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Theatermord in Wiesloch

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Zum Autor: Peter Schneider (1936) ist promovierter Biologe und emeritierter Professor der Universität Heidelberg. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten und Filmen über Bewegungs- und Verhaltensphysiologie gilt seine Liebe dem Marionettentheater und dem Schattenspiel mit original javanischen Wayang Kulit Figuren. In diesem Zusammenhang entstanden viele Theaterstücke und Bücher, für die Peter Schneider 1997 den Kultur-preis „Minnesänger von Wissenlo“ des Kunstkreises südliche Bergstraße erhielt.

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Peter Schneider

Theatermord in Wiesloch

Kriminalroman

Engelsdorfer Verlag 2009

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Bibliografische Information durch die Deutsche Natio-

nalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek ver-

zeichnet diese Publikation in der Deutschen National-

bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86901-879-9

Copyright (2010) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor

Titelbild © Nicole Schneider, Darmstadt

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

13,50 Euro (D)

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Solo/Java Es war ein heißer Sommertag. Der nachmittägliche Regen hatte keine Linderung gebracht, sogar das Gegenteil, denn das schnell verdunstende Wasser hatte die Luftfeuchtigkeit noch weiter ansteigen lassen. Außer einigen wenigen Becak (Fahr-radrikshas) mit Touristen, waren die Straßen fast leer. Semar und seine Söhne hatten zwei Becak gemietet. Nach einigem Feilschen um den Preis fuhren sie von ihrem Häuschen, das hinter dem Bazar Triwindu lag, von der Jalan Kartini über die J. Dr. Rajiman in Richtung Kraton (Sultanspalast). Semar fuhr gerne durch diese Straße, denn an den meisten Schmuckge-schäften waren große Reklameschilder mit den Konterfeis der lustigen Figuren aus dem Wayang Purwa, den alten aus Indien überlieferten Geschichten, die heute noch die Grundlage des Schattenspiels Wayang Kulit darstellten. Diese lustigen Clowns hießen „Die Panakawan“ und da Semar auch diesen Familiennamen und drei Söhne hatte, hatte er ihnen nach diesen Schattenspielvorbildern deren Namen, nämlich Ga-reng, Petruk und Bagong, gegeben.

Wie der Leser schon bemerkt haben wird, befinden wir uns in einer Stadt in Java, Indonesien. Solo oder Surakarta ist eine Stadt mit 500 000 Einwohnern, in der breiten Ebene des Solo-Flusses in Mitteljava gelegen. Dieser ist mit ca. 350 km der längste Fluss Javas und mündet in nördlicher Richtung in der Nähe von Surabaya in das Javameer. Obwohl größer als Yogia Karta, wo auch die meisten Touristen verweilen, macht Solo den beschaulichen Eindruck einer Kleinstadt, mit sehr viel Kultur und Kunsthandwerk. Der Tourist genießt keine Vorrechte, sondern muss sich in das Leben einordnen. Die Bedeutung von Solo liegt vor allem im kulturellen Bereich, Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt!

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denn in den beiden Kraton (Palast), einmal dem Kraton Hadiningrat und in dem so genannten Prinzenpalast, Mangku Negoro, wird die traditionelle Kunst, sei es Gamelanmusik, Schattenspiel (Wayang Kulit) und besonders der Tanz ge-pflegt. Beide Paläste sind noch im Besitz der alten Rajafamilie, die innerhalb des Kratons eigene Gesetz- und Hoheitsrecht hat. Auch ist Solo das Zentrum der besten Batikarbeiten.

Die Familie Panakawan wollte zum Bazar Kleber. In diesem dreistöckigen Kaufhaus nahe des Kraton Hadiningrat pulsier-te das Leben. Es gab dort keine Aircondition wie in den großen westlich eingerichteten und bestückten Kaufhäusern, aber die vielen Ventilatoren, kurz fan genannt, wirbelten die heiße Luft durcheinander und brachten so etwas vermeintli-che Kühlung. Die Panakawan betraten, oder besser gesagt quetschten sich durch den Eingang in der unteren Etage und drängten sich mit Einheimischen und gelegentlich auch einigen Touristen durch die Batikstände.

