THAILAND-RUNDSCHAU... · THAILAND-RUNDSCHAU 3/2012 90 zweitgrößte Minderheiten-gruppe nach den...

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THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln Jahrgang 25 Dezember 2012 Nr. 3 ISSN: 0934-8824

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  • THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln

    Jahrgang 25 Dezember 2012 Nr. 3

    ISSN: 0934-8824

  • THAILAND-RUNDSCHAU Impressum und Inhalt

    Inhalt Nr. 3 – 2012 Vorwort 87

    Mythos Goldenes Dreieck - Bergvölker in Südostasien 88 Roland Platz

    Nachhaltige Entwicklung in Thailands Bergregionen: 102 Erfahrungen aus einem multidisziplinären Forschungs-programm Franz Heidhues, Andreas Neef

    Praktikumsbericht (1) 107 Lalna Wetwilai

    Praktikumsbericht (2) 109 Pimchanok Kaingam

    Besuch der Sonderausstellung „Rama und Sita – 110 Indiens schönste Liebesgeschichte“ im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Köln Annabelle Springer

    Aktivitäten im Rhein-Main-Gebiet 112 Joachim Ebert

    Thai-Deutscher Verein in Esarn (TDVE) 116 Sekson Yongvanit

    Aus Eka Donner’s Tagebuch 118 Arnd D. Kumerloeve

    DEUTSCH-THAILÄNDISCHE GESELLSCHAFT e.V.

    Ehrenpräsidentin: Die Botschafterin des Königreiches

    Thailand in Deutschland Präsidentin:

    Prof. Dr. Frauke Kraas Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Dr. h.c. K.-H. Pfeffer

    Schatzmeister: Günter Blindert

    Vorstandsmitglieder: Dr. Christoph Brümmer Dr. Arnd D. Kumerloeve

    RUNDSCHAU -IMPRESSUM

    Herausgeber und Verlag: Deutsch-Thailändische Gesellschaft

    e.V. Redaktion:

    Prof. Dr. Frauke Kraas, 50923 Köln (ViSdP)

    unter Mitarbeit von Dr. Arnd D. Kumerloeve, Köln, und

    Prof. Dr. Karl-Heinz Pfeffer, Tübingen Layout: Anke Dick-Follmann, Rodgau

    Druck Druckerei Koges, Bonn

    ISSN: 0934-8824 Geschäftsstelle, Bibliothek

    und Redaktionsbüro Iddelsfelder Straße 33

    51067 Köln +49 (0)221 / 68 00 210

    Fax: +49 (0)221 / 96 90 287 E-Mail: [email protected]

    Internet: http:// www.dtg.eu THAILAND-RUNDSCHAU, die Zeit-schrift der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., erscheint dreimal im Jahr im Umfang von je ca. 40 Seiten. Der Bezugspreis ist durch den Mit-gliedsbeitrag abgegolten. Redaktionsschluss:

    für Heft 1-2013: 01.02.2013 für Heft 2-2013: 01.06.2013 für Heft 3-2013: 15.10.2013

    Namentlich gekennzeichnete oder aus anderen Publikationen über-nommene Beiträge dienen ausschließlich der Information unserer Leser und geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Gesell-schaft wieder.

    Titelphoto: Akha, Laos 2011 © C. Levanas Innenphoto: Mien-Frau, Laos 2011 © M. Augait

  • THAILAND-RUNDSCHAU Vorwort

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    Liebe Freunde und Mitglieder der DTG! In der vorliegenden letzten Ausgabe der Thailand-Rundschau im Jubiläumsjahr 2012 blicken wir auf ein un-gewöhnliches Jahr mit zahlreichen großen Veranstaltungen im ganzen Bundesgebiet zurück – immer mit zu-gleich enormer Beteiligung seitens der Königlich-Thailändischen Botschaft und der Honorargeneralkonsulate. Deutschland und Thailand sind in diesem Jahr weiter zusammengerückt, und in unserer Deutsch-Thailändischen Gesellschaft gab es viele intensive Möglichkeiten für Information, Reflektion, Gespräch und Diskussion. Durch die Aktivitäten, die viel Energie und Vorbereitungszeit erforderten, sind wir in Vorstand und Geschäftsstelle dieses Jahr (auch finanziell) an der Grenze des (zumal ehrenamtlich) Leistbaren gewesen, und Gleiches gilt zweifellos für alle helfenden Kräfte: Nur durch die große Unterstützung zahlreicher Mitglieder konnten die vielen Aktivitäten geschultert werden – dafür allen ganz herzlichen Dank!

    Wie bereits angesprochen, liegt unsere Festschrift „Sawasdee“ inzwischen in deutscher und englischer Spra-che vor – vielleicht mögen Sie sie Interessierten ja ans Herz legen oder schenken; sie wird für viele Jahre eine lesenswerte Bestandsaufnahme der bilateralen Beziehungen bleiben.

    Die vorliegende Thailand-Rundschau greift dieses Mal als Schwerpunkt die großartige Ausstellung im Ethno-logischen Museum in Berlin zu den thailändischen Bergvölkern auf. Sie erhalten dadurch alle die informativen Texte der Ausstellung, die auf den Begleittafeln der Ausstellung stehen, sowie einen erheblichen Teil der aus-sagekräftigen Fotos. Da bisher kein Katalog der Ausstellung erstellt wurde, sind die Texte die Erst- und bisher einzigen Abdrucke der Erläuterungen des Ausstellungsverantwortlichen, Dr. Roland Platz, der selbst seit vie-len Jahren im Norden Thailands über die Bergvölker arbeitet. Die Ausstellung ist weiterhin in Berlin zu sehen; ein Besuch kann nur wärmstens empfohlen werden.

    Der im TR-Heft folgende Fachbeitrag der Kollegen Heidhues und Neef im Anschluss entspringt dem großen, seit vielen Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich, der sich vergleichend auf die ökonomischen und sozialen Wandlungsprozesse in den Bergländern Thailands und Vietnams richtet.

    Die anschließenden, frisch geschriebenen Praktikumsberichte unserer diesjährigen Stipendiatinnen zeigen, wieder einmal, wie hilfreich die DTG-Stipendien den Weg zweier junger Thailänderinnen gestalten – schon jetzt sind die nächsten beiden Stipendiaten für 2013 eingeladen.

    Und schließlich können Sie in der TR lebendige Berichte über weitere Aktivitäten im Jubiläumsjahr lesen …

    Ferner eine Information in eigener Sache: Ein Umzug der Geschäftsstelle innerhalb Kölns wurde erforderlich, da sich die Kostensituation sehr ungünstig entwickelte und wir durch gute Wirtschaftlichkeit handlungsfähig bleiben müssen. Die neue Geschäftsstelle befindet sich unweit der bisherigen Adresse im Osten Kölns, in ruhiger Lage in der Iddelsfelder Straße. Günter Blindert und Frau Hamm herzlichen Dank für alle Mühe und Arbeit des Umzugs und die Einrichtung eines sehr ansprechenden kleinen Büros an neuem Standort.

    Schließlich sei noch einmal auf den Termin der nächsten Mitgliederversammlung hingewiesen: Sie findet statt am Sonntag, den 21. April 2013, im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln und steht im Rahmen des RJM-Südostasientags, der sich auf das kontinentale Südostasien konzentriert.

    Für heute Ihnen und Ihren Familien alle guten Wünsche für das neue Jahr 2013 sowie mit besten Grü-ßen, im Namen des gesamten Vorstands,

    Ihre Frauke Kraas

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    Mythos Goldenes Dreieck - Bergvölker in Südostasien

    Roland Platz

    Die Ausstellung „Mythos Goldenes Dreieck – Bergvölker in Südostasien“ eröffnete am 18. Dezember 2011 und ist bis auf weiteres im Ethnologischen Museum, Berlin, zu sehen.

    Goldenes Dreieck – damit verbinden sich Opium, Warlords, Gesetzlosigkeit und der sagenhafte Reichtum der Drogenbarone. In Touristenbroschüren sieht man exotische Bilder mit Bambushütten und Menschen in bunten Trachten. Über die wirklichen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Westen nicht allzu viel bekannt. Doch genau darum geht es bei dieser Ausstellung. Der Schwerpunkt liegt auf sechs Ethnien im Norden Thai-lands, die aber auch jenseits der Grenzen in Laos und Myanmar zu finden sind. Gezeigt werden über 200 Exponate aus einer der jüngsten Sammlungen des Ethnologischen Museums. Die Bandbreite der Exponate reicht von Textilien, darunter auch Neuerwerbungen von 2011, über Schmuck, Flechtwaren bis zu daoistischen Rollbildern. Zahlreiche Fotos runden das Bild ab. Doch geht es nicht nur um die materielle Kul-tur.

    Die Minderheiten haben mit den Auswirkungen der Modernisierung zu kämpfen. Ihre Dörfer werden verkehrs-technisch erschlossen, neue Konsummuster entstehen. Sie müssen zunehmend Lohnarbeit verrichten und verlieren ihre Basis als Subsistenzbauern. In Myanmar werden sie von der Armee massiv bedroht. Doch trotz Armut und Unterdrückung haben die Bergvölker immer wieder Strategien zur Wahrung ihrer Identität gefun-den. Sie stehen stellvertretend für viele andere Minderheiten weltweit, die für ihre indigenen Rechte einste-hen.

    Großmutter mit Enkel, Karen-Dorf Huai Gäo 2011 © R. Platz

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    Der vorliegende Text begleitet in leicht abgewan-delter Form die Ausstellung über die Bergvölker im Goldenen Dreieck im Ethnologischen Museum Berlin.

    In Südostasien, wenn man große Teile Südwest-chinas und Teile des Nordostens Indiens hinzu-rechnet, leben heute nahezu 100 Millionen Men-schen, die man als Angehörige ethnischer Minderheiten bezeichnen kann. Dieser Text bezieht vor allem auf die Bergregionen Nordthailands, er-öffnet aber auch den Blick in die Nachbarländer Myanmar und Laos. Es werden sechs ethnische Gruppen vorgestellt, deren Lebenswirklichkeit bei-spielhaft für viele Minderheiten weltweit steht.

    Die Bergvölker haben es trotz tief greifenden ge-sellschaftlichen Wandels geschafft, eine eigene Identität in Abgrenzung zur Mehrheitsbevölkerung zu wahren. Dabei geht es nicht nur um kulturelle Selbstbestimmung, sondern manchmal auch um das physische Überleben. Ihre Lebenswelt ist ge-prägt von Armut und Härte, aber auch von Stolz und dem Willen zur Freiheit. Die Minderheiten des Goldenen Dreiecks sind keine passiven Opfer staatlicher Willkür, der sie immer wieder ausgesetzt sind. In ihrem Überlebenskampf haben sie eigene Strategien der Selbstbehauptung entwickelt.

    Das Goldene Dreieck Das Goldene Dreieck bezeichnet die Grenzregion Nordthailand, Myanmar und Laos. Kulturell gehört auch Südwestchina dazu. Es dominieren Mittelge-birge von über 2.000 Meter Höhe, die von fruchtba-

    ren Flussebenen durchzogen sind. In den höheren Lagen siedeln traditionell die Minderheiten, die Subsistenzwirtschaft betreiben, also nur für ihren Eigenbedarf produzieren, und Bergreis anbauen. In den Ebenen leben die so genannten Staatsvölker wie Thais, Burmanen oder Laoten, die Nassreis kultivieren.

    Das Goldene Dreieck hat seinen Namen vom Schlafmohnanbau, durch dessen Verkauf einige Händler zu großem Reichtum gelangten. Heutzuta-ge wird in weiten Teilen der Region der Anbau von Mohn und die Herstellung von Heroin durch die Produktion synthetischer Drogen wie Methamphe-tamine ersetzt.

    Die ethnischen Minderheiten des Goldenen Dreiecks In Thailand sind sechs ethnische Hauptgruppen vertreten: die Karen, Lisu, Hmong, Mien, Lahu und Akha. Sie leben in über 3.000 Dörfern im Norden des Landes sowie in den urbanen Zentren wie Chiang Mai und Bangkok. Mit etwa einer Million Menschen bilden sie nur wenig mehr als ein Pro-zent der Gesamtbevölkerung Thailands von 65 Millionen.

    In Laos leben von den hier vorgestellten ethnischen Gruppen die Hmong (300.000), Mien (20.000) und Akha (60.000). Allerdings ist die Zahl der Minder-heiten in Laos mit mehr als 40% der Bevölkerung wesentlich größer als in Thailand.

