THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND...

55
5 THEORETISCHER TEIL GEBRÄUCHLICHE EINHEITEN FÜR SUBSTANZQUANTITÄT, VOLUMEN UND KONZENTRATION Substanzquantität wird als Masse oder als Stoffmenge angegeben. Masse: Basiseinheit ist das Kilogramm. Gebräuchliche Einheiten sind: kg = 10 3 g g mg (milli) = 10 -3 g μg (mikro) = 10 -6 g ng (nano) = 10 -9 g pg (pico) = 10 -12 g fg (femto) = 10 -15 g Stoffmenge: Basiseinheit ist das Mol. Ein Mol ist die Stoffmenge, die der Molekularmasse einer Substanz in Gramm entspricht. Beispiel: 1 Mol Glucose = 180 g Glucose. Gebräuchliche Einheiten sind: mol mmol (milli) = 10 -3 mol μmol (mikro) = 10 -6 mol nmol (nano) = 10 -9 mol pmol (pico) = 10 -12 mol fmol (femto) = 10 -15 mol Beispiele zur Umrechnung von Masse in Stoffmenge: 45 g 45 g Glucose entsprechen = 0.25 mol Glucose 180 g/mol 0.05 mol Glucose entspricht 0.05 mol x 180 g/mol = 9 g Glucose Volumen: Basiseinheit ist der Liter. Gebräuchliche Einheiten sind: l = dm 3 ml (milli) = 10 -3 l = cm 3 μl (mikro) = 10 -6 l = mm 3 Konzentration wird als Massenkonzentration oder Stoffmengenkonzentration angegeben. Massenkonzentration: Basiseinheit ist Kilogramm gelöste Substanz pro Liter Lösung. Gebräuchliche Einheiten sind: kg/l = g/ml g/l = 10 -3 g/ml = mg/ml

Transcript of THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND...

Page 1: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

5

THEORETISCHER TEIL

GEBRÄUCHLICHE EINHEITEN FÜR SUBSTANZQUANTITÄT,

VOLUMEN UND KONZENTRATION

Substanzquantität wird als Masse oder als Stoffmenge angegeben.

Masse: Basiseinheit ist das Kilogramm. Gebräuchliche Einheiten sind:kg = 103 g gmg (milli) = 10-3 g µg (mikro) = 10-6 gng (nano) = 10-9 gpg (pico) = 10-12 gfg (femto) = 10-15 g

Stoffmenge: Basiseinheit ist das Mol. Ein Mol ist die Stoffmenge, die der Molekularmasse einerSubstanz in Gramm entspricht. Beispiel: 1 Mol Glucose = 180 g Glucose. GebräuchlicheEinheiten sind:

molmmol (milli) = 10-3 mol µmol (mikro) = 10-6 mol nmol (nano) = 10-9 mol pmol (pico) = 10-12 mol fmol (femto) = 10-15 mol

Beispiele zur Umrechnung von Masse in Stoffmenge:

45 g 45 g Glucose entsprechen = 0.25 mol Glucose 180 g/mol

0.05 mol Glucose entspricht 0.05 mol x 180 g/mol = 9 g Glucose

Volumen: Basiseinheit ist der Liter. Gebräuchliche Einheiten sind:

l = dm3

ml (milli) = 10-3 l = cm3 µl (mikro) = 10-6 l = mm3

Konzentration wird als Massenkonzentration oder Stoffmengenkonzentration angegeben.

Massenkonzentration: Basiseinheit ist Kilogramm gelöste Substanz pro Liter Lösung.Gebräuchliche Einheiten sind:

kg/l = g/ml g/l = 10-3 g/ml = mg/ml

Page 2: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

6

mg/l = 10-6 g/ml = µg/mlµg/l = 10-9 g/ml = ng/mlng/l = 10-12 g/ml = pg/ml

Stoffmengenkonzentration: Basiseinheit ist mol gelöste Substanz pro Liter Lösung.

Beispiel: 1 mol/l Glucose = 180 g Glucose gelöst in H2O und durch weitere Zugabe von H2O auf1 Liter gebracht. Gebräuchliche Einheiten und Symbole sind:

mol/l = mmol/ml = M (molar)mmol/l = 10-3 mol/l = µmol/ml = mM (millimolar)µmol/l = 10-6 mol/l = nmol/ml = µM (mikromolar)nmol/l = 10-9 mol/l = pmol/ml = nM (nanamolar)

Beispiele: Eine 1 M Lösung von Glucose enthält 1 mol/l bzw. 1 mmol/ml oder 1 µmol/µl. Eine 1mM Lösung von Glucose enthält 1 mmol/l bzw. 1 µmol/ml oder 1 nmol/µl.

Umrechnung von Massenkonzentration in Stoffmengenkonzentration:

9 g/lEine Lösung von 9 g/l Glucose ist = 0.05 M oder 50 mM.

180 g/mol

Eine 10 nM Lösung von Glucose hat eine Massenkonzentration von 10 nmol/l x 180 ng/nmol =1800 ng/l = 1.8 µg/l.

Beachten Sie die verschiedene Bedeutung von M und mol, mM und mmol, usw.! Verdünnen von Lösungen (Konzentration einer Substanz [S]):

Verdünnungsfaktor = Volumen des Ansatzes / Volumen der Ausgangslösung

[S Ausganslösung] = [S verdünnt] x Verdünnungsfaktor

Beispiele:Zur Bestimmung einer Enzymaktivität werde 1.9 ml der Enzymlösung (11 µg/ml) zu 0.5 mlPufferlösung und 0.1 ml Substratlösung (5 mM) gegeben. Das Substrat wird 25fach (2.5 ml Ansatz/0.1 ml Substratlösung) verdünnt. Im Messansatz ist die Substratkonzentration 0.2 mM und dieEnzymkonzentration 8.4 µg/ml (Verdünnungsfaktor: 2.5 ml/1.9 ml = 1.32). Wenn im Messansatzeine Enzymaktivität (Definition siehe S. 42) von 14.4 U/ml bestimmt wird, ist die Aktivität derverwendeten Enzymlösung 14.4 U/ml x 1.32 = 19.0 U/ml.

Zu 0.5 ml Serum werde eine Substanz durch Zugabe einer bestimmten Menge Fällungsreagensquantitativ ausgefällt, der Überstand nach Zentrifugation verworfen und das Präzipitat in 1.5 Pufferaufgelöst (Exp. 11.2). Die gesamte Menge Substanz, die in 0.5 ml Serum enthalten war, ist nun in1.5 ml enthalten (Volumen des Präzipitats ist vernachlässigbar klein). Verdünnung der Substanz: 1.5ml/ 0.5 ml = 3mal.

Page 3: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

7

KOHLENHYDRATE

Kohlenhydrate sind primäre Oxidationsprodukte mehrwertiger Alkohole. Es sind entwederPolyhydroxyaldehyde (Aldosen) oder Polyhydroxyketone (Ketosen). Sie werden eingeteilt in Mono-saccharide, Oligosaccharide (Disaccharide, Trisaccharide usw.) und hochmolekulare Polysaccharide.Monosaccharide sind Aldehyde oder Ketone, die entsprechend der Anzahl ihrer C-Atome in Triosen,Pentosen, Hexosen usw. unterteilt werden. Monosaccharide und Oligosaccharide mit gleicher AnzahlC-Atome werden aufgrund der sterischen Anordnung (Konfiguration) der Substituenten an den C-Atomen unterschieden. Für die Nomenklatur der Monosaccharide und Oligosaccharide sei auf dieLehrbücher verwiesen.

Monosaccharide und Oligosaccharide sind gut wasserlöslich. Gewisse Polysaccharide können inheissem Wasser gelöst werden.

Zucker in Lösung haben vorwiegend zyklische Struktur. Viele Eigenschaften der Monosaccharidesind auf ihre Aldehyd- bzw. Ketogruppe zurückzuführen. Diese Gruppen sind im Unterschied zugewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier Form vorhanden,grösstenteils liegen sie als Zyklohalbacetal (-ketal) vor. Die Ringe entstehen durch Kondensation derAldehyd- oder Ketogruppe mit einer alkoholischen OH-Gruppe desselben Monosaccharids. Zuckermit fünfgliedrigen Ringen werden Furanosen, solche mit sechsgliedrigen Pyranosen genannt wegenihrer Ähnlichkeit zu Furan und Pyran. Freie Pentosen und Hexosen haben in der Regel Pyranose-struktur. Dagegen liegt in Saccharose die Fructose und in Nucleinsäuren die Ribose und Desoxy-ribosein der Furanoseform vor. Bei der Ringbildung sind am Hemiacetal- (bzw. Hemiketal-) Kohlen-stoffatom zwei verschiedene räumliche Konfigurationen möglich, die als α- und β-Formen bezeichnetwerden (= anomere Formen). Beide gehen leicht ineinander über (Mutarotation). Der Übergangerfolgt über die offenkettige Form.

Page 4: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

8

Die glykosidische Bindung:

Glykoside sind Zuckerderivate, bei welchen die OH-Gruppe am Hemiacetal- (bzw. Hemiketal-)Kohlenstoffatom mit einem organischen Rest (R) kondensiert ist. Je nach Konfiguration der dabeient-stehenden Acetalgruppe unterscheidet man anomere α- und β-Glykoside, je nach Art der R-GruppeO- oder N-Glykoside.

α-Glucosid β-Glucosid

Die wichtigsten Glykoside sind die Oligo- und Polysaccharide. Bei den einfachsten Oligosacchariden,den Disacchariden, lassen sich zwei Bindungstypen unterscheiden. Bei der Saccharose erfolgt dieglykosidische Bindung zwischen den hemiacetalischen (bzw. hemiketalischen) OH-Gruppen beiderZuckerreste. Solche Zucker tragen deshalb keine freie Halbacetalgruppe. Bei der Maltose erfolgt dieBindung zwischen einer hemiacetalischen und einer alkoholischen OH-Gruppe. Disaccharide desMaltose-Typs besitzen noch eine freie Halbacetalgruppe (Pfeil in untenstehenden Formeln).

Maltose(α-1,4-Glucosidoglucose)

Lactose(β-1,4-Galactosidoglucose)

Saccharose(α-Glucopyranosido-β-fructofuranosid)

Page 5: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

9

Chemisch können glykosidische Bindungen mit Säure gespalten werden, gegen Basen sind sie stabil.Im Organismus werden Polysaccharide und Oligosaccharide enzymatisch gespalten.

Zucker mit freier Aldehyd- oder Ketogruppe sind reduzierend. Freie Aldehyde und Ketone in Zuckern sowie die entsprechenden Hemiacetale und Hemiketale werdendurch milde Oxidationsmittel oxidiert. Weil bei dieser Reaktion das Oxidationsmittel durch denZucker reduziert wird, spricht man von reduzierenden Zuckern. Alle Monosaccharide sindreduzierend. Disaccharide und Oligosaccharide dagegen sind nur reduzierend, wenn sie noch einefreie Hemiacetal- oder Hemiketalgruppe besitzen. Disaccharide vom Saccharose-Typ sind demgemässnicht reduzierend. Hochmolekulare Polysaccharide wie Stärke und Glykogen wirken nicht reduzierend,weil in Polysaccharidlösungen die Konzentration der reduzierenden Molekülenden sehr niedrig ist.

In der Benedictschen Probe (Exp. 3.6) wird zweiwertiges Kupfer (alkalische Lösung von CuSO4

in Natriumcarbonat und Natriumcitrat) zur Oxidation von Zucker verwendet gemäss

Cu2+ + Glucose > Cu+ + Oxidationsprodukte von Glucose

Während der Reaktion entsteht aus dem blauen zweiwertigen Kupfer zuerst gelbes einwertigesKupferhydroxid (CuOH) und später schwerlösliches Kupfer(I)oxid (Cu2O) als roter Niederschlag.Der Benedict-Test ist eine einfache Nachweismethode für reduzierende Zucker. Neben reduzierendenZuckern geben aber auch andere reduzierende Substanzen eine positive Benedict-Reaktion. Für denspezifischen Nachweis einzelner reduzierender Zucker sind deshalb enzymatische Methodennotwendig. Zum spezifischen Nachweis von Glucose wird Glucoseoxidase aus Schimmelpilzverwendet, die folgende Reaktion katalysiert:

Glucose-Glucose + O2 + H2O > Gluconsäure + H2O2 oxidase

Das entstehende Wasserstoffperoxid wird in einer gekoppelten Reaktion dazu benutzt, eine farbloseVerbindung (Chromogen) zu einem Farbstoff zu oxidieren. Die Reaktion wird durch eine Peroxidasekatalysiert.

Per-H2O2 + Chromogen > Farbstoff + H2O oxidase

Für den semiquantitativen Glucosenachweis z.B. im Urin dient einTeststäbchen (Diabur-Test), dasmit den beiden Enzymen und dem Chromogen imprägniert ist (Exp. 5.7). Für die quantitativeGlucosebestimmung wird die Konzentration des gebildeten Farbstoffs photometrisch gemessen (Exp.5.6).

Page 6: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

10

AMINOSÄUREN UND PROTEINE

Zwanzig verschiedene Aminosäuren sind die üblichen Bausteine der Proteine. Die Dreibuchstaben-Abkürzungen und Strukturformeln der Aminosäuren sind auf der umstehenden Tabelle wieder-gegeben. Man unterscheidet saure, neutrale und basische Aminosäuren oder apolare (aliphatische,aromatische) und polare Aminosäuren. In den Proteinen sind die Aminosäuren durch Peptidbindungenmiteinander verknüpft.

Die Aminosäurensequenz (Primärstruktur) bestimmt die dreidimensionale Anordnung der Peptidketteim Raum (Sekundär- und Tertiärstruktur). Häufig sind zwei und mehr Peptidketten mit ausgebildeterSekundär- und Tertiärstruktur zu stabilen oligomeren Molekülen zusammengelagert (Quartär-struktur).Für die ausführliche Behandlung von Struktur und Konformation der Proteine sei auf Vorlesung undLehrbücher verwiesen.

Primäre Aminogruppen von Aminosäuren und Proteinen werden mit der Ninhydrin-Reaktionnachgewiesen. Ninhydrin reagiert mit Ammoniak und primären Aminogruppen zu einem blauenFarbstoff.

α-Aminosäuren werden durch Ninhydrin oxidativ desaminiert und decarboxyliert. Auf analoge Weisereagiert auch die ε-NH2-Gruppe der Lysin-Seitenkette. Deshalb geben auch Proteine eine positive

Page 7: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

11

Page 8: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

12

Ninhydrinreaktion. Zur quantitativen Bestimmung von Aminosäuren wird die blaue Ninhydrin-Farbephotometrisch gemessen. Die Trennung verschiedener Aminosäuren mittels Ionenaustauscher-Chromatographie (Chromatographie S. 27 und Exp. 2.4) und anschliessende photometrische Konzen-trationsbestimmung mit Ninhydrin wird im sog. Aminosäurenanalysator vollautomatisch durchgeführt(Fig. 6 S. 30).

Biuret-Test:

Peptidbindungen bilden blau-violette Cu2+-Komplexe. In stark alkalischer Lösung entstehen ausProteinen und Kupfersulfat Koordinationskomplexe zwischen Cu2+-Ionen und benachbarten Amid-Stickstoff-Atomen von Peptidbindungen. Biuret (H2N-CO-NH-CO-NH2) ist die einfachste Verbin-dung, welche einen derartigen blauvioletten Kupferkomplex bildet. Der Biuret-Test dient zur quantita-tiven photometrischen Proteinbestimmung (Exp. 4.1). Die Farbe des Komplexes ist in der Regelunabhängig von der Art des Proteins, so dass eine für Serumalbumin bestimmte photometrischeEichkurve auch für viele andere Proteine benutzt werden kann (Exp. 4.1 und Photometrie S. 31).

Tryptophan und Tyrosin geben den Proteinen ein charakteristisches UV-Spektrum mit Ab-sorptionsmaximum bei 280 nm. Wie die Spektren in Figur 1 zeigen, trägt Tryptophan am meistenund Phenylalanin kaum zur Absorption der Proteine im nahen UV-Bereich bei.

