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38 GIESSEREI 99 10/2012 TECHNOLOGIE & TRENDS VON ANSGAR PITHAN, MESCHEDE, UND HUBERT KOCH, ESSEN D er Ehrgeiz, aus einem Motor mög- lichst viel Leistung herauszuholen, ist praktisch so alt wie der Verbren- nungsmotor selbst. Neue Herausforde- rungen sind hinzugekommen, die darauf abzielen, vor allem auch den Treibstoffver- brauch und den Schadstoffausstoß zu ver- ringern. Bei den Ottomotoren und beson- ders bei den Dieselmotoren konnten in den letzten Jahren enorme Erfolge verzeichnet werden. Alle Entwicklungen führen zu ho- hen Leistungsdichten, die zwangsläufig die verwendeten Materialien sehr stark bela- sten. Besonders betroffen sind Bauteile aus Aluminiumlegierungen, die hohen Tempe- raturen ausgesetzt sind. Dazu zählen Kol- ben, Zylinderköpfe, Kurbelgehäuse und auch diverse Anbauteile. Immer dünner werdende Wanddicken stellen dabei zu- sätzliche Merkmale besonders belasteter Gussteile dar. Der folgende Beitrag beschreibt den ak- tuellen Stand von Aluminium-Werkstoffen im Motorenbau. Im Besonderen wird über eine Untersuchung der Firmen Martinrea Honsel Germany GmbH, Meschede, und Trimet Aluminium AG, Essen, berichtet, die zum Ziel hat, die Wärmeleitfähigkeit von Bauteilen zu verbessern, die hohem thermischen und mechanischen Stress aus- gesetzt sind. Verhalten von Aluminiumlegie- rungen in höheren Temperatur- bereichen Insbesondere Zylinderköpfe für Dieselmo- toren erfahren ständig steigende Beanspru- chungen. Diese äußern sich vor allem in ho- hen Zünddrücken und Temperaturen. Die Entwicklung der spezifischen Leistung von Motoren ist in Bild 1 chronologisch darge- stellt. Aktuell sind spezifische Leistungen von über 80 kW/l bei einem Zünddruck von 200 bar in der Planung. Aus diesen Rand- bedingungen gilt es nun, Materialkennwer- te zu beschreiben, die aussagefähiger sind als z. B. die gewohnten Werte aus dem Zug- versuch bei Raumtemperatur. Außer auf- Modifikationen von Aluminium- legierungen für hohe thermische Beanspruchungen Die Zylinderköpfe von Dieselmotoren, aber auch in zunehmendem Maße von Ottomotoren, sind immer stärkeren Belastungen bei Temperaturen bis 250 °C ausgesetzt, was entsprechende Anpassungen der Materialeigenschaften der eingesetzten Aluminium-Gusslegierungen erfordert. FOTO: BOSCH AG

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TECHNOLOGIE & TRENDS

VON ANSGAR PITHAN, MESCHEDE, UND HUBERT KOCH, ESSEN

Der Ehrgeiz, aus einem Motor mög-lichst viel Leistung herauszuholen, ist praktisch so alt wie der Verbren-

nungsmotor selbst. Neue Herausforde-rungen sind hinzugekommen, die darauf abzielen, vor allem auch den Treibstoffver-brauch und den Schadstoffausstoß zu ver-ringern. Bei den Ottomotoren und beson-ders bei den Dieselmotoren konnten in den letzten Jahren enorme Erfolge verzeichnet werden. Alle Entwicklungen führen zu ho-hen Leistungsdichten, die zwangsläufig die verwendeten Materialien sehr stark bela-sten. Besonders betroffen sind Bauteile aus

Aluminiumlegierungen, die hohen Tempe-raturen ausgesetzt sind. Dazu zählen Kol-ben, Zylinderköpfe, Kurbelgehäuse und auch diverse Anbauteile. Immer dünner werdende Wanddicken stellen dabei zu-sätzliche Merkmale besonders belasteter Gussteile dar.

Der folgende Beitrag beschreibt den ak-tuellen Stand von Aluminium-Werkstoffen im Motorenbau. Im Besonderen wird über eine Untersuchung der Firmen Martinrea Honsel Germany GmbH, Meschede, und Trimet Aluminium AG, Essen, berichtet, die zum Ziel hat, die Wärmeleitfähigkeit von Bauteilen zu verbessern, die hohem thermischen und mechanischen Stress aus-gesetzt sind.

