TEXT Petra Mikutta FOTOS Patricia Parinejad€¦ · träger Luis Ramiro Barragán Morfín,...

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104 A&W 2/12 MEHR PLATZ UND BUNTER HELL, KLAR UND ETWAS KÜHL: DAS HAUS EINER FAMILIE IN LOS ANGELES IST EIN PARADEBEISPIEL FÜR DIE KALIFORNISCHE MODERNE. DIE JUNGEN BESITZER WÜNSCHTEN SICH MEHR WÄRME UND MEHR WOHNRAUM. STARKE FARBEN UND EIN NEUER GRUNDRISS MACHTEN ES MÖGLICH – GANZ OHNE ANBAU. TEXT Petra Mikutta FOTOS Patricia Parinejad Farbverlauf: Juan Devis auf dem Weg zu seinem Lieb- lingsplatz im Salon – das weiße Sofa „Dadone“ von Antonio Citterio. Die Treppe führt in den Kinderbereich. Er liegt im Hang und öffnet sich zum Garten. Gelbe und pinkfarbene Wandflächen sowie die gemusterten Zementfliesen im Bassin geben der Architektur lateinamerikanisches Flair. Behaglich wird’s dank Kork- boden, Kuhfell und Kamin. 2/12 A&W 105

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    MEHR PLATZ UND BUNTER HELL, KLAR UND ETWAS KÜHL: DAS HAUS EINER FAMILIE IN LOS ANGELES IST EIN PARADEBEISPIEL FÜRDIE KALIFORNISCHE MODERNE. DIE JUNGEN BESITZER WÜNSCHTEN SICH MEHR WÄRME UND MEHRWOHNRAUM. STARKE FARBEN UND EIN NEUER GRUNDRISS MACHTEN ES MÖGLICH – GANZ OHNE ANBAU.

    TEXT Petra Mikutta FOTOS Patricia Parinejad

    Farbverlauf: Juan Devis aufdem Weg zu seinem Lieb-lingsplatz im Salon – das

    weiße Sofa „Dadone“ von Antonio Citterio. Die Treppeführt in den Kinderbereich.Er liegt im Hang und öffnet

    sich zum Garten. Gelbe undpinkfarbene Wandflächen

    sowie die gemusterten Zementfliesen im Bassin

    geben der Architektur lateinamerikanisches Flair.

    Behaglich wird’s dank Kork-boden, Kuhfell und Kamin.

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    Freiluftzimmer: Jeder Raumhat eine eigene Terrasse, dieihn nach draußen erweitert.So setzt sich die gelbe Wandzwischen Salon und Küchedurch die Glasfront hindurchins Freie fort. Vor der Kücheliegt der Sitzplatz für dasBarbecue, vor dem Wohn-raum führen die Stufen zu einem kleinen Rückzugsortmit „Butterfly“-Sesseln vonJorge Ferrari-Hardoy undumgeben von Philodendron,Zierspargel und Gottesaugen.

  • onnenstrahlen fallen durch die raumhohen Fenster indas Wohnzimmer, malen Flecken und Streifen auf denKorkfußboden und verwandeln die Wände in Lichtin-

    stallationen. Sie schimmern gelb und pinkfarben und verteilengroßzügig rosa Puder, der klare Linien verwischt, Strenges auf-heitert, Schweres zum Schweben bringt. „Es fühlt sich an wiein einer der begehbaren Skulpturen von James Turrell“, sagtLaura Purdy. Der Künstler aus Arizona stellt mit seinen Werkendie dreidimensionale Wirklichkeit infrage, Entfernungen er-weisen sich als Illusion, Größe und Gewicht verlieren ihre Be-deutung: „Farben und Raumgefühl ändern sich mit jedemSchritt, jeder Drehung – es ist magisch.“

    Die Künstlerin Laura Purdy, gebürtige Texanerin, und ihrMann Juan Devis, Regisseur und Filmproduzent aus Kolum-bien, sind Experten für Märchenhaftes: Denn ihre Kinder EvaLuna, 8, und Simon, 5, haben beide ein Alter, in dem sich Phan-tasie und Realität noch eng verweben. Als das Ehepaar 2009beginnt, über eine fällige Sanierung ihres Hauses nachzuden-ken, spielen die Kinder eine Hauptrolle. Der Bau, entworfenAnfang der 1950er-Jahre im Stil der kalifornischen Moderne,soll kein Showroom für die Möbelklassiker von Eero Saarinen,Ray und Charles Eames, Jorge Ferrari-Hardoy werden, mit de-nen sich das Ehepaar einrichtet, auch keine Galerie für seineSammlung südamerikanischer Gegenwartskunst. Sondern vorallem ein Zuhause zum Spielen, Entspannen und Aufwachsen.

