Therapiekonzept zur kombinierten kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung von...

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118 Während Dysgnathien geringen Um- fangs durch rein dentoalveoläre Maß- nahmen ausgeglichen werden können, stellt sich v.a. bei ausgeprägten sagit- talen Diskrepanzen die Frage, wie die- se erfolgreich behandelt werden kön- nen. Für die Behandlung von Klasse-II- Dysgnathien bestehen in Abhängigkeit von der Wachstumsphase, der Ausprä- gung der Dysgnathie und anderen Fak- toren prinzipiell mehrere Therapie- ansätze. Dazu gehören z. B. die Wachs- tumsbeeinflussung [17, 22, 25, 26, 32] oder der dentoalveoläre Ausgleich [12]. Sollten diese die Behandlungsziele nicht erfüllen, ist eine Dysgnathiebe- handlung nur durch eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie möglich [1, 24]. Für die korrekte Diagnose, die fall- spezifische Festlegung der angestreb- ten Behandlungsziele und die indivi- duelle Behandlungsplanung ist neben sachgemäß angefertigten Unterlagen [wie Fotostataufnahmen, OPG (Ortho- pantomogramm), FRS (Fernröntgen- aufnahme), Funktionsanalyse, Model- le) eine ausführlich Anamnese nötig, durch die u. a. das Anliegen und die Motive des Patienten für die Behand- lung ermittelt werden müssen. Die Untersuchungen von Flanary et al. [11] und Kiyak et al. [13] bezüglich Motiv, Erwartung und Zufriedenheit wiesen darauf hin, dass sich 79–89% der Patienten [3], die sich einer kombi- nierten kieferorthopädisch-kieferchir- urgischen Behandlung unterziehen, dies nicht nur aus funktionellen, son- dern v. a. aus ästhetischen Gründen tun, wobei die Gewichtung für den Einzel- nen, z. B. in Abhängigkeit von der ex- traoralen Ausprägung der Dysgnathie, unterschiedlich ausfällt. Problemdarstellung Die harmonische Aufteilung des Ge- sichts kann durch unterschiedliche Faktoren gestört sein. Eine Disharmo- nie in den skelettalen Strukturen kann sich im Weichteilprofil niederschla- gen, dies muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein. Dementsprechend wich- tig ist die Analyse dieses Sachverhalts bei der Behandlungsplanung [1, 2, 4, 10, 14, 29]. Grundlage der Harmonie der Weichteilrelation ist zumeist eine ge- wisse Harmonie im skelettalen Be- reich, deren Analyse 1958 von Burs- tone [4] beschrieben und 1980 von Legan u. Burstone [14] modifiziert wurde. Auf das skelettale Mittelgesicht (N-Sna) entfallen dabei 45% und auf Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 : 118–124 © Springer-Verlag 2000 Therapiekonzept zur kombinierten kieferorthopädisch- kieferchirurgischen Behandlung von Klasse-II-Dysgnathien mit Short-face-Syndrom Neue Aspekte zur chirurgischen Untergesichtsverlängerung Nezar Watted 1 , Josip S. Bill 2 , Christoph Peters 2 1 Poliklinik für Kieferorthopädie (Prof. Dr. E. Witt), Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg 2 Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. J. Reuther), Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. N. Watted, Poliklinik für Kieferorthopädie, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Pleicherwall 2, 97070 Würzburg, Deutschland Zusammenfassung Das Hauptproblem einer Angle- Klasse-II-Dysgnathie mit skelettal tiefem Biss (Short-face-Syndrom) stellt für die betroffenen Patienten das verkürzte Untergesicht als ästhetische Beeinträchtigung dar. Für den Kieferorthopäden stellt sich die Aufgabe, dieses je nach Ausprägung auch für den Ungeüb- ten gut erkennbare Defizit des Un- tergesichts möglichst optimal zu verbessern. Da die orthodontische Vorbereitung die Art und das Aus- maß des chirurgischen Eingriffs wesentlichen beeinflusst, muss der Kieferorthopäde in der prächirur- gischen Phase ein fallbezogen ge- plantes Vorgehen wählen. Im vor- liegenden Artikel wird ein Behand- lungskonzept zur Therapie von Pa- tienten mit Klasse-II-Dysgnathien, skelettal tiefem Biss und kurzem Untergesicht dargestellt. Dabei wird sowohl auf die kieferorthopä- dische Vorbereitung als auch auf die chirurgische Korrektur der Dysgnathie eingegangen. Das Be- handlungsergebnis zeigt, dass präoperativ je nach Ausprägung der Dysgnathie eine unterschied- lich starke Spee-Kurve belassen bzw. geschaffen werden muss, um aus funktioneller, ästhetischer und stabilitätsbezogener Sicht ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen. Folglich führt nur eine exakte Diagnose in Kenntnis der notwendigen, orthodontischen Vor- bereitung in Verbindung mit der dadurch vorgegebenen Dysgna- thieoperation zur Erfüllung der angestrebten Behandlungsziele. Schlüsselwörter Kephalometrie · Skelettal tiefer Biss · Short-face-Syndrom · Unter- gesichtsverlängerung · Aufbiss- schiene · Lateral offener Biss ORIGINALIEN