εmM

Fig. 1 Absorptionsspektren deraromatischen Aminosäuren

In Figur 1 bedeutet εmM "millimolarer Extinktionskoeffizient". Der millimolare Extinktions-

Page 9: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

13

koeffizient ist die Absorption einer millimolaren Lösung der entsprechenden Aminosäure (PhotometrieS. 31). Je nach dem Gehalt an aromatischen Aminosäuren ändert die UV-Absorption von Proteinen.In Figur 2 sind die UV-Spektren von Lösungen gleicher Massenkonzentration (mg/ml) von Lysozym,γ-Globulin und Ribonuclease dargestellt. Alle Peptide und Proteine absorbieren sehr stark bei 220nm aufgrund ihrer Peptidbindungen. Die drei Proteine enthalten unterschiedlich viel Tyrosin undTryptophan. Zur Konzentrationsbestimmung kann die UV-Absorption bei 280 nm benutzt werden,wegen des variablen Gehalts an aromatischen Aminosäuren gilt jedoch eine Eichkurve nur für einbestimmtes Protein. Manche Proteine absorbieren sichtbares Licht. Für das sichtbare Absorptionsspek-trum sind prosthetische Gruppen verantwortlich (Häm, Flavin, etc.).

Fig. 2 Absorptionsspektren von Proteinen mit verschiedenem Gehaltan aromatischen Aminosäuren. Die Spektren wurden mit Protein-lösungen gleicher Konzentration (1 mg/ml) aufgenommen.

Tryptophan- und Tyrosingehalt in g Aminosäure pro 100 g Protein:

Lysozym (Hühnereiweiss) 8.6 Trp 4.0 TyrOvalbumin (Hühnereiweiss) 1.3 Trp 3.8 TyrRibonuclease (Rind) - 7.9 Tyr

Page 10: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

14

Grossmolekulare Proteine werden von kleinen Molekülen durch Dialyse oder Gelchromatogra-phie abgetrennt. Gewisse Cellophanmembranen sind für grosse Moleküle undurchlässig, für Wasserund andere kleine Moleküle durchlässig. Wird eine Protein-Salzlösung in einem Cellophanschlauchfür längere Zeit (Stunden) in Wasser eingetaucht, so stellt sich für die frei passierbaren Moleküle durchDiffusion ein Konzentrations-Gleichgewicht über das gesamte Flüssigkeitsvolumen ein. Die grossenProteinmoleküle werden im Schlauch zurückgehalten. Der Vorgang wird Dialyse genannt. DurchDialyse können Proteinlösungen entsalzt werden (Exp. 3.10, Exp. 5.1), oder ein Protein in einemPuffer A kann durch Dialyse in einen neuen Puffer B gebracht werden. Die Hämodialyse (künstlicheNiere) arbeitet nach demselben Prinzip. Mit der Gelchromatographie ist eine feinere Trennung vonMolekülen unterschiedlicher Grösse möglich als mit der Dialyse (Exp. 5.1 und 5.4).

Molekularmasse von Proteinen:Die meisten Proteine haben eine Molekularmasse (Mr) im Bereich 10'000 bis 100'000.

Beispiele:Glucagon 4'500 (ein Peptid), Ribonuclease 13'700, Myoglobin 17'000, Chymotrypsin 25'000,Hämoglobin 64'500, Serumalbumin 69'000, Aldolase 160'000, Phosphorylase a 390'000.

Gebräuchliche Methoden zur Molekularmassebestimmung von Proteinen sind Gelchromatographie,SDS-Gelelektrophorese und Sedimentationsanalyse in der Ultrazentrifuge. Molekularmassebe-stimmung mit Gelchromatographie wird im Kapitel "Chromatographie" näher beschrieben (S. 30).Die heute gebräuchlichste Methode ist die SDS-Gelelektrophorese. Bei dieser speziellen Elektropho-resemethode ist die Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld fast ausschliesslich eine Funk-tion der Molekülgrösse. Proteine mit niedriger Molekularmasse wandern schneller als solche mit hoherMolekularmasse (SDS siehe S. 17). Die SDS-Gelelektrophorese ist nicht zu verwechseln mit derüblichen Proteinelektrophorese, bei der native Proteine aufgrund ihrer Ladung getrennt werden(Elektrophorese S. 27 und Elektrophorese von Serumproteinen in Exp. 4.2).

Die Molekularmassebestimmung in der Ultrazentrifuge ist aufwendig. Sie gibt aber zusätzlichInformation über die Form und den Aggregationszustand von Proteinmolekülen. Im künstlichenSchwerefeld der Ultrazentrifuge ist die Sedimentationsgeschwindigkeit vs einer Partikel von ihrerGrösse abhängig gemäss vs = S@Γ. Die Zentrifugalfeldstärke Γ wird bestimmt durch den Radius derZentrifuge und die Tourenzahl. S ist die für die untersuchte Partikel charakteristische Sedimentations-konstante, welche experimentell gemäss der obigen Gleichung bestimmt werden kann. S ist unteranderem eine Funktion der Molekülmasse, und daher kann letzteres aus dem experimentell bestimmtenS berechnet werden. Die Beziehung lautet

M@D (1 - ρm/ρp) S = RT

M = Molekularmasse, D = Diffusionskonstante, ρm und ρp = Dichte von Medium und Partikel, RT= Gaskonstante und absolute Temperatur. Die Sedimentationskonstanten werden in Svedberg-Einhei-ten (S) (1 Svedberg = 10-13 sec) ausgedrückt und auf ρm von Wasser und 20EC normalisiert (S20,w).Typische Werte sind 2 S für Myoglobin, 40 S und 60 S für Ribosomen-Untereinheiten, etwa 200 Sfür Viren und über 1000 S für ganze Zellen.

Page 11: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

15

Denaturierung von Proteinen:

Die native Struktur von Proteinen wird unter dem Einfluss verschiedenster Faktoren zerstört, dazugehören Wärme, Schaumbildung, Zusatz von organischen Lösungsmitteln, Säuren, Basen,Schwermetallionen oder hohe Konzentration von Harnstoff. Die für die Sekundär-, Tertiär- und Quar-tärstruktur verantwortlichen, nicht-kovalenten Bindungen werden teilweise oder ganz gelöst, währenddie für die Primärstruktur verantwortlichen kovalenten Bindungen erhalten bleiben. Man bezeichnetdiesen Prozess der partiellen oder vollständigen Entfaltung der Peptidkette als Denaturierung. Eindenaturiertes Protein hat die gleiche Primärstruktur wie das native, hat aber keine einheitlicheräumliche Struktur und andere physikalisch-chemische Eigenschaften (Beispiel: Hartwerden von Eiernbeim Kochen).

Bei der Denaturierung geht die biologische Aktivität verloren. (Beispiele: Hitze-Inaktivierung vonEnzymen und Proteinhormonen). Denaturierung kann, muss aber nicht reversibel sein.

Denaturierung verringert in der Regel die Löslichkeit der Proteine. Denaturierte Proteine werden vonProteasen leichter gespalten als native: gekochtes Fleisch ist leichter verdaulich.

Proteine sind an ihrem isoelektrischen Punkt am wenigsten löslich. Die Löslichkeit der Proteinevariiert stark. Globuläre Proteine wie Serumalbumin und Globuline sind im allgemeinen gut,Faserproteine (Kollagen, Keratin) sehr schlecht löslich. Proteine sind Polyelektrolyte (Platz 2:Aminosäuren und Proteine). Elektrostatische Kräfte zwischen Proteinmolekülen einerseits undzwischen Proteinmolekülen und Wasserdipolen andererseits beeinflussen die Löslichkeit. Proteinemit vielen geladenen Gruppen sind häufig gut wasserlöslich. Die Löslichkeit eines Proteins ist amgeringsten, wenn seine Gesamtladung gleich Null ist. Dies ist der Fall, wenn das Molekül gleich vielepositive wie negative Ladungen trägt. Man bezeichnet den pH-Wert der wässrigen Lösung, bei demdies zutrifft, als isoelektrischen Punkt (IEP) des Proteins. Manche Proteine fallen am IEP aus(= werden unlöslich). Bei pH-Werten über und unter dem IEP bewirken negative bzw. positiveÜberschussladungen gegenseitige Abstossung der Proteinmoleküle und damit bessere Löslichkeit.

Fig. 3 Löslichkeit von β-Lactoglobulin (IEP 5.2)in Abhängigkeit vom pH-Wert bei 25 0C. Die Lös-lichkeit ist bei pH 6 mehr als 40mal grösser als beipH 5.2.

Proteine werden aus wässrigen Lösungen durch Zugabe von Salz, organischen Lösungsmittelnoder bestimmten Säuren ausgefällt. Zur Isolierung und Reinigung werden Proteine häufig ausgefällt.Solche Fällungen müssen reversibel sein, soll das Protein seine biologische Aktivität behalten: Ein

Page 12: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

16

isoliertes Enzym muss nach der Fällung wieder gelöst werden können und unverminderte Aktivitätbesitzen. Bei manchen Analysemethoden stören anwesende Proteine; sie werden deshalb irreversibelausgefällt und durch Zentrifugation abgetrennt. Eine solche "Deproteinisierung" ist z.B. nötig beider Bestimmung von Glucose im Serum (Exp. 5.6).

Die meisten Fällungen beruhen auf der Änderung der elektrostatischen Wechselwirkungen zwischenProteinmolekülen. So werden Proteine aus wässrigen Lösungen durch Zugabe von organischenLösungsmitteln ausgefällt (Exp. 3.9), weil in organischen Lösungsmitteln die gegenseitige Anziehungder geladenen Proteinmoleküle grösser wird (Proteine haben ein unregelmässiges Muster von positivenund negativen Ladungen auf ihrer Oberfläche). Gemäss dem Coulombschen Gesetz über dieAnziehung entgegengesetzt geladener Teilchen nimmt die elektrostatische Anziehung mitabnehmender Dielektrizitätskonstante des Mediums zu. Organische Lösungsmittel haben eineniedrigere Dielektrizitätskonstante als Wasser. Industriell bedeutungsvoll ist die Fällung vonBlutplasmaproteinen mit Alkohol und Aceton (Cohn-Fraktionierung). Die Fällung geschieht bei tiefenTemperaturen, damit die Plasmaproteine nicht irreversibel denaturiert werden.

Zusatz eines Salzes in hoher Konzentration zu einer Proteinlösung bewirkt die Erniedrigung dereffektiven Konzentration (Aktivität) des Wassers und dadurch eine Herabsetzung der für die Lösungdes Proteins verfügbaren Wassermenge. Das Protein wird ausgefällt. Man bezeichnet die durchSalzzugabe bewirkte Ausfällung als Aussalzung. Sie ist meist reversibel und deshalb zur Isolierungvon Enzymen geeignet. Gewöhnlich wird für die Aussalzung Ammoniumsulfat verwendet, weil esbesonders gut löslich ist. Zur Ausfällung von verschiedenen Proteinen werden unterschiedlicheKonzentrationen von Ammoniumsulfat benötigt. Ein Proteingemisch kann deshalb aufgetrennt werdendurch schrittweises Zufügen von Ammoniumsulfat (Exp. 3.8).

LIPIDE

Die Lipide sind eine heterogene Stoffklasse. Ein hoher Gehalt an hydrophoben Gruppen ist ihnengemeinsam. Lipide sind daher in organischen Lösungsmitteln gut, in Wasser schlecht löslich. DieLipide können unterteilt werden in einfache Lipide, komplexe Lipide und Isoprenoidlipide. Zu deneinfachen Lipiden gehören die Neutralfette oder Triacylglycerine. Es sind häufige Nahrungsbestand-teile und Energiespeicher der Zelle. Zu den komplexen Lipiden werden z.B. die MembranbestandteileLecithin, Cerebroside und Cardiolipin gezählt. Die Isoprenoidlipide sind Abkömmlinge des Isoprensund umfassen Verbindungen wie Cholesterin, Vitamin A, Steroidhormone und Gallensäuren.Cholesterin ist ein universeller Membranbestandteil, aber auch Ausgangsprodukt für die Biosynthesevon Gallensäuren, Steroidhormonen und Vitamin D.

Die physikalischen Eigenschaften der Neutralfette werden durch die Struktur der Fettsäurenbestimmt. Die Fette und Öle der Nahrung sind Gemische verschiedener Triacylglycerine. Triacyl-glycerine sind Verbindungen, die aus einem Molekül Glycerin, verestert mit drei Molekülen Fettsäure,bestehen. Sie tragen im Gegensatz zu den komplexen Lipiden keine ionisierbaren Gruppen, daherauch der Name Neutralfette. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Neutralfette sindje nach Fettsäuren-Zusammensetzung verschieden. So ist der Schmelzpunkt von Fetten um so nie-driger, je kürzer die Fettsäuren und je grösser die Zahl der ungesättigten Bindungen. Öle enthaltenvorwiegend Triacylglycerine mit ungesättigten Fettsäuren. Tierische Fette haben einen Schmelzpunkt,der etwas unter der physiologischen Gewebstemperatur liegt. Fett aus dem Unterhautfettgewebe hateinen niedrigeren Schmelzpunkt als Fett aus dem Innern des Körpers.

Page 13: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

17

O S

O

O

O Na+

Detergens: Natriumdodecylsulfat (SDS)

C

O

O

Na+

Seife: Natriumpalmitat

Gallensäure: Natriumcholat

CO

OH

OH OH

O Na+

Fettsäuren und Lipide, die ungesättigte Fettsäuren enthalten, werden leichter oxidiert als gesättigteFettsäuren. Das Ranzigwerden von Fetten beruht zum Teil auf oxidativer Spaltung an denDoppelbindungen, wobei stark riechende Aldehyde oder Säuren geringerer Kettenlänge entstehen.

Seifen, Detergentien und Gallensäuren emulgieren wasserunlösliche Lipide. In Haushalt undLabor werden wasserunlösliche Lipide mit Seifen oder Detergentien emulgiert. Im tierischen Orga-nismus haben die Gallensäuren eine ähnliche Aufgabe. Die drei Verbindungen sind aus einemhydrophoben, apolaren Kohlenwasserstoff-Gerüst und einem hydrophilen, polaren "Kopfteil"aufgebaut. Solche Verbindungen lösen sich in organischen Lösungsmitteln in der protonierten Form,im Wasser als Anionen (Exp. 3.3 und Exp. 11.1). Sie sind amphiphil. In Öl-Wasser Gemischenreichern sich amphiphile Verbindungen an der Grenzfläche zwischen Öl und Wasser an. Sie sindoberflächenaktiv, d.h. sie erleichtern die Vergrösserung von Grenzflächen und ermöglichen so dieBildung mikroskopisch kleiner Öltröpfchen im Wasser; das Öl wird emulgiert. Im Unterschied zueiner echten Lösung sind aber die Lipidmoleküle in der Emulsion nicht direkt von Wassermolekülenumgeben, sondern von einer Hülle aus Seife, Detergens- oder Gallensäuremolekülen.

Nur emulgierte Neutralfette können durch Lipase hydrolysiert werden. Im Dünndarm werdenNeutralfette durch die Pankreaslipase in Monoacylglycerine und freie Fettsäuren gespalten. Die Lipase,ein Proteinmolekül, ist nur in wässriger Phase löslich und aktiv. Die physiologische Funktion derGallensäuren besteht darin, die Neutralfette zu kleinen Tröpfchen zu emulgieren, so dass eine grosseGrenzfläche für den Angriff der Lipase zur Verfügung steht.

Im Blut werden wasserunlösliche Lipide an Proteine gebunden transportiert. Fettsäuren werden anSerumalbumin gebunden, Neutralfette, Cholesterin und Phospholipide an spezielle Lipoproteine. LowDensity Lipoproteine (LDL) als hauptsächliche Träger von Cholesterin und Cholesterinestern sindbesonders bedeutsam. Erhöhte Blutcholesterin-Werte sind ein Risikofaktor für die Entstehung vonArteriosklerose. Die Chylomikronen sind lichtmikroskopisch sichtbare Aggregate von Neutralfetten,umgeben von weniger hydrophoben Phospholipiden und hydrophilen Proteinen. Es sind Transport-Vehikel für schwerlösliche Lipide aus der Dünndarmmucosa via Lymphe in die Blutbahn.

Page 14: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

18

BIOLOGISCHE MEMBRANEN

Biologische Membranen verschiedener Herkunft (Plasmamembran, ER, Mitochondrienmembran,Golgiapparat u.a.) können sich nicht nur in ihrer Proteinzusammensetzung, sondern auch in ihrerLipidzusammensetzung stark unterscheiden. Ebenso können sich je nach Zelltyp die Gesamtmengeund die Anteile der verschiedenen biologischen Membranen unterscheiden. Die Erythrozytenmembranbesteht wie andere biologische Membranen hauptsächlich aus Lipiden und Proteinen. Die Lipid-Doppelschicht ist 6-7 nm dick und enthält in einem Feld von 1 µm2 etwa 5x106 Lipidmoleküle. Diespeziellen Eigenschaften der Membranlipide ermöglichen, dass sich die Lipidmoleküle spontananeinander lagern und durch nicht-kovalente Wechselwirkungen zusammengehalten werden. DieLipidfraktion umfasst polare Lipide, vor allem Glycerinphosphatide, aber auch Sphingolipide sowieCholesterin. Die Grundstruktur der Glycerinphosphatide ist die mit einem Alkohol (X-OH) verestertePhosphatidsäure.