Verhalten von Aluminiumlegie­rungen in höheren Temperatur­bereichen

Insbesondere Zylinderköpfe für Dieselmo-toren erfahren ständig steigende Beanspru-chungen. Diese äußern sich vor allem in ho-hen Zünddrücken und Temperaturen. Die Entwicklung der spezifischen Leistung von Motoren ist in Bild 1 chronologisch darge-stellt. Aktuell sind spezifische Leistungen von über 80 kW/l bei einem Zünddruck von 200 bar in der Planung. Aus diesen Rand-bedingungen gilt es nun, Materialkennwer-te zu beschreiben, die aussagefähiger sind als z. B. die gewohnten Werte aus dem Zug-versuch bei Raumtemperatur. Außer auf-

Modifikationen von Aluminium­ legierungen für hohe thermische Beanspruchungen

Die Zylinderköpfe von Dieselmotoren, aber auch in zunehmendem Maße von Ottomotoren, sind immer stärkeren Belastungen bei Temperaturen bis 250 °C ausgesetzt, was entsprechende Anpassungen der Materialeigenschaften der eingesetzten Aluminium-Gusslegierungen erfordert.

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wendigen Bauteiltests auf Motorenprüfstän-den ergeben folgende Prüfmethoden am ehesten gute Hinweise:> die Bestimmung der dynamischen Fes-

tigkeitswerte bei Betriebstemperaturen, > die Messung des Alterungsverhaltens

nach Langzeiterwärmung, > die Messung der Thermoschock-

beständigkeit mittels der Stegprobe.

Von besonderem Interesse für Zylinderkur-belgehäuse und Zylinderköpfe gilt dabei der Temperaturbereich von 150 bis 250 °C. In Bild 2 ist das Alterungsverhalten der Legierung EN AC-AlSi8Cu3 bei unter-schiedlichen Temperaturen über einen Zeit-raum von 500 h dargestellt. Obwohl diese Legierung relativ günstige Warmeigen-schaften besitzt, wird sie für Zylinderköp-fe von Dieselmotoren praktisch nicht ver-wendet. Dies ist vor allem durch zwei nach-teilige Eigenschaften begründet: > Aufgrund der Gefügestruktur, bedingt

vor allem durch die Eisengehalte bis 0,8 %, fällt die Schwingfestigkeit erheb-lich ab,

> Die Wärmeleitfähigkeit dieser Legie-rung ist um ca. 30 % niedriger als bei AlSiMg-Legierungen.

Aus der Literatur [2], [3] sind umfangrei-che Studien bekannt, die sich mit den As-pekten der Warmfestigkeit, des Kriechver-haltens, der Ausdehnungskoeffizienten usw. bezogen auf verschiedene Legierungs-systeme beschäftigen und die Abhängig-keit der Temperatur bzw. einer Langzeit-temperaturschädigung betrachten. Es gilt also nun unter den bekannten Materialda-ten den besten Kompromiss auszuwählen. Unter Berücksichtigung eines günstigen Erstarrungsverhaltens und einer guten Gießbarkeit zeigen hier Legierungen vom Typ AlSiMg oder AlSiMg(Cu) mit niedri-gen Eisengehalten die besten Eigenschaf-ten, obwohl sie schon bei relativ niedrigen Temperaturen Festigkeit verlieren.

Die Wärmeleitfähigkeit bei unterschiedlichen Wärme­behandlungszuständen

Der besondere Vorteil von Legierungen mit hoher Wärmeleitfähigkeit wurde am Bei-

KURZFASSUNG:Es wird über eine Untersuchung der Martinrea Honsel Germany GmbH, Mesche-de, und der Trimet Aluminium AG, Essen berichtet, die zum Ziel hatte, die Wärme-leitfähigkeit von Bauteilen zu verbessern, die hohem thermischen und mechani-schen Stress ausgesetzt sind. Nach wie vor werden hier die bekannten Legierun-gen vom Typ AlSiMg vergossen, wobei der Anteil der eisenarmen Legierungen mit zunehmender Beanspruchung zugenommen hat. In einer Untersuchungsreihe konnte das Potential dieses Legierungstyps durch eine Verbesserung der Leitfä-higkeitseigenschaften deutlich erhöht werden. Dabei wurden die Elemente Titan, Zircon und Vanadium durch die Zugabe von Bor aus der Schmelze entfernt.