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Während Dysgnathien geringen Um-fangs durch rein dentoalveoläre Maß-nahmen ausgeglichen werden können,stellt sich v. a. bei ausgeprägten sagit-talen Diskrepanzen die Frage, wie die-se erfolgreich behandelt werden kön-nen.

Für die Behandlung von Klasse-II-Dysgnathien bestehen in Abhängigkeitvon der Wachstumsphase, der Ausprä-gung der Dysgnathie und anderen Fak-toren prinzipiell mehrere Therapie-ansätze. Dazu gehören z. B. die Wachs-tumsbeeinflussung [17, 22, 25, 26, 32]oder der dentoalveoläre Ausgleich[12].

Sollten diese die Behandlungszielenicht erfüllen, ist eine Dysgnathiebe-handlung nur durch eine kombiniertkieferorthopädisch-kieferchirurgischeTherapie möglich [1, 24].

Für die korrekte Diagnose, die fall-spezifische Festlegung der angestreb-ten Behandlungsziele und die indivi-duelle Behandlungsplanung ist nebensachgemäß angefertigten Unterlagen[wie Fotostataufnahmen, OPG (Ortho-pantomogramm), FRS (Fernröntgen-aufnahme), Funktionsanalyse, Model-le) eine ausführlich Anamnese nötig,durch die u. a. das Anliegen und die

Motive des Patienten für die Behand-lung ermittelt werden müssen.

Die Untersuchungen von Flanary etal. [11] und Kiyak et al. [13] bezüglichMotiv, Erwartung und Zufriedenheitwiesen darauf hin, dass sich 79–89%der Patienten [3], die sich einer kombi-nierten kieferorthopädisch-kieferchir-urgischen Behandlung unterziehen,dies nicht nur aus funktionellen, son-dern v.a. aus ästhetischen Gründen tun,wobei die Gewichtung für den Einzel-nen, z. B. in Abhängigkeit von der ex-traoralen Ausprägung der Dysgnathie,unterschiedlich ausfällt.

Problemdarstellung

Die harmonische Aufteilung des Ge-sichts kann durch unterschiedlicheFaktoren gestört sein. Eine Disharmo-nie in den skelettalen Strukturen kannsich im Weichteilprofil niederschla-gen, dies muss aber nicht zwangsläufigder Fall sein. Dementsprechend wich-tig ist die Analyse dieses Sachverhaltsbei der Behandlungsplanung [1, 2, 4,10, 14, 29].

Grundlage der Harmonie derWeichteilrelation ist zumeist eine ge-wisse Harmonie im skelettalen Be-reich, deren Analyse 1958 von Burs-tone [4] beschrieben und 1980 von Legan u. Burstone [14] modifiziertwurde. Auf das skelettale Mittelgesicht(N-Sna) entfallen dabei 45% und auf

Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 :118–124 © Springer-Verlag 2000

Therapiekonzept zur kombinierten kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung von Klasse-II-Dysgnathien mit Short-face-SyndromNeue Aspekte zur chirurgischen Untergesichtsverlängerung

Nezar Watted1, Josip S. Bill2, Christoph Peters2

1 Poliklinik für Kieferorthopädie (Prof. Dr. E. Witt), Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg2 Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. J. Reuther), Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Dr. N. Watted, Poliklinik für Kieferorthopädie,Bayerische Julius-Maximilians-UniversitätWürzburg, Pleicherwall 2, 97070 Würzburg,Deutschland