Der Basar Kleber dürfte wohl der größte Umschlagplatz für Batik in Java sein. Batik ist eine asiatische Kunst, die vor allem in Java eine fast nicht mehr zu steigernde Vollkommenheit erreicht hat. Stoffe, selbst Seide, werden nicht bemalt, son-dern die nicht zu färbenden Stellen werden mit Wachs ver-deckt. Dazu benutzt man kleine Kännchen und „zeichnet“ so Muster, die nicht gefärbt werden. Dann wird das Wachs herausgelöst und der nächste Farbabdeckungsvorgang wird mit Wachströpfchen oder Wachslinien durchgeführt. In tagelanger Arbeit entstehen Meisterwerke von einer Feinheit, die man sich als Nichtkenner der Technik kaum vorstellen kann. Die Javaner nennen diese besonders feine Arbeit Batik „halus“. Solche suchten auch Papa Semar und seine Söhne. Sie hatten vor, eine größere Reise nach Deutschland zu

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machen und sich etwas mit guten Repräsentationsstoffen zu versehen.

Papa Semar, fast so hoch wie breit, mit einem verknuddelten Gesicht, kleiner Nase und kurzen dicken Beinen, bahnte sich mit seiner Körperfülle langsam aber sicher seinen Weg durch die anderen Käufer.

Im Basar Kleber reihen sich kleine Geschäfte von maximal 2-3 m Breite aneinander. Bis zur Decke vollgestopft mit sorgfältig zusammengelegten Selendan (Schals) oder Sarongs (Wickelrock); letzterer wird auch heute noch viel von Män-nern und Frauen getragen, beherbergt ein solch kleiner Laden Schätze von unvorstellbarem Wert. Von der gedruckten „Batik“, der Stempel-Batik bis zu Batik halus in ganz be-stimmten Stilen und Farben ist alles je nach Stand erhältlich. Jedes Teil kann der Käufer sich zeigen lassen und die Verkäu-ferinnen, meist ausgefuchste Händlerinnen, die das Geschäft des Handelns bestens beherrschen, scheinen eine Engelsge-duld zu haben. Immer wieder wird herausgezogen, entfaltet, hochgehoben und wieder sorgfältig weggepackt. Vom Groß-händler, der einige hundert Batiken kauft, bis zum kleinen Arbeiter, der verbissen um jeden Rupi handelt, jeder wird mit gleicher Höflichkeit bedient.

Wie schon angedeutet hatte sich Semar, der trotz seines grotesken Aussehens ein äußerst kluger und weiser Mann war, mit seinen Söhnen Gareng, Petruk und Bagong aufgemacht, um sich neu einzukleiden, denn für seine Körperfülle gab es keinen westlichen Anzug von der Stange. Er wollte aber auch nicht „verkleidet“ in ein fremdes Land gehen.

Der älteste der Söhne Panakawan, der kleine Gareng, be-wegte sich ungehindert im Sog seines gewaltigen Vaters. Gareng hinkte seit seiner Geburt, hatte ein kleines Gesicht-

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chen mit einer leicht geröteten Kartoffelnase und fiel als gutgläubiger Mensch immer auf die Späße seines jüngeren Bruders Petruk herein.

Dieser groß gewachsen, mit einem kleinen Spitzbauch, den er herausstreckte und so den Eindruck einer eingefallen Hühnerbrust hervorrief, mit einer Nase, die mehr einer blassen Mohrrübe als einem normalen menschlichen Riechor-gan glich, mit ellenlangen Armen, die rechts und links herun-terbaumelten als gehörten sie nicht zum Körper und mit einer Stimme, die hell, durchdringend und meckernd klang, dieser Petruk liebte es, bandwurmähnliche Sätze (wie diesen) zu machen, alles mit seinem Spott zu übergießen und mit seiner Frechheit auch noch meist der Gewinner zu sein.