    Auch Myanmar mit über 100 offiziellen ethnischen Gruppen ist ein Vielvölkerstaat. Die Karen als

    Lisu-Dorf 1989 © R. Platz

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    zweitgrößte Minderheiten-gruppe nach den Shan sind mit etwa vier Millio-nen vertreten. Die Lahu, Lisu und Akha leben eben-falls in Myanmar.

    Der Ursprung aller Berg-völker liegt im Süden Chi-nas, wo auch heute noch die zahlenmäßig größten Minderheitengruppen le-ben. Von dort wanderten Angehörige der Bergvölker in das Gebiet des Golde-nen Dreiecks. Während die Karen schon seit Jahr-hunderten in ihrem heuti-gen Siedlungsgebiet le-ben, kamen die anderen Ethnien erst im 19. und 20. Jahrhundert dazu.

    Bis in die 1950-er Jahre spielten im Goldenen Dreieck Landesgrenzen keine Rolle. Die Menschen hatten keine Papiere und keine Staatsbürgerrechte.

    Die hier vorgestellten eth-nischen Minderheiten ge-hören zu verschiedenen in Südostasien verbreiteten Sprachfamilien. Die Karen werden dem karennischen Zweig der tibeto-burmanischen Sprachfa-milie zugeordnet, die La-hu, Lisu und Akha gehö-ren zum Zweig der Lolo-Sprachen. Hmong und Mien bilden eine eigene Kategorie innerhalb der sino-tibetischen Sprach-familie.

    Allen gemeinsam ist, dass es sich um tonale Spra-chen handelt. Das bedeu-tet, dass Silben in ver-schiedenen Tonhöhen ausgesprochen eine un-terschiedliche Bedeutung haben.

    Die Komplexität der Spra-chen geht so weit, dass selbst die unterschiedli-chen Karen-Sprachen teil-weise gegenseitig nicht mehr verständlich sind.

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    Akha, Laos 2011 © C. Levanas

    Karen, Nord-Thailand 2011 © R. Platz

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    Mien-Frau, Laos 2011 © M. Augait

    Ethnische Minderheitengruppen in Nordthailand

    Ethnie Anzahl der Dörfer

    Haushalte Bevölkerungs-zahl

    Karen 1.912 87.628 438.131 Hmong 253 19.287 153.955 Mien 178 6.758 45.571 Akha 271 11.178 68.653 Lahu 385 18.057 102.876 Lisu 155 6.553 38.299 Lua 69 4.361 22.260 H’Tin 159 8.496 42.657 Khmu 38 2.256 10.573 Mlabri 2 63 282 Gesamt 3.422 164.637 923.257

    Quelle: Department of Social Development and Public Welfare, Ministry of Human Development and Security, Thailand, 2002

    Minderheitenpolitik in Nordthailand Zuvor relativ isoliert, kamen die Minderheiten Nord-thailands seit den 1950-er Jahren immer mehr un-ter staatliche Kontrolle. Im Zuge des Kalten Krieges hatte die Regierung Angst vor dem vermeintlichen Einfluss kommunistischer Rebellen, die im Norden und vor allem Nordosten des Landes aktiv waren. Auf Druck der USA wurde der Anbau von Mohn bekämpft. Brandrodung sah man als Quelle für den schnell schwindenden Wald. Die internationalen Geberländer einschließlich der deutschen Gesell-schaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) begannen ab den 1960-er Jahren Projekte zur

    landwirtschaftlichen Entwicklung der Region zu realisieren, die den Mohnanbau zugunsten alterna-tiver Anbauprodukte ablösen sollten. Der Staat baute Schulen und setzte sogar buddhistische Mönche zur religiösen Unterrichtung ein. Offiziell wurden diese Maßnahmen als Integrationspolitik bezeichnet, letztlich geht es dem Staat jedoch bis heute um Assimilierung, also eine Verschmelzung der Minderheiten mit der Mehrheitskultur des Lan-des. Die Liebe zur Nation und dem Königshaus ist oberstes politisches Ziel. Kulturelle Besonderheiten werden nur in Form von Folklore unterstützt. Noch immer hat nahezu ein Drittel der Bergvölker keine volle Staatsbürgerschaft.

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    Kleidung und Schmuck als Zeichen von Identität Kleidung ist für die Minderheiten der gesamten Region Ausdruck einer eigenen Identität. Die Berg-völker fallen auf, weil sie bis heute ihren eigenen Kleidungsstil beibehalten haben. Selbst jede Unter-gruppe pflegt ihre besonderen Formen und Farben.

    Die Lahu gliedern sich beispielsweise in Lahu Nyi (Rot), Lahu Na (Schwarz), Lahu Shi (Gelb) und Lahu Sheh Leh. Die Farbbezeichnungen beziehen sich mehr oder weniger auf die vorherrschenden Farbtöne der Kleidung. So gibt es auch weiße Hmong (Hmong Deaw) und blaue Hmong (Hmong Njua). Bei den Akha unterscheidet man Loimi, U Lo und Phami Akha.

    Insgesamt ist die Kleidung farbenfroher geworden. Herrschten früher Baumwolle und Färben mit Pflanzenstoffen vor, sind es heute synthetische Stoffe, die auf dem Markt erworben und in Thailand oder China produziert werden. Noch vor wenigen Jahren wurden die Baumwollstoffe selbst herge-stellt.

    Gewebt wird traditionell mit dem Rückengurtwebge-rät. Beliebte Verzierungen sind feine Applikationen aus geometrischen Formen, wie sie insbesondere die Mien und die Akha benutzen. Die Lahu verzie-ren ihre Jacken mit großen Silberknöpfen. Wie man bei den Neuerwerbungen erkennen kann, werden

    heutzutage einfachere Muster benutzt. Vielfach werden Nähmaschinen mit einem Nähprogramm verwendet.

    Noch immer stellt jede Familie die traditionelle Klei-dung selbst her. Allerdings gibt es in Nordthailand bereits Lisu-Familienbetriebe, die für lokale Märkte produzieren. Oftmals wird die traditionelle Kleidung bei Reisen oder der Arbeit im Tiefland nicht mehr getragen. Man möchte nicht als „Hinterwäldler“ diskriminiert werden.

    Die Kleidung vieler Bergvölker wird traditionell auf einem Rückengurtwebgerät gewebt – dem ein-fachsten und ältesten Webstuhltypus.

    Beim Weben mit Rückengurtwebgeräten sitzen die Frauen auf dem Boden. Die vertikal zur Weberin gespannten Fäden (Kettfäden) verlaufen parallel zueinander zwischen zwei Stangen. Eine der Stan-gen ist an einem feststehenden Gegenstand befes-tigt, die andere an einem Gurt, der um den Rücken der Weberin läuft. So kann sie die Spannung der Kettfäden mit ihrem Körper regulieren. Wie bei allen Webgeräten entsteht das Gewebe durch die Bin-dung von Kettfäden und Schussfaden. Die Weberin hebt und senkt abwechselnd die geraden und un-geraden Kettfäden durch Bewegung des so ge-nannten Litzenstabs, an dem die Fäden befestigt sind. Dadurch entstehen Zwischenräume (Fächer), durch die horizontal der Schussfaden gezogen wird.

    Karen-Weberin 2011 © R. Platz

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    Akha-Haube 2. Hälfte 20. Jhd. © M.Franken

    Siedlung und soziale Organisation

    Siedlungsgebiete

    Es gibt keine, nach ethnischen Gruppen getrenn-ten, geschlossenen Siedlungsgebiete. Die Karen bevorzugen mittlere Höhen, teilweise auch Talla-gen. Die anderen Minderheiten siedeln vorzugswei-se in höheren Lagen, die sich besser zum traditio-nellen Mohnanbau eignen.

    Die hier vorgestellten Ethnien sind sesshafte Bau-ernkulturen. Dörfer wurden lediglich verlegt, wenn die umliegenden Felder unfruchtbar waren. In der Regel wurde dann in der Nachbarschaft ein neues Dorf gegründet. Auch bei schwereren Konflikten war es üblich, dass eine der Parteien in ein anderes Dorf zog oder mehrere Haushalte eine neue Sied-lung gründeten. Wegen knapper werdenden Res-sourcen und staatlicher Kontrolle können heute nicht mehr so einfach neue Siedlungen gegründet werden.

    Hausbau

    Früher bestanden die Hauswände aus Bambus und das Dach war mit Blättern, Gras oder Stroh be-deckt. Seit Jahren hat jedoch, wie überall in Süd-ostasien, das Wellblech als Dachbedeckung Einzug gehalten. Viele Häuser werden auch ähnlich der Häuser der ländlichen Tiefland-Bevölkerung aus Holz errichtet. Vereinzelt werden Häuser auch aus Stein gebaut. Das ist jedoch die teuerste Variante und bisher selten. Lisu, Hmong und Mien bevorzu-gen ebenerdige Häuser, Lahu, Akha und Karen Häuser auf Stelzen. Um die meisten Häuser ist ein Zaun gezogen. Bei Pfahlhäusern leben Haustiere wie Schweine, Büffel und Hühner unter dem Haus. Ein Haus wird mit Verwandten und Freunden ge-meinsam errichtet. Dadurch entstehen wechselsei-tige Netzwerke.

    Dorf und Familie

    Im Gegensatz zu den hierarchisch geformten Ge-sellschaften, zu denen die Staatsvölker zählen, bildeten die Minderheiten keine zentralstaatlichen Instanzen. Sie sind egalitär ausgerichtet, Entschei-dungen werden in der Gemeinschaft gefällt. Das Dorf ist das soziale und politische Zentrum, in dem wiederum die Familie die entscheidende soziale Größe ist. Ein Headman und oder ein Ältestenrat besitzen eine gewisse Autorität, aber keine wirkli-che Macht. Traditionell handelt es sich also um so genannte akephale Gesellschaften, das sind Ge-sellschaften ohne zentrale politische Organisation. Deshalb werden die Minderheiten manchmal als Anarchisten des Berglandes bezeichnet. Erst im Zuge der Modernisierung und Verbreitung eines staatlichen Verwaltungssystems gewinnen die Dorfchefs an Einfluss. Sie werden vom Staat be-zahlt und gelten als dessen Repräsentanten.

    Bei den meisten Gruppen spielt die Kernfamilie die entscheidende Rolle. Eines der Kinder, oft der jüngste Sohn oder die jüngste Tochter, bleibt im elterlichen Haushalt und übernimmt die Sorge für die ältere Generation. Hmong leben traditionell in erweiterten Familien, so dass in einem Haushalt noch weitere unverheiratete Familienmitglieder mitwohnen können.

    Die verschiedenen Gruppen haben sehr unter-schiedliche Verwandtschaftssysteme.

    Hmong, Mien, Lisu und Akha sind in Patriklane unterteilt, ihre Abstammungslinie orientiert sich am männlichen Elternteil. Die Kinder einer Familie ge-hören zum Klan des Vaters. Bei den Lahu zählt ähnlich wie bei uns sowohl die väterliche als auch die mütterliche Abstammungslinie.

    Bei den Karen zieht traditionell der Mann in das Dorf seiner Frau und lebt in den ersten beiden Jah-ren auch im Haushalt der Schwiegereltern. Die Abstammungslinie verläuft über die Ehefrau.

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    Heirat und Ehe

    Auch Heiraten sind von Gruppe zu Gruppe unter-schiedlich.

    Bei den Hmong gab es in der Vergangenheit zwar auch arrangierte Heiraten, aber in der Regel su-chen sich die jungen Leute ihre Heiratspartner selbst. Sexuelle Kontakte sind vor der Heirat bei den Karen verpönt, während sie bei den Lahu üb-lich sind. Auch Hochzeiten zwischen verschiedenen Ethnien sind verbreitet, wobei es Präferenzen gibt. Hmong, Mien und Lisu sind als Heiratspartner pres-tigeträchtiger als Akha und Karen, was mit deren größerer Armut zusammenhängt. Heutzutage gibt es – bedingt durch Lohnmigration - vermehrt Heira-ten zwischen Minderheiten und Thais. Bei den Hmong, Mien, Lisu und Akha, die ein Klansystem haben, gilt die Exogamieregel: Der Ehepartner muss aus einem anderen Klan stammen, sonst wird die soziale und religiöse Ordnung gestört. Die Ah-nengeister werden zornig, wenn ein Tabu gebro-chen wird.

    Eine Scheidung ist bei den Lahu unproblematisch, während die Karen versuchen, sie zu vermeiden. Früher war eine hohe Kinderzahl üblich, um genü-gend Arbeitskräfte für die Feldarbeit und die Ver-sorgung für das Alter zu haben. Heutzutage liegt zwar die Familiengröße noch über der der Tiefland-bevölkerung, aber Empfängnisverhütung ist beson-ders in Thailand seit Jahren verbreitet.