Zusammenfassung

Das Hauptproblem einer Angle-Klasse-II-Dysgnathie mit skelettaltiefem Biss (Short-face-Syndrom)stellt für die betroffenen Patientendas verkürzte Untergesicht alsästhetische Beeinträchtigung dar.Für den Kieferorthopäden stelltsich die Aufgabe, dieses je nachAusprägung auch für den Ungeüb-ten gut erkennbare Defizit des Un-tergesichts möglichst optimal zuverbessern. Da die orthodontischeVorbereitung die Art und das Aus-maß des chirurgischen Eingriffswesentlichen beeinflusst, muss derKieferorthopäde in der prächirur-gischen Phase ein fallbezogen ge-plantes Vorgehen wählen. Im vor-liegenden Artikel wird ein Behand-lungskonzept zur Therapie von Pa-tienten mit Klasse-II-Dysgnathien,skelettal tiefem Biss und kurzemUntergesicht dargestellt. Dabeiwird sowohl auf die kieferorthopä-dische Vorbereitung als auch aufdie chirurgische Korrektur derDysgnathie eingegangen. Das Be-handlungsergebnis zeigt, dasspräoperativ je nach Ausprägungder Dysgnathie eine unterschied-lich starke Spee-Kurve belassenbzw. geschaffen werden muss, umaus funktioneller, ästhetischer undstabilitätsbezogener Sicht einmöglichst optimales Ergebnis zuerzielen. Folglich führt nur eineexakte Diagnose in Kenntnis dernotwendigen, orthodontischen Vor-bereitung in Verbindung mit derdadurch vorgegebenen Dysgna-thieoperation zur Erfüllung derangestrebten Behandlungsziele.

Schlüsselwörter

Kephalometrie · Skelettal tieferBiss · Short-face-Syndrom · Unter-gesichtsverlängerung · Aufbiss-schiene · Lateral offener Biss

O R I G I N A L I E N

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das Untergesicht (Sna-Me) 55% (N:Nasion, Sna: Spina nasalis anterior,Me: Menton) (Tabelle 1, 2).

Mögliche Symptome des Short-fa-ce-Syndroms sind:

I Kurzes Untergesicht, prominentesKinn und vertiefte Supramentalfalte(Abb. 1, 2);I Die kephalometrischen Parameterlassen einen kleinen Unterkiefer- undInterbasenwinkel erkennen, die Relati-on der hinteren zur vorderen Gesichts-höhe (PFH/AFH) ist vergrößert. Es be-stehen eine skelettale und Weichteil-disharmonie zwischen dem Ober- unddem Untergesicht (Abb. 2, Tabelle 1,2).I Als intraorale Befunde (Abb. 3) sinddistale Okklusionsverhältnisse, ein tie-fer Biss, Hochstand der Unterkiefer-front und eine verstärkte Spee-Kurvezu erkennen (Abb. 4).

Das kurze Untergesicht stellt für diebetroffenen Patienten die primär ästhe-

tische Beeinträchtigung dar [23], we-gen der sie sich einer kombinierten Be-handlung unterziehen.

Der Therapieerfolg wird an denprätherapeutisch individuell aufge-stellten Behandlungszielen gemessen.Entsprechend müssen diese festgelegtwerden.

Neben den bei einer kieferorthopä-disch-kieferchirurgischen Behandlungallgemein gültigen Behandlungszie-len, wie der Korrektur der Okklusionbei einer physiologischen Kondylen-position und der Verbesserung der dentofazialen Ästhetik, muss bei Pati-enten mit Short-face-Syndrom ent-sprechend der spezifischen Problema-tik das Augenmerk auf einige besonde-re Punkte gelegt werden.

Die Verbesserung der Gesichts-ästhetik bezieht sich nämlich nicht nurauf die sagittale, sondern auch auf dievertikale Dimension. Das bedeutet,dass bei Patienten mit Short-face-Syn-drom eine Verlängerung des Unterge-sichts erreicht werden sollte, ohne da-bei die Kinnprominenz zu verstärkenbzw. andere Gesichtspartien zu ver-schlechtern.

Die Verlängerung des Untergesichtsals kausale Therapie mit einem ent-sprechenden Effekt auf die fazialeÄsthetik kann bei diesen Patienten nur

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Therapeutic strategy of combined orthodontic and surgicaltreatment of class II deformities with short-face syndrome.New aspects of surgical lengthening of the lower part of the face

N. Watted, J. S. Bill, C. Peters

Summary

The main aesthetic concern of pa-tients with Angle class II deformitieswith skeletal deep bite – short facesyndrome – is the short lower face. Itis the orthodontist’s task to correctthis deformity insofar as possible.Depending on the extent, even or-thodontists at the beginning of theirtraining will recognize this. Sincepresurgical orthodontic treatmentdetermines the kind and extent of thesurgical procedure, the orthodontisthas to plan the treatment in for indi-vidual case . It is the purpose of thisarticle to demonstrate a concept oftreatment for patients with class IIdeformities, skeletal deep bite, and ashort lower face. Presurgical ortho-dontic treatment and the surgical

procedure to correct the deformityare discussed. The treatment resultsshow that it is necessary to leave orto create a certain curve of Spee, de-pending on the extent of the defor-mity, to achieve a satisfactory resultin terms of to function, aesthetics,and stability. It can be concluded thatit is only possible to reach the presettreatment goals with an exact diag-nosis and the knowledge of the nec-essary preparation in combinationwith the surgical procedure.

