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Themen info I/ 2007 Thermoaktive Bauteilsysteme Nichtwohnungsbauten energieeffizient heizen und kühlen auf hohem Komfortniveau Energieforschung kompakt Ein Service von FIZ Karlsruhe

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Themeninfo I /2007

ThermoaktiveBauteilsysteme

Nichtwohnungsbauten energieeffizientheizen und kühlen auf hohem Komfortniveau

Energieforschung kompakt

Ein Service von FIZ Karlsruhe

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Zur SacheLassen sich Gebäude mit Umweltenergie kühlen? Ja – mit Hilfe von thermoaktiven Bauteil-systemen. Auf herkömmliche Kältemaschinen kann verzichtet werden, wenn Gebäudearchitektonisch und bauphysikalisch energieoptimiert geplant und gebaut sind. Und wennmit thermoaktiven Bauteilsystemen die gebäudeeigene Speicherkapazität zum Temperatur-ausgleich genutzt und über natürliche Wärmesenken wie das Erdreich, das Grundwasseroder die kühle Nachtluft aktiviert werden kann. Seit den 1990er Jahren werden mehr undmehr Gebäude mit diesen Systemen gekühlt – und auch beheizt.

Doch wie flexibel bleibt die Nutzung von Gebäuden? Wie energieeffizient sind die thermischträgen Flächenkühl- und Flächenheizsysteme? Unter welchen Voraussetzungen ist dasKonzept wirtschaftlich anwendbar? Welches Komfortniveau wird tatsächlich erreicht? DieseFragen werden hier diskutiert – auch auf der Basis von drei Neubauten aus dem Monitoring-Programm „Energieoptimiertes Bauen“ (EnOB), einer Forschungsinitiative des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Unter realen Betriebsbedingungenwerden hier Gebäude- und Energiekonzept sowie neue Materialien und Technologien ausgiebig getestet und nach wissenschaftlichen Maßstäben bewertet. Mit diesem Themen-info präsentieren wir eine erste fundierte Auswertung zur Betonkerntemperierung, einemhäufig eingesetzten thermoaktiven Bauteilsystem.

Der primärenergetisch bewertete Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Lüftung undBeleuchtung unterschreitet bei allen hier vorgestellten Gebäuden 115 kWh/m2a und liegtum den Faktor 2 bis 3 unter den Verbrauchswerten heutiger Standard-Büroneubauten. Diethermoaktiven Bauteilsysteme schneiden hier so günstig ab, weil natürliche Wärmequellenund Wärmesenken genutzt werden können.

Ein Hinweis in eigener Sache: Nach nunmehr 10 Jahren ist die Zeit für eine grundlegendeÜberarbeitung von Konzept und Auftritt der Themeninfos gekommen. Weiterhin gilt: Wirpräsentieren Ihnen aktuelle Energiethemen im Kontext von anwendungsnahen Forschungs-projekten. Mit den neuen Themeninfos möchten wir Ihnen den Überblick erleichtern, indemdie Informationen noch klarer, übersichtlicher und mit neuen Perspektiven dargestelltwerden. Wie gefällt Ihnen das neue Erscheinungsbild? Anregungen und Kritik sind will-kommen.

Ihre [email protected]

Inhalt3 Passiv Kühlen mit TABS

5 Grundwasser in der 40sten Etage

6 Beton – temperiert gut

10 Integrale Planung und interdisziplinäres Bauen

11 Aus der Praxis: Berufsschule in Biberach

12 Woher kommen Wärme und Kälte?

14 Aus der Praxis: Bürogebäude nach Passivhauskonzept

15 Im Portrait: Der Professor und der Planer – zwei Expertenmeinungen

16 Dynamik von Heizen und Kühlen

17 Betonkerntemperierung und Behaglichkeit

18 Aus der Praxis: Bürogebäude in Aachen

19 Checkliste Betonkerntemperierung

ISSN1610 - 8302

HerausgeberFIZ Karlsruhe GmbHHermann-von-Helmholtz-Platz 1

76344 Eggenstein-Leopoldshafen

AutorDr. Jens Pfafferott, Fraunhofer ISEDoreen Kalz, Fraunhofer ISE

RedaktionJohannes Lang

TitelbildBürogebäude Energon in Ulm (Foto: Software AG Stiftung, Darmstadt)

NachdruckPublikation von Texten und Grafiken nur zulässig mit vollstän-diger Quellenangabe und gegenZusendung eines Belegs. Nach-druck der Fotos nur mit Zustimmungdes jeweils Berechtigten. Soweitnicht anders vermerkt stammenalle Grafiken vom Autor.

BINE ist ein Informationsdienstvon Fachinformationszentrum (FIZ)Karlsruhe GmbH und wird vomBundesministerium für Wirtschaftund Technologie (BMWi) gefördert.