Der jüngste Sohn, Bagong, war nicht ganz so dick wie sein Vater, mehr stämmig, etwas einfältig und liebte es neue Lieder auszuprobieren. Dies war nicht immer zum Vergnügen der Zuhörenden, denn Bagong besaß nicht das, was man ein musikalisches Gehör oder ein Gefühl für Takt nennt. Er vertraute seinem Vater blind und ließ keinen Zweifel an dessen Weisheit.

Mitten im Gedränge stieß Petruk plötzlich einen spitzen Schrei aus, sein Arm schoss wie ein Elefantenrüssel über den kleinen Gareng, vorbei an des Vaters Fülle und hielt einen kleinen strampelnden Jungen im Genick so fest, das dieser vor Schreck nicht mal schreien konnte.

„Erzeuger meines Daseins, angeblich Verwalter der kleinen grauen Zellen und Wegbahner durch dieses Gewühl von menschlichen Leibern, eben habe ich mir eine Erhöhung meines Reisegeldes verdient, denn just in diesem Augenblick hat mein schnelles aufmerksames Auge wahrgenommen, dass die Hand dieses kleinen Lausers sich schon in deinem Trage-

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beutel befand um unsere Reisekasse nach Deutschland zu minimieren“, krähte ohne Luft zu holen Petruk und hielt am ausgestreckten Arm den kleinen Taschendieb hoch.

„Papa Semar, ich glaube der Petruk hat Dir etwas verschlüs-seltes durchgegeben“, meinte Gareng und stupste seinen Vater an.

Semar drehte sich mühsam um, betrachtete den kleinen strampelnden Junge und meinte:

„Petruk was soll das? Das Kind hat keinen so langen Atem wie Dein Satz, dessen Inhalt ich nicht verstand.“

„Papa, ganz einfach, der Kleine hat Dich beklaut, aber schon bei der Planung dieser Handlung und dem Beginn der Durchführung hat mein schnell reagierendes Gehirn die kriminellen Absichten dieses Knaben erkannt und es durch einen schnellen Zugriff vereitelt.“

„Sag mal mein Kleiner, hat Dich Dein Vater geschlagen oder ist Deine Mutter eine Hure und Du kannst nicht zu Hause bleiben? Oder bist Du halb verhungert und hast versucht, einen Rupi für eine warme Suppe zu bekommen?“

Verblüfft starrte der kleine Taschendieb, den Petruk etwas lockerer hielt, Semar an und fasste sich an die Stirn. Dann begann er laut zu schreien:

„Hilfe, der will mich entführen, der ist auf Kinder scharf. Wer rettet ein kleines Kind vor den Übergriffen geiler Säcke!“

Er schrie so laut, dass die Leute stehen blieben und angriffs-lustig auf Petruk schauten, der den Knirps wieder schüttelte. Während sich die Menge eng um die Panakawan drängte, sah Petruk, wie sich eine Hand vorsichtig hinter Semar ausstreck-te um in den Beutel zu greifen. Blitzschnell fasste Petruk zu und hob einen zweiten Jungen hoch, der den Geldbeutel Semars noch zwischen den Fingern hatte. Beide glichen sich

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wie echte Zwillinge. Triumphierend hielt Petruk die beiden kleinen Taschendiebe einem herbeieilenden Polizisten hin. Der fasste sie an den Ohren, und Petruk hob nun den freien Zeigefinger und sprach.

„Ihr kleinen Artisten mit den ungeübten Fingern. Seht Ihr nicht, dass wir keine Touristen sind. Man bestiehlt keine ehrlichen einheimischen Menschen, schon gar nicht den Papa Semar, denn dies ist ein weiser und gutgläubiger Herr, be-schützt von seinem Vorzeigesohn Petruk, der vor allem über die Kohle wacht.“

„Wisst Ihr was, Kinder. Wenn Ihr Hunger habt oder Euch ein neues Tamagotchi kaufen wollt, dann sagt es und ich gebe Euch etwas. Aber nicht klauen, das mag der alte Semar nicht. Wenn doch, dann kommt nicht der lange Arm des Gesetzes, sondern der von meinen Sohn Petruk. Der ist zwar kein vorzuzeigender, aber ein zugreifender Sohn“, sprach Semar mit seiner gutturalen Stimme, unterbrochen von einem leisen Lachen zu dem Polizisten. Petruk ließ die beiden Buben los.