Key words

Cephalometry · Skeletal deep bite ·Short face syndrome · Lengtheningof short face · Bite brace · Lateralopen bite

Tabelle 1Proportionen der Weichteilstrukturen vor und nach der Behandlung

Parameter Mittelwert Vor Behandlung Nach Behandlung

G′-Sn/G′-Me′ 50% 56% 50%Sn-Me′/G′-Me′ 50% 44% 50%Sn-Stm/Stm-Me′ 1:2 1:2,3 1:2

Tabelle 2Durchschnittswerte bzw. Proportionen skelettaler Strukturen vor und nachder Behandlung

Parameter Mittelwert Vor Behandlung Nach Behandlung

ML-SNL 32° 22,5° 27°NL-SNL 8,5° 9,5° 9,5°ML-NL 23° 13° 17.5°Gonionwinkel 130° 115° 122°SN-Pg 81° 81,5° 83,5°PFH/AFH 63% 73% 69%N-Sna/N-Me 45% 49% 45%Sna-Me/N-Me 55% 51% 55%

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durch eine kombinierte kieferorthopä-disch-kieferchirurgische Behandlungmit einer operativen Vergrößerung desUnterkieferwinkels und somit einerVergrößerung des Interbasenwinkelserreicht werden [2, 27–29]. Folge der

operativen Vergrößerung des Unterkie-ferwinkels ist die Harmonisierung desVerhältnisses zwischen der posteriorenund der anterioren Gesichtshöhe.

Nachfolgend sollen die prä- undpostoperativen Maßnahmen erläutert

werden, die in Verbindung mit demchirurgischen Eingriff ein möglichstoptimales Ergebnis versprechen.

Lösungsansatz und Therapiekonzept

Der entscheidende Schritt für das Er-reichen der oben festgelegten Behand-lungsziele erfolgt während des operati-ven Eingriffs. Die für das Erschei-nungsbild individuell nötige Verlänge-rung des Untergesichts wird durch dasAusmaß der Translation bzw. Rotationdes zahntragenden Unterkieferseg-ments während der Operation vorge-geben. Dieses Ausmaß kann vom Kie-ferorthopäden geplant und gesteuertwerden [27, 28].

Voraussetzung für eine stabile Ver-größerung des Kieferwinkels durch dieposteriore Rotation des horizontalenUnterkieferasts ist die 3-Punkt-Abstüt-zung auf Frontzähnen und Molaren bei der chirurgischen Vorverlagerung(Abb. 5).

Die posteriore Rotation des Unter-kiefersegments kann operativ nur danndurchgeführt werden, wenn bei deroperativen Vorverlagerung des Unter-kiefersegments die Unterkieferfrontbaldmöglichst mit den palatinalenFlächen der Oberkieferfront in Be-rührung kommt, sodass eine weitereVorverlagerung des Segments zur Re-duktion der vergrößerten sagittalenFrontzahnstufe und somit zur Korrek-tur der skelettalen Dysgnathie in derSagittalen nur entlang der palatinalenFlächen der Front möglich ist. Dies ge-währt eine Abstützung während der

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Abb.1. Fotostataufnahme einerPatientin mit Klasse-II-Dysgna-thie von lateral und frontal mitShort-face-Syndrom; kurzes Un-tergesicht, vertiefte Supramental-falte mit aufgerollter Unterlippeund prominentes Kinn

Abb.2. Disharmonische Weich-teileinteilung zwischen demOber- (Gl’-Sn) und Untergesicht(Sn-Me’). Das Untergesicht zeigtein Defizit von 8% in Relationzum Obergesicht. Ebenso liegt ei-ne Disharmonie bei der Eintei-lung des Untergesichts vor

Abb.3. Intraorale Aufnahmen;distale Okklusion, tiefer Biss undZahnfehlstellungen

Abb.4. Durch den Hochstandder Unterkieferfront bedingte aus-geprägte Spee-Kurve (5 mm)

Abb. 5. Fernröntgenaufnahme nach chirurgi-scher Vorverlagerung des Unterkiefersegments;lateral offener Biss mit 3-Punkt-Abstützung anden Frontzähnen und Molaren nach erfolgterposteriorer Rotation

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posterioren Rotation des Segments, diesich in der notwendigen Vergrößerungdes Kieferwinkels und somit der ante-rioren Gesichtshöhe im Sinn der ge-wünschten Verlängerung des Unterge-sichts niederschlägt (Abb. 5, 6).