Bei den Untersuchungen wurde ein Borüberschuss eingestellt, sodass genü-gend Aluminiumborid als Kornfeiner zur Verfügung stand. Gegenüber einer Stan-dardlegierung mit Titanboridkornfeinung konnte ein wesentlich feineres Gefüge erzeugt werden und die Bruchdehnungswerte wurden erheblich verbessert.

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1960 1970 1990 20101980 2000

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Auslagerungszeit in h

5 9 96 28872 144 240 500328

150 °C

200 °C

250 °C

Bild 1: Entwicklung der spezifischen Leistung von Dieselmotoren [1].

Bild 2: Alterungsverhalten der Legierung EN AC-AlSi8Cu3 [1].

Tabelle 1: Analysen der Versuchsschmelzen.

Versuchs- Si Fe Cu Mn Mg Zn Ti Zr V SR schmelze in Masse-% in ppm -

Standard 7,3 0,08 0,004 0,014 0,33 0,005 1200 30 90 0,03

neu 7,1 0,06 0,005 0,010 0,30 0,014 1 2 1 0,03

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spiel der Legierung AlSi7Mg für unter-schiedliche Temperaturbereiche näher un-tersucht. Als Prüfkörper wurden dazu aus Probestäben entnommene Scheiben ver-wendet. Die Probestäbe wurden unter fest-

gelegten, identischen Bedingungen in einer Gusseisenkokille vergossen. Die Schmelze wurde mit Strontium veredelt, durch einen Impeller mit Stickstoff entgast und mit Ti-tan/Bor-Vorlegierung korngefeint.

Die Messungen der Wärmeleitfähigkeit wurden durch das Österreichische Gieße-rei-Institut in Leoben durchgeführt. Dafür kam die Laserflash-Methode zur Anwen-dung, bei der eine Fläche der zu messen-den Scheiben schlagartig mit einem Laser-strahl erwärmt und die Temperaturent-wicklung auf der gegenüberliegenden Seite gemessen wird. Aus Anstiegszeit und Probendicke kann die Temperaturleitfähig-keit unter Berücksichtigung der thermi-schen Abstrahlung und Laserpulslänge be-rechnet werden. Mit Hilfe der spezifischen Materialkennwerte wurde dann die Wär-meleitfähigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur errechnet.

In einem Temperaturintervall von Raum temperatur bis 450 °C und einer an-schließenden Abkühlung auf wiederum Raumtemperatur wurde zunächst der Ein-fluss unterschiedlicher vorangegangener Wärmebehandlungen untersucht. Dazu standen Probestäbe mit einer T6- und ei-ner T7-Wärmebehandlung zur Verfügung. Eine zusätzliche Probe wurde 500 Stunden bei 220 °C gealtert (Bild 3).

Bei Raumtemperatur zeigten sich sehr unterschiedliche Werte von 160 W/mK nach einer T6-Behandlung und bis 187 W/mK nach der Alterung. Mit zuneh-mender Prüftemperatur stieg die Leitfähig-keit an und erreichte bei allen drei Vari-anten bei ca. 300 °C das gleiche Niveau. Bei fortgesetzter Erwärmung bis 450 °C und nachfolgender Abkühlung auf Raum-temperatur unterschieden sich die Varian-ten nur noch geringfügig. Ein Einfluss der Wärmebehandlung war am Ende der Ver-suchsdurchführung nicht mehr zu erken-nen.

Legierungs­ und Gefügeeinfluss auf die Wärmeleitfähigkeit

In einer weiteren Versuchsreihe sollte nun der Einfluss signifikanter Legierungs-elemente gemessen werden. Die unter-schiedliche Beeinflussung von Elemen-ten auf die elektrische Leitfähigkeit ist in Bild 4 dargestellt. Nach dem Wiede-mann-Franzschen-Gesetz ist die elektri-sche Leitfähigkeit der Wärmeleitfähigkeit proportional [4].