Nach diesem Vorfall, den Semar nur kurz kommentiert hatte, hielten sie vor einem Stand. Höflich überbrachte Semar der Verkäuferin seine Wünsche.

„Selamat Sore Ibu, meine Söhne und ich wollen nach Deutschland reisen und möchten uns mit schönen neuen Sarongs einkleiden. Bitte aber nur mit vierblättrigen Kleeblät-tern im Karo!“

„Pak Semar“, sprach die Frau, die er mit Ibu (Mutter) ange-redet hatte und die ihn zu kennen schien. „Du kannst nicht nach Deutschland im Sarong reisen. Und dann auch noch mit nacktem Oberkörper. Da ist es nachts sehr kalt, da zieht es unten in den Sarong rein und Du erkältest dir den Po und vor allem dein Rheuma wird noch viel schlimmer. Bei deinem

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schweren Ischiasleiden musst Du Dir in Deutschland immer eine Wärmflasche auf die Lendenregion halten. Mit einem Sarong geht es nicht. Ihr müsst Euch Kleider machen lassen. Geht um die Ecke zu Pak Hantoro, der schneidert Euch etwas zurecht, denn von der Stange gibt es nichts für Deinen stattlichen Körper.“

So quetschten sich die Panakawan in Richtung des nördli-chen Ausgangs zu dem genannten Schneider und ließen sich Maß abnehmen. Sie hatten ja genügend Geld, denn der letzte Kriminalfall, den sie gelöst hatten, hatte ihnen nicht nur eine stattliche Belohnung des Raja von Solo eingebracht, sondern auch die mehrfach schon erwähnte Deutschlandreise.

Dieser Fall, es war der Mord an einem jungen Adligen mit schändlichem Charakter, hatte in Java viel Aufmerksamkeit durch die Presse erfahren. Einmal weil die Panakawan eine recht bekannte Klamauktruppe waren, die in vielen Städten auftraten und die dortigen Politiker nicht gerade zimperlich aufs Korn nahmen, sondern auch wie sie den Fall gelöst hatten. Das war so richtig nach dem Geschmack der Javaner. Ein bisschen Romantik, Mythologie und Tatsachen ver-mischt. Semar hatte nach gründlichen Recherchen seiner Söhne die vielen Schandtaten des Ermordeten aufgedeckt und trotz fünf Verdächtiger, von denen jeder ein starkes Motiv hatte, den wahren Täter gefunden. Auch zwei märchenhafte Liebesgeschichten waren an die Öffentlichkeit gekommen*.

Der junge Raja des Kraton Mangku Negaran, der auch gleichzeitig Bürgermeister war, hatte bei einem javanischen Hersteller von kostbaren Wayangfiguren zwei Bücher gese-hen, die aus Deutschland stammten, sich mit dem Schatten-spiel in Deutschland beschäftigten und deren Autor in Wies-

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loch, einer Stadt in der Nähe von Heidelberg, für ein Theater Stücke schrieb. Dort wurden auch Aufführungen des Wayang Kulit in deutscher Sprache gemacht. Als Belohnung für die Aufklärung des genannten Falles hatte er Semar und seinen Söhnen diese Reise geschenkt.

Nur drei Tage dauerte das Schneidern. Die javanischen Schneider sind wahre Meister der Improvisation. Wenn ein dringender Auftrag kommt und gleich auch bezahlt wird, dann schneidern sie die ganze Nacht durch und man kann sich auf gute handwerkliche Arbeit verlassen.

Semar hatte sich gelbblau gestreifte Hosen machen lassen, dazu ein weißes Hemd mit Rüschen und ein gelbes Jackett. Petruk hatte die Farbe Grün vorgezogen, ergänzt durch ein knatschgelbes Hemd, Gareng wählte alles in Rot. Bagong hatte sich in letzter Minute für schwarz mit violetter Krawatte entschieden.