Durch die operativ bedingte poste-riore Rotation des zahntragenden Seg-ments wird das Menton nach kaudalverlagert, sodass die skelettale Situati-on und das Weichteilprofil des Unter-gesichts in der Vertikalen verbessertwerden. Außerdem erfährt die Kinn-prominenz durch die posteriore Rotati-on trotz der Ventralverlagerung nur ei-ne geringgradige Ventralverschiebungund entsprechend dezente Betonung,was bei diesen Patienten für die Pro-filästhetik von Vorteil ist. Es tritt außer-dem eine Entspannung der Supramen-talfalte ein.

Eine reine Translation des zahntra-genden Unterkiefersegments infolgeder orthodontischen Beseitigung derSpee-Kurve würde nur die sagittaleDisharmonie ohne Veränderung dervertikalen Relation korrigieren. Beidiesen Patienten käme es zu einer Ver-stärkung der Kinnprominenz, was einestärkere Konkavität der Mundpartiemit sich brächte (Abb. 7). Als Folgedieser orthodontischen Vorbereitungund des entsprechenden chirurgischen

Eingriffs wäre zur Verbesserung derGesichtsästhetik eine Kinnplastik un-vermeidlich.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei derUnterkiefervorverlagerung, der v. a.hinsichtlich eines Rezidivs beachtetwerden muss, ist die Streckung des su-prahyoidalen Komplexes (suprahyoi-dale Muskulatur – insbesondere M. di-gastricus). Je größer das Ausmaß derTranslation ist, umso stärker erfolgendie Streckung bzw. Belastung dieserMuskulatur mit entsprechender rezidiv-fördernder Wirkung, während die Ro-tation diesen Effekt gering hält.

Um den rezidivfördernden Effektder Muskelstreckung gering zu haltenund ein ästhetisch möglichst optimalesErgebnis zu erreichen, ist ein bestimm-tes Vorgehen bei den prä- und postope-rativen orthodontischen Maßnahmennötig.

Der Therapieablauf bei Klasse-II-Dysgnathien mit Short-face-Syndromentspricht dem Behandlungskonzeptder Würzburger Klinik für kombiniertkieferorthopädisch-kieferchirurgischeFälle [27, 28].

Der Therapieablauf besteht aus 4Phasen:

1. präoperative Maßnahmen und or-thodontische Vorbereitung

I „Schienentherapie“ zur Ermitt-lung der physiologischen Kondy-lenposition „Zentrik“ vor der end-gültigen PlanungI Orthodontie zur Ausformung undAbstimmung der Zahnbögen auf-einander und Dekompensation derskelettalen DysgnathieI „Schienentherapie“ zur Ermitt-lung der „Zentrik“ 3–4 Wochen vordem operativen Eingriff

2. Kieferchirurgie zur Korrektur derskelettalen Dysgnathie

3. Orthodontie zur Feineinstellung derOkklusion

4. Retention zur Sicherung des er-reichten Ergebnisses

Präoperative Maßnahmen und orthodontische Vorbereitung

„Schienentherapie“

Die Aufbissschiene muss zum Zweckder bei diesen Patienten häufig not-wendigen Therapie von Kiefergelenk-problemen bzw. Diagnostik vor derendgültigen Behandlungsplanung ein-gegliedert werden [5, 6, 30, 31]. Da-durch können die physiologische Kon-dylenposition und somit die Zentrikvor der endgültigen Behandlungspla-nung ermittelt werden.

Orthodontische Vorbereitung

Bei der orthodontischen Vorbereitungwerden die Zahnbögen ausgeformt, inden 3 Dimensionen aufeinander abge-stimmt und die dentale Kompensationder skelettalen Dysgnathie aufgeho-ben.

Vor der Operation wird der Unter-kiefer nicht nivelliert, sodass die Spee-Kurve und der tiefe Biss unverändertbleiben. Dafür werden in die Bögenentsprechende Biegungen eingearbei-tet. Die Nivellierung im Unterkieferdurch die Intrusion der Front würde zueinem vergrößerten Abstand zwischenden Palatinalflächen der Oberkiefer-und Labialflächen der Unterkieferfrontführen, sodass intraoperativ eine grö-ßere Translationsbewegung des Seg-ments und weniger die gewünschteRotationsbewegung erfolgen würden.Sollten die skelettale Dysgnathie kom-pensiert und eine Spee-Kurve nicht

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Abb.6. Simulation einer operati-ven Unterkiefervorverlagerungohne vorherige Nivellierung desUnterkieferzahnbogens. Es folgteine Öffnung des Kieferwinkelsdurch die Rotation des Unterkie-fersegments. Die vertikale blaueLinie berührt das Pogonion derAusgangssituation, geringgradigeVentralverschiebung der Kinnpro-minenz