R1 und R2 sind langkettige Fettsäuren. R2 ist meist eine ungesättigte Fettsäure, häufig die hoch-ungesättigte Arachidonsäure (20:4), die nach Abspaltung aus Phospholipiden als unmittelbare Vor-stufe zur Synthese hormonähnlicher Lipidsubstanzen dient (Prostaglandine, Thromboxane einerseitsund Leukotriene andererseits). Die polare Kopfgruppe X bestimmt den Typ des Phospholipids.

Die drei häufigsten "Kopfgruppe" ( -X)Phospholipidtypen

Phosphatidylcholin PC:

Phosphatidylethanolamin PE:

Phosphatidylserin PS:

(Phosphatidsäure

Die Kohlenwasserstoffketten (Acylgruppen) der Membranlipide können entweder in starrem,geordnetem Verband oder in relativ ungeordnetem, "flüssigem" Zustand existieren. Der starre Zustandwird begünstigt durch gesättigte Fettsäuren, während ungesättigte Fettsäuren infolge der cis-Doppelbindung(en) die geordnete Packung der Acylketten stören. Biologische Membranen sind asym-metrisch aufgebaut. Während PC vorwiegend und Glykolipide fast ausschliesslich auf der extrazellu-lären Seite der Lipidmembran gefunden werden, befinden sich PE und PS hauptsächlich auf der cyto-

Page 15: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

19

Fig. 4 A Schnitt durch eine Lipid-Doppelschicht, die in der Darstellung eine flüssigkeitsähnliche Packungs-dichte der Kohlenwasserstoffketten aufweist. Im dargestellten 30x30 Å grossen Schnitt befinden sich sechsCholesterinmoleküle, fünf Glycerophospholipidmoleküle (3 Typen) und vier Sphingolipidmoleküle (2 Typen).Die OH-Gruppe des Cholesterinmoleküls sitzt an der Oberfläche der Lipid-Doppelschicht, während dasSteroid-Ringsystem sich im äusseren Anteil der Lipid-Doppelschicht befindet und mitverantwortlich ist füreine Versteifung der Doppelschicht in diesem Bereich.

Fig. 4 B Diffusion von Phospholipidmolekülen in einer Lipid-Doppelschicht. Die spontane “Flip-Flop-Bewegung” istein äusserst seltenes Ereignis.

Page 16: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

20

plasmatischen Seite. Einige der neutralen Glykolipide sind für die Blutgruppenspezifität von rotenBlutzellen verantwortlich.

NUCLEINSÄUREN

Zur Reinigung und Trennung grossmolekularer Nucleinsäuren, deren Aufbau und Struktur hier nichtbehandelt werden soll, dienen ähnliche Methoden wie für Proteine; die Gelchromatographie zurTrennung nach Molekülgrösse und die SDS-Gelelektrophorese (S.14) zur Molekularmassebe-stimmung. Oligonucleotide können aufgrund ihres Gehalts an negativ geladenen Phosphatgruppendurch Ionenaustauschchromatographie getrennt werden. Nucleinsäuren sind gut wasserlöslich, fallenaber in saurem Milieu aus. Gegen Wärme oder organische Lösungsmittel sind Nucleinsäurenwesentlich stabiler als Proteine. Chemisch können Nucleinsäuren durch Kochen in Säure in die Bau-steine Phosphat, Pentose und Nucleinbasen zerlegt werden. Im Organismus werden sie durchNucleasen verschiedener Spezifität zu Oligo- und Mononucleotiden hydrolysiert. PankreatischeRibonuclease spaltet die Esterbindung zwischen der Phosphatgruppe eines Pyrimidinnucleotids unddem C5 der Ribose des nächsten Nucleotids. Es entstehen freie Pyrimidin-3'-phosphate undOligonucleotide mit einem Pyrimidin-3'-phosphat am einen Ende.

Die Purine und Pyrimidine haben ein Absorptionsmaximum bei 260 nm. Das Absorptions-maximum ist um rund 20 nm im kurzwelligeren Bereich des Spektrums als dasjenige der Proteine.Die Extinktionskoeffizienten der Purine und Pyrimidine sind wesentlich höher als diejenigen vonTryptophan und Tyrosin. Im allgemeinen sind die Spektren aller Nucleinsäuren gleich, allerdingsgibt es gewisse von Struktur und Konformation abhängige Unterschiede. Zum Beispiel ändert sichdas Spektrum von DNA bei der Denaturierung von doppelsträngiger zu einsträngiger DNA (Exp.6.4, bzw. Exp. 8.10).

Das unterschiedliche UV-Spektrum von reduzierten und oxidierten Pyridinnucleotiden wirdzur Messung vieler Enmzymreaktionen benutzt. Pyridinnucleotide (NAD+, NADP+) absorbierenebenfalls maximal bei 260 nm, der Nicotinamid-Rest zeigt zusätzlich eine vom Redoxzustand (NAD+

º NADH) abhängige Absorption im längerwelligen UV (Exp. 1.6). Enzymreaktionen, die mit denReaktionen NAD+ º NADH oder NADP+ º NADPH gekoppelt sind, können daher bequem photo-metrisch verfolgt werden. Die Methode, historisch als "Optischer Test nach Warburg" bekannt, wirdim klinischchemischen Labor ausserordentlich häufig angewandt (S. 44 und Exp. 1.7, 8.1 und 8.3).

pH-MESSUNG UND TITRATION

Eine Säure kann nach Brönsted definiert werden als eine Substanz, die in Lösung in ein Wasserstoffionund die konjugierte Base A- dissoziiert. Eine Base ist eine Substanz, die ein Wasserstoffion aufnehmenkann und dadurch zur konjugierten Säure wird. Diese Beziehungen sind gegeben durch die folgendenGleichgewichte:

AH º H+ + A-

B + H+ º BH+

Page 17: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

21

Je nach Lage des Gleichgewichts kann eine Säure in wässriger Lösung in der undissoziierten, derdissoziierten Form oder einer Mischung der beiden vorliegen. (Wasserstoffionen existieren inwässriger Lösung nur in hydratisierter Form als H3O

+. Aus Gründen der Vereinfachung wird aberim folgenden auf diese Schreibweise verzichtet.)

Bei der acidimetrischen Titration von Säuren werden sowohl die freien wie auch alle potentielldissoziierbaren Wasserstoffionen (undissoziierte saure Äquivalenzen) erfasst. Bei der pH-Messung(pH = -log H+) wird nur die freie H+-Konzentration (bzw. Aktivität) gemessen.

Starke Säuren sind in wässriger Lösung vollständig dissoziiert. Eine 0.1 M HCl-Lösung liegtbeispielsweise vollständig in Form von H+ und Cl- Ionen vor und ergibt daher eine H+-Konzentrationvon 0.1 M = 10-1 M, also einen pH-Wert von 1. Acidimetrische Titration und pH-Messung liefernin diesem Fall das gleiche Resultat.

Bei einer schwachen Säure ist die Dissoziation unvollständig. Das Gleichgewicht zwischen derdissoziierten und undissoziierten Form ist gegeben durch die Säuredissoziationskonstante Ka:

[A-]@[H+]= Ka (1)

[AH]

Je schwächer eine Säure, desto kleiner ist Ka. Acidimetrische Titration und pH-Messung liefernungleiche Resultate. Eine 0.1 M Essigsäurelösung ist z.B. nur zu 1.5 % dissoziiert. Ihr pH-Wert istetwa 2.85.

Gleichung (1) gestattet die Berechnung des pH-Wertes von wässrigen Lösungen schwacher Säuren,von Wasser, von wässrigen Lösungen von Salzen einer schwachen Säure und einer starken Base undvon Mischungen der Lösungen solcher Salze und der zugehörigen schwachen Säure (Pufferlösungen).

Berechnung des pH-Wertes einer schwachen Säure:

Wenn eine schwache Säure der Hauptlieferant von H+ ist, dann ist [H+] = [A-]. Gleichung (1) wirdsomit umgeformt in:

[H+]2

= Ka, oder [H+]2 = Ka[AH]; 2 log[H+] = log Ka + log[AH] [AH]

Bei einer schwachen Säure in einer Konzentration > 10 Ka entspricht [AH] fast der ursprünglichenGesamtkonzentration c (in mol/l), somit

log[H+] = (log Ka + log c) / 2oder

pH = (pKa - log c) / 2 (2)

Page 18: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

22

wobei pKa = -log Ka. Damit lässt sich der pH-Wert einer schwachen Säure angenähert berechnen.Für 0.01 M Essigsäure (pKa 4.7) ist der berechnete pH-Wert 3.35.

Berechnung des pH-Wertes von Wasser:

Wasser ist eine sehr schwache Säure (Ka = 1.7 x 10-16) und die Konzentration der undissoziierten Form(H2O) ist praktisch in allen wässrigen Lösungen konstant (= 55 M). Das Dissoziationsgleichgewichtist somit

[H+]@[OH-]= 1.7 x 10-16.

55

Daraus ergibt sich das Ionenprodukt, Kw, des Wassers

[H+]@[OH-] = 10-14 = Kw(25EC) (3)

In Abwesenheit anderer H+-Donatoren ist [H+] = [OH-], und daher [H+]2 = l0-14, bzw. pH = 7. Diesist der pH-Wert von reinem Wasser. Wegen der Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft ist der pH-Wert von destilliertem Wasser jedoch meist niedriger (ca. pH 5).

Berechnung des pH-Wertes einer Lösung des Salzes einer schwachen Säure mit einer starkenBase:

Salze starker Säuren mit starken Basen sind in wässriger Lösung annähernd neutral; hingegen sindSalze schwacher Säuren mit starken Basen leicht alkalisch. Ein solches Salz ist in wässriger Lösungvollständiq dissoziiert: XA 6 X+ + A-. A- reagiert mit H2O gemäss A- + HOH 6 AH + OH-. Da dieMenge von AH gleich der Menge des gebildeten OH- ist, und da [A-] praktisch gleich der Salz-Konzentration [Salz] ist, folgt aus (l)

[H+] = [AH]Ka/[A-] = [OH-]Ka/[Salz]

Da [OH-] = Kw/[H+], ist [H+] = KaKw/[H+][Salz]. Logarithmieren und Auflösen nach [H+] ergibt

log[H+] = log Kw/2 + log Ka/2 - log[Salz]/2

pH = 7 + pKa/2 + log[Salz]/2 (4)

Nach Gleichung (4) ist der pH-Wert von 0.1 M Na-Acetat 8.85 .

Berechnung des pH-Wertes einer Pufferlösung:

Lösungen, die eine schwache Säure (AH) und deren Salz (X+, A-) enthalten, werden Pufferlösungengenannt. Sie können dank dem gleichzeitigen Vorhandensein der konjugierten Säure (AH) und Base(A-) Wasserstoffionen binden oder abgeben. Sie vermögen deshalb Änderungen der H+-Konzentrationbei Zugabe von Säuren oder Basen innerhalb enger Grenzen abzudämpfen. Dieses als Pufferwirkungbezeichnete Verhalten spielt eine grundlegende Rolle bei der Aufrechterhaltung des pH-Wertes inphysiologischen Systemen und auch bei der Kontrolle des pH-Wertes in Experimenten.

Page 19: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

23

Pufferlösungen können durch partielle Neutralisierung einer schwachen Säure mit einer starken Base(z.B. NaOH), oder praktischer durch Vermischen einer Lösung der Säure und der Lösung eines ihrerAlkalisalze hergestellt werden.

Der pH-Wert einer Pufferlösung bekannter Zusammensetzung lässt sich nach Gleichung (1)berechnen. Unter der Annahme, dass [AH] der zugegebenen totalen Säurekonzentration und [A-] derzugegebenen totalen Salzkonzentration entspricht (diese Annahme ist nur gültig im Bereich, wo derAnteil von Säure oder Salz mehr als 5 % oder weniger als 95 % ihrer Summe ausmacht), ergibt sich:

[H+] = Ka[AH]/[A-] = Ka[Säure]/[Salz]

log [H+] = log(Ka[Säure]/[Salz])

[Salz] [A-]pH = pKa + log = pKa + log (5)

[Säure] [AH]

Das ist die Henderson-Hasselbalchsche Gleichung. Aus (5) folgt, dass pH = pKa, wenn [A-] = [AH];d.h. der pH-Wert einer zur Hälfte neutralisierten schwachen Säurelösung entspricht ihrem pKa-Wert.

Beispiele:

Zu 10 ml 0.1 M Essigsäure werden 5 ml 0.1 N NaOH zugefügt. Damit wird die Hälfte der Essigsäurein die Salzform übergeführt, so dass [Salz]/[Säure] = 5/5 wird.

5pH = 4.7 + log = 4.7 + log 1 = 4.7 (pH = pKa)5

Zu 10 ml 0.1 M Essigsäure werden 0.2 ml 1 N NaOH zugefügt. Das entspricht der Addition von 2ml 0.1 N NaOH. Damit wird 1/5 der Essigsäure in die Salzform übergeführt, so dass [Salz]/[Säure]= 1/4 wird.

1pH = 4.7 + log = 4.7 + log 0.25 = 4.7 + 0.4 - 1 = 4.1

4

Zu 10 ml 0.15 M Na2HPO4 werden 5 ml 0.15 M NaH2PO4 zugefügt (pKa2 = 7.2)

10pH = 7.2 + log = 7.2 + 0.3 = 7.5

5

Aus je 0.3 M Na2HPO4 und NaH2PO4 soll eine 0.15 M Phosphatpufferlösung mit pH = 7.4 hergestelltwerden.

7.4 = 7.2 + log[Salz]/[Säure]

log[Salz]/[Säure] = 7.4 - 7.2 = 0.2; [Salz]/[Säure] = 1.58

Page 20: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

24

Also müssen 1.58 Teile 0.3 M Na2HP04, 1 Teil 0.3 M NaH2P04 und 2.58 Teile H20 gemischt werden.

Ampholyte:

Substanzen, welche sowohl saure wie basische Gruppen enthalten, nennt man Ampholyte, z.B.Aminosäuren sind Ampholyte. Bei Säurezusatz verhalten sich Aminosäuren wie Basen, beiBasenzusatz wie Säuren (Zwitterionen):

Kation Zwitterion Anion

Am isoelektrischen Punkt (IEP) liegen sie als Zwitterionen vor. Der isoelektrische Punkt ist derjenigepH-Wert, bei welchem die Nettoladung der Aminosäure gleich Null ist. Bei diesem pH-Wert wandertdie Aminosäure in einem elektrischen Feld nicht. Da Proteine aus Aminosäuren zusammengesetztsind, sind Proteine auch amphoter und weisen auch einen IEP auf. Der IEP eines Proteins wird durchElektrophorese bestimmt: Der pH-Wert der Proteinlösung wird so lange variiert, bis keine Wanderungim elektrischen Feld mehr feststellbar ist.

Berechnung des isoelektrischen Punktes einer Aminosäure:

Der pKa-Wert der Carboxylgruppe wird pK1 genannt, derjenige der Aminogruppe pK2. Amisoelektrischen Punkt ist

1pH = (pK1 + pK2)2

Glycin pK1 = 2.34, pK2 = 9.60, IEP = 5.97.

Saure und basische Aminosäuren haben 3 pKa-Werte:

Kation Zwitterion Anion 2-wertiges Anion

pK1 = 1.88, pK2 = 3.65, pK3 = 9.6, IEP = 1/2(pK1 + pK2) = 2.77

Page 21: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

25

2-wertiges Kation Kation Zwitterion Anion

pK1 = 2.8, pK2 = 8.95, pK3 = 10.53, IEP = 1/2(pK2 + pK3) = 9 .74

Die pKa- und IEP-Werte einiger weiterer Aminosäuren sind in der nachfolgenden Tabellezusammengestellt:

Aminosäuren Carboxyl- α-Amino- Seitenkettengruppe* IEPgruppe gruppe (protonierte Form)

Glycin 2.3 9.6 - 5.95Asparaginsäure 1.9 9.6 3.7 (β-COOH) 2.80Glutaminsäure 2.2 9.7 4.3 (γ-COOH) 3.50Tyrosin 2.2 9.1 10.1 (-OH) 5.65Cystein 1.9 10.7 8.4 (-SH) 5.15Histidin 1.8 9.2 6.0 (Imidazolium) 7.60Lysin 2.2 9.0 10.5 (ε-NH3

+) 9.75Arginin 2.2 9.0 12.5 (Guanidinium) 10.75

*In Proteinen gelten oft andere pK-Werte, weil im Proteinverband räumlich benachbarte Seitenkettensich gegenseitig beeinflussen können. Beispiel: -COO-....H3N

+-, pK NH2 steigt, pKCOO- sinkt.