Impressum

FIZ Karlsruhe, Büro BonnKaiserstraße 185-197, 53113 BonnTel. 0228/92379-0

Fax 0228/92379-29

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Passiv Kühlen mit TABS„Schlanke“ Gebäudekonzepte setzen auf energieeffiziente und nach-

haltige Systemlösungen, die sich durch ein geringes Maß an Gebäude-

technik und niedrige Betriebskosten für Heizung, Kühlung, Lüftung,

Beleuchtung und Wartung auszeichnen. Auch unter veränderten

Randbedingungen können sie den thermischen, hygienischen und

visuellen Raumkomfort sicherstellen. Das Kühlen und unter bestimmten

Voraussetzungen Heizen von Bürogebäuden mit Umweltenergie aus

Erdreich, Grundwasser und Außenluft ist energetisch und wirtschaftlich

besonders interessant.

Heute sind energieoptimierte Gebäude realisierbar, dieeinen vergleichsweise geringen Heiz- und Kühlbedarfhaben. In diesen Gebäuden lässt sich auch ohne auf-wändige Gebäudetechnik ein angenehmes Raumklimaerreichen. Möglich wird dies erst mit der Kombinationsorgfältig aufeinander abgestimmter Maßnahmen mitfolgenden Grundelementen: Sehr guter Wärme- undSonnenschutz, ausreichende thermische Gebäudespei-cherkapazität, luftdichte Gebäudehülle in Verbindungmit einer Grundlüftung und hygienisch notwendigemLuftwechsel sowie Wärmerückgewinnung. Der Verzichtauf aktives Kühlen im Sommer zu Gunsten der passivenKühlung ist nur möglich, wenn Gebäude sorgfältig ge-plant werden, so dass Architektur, Baukonstruktion,Nutzeranforderungen und Gebäudetechnik in einem inte-gralen Gesamtkonzept aufeinander abgestimmt werden.

Kühlkonzepte mit freier oder mechanischer Nacht-lüftung wurden in den letzten Jahren erfolgreich in Büro-und Gewerbegebäuden eingesetzt. Die Erfahrung mitper Nachtlüftung gekühlten Niedrigenergie-Büro-gebäuden zeigt, dass im Sommer angenehme Raum-temperaturen erreicht werden – auch ohne Klimaanla-ge. Aber bei lang anhaltenden Hitzeperioden – so z. B.in den Sommern 2003 und 2006 – verhindern relativhohe Außentemperaturen in der Nacht eine ausreichen-de Kühlung der thermischen Gebäudemasse. Dann rei-chen bauliche Maßnahmen und eine mechanisch unter-stützte Nachtlüftung oft nicht aus, um tagsüber einbehagliches Raumklima zu gewährleisten.

Erheblich wirkungsvoller sind thermoaktive Bauteilsys-teme, kurz „TABS“. Hierbei wird die Gebäudestrukturmit bauteilintegrierten Rohrregistern gekühlt, um dasRaumklima komplett oder unterstützend zu konditionie-ren. Werden TABS mit Kälte aus dem Erdreich oder übereinen Kühlturm aus der Umgebungsluft versorgt, musslediglich die Energie zur Verteilung der Kühlenergie,nicht aber zu deren Erzeugung, aufgewendet werden.Gebäude mit niedrigem Wärmebedarf können mit TABSauch beheizt werden.

Thermoaktive Bauteilsysteme – eine Systematik

Wasserführende Rohrsysteme, welche zwecks ganzjähri-ger Temperierung von Gebäuden in Decken und Fußbödenintegriert werden, sind schon seit längerem verbreitet.Dennoch hat sich hierfür noch keine allgemein akzep-tierte Bezeichnung durchgesetzt. Es finden sich – je nachAnwendung – vor allem die Begriffe Betonkernaktivierung,Betonkerntemperierung, thermoaktive (Beton-)Decken,Bauteilheizung bzw. Bauteilkühlung, Bauteilaktivierung,Betonkernkühlung sowie Fußbodenheizung oder -küh-lung. Vereinzelt werden auch die Begriffe Aktivspeicher-systeme, Aktivflächensysteme, Bauteilkonditionierung,Bodentemperierung, teilaktive Böden und eingebette-tes Flächenheiz- und Flächenkühlsystem gebraucht. ZurVereinheitlichung scheint der Oberbegriff „ThermoaktiveBauteilsysteme (TABS)“ geeignet, um all jene Systemezusammenzufassen, die durch eine geeignete Bauweisedie Gebäudestruktur aktiv in das Energiemanagement

Abb. 1 ThermoaktiveBauteilsysteme kühlenund heizen das Büro-gebäude Energon in Ulm.Foto: Software AGStiftung, Darmstadt

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des Gebäudes mit einbeziehen. Da die meisten TABSmit Wasser als Arbeitsmedium sowohl zum Heizen alsauch zum Kühlen eingesetzt werden können, ist für dieweitere Klassifizierung der Ausdruck „Temperierung“angebracht. Die Unterteilung der TABS richtet sich nachder jeweiligen Lage der Rohre im Bauteil: Kapillarrohr-systeme, Betonkerntemperierung, Fußbodentemperie-rung und Zweiflächen-Bauteiltemperierung.