    Die Heirat – ein großes Fest

    Eine Heirat ist auch heute noch ein großes soziales Ereignis, nicht nur für die beteiligten Familien, son-dern oftmals für das gesamte Dorf. Je nach Traditi-on zieht der Mann ins Dorf seiner Braut oder umge-kehrt. Nach einer kurzen Zeit im Haus der jeweiligen Eltern, gründet das Brautpaar einen neuen Haushalt, meist in räumlicher Nähe zur elter-lichen Familie. Im Gegensatz zu der in Südasien verbreiteten Mitgift, muss in Südostasien ein Braut-preis gezahlt werden. Das bedeutet, die Familie des Bräutigams entrichtet Geld, Sachwerte sowie Büffel oder Schweine an die Familie der Braut.

    In den meisten Gruppen handelt vor der Heirat eine Delegation des zukünftigen Bräutigams den Braut-preis mit der Familie der Braut aus. Bei den Lisu gibt es vor den Verhandlungen eine vorgetäuschte Entführung der Braut. Nach dem Segnen des Brautpaares durch die Brauteltern wird mit einem Festessen für Freunde und Verwandte gefeiert, meist im Hause der Braut, manchmal auch ab-wechselnd in beiden Haushalten.

    Ökonomie - Brandrodung, Bergreis und Opium Traditionell betreiben die Bergvölker Brandrodung in Form von Schwendbau. Nach dem Roden und Verbrennen der Vegetation in der Trockenzeit, bleibt das Wurzelwerk als Erosionsschutz im Bo-

    den. Die Asche dient als natürliche Düngung. Grundnahrungsmittel ist der Berg- oder Trocken-reis, der in die steilen Hänge eingesät und nur durch den Regen bewässert wird. Zwischen dem Reis wachsen verschiedene Gemüsesorten für den Eigenbedarf.

    Jeder Haushalt hält Schweine und Hühner, die ebenfalls für den Eigenbedarf bestimmt sind. Es handelt sich also um eine klassische Form der Subsistenzwirtschaft. Mit Ausnahme der Karen wird Opium als zusätzliche Einnahmequelle angebaut und verkauft. Benötigt man darüber hinaus Bargeld, muss ein Haushaltsmitglied im Tiefland arbeiten. In der kühlen Jahreszeit von Dezember bis Februar arbeitet man vorzugsweise außerhalb des Dorfes, da auf den Feldern weniger zu tun ist.

    Brandrodungssysteme

    Das schlechte Image der Brandrodung

    Brandrodung gilt allgemein als ökologisch bedenk-lich. In Thailand ist die Brandrodung offiziell verbo-ten, wird aber weiterhin praktiziert. Es gibt ver-schiedene Brandrodungssysteme mit unter-schiedlichen Folgen. Die Karen halten, wenn möglich, sehr lange Brachezeiten ein. Das konnten früher bis zu zwölf Jahre sein. Ein Dorf musste daher schon früher selten verlegt werden, denn der Boden und die Vegetation konnten sich gut erho-len. Zudem blieben immer Inseln an Primärwald als natürliche Samenbank bestehen. Deshalb kann man das traditionelle System der Karen als nach-haltig bezeichnen. Bei der heutigen Landknappheit sind so lange Brachezeiten jedoch nicht mehr ein-zuhalten.

    Die anderen Gruppen nutzen die Felder bis zu drei Jahren hintereinander und halten danach nur kurze Brachezeiten ein. Dadurch werden dem Boden Nährstoffe entzogen. Es können nur noch Gräser wie das Silberhaargras (Imperata cylindrica) gedei-hen, dessen ausgedehntes Wurzelgeflecht verhin-dert, dass neue Bäume wachsen können. Wie in einem Kreis werden immer neue Felder um ein Dorf angelegt, bis das Dorf selbst verlegt werden muss, da der Weg zu neuen Feldern zu weit wird.

    Heutzutage sind es vor allem die Bauern des Tief-landes, die neue Flächen in mittleren Lagen für den Reisanbau roden. Noch immer verbrennen sie auch das Reisstroh nach der Ernte auf ihren Feldern. Deshalb kommt es regelmäßig in der Trockenzeit im März zu starken Belastungen durch Rauch. Der meiste Wald wird durch illegale Abholzungen von Holzfirmen vernichtet. Dennoch werden nach wie vor die Bergvölker als Brandrodungssünder ange-sehen.

    Arbeitsalltag Frauen stehen meist als Erste auf und zwar schon vor Sonnenaufgang. Sie entzünden das offene

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    Feuer der Kochstelle und bereiten das Frühstück vor, das aus Reis und Gemüse besteht. Während der Reis kocht, werden schon einmal die Hühner und Schweine gefüttert. Die Kinder müssen zur Dorfschule, die um acht Uhr beginnt. Die Feldarbeit nimmt am meisten Zeit in Anspruch, besonders in der Pflanz- und Erntezeit. Regelmäßig muss das Unkraut auf den Feldern gejätet werden. Männer und Frauen teilen sich die Feldarbeit, wobei Roden und Pflügen Männerarbeit ist. Manchmal müssen die Dorfbewohner eine Stunde laufen bis sie ihre Felder erreichen. In der Trockenzeit nach der Reis-ernte ist weniger zu tun als im Rest des Jahres. Es ist die Zeit gegenseitiger Dorfbesuche und Feste. Viele gehen aber auch zum Arbeiten in die Stadt. Die Frauen kümmern sich mehr als die Männer um die Kinder und den Haushalt. Sie beschäftigen sich außerdem regelmäßig mit Web- und Näharbeiten, während die Männer in ihrer „Freizeit“ jagen oder schlicht ausruhen.

    Reisanbau

    Reis ist Leben Reis nimmt in allen Gesellschaften Südostasiens eine Sonderstellung ein. Auch bei den Bergvölkern wird Reis fast immer zu allen Mahlzeiten gegessen. Auch mengenmäßig wird bei jeder Mahlzeit am meisten Reis gegessen. Deshalb hat die Versor-gung mit Reis Priorität. Wenn die Reismenge im Eigenanbau nicht reicht, wird er von anderen Haushalten oder auf dem Markt gekauft. Der Reis wird mit Gemüse gegessen. Gerne werden Fisch, Flusskrebse oder Muscheln verzehrt. Fleisch gibt es bei der Durchschnittsfamilie eher selten. Ärmere Haushalte essen manchmal über Wochen nur Reis mit Fischsauce und Chili. Deshalb herrscht selbst in Nordthailand in manchen verarmten Dörfern Man-gelernährung speziell bei Kindern.

    Auch der Reis hat eine Seele Mit dem Agrarzyklus sind viele Opferriten verbun-den. Vor der Aussaat des Reises oder vor der Ernte opfern die Karen der Reisseele (bu k’la). Dazu wird ein Altar aus Bambus am Feldrand errichtet und ein Huhn sowie selbst gebrannter Schnaps geopfert.

    Nach der Ernte bittet man darum, dass die Seelen des Reises für die neue Aussaat wieder zurückkeh-ren mögen.

    Höhere Erträge durch Nassreis Seit einigen Jahrzehnten bauen die Karen in ge-eigneten Lagen Nassreis an. Bei den höher sie-delnden anderen Gruppen sind Nassreisfelder sel-ten. Der Vorteil beim Nassreis liegt in den höheren Erträgen. Die Vorbereitung der Felder ist jedoch arbeitsintensiver.

    Nach dem Pflügen werden Dämme gebaut, die entweder das Regenwasser oder aus Bächen zu-geleitetes Wasser halten. Steht ein Feld unter

    Wasser, wird es bepflanzt. Dazu nimmt man die in speziellen Zuchtbeeten gewachsenen Reispflanzen und pflanzt sie in das Nassreisfeld.

    In den Monaten der Reifezeit muss kein Unkraut gejätet werden, da das Feld von Wasser überflutet ist. Nach etwa sieben Monaten wird mit einem spe-ziellen Messer mit gebogener Klinge geerntet. Am Ernten und Verpflanzen sind immer mehrere Haus-halte beteiligt, die sich gegenseitig helfen.

    Ohne Pflug und ohne Dämme: Bergreis

    Der Bergreis wird einfach zu Beginn der Regenzeit im Mai eingesät. Bis zur Ernte im Oktober muss das Unkraut regelmäßig gejätet werden. Der Berg-reis wird mit seinem kräftigeren Geschmack beson-ders geschätzt.

    Beide Reissorten müssen nach dem Ernten gedro-schen werden. Dazu schlägt man die Reisähren auf den Boden des Dreschplatzes. Die Reiskörner wer-den dann mit einem Fußstampfer entspelzt, das bedeutet, dass die Hülsen der Reiskörner entfernt werden.

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    Reis worfeln, Karen-Dorf Huai Gäo 2011 © R. Platz

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    Opium im Goldenen Dreieck Mitte des 19. Jahrhunderts stieg in China auf Drän-gen der Briten der Konsum von Opium stark an. Die Briten dominierten den Handel und importierten das Opium aus ihrer Kolonie Indien. Um die Nachfrage in China befriedigen zu können, musste in der Re-gion selbst Opium produziert werden. Diese Aufga-be übernahmen die in den Bergregionen lebenden Minderheiten Yünnans.

    Von Yünnan aus verbreitete sich der Anbau von Mohn nach Burma, Laos und Nordthailand. Die in Nordthailand und Burma lebenden Karen haben jedoch kein Opium produziert. In Nordthailand ge-hörte somit die Hälfte der Bergbevölkerung nicht zu den Opiumproduzenten

    Opiumanbau und Handel

    Noch während der Regenzeit, meist im August, wird der Mohnsamen eingesät. Dazu werden gerne die abgeernteten Maisfelder genutzt. Nach etwa vier bis fünf Monaten Reifezeit wird die Mohnkapsel mit einem speziellen Ritzmesser eingeritzt. Dafür braucht man eine gewisse Erfahrung, damit nicht zuviel oder zuwenig Saft austritt. Eine Kapsel kann über 30 Mal angeritzt werden. Der weiße Saft aus der Kapsel oxydiert mit Sauerstoff und wird am nächsten Tag mit einem speziellen Schaber abge-streift. Die jetzt braune Masse kann als Rohopium gegessen oder geraucht werden und ist sehr lange Zeit haltbar.

    Die Opiumaufkäufer sind meist ethnische Chine-sen. Die Produzenten bekommen nur einen Bruch-teil des Wertes. Gleichwohl war der Erlös aus dem Opium lange Zeit die einzige Bargeldquelle. Das Rohopium, früher mit Maultierkarawanen transpor-tiert, wird nach der Ernte in ein Labor gebracht. Unter Zusatz von Essigsäureanhydrid wird durch Kochen der Rohmasse Heroin produziert. Für ein Kilogramm Heroin werden 10 Kilogramm Rohopium benötigt.

    In Myanmar haben sich Teile der gegen die Zentral-regierung kämpfenden Rebellen mit Opium finan-ziert. Ein bekannter Drogenbaron war Khun Sa, ein vorgeblicher Freiheitskämpfer für die Minderheit der Shan im Osten des Landes. Noch in den 1980-er Jahren wurden in Myanmar bis zu 2.000 Tonnen Rohopium produziert. Aktuell ist Afghanistan der größte Opiumproduzent.

    Heute ist die Situation im Goldenen Dreieck je nach Land verschieden. Generell hat die Bedeutung von Mohn abgenommen. Angesagt sind stattdessen Designerdrogen wie die Methamphetamine – Auf-putschmittel – die in grenznahen Labors in Myan-mar hergestellt und vor allem ins Nachbarland Thai-land exportiert werden.

    Ya Ba – Pillen, die verrückt machen

    Das neue große Geschäft im Goldenen Dreieck sind seit Jahren Designerdrogen wie Methamphetamine, hergestellt in Labors in Ostburma entlang der chinesischen und thailändi-schen Grenze. Kontrolliert wird das Gebiet von der United Wa State Army (UWSA), die aus den Gueril-latruppen der Kommunistischen Partei Burmas hervorgegangen ist. Das Fußvolk der Truppe ge-hört zur Minderheitengruppe der Wa, die Führer sind jedoch ethnische Chinesen. Seit 1989 gibt es einen Waffenstillstand mit der Regierung. Das Ge-biet der nördlichen Shan Staaten und Kokang in Myanmar entlang der chinesischen Grenze steht de facto unter Selbstverwaltung. Die Produktion und der Handel mit Drogen sind wesentliche Wirt-schaftszweige in einem verarmten Landstrich. Doch nicht nur die Wa-Rebellen, sondern auch die Zent-ralregierung Myanmars ist in das Drogengeschäft involviert. Besorgt um den schlechten Ruf, bemü-hen sich die Führer der UWSA immer wieder, alter-native Einkommensquellen für die verarmten Bau-ern, die meist zu ethnischen Minderheiten gehören, zu schaffen. So wurde auch mehrmals ein Opium-bann verhängt, doch ist die Produktion 2011 eher wieder im Steigen begriffen.