Titrationskurven zeigen die Abhängigkeit des pH-Wertes vom Verhältnis Base / Säure

Der Verlauf der Titrationskurve einer einzelnen protonierbaren Gruppe wird von der Henderson-Hasselbalchschen Gleichung (S. 24) vorausgesagt. Die Titrationskurve eines Gemisches von Amino-säuren oder einer Proteinlösung ist die Summe der Titrationskurven der einzelnen ionisierbarenGruppen. In der Praxis wird statt des Verhältnisses Base / Säure die Menge der zugegebenen Basegegen den pH-Wert aufgetragen (Exp. 2.2). Titrationskurven zeigen anschaulich, dass bei Zugabeeiner gleich grossen Menge Base oder Säure die pH-Änderung im Bereich der pK-Werte gering, imBereich der Äquivalenzpunkte gross ist. Als Faustregel gilt: Aminosäuren (aber auch andere Säurenund Basen) puffern gut im pH-Bereich von pK ±0.5.

Page 22: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

26

pH-Indikatoren sind schwache Elektrolyte, bei denen die protonierte und die nicht-protonierteForm verschiedenfarbig sind. Sie wechseln deshalb im Bereich ihres pKa über ein Intervall von1 - 2 pH-Einheiten die Farbe. Statt eine Titration am pH-Meter zu verfolgen, kann durch Zusatz einesgeeigneten Indikators der Endpunkt der Titration am Farbwechsel des Indikators erkannt werden.

ELEKTROPHORESE

Unter Elektrophorese versteht man die Wanderung von geladenen Partikeln in einem elektrischenFeld. Je nachdem ob die Nettoladung dieser Substanzen positiv oder negativ ist, wandern sie zurKathode (negativer Pol) oder zur Anode (positiver Pol). Unterschiede in der Nettoladung äussernsich in Unterschieden der Wanderungsgeschwindigkeit und können so zur Trennung von Substanz-gemischen verwendet werden. Die Elektrophorese ist eine wichtige Methode zur Trennung vonAminosäuren, Peptiden und Proteinen. Wegen ihres Ampholytcharakters wandern diese Verbindungenje nach ihrem isoelektrischen Punkt (IEP) und je nach dem pH-Wert des Milieus zur Kathode oderzur Anode. Wenn der pH-Wert dem IEP des Ampholyts entspricht, erfolgt keine Wanderung.

Die gebräuchlichste Methode zur Auftrennung von Gemischen ist die Zonenelektrophorese. Einekleine Menge des zu trennenden Gemisches wird als schmale Zone auf einem mit Puffer getränktenTräger aufgetragen. Übliche Trägermaterialien sind Agarose-Gel und Polyacrylamid-Gel. An denElektrophorese-Träger wird eine Gleichspannung angelegt. Unter dem Einfluss des im Streifenwirksamen elektrischen Feldes kommt es zur räumlichen Auftrennung der Komponenten, die durchgeeignete Anfärbemethoden lokalisiert und auch quantitativ bestimmt werden können.

Fig. 5 Elektropherogramm von Serum eines Menschen. a) angefärbter Elektrophoresestreifen, b)die bei der photometrischen Auswertung der Farbbänder entstandene Extinktionskurve; dieZahlen geben die Anteile der Fraktionen in Prozenten, die durch Integration der Flächenunter den einzelnen Gipfeln der Extinktionskurve ermittelt werden.

Page 23: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

27

Das Auflösungsvermögen der Polyacrylamid-Gelelektrophorese ist besonders hoch, weil im GelMoleküle aufgrund ihrer Ladung und ihrer Grösse aufgetrennt werden. Während auf Agarose dieSerumproteine nur in die grösseren Gruppen Albumin, α1- und α2-, β1- und β2-, und γ-Globulineaufgetrennt werden, vermag die Polyacrylamid-Gelelektrophorese Dutzende verschiedener Serum-proteine zu unterscheiden. Ausschliesslich nach der Grösse aufgetrennt werden Proteine in der SDS-Gelelektrophorese (vgl. S. 14).

Vereinfachte quantitative Behandlung der Wanderungsgeschwindigkeit qeladener Teilchenim elektrischen Feld. Auf ein Teilchen mit der Ladung Q wirkt im elektrischen Feld E (V/cm) dieKraft Q@E, so dass die Wanderungsgeschwindigkeit des Teilchens v = Q@E/f (1) beträgt. Für den Ideal-fall einer Kugel ist der Reibungskoeffizient f = 6 πηr (r = Stokes'scher Radius, η = Viskosität desMediums). Gleichung (1) zeigt, dass die Wanderungsgeschwindigkeit proportional zumSpannungsabfall (= Feldstärke = Spannung pro Längeneinheit des Elektrophoresestreifens, Volt/cm)und proportional zur Ladung des wandernden Teilchens ist. Die Ladung ist bei Aminosäuren undProteinen vom pH-Wert abhängig. Der Reibungskoeffizient f ist abhängig von Form und Grösse derTeilchen und von der Viskosität des Mediums.

Bei der Elektrophorese entsteht Wärme. Die pro Zeiteinheit gebildete Wärme H beträgt R@I2 (R =elektrischer Widerstand, I = Stromstärke). Bei der Hochspannungselektrophorese (Feldstärken biseinige 100 V/cm und Stromstärken von gegen 1 Ampère) wird die entstehende Wärme mit einemKühlsystem abgeführt.

CHROMATOGRAPHIE

Chromatographische Trennmethoden beruhen im wesentlichen darauf, dass sich die zu trennendenSubstanzen je nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften zwischen einer stationären und einermobilen Phase ungleich verteilen. Die verschiedenen Verfahren können grob klassifiziert werdenin Verteilungschromatographie (Papier-, Dünnschicht-, Gaschromatographie), Adsorptionschro-matographie (Ionenaustauscher-, Affinitätschromatographie) und Gelchromatographie (Gelfil-tration). Die Verteilungschromatographie beruht auf der verschiedenen Löslichkeit der zu trennendenSubstanzen in den Phasen. Bei der Adsorptionschromatographie wirken verschieden starke nicht-kovalente Bindungskräfte zwischen den zu trennenden Substanzen und den Molekülen der einzelnenPhasen. In der Gelchromatographie beruht die Trennung auf der räumlich begrenzten Zugänglichkeitder verschiedenen Phasen für unterschiedlich grosse Moleküle. Während der chromatographischenTrennung werden die stationäre und die mobile Phase gegeneinander verschoben. VerschiedeneKombinationen von festen, flüssigen und gasförmigen Phasen sind je nach Chromatographietyp mög-lich. Eine Übersicht gibt die folgende Tabelle.

Page 24: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

28

Name Phase 1 Phase 2(stationär) (mobil)

Papierchromatographie H2O in Cellulose- organisches matrix des Papiers Lösungsmittel

Gaschromatographie Silikone auf inertes Gasinertem Träger

Dünnschicht- Aluminiumoxid, organischeschromatographie Kieselgel etc. Lösungsmittel

Ionenaustauscher- Ladungen auf Elektrolytchromatographie inertem Träger (Puffer)

Affinitäts- spezifischer Ligand Puffer,chromatographie auf inertem Träger Lösungsmittel

Gelchromatographie Puffer im Raum Puffer ausserhalbinnerhalb der der GelpartikelGelpartikel

Die einzelnen Chromatographietypen können nicht immer eindeutig der Verteilungs-, Adsorptions-oder Gelchromatographie zugeordnet werden. Beispielsweise beobachtet man bei der Papierchro-matographie gelegentlich auch Adsorption an das Papier. Oder im Falle der Gelchromatographiewerden aromatische Verbindungen wegen Adsorption an die Gelpartikel besonders langsam aus denGelpartikeln eluiert (Elutionsverhältnisse bei der Gelfiltration in Exp. 10.1).

Der Rf-Wert ist ein Mass für die Wanderungsgeschwindigkeit einer Substanz in Papier- undDünnschichtchromatographie. Der Rf-Wert ist der Quotient aus der Wanderungsdistanz der Sub-stanz und der Lösungsmittelfront.

Startpunkt bis FleckenmitteRf = Startpunkt bis Lösungsmittelfront

Der Rf-Wert ist für eine Substanz in einem bestimmten Lösungsmittelsystem und bei konstanter Tem-peratur charakteristisch. Zur Identifikation ist aber der direkte Vergleich von unbekannter Substanzund Referenzsubstanz im gleichen Chromatogramm zuverlässiger. In der Gelchromatographie istder Verteilungskoeffizient Kd eine dem Rf-Wert entsprechende Grösse (S. 30.

Ionenaustauscher-Chromatographie

Bei dieser Art von Chromatographie werden gelöste Ionen gegen Ionen gleichen Vorzeichens, diean ein unlösliches Gegenion auf einem festen Träger gebunden sind, ausgetauscht. Auf diesem Prinzipberuht die Enthärtung von Wasser, bei der Ca2+ des "harten" Wassers gegen Na+ von unlöslichem

Page 25: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

29

Zeolith (= Natrium-Aluminiumsilikat) ausgetauscht wird. Der entstehende Ca-Zeolit kann durchWaschen mit einer konzentrierten NaCl-Lösung wieder zum Na-Zeolith regeneriert werden.

Die meisten Ionenaustauscher sind synthetische Polymere (Kunstharze), welche saure oder basischeGruppen enthalten. Austauscher-Harze kann man nach dem pK-Wert ihrer ionischen Gruppeneinteilen. Ein stark saurer Kationenaustauscher kann z.B. -S03

- Gruppen enthalten, ein schwach sau-rer z.B. -COO- Gruppen. Den Austausch kann man sich folgendermassen vorstellen:

Harz-S03-Na+ + R-NH3

+ º Harz-SO3- +H3N-R + Na+

Harz-NH3+Cl- + R-COO- º Harz-NH3

+ -OOC-R + Cl-

Trennung von zwei Aminosäuren (A1 und A2) auf Kationenaustauscherharz

Bei pH 1 liegen A1 und A2 als Kationen vor. Beide werden am Kationenaustauscher adsorbiert undwandern nur sehr langsam. Bei pH 6 liegt A1 als Kation vor. A2 wird als ungeladenes Zwitterion nichtadsorbiert und wandert deshalb schneller als A1.

Page 26: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

30

Statt einen Puffer konstanter Zusammensetzung zur Elution zu verwenden, können z.B. bei einemKationenaustauscher der pH-Wert oder die Ionenstärke oder beide schrittweise (schrittweise Elution)oder kontinuierlich (Gradienten-Elution) erhöht werden. Dadurch kann die Elution der aufgetrenntenKomponenten beschleunigt werden. Die Aminosäuren eines Proteinhydrolysats werden im auto-matischen Aminosäuren-Analysator durch Ionenaustauschchromatographie quantitativ aufgetrennt(Fig. 6).

Fig. 6 Analyse von Aminosäuren mit Hilfe einerHochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie(HPLC) an einem Kationenaustauscher-Harz. DieFläche unter jedem Signal des Chromatogrammsist der Menge jeder in der Mischung vorhandenenAminosäure proportional.

Gelchromatographie

Vernetztes Dextran ("Sephadex") bildet in gequollenem Zustand ein poröses Gel. Das Flüssigkeits-volumen innerhalb der Gelpartikel ist bei einem gegebenen Grad der Vernetzung nur für gelösteMoleküle unterhalb einer bestimmten Grösse zugänglich. Die Verteilung von gelösten Moleküleninnerhalb und ausserhalb der Gelpartikel ist somit abhängig vom zugänglichen Volumen innerhalbder Gelpartikel. Das Totalvolumen (Vt) einer Sephadex-Säule ist die Summe des Volumens ausserhalbder Gelpartikel (Vo), des Volumens innerhalb der Gelpartikel (Vi) und des Volumens der Gelsubstanzselbst (Vg):

Vt = Vo + Vi + Vg

Das Elutionsvolumen (Ve) einer Substanz ist abhängig von Vo und vom "Verteilungskoeffizienten"Kd, der den Bruchteil des Vi angibt, der für die Substanz zugänglich ist.

Ve = Vo + Kd @ Vi

Für grosse Moleküle, die nicht in das Gel eindringen können, ist Kd = 0, somit Ve = Vo. Für kleineMoleküle, die vollständig in das Gel eindringen können, ist Kd = 1, somit Ve = Vo + Vi. Für Molekülemit einem Kd zwischen O und 1 gilt:

Vo < Ve < (Vo + Vi)

Je nach der Grösse der Moleküle, die voneinander getrennt werden sollen, wird verschieden starkvernetztes Sephadex verwendet. Die gebräuchlichsten Typen sind:

Sephadex Ausschluss-Molekularmasse

G-25 > 5'000G-50 > 25'000G-75 > 50'000G-200 > 200'000

Page 27: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

31

Sephadex G-25 eignet sich wie die Dialyse besonders zur Entsalzung von Makromolekülen (Exp.5.2, 5.4). Sephadex G-50, G-75 und G-200 werden zur Trennung verschieden grosser Proteine verwen-det. Sie dienen auch zur Schätzung der molekularen Grösse und damit der Molekülmasse einesProteins. Als Referenzen braucht man die Elutionsvolumina von Proteinen mit bekannter Molekular-masse. Für globuläre Proteine ist das Verhältnis Ve/Vo über einen weiten Bereich umgekehrtproportional zum Logarithmus der Molekularmasse.

Die nachstehende Figur zeigt solche Kurven für Sephadex G-50 und G-200. Die gesuchteMolekülmasse eines Proteins erhält man anhand der Kurven aus dem gemessenen Elutionsvolumen.

Affinitätschromatographie (siehe Exp. 5.5, Naturwissenschafter)

PHOTOMETRIE

Gesetz von Beer-Lambert:

Wird Licht durch eine Farbstofflösung gestrahlt und dabei absorbiert, so ist die Intensität des austre-tenden Lichts (I) kleiner als diejenige des eintretenden Lichts (Io). Der Quotient I/Io wird als Durch-lässigkeit D oder Transmittance T bezeichnet und ist abhängig von der Konzentration c des Farb-stoffsund der Schichtdicke d: D = I/Io = lO-k@c@d. D wird oft in % angegeben. %D = 100 I/Io.

Ein für photometrische Messungen gebräuchlicheres Mass ist die Extinktion E oder optische Dichte

Page 28: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

32

OD. Sie ist direkt proportional zu c und d:

E = -log(I/Io) = -log D = k@c@d

Der Extinktionskoeffizient k ist charakteristisch für die absorbierende Substanz und ist abhängig vonder Wellenlänge. Der numerische Wert von k ist ferner abhängig von den Einheiten von c und d. Wirdder molare Extinktionskoeffizient ε verwendet, wird d in cm und c in mol/Liter (M) angegeben. DieDimension ist dann M-1 cm-1. Der molare Extinktionskoeffizient entspricht also der Extinktion einer1 M Lösung der betreffenden Substanz bei einer Schichtdicke von 1 cm. Bei stark absorbierendenSubstanzen ist der millimolare Extinktionskoeffizient gebräuchlicher (εmM = ε/1000). Für Tryptophanbeträgt εmM = 6 mM-1cm-1 bei 280 nm (Spektrum S. 12), für ATP 15 mM-1cm-1 bei 260 nm.

Zwischen % Durchlässigkeit und Extinktion besteht die Beziehung log %D = log 100 + log (I/Io) =2 - E. Durchlässigkeiten von 100 %, 10 %, 1 % entsprechen die Extinktionen 0, 1.0 und 2.0. Diemeisten Photometer sind mit einer %D-Skala (linear) und einer E-Skala (logarithmisch) ausgerüstet.