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    STrennstück: Die gelbe Wandder Küche steht wie eineMauerscheibe mitten imObergeschoss und teilt denoffenen Raum so in Wohn-und Kochbereich. Die Über-gänge bleiben aber fließend,ein Effekt, den auch diegroße Eckbank aus Holz ver-stärkt, deren Rückenlehnebündig mit den halbhohenBücherregalen abschließt.Die Einbauten sind maßge-fertigt, wie auch die diskretweißen Küchenschränke.

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    Rundumblick: Die Fenstergeben großzügig Ausschnitteauf das üppige Grün des Gar-tens frei, das so die Palettedes Interiors ergänzt. DasMobiliar selbst ist begrenzt:Die modernen Sofas werdenergänzt von zwei „Safari“-Sesseln des Schweden ArneNorell aus den 1960ern, denTisch fanden die Hausherrenin einem Antikladen. Auchdie „Mushroom“-Stehleuchteder US-Manufaktur LaurelLamps ist ein Vintage-Objekt.

  • Seit 2003 wohnt die Familie in dem zweigeschossigen Hausam Hang von Los Feliz, einem der Stadtteile von Los Angeles,in dem Hollywood-Stars ihre Säulentempel, Miniatur-Versail-les und Paläste der Moderne errichten. Verglichen mit solchenGebäuden ist ihr Bungalow mit 200 Quadratmetern Wohnflä-che geradezu unscheinbar und klein. „Zu klein?“, fragen sichLaura Purdy und Juan Devis vor der Sanierung. Im Grunde be-wohnen sie nur das 140 Quadratmeter große Erdgeschoss: dreiSchlafzimmerchen, zwei kleine Bäder, Wohnzimmer, Küche.Die untere Etage, zur Hälfte in den Berg gegraben, gehört demWaschraum, der Abstellkammer und dem Arbeitszimmer, einekaum genutzte, düstere Höhle. „Unsere erste Idee war eine Er-weiterung“, erzählt Laura Purdy. „Aber die Architekten über-zeugten uns, dass das falsch gewesen wäre.“

    „Die Knochen sind großartig, es wäre eine Schande, an derStruktur etwas zu verändern“, urteilt Linda Taalman nach derBesichtigung über die Holzskelettkonstruktion. Mit ihremMann Alan Koch führt sie in Los Angeles das Büro TaalmanKoch. Sie haben die Bauherren über gemeinsame Freunde ken-nengelernt, und man sei einander sofort sympathisch gewesen.Etwa ein halbes Jahr dauert die Entwurfsphase, ein reger Aus-tausch, der meist so aussieht: Während ihre Tochter Oleana, 4,mit Eva und Simon spielt, sitzen die Elternpaare bei Snacks undDrinks am Küchentisch, diskutieren, skizzieren. Schnell eini-gen sich die vier auf klare Formen, auf weniger, das mehr ist.

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    Quadratwurzel: Der Boden-belag der Terrasse vor dem

    Salon besteht aus den Baum-scheiben eines mächtigen

    Eukalyptus, der beim Umbaugefällt werden musste. Die

    Zaunbretter dienten einst imHaus als Täfelungen. Im

    Schlafzimmer ist das sattePink dem zarten Rosé der

    Tapete gewichen. Bett undNachttische sind aus der

    „Case Study“-Serie von George Nelson, Sideboard

    und Hocker aus den 60ern.