    Der größte Anteil der Droge ist für den Markt in Thailand bestimmt. Methamphetamine sind starke Aufputschmittel, die schnell süchtig machen und verheerende physische wie psychische Folgen haben. Deshalb ist ihr in Thailand gebräuchlicher Name Ya Ba, die „verrückt machenden Pillen“.

    Opium – eine Volksdroge?

    In Myanmar ist der Anbau von Mohn offiziell verbo-ten, aber in großen Teilen des Nordostens ist Opi-um ohne wirtschaftliche Alternative geblieben und daher weiterhin dominant. In Thailand werden durch schärfere Kontrollen und staatliche wie inter-nationale Wirtschaftsprogramme, die alternative Einkommensquellen schaffen, nur noch wenige Tonnen für den Eigenbedarf angebaut. In der ge-samten Region sind jedoch Teile von Armee und Polizei in den Drogenhandel verstrickt.

    Das Opium war für die Bauern nie eine Volksdroge wie Alkohol. Dafür wirkt es bei längerem Gebrauch zu verheerend. Regelmäßiges Opiumrauchen ist sozial geächtet. Je nach sozialen Verhältnissen gibt es jedoch eine unterschiedlich hohe Anzahl von Drogenabhängigen in den Dörfern. Opium wurde vor allem als Heilmittel bei Schmerzen, Durchfall und psychischen Krisen benutzt.

    Der ökonomische Wandel Die Ökonomie der Bergvölker hat sich in den letz-ten 20 Jahren stark gewandelt. Zwar wird noch immer der Grundbedarf an Nahrung selbst ange-baut, aber durch die steigende Nachfrage nach Konsumgütern brauchen die Haushalte mehr Bar-

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    Kleidung für einheimische Touristen im Hilltribe Stil 2011 © R. Platz

    geld. Gehen die Kinder zur Schule, fallen sie als Arbeitskraft aus und kosten zudem Geld. So wur-den auch mittels ausländischer Hilfe in Thailand und später Laos Cash Crops, Pflanzen, die für den Verkauf angebaut werden, eingeführt. Dazu zählen Kaffee, Tee, Ingwer, Kohl, Knoblauch oder Obst-plantagen.

    Die Armut ist geblieben

    Vor allem sollte durch alternative Anbauprodukte die Produktion von Opium eliminiert werden. Das Problem besteht aber in mangelnden Vermark-tungsstrukturen. Es gibt zwar lokale Märkte, aber meist wird an Großeinkäufer und Zwischenhändler verkauft. Ein Genossenschaftssystem gibt es in keinem der Länder des Goldenen Dreiecks. Die Transportwege sind oft noch immer zu lang, auch wenn in Thailand die Verkehrsstruktur wesentlich besser ist als in den Nachbarländern. So sind zwar einige Hmong-Dörfer in Nordthailand durch den intensiven Anbau von verschiedenen Kohlsorten zu bescheidenem Wohlstand gelangt, aber die Mehr-zahl der Haushalte kann schwerlich oder gar nicht von ihren Anbauprodukten leben.

    Die Minderheiten bleiben marginalisiert

    Dazu kommen nach wie vor ungeklärte Landrechte. In Thailand gehört in den Wald- und Bergregionen alles nicht registrierte Land dem Staat. Die Nass-

    reisfelder sind in der Regel im Katasteramt einge-tragen, aber nicht die Brandrodungsfelder. Die Al-ternative ist die Lohnarbeit in der Stadt, auf die immer mehr zurückgegriffen wird. Manche junge Familie zieht dauerhaft in die Stadt, in anderen Haushalten bleiben die Kinder bei den Großeltern zurück, während die Eltern für mehrere Monate in der Stadt einfachen, gering bezahlten Tätigkeiten nachgehen.

    Tourismus in den Bergdörfern

    Der Tourismus bringt nur für relativ wenige Dörfer Einkommensmöglichkeiten. Von den über 3.000 Dörfern in Thailand werden nur um die 100 regel-mäßig von Besuchern aufgesucht. Die meisten sind Tagestouristen. Trekking-Touristen bleiben meist nur eine Nacht im Dorf. Die Gastgeber bekommen etwas Geld für Essen und Übernachtung.

    Die Frauen bieten Souvenirs wie Taschen oder Geldbörsen an. Für deren Produktion werden zwar traditionelle Applikationstechniken angewandt, je-doch in neuen Farben und Designs. Die Objekte sind ausschließlich für Touristen gedacht. Der Tou-rismus hat in Laos in den letzten Jahren stark zu-genommen, konzentriert sich jedoch auf bestimmte Regionen. Die Minderheitengebiete im Osten von Myanmar sind militärisches Sperrgebiet.

    Mit der Exotik der so genannten Hilltribes wird nach wie vor in thailändischen Magazinen und Agenturen

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    geworben. Die Minderheiten stehen aber weiterhin an der unteren Skala der im Tourismus erworbenen Verdienste. Die Welt der Bergbewohner dient oft als beiläufige Kulisse.

    Religion

    Tradition und neue Strömungen

    Trotz lokaler Unterschiede und unterschiedlicher Begrifflichkeiten gibt es große Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Gruppen. Ahnenkult prak-tizieren alle. Die Ahnen können in die Welt der Le-benden eingreifen, sie können helfen, aber auch strafen. Deshalb müssen die Ahnen durch Opfer-gaben friedlich gestimmt werden. In jedem Haus steht ein Altar mit kleinen Schälchen, die mit selbst gebranntem Schnaps gefüllt und den Ahnen darge-boten werden. Bei speziellen Zeremonien werden den Ahnen auch Hühner geopfert. Meist erstreckt sich die Ahnenreihe auf zwei Generationen.

    Die traditionelle Religion der Minderheiten zeichnet sich durch zahlreiche Naturgeister aus wie Wald- oder Wassergeister. Die Geister will man nicht ver-ärgern. Sollten sie einem dennoch wegen Fehlver-haltens die Seele rauben, müssen Heilungsrituale mit einem Tieropfer durchgeführt werden. Manche Gruppen wie die Karen oder Lahu kennen eine Art Schöpfergott, der im religiösen Alltag jedoch keine große Rolle spielt. Dennoch knüpfen christliche Missionare daran an und stilisieren die Konvertiten zu Urchristen.

    Eine viel wichtigere Rolle nehmen die „Territorial-geister“ wie der Dorfschutzgeist ein, der über das Dorf wacht. Jedes Jahr findet eine Neujahrszere-monie statt, bei der die Bande zur Schutzgottheit erneuert werden. Tänze und Festessen gehören zum Neujahrsfest dazu.

    Ein Mensch besitzt in der Regel mehrere Seelen, die im Körper lokalisiert sind. Bei den Karen sind es 33, die höchste ist k’la kho, sie ist im Kopf lokali-siert. Seelen können den Körper verlassen, ein Geist kann von ihnen Besitz ergreifen, worauf der Mensch erkrankt. Dann wird eine Seelenrückrufze-remonie von einem Experten durchgeführt. Die meisten glauben an ein Leben nach dem Tod oder, wenn es Buddhisten sind, an eine Wiedergeburt. Am meisten verbreitet ist bei Beerdigungen die Erdbestattung.

    Rituelle Experten – Schamanen und Priester

    In jeder Gesellschaft gibt es rituelle Experten. Bei den Mien durchlaufen die Priester mehrere Rang-stufen. Bei den Karen wird das Amt vererbt, womit eine gewisse politische Macht verbunden sein kann. Die Lisu kennen das Amt des Priesters, der für alle Zeremonien, die den Dorfschutzgeist apa mu betreffen zuständig ist und einen Schamanen für die Heilungsrituale. Bei den Hmong gibt es auch

    weibliche Schamanen. Schamanen stehen in Kon-takt mit ihren Schutzgeistern und kommunizieren mit ihnen in Trance, die sie durch Rasseln herbei-führen können. Diese geben ihnen Anweisungen für das Heilungsritual. Vielleicht wurde ein Geist beleidigt und er wird besänftigt, indem man ihm ein oder zwei Hühner opfert.

    Buddhismus und traditionelle Religion

    Nominell ist die Mehrheit der Bergbevölkerung Buddhisten. Die traditionelle Religion steht aber weiter im Mittelpunkt der religiösen Praxis. Der Buddhismus Südostasiens kennt keine Berüh-rungsängste mit traditionellen Religionsformen. So steht auch vor fast jedem thailändischen Haus ein Geisterhäuschen für den Erdgeist.

    Das Christentum hält Einzug

    Etwa 20% der Bergminoritäten sind christlich, etwa zu gleichen Teilen evangelisch und katholisch. Ihr Anteil sowie die Missionsbestrebungen der evange-likalen Gruppen in Thailand insbesondere aus den USA und Südkorea sind jedoch steigend.

    Bei den Karen haben die Baptisten, die in den 1820-er Jahren in Burma zu missionieren began-nen, eine starke Stellung. Etwa ein Drittel der Karen beiderseits der Grenze ist daher christlich.

    Missionierung

    Schon im 19. Jahrhundert haben meist amerikani-sche Missionare in Burma die Bibel in die Sprachen der Minderheiten übersetzt und schriftlosen Völkern wie den Karen auf der Basis des burmanischen Alphabets eine eigene Schrift gegeben, die sich später auch in Thailand verbreitete. Indem Missio-nare gezielt unter den Minderheiten das Christen-tum verbreiteten, werteten sie diese auf. In den Augen ihrer buddhistischen Nachbarn waren die Minderheiten eher minderwertig. Jetzt bauten ihnen die Kolonialherren in Burma Schulen und Kranken-häuser und brachten ihnen eine neue Religion, die als dem Buddhismus ebenbürtig angesehen wurde.

    Das verlorene Volk

    Yoà ist eine Art Schöpfungsgott der Karen. Eine Reihe von Brüdern, welche die Urahnen der ver-schiedenen Völker repräsentieren, bekommt von ihm ein Goldenes Buch der Weisheit. Der Karen ist der Älteste dieser Ahnen. Als er, um sein Feld zu bestellen, den Wald rodet und abbrennt, legt er sein Buchexemplar achtlos beiseite. Unglücklicherweise geht es in Flammen auf. Weil die Karen ihr Buch der Weisheit somit verloren haben, können sie auch keine eigene Schrift entwickeln. Die Karen sind also benachteiligt im Vergleich zu anderen Völkern. Sie werden von den anderen ausgebeutet und übervorteilt. Die Identität kollektiven Leidens ist in vielen Karen tief verwurzelt Doch eine Prophe-zeiung lautet, dass eines Tages der jüngere weiße

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    Bruder kommen und das verlorene Buch zurück-bringen wird. Dann werden auch für sie bessere Tage anbrechen.

    Die Karen in Burma deuteten das Auftauchen der weißen Missionare im 19. Jahrhundert als Erfüllung ihrer mythologischen Prophezeiung. Die Karen wiederum wurden zu Lieblingen der Missionare, denn sie folgten im Vergleich zu ihren Nachbarn einer relativ strengen Monogamieregel. Yoà, der Schöpfungsgott wurde mit dem biblischen Yahweh gleichgesetzt. Und so sehen sich auch heute noch viele christliche Karen als eine Art christliches Ur-volk, das von den weißen Missionaren wieder er-weckt wurde. Allerdings hatte in der traditionellen Religion der Karen yoà keine essentielle Bedeu-tung. Der Herr des Landes und des Wassers, thi k’cha kho k’cha, eine Art Schutzgeist, spielte eine wesentlich prominentere Rolle innerhalb der traditi-onellen Religion.

    Lebendiger Daoismus – Die Mien

    Die Mien sind das einzige Bergvolk, das seit Jahr-hunderten daoistische Elemente in seine Religion integriert hat.

    Die Mien sind eine Untergruppe der Yao, die sich ihrerseits in mehrere weitere Subgruppen unterteilt. Die Mien in Thailand und Laos gehören zu den Iu Mien. In der Großregion gibt es mehr als 2 Millio-nen Yao, die meisten davon leben im Süden Chi-nas.