Konzentrationsbestimmung durch Photometrie:Nach dem Gesetz von Beer-Lambert kann eine unbekannte Konzentration graphisch bestimmt werden.Zuerst werden die Extinktionen (E1, E2, E3, E4) von Standardlösungen bekannter Konzen-trationen(c1, c2, c3, c4) als Eichkurve aufgezeichnet. Die Werte sollen auf einer Geraden liegen, die durch denNullpunkt geht. Abweichungen von der Linearität können bei höheren Konzentrationen auftreten.Die unbekannte Konzentration cx kann aus der gemessenen Extinktion Ex auf der Eichgeradenabgelesen werden.

Photometer und Spektralphotometer:Das Beer-Lambertsche Gesetz gilt nur für monochromatisches Licht. Um eine möglichst grosseExtinktion zu erhalten, wird monochromatisches Licht gewählt, das zur Farbe der absorbierenden

Page 29: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

33

Substanz komplementär ist. Monochromatisches Licht wird beim Photometer durch die Verwendungeines Filters erzeugt, beim Spektralphotometer durch ein Prisma oder ein Diffraktionsgitter.

Schematische Darstellung eines Spektralphotometers

Lichtquelle Monochromator Proberaum Photoelektrischer Empfänger mit Anzeigegerät

1 Lichtquelle 2 Eintrittsspalt 3 Prisma oder Diffraktionsgitter 4 Drehmechanismus für Prisma 5 Skala mit Angabe der Wellenlänge 6 Austrittsspalt 7 Küvette mit Lösung 8 Photozelle, wandelt Lichtimpuls in Strom um 9 Elektronischer Verstärker10 Regulier-Potentiometer11 Ampèremeter mit %D- und E-Skala

Praktisches Vorgehen bei der Photometrie:

Extinktionswerte sind keine absoluten Grössen, sondern Relativwerte bezüglich einer Blindprobe.Als Blindwert dient gewöhnlich der benützte Puffer. Vor der Messung der Extinktion E muss dasPhotometer mit dem Blindwert wie folgt geeicht werden:

1. Lichtweg schliessen, Photometeranzeige auf E = 4 oder %D = 0 einstellen durch Kompensationdes sogenannten Dunkelstroms (geschieht bei neueren Geräten automatisch).

2. Lichtweg öffnen, Blindprobe in den Lichtweg bringen, auf Photometeranzeige E = 0 respektive%D = 100% einstellen durch Veränderung der Verstärkung des Photostroms (Nullpunkt-Abglei-chung, "zero adjustment").

Page 30: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

34

3. Probe in den Lichtweg bringen und E ablesen.

Wird die Wellenlänge verändert, so muss das Photometer wieder neu geeicht werden, weil dieIntensität der Lichtquelle und die Empfindlichkeit der Photozelle mit der Wellenlänge ändert.

ENZYMREAKTIONEN

An fast allen chemischen Umsetzungen im Organismus sind Enzyme beteiligt. Enzyme sindKatalysatoren, welche die Stoffwechselprozesse unter den milden Bedingungen in der Zelle (niedrigeMetabolitkonzentrationen, niedrige Temperatur, neutraler pH-Wert) ermöglichen.

Die wesentliche Eigenschaft eines Enzyms ist sein Vermögen, eine spezifische Reaktion ganz enormzu beschleunigen (= katalysieren). Dabei werden die Geschwindigkeiten der Vorwärts- und derRückwärts-Reaktion proportional erhöht, d.h. das chemische Gleichgewicht der Reaktion wirdnicht verändert. Die im Reaktionsablauf verbrauchte Verbindung bezeichnet man als Substrat, dieneugebildete als Produkt. Bei der Rückwärtsreaktion sind die Begriffe vertauscht (z.B. Acetaldehydund Aethylalkohol sind je nach Reaktionsablauf entweder Substrat oder Produkt der Alkohol-dehydrogenase). Enzymreaktionen lassen sich durch Bestimmung der Menge des in der Zeiteinheitgebildeten Produkts oder des verbrauchten Substrats messen. Die reaktionsbeschleunigende Wirkungvon Enzymen wird als Enzymaktivität bezeichnet (Einheiten siehe S. 44).

Enzyme sind Proteine und als solche empfindlich gegen denaturierende Einflüsse (Wärme, Säuren,Basen etc.). Die Aminosäurensequenz und die räumliche Struktur verschiedener Enzyme sind heutebekannt. Die Molekularmassen Mr liegen zwischen 104 und 106 (Beispiele: Lysozym 14'400, Phos-phorylase a 390'000). Viele, aber nicht alle Enzyme bestehen aus mehreren Peptidketten (Quartär-struktur). Denjenigen Teil eines Enzymmoleküls, an den das Substrat (bzw. Produkt) bindet und wodie katalytische Umsetzung stattfindet, bezeichnet man als aktive Stelle. Sie umfasst u.a. die an diesenProzessen direkt beteiligten Aminosäurereste. Bei gewissen Enzymen enthält die aktive Stelle auchnicht-proteinartige Bestandteile (prosthetische Gruppen).

Die Geschwindigkeit einer enzymatischen Reaktion hängt von folgenden Reaktionsbedingungen ab.

(1) Substratkonzentration (2) Enzymkonzentration (3) pH-Wert (4) Temperatur (5) Konzentration von Inhibitoren und Aktivatoren

Die Untersuchung der Abhängigkeit der Enzymaktivität von diesen Faktoren ist das Gebiet derEnzymkinetik.

1. Abhängigkeit der Enzymaktivität von der Substratkonzentration

Im Laufe einer durch ein Enzym E katalysierten Umwandlung von Substrat S in Produkt P entstehen

Page 31: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

35

ein Enzym-Substrat-Komplex ES und ein Enzym-Produkt-Komplex EP als Zwischenformen. DieReaktionssequenz ist entsprechend:

E + S º ES º EP º E + P

Es ist schwierig, aus diesem allgemein gültigen Schema (6 Teilreaktionen) eine experimentell leichtnachprüfbare Beziehung zwischen der Reaktionsgeschwindigkeit und der Substratkonzentrationabzuleiten. Zur Vereinfachung beschränkt man sich deshalb auf Bedingungen, unter denen dieReaktion nur in einer Richtung abläuft, d.h. die Rückwärts-Reaktion (P 6 S) vernachlässigt werdenkann. Dies ist der Fall am Anfang der Reaktion, solange die Konzentration von P verschwindend kleinist im Vergleich zur Konzentration von S, oder unter Bedingungen, unter denen das Produkt laufendabgefangen wird. Das Reaktionsschema ist dann:

E + S º ES º EP 6 E + P

Wenn man weiter darauf verzichtet, den ES- und EP-Komplex gesondert zu betrachten (nur dieGeschwindigkeit der ersten Teilreaktion, der Bildung des ES-Komplexes, ist abhängig von der Sub-stratkonzentration), ergibt sich als einfachste Formulierung:

k1 k2

E + S º ES 6 E + P k-1

wobei k1, k-1 und k2 die Geschwindigkeitskonstanten der Teilreaktionen sind. Aus diesem Schemalässt sich eine quantitative Beziehung zwischen der Anfangsgeschwindiqkeit v einer enzymatischenReaktion und der Substratkonzentration ableiten (Henry, 1903; Michaelis und Menten, 1913; Briggsund Haldane, 1925).

Die Herleitung ist wie folgt: Die Geschwindigkeit, mit der die Konzentration des Produkts P zu-nimmt, ist

d[P]v = = k2[ES] (1)

dt

Da v am Anfang der Reaktion, (d.h. solange die Substratkonzentration sich nicht merkbar veränderthat) konstant bleibt, folgt aus Gleichung (1), dass ES ebenfalls konstant ist. Dies bedeutet, dass dieBildungs- und Zerfallsgeschwindigkeiten von ES gleich gross sind (= Fliessgleichgewichtszustand).Die Bildungsgeschwindigkeit von ES ist gleich k1[E]@[S], die Zerfallsgeschwindigkeit gleich k-1[ES]+ k2[ES]. Daraus folgt:

k1[E][S] = (k-1 + k2)[ES] (2)

Wir setzen für [E] = [Et]-[ES] ein, wobei [Et] die messbare Gesamtkonzentration des Enzyms darstellt.Eingesetzt in Gleichung (2) erhalten wir für [ES]

k1[Et][S][ES] = (3)

k-1 + k2 + k1[S]

Gleichung (3) können wir jetzt in Gleichung (1) einsetzen, d.h. wir drücken die Anfangsgeschwindig-keit der Enzymreaktion als Funktion der gesamten Enzymkonzentration und der Konzentration desfreien Substrats aus:

Page 32: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

36

k2 k1[Et][S]v = k2[ES] = (4)

k-1 + k2 + k1[S]

Gleichung (4) ist bereits die gesuchte Geschwindigkeitsgleichung für unsere Enzymreaktion, wennauch noch nicht in der üblichen Form. Diese erhalten wir, indem wir Zähler und Nenner durch k1

teilen:

k2[Et][S] Vmax[S]v = = (5)

k-1 + k2 Km + [S]+ [S]

k1

Dieses ist die Michaelis-Menten-Gleichung. Sie beschreibt die Anfangsgeschwindigkeit einerEnzymreaktion unter der Annahme des Fliessgleichgewichts. Die Konstanten Km und Vmax sinddefiniert als

k-1 + k2Km = (5a)

k1

Vmax = k2[Et] (5b)

Km wird Michaeliskonstante genannt. Vmax ist die maximale Geschwindigkeit, die bei derKonzentration [Et] erreicht werden kann. Sie entspricht dem Zustand, wo alle Enzymmoleküle alsES vorliegen, also [ES] = [Et]. Weil bei Enzymreaktionen [Et] << [St], kann man in Gleichung (5)für [S] die Gesamtkonzentration des Substrats einsetzen.

Nach Gleichung (5) ist v eine hyperbolische Funktion von [S].

Abhängigkeit der Aktivitätvon der Substratkonzentration(v gegen [S]-Darstellung)

Page 33: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

37

Bedeutung von Km und Vmax:

Die Michaelis-Menten-Gleichung liefert eine Arbeitsdefinition von Km. Km hat die Dimension einerKonzentration und entspricht numerisch derjenigen Substratkonzentration, bei welcher bei gegebenerEnzymkonzentration die halbmaximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht wird (Substitution vonv = Vmax/2 in Gleichung (5) ergibt Km = [S]). Km kann als reziprokes Mass der "Affinität" von S zuE aufgefasst werden. Je grösser die Affinität eines Substrats zum Enzym ist, desto kleiner ist die zumErreichen der halbmaximalen Umsatzgeschwindigkeit benötigte Substratkonzentration, d.h. ein kleinesKm entspricht einer grossen "Affinität" und umgekehrt. Es muss allerdings betont werden, dass Km

nicht die Dissoziationskonstante Kd = k-1/k1 des Enzym-Substrat-Komplexes darstellt. Wie Gleichung(5a) zeigt, ist Km durch drei Geschwindigkeitskonstanten bestimmt. Lediglich im Spezialfall k2 <<k-1 wird der numerische Wert von Km etwa gleich demjenigen von Kd der Reaktion E + S º ES. Inallen andern Fällen ist Km > Kd.

Bei Substratkonzentrationen, die viel kleiner oder grösser sind als Km, ergeben sich folgendeVereinfachungen der Michaelis-Menten-Beziehung:

Vmax@ [S] Vmax@ [S][S] << Km : v = – (6)

Km + [S] Km

Da Vmax und Km Konstanten sind, wird v proportional [S], d.h. der enzymatische Prozess verläuft alsReaktion 1. Ordnung. Gleichung (6) entspricht dem anfänglich linear ansteigenden Abschnitt derMichalis-Menten-Hyperbel.

Vmax@ [S][S] >> Km : v = – Vmax (7)

Km + [S]

Die Reaktionsgeschwindigkeit wird konstant und unabhängig von [S], d.h. die Umsetzung verläuftals Reaktion nullter Ordnung. Gleichung (7) entspricht der von der Michaelis-Menten-Hyperbelangestrebten horizontalen Asymptote.

Bestimmung von Km und Vmax:Der numerische Wert von Vmax ist bei Anwendung der hyperbolischen v gegen [S]-Darstellungmanuell schwierig zu bestimmen. Die für eine Messung von v in der asymptotisch auslaufendenRegion der Kurve benötigten hohen Substratkonzentrationen sind oft praktisch nicht realisierbar undExtrapolationen sind unsicher. Die sich daraus ergebende Ungenauigkeit von Vmax erschwert auchdie Bestimmung des Km. Diese Schwierigkeiten werden beseitigt durch Verwendung vonComputerprogrammen, die den Messwerten am besten angepasste Michaelis-Menten-Kurve berechnen(Hyperbolische Anpassung). Damit erhält man die Werte für Vmax und Km.

Falls keine Rechner zur Verfügung stehen, kann die Michaelis-Menten-Beziehung durch einfacheUmformung von Gleichung (5) in eine linearen Darstellungsform von der Art y = ax + b übergeführtwerden (Darstellung nach Lineweaver-Burk):

Page 34: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

38

1 Km + [S] Km [S]= = +

v Vmax@ [S] Vmax@ [S] Vmax@ [S]

1 Km 1 1 (8)= @ +

v Vmax [S] Vmax

Wenn anstelle der gemessenen Werte v und [S] der reziproke Wert 1/v (y-Achse) als Funktion von1/[S] (x-Achse) graphisch aufgetragen wird, ergibt sich eine Gerade mit der Steigung Km/Vmax. DieSchnittpunkte mit den Achsen ergeben aufgrund von Gleichung (8)

1 1 1für die Ordinate ( = 0): =

[S] v Vmax

1 1 1für die Abszisse ( = 0): = -

v [S] Km

Diese Darstellungsform liefert so durch lineare Extrapolation eindeutige Werte für 1/Vmax

(Ordinatenabschnitt) und -1/Km (Abszissenabschnitt).

Abhängigkeit der Aktivitätvon der Substratkonzentration

1 1( gegen -Darstellung)

v [S]

2. Abhängigkeit der Enzymaktivität von der Enzymkonzentration

Substitution von Vmax = k2 [Et] in Gleichung (5) führt zu

k2 @ [S]v = @ [Et] (9)

Km + [S]

Page 35: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

39

Enzymkonzentration

Ges

chw

indi

gkei

t v

d.h. bei gegebener Substratkonzentration ist die Aktivität proportional der Enzymkonzentration(doppelt soviel Enzymmoleküle können pro Zeiteinheit doppelt soviel Substratmoleküle umsetzen).Im Gegensatz zu Vmax ist Km unabhängig von der Enzymkonzentration.

3. Abhängigkeit der Enzymaktivität vom pH

Im allgemeinen ist ein Enzym nur in einem relativ engen pH-Bereich aktiv. Aktivitätsmessungenmüssen deshalb immer unter definierten pH-Bedingungen ausgeführt werden, am einfachsten durchVerwendung von Pufferlösungen. Als pH-Optimum bezeichnet man den pH-Bereich, an dem dieAktivität am höchsten ist (z.B. pH 1.5 - 2.5 für Pepsin oder pH 7 - 9 für Trypsin).

Die Lage des pH-Optimums ist durch das Vorhandensein bestimmter ionisierbarer Gruppen am Enzymoder Substrat erklärbar. In gewissen Fällen können daraus Schlüsse über den Mechanismus der

Page 36: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

40

Katalyse gezogen werden (vgl. Reaktionsmechanismus von Chymotrypsin, Exp. 10.1).

4. Abhängigkeit der Enzymaktivität von der Temperatur

Wie andere chemische Reaktionen werden Enzymreaktionen durch Temperaturanstieg beschleunigt.Aktivitätsmessungen müssen deshalb bei definierter Temperatur ausgeführt werden. Im allgemeinenfindet man bei einer Erhöhung der Temperatur um 10EC eine Aktivitätssteigerung auf etwa dasDoppelte (RGT-Regel). Bei höheren Temperaturen fällt aber die Aktivität wegen der während derMessung fortschreitenden Hitzedenaturierung des Enzyms wieder ab. Die Temperatur, bei der diehöchste Aktivität gemessen wird, liegt bei den meisten Enzymen zwischen 40EC und 50EC.

5. Wirkung von Inhibitoren und Aktivatoren auf die Enzymaktivität

Für viele Enzyme kennt man spezifische Verbindungen, die die Aktivität entweder herabsetzen(Inhibitoren) oder steigern (Aktivatoren). Bei den Inhibitoren unterscheidet man dabei solche, diemit dem Enzym eine irreversible Verbindung eingehen (Beispiel: Hemmung von Chymotrypsin durchDiisopropylfluorophosphat (DFP)) und solche, die einen reversiblen, d.h. leicht dissoziierbarenKomplex bilden. Bei den reversiblen Hemmstoffen können als Haupttypen die kompetitiven undnicht-kompetitiven Inhibitoren unterschieden werden.