Abb.7. Simulation einer operati-ven Unterkiefervorverlagerungmit vorheriger Nivellierung desUnterkieferzahnbogens. Es folgtdie Korrektur der sagittalen Dis-harmonie ohne Veränderung dervertikalen Relation, es kommt zueiner ästhetisch ungewünschtenVerstärkung der Kinnprominenz

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vorhanden sein, wird diese durch dieExtrusion der Unterkieferfront herge-stellt. Die Folge davon ist der Gegen-effekt des Nivellierens, und zwar dieVerkürzung der Strecke zwischen derOber- und Unterkieferfront, die einekleinere Translationsbewegung desUnterkiefersegments zulässt [ 27, 28].

„Schienentherapie“ zur Ermittlungder Kondylenzentrik 3–4 Wochenvor dem operativen Eingriff

Ziel ist die Registrierung des Kieferge-lenks in seiner physiologischen Positi-onszentrik [30, 31].

Kieferchirurgie zur Korrektur der skelettalen Dysgnathie

Die operative Unterkiefervorverlage-rung wird mittels sagittaler Spaltungnach Obwegeser-Dal Pont durchge-führt [7, 8, 19–21]. Die zentrischeKondylenpositionierung während derDysgnathieoperation ist in der Würz-burger Klinik ein standardisiertes Ver-fahren zur Aufrechterhaltung derräumlich korrekten Stellung der Kon-dylen [9, 15, 16, 18, 24].

Postoperative Orthodontie

Folge der operativ bedingten, posteri-oren Rotation des Segments bei 3-Punkt-Abstützung ist ein lateral offe-ner Biss, der aus verschiedenen Grün-den postoperativ schnellstmöglich ge-schlossen werden sollte (Abb. 5).

Dabei ist der frühestmögliche Ein-satz der orthodontischen Kräfte für de-ren Wirkung entscheidend; zum einenwegen der angeblich erhöhten (nochnicht nachgewiesen) postoperativenAusschüttung an Parathormon, das dieKnochenumbaurate erhöht und somitZahnbewegungen erleichtern soll, zumanderen wegen der ausgeschaltetenMuskelkräfte, die den Zahnbewegun-gen (Extrusion im Seitenzahngebiet)entgegenarbeiten würden.

Entsprechend beginnt nur wenigeTage (in der Regel 4. postoperativerTag) nach der Operation die postchi-rurgische orthodontische Behandlungs-phase:

I Schließen des lateral offenen Bissesohne Verlust an skelettaler Höhe

I Stabilisierung und Feineinstellungder Okklusion

Der offene Biss soll entsprechend derdargelegten Planung möglichst nurdurch die Extrusion der Seitenzähne,und zwar vorwiegend im Oberkiefer,und nicht durch die Intrusion der Fron-ten geschlossen werden. Nur wenn dieIntrusion im Frontzahngebiet vermie-den wird, kommt es nicht zu einer an-terioren Rotation des Unterkiefers, wasmit einem Höhenverlust des Unterge-sichts verbunden wäre, sodass ein Teilder chirurgisch gewonnenen Unterge-sichtsverlängerung verloren ginge.

Die Schließung des offenen Bisseswird in 2 Phasen durchgeführt:

1. In der 1. Phase wird der Oberkie-ferstahlbogen durch einen weichenBogen (0,018/0,025 Niti) ersetzt. Indiesen Bogen werden Extrusionsstufenfür die Prämolaren und den ersten Mo-laren eingearbeitet, was die Extrusiondieser Zähne verursacht. Für die Un-terstützung des Extrusionseffekts undzur Minimierung der Intrusionsreakti-on auf die restlichen Zähne, insbeson-dere der Front, werden Up-and-down-Elastics eingehängt.

2. Nachdem der Niti-Bogen im Ober-kiefer passiv ist, tritt die 2. Phase derSchließung des offenen Bisses ein. DerUnterkieferbogen wird gegen einenweichen Niti-Bogen getauscht. Damitdie Nivellierung bzw. Schließung desrestlichen offenen Bisses durch die Ex-trusion der Prämolaren erfolgen kannund möglichst nicht durch die Intrusi-on der Front werden wiederum Up-and-down-Elastics eingehängt.

Retention

Bei der großen operativen Verlage-rungsstrecke und Patienten mit tenden-ziell verspannter bzw. kurzer Muskula-tur im suprahyoidalen Bereich unter-stützt eine perioperative, physiothera-peutische Behandlung die Rehabilita-tion und Neuorientierung der Musku-latur an ihre neue Lage.