    Die Priester der Mien Bei den Mien gibt es initiierte Priester, die sich in vier Grade unterteilen lassen. Der höchste Priester ist der Dao Gong, welcher die chinesisch verfass-ten Ritualtexte lesen können muss. Zumindest den ersten Grad, “Kwa Fam Toi Tang“ (Hängen der Drei Lampen) sollte jeder männliche Mien als eine Art Initiation durchlaufen. Je höher der Grad, desto aufwändiger sind die Rituale zur Erlangung der jeweiligen Stufe, verbunden etwa mit einem einwö-chigem Fasten beim „Kwa Tang To Sai“ (Hängen der 12 Lampen). Bei diesem Ritual werden auch die Ehefrauen der Initianten mit einbezogen. Zwölf Priester begleiten das Ritual.

    Nach Abschluss der Rituale dürfen die Initianten einen bestimmten Satz an Rollbildern anfertigen lassen. Außerdem dürfen sie im Haus einen Altar errichten. Die mehrtägigen Zeremonien sind mit großem finanziellem Aufwand verbunden, müssen doch die zahlreichen Gäste bewirtet werden.

    Göttliche Präsenz in den Rollbildern Die von den Mien gebrauchten bemalten Rollbilder aus Papier begleiten nicht nur die Initiationsrituale, sondern auch Heilzeremonien und Beerdigungen. Auf den Bildern sind daoistische Gottheiten darge-stellt. Die Götter sind in den Bildern präsent und setzen dadurch ihre Kraft in den Ritualen ein. Die Reihenfolge der aufgehängten Papierrollen wäh-

    rend der Rituale ist genau festgelegt. Wenn die Bilder beschädigt sind oder aus anderen Gründen nicht mehr zum Einsatz kommen, werden die Göt-ter von einem Priester gebeten, die Bilder zu ver-lassen.

    Daoistisches Rollbild der Mien 1. Hälfte 20. Jhd. © C. Obrocki

    Kampf ums Überleben – Karen in Myanmar und Hmong in Laos

    Die Karen in Myanmar

    Die Karen sind in die beiden Hauptgruppen Sgaw und Pwo und weitere Untergruppen unterteilt. Vier Millionen Karen leben in Myanmar. Etwa ein Drittel sind Christen, die Mehrheit davon Sgaw. Karen ist also nur ein Oberbegriff für unterschiedliche Grup-pen. Die im Delta des Ayeyarwady siedelnden Ka-ren sind weitgehend assimiliert, die an der Grenze zu Thailand Lebenden meist Dorfbewohner und Bauern.

    Mehr oder weniger unbeachtet von der Weltöffent-lichkeit herrscht im Kayin State im Osten Myanmars seit 60 Jahren Bürgerkrieg. Nach der Unabhängig-keit des Landes 1948 sollte jede größere Minder-

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    heit eine Teilautonomie erhalten. Spätestens nach der Ermordung des Nationalhelden Aung San 1947 wurde das Militär immer mehr zum wichtigsten politischen Akteur. Noch heute wird trotz der aktuell stattfindenden Veränderungen das Land von den Militärs kontrolliert.

    Neben anderen größeren ethnischen Gruppen, wie den Kachin oder den Shan, haben sich die Karen schon früh bewaffnet, um gegen die Zentralregie-rung zu kämpfen, die mit brutaler Gewalt eine Burmanisierung erreichen wollte.

    Der Kampf gegen die verbleibenden Rebellen wird mit großer Härte geführt. Besonders die Regie-rungsarmee macht sich schwerster Menschen-rechtsverletzungen schuldig. Dörfer werden abge-brannt, die Zivilbevölkerung ermordet, Frauen vergewaltigt, die Ernte vernichtet. Die Bevölkerung muss Zwangsarbeit verrichten oder wird bei Feld-zügen als Träger missbraucht. Die Folge ist die Flucht nach Thailand, wo alleine über 100.000 Ka-ren in Flüchtlingslagern leben. In Myanmar selbst gibt es Zehntausende Binnenflüchtlinge. Im Mo-ment gibt es einen Waffenstillstand, der Anlass zur Hoffnung bietet, aber Übergriffe der Regierungs-truppen sind nach wie vor zu verzeichnen.

    Von diesem Krieg sind aber nur die Karen entlang der Grenze zu Thailand betroffen. Dort konzentrie-ren sich die Rebellen der Karen National Union (KNU), die bis in die 1990-er Jahre große Teile der Grenze erfolgreich kontrollierten. Die Führungsspit-ze der Karen-Rebellen ist christlich dominiert. Mitte der 1990-er Jahre hat sich eine Fraktion abgespal-ten, die sich Democratic Buddhist Karen Army (DBKA) nennt und zusammen mit der Regierungs-armee die KNU bekämpft. Die Delta-Karen sind vom Krieg weiter im Osten nicht betroffen.

    Die Hmong und der „Geheime Krieg“ in Laos

    Der „Vietnam-Krieg“ (1964-1975) ist weltweit be-kannt. Dass die USA etwa zeitgleich auch in Laos Krieg führten, wissen bis heute nur Wenige.

    Im ‚Kampf gegen den Kommunismus’ operierte der amerikanische Geheimdienst (CIA) von 1961 bis 1975 im offiziell neutralen Laos in einem verdeck-ten Krieg, der auch als „Geheimer Krieg“ bezeich-net wird. Die Amerikaner stellten den Krieg in der Öffentlichkeit als Bürgerkrieg dar. Als Guerillakämp-fer setzten sie vor allem Mitglieder der ethnischen Minderheit der Hmong ein, die (meist unzurei-chend) ausgebildet und bewaffnet wurden sowie Soldaten der regulären Royal Lao Army. Ameri-kanische Soldaten kamen nicht zum Einsatz.

    Unter dem Hmong General Vang Pao kämpften etwa 40.000 Hmong und Angehörige anderer Min-derheiten für die USA gegen die 1955 gegründete kommunistische Bewegung Pathet Lao.

    Auch im Pathet Lao, der von der Sowjetunion und Nordvietnam unterstützt wurde, waren zahlreiche

    Hmong vertreten. Etwa 30.000 Hmong-Kämpfer starben während des „Geheimen Krieges“.

    Neben den Guerillakämpfen flogen die USA mit Hilfe ihrer Verbündeten Luftangriffe auf Gebiete, in denen sie kommunistische Truppen vermuteten. Dabei starben unzählige Hmong und andere Zivilis-ten; Dörfer und Felder wurden zerstört und zwan-gen die Menschen zur Flucht aus den Konfliktzo-nen.

    Während des Vietnam-Kriegs verschärfte man die Luftangriffe, oftmals als 24-stündiges Dauerbom-bardement, in dem Versuch, den Ho-Chi-Minh-Pfad in Südlaos zu zerstören. Dieser wurde für militäri-sche Transporte nach Vietnam genutzt. Noch heute sind bestimmte Regionen in Laos mit Streubomben vermint, die weiterhin eine große Gefahr für die ansässige Bevölkerung darstellen.

    Hmong auf der Flucht und in der Diaspora

    Nach der endgültigen Niederlage im Vietnamkrieg verließ die CIA 1975 Laos.

    Die Kooperation vieler Hmong mit den USA machte sie zu einer Zielscheibe für Vergeltungsschläge durch die Pathet Lao.

    Granaten aus dem Vietnam-Krieg, Hmong-Dorf, Laos, 2011 © C. Levanas

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    Direkt nach der Nieder-lage flogen die Ameri-kaner höhere Hmong-Mitglieder des Militärs in die USA aus, darunter General Vang Pao. Anderen Hmong gelang die Flucht nach Thai-land, wo sie in Flücht-lingslagern lebten. Von dort emigrierten viele Hmong, vorwiegend nach Nordamerika und Europa. Die größte Hmong-Diaspora findet sich heute in den USA. Dort leben über 200.000 Hmong hauptsächlich in den Bundesstaaten Kalifornien, Minnesota und Wisconsin.

    Heute hat die laotische Regierung die Lage weitgehend unter Kon-trolle.

    Außerdem gibt es auch Hmong, die in den zent-ralen Organen der kommunistischen Partei von Laos vertreten sind.

    Schwäbische Hmong

    Etwa 100 Hmong wohnen seit 1979 im Kreis Sig-maringen in Süddeutschland. Nachdem Argentinien fünf Flüchtlingsfamilien die Aufnahme zugesichert, aber im letzten Moment wieder entzogen hatte, nahm Deutschland sie auf.

    Nach mehrjährigem Aufenthalt in einem Flücht-lingsaufnahmelager und einem Ausländerwohn-heim zogen sie in die Kleinstadt Gammertingen und Umgebung.

    Familie Vang, eine der geflohenen Familien, stammt aus einem Dorf in der Provinz Sayaburi im Nordwesten von Laos. Das Dorf war nicht direkt vom Krieg betroffen, doch es drangen Berichte über den Krieg zu den Dorfbewohnern. Nach Ende des Krieges kamen Nachrichten über Verfolgung, Ver-schleppung und Umerziehungslager hinzu. So be-schlossen die Dorfbewohner zu fliehen.

    Die Hmong-Familien in Gammertingen und Umge-bung stehen in regelmäßigem Kontakt zueinander. Auch zu den in Frankreich lebenden Hmong wer-den enge Beziehungen gepflegt. Ein Teil der

    Hmong ist nach der Flucht aus Laos Mitglied der Missions-Allianz-Kirche (C&MA) geworden, so dass die Treffen auch der gemeinsamen Religionsaus-übung dienen. Nicht zuletzt sind die Kontakte zu anderen Hmong auch für die Eheschließung wich-tig: Auch in der Diaspora werden die meisten Heira-ten zwischen Hmong geschlossen.

    Gleich die erste Generation hat trotz geringer Deutschkenntnisse in Deutschland Arbeit gefunden. Heute sprechen gerade die Jüngeren neben Hmong nicht nur fließend Deutsch, sondern vor allem auch Schwäbisch und sind durch Schule, Ausbildung, Arbeit und örtliche Sportvereine inte-griert. Gekocht wird meist wie in Laos – nur zum Frühstück gibt es keinen Reis mehr. Zu feierlichen Anlässen tragen die Hmong ihre traditionelle Klei-dung, die noch weitgehend selbst hergestellt wird.

    Nach Laos ist die Familie Vang seit ihrer Flucht nicht mehr gereist. Weiterhin hat man Angst vor Polizei und Militär. Dass die Familie den gleichen Klannamen trägt wie der General Vang Pao, wird dabei als besondere Gefahr gesehen.

    Auf die Frage, was sie in Deutschland am Meisten vermissen, kommt ohne Zögern die Antwort: „die Familie“ – das große Netz an Verwandten, das sie in Laos zurücklassen mussten.

    Dr. Roland Platz ist Ethnologe und seit 2009 Kurator für Süd-/Südostasien am Ethnologischen Museum in Berlin. Die erste Feldforschung bei den Bergvölkern führte ihn 1988 für ein Jahr zu den Lisu nach Nordthai-land. Im Zeitraum von 1997 bis 2001 folgten weitere Forschungen bei den Karen in Nordthailand.

    Die Familie Vang in Gammertingen, 2011,© R. Platz

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    Nachhaltige Entwicklung in Thailands Bergregionen: Erfahrungen aus einem

    multidisziplinären Forschungsprogramm Franz Heidhues, Andreas Neef

    Die Entwicklung der Bergregionen in Südostasien ist in den letzten zwei Jahrzehnten von einer Randposi-tion zunehmend ins Zentrum der Förderpolitik von Regierungen und internationalen Organisationen gerückt. Die Substitution des Opiumanbaus, Sorgen über die Folgen großflächiger Abholzung mit den damit einhergehenden Problemen wie Erosion, Biodiversitätsverlust und Bodendegradation sowie die zunehmende ökonomische und soziale Margina-lisierung dieser Regionen haben dazu beigetragen, dass die Entwicklung der Bergregionen eine wach-sende Priorität in der Politikagenda der Regierungen Südostasiens erhielt (Friederichsen und Neef 2010). Programme zur Förderung nachhaltiger Entwicklung in diesen Bergregionen sind allerdings häufig fehl-geschlagen oder konnten nur bescheidene Erfolge aufweisen. Fehlerhaft konzipierte Politikmaßnahmen und Programme, die die Multidimensionalität einer nachhaltigen Entwicklung der Bergregionen außer Acht gelassen haben und zumeist ohne echte Parti-zipation der betroffenen Akteure entwickelt und umgesetzt wurden, sind zentrale Ursache dieser Fehlschläge (Neef 2012).