Kompetitive Inhibitoren:Diese hemmen die Bindung des Substrats an das Enzym. Das Ausmass der Hemmung hängt dabeivon den relativen Konzentrationen von Substrat und Inhibitor ab und von ihren relativen Affinitätenfür das Enzym. Wenn Substrat in grossem Überschuss zugegeben wird, verschwindet die Hemmung.Vmax ist deshalb bei diesem Hemmungstyp nicht verändert. Die Affinität des Substrats zum Enzymist aber scheinbar erniedrigt. Der in Gegenwart von Inhibitor gemessene Km-Wert (= K’m) ist grösserals das Km des nicht gehemmten Enzyms. Spezifische kompetitive Inhibitoren nennt man Inhibitoren,die dem natürlichen Substrat eines Enzyms strukturell ähnlich sind. So ist z.B. Malonat einspezifischer, kompetitiver Inhibitor der Succinatdehydrogenase. Diese Inhibitoren besetzen am Enzymdie gleiche Bindungsstelle wie das Substrat und verhindern so kompetitiv dessen Bindung ans Enzym.

Page 37: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

41

Kompetitive Hemmung

Nicht-kompetitive Inhibitoren:Diese hemmen das Enzym, ohne die Bindung des Substrats zu beeinträchtigen. Umgekehrt hat eineSteigerung der Substratkonzentration auch keine Wirkung auf die Hemmung. Das Ausmass derHemmung hängt nur von der Konzentration des Inhibitors ab. Die mit Inhibitor besetzten Enzym-Moleküle sind weniger oder nicht aktiv. Vmax ist deshalb erniedrigt, verglichen mit dem nicht-gehemmten Enzym. Der Km-Wert bleibt unverändert.

mit nicht-kompetitivemInhibitor

Aktivatoren:Gewisse Enzyme sind nur aktiv in Gegenwart eines Aktivators oder werden dadurch in ihrer Wirkunggesteigert. Aktivatoren sind oft bestimmte Ionen, die leicht dissoziierbare Komplexe mit dem Enzymeingehen, z.B. Mg2+ mit Enolase, Cl- mit Amylasen (Exp. 3.5). Aktivitätsbestimmungen solcherEnzyme müssen immer in Gegenwart definierter Konzentrationen des Aktivators ausgeführt werden.H+-Ionen können als Spezialfall sowohl eines Aktivators wie eines Inhibitors betrachtet werden. DiepH-Abhängigkeit der Enzymwirkung (s. oben) lässt sich in vielen Fällen auf die Aufnahme oderAbgabe von Protonen durch das Enzym zurückführen. Je nach Enzym ist dabei die protonierte oderdie nicht-protonierte Form die aktive (bzw. aktivere) Spezies.

Page 38: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

42

6. Einheiten der Enzymaktivität

Aufgrund von Gleichung (9) ist die Geschwindigkeit einer enzymkatalysierten Reaktion proportionalzur Menge des vorhandenen Enzyms. Die Enzymaktivität wird in Internationalen Einheiten (U)gemessen. Ein U ist die Enzymaktivität, welche 1 µmol Substrat pro min in Produkt umsetzt.Die Messung soll bei definierter Temperatur, in der Regel bei 25EC, und optimalen Bedingungen(Puffer, pH-Wert, Substratkonzentration) ausgeführt werden.

Man beachte, dass U die Dimension einer Geschwindigkeit hat und somit nichts angibt über dieProteinmenge, in der die Enzymaktivität U enthalten ist.

Die spezifische Aktivität ist die Anzahl Aktivitätseinheiten eines Enzyms pro Menge Protein.Gewöhnlich wird sie als Anzahl U/mg Protein angegeben. Sie ist ein Mass für den Reinheitsgrad einesEnzympräparates. Die spezifische Aktivität steigt im Laufe der Reindarstellung eines Enzyms durchsukzessive Entfernung aller Fremdproteine bis zu dem für das reine Enzym typischen maximalenWert an. Wenn das Enzym rein und seine Molekularmasse bekannt ist, lässt sich die molekulareAktivität berechnen. Sie wird angegeben als Anzahl U/µmol Enzym. Die molekulare Aktivität (oderWechselzahl) des Enzyms gibt die Anzahl Substratmoleküle an, welche bei optimaler Substratkonzen-tration durch 1 Enzymmolekül pro min umgesetzt wird. Die Wechselzahl vieler Enzyme liegtzwischen 103 und 104 min-1.

Der optische Test (nach Warburg S. 20)

Die reduzierten Pyridinnucleotide NADH bzw. NADPH zeigen bei 340 nm eine Absorptionsbande,die den oxidierten Formen fehlt (S. 20 und Exp. 1.7). Die Umwandlung der reduzierten in dieoxidierten Formen und umgekehrt lässt sich deshalb durch Extinktionsmessungen verfolgen. DieseEigenschaft erlaubt die Messung von enzymkatalysierten Reaktionen, an denen Pyridinnucleotid-Coenzyme beteiligt sind.

Alle Reaktionen dieser Art verlaufen nach dem Schema:

Dehydrogenase

H2R + NAD(P)+ º R + NAD(P)H + H+

wobei H2R und R je nach Reaktionsrichtung das Substrat bzw. das Produkt darstellen. Die Mengenvon umgesetztem Substrat und Coenzym sind gleich. Die optisch messbare Konzentrationsänderung(Zunahme oder Abnahme) des reduzierten Coenzyms ist deshalb ein direktes Mass für das verbrauchteSubstrat oder gebildete Produkt. Die Konzentration von NADH bzw. NADPH lässt sich aufgrunddes Beer-Lambert-Gesetz (S. 31) aus Extinktionsmessungen im Bereich der Dihydronicotinamid-Absorptionsbande des Coenzyms ermitteln. Bei Verwendung eines Spektralphotometers erfolgt dieMessung am Absorptionsmaximum (340 nm) unter Anwendung des millimolaren Extinktionskoeffi-zienten, ε340 = 6.22. Bei Photometern, die mit einer Hg-Dampflampe (diskontinuierlichesLinienspektrum) ausgerüstet sind, steht nur die Emissionslinie von Hg bei 365 nm zur Verfügung.Da diese Wellenlänge nicht dem Absorptionsmaximum entspricht, muss der niedrigere Extinktions-koeffizient ε365,mM = 3.3 verwendet werden. Je nach Wahl der Versuchsbedingungen kann der optischeTest zur Messung von Enzymaktivitäten oder zur enzymatischen Bestimmung von Substratkonzen-trationen verwendet werden (Exp. 1.7 und 1.9, bzw. Exp. 8.1 und 8.3 Naturwissenschafter).

Page 39: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

43

7. Bestimmung von Enzymaktivitäten im optischen Test

Die gesuchte Grösse ist die Anzahl Enzymaktivitätseinheiten pro ml der verwendeten Enzymlösung(Anzahl U/ml) oder die spezifische Aktivität (Anzahl U/mg) des Enzyms. Es ist vorteilhaft, zuerstdie Anzahl U/ml im Reaktionsansatz (in der Küvette) zu ermitteln und dann den gefundenen Wertunter Berücksichtigung des Verdünnungsfaktors auf die Anzahl U/ml in der verwendetenEnzymlösung umzurechnen. Aus dieser Grösse und der Proteinkonzentration der Enzymlösung(mg/ml) erhält man die spezifische Aktivität des Enzyms in U/mg.

Die Enzymaktivität pro ml im Ansatz ist die pro ml und pro min umgesetzte Anzahl µmol NADH.

µmol NADHAnzahl U/ml im Ansatz = (1)

min @ ml

Die Konzentrationsänderung von NADH pro min ist bei Messung in einer Küvette von 1 cm Schicht-dicke die in der Minute erfolgte Änderung der Extinktion (∆E340/min) dividiert durch den millimolarenExtinktionskoeffizienten ε340 = 6.22. Die Enzymaktivität ist somit:

∆E340Anzahl U/ml im Ansatz = (1a)

ε340 @ min

Die Anzahl U/ml in der zum Ansatz zugegebenen Enzymlösung erhält man durch Multiplikation deraus Gleichung (1a) erhaltenen Aktivitätskonzentration mit dem Verdünnungsfaktor:

Anzahl U/ml der Enzymlösung = Anzahl U/ml Ansatz @ Verdünnungsfaktor (2)

Volumen des AnsatzesDer Verdünnungsfaktor beträgt: (2a)

Volumen der zugegebenen Enzymlösung

Die spezifische Aktivität U/mg ist die Aktivitätskonzentration der Enzymlösung (U/ml) dividiert durchdie Proteinkonzentration der Enzymlösung (mg/ml):

Anzahl U/ml der EnzymlösungSpezifische Aktivität = (3)

mg Protein pro ml Enzymlösung

Beispiel:Eine Lösung von Isocitratdehydrogenase (5 mg/ml) wird 1:200 mit H2O verdünnt und 50 µl davonwerden zum optischen Test verwendet, der in einem Totalvolumen von 3.00 ml ausgeführt wird (Ver-dünnungsfaktor = 12'000). Es wird eine Extinktionsabnahme bei 340 nm von 0.53 pro min gemessen.Aufgrund von ε340 = 6.22 mM-1cm-1 ist die Aktivitätskonzentration im Ansatz 0.53/6.22 = 0.085 U/ml.In der verwendeten Enzymlösung ist die Aktivitätskonzentration = 12'000 x 0.085 = 1020 U/ml unddie spezifische Aktivität = 1020/5 = 204 U/mg.

Page 40: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

44

Bestimmung von Substratkonzentrationen durch einen optischen Test

Unter Reaktionsbedingungen, bei denen im Gleichgewichtszustand das Verhältnis von Produkt zuSubstrat sehr gross ist, oder wenn das gebildete Produkt durch eine weitere Reaktion laufend aus demGleichgewicht entfernt wird, wird zum Ansatz zugegebenes Substrat praktisch quantitativ in Produktumgesetzt. Die Menge des gebildeten Produkts und des in der Reaktion ebenfalls umgesetztenCoenzyms ist dann ein Mass für die ursprünglich zugegebene Menge von Substrat. Die umgesetzteMenge Coenzym lässt sich im optischen Test aus der maximal erzielten Extinktionsänderung, ∆E340,ermitteln gemäss:

∆E340Konzentration des Substrats im Ansatz = (4)

ε340,mM

Die gesuchte millimolare Konzentration der zum Ansatz zugegebenen Substratlösung [S0] erhält mandurch Multiplikation der aus Gleichung (4) erhaltenen Konzentration mit dem Verdünnungsfaktor

∆E340 [So] = @ Verdünnungsfaktor (5)

ε340, mM

Beispiel:In einem Ansatz vom Volumen 3.0 ml, der 0.15 ml einer Pyruvatlösung unbekannter Konzentrationund einen Überschuss an NADH enthält, wird nach Zugabe von Lactatdehydrogenase eine maximaleExtinktionsabnahme ∆E340 = 0.59 gemessen. Die anfängliche Substratkonzentration im Ansatz beträgt0.59/6.22 = 0.095 mM. Die gesuchte Konzentration der Pyruvatlösung beträgt 1.90 mM (Ver-dünnungsfaktor = 20). Bei einer Molekularmasse von 88 Da für Pyruvat beträgt die Massen-konzentration der Pyruvatlösung 1.90 x 88 = 167.2 µg/ml.

Page 41: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

45

MOLEKULARBIOLOGISCHE METHODEN

Die Technik der DNA-Rekombination, auch als Gentechnik bezeichnet, erlaubt die Isolierung vonDNA-Abschnitten (genomische oder cDNA), deren Sequenzbestimmung, Modifikation und Ex-pression. Zu diesem Zweck gelangen einige grundlegende Schritte immer wieder zur Anwendung,nämlich gezielte Verdauung von DNA mit Restriktionsendonucleasen, Verknüpfen von DNA-Mole-külen mittels Ligase, Einfügen von DNA in Plasmide (oder andere geeignete Träger-DNA-Moleküle,sog. Vektoren), Einschleusen und Expression rekombinierter DNA in Bakterien oder eukaryotischeZellen, Selektion transfizierter Zellen und Isolierung klonierter Plasmid-DNA.

Plasmide

Bakterien verfügen häufig über sogenannte Plasmide. In Wildtypbakterien tragen Plasmide die Genefür die Konjugation von Bakterienzellen und gelegentlich auch für Antibiotikaresistenz (Resis-tenzplasmide). Plasmide, die Gene für die Inaktivierung von Antibiotika tragen, vermitteln demWirtsbakterium die Fähigkeit der Antibiotika-Resistenz. Durch den als Konjugation bezeichnetenVorgang, bei dem eine kurzfristige Zell-Zell Verbindung geschaffen wird, können Plasmide unterBakterienzellen verbreitet werden. Plasmide sind ringförmige doppelsträngige DNA-Moleküle, dieaus einigen tausend Basenpaaren bestehen. Unter Nutzung der Wirtsmaschinerie replizieren sichPlasmide unabhängig von chromosomaler DNA und exprimieren ihre Gene. Eine Bakterienzelle kannbis zu einigen hundert Kopien eines Plasmids enthalten, die nach Lyse der Bakterien relativ einfachisoliert werden können (Ausfällung von Proteinen und chromosomaler DNA, Fällung von Plasmid-DNA mit Alkohol). Andererseits können intakte Bakterien DNA aufnehmen, wenn sie durch geeigneteVorbehandlung (Erhöhung der extrazellulären Calcium-Konzentration, Erhöhung der Temperatur)"kompetent" gemacht werden. Dieser Vorgang wird als Transfektion bezeichnet (gelegentlich auchals Transformation von Bakterien).

Fig. 7 Elektronenmikroskopische Aufnahme von Plasmiden. Die Plasmide in den Abbildungen 2-5 sindunterschiedlich überspiralisiert.

Restriktionsenzyme

Restriktionsenzyme sind bakterielle Endonucleasen mit hoher Spaltungsspezifität, die bestimmteStellen in einem DNA-Doppelstrang erkennen und durchtrennen. Die Enzyme erkennen Sequenzenvon 4 bis 8 Basen, die meist ein Palindrom darstellen, d.h. beide Stränge vom 5'-Ende gelesen haben

Page 42: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

46

die gleiche Sequenz (= punktsymmetrisch). An den Spaltstellen entstehen je nach Restriktionsenzymstumpfe oder versetzte DNA-Enden. Durch ein bestimmtes Restriktionsenzym gebildete DNA-Endenkönnen durch DNA-Ligase verknüpft werden. Überlappend komplementäre DNA-Enden, sog. "stickyends", eignen sich dazu besonders gut, weil sie Basenpaarungen bilden können. DefiniertesDurchtrennen und Zusammenfügen von DNA bildet die Grundlage zur Klonierung von DNA.

Erkennungssequenz einiger Restriktionsendonucleasen:

Restriktions- Erkennungssequenz *)enzym (| = Spaltstelle)

EcoRI 5' G|AATTC 3'

Bgl I 5' GCCNNNN|NGGC 3'

BamHI 5' G|GATCC 3'

Sma I1) 5' CCC|GGG 3'

Xma I1) 5' C|CCGGG 3'

Pst I 5'-CTGCA|G-5'

*) üblicherweise wird nur einer der DNA-Stränge angegeben1) Beispiel für Enzyme, welche die gleiche Sequenz erkennen aber nicht notwendigerweise am gleichen Ortspalten

Es sind heute über 2'000 Restriktionsenzyme mit nahezu 200 verschiedenen Sequenzspezifitätenbekannt (verschiedene Restriktionsenzyme, aber gleiche Erkennungssequenz!). Die Bezeichnug derRestriktionsenzyme setzt sich aus dem ersten Buchstaben der Bakteriengattung und den zweiBuchstaben der Spezies, gefolgt vom Serotyp oder Stamm und ev. einer römischen Zahl (falls einBakterium mehr als ein Restriktionsenzym bildet) zusammen. So wird z.B. EcoRI von Escherichiacoli des Stammes RY13 gebildet (dieser E. coli Stamm bildet 4 weitere Restriktionsenzyme). Bacillusglobigii bildet Bgl I und Bgl II.

