnahmefällen gegeben. Eine Rechtfertigung hat das BAG hier (anders als die Vorinstanzen) auch nicht in der Erwägung gesehen, dass die Kündigung die Klägerin infolge ihres Anspruchs auf Altersrente weniger hart trifft als ihre Kolleginnen. Für eine genauere Begründung dieser Ansicht bleibt die Veröffentlichung des vollständigen Urteils abzuwarten.

Urteil 1: BAG-Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14Kündigung wegen „Pensionsberechtigung“1

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Die Entscheidung

Bei dem IT-Verantwortlichen des Oberlandesgerichts Naumburg wurden mehr als 34.000 (!) illegal heruntergeladene Dateien gefunden, zudem waren mit seinem Dienst-PC über 1.100 DVDs bearbeitet worden. Etwa gleich viele DVD-Rohlinge waren auf Kosten des Gerichts bestellt worden und seitdem aus dem Bestand verschwunden. Der Arbeitnehmer gab zu, alles „gemacht“ zu haben, er habe für andere Mitarbeiter „natürlich auch kopiert“. Dieses Geständnis nahm er einige Tage später wieder zurück. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.

Die Vorinstanzen gaben der erhobenen Kündigungsschutzklage statt, denn es bestand der Verdacht, dass Kollegen an den Raubkopien beteiligt waren. Der konkrete Tatbeitrag des IT-Verantwortlichen sei damit nicht hinreichend ermittelt worden. Anders das BAG: Eine Tatkündigung wegen schwerer Pflichtverletzung ist auch dann möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht alle Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit Kollegen zusammengewirkt oder das Raubkopieren durch Kollegen bewusst ermöglicht hat.

Folgen für die Praxis

Lässt sich der Tatvorwurf beweisen, kann der Arbeitgeber eine Tatkündigung aussprechen. Ihn treffen dann – anders als bei der Verdachtskündigung – keine weiteren Nachforschungs- und Anhörungspflichten. Insofern ist das Urteil arbeitgeberfreundlich; Tatkündigungen sind bei schweren Pflichtverletzungen auch dann möglich, wenn sich die genauen Beiträge der „Mittäter“ nicht eindeutig feststellen lassen.

Aber Vorsicht: Die schwere Pflichtverletzung an sich muss dem Arbeitnehmer weiterhin nachgewiesen werden. Ob dies im Fall gelingt muss nun das LAG entscheiden, an das die Sache zurückverwiesen wurde. Pikant: Dem IT-ler war es wohl „erlaubt“, sich während der Arbeitszeit um private PC-Probleme der Mitarbeiter (einschließlich der Richterschaft!) zu kümmern. Insofern war der Gekündigte möglicherweise nicht der Einzige, dem bezüglich der privaten Nutzung von Dienstmitteln in der Arbeitszeit das Unrechtsbewusstsein fehlte.

Arbeitgebern ist zu empfehlen, bei unsicherer Beweislage alle Informationsquellen auszuschöpfen und den Arbeitnehmer offiziell anzuhören, um dann zusammen mit der Tatkündigung hilfsweise eine Verdachtskündigung aussprechen zu können.

Urteil 2: BAG vom 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 Tatkündigung wegen Raubkopien2

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Die Entscheidung

Ein Arbeitnehmer war über 15 Jahre aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen tätig. Er vertrat eine Küchenleiterin, die aufgrund dreier Geburten, schwangerschaftsbedingter Erkrankungen, Mutterschutz und Elternzeit ausfiel. Die Laufzeit der Verträge entsprach dabei jeweils dem vom Arbeitgeber prognostizierten Arbeitsausfall. Die letzte Befristung wurde für einen Zeitraum vereinbart, für den die Küchenleiterin tariflichen Sonderurlaub für die Betreuung ihrer drei Kinder beantragt hatte.

Der Arbeitnehmer erhob Befristungskontrollklage, unterlag damit aber in allen Instanzen: Die letzte Befristung war durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und die Kettenbefristung ausnahmsweise auch nicht rechtsmissbräuchlich, so das BAG.

Folgen für die Praxis

Trotz Vorliegen eines Sachgrundes kann eine Befristung unwirksam sein, wenn sie aufgrund der Gesamtlänge des Arbeitsverhältnisses, der Anzahl der Verträge und der Umstände des Einzelfalls rechtsmissbräuchlich ist. Erst 2013 hat das BAG einen Rechtsmissbrauch bei 11 Jahren Gesamtlaufzeit und 13 Zeitverträgen als indiziert angesehen; damals konnte der Arbeitgeber den Verdacht nicht entkräften.