    Im Folgenden wird ein Aktionsforschungsprogramm diskutiert, das im Rahmen des DFG geförderten Sonderforschungsbereichs „Nachhaltige Landnut-

    zung und ländliche Entwicklung in Bergregionen Südostasiens“ (SFB 564), implementiert wurde. Der SFB 564, der nach einer Förderung durch die Deut-sche Forschungsgemeinschaft von insgesamt 12 Jahren (Juli 2000 – Juni 2012) derzeit in Form von anwendungsorientierten Transferprojekten in Thai-land und Vietnam weitergeführt wird, hat das Ziel, durch Schaffung der wissenschaftlichen Grundlagen die Entwicklung und Erprobung nachhaltiger Land-nutzungssysteme und Produktionsverfahren sowie die Erarbeitung ländlicher Entwicklungskonzepte zur Lösung der Probleme ländlicher Armut in den Berg-regionen Südostasiens zu fördern. Zwei Grundprin-zipien sind charakteristisch für die Forschungsarbei-ten des SFBs: (1) die Verfolgung des Nachhaltigkeitszieles in seinen drei Dimensionen, die als gleichwertig angestrebt werden, d.h. die ökologische Nachhaltigkeit als Erhalt oder Verbes-serung der Qualität und Vielfalt der natürlichen Ressourcen in den Landnutzungssystemen; die ökonomische Nachhaltigkeit, d.h. die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Landnutzungssysteme und ihre Anpassungsfähigkeit an sich ständig ändernde de-mografische und institutionelle Rahmenbedingun-gen; und die soziale Nachhaltigkeit, d.h. die Akzep-tanz von Änderungen in den Landnutzungssystemen im jeweiligen sozio-

    kulturellen Kontext; (2) das zweite Grundprinzip des SFBs 564 bezieht sich auf den partizipativen Forschungsan-satz, d.h. Forschungsarbeiten sollen mit den Bäuerinnen und Bauern und ande-ren Betroffenen bzw. Beteiligten in per-manenter Rückkoppelung der wissen-schaftlichen Ergebnisse durchgeführt werden. Die folgenden drei Komponen-ten eines Aktionsforschungsprogramms in Nordthailand zeigen, wie eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Forschungsarbeit, die diese Grundprin-zipien verfolgt, implementiert wurde und welche Ergebnisse sich daraus erga-ben. Das Ziel des Forschungspro-gramms ist es, nachhaltige Innovatio-nen zu entwickeln, die den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, d.h. der ökologischen, der sozialen und der ökonomischen Dimension gerecht wer-den (s. Schaubild 1). Dabei wird im ersten Fall gezeigt, wie politische Ent-

    SozialeDimension

    ÖkologischeDimension

    ÖkonomischeDimension

    KooperativesRessourcen‐management

    Verarbeitungs‐& Vermarktungs‐

    netzwerke

    Zahlungen f.ökologischeLeistungen

    (PES)

    Schaubild 1. Dimensionen der Nachhaltigkeit und ihre Ver-knüpfung

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    scheidungsträger zu einem verbesserten, koopera-tiven Management knapper Wasserressourcen beitragen könnten, das die ökologische mit der sozialen Komponente verbindet. Im zweiten Fall werden die ökologische mit der ökonomischen Di-mension in einem vorgeschlagenen Programm der Zahlungen für Ökosystemleistungen (Payments for Ecological Services - PES) verknüpft. Im dritten Beispiel des Aufbaus von Multi-Akteurs-Partnerschaften im Rahmen einer partizipativen Entwicklung von Verarbeitungs- und Vermark-tungsnetzwerken in der Obstproduktion werden die ökonomische und soziale Dimension der Nachhal-tigkeit miteinander verbunden.

    Kooperatives Ressourcenmanagement: Integra-tion von sozialer und ökologischer Dimension Thailands nationale Wasserpolitik folgte bisher weitgehend einem zentralisierten, von den zustän-digen Ministerien in Bangkok bestimmten Politikan-satz, bei dem regionale Behörden die Politik auf Provinz-, Distrikt- und lokaler Ebene durchzusetzen hatten. Das Hauptinteresse galt großen Bewässe-rungsprojekten. Seit Mitte der 1990er Jahre wird eine stärkere Dezentralisierung der Wasserpolitik unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung ange-strebt, wie auch in der Verfassung von 1997 – der so genannten People‘s Constitution, die bis zum Militärcoup 2006 in Kraft war – mit dem Slogan „involve local communities in managing natural resources“ zum Ausdruck gebracht wurde. Eine Reihe von Pilotprojekten mit der Gründung von Flussgebietskomitees (River Basin Committees - RBCs) und ihren lokalen Untereinheiten wurden in der Folge initiiert. Dies sind sozio-hydrologische Entscheidungseinheiten mit den RBCs an der Spit-ze und den Sub-River Basin Working Groups auf der untersten Ebene. Trotz der formalen Einbin-dung der Zivilgesellschaft und des Privatsektors in diesen Komitees haben sie auf die Planung des Wassermanagements durch das 2002 gegründete National Department of Water Resources keinen entscheidenden Einfluss. Daneben existieren die traditionellen administrativen Entscheidungseinhei-ten auf der Provinz-, Distrikt- und Subdistriktebene weiter. Diese Parallelstrukturen mit teilweise unge-klärten Zuständigkeiten tendieren zu Konflikten und werfen erhebliche Koordinierungsprobleme auf (Neef 2008). Außerdem werden auf lokaler Ebene die Vertreter der Water User Associations und der Water User Groups – die für das praktische Mana-gement von Wasser von entscheidender Bedeu-tung sind – nicht systematisch zu den Treffen der Flussgebietskomitees und ihrer Untereinheiten eingeladen.

    Der Erfolg des partizipativen Ressourcenmanage-ments hängt entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, alle betroffenen Akteure einzubinden, die Rechte und Verantwortlichkeiten klar zu definieren und voneinander abzugrenzen, Macht- und Zustän-

    digkeitsasymmetrien, vor allem zwischen zentraler und lokalen Ebenen, zu beseitigen und Abläufe zu koordinieren und transparent zu gestalten. Ohne den ernsthaften politischen Willen, Macht von der zentralen auf die lokale Ebene zu delegieren und dabei die richtige Balance zwischen zentraler Zu-ständigkeit und lokaler Selbstbestimmung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zu finden, wird der Ver-such, ein kooperatives Ressourcenmanagement einzuführen, kaum gelingen. Insbesondere wird angeregt, das Flussgebietsmanagement direkt auf den erfolgreichen Beispielen der über Jahrzehnte gewachsenen lokalen Organisationen im Bereich des Wassermanagements aufzubauen. Das so genannte muang fai System hat sich in thailändi-schen Dorfgemeinschaften in den Flusstälern des Nordens immer wieder an veränderte ökonomische und institutionelle Veränderungen angepasst. Das System zeichnet sich durch ein ausgeklügeltes System von Kanälen (muang) und Wehren (fai) aus, mittels derer Oberflächenwasser aus Flüssen in die Reisfelder geleitet wird (Neef et al. 2007). Auch in den Hanglagen am Oberlauf der Flüsse haben die verschiedenen ethnischen Minderheiten, wie die Hmong, in den letzten Jahren neue Was-sernutzergruppen gebildet, mit zum Teil sehr effek-tiven und flexiblen Entscheidungsstrukturen (Neef et al. 2005).

    In verschiedenen Workshops in den Zielregionen des SFB 564 in Nordthailand, in einem vom Japanese Institute of Irrigation and Drainage in Tokio organisierten Workshop für technische Ex-perten aus Südostasien (2011) und in einem vom SFB 564 durchgeführten Policy Workshop in Bang-kok (2012) sind diese wichtigen Ergebnisse direkt an die thailändischen Entscheidungsträger zurück-gefüttert worden. Dabei wurde betont, dass Tau-sende von Wassernutzergruppen in Thailand kei-nerlei Rechtsstatus besitzen und deshalb dringend ein geeigneter rechtlicher Rahmen geschaffen wer-den muss, um solche Gruppen und ihr wertvolles lokales Wissen in ein kooperatives Management der Wasserressourcen nachhaltig einzubinden. Dies ist umso dringlicher als es in den letzten Jah-ren immer wieder zu Überschwemmungen gekom-men ist, wie es insbesondere die Flutkatastrophe 2011 in Zentralthailand in dramatischer Weise ge-zeigt hat.

    Zahlungen für ökologische Leistungen (PES): Die Verbindung der ökologischen und ökono-mischen Dimension der Nachhaltigkeit In vielen Bergregionen Nordthailands (und Südost-asiens generell) hat die zunehmende Intensivierung der Landnutzung unter überhöhtem Einsatz von Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutzmit-teln zu erheblicher Ressourcendegradierung in Form gesteigerter Bodenerosion, abnehmender Biodiversität und Wasserverunreinigung bis hin zu Unbrauchbarkeit des Wassers in den tiefer gelege-

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    nen Gebieten geführt. Zunehmende Konflikte zwi-schen zumeist aus ethnischen Minderheiten beste-henden Hochlandgemeinden und den Tieflandge-meinden mit vorwiegend Thai-Bevölkerung sind auf diese Probleme und besonders auch auf das Prob-lem abnehmender Wasserqualität zurückzuführen. Zahlreiche Versuche des offiziellen Beratungs-dienstes und von Entwicklungsprojekten, Boden- und Wasserkonservierungsmaßnahmen einzufüh-ren, sind fehlgeschlagen, da sie sich allein auf die technische Durchführbarkeit und die ökologischen Wirkungen konzentriert haben, dagegen die Wirt-schaftlichkeit und sozio-kulturelle Akzeptanz der Maßnahmen vernachlässigt haben (El-Swaify und Evans 1990; Neef 2012). Im SFB 564 der Universi-täten Hohenheim und Chiang Mai ist daher ein kooperatives Modell der Zahlungen für ökologische Leistungen entwickelt worden, in dem Tieflandge-meinden und der Privatsektor über einen Aus-gleichsfond Zahlungen an Dörfer im Hochland leis-ten, wenn diese auf bestimmte umweltschädigende Praktiken verzichten bzw. umweltfreundliche Maß-nahmen zur Erhaltung der Wasserqualität durchfüh-ren (s. Schaubild 2)

    In einer von thailändischen Wissenschaftlerinnen der Chiang Mai University im Rahmen des SFB 564 durchgeführten Studie zur Zahlungsbereitschaft der Tieflandgemeinden für sauberes und ausreichen-des Trinkwasser wurde herausgefunden, dass die

    Bewohner bereit waren, 1% ihres Jahreseinkom-mens für sauberes Trinkwasser in ausreichender Menge zu bezahlen (Sangkapitux et al. 2009). Die-se Mittel könnten den Dörfern im Hochland ausbe-zahlt werden als Kompensation für Einkommens-verluste, die sie aufgrund von Beschränkungen auf umweltfreundliche Praktiken erleiden und für die Finanzierung von umweltschonenden Investitionen. Die praktische Umsetzung scheiterte bislang jedoch sowohl an dem fehlenden politischen Willen seitens der lokalen Verwaltung als auch an dem mangeln-den Vertrauen zwischen den Thais im Tiefland und den ethnischen Minoritäten im Bergland bezüglich der Schaffung und gemeinsamen Verwaltung eines Ausgleichsfonds für Ökosystemleistungen.

    Die Erfahrungen aus diesem und weiteren ähnlich konzipierten Pilotprojekten in Bergregionen Süd-ostasiens lassen sich wie folgt zusammenfassen. Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Ansat-zes ist das Schaffen einer Vertrauensbasis zwi-schen Anbieten und Nutznießern ökologischer Leis-tungen. Oft reichen die finanziellen Anreize, die sich aus der Zahlungsbereitschaft der Nutznießer ergeben, nicht aus, die potentiellen Anbieter um-weltfreundlicher Leistungen zu solchen Maßnah-men zu bewegen; zusätzliche Zahlungen durch die öffentliche Hand aber auch Zusicherungen von langfristigen Ressourcenrechten können für die Bereitschaft sich an solchen Maßnahmen zu beteil-

    Hochland-gemeinden

    Tiefland-gemeinden

    FinanzielleBeiträge

    Ausgleichs-zahlungen Mae Sa Flußkomitee

    • Fondmanagement• Monitoring und Verifizierung

    Ökosystemleistungen in Formvon verbesserten Wasserres-sourcen durch die Übernahmeumweltfreundlicher Praktiken

    Zivilgesellschaft(NGOs, Wasser-

    komitees)

    Privatwirtschaft(Touristik- & Trinkwasser-

    unternehmen)

    SFB 564(Beraterrolle)

    LokaleVerwaltung

    Schaubild 2. Modell für einen Ausgleichsfond für Ökosystemleistungen im Flussgebiet des Mae Sa, Provinz Chiang Mai

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    ligen, entscheidend sein. Von entscheidender Be-deutung ist auch, einen regulatorischen Rahmen auf nationaler Ebene für derartige Ansätze zu schaffen, was trotz einer wachsenden Zahl von Pilotprojekten bislang noch nicht erfolgt ist. Weiter-hin gilt es, Korruption und Trittbrettfahrerverhalten auszuschalten (Neef und Thomas 2009).