Semar sprach sehr gut Deutsch und Englisch, Gareng verstand genug um sich verständigen zu können. Petruk, von Natur aus sehr sprachbegabt, wollte es besonders gut machen und suchte sich einen privaten Deutschlehrer. Leider stammte der junge Mann, den er auf dem Bazar kennen gelernt hatte, aus Köln und sprach ein wunderschönes rheinisch, ohne ein einziges hochdeutsches Wort. So kann man sich vorstellen, dass das Deutsch von Petruk auf alle Zeiten aus Sicht des Hochdeutschen grammatikalisch und aussprachemäßig nicht den Vorstellungen eines Deutschlehrers entsprach.

Als die erste „deutsche“ Aussprache zwischen den Panaka-wans kurz vor der Abreise stattfand, musste sich Petruk erst einmal daran gewöhnen, dass Deutsch anders ausgesprochen wird, als er es tat, um überhaupt seinen Vater zu verstehen, der natürlich versuchte, seine gutturale Stimme aussprache-

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gemäß so anzupassen, dass es klang, wie er es seit Jahren mit verschiedenen Deutschen geübt hatte. Das Ergebnis war eine langsame, sich artikulierende Sprache mit vorsichtiger Wort-wahl, während Petruk sein Bahasa Indonesia-Kölsch-Deutsch-Sprachgemisch schnell hervorsprudelte.

Während sie die mitzunehmenden Sachen begutachteten, unterhielten sie sich über den Zweck und das Ziel der Reise nach Deutschland.

„Sag mal, Herr Vater, wo fahren wir eigentlich hin. Da ist immer was von Wiesloch die Rede und ich habe dies nie auf dem Globus in der Stadtbücherei gefunden. Liegt das bei Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München? Die sind einge-tragen.“

Gareng, der meist von Petruk schikaniert wurde, richtete sich stolz auf.

„Höre Du jüngerer großmäuliger Bruder! Im Internet kannst Du nachschauen. Ein kluger Kopf tut das in der heutigen Zeit. Das steht hier. Das habe ich ausgedruckt:

Die Stadt Wiesloch mit ihren über 26.000 Einwohnern nimmt eine wichtige zentralörtliche Funktion im Süden der Metropolregion Rhein-Neckar wahr. Gemeinsam mit der Nachbarstadt Walldorf bildet sie ein gemeinsames Doppel-zentrum. Zusammen werden wichtige infrastrukturelle und mittelzentrale Aufgaben gelöst.

Wiesloch und Walldorf profitieren besonders von ihrer günstigen geographischen Lage am Schnittpunkt der Bundes-autobahnen A 5 und A 6 mit den Anschlussstellen Wiesloch-Walldorf und Wiesloch-Rauenberg. Ebenso liegen die Städte am Schnittpunkt der Bundesstraßen B 3 und B 39 sowie an der Bundesbahnstrecke Frankfurt-Mannheim-Heidelberg-

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Karlsruhe bzw. Stuttgart mit dem Bahnhof Wiesloch-Walldorf.

Die Lage an der Südlichen Bergstraße (Ferienstraße Berg-straße Wiesloch – Darmstadt) am Übergang zum Kleinen Odenwald, zum Kraichgau (Kraichgauer Weinstraße) und zur Rheinebene begünstigen Wiesloch und Walldorf als Wohn-, Schul-, Gewerbe- und Industriestandorte. Ein pulsierendes Vereinsleben mit umfassenden Angeboten im schulischen, kulturellen, sportlichen, sozialen und kirchlichen Bereich sind für die Standortqualität wichtige Vorteile bei der Standortwahl von Unternehmern. Schon mal was von SAP oder Heidelber-ger Druckmaschinen gehört?

Hast Du das gespeichert, Du Globusfanatiker mit subfossi-ler Denkweise?“

Petruk war so verblüfft, dass ihm zunächst einmal die Spra-che abhanden gekommen war und er mit offenem Mund seinen Bruder anstarrte. Bevor er sich aber verbal revanchie-ren konnte, lobte Semar seinen Ältesten und schickte sich an, die Koffer zu packen.