Zwar sprachen auch hier die Laufzeit von 15 Jahren und die zehn Zeitverträge für einen Missbrauch. Jedoch konnten die Umstände des Einzelfalls diese Annahme ausnahmsweise widerlegen, denn gerade zur Betreuung von Kindern können lange Ausfallzeiten entstehen, die einen ebenso langen wie vorübergehenden Vertretungsbedarf auslösen. Die Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge war daher zur Deckung dieses Bedarfs notwendig und nicht rechtsmissbräuchlich, urteilte das BAG.

Urteil 3: BAG vom 29.04.2015 – 7 AZR 310/13Kettenbefristung bei Vertretung wegen Kinderbetreuung3

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Die Entscheidung

Der Arbeitsvertrag einer Arbeitnehmerin sah eine Grundvergütung von 8,10 €/Stunde sowie einen Leistungsbonus von 1 €/Stunde vor. Nachdem die Arbeitnehmerin eine Vertragsänderung ab 2015 (Erhöhung der Grundvergütung auf 8,50 € bei Absenkung des Leistungsbonus auf 0,60 €) abgelehnt hatte, teilte der Arbeitgeber ihr mit, dass er den Leistungsbonus zukünftig in Höhe von 0,40 € „fix“ auszahlen werde.

Danach zahlte er weiterhin einen Stundenlohn von 9,10 € aus (8,10 € Grundvergütung und 1 € Leistungsbonus).

Die Arbeitnehmerin erhob Lohnklage mit dem Argument, der Grundlohn müsse mindestlohnkonform 8,50 € betragen, der 1 €-Bonus käme hier noch „oben drauf“. Hiermit erlitt sie Schiffbruch: Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Düsseldorf ist ein Leistungsbonus auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Durch seine Zahlung hatte der Arbeitgeber den Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde damit nicht unterschritten.

Folgen für die Praxis

Zur Frage, welche Arbeitgeberleistungen neben dem Grundentgelt auf den Mindestlohn anzurechnen sind, werden – vereinfacht gesagt – zwei Meinungen vertreten:

1. Alle tatsächlich und unwiderruflich erbrachten Zahlungen des Arbeitgebers, die Gegenleistung für die Arbeitsleistung sind, können auf den Mindestlohn angerechnet werden.

2. Es können nur Zahlungen angerechnet werden, die Gegenleistung für die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers sind. Für jede Leistung muss im Einzelfall festgestellt werden, ob sie die „normale“ Tätigkeit des Arbeitnehmers vergütet oder aber „Überobligatorisches“.

Den Ansichten ist gemein, dass Zahlungen ohne Gegenleistungscharakter (z.B. vermögenswirksame Leistungen) ebenso wenig anrechenbar sind wie Leistungen, die nicht monatlich erfolgen (z.B. jährliches Weihnachtsgeld).

Anders ist es bei Leistungs- und Erschwerniszulagen: Nach der ersten Ansicht sind diese stets anrechenbar, nach der zweiten nur dann, wenn sich die „Sonderleistung“ oder „Erschwernis“ tatsächlich als ganz durchschnittliche Arbeitsleistung erweist bzw. die Zulage in Wahrheit unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung ausgezahlt wird.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf folgte hier der ersten Ansicht, ohne dass es im Ergebnis darauf ankam: Nachdem der Leistungsbonus in Höhe von 0,40 € „fix“ ausgezahlt wurde, wäre er auch nach der zweiten Ansicht zumindest insoweit anrechenbar gewesen. Das Arbeitsgericht Berlin folgte erst vor Kurzem (Urteil vom 04.03.2015, Az.: 54 Ca 14420/14) der zweiten Ansicht. Arbeitgeber sollten die Rechtsprechung daher weiterhin aufmerksam verfolgen, eine Entscheidung des BAG ist nur eine Frage der Zeit. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf ist bereits anhängig.

Urteil 4: Arbeitsgericht Düsseldorf vom 20.04.2015 – 5 Ca 1675/15Leistungsbonus auf Mindestlohn anrechenbar

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Die Entscheidung

Eine Ergotherapeutin wurde März 2010 schwanger und durfte ab Mai wegen eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nicht mehr arbeiten. Nach der Entbindung Dezember 2010 befand sich die Arbeitnehmerin von Februar 2011 bis Mai 2012 in Elternzeit. Mit dem Ende der Elternzeit endete auch das Arbeitsverhältnis. Kurz darauf verlangte die Arbeitnehmerin die Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. September 2012 erklärte der Arbeitgeber die Kürzung des Urlaubs wegen der Elternzeit.