    Aufbau von Verarbeitungs-und Vermarktungs-ketten: Verknüpfung von ökonomischer und sozio-kultureller Dimension der Nachhaltigkeit. Beim Aufbau eines Verarbeitungs-und Vermark-tungsnetzwerkes für Litschis in mehreren Hmong-Dörfern in Nordthailand war das interdisziplinäre Zusammenwirken technischer, ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Disziplinen für den Erfolg des Projektes entscheidend.

    Typisch für die Litschiproduktion ist eine relativ kurze Ernteperiode verbunden mit der Schwierig-keit, frische Litschis über längere Perioden zu la-gern. Um eine längere Vermarktungszeit zu ge-währleisten, ist das Trocknen der Litschifrüchte eine geeignete Konservierungsalternative, die auch einen Mehrwert für die Produzenten schaffen kann. In einem Hmong-Dorf in Nordthailand wurde in einem Aktionsforschungsansatz im Rahmen des SFBs 564 eine Kooperative gegründet (die instituti-onelle und sozio-kulturelle Komponente), eine Lit-schi-Trocknungsanlage aufgestellt und technolo-gisch optimiert (die technische Komponente) sowie ein Vermarktungsnetzwerk aufgebaut und bis zum Export biologisch zertifizierter Trockenfrüchte wei-terentwickelt (die ökonomische Komponente).

    Die frisch geernteten Litschis werden vorwiegend von Frauen in der Kooperative gemeinsam geschält und entkernt und in den dazu angeschafften Trock-nungsofen eingestellt. Probleme im Trocknungsver-fahren, wie ungleichmäßiges Trocknen und hoher Energieverbrauch, wurden durch die agrartechni-sche Disziplin im Laufe des Projekts verbessert, die ebenfalls Training in Handhabung und Reparatur der Öfen durchführte. Von den ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen wurde die Ausbildung in Buchhaltung und Kontenführung übernommen sowie die Kontaktaufnahme mit Ver-marktungsinstitutionen wie Supermarktketten (Tremblay und Neef 2009). Aufgrund der Rückfütte-rung von Informationen über verbesserte Vermark-tungsmöglichkeiten im Fair-Trade-Produktbereich wurde mit Hilfe der agronomischen Disziplinen Pestizidanwendung und Düngereinsatz reduziert. Gleichzeitig erforderte die auf frische Litschis erwei-terte Vermarktung die Einbeziehung weiterer Hmong-Dörfer mit unterschiedlichen Klans und die Gründung einer Vermarktungskooperative, wo wie-derum Kompetenz im Institutionenaufbau und in der Koordinierung ethnischer Gruppen gefragt war. Weitere Verbesserungen im Bereich Qualitätskon-trolle, Trocknungstechnik und Einführung des bio-logischen Pflanzenschutzes führten zur Zertifizie-rung von guter landwirtschaftlicher Praxis (Good Agricultural Practice – GAP) und erfolgreichen Vermarktung über international agierende Instituti-onen wie den britischen Nahrungsmittelkonzern TESCO und einen französischen Importeur von fair gehandelten Naturprodukten. Schaubild 3 veran-

    Schaubild 3. Multidisziplinäre Komponenten bei der Entwicklung und Sequenzierung von Innovationen im Bereich Verarbeitungs- und Vermarktungsnetzwerke

    .

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    schaulicht die verschiedenen Schritte, die Rück-kopplungsprozesse und die erforderliche Zusam-menarbeit verschiedener Disziplinen im Prozess des Aufbaus eines nachhaltigen Verarbeitungs- und Vermarktungsnetzwerkes, unter Berück-sichtigung technischer, sozio-organisatorischer und institutioneller Elemente der Innovationsentwicklung In den vergangenen zwei Jahren hat auch die GEPA, Europas größtes Unternehmen im Fair-Trade-Bereich, Interesse an der Vermarktung ge-trockneter Litschis aus der Zielregion des SFBs 564 angemeldet. Die Verhandlungen mit der Kooperati-ve im Hmong-Dorf Ban Mae Sa Noi sind vielver-sprechend verlaufen und es bestehen gute Aus-sichten auf eine künftige Zusammenarbeit (Neef et al. 2012).

    Entscheidend für das Gelingen eines solchen Pro-jektes in einem multi-ethnischen Kontext ist ein flexibler Ansatz mit Rückkopplungsprozessen, Lernbereitschaft und Toleranz bei allen Beteiligten, vertrauensvolle Zusammenarbeit und Durchhalte-vermögen auch bei gelegentlichen Rückschlägen. Eine besondere Herausforderung bleibt, Spannun-gen zwischen verschiedenen Klans zu reduzieren und die Rolle der Frauen in Entwicklungsprozessen zu stärken. Nachhaltigkeit erfordert auch, dass sich ein solches Verarbeitungs- und Vermarktungsnetz-werk über kurz oder lang selbst trägt und von ex-ternen Beratern unabhängig wird. Dazu ist ein früh-zeitiger Aufbau von Ausbildung- und Trainingsprogrammen zur Stärkung lokaler Kompe-tenzen in den verschiedenen Bereichen enorm wichtig und essentieller Bestandteil einer auf Nach-haltigkeit ausgerichteten „Exit-Strategie“ externer Berater/Wissenschaftler.

    Schlussfolgerungen Nachhaltige Entwicklung in Bergregionen Südost-asiens erfordert, gleichzeitig drei Ziele zu erreichen: die Entwicklung ländlicher Regionen zu fördern, Innovationen zu entwickeln und in die Praxis umzu-setzen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu erhalten. Die Herausforderung liegt darin, die richtige Balance in der Erreichung dieser Ziele zu finden. Dabei ist die Anerkennung der lokalen Part-ner als kenntnisreiche Quelle lokalen Wissens und ihre partizipative Einbindung von entscheidender Bedeutung; es geht darum, externes , d. h. von der Wissenschaft erarbeitetes, und lokales Wissen in Kooperation mit Landnutzern und anderen lokalen Betroffenen in partizipativen Prozessen zusam-menzubringen. Das eröffnet die Chance, die drei verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu integrieren.

    Literaturverzeichnis El-Swaify, S. & Evans, D. (1999) Sustaining the

    Global Farm: Strategic Issues, Principles and Approaches. Honolulu: International Soil

    Conservation Organization (ISCO) & Department of Agronomy and Social Science, University of Hawai‘i at Manoa.

    Friederichsen, R. & Neef, A. (2010) Variations of late socialist development: Integration and marginalization in the northern uplands of Vietnam and Laos. European Journal of Development Research 22(4): 564-581.

    Neef, A. (2008) Lost in translation: The participatory imperative and local water governance in North Thailand and Southwest Germany. Water Alternatives 1(1): 89-110.

    Neef, A. (2012) Fostering incentive-based policies and partnerships for integrated watershed management in the Southeast Asian uplands. Southeast Asian Studies 1(2): 247-271.

    Neef, A. und Thomas, D. (2009) Rewarding the upland poor for saving the commons? Evidence from Southeast Asia. International Journal of the Commons 3(1): 1-15.

    Neef, A., Mizuno, K., Schad, I., Williams, P. M. und Rwezimula, F. (2012) Community-based microtrade in support of small-scale farmers in Thailand and Tanzania. Law and Development Review 5(1): 80-100.

    Neef, A., Elstner, P. Sangkapitux, C., Chamsai, L., Bollen, A. und Kitchaicharoen, J. (2005) Diversity of water management systems in Hmong and Thai communities in Mae Sa watershed, northern Thailand. Mountain Research and Development 25(1): 20-24.

    Neef, A., Sangkapitux, C., Spreer, W., Chamsai, L., Bollen, A. Elstner, P. und Kitchaicharoen, J. (2007) Dimensions of water allocation and management in northern Thailand. In: Heidhues, F., Herrmann, L., Neef, A., Neidhart, S., Pape, J., Sruamsiri, P., Dao Chau Thu und Valle Zárate, A. (Hrsg.) Sustainable land use in mountainous regions of Southeast Asia: Meeting the challenges of ecological, socio-economic and cultural diversity. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, S. 37-53.

    Sangkapitux, C., Neef, A., Polkongkaew, W., Pramoon, N., Nongkiti, S. und Nanthasen, K. (2009) Willingness of upstream and downstream resource managers to engage in compensation schemes for environmental services. International Journal of the Commons 3(1): 41-63.

    Tremblay, A.-M. und Neef, A. (2009) Collaborative market development as a pro-poor and pro-environmental strategy. Enterprise Development & Microfinance 20(3): 220-234.

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    Franz Heidhues ist Prof.(em.) an der Universität Hohenheim, Stuttgart, für Entwicklungstheorie und –politik. Seine Forschung konzentriert sich auf Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, ländliche Entwicklung und nachhaltiges Resourcenmanagement. Von 2000 bis 2006 war er Sprecher des DFG-Sonderforschungbereiches 564 „Nachhaltige Landnutzung und ländliche Entwicklung in Bergregionen Süd-ostasiens“; im Rahmen dieses SFBs wurde die oben diskutierte Forschung durchgeführt.

    Prof. Dr. Andreas Neef leitet die Abteilung für „Resource Governance and Participatory Governance“ an der Graduate School of Global Environmental Studies der Kyoto University, Japan, und ist dort für den Studien-gang “International Environmental Management” und die Internationalisierung von Forschung und Lehre zuständig. Seine Forschungsinteressen sind ländliche Innovationsprozesse, partizipative und transdisziplinä-re Ansätze in Forschung und Entwicklung, Agrar- und Umweltethik, Wiederaufbau nach Naturkatastrophen sowie Ressourcenrechte und Ressourcenkonflikte.

    Praktikumsbericht (1)

    Lalna Wetwilai

    (Ein zweiseitiger Bericht kann nicht alles beinhal-ten, was ich während meines Praktikums erfahren habe. Bevor ich zusammenfassend meine Prakti-kumserfahrung berichte, möchte ich mich zunächst einmal vorstellen.)

    Ich heiße Lalna Wetwilai. Ich bin 1991 in Bangkok geboren und da aufgewachsen. Ich lerne Deutsch seit sechs Jahren, da ich in der 10. Klasse das Fremdsprache-orientierte Programm gewählt ha-be. Bei uns standen Japanisch, Französisch und Deutsch zur Auswahl und ich habe mich für Deutsch entschieden! Wie bin ich darauf gekom-men? Meine Mutter hat mir von ihrem schönen Erlebnis in Deutschland erzählt. Sie war davon begeistert, dass die Deutschen sehr nett und hilfs-bereit waren. Meine Meinung nach spielt die Men-talität der Menschen auch eine Rolle, wenn man eine Sprache lernt. Man lernt nicht nur die Spra-che, sondern auch die Kultur bzw. die Menschen kennen. Bis jetzt bereue ich nie, meiner Mutter geglaubt zu haben. 2007 war ich zum ersten Mal in Deutschland als Austauschschülerin. Ich habe zehn Monate bei einer deutschen Gastfamilie ge-wohnt, mit der ich immer noch guten Kontakt habe. Ich bin von diesem wunderbaren Austauschjahr inspiriert, Deutsch weiterzustudieren. Ich studiere momentan Germanistik an der Chulalongkorn Uni-versität und habe noch zwei Semester vor mir. Was ich beruflich damit mache, weiß ich noch nicht genau. Ich habe noch keinen festen Traum-beruf. Ich wünsche mir eine Tätigkeit, die mich

    interessiert und mir Spaß macht. Mein Interesse liegt in interkultu-reller Kommu-nikation und Fremdspra-chen. Das Praktikum am Goethe Institut im Kulturbüro ist dafür sehr geeignet. Was ich mit ,,geeig-net’’ meine, werden Sie dann weiter erfahren.