Unerwünschte Nebenwirkung beieiner Unterkiefervorverlagerung sinddie Umstellung und Umorientierungder betroffenen Weichteile und Mus-kulatur und somit deren Belastung ge-gen die neue Unterkieferlage. Wie be-reits erwähnt, führt eine Vorverlage-

rung mit Translationbewegung zu ei-ner Streckung und Belastung derWeichteile und des suprahyoidalenKomplexes, was als rezidivförderndanzusehen ist. Diese Belastung wirdbei einer Rotation des Segments er-heblich geschwächt. Um die Muskula-tur bei der Adaption an in ihre neue La-ge zu unterstützen, empfiehlt sich alsapparative Maßnahme ein bimaxilläresGerät als Retentionsgerät – wie z. B.der Bionator.

Ergebnis

Wird das Behandlungsergebnis nachchirurgischer Korrektur der skelettalenDysgnathie und abgeschlossener Fein-einstellung der Okklusion mit dem Zu-stand vor der Behandlung verglichen,werden sowohl in den skelettalen alsauch den Weichteilstrukturen Änderun-gen in der Sagittalen und Vertikalen imSinn einer Harmonisierung festgestellt:

Kephalometrische Änderungen

Durch die chirurgisch bedingte poste-riore Rotation des zahntragenden Seg-ments wurde der Kieferwinkel (Go-nionwinkel) um 7° vergrößert. Diesführte zu einer Vergrößerung des Inter-basenwinkels (ML-NL). Als Folge die-ser posterioren Rotation wurden dasskelettale Ober- und Untergesicht (N-Sna:Sna-Me oder UFH:LFH =45%:55%, UHF: upper facial high,LHF: lower facial high) harmonisiert.Die Verlängerung des Untergesichtsbrachte eine Vergrößerung der anterio-ren Gesichtshöhe mit sich, sodass dasVerhältnis zwischen posteriorer undanteriorer Gesichtshöhe harmonischergeworden ist (PFH/AFH = 69%). Dieventrale Verlagerung des Pogonions(Pg-Punkt) bei der Korrekur der Dys-gnathie in der Sagittalen erfuhr nur ei-ne geringfügige Veränderung, was sichin der vergleichsweise kleinen Ver-größerung des SN-Pg-Winkels mani-festiert (Abb. 8, Tabelle 1, 2).

Extraorale Änderungen

Folge der skelettalen Veränderungensind entsprechende Änderungen imWeichteilprofil. Die extraoralen Abbil-dungen zeigen das Ausmaß der Verlän-gerung des Untergesichts, die zu einerHarmonisierung der vertikalen Eintei-

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lung infolge der Korrektur der sagitta-len Diskrepanz zwischen dem Ober-und Unterkiefer geführt haben, ohnedie Kinnprominenz zu verstärken.Durch die erreichte posteriore Rotationkam es zudem zur angestrebten Ent-spannung der Supramentalfalte (Abb.9).

Intraorale Änderungen

Die intraoralen Aufnahmen zeigen ei-ne Klasse-I-Okklusion mit einer stabi-len Verzahnung. Die postoperativeSchließung des lateral offenen Bissesmittels der eingearbeiteten Extrusions-mechanik – unterstützt durch Up-and-down-Elastics – erfolgte vorwiegenddurch die Extrusion der Oberkieferprä-molaren und Molaren. Die Extrusions-

stufe ist im Bereich des ersten Prämo-laren am stärksten, wo der lateral offe-ne Biss am größten war (Abb. 10).

Diskussion

Für die Therapieplanung von kombi-niert zu behandelnden Patienten ist dieAnfertigung aller diagnostischen Un-terlagen in der zentralen Kondylenpo-sition von entscheidender Bedeutung.Um dies zu gewährleisten, sind dieEntkopplung der Okklusion und dieDeprogrammierung der Muskulaturfür eine gewisse Zeit (3–4 Wochen)notwendig. Diese Maßnahme ist be-sonders bei Klasse-II-Dysgnathien mitvergrößerter sagittaler Frontzahnstufevon Bedeutung. Bei diesen Patientenist in der Regel ein Zwangsbiss nach

ventral festzustellen, weil der Lippen-schluss, während sich der Unterkieferin der retralen Position befindet, nichtmöglich ist. Folge dieser Fehlfunktionist die aktive Protrusion des Unterkie-fers, die über längere Zeit zu einer ge-wissen Gewöhnung bzw. Adaption derMuskulatur in dieser Position führt,wobei die Kondylen aus der Zentrikbewegt werden.