Die Ergotherapeutin klagte auf Urlaubsabgeltung und erhielt Recht, auch was den auf die Elternzeit entfallenden Anteil der Urlaubsabgeltung anging: Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Urlaub wegen Elternzeit nämlich nicht mehr kürzen, urteilte das BAG.

Folgen für die Praxis

Während der Dauer der Elternzeit erwerben Arbeitnehmer Urlaubsansprüche, auch wenn sie nicht arbeiten. Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) kann der Arbeitgeber dies verhindern, indem er den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzt. Bisher konnte diese Kürzung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezüglich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung erklärt werden, denn Urlaub und Urlaubsabgeltung wurden als im Grunde identisch (als „Surrogat“) angesehen.

Nachdem das BAG die „Surrogatstheorie“ aber 2012 aufgegeben hat, ist es aus Sicht des Gerichts konsequent, nun auch eine Kürzungsmöglichkeit bezüglich des Abgeltungsanspruchs zu verneinen. Noch Ende 2014 hatte dies etwa das LAG Niedersachsen anders gesehen (Urteil vom 16.09.2014, Az.: 15 Sa 533/14). Arbeitgeber sollten sich darauf einstellen und die Kürzung des Urlaubs rechtzeitig erklären.

Urteil 5: BAG vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit5

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Die Entscheidung

Ein Ingenieur war nacheinander bei drei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Diese Drittfirmen hatten jeweils mit einem Hersteller von Omnibussen Werkverträge abgeschlossen, aufgrund derer der Ingenieur durchgehend bei dem Omnibushersteller arbeitete. Dabei war er voll in den Betrieb dieses Herstellers eingegliedert und unterlag dessen Weisungsrecht. Eine Arbeitnehmerüberlassung war aber weder vereinbart noch transparent gemacht worden.

Der Ingenieur verklagte den Omnibushersteller u.a. auf die Feststellung, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage mit dem Argument ab, die Drittfirmen hätten jeweils eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besessen. Das LAG Baden-Württemberg bestätigte diese Entscheidung.

Folgen für die Praxis

Beim Werkvertrag übt der Werkunternehmer (Drittfirma) das Weisungsrecht gegenüber seinem Arbeitnehmer aus. Ist der Arbeitnehmer aber in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und unterliegt dessen Weisungen, liegt ein „Scheinwerkvertrag“ und damit in Wahrheit eine Arbeitnehmerüberlassung vor. Hat dann die Drittfirma keine Überlassungserlaubnis, entsteht kraft Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher. Aber gilt das auch, wenn sich der Verleiher „vorsorglich“ eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besorgt hat?

Nein, meint die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg und führt damit seine letztjährige Rechtsprechung (Urteil vom 18.12.2014 – 3 Sa 33/14) konsequent fort. Als Begründung führt es an, die Drittfirma entziehe sich in diesem Fall ja gerade nicht der vom AÜG bezweckten „Seriositätskontrolle“. Außerdem bestünde kein Bedarf für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, der Arbeitnehmer müsse vertraglich und wirtschaftlich (nur) so gestellt werden, als wäre er offen als Zeitarbeitnehmer eingesetzt worden. Dieser Auffassung schloss sich die 6. Kammer desselben LAG kurz darauf an (Urteil vom 07.05.2015 – 6 Sa 78/14).

Die Gegenauffassung vertritt kurioserweise die 4. Kammer des Gerichts (Urteil vom 03.12.2014 – 4 Sa 41/14): Erst bewusst verschleiernd einen Werkvertrag abzuschließen und sich dann mit einer Überlassungserlaubnis im Rücken auf eine Arbeitnehmerüberlassung zu berufen, sei widersprüchlich. Die Rechtslage hinsichtlich der „Fallschirmlösung“ ist damit nach wie vor unklar, die angekündigte Gesetzesänderung hinsichtlich des AÜG bzw. eine Positionierung des BAG hierzu bleibt abzuwarten, die Revision gegen das Urteil wurde jedenfalls zugelassen.

Urteil 5: LAG Baden-Württemberg vom 09.04.2015 – 3 Sa 53/14 Arbeitsverhältnis mit Entleiher trotz Überlassungserlaubnis?