    Wie gesagt mache ich zwei Monate Praktikum am Goethe Institut Düsseldorf. Ich bin für das Kultur- und Freizeitprogramm verantwortlich. Das heißt, ich organisiere kulturelle Veranstaltungen für inter-nationale Kursteilnehmer, wie Besuche von Aus-stellungen, Stammtische, Tagesausflüge, Partys usw. Ziel ist es, die Kursteilnehmer mit der deut-schen Kultur vertrauter zu machen. Die Gestaltung des Programms sollten wir im Team diskutieren: z.B. welche Programme können wir den Kursteil-nehmern bieten, die möglichst viele interessieren? Ich habe es mir schwierig vorgestellt, weil unsere

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    Zielgruppe von verschiedenen Hintergründen kommt. Die Kursteilnehmer unterscheiden sich in Alter, Herkunft, Deutschkenntnissen usw. Die Tat-sache ist, an jeder Veranstaltung haben verschie-dene Kursteilnehmer teilgenommen. Die meistbe-liebteste Veranstaltung ist der ,,Stammtisch.’’ Da kann man sehr gut Deutsch üben und Freunde finden. Zum Glück findet unser Stammtisch jede Woche statt :) Das Schöne an der Sache ist, alle möchten Deutsch lernen und Freunde finden.

    Ich habe mir nie vorgestellt, so viele Leute aus verschiedenen Ländern in zwei Monaten kennen-gelernt zu haben. Diese Leute haben ganz ver-schiedene Ziele im Leben und Deutsch führt sie zum Ziel heran. Das Goethe Institut kann das er-möglichen. Es ist eine Ehre, beim Goethe-Institut arbeiten zu dürfen. Ich habe nicht nur deutsche Kultur kennengelernt, sondern auch viele andere Kulturen. Es ist sehr interessant, wenn wir die deutsche Kultur mit unseren Kulturen vergleichen. Mein Ziel des Pratikums habe ich auch erreicht. Ich habe erfahren, wie man in einer deutschen Firma arbeitet. Obwohl das Goethe-Institut nur eins aus Tausend ist, habe ich einen guten Ein-blick bekommen. Was ich sehr besonders am Goethe-Institut finde, ist die Atmosphäre unter den Kursteilnehmern. Hier gilt ,,Übung macht den Meister’’ und Fehler sind erlaubt. Man hat keine Angst mehr davor, Fehler zu machen. Das ist die beste Weise, eine Fremdsprache zu lernen.

    In Thailand lernen wir ganz anders. Damals hatte ich immer Angst davor, Deutsch zu sprechen, weil ich keine Fehler machen wollte. Es hat auch mit unserer Kultur zu tun. Wir möchten nie das Ge-sicht verlieren. Eigentlich ist es beim Erlernen der Sprache sehr wichtig, viel sprechen zu üben. Ich habe hier oft gemerkt, wie sich jemand in Deutsch verbessert hat, wenn er ,,einfach Deutsch spre-chen darf.’’ Darüber hinaus sind die Mitarbeiter/-innen hier am Goethe-Institut sehr nett und hilfsbe-reit.

    Eine Mitarbeiterin sagte einmal zu mir, es mache sie glücklich, den anderen Leuten zu helfen. Die-ses Gefühl habe ich auch bekommen. Ich fühle mich wohl, wenn ich jemandem freiwillig helfen kann. Es erinnert mich an meinen Aufenthalt in Deutschland vor fünf Jahren. Damals war ich unsi-cher und brauchte Hilfe von den anderen. Die Leu-te waren sehr nett zu mir. Ich habe mich gewun-dert, warum sie mir überhaupt geholfen haben. Jetzt ist mir klar: Es ist einfach ein Wohlgefühl, jemand anderen zu helfen. Durch meine Arbeit kann ich endlich Hilfe weitergeben. Ein anderer Aspekt des Praktikums ist für mich Selbsterfah-rung bzw. Selbstentfaltung. Es ist unglaublich, wie ich mich im Zeitraum von zwei Monaten entwickelt

    habe. Ich habe dadurch neue Schwächen und Stärken erkannt. Am Anfang habe ich mich nicht getraut, vor der Klasse das Kulturprogramm vor-zustellen- Ich habe solche Referate gar nicht ge-mocht. Ich war in der ersten Woche sehr nervös und habe nicht deutlich und laut genug gespro-chen. Das hat mich sehr geärgert. ,,Zum Glück’’ mussten wir jede Woche das Kulturprogramm vorstellen, sonst hätte ich keine zweite Chance gehabt. Im Laufe der Zeit habe ich mich verbes-sert. In der vorletzten Woche hat mir eine Kollegin gesagt, es sei ihr aufgefallen, dass ich viel lauter und deutlicher als vorher gesprochen habe. Das hat mich sehr gefreut. Diese Mitarbeiterin hat mir auch einmal gesagt, sie möge Praktikanten aus Thailand, weil Thailänder sympathisch und hilfsbe-reit seien. In Thailand nehmen wir Rücksicht auf die Gefühle der anderen. Wir haben Respekt vor Menschen, die älter sind als wir. Deswegen nen-nen wir beispielsweise eine ältere Schwester nicht nur bei ihrem Namen, sondern mit dem Titel ,,Pi.’’ Wenn ich an meiner Chefin vorbeilaufe, senke ich unbewusst meinen Kopf, damit ich mich kleiner fühle. Das heißt, wir legen viel Wert auf Stand oder Gesellschaftsschicht. Auch die Sprache unter-scheidet sich in den Schichten. Einerseits finde ich diese Tradition eine schöne Sache, andererseits finde ich es nicht mehr schön, wenn wir zu viel Wert auf die soziale Zugehörigkeit legen. In Deutschland sind wir alle gleich. Egal woher ich komme, wird meine Herkunft nicht geschätzt, son-dern meine Leistung. Noch ein auffälliger Unter-schied sei, so die erwähnte Mitarbeiterin, dass viele Thailänder schüchterner und weniger wider-spruchsbereit seien. Sie hat schon wieder recht. Wir widersprechen jemand anderes nicht gerne, obwohl wir uns unwohl fühlen. Wir sagen etwas nicht gerne direkt, während die Deutschen eher direkt sind. Ich habe gelernt, wie unterschiedlich wir sind. Trotz aller Unterschiede können wir uns ganz gut vertragen :) Die Feier der 150-Jahre Deutsch-Thailändische Beziehungen ist ein Bei-spiel dafür.

    Im Vergleich zu meinem Austauschjahr vor fünf Jahren, brachte mir das Praktikum komplett neue Erfahrungen. Die Rolle ist fast umgekehrt. Diesmal fühle ich mich fast wie ein Gastgeber,nicht als Gast wie vor fünf Jahren. Das war sehr schön, die beiden Seiten zu erfahren. Das Praktikum am Goethe Institut war eine besondere Erfahrung in meinem Leben. Ohne DTG bzw. das Goethe Insti-tut, wäre diese schöne Zeit nicht möglich gewe-sen. Mit herzlichem Dank für diese Gelegenheit möchte ich jetzt meinen Bericht beenden.

    Mit herzlichen Grüßen

    Lalna Wetwilai

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    Praktikumsbericht (2) Pimchanok Kaingam

    Mein Name ist Pimchanok Kaingam. Ich bin 22 Jahre alt. Heutzutage studiere ich Germanistik an der Universität Chiang Mai. Mein heutiger Wohnsitz ist Chiang Mai, aber tatsächlich komme ich aus einer Stadt, sogenannten Chiang Rai, die an der nordthailändischen Grenze zu Myan-mar und Laos liegt. Meine Eltern arbeiten als Lehrer an einer Sekundarschule. Mein Vater unterrichtet Sport und Gesund-heitsunterricht, während meine Mutter Vizedirektorin der Schule ist. Geschwister habe ich keine.

    Da ich ein Stipendium von der Deutsch Thailändische Gesellschaft erhielt, hatte ich Gelegentheit, ein Praktikum an der Universität Hamburg zu machen. Es dauerte zwei Monate, nämlich vom 2. April bis 1. Juni 2012. Zu jener Zeit war es bereits im Frühling. Blumen blühten überall, Bäume sowie Felder wurden wie-der grün. Das Wetter war sehr schön, aber trotz-dem war es mir zu kalt. Dort wohnte ich bei einer deutschen Studentin, die Thai an der Universität Hamburg studiert. Obwohl sie sehr gut Thai be-herrscht, unterhielten wir uns allerdings meistens Deutsch.

    Jeden Mittwoch von 14 bis 16 Uhr brachte ich den deutschen Studenten Thai bei. Der Schwerpunkt meiner Klasse war Konversation. Anfangs hatte ich Angst vor dem Tutorium, weil ich nie wusste, wie man andere Thai lehrt. Allerdings dachte ich: Thai ist meine Muttersprache und warum soll ich das nicht lehren können. Es gab in meinem Tuto-rium insgesamt 9 Studenten, die eigene Thai Na-me besaßen. Im Tutorium ich redete nur Thai und musste langsamer als normal sprechen, damit die Studenten mich verstehen können. Das war gleichzeitig eine gute Übung für mich, Thai deutli-che zu sprechen. In diesem Tutorium lernten die Studenten viele thailändische Dialoge wie zum Beispiel Essen bestellen, Einkaufen gehen, mit dem Artz unterhalten und Wohnungsmiete suchen. Außerdem gab ich Thai-Nachhilfe jeden Dienstag für einen Studentin, die Thai-Vokale nicht gut er-kannte.

    Abgesehen davon lernte ich hier auch viele thai-ländische Studenten kennen, die meistens Ingeni-eurwissenschaft studierten. In Hamburg gab es so viele Thailänder, dass ich mein Deutsch kaum verbessern konnte, weil wir nur Thai miteinander sprachen. Allerdings war es auch gut für mich, da ich gar kein Heimweh hatte. Dort machten wir sehr

    viel zusammen zum Beispiel nach Schwerin fuh-ren, feierten, und grillten wie Deutschen d. h. wir verbrachten ganze Nacht durch eine Kneipentour und gingen am nächsten Morgen auf den Ham-burger Fischmarkt.

    Außerdem hatte ich eine Gelegenheit bei der Vor-bereitung auf den Thai-Tag, der schon zum dritten Mal an der Universität Hamburg stattfand, zu hel-fen. Vor dem Fest arbeiteten mehrere deutsche und thailändische Studenten zusammen. Es mach-te viel Spaβ daran. Dass Deutschen Thai redeten, sowie Thailänder Deutsch redeten, war es etwas Besonderes.

    Ich war zum dritten Mal in Deutschland, und was ich dieses Mal noch in Erfahrung brachte, war, selbst zu kochen. Es war viel billiger und leckerer. Bezüglich meiner Zukunft nach dem Studium habe ich zwar noch nichts vor, was ich eigentlich ma-chen würde. Jedoch ich interesiere mich für einen Beruf, mit dem ich viel Reisen kann. Ich finde, dass es spaß machen könnte, etwas Neues zu entdecken wie z.B. Kulturen, Essen, Sprachen sowie Leute kennenzulernen.

    Abschließend möchte ich mich bei der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft für das Stipendium sehr bedanken. Es freut mich sehr, dass ich ein Teil der Deutsch-Thailändischen Beziehungen sein darf. Ich wünsche der DTG alles gute für die Zu-kunft.

    Pimchanok Kaingam

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    Besuch der Sonderausstellung „Rama und Sita – Indiens schönste Liebesgeschichte“

    im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Köln

    Annabelle Springer

    Die Exkursion der Deutsch-Thailändischen Gesell-

    schaft führte uns am Abend des 18. Oktober 2012

    in die Sonderausstellung „Rama und Sita – Indiens

    schönste Liebesgeschichte“, die vom 21. April bis

    zum 21. Oktober 2012 im Kölner Rautenstrauch-

    Joest-Museum zu sehen war. Die Ausstellung um-

    fasste 87 indische Miniaturmalereien aus dem 16.-

    19. Jahrhundert und erzählte auf eindrucksvolle

    Weise die Geschichte des göttlichen Kronprinzen

    Rama, der mit seiner Frau Sita aufgrund einer Hof-

    intrige in die Verbannung ziehen muss.

    Der Chronologie des Ramayana folgend, setzte die

    Ausstellung die Schauplätze der sieben Bücher des

    Epos visuell um, untermalte sie akustisch und

    machte sie auf diese Weise begehbar und sinnlich

    erfahrbar. Auch für die Führung der DTG wurde ein

    außergewöhnlicher Ansatz gewählt: Eine getanzte

    Führung mit Madhavi Mandira, einer Meisterin der

    indischen Tanzkunst. Sie stellte die verschiedene

    Szenen und Charaktere des Ramayana tänzerisch

    nach und demonstrierte die verschiedenen mimi-

    schen Ausdrucksmöglichkeiten.

    Madhavi Mandira, die mit einer getanzten Führung der Besuchergruppe der Deutsch-T