Agarosegel-Elektrophorese

Bei neutralem pH-Wert wandert die durch die Phosphatgruppen negativ geladene DNA imelektrischen Feld gegen die Anode. Im Gelzustand bildet Agarose (aus Algen isoliertes, unterErwärmung lösliches Polysaccharid) ein räumliches Netzwerk. Im Agarosegel wird DNAunterschiedlicher Länge und Form getrennt. Kurze DNA wandert schnell, lange DNA langsam.Zirkuläre DNA (Plasmid, Fig. 7) wandert anders als lineare DNA gleicher Länge. Die zirkulärePlasmid-DNA ist u.a. überspiralisiert (Superhelix, engl. supercoiled) und dadurch sehr kompakt.Durch unterschiedliche Superspiralisierung der Plasmid-DNA (Fig. 7, 2-5) entstehen bei derElektrophorese verschiedene Banden. Ethidiumionen, die im Agarosegel enthalten sind, lagern sichzwischen benachbarten Basenpaaren in DNA ein. DNA mit gebundenem Ethidium fluoresziert unterUV-Licht (Fig. 8) und kann dadurch im Agarosegel sichtbar gemacht werden.

Page 43: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

47

Fig. 8

Es besteht eine lineare Beziehung zwischen der Wanderungsdistanz und dem Logarithmus der AnzahlDNA-Basenpaare. Wird die Wanderungsdistanz von DNA bekannter Länge gegen log(DNA-Länge)graphisch als Eichgerade aufgezeichnet, kann daran die Länge von DNA-Proben abgelesen werden(Fig. 8).

Restriktionskarten

Bei der Verdauung von DNA mit einem Restriktionsenzym entstehen genau definierte Fragmente,die in einem Agarosegel entsprechend der Grösse getrennt werden können und ein bestimmtes Musterbilden. Verschiedene Restriktionsenzyme führen aus derselben DNA zu unterschiedlichen Musternvon Fragmenten. Aus der relativen Anordnung von Restriktionsfragmenten können sogenannteRestriktionskarten gezeichnet werden. Restriktionsstellen bilden dabei "Landmarken" und die lineareFolge von Restriktionsstellen bildet eine "Landkarte von DNA". Solche "Landkarten" werden u.a.häufig benutzt, um nach der Sequenzierung von grösseren Restriktionsfragmenten die kompletteSequenz anhand überlappender Teilsequenzen zu ermitteln (Fig. 9).

Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus

In der medizinischen Diagnostik und Grundlagenforschung haben Restriktionsmuster eine wichtigeBedeutung. Auf Grund von grösstenteils stummen Mutationen in kodierenden und nicht-kodierendenRegionen unterscheidet sich das menschliche Genom von zwei nicht nahe verwandten Individuenin ca. 0.2% aller Basen (=1:500). Durch solche Variationen kann eine Erkennungsstelle für einRestriktionsenzym so verändert werden, dass die DNA dort nicht mehr geschnitten wird. Wenn dieRestriktionserkennungsstelle im DNA-Molekül des einen Chromosoms vorhanden ist, während sieauf dem anderen Chromosom fehlt, entsteht aus dem Chromosom mit der Schnittstelle ein kürzeresFragment und aus dem anderen Chromosom ein längeres. Damit kann man die beiden Chromosomeneiner Person aufgrund dieses Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus (RFLP) unterscheiden.Die betreffende Person ist heterozygot für diesen RFLP. Ein weiterer Längen-Polymorphismus beruht

Page 44: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

48

Fig. 9 Muster der elektrophoretischen Trennung von DNA-Fragmenten nach der Verdauung eines DNA-Moleküls mit den Restriktionsenzymen Hind III, BamH I oder mit beiden Enzymen. b) Die Restrik-tionskarte aufgrund des elektrophoretischen Fragmentmusters aus obiger Abbildung (bis auf dierechts/links Seitenorientierung ist die gewonnene Information ausreichend, um eine eindeutigeAbfolge der Restriktionsstellen festzulegen).

auf repetitiven DNA-Sequenzen, die im Genom verstreut und in variabler Anzahl von Tandem-Wiederholungen vorkommen. Restriktionsfragmente, die solche Tandem-Wiederholungen enthalten,können sich deshalb in ihrer Länge unterscheiden. Da der RFLP wie ein Gen vererbt wird, kann mandie einzelnen Chromosomen von Generation zu Generation verfolgen, indem man die Vererbungdes Markerfragments nachweist. Für die praktische Durchführung benötigt man allerdings sogenannteDNA-Sonden, welche die gewünschten Markerfragmente aus den tausenden von Restriktions-fragmenten durch ein als Hybridisierung bezeichnetes Verfahren gezielt sichtbar machen können.Zu diesem Zweck werden die Restriktionsfragmente nach der Elektrophorese denaturiert (=Trennungder beiden Stränge der DNA-Doppelhelix) und auf eine Membran transferiert (=Southern Blot). Untergeeigneten Bedingungen lagert sich die DNA-Sonde an die Stelle mit komplementärer Basen-sequenz.Am häufigsten werden Sonden verwendet, die repetitive DNA-Abschnitte erkennen. RFLP und weitereDNA-Polymorphismen gelangen u.a. in der Rechtsmedizin zur Anwendung. Mit solchen auch als"DNA-Fingerabdruck" (Fingerprint) bezeichneten Verfahren kann die genetische Verwandtschaftvon Menschen untersucht werden (Figur 10).

Page 45: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

49

Fig. 10 Entlastende DNA-Fingerprint-Analyse bei einem Vaterschaftsprozess:

Die Pfeile zeigen Restriktionsbanden beim Kind, die nicht bei der Mutter X, aber auch nicht beimProbanden Y vorkommen.

Wenn man vermutet oder durch genetische Analysen nachweisen kann, dass ein RFLP relativ nahebeim postulierten Gen einer Erbkrankheit lokalisiert ist, kann man ihn als Marker benützen. Je kürzerein RFLP vom gesuchten Gen entfernt ist, desto geringer ist die Chance, dass bei der Meiose eineRekombination zwischen Gen und RFLP stattfindet. Bei einer sog. Kopplungsanalyse verfolgt mandie gemeinsame Vererbung eines Markers und eines Gens in einer Familie. Mit aufwendigenUntersuchungen an vielen Stammbäumen und mit einer grossen Zahl von RFLP-Markern kann esmanchmal gelingen, Gene für eine bestimmte Erbkrankheit zu isolieren, deren Ursache bisherunbekannt war. Diese Art der Genisolierung wird auch als positionelle Klonierung bezeichnet.Beispiele und Meilensteine für dieses Verfahren sind die Entdeckung der Gene für Mukoviszidoseund schwerwiegende neurologische Erkrankungen wie die Duchenne-Muskeldystrophie (vomNeurologen Duchenne beschrieben) oder die sog. Chorea Huntington oder Huntington'sche Krankheit(schwere Bewegungsstörung; im deutschsprachigen Raum auch als Veitstanz bezeichnet wegenMuskelzuckungen und unwillkürlichen, fahrigen Bewegungen). Dieser Untersuchungsablauf direktvon der Gensequenz zur Genfunktion wird auch als reverse Genetik bezeichnet.

Polymerase-Kettenreaktion

Mit PCR (engl. polymerase chain reaction) können spezifische DNA-Abschnitte in einigen Stundenmillionenfach vervielfältigt werden (Figur 11). Voraussetzung ist, dass ein Teil der Nukleotidsequenzbekannt ist, um synthetische Oligonukleotid-Primer herstellen zu können. Ebenso wird die Tatsacheausgenützt, dass die DNA-Stränge gegenläufig sind und die Synthese durch DNA-Polymerase nuram 3'-DNA-Ende stattfindet (Fig 11 B, Pfeile). Die Proben-DNA wird durch Erhöhung der Temperaturauf 940C denaturiert (A, 1). Bei Abkühlung auf 55-60 0C binden die im Überschuss zugesetztenOligonukleotide (=Primer) durch Basenpaarung an die DNA-Stränge, nämlich an der Stelle, zuwelcher sie komplementär zur DNA sind (B). Die zugesetzte DNA-Polymerase ergänzt beide Strängezum jeweiligen DNA-Doppelstrang (C). Bei Verwendung einer hitzestabilen DNA-Polymerase austhermophilen Bakterien (z.B aus Geisiren) kann der Reaktionszyklus von Denaturierung, Anhaftender Oligonukleotide und Extension zu den Doppelsträngen wiederholt werden (D-F). Ab dem 3.Zyklus (F) werden DNA-Moleküle der gewünschten Länge gebildet und exponentiell amplifiziert(F-G). Die Synthesereaktion der thermostabilen DNA-Polymerase läuft bei 720C optimal ab.

Page 46: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

50

Fig. 11

Page 47: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

51

RADIOAKTIVE ISOTOPE

Isotope sind Nuclide (=Kernarten) gleicher Ordnungszahl aber verschiedener Massenzahl, z.B. 12C,13C, 14C. Wenn ein Kern zuviele Neutronen enthält, ist er im allgemeinen unstabil, d.h. er zerfällt unterBildung eines andern, stabilen Nuclids und unter Abgabe von Strahlung (Radioaktivität). Diehauptsächlichsten Strahlenarten sind Heliumkerne (= α-Strahlen), Elektronen (=ß -Strahlen) undelektromagnetische Quanten (= γ-Strahlen). Alle drei Strahlenarten sind ionisierend, d.h. sie könnenbeim Durchgang durch Materie Ionisationen hervorrufen. Radioaktivität kann durch diese Eigenschaftnachgewiesen werden.

Das Gesetz des radioaktiven Zerfalls lautet:

dN - = k @ N (1)

dt

wobei N = Gesamtzahl der unstabilen Kerne, k = Zerfallskonstante, -dN/dt = Zerfallsgeschwindigkeit= Anzahl Zerfallsakte pro Zeiteinheit = Abnahme von N pro Zeiteinheit. Die integrierte Form desZerfallsgesetzes ist:

N = Noe-k(t-to) (2)

wobei No bzw. N = Gesamtzahl der zur Zeit to bzw. t noch nicht zerfallenen Kerne. Das Zeitintervall,in dem N auf genau die Hälfte von No gesunken ist, wird als Halbwertszeit, t1/2, bezeichnet. Sie istumgekehrt proportional zur Zerfallskonstante:

0.69t1/2 = (3)

k

Die Halbwertszeit, bzw. Zerfallskonstante, ist demnach unabhängig von der Menge des vorhandenenradioaktiven Materials (Reaktion 1. Ordnung). Sie ist charakteristisch für eine bestimmte Kernart.

Neben dem Zerfallstyp (Strahlungsart) und der Zerfallszeit (Halbwertszeit) ist jedes radioaktive Iso-opdurch die bei der Umwandlung freiwerdende Zerfallsenergie gekennzeichnet. Man versteht darunterdie Energie der emittierten Strahlung. Sie wird angegeben in Megaelektronenvolt (MeV). Diese Ener-gie hat nichts zu tun mit der Aktivitätsangabe eines radioaktiven Präparates! Sie ist aberausschlaggebend für das Ionisationsvermögen der Strahlung. Zusammen mit dem Strahlungstyp undder Natur des Mediums bestimmt sie die maximale Reichweite der Strahlung.

Page 48: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

52

In Biochemie und Medizin gebräuchliche Radioisotope:

Isotop Strahlungs- Halbwerts- mittlere Energie max. Reich- art zeit (MeV) weite in H2O

(mm)

3H β- 12.3 Jahre 0.006 0.003 14C β- 5760 Jahre 0.05 0.3 32P β- 14.2 Tage 0.68 8 35S β- 87 Tage 0.05 0.3 59Fe β-/γ 45 Tage #1.30 ca. 2 125I γ 60 Tage 0.035 ca. 2

Bestimmung der Radioaktivität

Die für die Isotopenanwendung in der Biochemie wichtigste Messgrösse ist die Anzahl radioaktiver(= unstabiler) Atome (N) in einer Probe. Nach Gleichung (1) ist sie proportional zur Anzahl vonZerfallsakten pro Zeiteinheit (= Radioaktivität) und lässt sich durch deren Messung quantitativerfassen.

Messmethodik

Die am häufigsten benützten Isotope sind β-Strahler von geringer Reichweite (s. Tabelle). IhreRadioaktivität wird im Flüssigkeits-Szintillationszähler gemessen. Bei diesem Verfahren wird diezu messende radioaktive Probe in einem Lösungsmittel gelöst, das eine fluoreszierende Substanz (=Szintillator) enthält, die durch die Strahlung zur Fluoreszenz angeregt wird. Der entstehende Lichtblitzwird durch einen Photonenvervielfacher in einen elektrischen Stromstoss umgewandelt und in einerZähleinrichtung als Impuls ("count") registriert. Die Impulsfrequenz wird in "counts per minute" (=cpm) angegeben.

"Background"

Auch ohne radioaktive Probe werden in einem Messgerät Impulse registriert. Diese stammen vonVerunreinigungen des Zählgerätes und seiner Umgebung mit radioaktivem Material, von kosmischerStrahlung und von elektronischem Rauschen des Apparates. Solche Impulse werden "backgroundcounts" genannt. Sie variieren je nach Versuchsbedingung und nach Instrument. Es ist daher nötig,die "background counts" bei jeder Messung radioaktiver Proben separat zu bestimmen und sie von

Page 49: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

53

den "counts" der Proben abzuziehen. Der resultierende korrigierte Wert ist somit:

cpmProbe, korr. = cpmProbe - cpmbackground

Zählstatistik

Der Zerfall eines unstabilen Kerns ist ein statistisches Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit für dasEintreten eines Zerfalls ist durch das Poissonsche Verteilungsgesetz gegeben. Nach diesem Gesetzentspricht die Standardabweichung oder Streuung eines Einzelmesswertes m seiner Quadratwurzel(= %m). Ergibt eine Einzelmessung m Impulse, so liegt der wahre Wert mit 68 % Wahrscheinlichkeitim Bereich m ±%m. Die Standardabweichung, ausgedrückt in Prozenten des Messwertes, ist 100 %m/moder 100/%m. Bei Messungen von Proben mit 100 bzw. 10'000 Impulsen ergeben sich so Streubreitenvon 10 % und 1 %. Die prozentuale Streuung nimmt also mit steigender Anzahl der gemessenen"counts" ab. Sie ist unabhängig von der Zeit, während welcher gemessen wird. Bei wenig aktivenProben kann sie durch Verlängerung der Zähldauer herabgesetzt werden.

Einheiten der Radioaktivität

Für viele Anwendungen reicht es, die in einer Probe vorhandene Aktivitätsmenge als gemesseneund für "background" korrigierte Impulse pro min (cpm) anzugeben. Das absolute Mass für die Ra-dioaktivität einer Probe ist die Zahl der Zerfallsakte pro Zeiteinheit (dpm = decays per minute). DieseZerfallsgeschwindigkeit (dpm) ist immer grösser als die gemessene Impulsfrequenz (cpm). Das pro-zentuale Verhältnis der beiden, 100 x cpmProbe, korr./dpm, wird als Zählausbeute bezeichnet. Ihre Grösseist durch verschiedene Variablen bedingt, wie die Geometrie des Messapparates und die Fluoreszenz-ausbeute des Szintillators. Die Zählausbeute kann erniedrigt werden durch die Desaktivierungangeregter Zustände (chemisches Quenching z.B. durch Carbonylverbindungen wie Ketone undCarbonsäuren) oder durch Absorption des Fluoreszenzlichts durch die Probe selbst (Farbquenching).Die Herabsetzung der Zählausbeute einer Messeinrichtung kann mit Hilfe von Standardprobenbestimmt werden, für welche die Menge des radioaktiven Isotops genau bekannt ist.

Die fundamentale Einheit für die Menge eines radioaktiven Isotops ist das Becquerel: 1 Bq = 1 Zerfallpro Sekunde (1 dps). Die ältere, noch gebräuchlichere Einheit ist das Curie: 1 Ci = 3.67 x 1010 Bq.Gebräuchlicher sind die Einheiten Kilobecquerel (kBq) und Megabecquerel (MBq), respektiveMillicurie (mCi) und Mikrocurie (µCi).

Spezifische Radioaktivität

Für die meisten quantitativen Anwendungen von Isotopen in der Biochemie muss die spezifischeRadioaktivität bekannt sein. Man versteht darunter die in der Gewichtseinheit (g) oder in einem Moleiner reinen Substanz enthaltene Aktivitätsmenge. Die spezifische Radioaktivität pro g-Atom einesreinen radioaktiven Isotops lässt sich nach Gleichung (1) aus der Halbwertszeit und der Avogadro-schen Zahl ableiten. Für 3H und 14C ergeben sich so Werte von 1.07 x 1015 Bq/g-Atom bzw. 2.3 x1012 Bq/g-Atom.