λ = L•T • σ (1)

λ - WärmeleitfähigkeitL - Lorentz-KonstanteT - Temperaturσ - Elektrische Leitfähigkeit

Sehr negativ wird die Leitfähigkeit dem-nach durch die Elemente Chrom, Lithium und Mangan beeinflusst. Bei den Versuchs-schmelzen erreichte lediglich der Mangan-gehalt mit 0,014 % eine nennenswerte Grö-

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7-AISi7Mg GJL T615-AISi7Mg GJL T727-AISi7Mg GJL T7 + 500 h, 220 °C

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Elek

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mm

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Zusatzelement in Masse-%

0,2 0,4 0,8 1,40,6 1,0 1,2 1,6

ZrTi

V

CrLi

Mn

Mg

NiBi

SnCdSb

CuCo Zn Fe

Si

210

200

190

180

170

16022

Wär

mel

eitf

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keit

in W

/Km

Temperatur in °C

150 250 450 150350 350 250 22

7-AISi7Mg GJL T607-AISi7Mg L GJL T6207-AISi7Mg L Cu T6

Bild 3: Einfluss der Wärmebehandlung auf die Wärmeleitfähigkeit.

Bild 4: Einfluss der Elemente auf die Leitfähigkeit [5].

Bild 5: Einfluss der Legierungszusammensetzung und des Gefüges auf die Leitfähigkeit.

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ße, die Chrom- und Lithiumgehalte waren vernachlässigbar gering. Somit galt das Au-genmerk den nächsten Elementen Titan, Zircon und Vanadium. Diese Elemente bil-den in der Schmelze durch die Reaktion mit Bor sehr stabile Boride vom Typ XB2, die über eine Abstehbehandlung sehr gut aus der Schmelze ausgefällt werden kön-nen. Nach [6] hat z. B. TiB2 bei 700 °C ein Löslichkeitsprodukt von 5 bis 10 • 10-11. Die Elemente Zr und V sind ähnlich star-ke Boridbildner, wobei Zr an erster Stelle steht. Zum Ausfällen dieser Elemente wur-den daher die Versuchsschmelzen mit ei-nem Überschuss an Aluminiumborid be-handelt. Die chemische Zusammensetzung einer klassischen AlSi7Mg-Legierung (Stan-dard) und der neuen Legierung (neu) sind in Tabelle 1 enthalten.

Wie bei den vorangegangenen Versu-chen wurden wieder Probestäbe vergos-sen und die Leitfähigkeit aus den daraus entnommenen Scheiben von Raumtempe-ratur bis auf 450 °C und bei anschließen-der Abkühlung wiederum auf Raumtem-peratur gemessen. Dabei wurden drei Va-rianten gegenübergestellt: > die Standardlegierung, korngefeint mit

Titan/Bor, > die neue, mit Aluminiumborid behan-

delte Legierung,

> die gleiche Variante, abgegossen in eine wassergekühlte Kupferkokille.

Die Messergebnisse sind in Bild 5 darge-stellt. Alle drei Varianten wurden T6-wär-mebehandelt. Schon bei Raumtempera-tur zeigten die aus der neuen Legierung hergestellten Varianten gegenüber der Standardlegierung deutlich bessere Leit-fähigkeitswerte. Die höchsten Werte wur-

den bei Proben aus der wassergekühlten Kupferkokille gemessen. Der Verlauf der Werte bis 450 °C erfolgte bei allen Vari-anten ähnlich, wobei die bei Raumtem-peratur ermittelten Unterschiede unge-fähr bestehen blieben. Ein großer Unter-schied konnte aber bei der weiteren Abkühlung bis auf Raumtemperatur fest-gestellt werden. Der Unterschied zur Stan-

2000

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Bor- bzw. Titanzusatz in Masse- %

0,04 0,100,02 0,06 0,08 0,12

korngefeint mit Vorlegierung:V-AlTi5

V-AlTi5B1

V-AlB4

Bild 6: Kornfeinung der Legierung A 356 durch Zusatz verschiedener Aluminium-vorlegierungen [7].

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dardlegierung vergrößerte sich noch ein-mal, sodass am Ende die mit Aluminium-borid dotierten Varianten mit bis zu einem Wert von 208 W/mK gegenüber der Standardlegierung mit 183 W/mK deutlich im Vorteil waren.

Kornfeinende Wirkung von Bor

Die Behandlung der Schmelze mit Alumi-niumborid führt, wie oben bereits erwähnt, nicht nur zu einer Reduktion von Elemen-ten, die die Leitfähigkeit heraufsetzen, son-dern es gibt noch den Effekt einer kornfei-nenden Wirkung, wenn Bor im Überschuss verwendet wird. Es sei hier auf eine Ar-beit verwiesen (Bild 6), die für Al-Si-Legie-rungen AlB4 als bestes Kornfeinungsmit-tel darstellt [7].