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Eine sog. Spätehenklausel, die als Voraussetzung für die Zahlung einer Witwen-/Witwerrente aus einer betrieblichen Altersversorgung festlegt, dass der Versorgungsberechtigte die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat, ist wegen Altersdiskriminierung unwirksam. Mit dieser Entscheidung ändert das BAG seine bisherige Rechtsprechung zugunsten versorgungsberechtigter Angehöriger.

BAG vom 04.08.2015 – 3 AZR 137/13 BAG kippt „Spätehenklausel“1

In Kürze

Wird einer schwangeren Frau wiederholt ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde gekündigt, kann dies einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung auslösen. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung von 1.500 Euro.

Arbeitsgericht Berlin vom 08.05.2015 – 28 Ca 18485/14Entschädigung bei wiederholter Kündigung einer Schwangeren

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Tarifliche Mindestlöhne nach dem AEntG sind auch bei Krankheit und als Urlaubsabgeltung zu zahlen. Der Anspruch ergibt sich dabei nicht aus dem Tarifvertrag selbst, sondern aus dem EFZG bzw. dem BUrlG. Ein Rückgriff auf eine vertraglich vereinbarte (niedrigere) Vergütung ist in diesen Fällen unzulässig. Die Entscheidung des BAG ist auf das neue Mindestlohngesetz übertragbar.

BAG vom 13.05.2015 – 10 AZR 191/14Mindestlohn und Entgeltfortzahlung3

Neben Praktikanten sind auch Geschäftsführer einer GmbH beim Schwellenwert für Massenentlassungen als Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie ähnlich wie Angestellte von einem regelmäßigen Gehalt abhängig sind, Weisungen der Gesellschafter befolgen müssen und keine Geschäftsanteile besitzen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof anlässlich eines deutschen Vorlagefalls.

EuGH vom 09.07.2015 – C-229/14Massenentlassung: Geschäftsführer zählt als Arbeitnehmer

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Für die Kirche gelten im Arbeitsrecht traditionell besondere Bestimmungen. Nach einem Ende April gefassten Mehrheitsbeschluss der katholischen Bischöfe greifen ab August aber neue Regelungen: Eine Scheidung und eine erneute Heirat etwa sind danach für Mitarbeiter in katholischen Krankenhäusern, Kindergärten oder Schulen nur noch in Ausnahmefällen ein Kündigungsgrund. Auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare ist nicht mehr automatisch ein Einstellungshindernis. Grundsätzlich bedeutet die Reform also eine Liberalisierung und eine Annäherung an das staatliche Arbeitsrecht.

Allerdings ist es jedem Bischof überlassen, ob er die Neuerung in seiner Diözese auch anwendet. Das neue Arbeitsrecht in der katholischen Kirche wird daher zum 1. August nicht bundesweit umgesetzt, sondern nur in 23 der 27 Diözesen: Die Bischöfe von Eichstätt, Regensburg und Passau übernehmen die Lockerungen vorerst nicht.

Reform des kirchlichen Arbeitsrechts2

Im Dezember letzten Jahres wurde die „Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung“ (MiLoDokV) erlassen. Hintergrund: Nach dem Mindestlohngesetz müssen Arbeitgeber bestimmter Branchen (z.B. des Baugewerbes) Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzeichnen. Diese Dokumentationspflicht entfällt nach der MiLoDokV hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer, die monatlich mehr als 2.958 € brutto verdienen.

Am 29.07.2015 wurde die MiLoDokV dahingehend ergänzt, dass diese Dokumentationspflicht auch dann entfällt,

• wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers mehr als 2.000 € brutto beträgt und

• dieses Monatsentgelt für die letzten vollen zwölf Monate nachweislich ausgezahlt wurde.

Zudem entfällt die Aufzeichnungspflicht bei der Beschäftigung von engen Familienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers). Unberührt bleibt aber die Pflicht, die Arbeitszeiten geringfügig Beschäftigter voll zu dokumentieren. Die geänderte MiLoDokV ist am 01.08.2015 in Kraft getreten.

Neue Mindestlohnverordnung1

Aus dem Bundestag

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Aus der Praxis

Die Vergabe von Werk- und Dienstleistun-gen fordert seit Inkrafttreten des Mindes-tlohngesetzes (MiLoG) die besondere Aufmerksamkeit des Auftraggebers, denn es besteht ein erhebliches Haftungsrisiko: Nach dem MiLoG haftet der Auftraggeber bei Einschaltung von Subunternehmern gegenüber den Arbeitnehmern des Subun-ternehmers auf Zahlung des Mindestlohns wie ein Bürge. Eine Kontrollmöglichkeit besteht grundsätzlich nur über vertragliche Regelungen; eine Unbedenklichkeitsbes-cheinigung wurde bisher abgelehnt.