Gewöhnlich werden radioaktive Isotope nicht in reiner Form, sondern in Mischung mit einem hohenberschuss stabiler Isotope des gleichen Elements verwendet. Zur Ermittlung der spezifischenRadioaktivität solcher Proben muss die Radioaktivität und die chemisch messbare Gesamtmenge von

Page 50: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

54

radioaktiver und nicht-radioaktiver Substanz bestimmt werden. Kenntnis der spezifischen Radio-aktivität gestattet dann die Umrechnung von gemessenen Radioaktivitätsmengen in Gramm oder Molder markierten Substanz. Bei kurzlebigen Isotopen müssen Korrekturen gemacht werden für dieAenderung der spezifischen Radioaktivität während des Experiments.

Wirkung radioaktiver Strahlung auf lebendes Gewebe - Radiodosimetrie

Alle Strahlungsarten von radioaktiven Isotopen können lebendes Gewebe schädigen. Massgebendfür die schädigende Wirkung ist das Ionisationsvermögen der radioaktiven Strahlung bzw. die imGewebe absorbierte Strahlungsenergiemenge. Die quantitative Messung ionisierender Strahlung wirdals Radiodosimetrie bezeichnet.

Die auf tote oder lebende Materie übertragene Energie wird Energiedosis genannt und in Joule prokg Materie angegeben. Die Einheit der Energiedosis ist das Gray (Gy), wobei 1 Gy = 1 J/kg. Dieimmer noch gebräuchliche ältere Einheit ist das rad (rd); 1 rd = 0.01 Gy = 0.01 J/kg. Noch älter istdie Einheit Röntgen (r), die streng genommen nur für Ionisierung durch γ- oder Röntgenstrahlen giltund materialunabhängig ist. Ein r ist diejenige Menge an γ- oder Röntgenstrahlung, die in Luft zurAbsorption von 8.3 x 10-6 J/g führt, was etwa 2 x 109 Ionenpaare pro cm3 Luft erzeugt. In Luft undKörpergewebe ist 1 r . 1 Gy.

Die Energiedosis (Gy) ist unabhängig von der Art der Strahlung und sagt deshalb vorerst nichts ausüber deren schädigende Wirkung. Vielmehr ist es so, dass verschiedene radioaktive Strahlung beigleicher Energiedosis verschieden stark schädigt. Beispielsweise ist die Übertragung von 1 Gyals α-Strahlung (z.B. 219Radon) viel stärker schädigend als 1 Gy als β-Strahlung (z.B. 14C). Als Massfür die biologische Wirkung von radioaktiver Strahlung gilt die Äquivalentdosis. Ihre Einheit istdas Sievert (Sv). Die Äquivalentdosis berechnet man aus der Energiedosis gemäss:

Äquivalentdosis = Energiedosis x Qualitätsfaktor

Für β- und γ-Strahlen ist der Qualitätsfaktor 1, für α-Strahlen bis 20. Bei 14C oder 3H, beides relativschwache β-Strahler, gilt also Energiedosis = Äquivalentdosis, resp. 1 Gy = 1 Sv. Die ältere Einheitder Äquivalentdosis ist das rem (Röntgen equivalent for man); 1 rem = 0.01 Sv.

Die Äquivalentdosis pro Zeit (Äquivalenzdosisleistung) kann man aus der Radioaktivitätsmenge (Bq)abschätzen. Die Abschätzung ist verschieden für äussere und innere Bestrahlung.

Äussere Bestrahlung:

Radioaktivitätsmenge x DosiskonstanteÄquivalentdosisleistung =

(Abstand)2

Bei äusserer Bestrahlung nimmt demnach die Gefährdung mit dem Quadrat des Abstands zwischender Strahlungsquelle und dem bestrahlten Objekt ab. Die Dosiskonstante ist abhängig vomRadioisotop. Die Bestrahlung mit einer Menge von 107 Bq 32P (10 MBq, 0.27 mCi) in einem Abstand

Page 51: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

55

von 1 m erzeugt eine Äquivalentdosisleistung von 9.2 x 10-5 Sv/h (0.092 mSv/h = 9.2 mrem/h). Diegleiche Menge an 14C erzeugt keinerlei Strahlenbelastung in 1 m Abstand, da bereits wenige mmLuftschicht die Energie aus dem Zerfall von 14C vollständig absorbiert.

Innere Bestrahlung (z.B. Verschlucken oder Einatmen von Radioisotopen):

Äquivalentdosisleistung = DECO @ inkorporierte Aktivitätsmenge

Der Wert DECO (Dosis equivalent for critical organ) ist eine für ein Radioisotop typische Konstante.Die DECO-Werte variieren sehr stark und dienen zur Klassifizierung der Radioisotope in Toxi-zitätsklassen.

Die Radiotoxizität von intern aufgenommenen Isotopen hängt ausser von der Aktivitätsmenge, derHalbwertszeit und den besonderen Strahlungseigenschaften auch von der Verweildauer im Organismusab. Aufgrund dieser Gesichtspunkte lassen sich Isotope in verschiedene Toxizitätsklassen einteilen.Einige Beispiele sind:

1. Sehr hohe Radiotoxizität: 90Sr, 239Pu, 235U

2. Hohe Radiotoxizität: 131I, 125I

3. Mässige Radiotoxizität: 32P, 59Fe

4. Niedrige Radiotoxizität: 3H, 14C, 35S

Beispiele für innere Bestrahlung:Inkorporation von 5.5 x 104 Bq (1.5 µCi) 32P erzeugt eine Strahlenbelastung von etwa 0.003 Sv(0.3 rem). Uranhaltiges Quellwasser (z.B. in gewissen Gebieten des Wallis) enthält etwa 37 Bq/m3

238U. Bei ausschliesslichem Konsum dieses Wassers (1.5 l/Tag) wird in einem Jahr eine Äquivalent-dosis von 1.6 x 10-5 Sv (16 µSv) akkumuliert. Inkorporation des gesamten p-Nitrophenyl-[3H]acetats(ca. 10'000 Bq), das im Exp. 10.1 eingesetzt wird, würde zu einer Belastung von ca. 5 x 10-7 Sv(0.5 µSv) führen. Die jährliche Strahlenbelastung für den Durchschnitt der Bevölkerung beträgt 2-3 x 10-3 Sv (2-3 mSv), davon stammen etwa die Hälfte aus künstlichen Quellen, v.a. medizinischeUntersuchungen.

Richtlinien zum Arbeiten mit 3H- und 14C-markierten Substanzen

3H und 14C sind schwache β-Strahler. Bei den Mengen, die in biologischen Versuchen zur Anwendungkommen, besteht keinerlei Gefahr einer Strahlenschädigung von aussen. Dagegen besteht das Risikoeiner inneren Kontamination durch Verschlukken von radioaktiven Lösungen, Einatmen flüchtigerVerbindungen oder Hautkontakt mit fettlöslichen Verbindungen.

Zur Vermeidung solcher Zwischenfälle dürfen radioaktive Lösungen nie mit dem Mund direktpipettiert werden, sondern nur mit Hilfe von mechanischen Pipettiervorrichtungen. Bei Kontaminationder Haut muss sofort gründlich mit Wasser gewaschen werden.

Page 52: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

56

IMMUNOLOGISCHE BESTIMMUNGSMETHODEN

Die Immunologie umfasst sämtliche Phänomene und Wechselwirkungen, die mit der spezifischenAbwehrreaktion eines Organismus auf eindringende Fremdsubstanzen - sogenannte Antigene - zusam-menhängen. Immunologische Methoden werden zur Diagnose von Infektionskrankheiten verwendet.Es lassen sich damit aber auch Hormone, Vitamine, Medikamente und andere Stoffe in sehr geringenKonzentrationen bestimmen, sofern spezifische Antikörper gegen sie erzeugt werden können.

Folgende Eigenschaften zeichnen die Antigen-Antikörperreaktion aus:

1. Die Reaktion ist spezifisch

2. Die Bindung zwischen Antigen und Antikörper ist stark (Kd bis 10-10 M)

3. Für die Bindung zwischen Antigen und Antikörper sind die gleichen Kräfte verantwortlichwie für die Bindung von Substrat ans Enzym oder von Hormon an den Rezeptor (Wasser-stoffbrücken, hydrophobe Wechselwirkungen sowie elektrostatische Kräfte).

Es sind heute eine ganze Reihe von qualitativen und quantitativen immunologischen Bestimmungs-methoden in Gebrauch, so z.B. der Agglutinationstest zur Blutgruppenbestimmung (Exp. 11.5), derRadioimmunoassay (RIA) und der Enzymimmunoassay (EIA). Der EIA ist eine Weiterentwicklungdes RIA. Bei beiden Tests ist die grundlegende Reaktion gleich. Die Bindung einer bekannten Mengeradioaktiven (RIA) resp. enzymmarkierten (EIA) Antigens an Antikörper wird durch die Zugabe vonnichtmarkiertem Antigen inhibiert. Das Ausmass dieser Hemmung kann als Mass für die zugegebeneMenge nichtmarkierten Antigens verwendet werden. Die Menge des gebundenen radioaktiven resp.enzymmarkierten Antigens wird beim RIA durch Messung von dessen Radioaktivität, beim EIA durchMessung von dessen Enzymaktivität bestimmt (Exp. 8.2 bzw. 9.5). Beide Bestimmungsmethoden(RIA und EIA) sind spezifisch und ausserordentlich empfindlich. Es können noch zuverlässigStoffmengen im ng- und pg-Bereich bestimmt werden.

EISENSTOFFWECHSEL

Eisen wird physiologischerweise dem Körper durch die Nahrung zugeführt. Die Neugeborenen, diebis zur Geburt von der Mutter mit Eisen versorgt werden, müssen den steigenden Bedarf, bedingtdurch die Vermehrung der roten Blutzellen, mit Eisenaufnahme aus der Nahrung decken.

Die Eisenbilanz wird ausschliesslich über die Eisenresorption reguliert; die Eisenausscheidung kannnicht gesteigert werden. Ein bedeutender Verlust kommt lediglich bei Blutungen vor; jedeMenstruation führt zu einem Verlust von 15 - 45 mg Eisen. Kleinere Eisenmengen gehen mit derDesquamation von Darm- und Hautepithel, im Urin, in der Galle und im Schweiss verloren; siebetragen maximal 1 mg pro Tag.

Eisen wird im oberen Dünndarm resorbiert. Die Resorption ist im Duodenum am stärksten und nimmtkaudalwärts ab.

Die mittlere Eisenzufuhr liegt bei 10 - 20 mg pro Tag, davon werden je nach Nahrungsmittel 5 - 10% resorbiert. Bei Eisenmangel kann die Resorptionsrate auf 10 - 20 % gesteigert werden. Um die

Page 53: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

57

Eisenbilanz im Gleichgewicht zu halten, muss ein Mann täglich 1 mg, eine Frau im gebärfähigenAlter etwa 3 mg Eisen resorbieren. Im Blut wird zweiwertiges Eisen nach Oxidation (Fe2+ v Fe3+)durch ein kupferhaltiges Enzym (Coeruloplasmin) praktisch vollständig an ein Transportprotein, dasTransferrin, gebunden, sofern die Eisenbindungsfähigkeit des Transferrins nicht überschritten ist.Ein Molekül Transferrin kann zwei Eisenionen binden. Der Hauptteil des an Transferrin gebundenenEisens wird zur Synthese von Hämoglobin ins Knochenmark transportiert; ein kleiner Anteil wandertin die Eisenspeicher oder wird für den Aufbau von Myoglobin sowie Enzymen verwertet.

Die Eisenverteilung im menschlichen Organismus:

Hämoglobin 2.5 g O2-Transport im Blut

Myoglobin 0.14 g O2-Speicher im Muskel

Ferritin+Hämosiderin 1.0 g Fe-Speicher in Leber, Milz und Knochenmark

Transferrin 0.003 g Fe-Transport

Enzyme 0.001 g Cytochrome, Katalase, Peroxidasen etc.

Die physiologische Serumeisenkonzentration (an Transferrin gebundenes Eisen) liegt zwischen 60 -190 µg/dl, was etwa einem Drittel der totalen Eisenbindungskapazität entspricht. Das Verhältnis totaleEisenbindungskapazität zu Serumeisenkonzentration ist diagnostisch verwertbar. Im Serum vor-handenes Ferritin korreliert mit dem Speichereisen. Es ist der sicherste Parameter zur Diagnose einesEisenmangels. Tiefe Ferritinwerte sind beweisend für einen Eisenmangel.

Physiologische und pathologische Verteilungsmuster zwischen der Serumeisenkonzentrationund der Eisenbindungskapazität

Page 54: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

58

RESSOURCEN IM INTERNET

Zu diesem Praktikum befindet sich eine Internet-basierte Unterstützung im Aufbau (ICT-Projekt derUniversität). Erste Teile davon können als "bipweb" erstmals im WS 2001/02 angeboten werden.Für die Benutzung von Praktikums-Computern ausserhalb der regulären Kurszeiten wenden Sie sichan die Kurslaborantinnen.

Wir wollen Sie ausserdem aufmerksam machen auf die vielfältigen Möglichkeiten der neuen Medien,die auch in der LZI-Bibliothek (Lernzentrum Irchel) zur Verfügung gestellt werden (ausleihbare CD-ROMs). Es sind z.B. Lernprogramme in Biochemie oder Programme zur Veranschaulichung vonMolekülstrukturen vorhanden, welche Vorlesungen und Lehrbücher ausgezeichnet ergänzen.

Datenbanken - Ressourcen im Internet (Auswahl):(siehe auch Homepage des Biochemischen Instituts der Universität Zürich, “Links - Externe WWWRessourcen” http://www.biochem.unizh.ch/links.html)

Major Providers for BioSciences:

S ExPASy http://www.expasy.ch/ @ SWISS-PROT and TrEMBL - Protein sequences

@ ENZYME - Enzyme nomenclature @ Links to many other molecular biology databases

S European Molecular Biology Laboratory - EMBLhttp://www.embl-heidelberg.de/ @ EMBL Computational Services for the Scientific Communi-

ty@ The EMBL Nucleotide Sequence Database

S National Center for Biotechnology Information - NBCIhttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/ @ provides access to Sequence Databases (GenBank, Entrez,

OMIM, dbEST, dbSTS, UniGene, Taxonomy)

S Atlas of Nucleic Acid containing Structures http://ndbserver.rutgers.edu/NDB/NDBATLAS/index.html

@ DNA Structures, RNA Structures, Unusual Structures@ Protein/DNA Complexes, Protein/RNA Complexes@ Protein/DNA Complexes, Protein/RNA Complexes

Protein Structure Databases:

S PDB at RCSB - Rutgers Resarch Collaboratory for Structural Bioinformatics http://www.rcsb.org/pdb/ @ General Search - General information on structure searching

including data formats, integration of molecular graphicsprograms, browser configuration for molecular graphicsprograms and trouble shooting

@ Query Tutorial - General overview of PDB query andfourworked examples

Page 55: THEORETISCHER TEIL VOLUMEN UND KONZENTRATIONbiochem.ch/Bipweb_all/bipweb/kursheft/theorie/Theorie.pdf · gewöhnlichen Aldehyd- und Keto-Funktionen nur zum kleineren Teil in freier

59

PDB at Universität Zürich http://www.rcsb.org/pdb/info.html#General_InformationPDB at NIH (MoleculesRus) http://molbio.info.nih.gov/cgi-bin/pdb

S PDBsum at UCL @ Summaries and structural analyses of PDB data fileshttp://www.biochem.ucl.ac.uk/bsm/pdbsum/index.html

S Swiss 3DImages @ Database of annotated 3D images (Direct access/Down-http://www.expasy.ch/sw3d/sw3d-top.html loading

S HSSP Database of Protein Secondary Structures http://www.cmbi.kun.nl/swift/hssp/

S SCOP Structural Classification of Proteins http://scop.mrc-lmb.cam.ac.uk/scop/

S CATH Protein Structure Classificationhttp://www.biochem.ucl.ac.uk/bsm/cath/

S Atlas of Side-Chain and Main-Chain Hydrogen Bonding (McDonald & Thornton (1994)) http://www.biochem.ucl.ac.uk/~mcdonald/atlas/

S Atlas of Protein Side Chain Interactions (Singh & Thornton (1992)) http://www.biochem.ucl.ac.uk/bsm/sidechains/index.html#