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    Juan Devis wünscht sich, dass neben Prinzipien der Moderneauch seine Heimat Südamerika präsent ist: „Damit es nicht zustreng wird, zu männlich.“ Ein Bildband über den Lieblingsar-chitekten der Hausherren, den mexikanischen Pritzker-Preis-träger Luis Ramiro Barragán Morfín, inspiriert zu den mit sa-frangelbem und pinkfarbenem Gips verputzten Wandflächen.

    ir haben viel Zeit mit den Bewohnern verbracht unddabei ein gutes Gespür für das bekommen, was siebrauchen“, sagt die Architektin. „Nämlich nicht mehr,

    sondern anders organisierte Fläche.“ Die mit dunklem Holzverkleideten Innenwände werden eingerissen, Fenster vergrö-ßert, Einbauregale und -schränke gebaut, die Treppe wird ver-breitert. „Es war keine Schönheitsoperation, sondern eineWiedergeburt“, sagt Linda Talmaan. Im Erd- und Unterge-schoss sind helle Lofts entstanden, die sich zu individuellenGartenräumen öffnen. Die Eltern wohnen und schlafen oben,Tochter und Sohn unten. „Dieser Kellerkinderlösung stand ichzunächst sehr skeptisch gegenüber“, sagt die Hausherrin,„aber sie bewährt sich jeden Tag, Eva und Simon sind begeistertvon ihrem kleinen Reich.“ 70 Quadratmeter mit Spielzimmer,Bad, zwei Schlafräumen, dazu eine eigene, riesige Terrasse.„Sie können für sich sein, allein nach draußen gehen, und wirhaben sie trotzdem immer im Blick.“

    Juan Devis lässt sich auf das weiße Wohnzimmersofa sin-ken. „Alles, was ich brauche, ist in Reichweite: die Küche, dieMusikanlage, der Kamin, der Garten“, sagt er. „Und sollte icheinmal schlechte Laune haben, heitern mich die Wandfarbenauf.“ Laura Purdy entspannt sich lieber in der nostalgischenGusseisenwanne im neuen Elternbad: „Ich schwebe im war-men Wasser und schaue in den Garten, der so typisch ist fürden merkwürdigen kalifornischen Mix aus Wildnis und Bal-lungsraum.“ Die Familie teilt das Grundstück mit Eichhörn-chen, die gern auf der Hängematte schaukeln, mit Kojoten undmit Waschbären, die unsichtbar bleiben, bis eine streunendeKatze auftaucht, die sie wütend vertreiben. „Und nicht einmal30 Meter entfernt feiern unsere Nachbarn eine Poolparty.“

    Das urbane Idyll hat die Landschaftsgestalterin Laura Coo-per aus Los Angeles entworfen. Ihre Ideen: „Jeder Blick ausdem Haus ergibt ein gerahmtes stimmiges Gemälde, und mög-lichst viele der Materialien, die beim Umbau keine Verwen-dung mehr finden, sollen recycelt werden.“ So feiern hölzerneWandverkleidungen ein Comeback als Bretterzaun. Das „Am-phitheater“, eine breite Treppe, die als Grill- und Sonnenplatzgenutzt wird, besteht aus Betonfliesen der ehemaligen Ter -rasse, ebenso die Mauer, die sich um den Gemüsegarten win-det. Der riesige Eukalyptusbaum, der gefällt werden musste,weil er sich gegen die Hausmauern neigte, wurde zu einerBank, Tischchen und dem Belag der Wohnzimmerterrasse.

    Makellos gepflegt sehen Garten und Haus aus. „Wir sind or-dentliche Menschen, vielleicht, weil wir oft zu Hause arbeitenund uns nicht konzentrieren können, wenn um uns herumDurcheinander herrscht. Die Kinder haben dazu natürlich eineganz andere Einstellung“, sagt die Hausherrin und lacht. Nein,die Familie sei nicht Sklave der Gestaltung, sondern liebe es, inabgewetzten Jogginganzügen und alten Lieblings-T-Shirts dieWochenenden zu verbringen. „Sogar Freunde, die mit Stilmö-beln und Antiquitäten wohnen, finden unser Zuhause gemüt-lich“, sagt Juan Devis. „Einer kündigte nach einem Besuch an,seine ablehnende Haltung zur Moderne zu überdenken.“

    Freilichtbühne: Weil es ja inKalifornien so gut wie nieregnet, ist der Garten Teildes Wohnraums. Das Hang-grundstück wurde terrassiertund in individuelle Zonen gegliedert. Eltern und Eich-hörnchen schätzen dasSchattenplätzchen auf derHängematte, Eva Luna undSimon zum Toben den Rasen.Die Trenn- und Stützmauernbestehen aus recyceltemMaterial vom Umbau, dierunden Trittsteine aus Beton.

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