Eine gute Kornfeinung kann die Warm-rissneigung minimieren, verbessert das Fließverhalten der Schmelze und vergleich-mäßigt die mechanischen Eigenschaften. Außerdem wird das Nachspeisungsverhal-ten besser, da keine langen Dendriten in die Schmelze „schießen“ und so ein Nach-fließen behindern können. Eine gute Korn-feinung kann z. B. mittels Thermischer Ana-lyse nachgewiesen werden. Wie in Bild 7 dargestellt, fehlt die Rekaleszenz nach Be-ginn der Erstarrung völlig.

Der Mechanismus der Aluminiumbo-rid-Kornfeinung unterscheidet sich doch etwas von der üblichen Praxis. Normaler-weise wird der Schmelze eine Kornfei-nungsvorlegierung zugegeben, die u. a. fes-te Titandiboride enthält, welche nicht in der Schmelze löslich sind. Die Partikel kei-men nun das Aluminium an und aus der Schmelze wachsen entsprechend Alpha-Aluminium-Dendriten. Die Anzahl wirksa-mer Keime bestimmt dann die Korngröße des Mikrogefüges. Auf weitere Details bei der Keimbildung soll hier nicht näher ein-gegangen werden. Es sei hier auf die ein-schlägige Literatur verwiesen [9].

Was passiert nun bei der Zugabe von Bor, nachdem alle Boride, d. h. Festpartikel, entfernt wurden? Zum besseren Verständ-nis wurde eine Berechnung mit Pandat vor-genommen, einem Programm zur thermo-physikalischen Darstellung von definierten Legierungen. Bild 8 zeigt eine Gleichge-wichtsrechnung der Legierung AlSi7Mg mit ansteigenden Borgehalten auf der X-Achse. Man erkennt hieraus unschwer, dass im flüs-sigen Zustand keine Festpartikel zu erwar-ten sind. Die Keime werden durch Ausschei-dung der Phase AlB2 gebildet, die sich erst unterhalb der Liquiduslinie ausscheiden. Im aktuellen Fall erfolgt die Ausscheidung von AlB2 erst nach dem Beginn der Erstar-rung von Al-Dendriten (FCC_Al). Es existie-ren hier die beiden großen Phasenfelder „flüssig und Alpha-Aluminium“ sowie „flüs-sig und AlB2 und Alpha-Aluminium“. Hier

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Tem

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n °C

Zeit in min

62 4 8

ungefeint 5 min nach Zusatz von 0,04 % Ti

Bild 7: Abkühlungskurven von Schmelzen aus der Legierung AlSi7Mg vor und nach ei-nem Zusatz von Kornfeinungsmitteln [8]: a) unveredelt, b) veredelt mit Strontium.

640

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n °C

Zeit in min

62 4 8

ungefeint 5 min nach Zusatz von 0,02 % B

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n °C

Anteil B in Masse- %

0,01 0,02

Si = 7,10 %Fe = 0,07 %Mg = 0,30 %Mn = 0,01 %Sr = 0,03 %

1. flüssig2. flüssig + FCC_A13. flüssig + FCC_A1 + Diamond_A4

A. flüssig + ALB2B. flüssig + ALB2 + FCC_A1C. flüssig + ALB2 + FCC_A1 + Diamond_A4

D. flüssig + ALB2 + FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesiE. flüssig + ALB2 + FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesi + AL4SRF. ALB2 + FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesi + AL4SR

4. flüssig + FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesi5. flüssig + FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesi + AL4SR6. FCC_A1 + Diamond_A4 + Beta_alfesi + AL4SR

F6

A1

B2

C3D4

E5

Bild 8: EN AC-AlSi7Mg0,3 mit Bor, isoplether Schnitt, Detailübersicht 560 bis 640°C.

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werden die Kristallisationszentren quasi in situ gebildet und es ist davon auszugehen, dass dies eine sehr effektive Methode der Kornfeinung ist.

Diese theoretischen Überlegungen konnten in der Praxis bewiesen werden. Aus den oben genannten Probestäben wur-den metallographische Schliffe entnom-men und nach Barker anodisch oxidiert [10]. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Kornfeinung ohne Titan und mit einem ge-ringen Anteil von freiem Bor zu sehr effek-tiven Ergebnissen führt.