In Wiesloch, Deutschland Am Flughafen Jakarta wunderte man sich nicht sonderlich über die etwas ausgefallene Kleidung der Reisenden, nur Aufsehen entstand, als plötzlich der behäbige Bagong laut verkündete, er werde sich nicht in einen Teufelsapparat setzen, der von bösen Geistern getrieben durch die Wolken geblasen würde. Das sehe im Fernsehen alles ganz nett aus, aber nicht mit ihm in der Wirklichkeit. Da er dies mit lauter Stimme ankündete, wurde in der Abfertigungshalle jeder auf Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt!

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diese seltsam gekleidete Gruppe aufmerksam. Als Semar seinem Jüngsten Vorhaltungen machte und auf den schon bezahlten Flugschein hinwies, meinte Bagong ganz trocken, den würde er auf dem Bazar verscheuern. Kaum hatte er dies ausgesprochen, als schon ein junger Mann neben ihm auf-kreuzte.

„Pak Bagong“, Semar hatte den Namen seines Sohnes laut genug ausgerufen. „Sie können Ihren Flugschein nicht auf dem Bazar verkaufen. Sie müssen ihn heute einlösen. Ich gebe Ihnen die Hälfte des Preises und fliege selbst nach Frankfurt. Setuju?“

Bagong kassierte schnell das Geld und strahlte seinen Vater und die Brüder an.

„Meinen schönen Anzug verklopp’ ich jetzt gleich auf dem Bazar Triwindu, die Krawatte behalte ich für eure Rückkehr, und mit dem hier erschnorrten Geld gehe ich jeden Abend zum Vergnügungspark Sriwedari, nein ich lasse mich natürlich standesgemäß mit dem Becak fahren, esse dort im Pavillon und schaue mir, da es gerade Saison ist, eine Vorstellung im Theater an. Jeden Abend eine Episode aus dem Wayang Purwa, wo auch mein Namensvetter auftritt. Dann lache ich über Späße des Theater-Bagong und brauche selber keine zu machen. Fliegt ihr mal nach Deutschland. Nachdem wir hier gerade einen Mord aufgeklärt haben, werdet ihr sicher auch in Deutschland über eine Leiche stolpern und müsst herum-schnüffeln, während ich, der Bagong, im Sriwedari in der ersten Reihe sitze.“

Sriwedari ist ein Vergnügungspark in Solo, in dem sich auch ein großes Theater befindet. Dort werden abendlich Szenen aus dem Mahabharata, dem indischen Heldenepos, durch menschliche Schauspieler aufgeführt (Wayang orang). Die

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Schauspieler und Schauspielerinnen sind prächtig gekleidet und geschminkt, so dass auch für den ausländischen Besu-cher, der die Landessprache nicht versteht, ein bleibender Eindruck entsteht, zumal die Vorstellung von einem über 40 Mann starken Gamelanorchester bester Qualität begleitet wird.

So fuhr also die Panakawan-Familie ohne den kleinen Bru-der Bagong in das Abenteuer Deutschland.

Man kann sich vorstellen, dass diese buntgewürfelte Gruppe auch im Flieger Aufsehen erregte. Gareng war es schlecht, Petruk traute sich nicht den Mund aufzumachen, um seine lockeren Sprüche loszuwerden, denn er hatte so ein seltsames Gefühl im Magen. Semar, dem man zwei Sitzplätze hatte einräumen müssen und die zwei Sicherheitsgurte verknotet hatte, aß auch die Portionen seiner Söhne auf, trank dazu vier Apfelsaft und war mit sich und den Umständen zufrieden. Die Zeit wurde ihm nicht lang, denn mit aufmerksamen Ohren verfolgte er das Sprachengewirr um ihn herum. Endlich setzte man zum Landeanflug an. Semar schloss die Augen, Gareng stöhnte unter dem Ohrendruck und wimmer-te leise, Petruk presste seine Tüte gegen den Mund und klammerte sich an den Vordersitz. Aber alles ging gut.

In Deutschland aber, wo sie in Frankfurt am Flughafen von einen deutschen Puppenspieler, der gute Verbindungen nach Solo hatte und bei dem sie auch wohnen sollten, abgeholt werden sollten, amüsierte man sich über diese seltsame ausländische Truppe. Semar kümmerte dies alles nicht. Mit seinem langsamen gut formulierten und vorsichtig ausgespro-chenen Deutsch fand er sich schnell zurecht. Die Koffer waren angekommen, Zollschwierigkeiten gab es nicht und am

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Ausgang sah er schon ein großes Schild mit dem Namen: Wieslocher Puppenstube, Peter Rettep.