Eine Pressemitteilung gibt nunmehr Anlass zur Hoffnung: Die Bundessteuerberaterkam-mer hat mit Schreiben vom 06.07.2015 bestätigt, dass Steuerberater Bescheinigun-gen über die Einhaltung des Mindestlohnge-setzes ausstellen dürfen. Die Erstellung der Bescheinigung stellt ihrer Ansicht nach eine zulässige Rechtsdienstleistung dar, da es sich um eine Nebenleistung zur Lohn- und Gehaltsbuchführung handelt.

Zudem sind führende Berufshaftpflichtver-sicherungen der Ansicht, dass die Erstellung einer solchen Bescheinigung durch den Steuerberater in der Standarddeckung der Berufshaftpflichtversicherung versichert ist. Steuerberater und ihre Mandanten sind damit im Fall eines Fehlers vor finanziellen Schäden geschützt. Das allerdings gilt nur soweit die beiden folgenden Voraussetzun-gen erfüllt sind:

• Die Feststellung, dass der Mindestlohn gezahlt bzw. die Vorschriften des MiLoG eingehalten wurden, wird nur vergan-genheitsbezogen aufgrund der erstell-ten Lohnbuchführung sowie der vorhandenen Unterlagen bzw. erteilten Auskünfte des Mandanten getroffen. Es darf keine in die Zukunft gerichtete Aussage getroffen werden, dass der Mindestlohn auch weiterhin tatsächlich gezahlt wird.

• Die Bescheinigung wird nur dem Mandanten des Steuerberaters erteilt und nicht (auch) an Dritte.

Auftraggeber können zukünftig also die Vorlage einer entsprechenden Bestätigung des Steuerberaters von ihren Subun-ternehmern verlangen. Diese Bestätigung wird zwar nur in die Vergangenheit gerichtet sein, denn kaum ein Steuerberater möchte Gefahr laufen, sich selbst haftbar zu machen. Lässt man sich allerdings in regelmäßigen Abständen eine entsprechende Bescheini-gung vorlegen, kann man das Haftungsrisiko – jedenfalls in zeitlicher Hinsicht – erheblich einschränken.

Steuerberater dürfen Einhaltung des Mindestlohns bescheinigen

Dr. Manuela Rauch CounselFachanwältin für Arbeitsrecht

Eversheds München

[email protected]

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Aktuelles

Veranstaltungskalender Eversheds Deutschland LLP

16.10.2015, 09:30 - 17:30 Uhr - München / Workshop

Krankheit im UnternehmenReferent: Dr. Dirk Monheim (Partner Eversheds Deutschland)

29.10.2015, 07:30 - 09:00 Uhr – München/Workshop

Arbeitsrecht vor 8 - Breakfast Seminar: Überblick über aktuelleUrteile und Themen im Arbeitsrecht

30.10.2015, 09:30 - 17:30 Uhr – München/Workshop

Kündigen - aber richtig!Referent: Dr. Dirk Monheim (Partner Eversheds Deutschland)

05.11.2015, 07:30 - 09:00 Uhr – Hamburg/Workshop

Arbeitsrecht vor 8 - Breakfast Seminar: Überblick über aktuelleUrteile und Themen im Arbeitsrecht

Das vollständige Veranstaltungsangebot entnehmen Sie bitte unserer Webseite eversheds.de/veranstaltungen

Eversheds ist eine der führenden Full Service-Kanzleien weltweit. In Deutschland beraten mehr als 90 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von den Standorten München, Hamburg und Berlin aus Mandanten in allen Fragen des Wirtschaftsrechts, einschließlich des öffentlichen Rechts. Weltweit verfügt Eversheds über 2.000 Anwältinnen und Anwälte in 28 Ländern und 55 Büros. Zu den Mandanten der Kanzlei zählen börsennotierte nationale und internationale Gesellschaften, Fortune 500 Unternehmen sowie mittelständische Firmen und vermögende Privatpersonen.

Diese Veröffentlichung hat den Stand 31.08.2015. Die darin enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und ohne vorherige Beratung im Einzelfall nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Insbesondere ersetzen sie keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen. © Eversheds Deutschland LLP

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