Die Verbesserung der Wärmeleitfähig-keit hängt demnach sowohl von den feh-lenden Elementen Zr, V und Ti ab, als auch von der Abkühlungsgeschwindigkeit, d. h. der Korngröße. Das haben die oben be-schriebenen Ergebnisse aus den Erstar-rungsversuchen in Gusseisen- und Kupfer-kokille gezeigt. Damit hat die Zugabe von Bor eine doppelte Wirkung, einmal physi-kalisch durch eine Verringerung der Korn-größe als auch chemisch, durch Ausfällen gerade der Elemente, die die Wärmeleitung negativ beeinflussen.

Es soll an dieser Stelle auch nicht un-erwähnt bleiben, dass sich dieser Legie-rungstyp normgerecht darstellt, da in der aktuellen Gusslegierungsnorm EN 1706 für den überwiegenden Teil der Legie-rungsgruppen kein unterer Gehalt an Ti-tan gefordert ist.

Zusammenfassung und Ausblick

Vor allem die Zylinderköpfe von Diesel-motoren aber auch in zunehmendem Ma-ße von Ottomotoren sind immer stärke-ren Belastungen bei Temperaturen bis 250 °C ausgesetzt. Zur Verbesserung von Materialeigenschaften wird häufig der Einsatz warmfesterer Legierungen dis- kutiert. Aufgrund des schwierigen Erstar-rungsverhaltens zeigen diese Legierun-gen jedoch bei herkömmlicher Gießwei-se einen höheren Anteil an Gefügedefek- ten und Gussfehlern und sind deshalb den dynamischen Beanspruchungen nur eingeschränkt gewachsen.

Stattdessen werden nach wie vor be-kannte Legierungen vom Typ AlSiMg ver-gossen, wobei der Anteil der eisenarmen Legierungen mit zunehmender Beanspru-chung zugenommen hat. In einer Untersu-chungsreihe, die von Martinrea Honsel und Trimet durchgeführt wurde, konnte das Potential dieses Legierungstyps durch ei-ne Verbesserung der Leitfähigkeitseigen-schaften deutlich erhöht werden. Dabei wurden die Elemente Titan, Zirkon und Va-nadium durch die Zugabe von Bor aus der Schmelze entfernt.

Bei den Untersuchungen wurde ein Borüberschuss eingestellt, sodass genü-gend Aluminiumborid als Kornfeiner zur Verfügung stand. Gegenüber einer Stan-

dardlegierung mit Titanboridkornfeinung konnte ein wesentlich feineres Gefüge er-zeugt werden. Die Bruchdehnungswerte wurden erheblich verbessert. Erste Abgüs-se von Zylinderköpfen wurden bereits durchgeführt. Ergebnisse aus dem Fahrbe-trieb stehen noch aus.

Dipl.-Ing. Ansgar Pithan, Martinrea Honsel Germany GmbH, Meschede, Dr.-Ing. Hubert Koch, Trimet Aluminium AG, Essen

Literatur:[1] Pithan, A.: Interne Berichte der Martin-rea Honsel Germany, Meschede 2011.[2] Giesserei-Praxis (1999) Nr. 2, S. 50-57.[3] Giesserei 91 (2004) Nr. 8, S. 32-38.[4] Guy, A.: Metallkunde für Ingenieure. Aka-demische Verlagsgesellschaft Frankfurt am Main 1970, S 272-273.[5] Aluminium-Taschenbuch, Aluminium Ver-lag 2002, Band 1, S. 233.[6] Met. Trans (1972) Nr. 3, S. 2709.[7] Journal of Chinese Foundryman’s Assio-viation 29 (1981) Nr. 6, S. 10-18.[8] AFS Transaction (1985) Nr. 93, S. 907-912.[9] Schneider, W., u. a.: Tagungsband ICAA 11, 2011, Vol. 1, S. 383-392.[10] Petzow, G: Metallographisches Ätzen, Materialkundlich-Technische Reihe 1, Ge-brüder Borntraeger Berlin, Stuttgart 1976, 4. Auflage.

Bild 9: Korngröße der Legierung AlSi7Mg gefeint mit Titan/Bor (a) und mit Bor (b).

a b

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