Dieser, ein Mann mittleren Alters, groß, schlank, glattrasiert mit wuscheligen lockigen Haaren begrüßte sie mit einem fröhlichen

„Selamat Datang!“ „Guten Tag, mein Herr“, formulierte Semar mit seiner

gutturalen Stimme. Auch Petruk, mit festem Boden unter den Füßen und sei-

nem und des Vaters Koffer unter dem Arm, hatte seine Sprache wiedergefunden.

„Ne, dat dat dat is. Su jet. Dat is dat olt jermany. Lure ens Papa, dat sin alles deutsche. Ne dat dat su jet jibt? De Petruk ist janz jekisch!“

Erstaunt blickte Peter Rettep auf Petruk. Er hatte sich Java-ner anders vorgestellt: klein, zierlich, elegant, mit etwas schief stehenden mandelförmigen Augen und leicht samtigem braunem Teint. Der alte Semar war ungewöhnlich dick mit einem Gesicht wie ein Pekinese, auf dem Kopf eine Bom-melmütze (es war Juli und um die 30° warm) dazu dieser blaugelb gestreifte Anzug. Der kleine, hinkende Gareng mit seiner Knollennase und den großen Kulleraugen. Der lange Petruk mit seiner blassen Mohrrübennase und dem hochge-bundenen Haarschwänzchen. Aber das erstaunlichste war die Rede von Petruk. Nachdem Peter Rettep alle begrüßt und jedem die Hand geschüttelt hatte, musste er seine Verwunde-rung zum Ausdruck bringen.

„Vater Semar, Sie sprechen sehr gut deutsch. Man versteht jedes Wort. Aber Sie, Herr Petruk, man versteht Sie kaum. Wie sind Sie zu diesem Deutsch gekommen?“

„Du kannst ruhig Du für mich sachen.“ Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt!

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„Gut, einverstanden! Aber das heißt ‚zu mir’“!“ „Ne, dat is et nit. Dat heißt mich. Der Schmitzens Pitter,

den hat mich dat jeliert. Den hat mich jet verzählt, dat be-stimmte Leute in den südlischen Regionen Deutschlands sehr undeutlich sprechen würden (Petruk versuchte etwas hoch-deutsch zu sprechen). Ich würde dat erleben.“

Fragend schaute Peter Semar an. „Ach wissen Sie, Herr Peter …“ „Bitte sagen Sie auch Du zu mir“, unterbrach ihn der Deut-

sche. „Gut, Päter (er sprach das E etwas gedehnt aus). Der Petruk

wollte unbedingt Deutsch lernen und hat einen Touristen auf dem Bazar Triwindu engagiert. Dieser stammte aus einem Landstrich um den Rhein und dieser Jüngling brachte ihm das bei, was mein Deutschlehrer aus Sicht der Grammatik und Aussprache als grauenhaft verstümmelt empfunden gehabt haben müsste. Ich hörte, dass das ein wahrer ‚Crashkurs’ gewesen sein muss.“

Peter lachte über diese Formulierung und empfahl Petruk sich das Kurpfälzische anzueignen, was Petruk, der sehr stolz auf sein Crashkursprodukt war, mit einigen abfälligen Bemer-kungen bedachte. In Zukunft soll aber Petruks Redeweise zum besseren Verständnis des Lesers ins Hochdeutsche übersetzt wiedergegeben werden.

Peter führte sie zu seinem VW-Bus und die letzte Etappe der javanischen Familie begann.

Jedenfalls kamen sie gesund und wohlbehalten an ihrem Bestimmungsort, der kleinen „großen“ Kreisstadt Wiesloch, 16 km südlich der Universitätsstadt Heidelberg an.

Wiesloch zwischen Odenwald, Kraichgau und Rheinebene gelegen, hat mit den eingemeindeten umliegenden Dörfern

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