In dem dargestellten Behandlungs-konzept ist 3–4 Wochen vor der Ope-ration der 2. Einsatz einer Aufbiss-schiene zur Ermittlung der Zentrik ob-ligat. Eine Positionierung der Kiefer-gelenke in einer falschen Kondylenla-ge – in diesen Fällen ventral – führt zueiner falschen Planung der operativenVerlagerungsstrecke des Unterkiefer-segments. Die Verlagerungsstrecke istin diesem Fall kürzer als notwendig.Nach der Operation resultiert eine„Dorsalverlagerung“ der Kondylen inder Fossa, die eine distale Okklusionmit sich bringt. In der Literatur wirddieser Sachverhalt fälschlicherweiseals „Rezidiv“ bezeichnet, obwohl esdurch die nicht erkannte, korrekte Po-sition der Kondylen zu einer unzurei-chenden Vorverlagerung des distalenSegments (zahntragenden Segments)gekommen ist.

Bei der kombinierten Behandlungvon Patienten mit Short-face-Syndromist neben der Herstellung neutraler undstabiler Okklusionsverhältnisse dieweitgehende Optimierung der Ge-sichtsästhetik und dies insbesondere inder Vertikalen im Sinn einer Unterge-sichtsverlängerung vornehmliches Be-handlungsziel. Dies kann intraoperativnur dann erfolgen, wenn zusätzlich zurVentralverlagerung eine posteriore Ro-tation des Unterkiefersegments mög-lich ist. Eine präoperative, orthodonti-sche Nivellierung des Unterkiefer-zahnbogens führt zu einer Reduktiondieses Effekts. Folge ist die alleinigeTranslationsbewegung des Segments,was zwar die Korrektur der Okklusionzulässt, aber gleichzeitig die Ventral-verlagerung des Kinns verstärkt, wel-ches präoperativ ohnehin betont ist.Nachteil dieses Vorgehens wären nichtnur die mäßige Verbesserung derÄsthetik, die bei diesen Patientendurch eine Kinnplastik erfolgen müs-ste, sondern auch der rezidivförderndeEffekt, der durch die Belastung des su-

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Abb.9. Behandlungsergebnisvon extraoral. Die Sagittale wur-de korrigiert, ohne die Kinnpro-minenz zu verstärken, gleichzei-tig wurden die vertikalen Verhält-nisse harmonisiert. Eine Entspan-nung der Supramentalfalte ist ein-getreten

Abb.10. Neutrale stabile Okklu-sion nach der Behandlung

Abb.8. Fernröntgenaufnahmenach der Behandlung; harmoni-sche Relation im Weichteilprofilzwischen Ober- und Untergesicht;harmonisierte Einteilung inner-halb des Untergesichts. Eine Har-monisierung der skelettalenStrukturen sowohl in der Sagitta-len als auch in der Vertikalenwurde erreicht

Page 7: Therapiekonzept zur kombinierten kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung von Klasse-II-Dysgnathien mit Short-face-Syndrom : Neue Aspekte zur chirurgischen Untergesichtsverlängerung

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O R I G I N A L I E N

prahyoidalen Komplexes hervorgeru-fen werden würde. Die anteilige Rota-tionsbewegung führt zu einer nahezukaudalen Verlagerung der Kinnpromi-nenz und schwächt gleichzeitig dieStreckung des suprahyoidalen Komle-xes ab, was eine Reduktion des Rezi-divs mit sich bringt.

Dental resultiert aus der operativverursachten posterioren Rotation desUnterkiefersegments in Bezug auf dieUnterkiefergrundebene eine Labial-kippung der Unterkieferfront. Entspre-chend muss die Frontzahnstellung an-gesichts der vorgesehenen chirurgi-schen Maßnahme in der Planung derorthodontischen Bewegungen berück-sichtigt werden.

Folge der operativen Rotation desUnterkiefersegments bei der notwen-digen 3-Punkt-Abstützung (Molarenund Front) ist der lateral offene Biss.Dies bedingt an den Frontzähnen eineÜberbelastung, die über einen länge-ren Zeitraum Schäden an den Front-zähnen (z. B. Wurzelresorptionen) set-zen kann. Dies ist ein Grund, den post-operativ lateral offenen Biss so schnellwie möglich zu schließen, was durchdie Extrusion der Seitenzähne desOberkiefers erfolgen sollte, währenddie Intrusion der Front verhindert wer-den muss, damit die chirurgisch ge-wonnene Untergesichtsverlängerungnicht durch orthodontische Maßnah-men verloren geht.

Zur wissenschaftlichen Absiche-rung dieses Aspekts in dem vorgestell-ten Behandlungskonzept werden mo-mentan weitere statistische Erhebun-gen durchgeführt und in einer nachfol-genden Publikation vorgelegt.

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