Fokus: Wassergeführte Betonkerntemperierung

Aus der Vielzahl der thermoaktiven Bauteilsystemebeschränkt sich dieser Beitrag auf die häufig eingesetz-te wassergeführte Betonkerntemperierung (BKT), für diesich wiederum folgende Systemkombinationen finden:

1. BKT als reine Bauteilkühlung, kombiniert mit kon-ventionellen Heizsystemen (Heizkörpern) sowie natür-licher oder mechanischer Lüftung. Bei dieser Anwendung

ersetzt die Betonkerntemperierung ein konventionellesKühlsystem.

2. BKT als einzige Heiz- und Kühlfläche im Raum, kom-biniert mit einer mechanischen Lüftung.

3. Ergänzende Systeme: Aufgrund der thermischen Träg-heit und der daraus folgenden ungenügenden Regelbar-keit des BKT-Systems, kommen mitunter ergänzende Heiz-und Kühlsysteme zum Einsatz. Das BKT-System dientals Grundlastsystem für Heizung und Kühlung, ergänztum ein Zusatzsystem im Raum für die individuelle undbedarfsgerechte Raumregelung. Möglich sind Unterflur-konvektoren an der Fassade aber auch Systemkombina-tionen, die die Decke in einer oberflächennahen Schicht(Randstreifenelement, Kapillarrohrmatten) und im Beton-kern thermisch aktivieren. Die Kombination eines BKT-Systems mit Radiatoren oder Konvektoren ist in derPlanungsphase kritisch zu hinterfragen.

Kühlkonzepte im Vergleich

Wassergeführte Konzepte

Klimaanlage

TaglüftungTaglüftung

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Nachtlüftung

TABS Betonkerntemperierung, Kapillarrohrsystem, Fußbodentemperierung, Zweiflächen-Bauteiltemperierung

Kühlsegel

Voll-Klimaanlage (Heizen, Kühlen, Be- und Entfeuchten)

Von der Decke abgehängte Kühlpaneele

Freie Nachtlüftung

Mechanische Nachtlüftung

Freie Nachtlüftung + back-up-System (hybrid)

Abb. 2 Wie könnnenGebäude gekühlt werden?– eine Systematik

Luftgeführte Konzepte

Abb. 3 Thermoaktive Bauteilsysteme (TABS): Kapillarrohrsysteme, Betonkerntemperierung, Fußboden-temperierung und Zweiflächen-Bauteiltemperierung. Aus der Vielzahl der unterschiedlichen TABS wird in diesem Themeninfo die wassergeführte Betonkerntemperierung (BKT) herausgestellt.

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En passant

Abb. 5 Das höchsteBürogebäude inNordrhein-Westfalenwird energieeffizientgekühlt – mit thermo-aktiven Bauteil-systemen. Foto: BINEInformationsdienst

Grundwasser in der 40sten Etage

Der Bauherr Deutsche Post World Net wollte mit seinerneuen Konzernzentrale in Bonn ein vorzeigbares Gebäudeund optimale Arbeitsbedingungen für 2.000 Mitarbeiterschaffen. Und es sollte ein „richtungsweisendes Hochhausfür das 21. Jahrhundert“ entstehen. So überragt jetzt der„Post-Tower“ mit seinen 162,5 Metern locker den benach-barten „Langen Eugen“ (112 m) und auch den Kölner Dom(157 m). Das Gebäudekonzept setzt auf eine Doppelfassademit viel Glas und hoher Transparenz, was aber zugleicheine natürliche Frischluftversorgung und moderate Zuluft-temperaturen ermöglicht. Das Energiekonzept setzt aufGrundwasser, bis zu 130 Liter pro Sekunde werden durchdas ganze Gebäude gespült. Im Sommer wird das Gebäudeauf diese Weise temperiert und im Winter wird die thermi-sche Energie des Grundwassers in Verbindung mit einerWärmepumpe zur Beheizung genutzt. Die sommerliche Küh-lung wird in allen normalen Büros ergänzt durch Boden-konvektoren, die im Kühlmodus ebenfalls mit Grundwasserbetrieben werden. Nur in der Vorstandsetage wollte man aufeine herkömmliche Klimaanlage nicht verzichten.

Doch das Konzept der Betonkerntemperierung scheint auchhier aufzugehen: Selbst an einem besonders heißen August-tag im Rekordsommer 2003 verharrten die Lufttemperaturenin den nach Süden orientieren Büros unterhalb der 26°C-Marke – für die Mitarbeiter bei Außentemperaturen von mehrals 39°C ein spürbarer Vorteil. Im Jahr 2003 betrug der Auf-wand zur Zirkulation des Grundwassers etwa 10 kWh/m2.

Weitere Infos zum Post-Tower unterwww.energie-projekte.de

Bürogebäude mit Perspektive

Wird der gesamte Energieverbrauch von heutigen Büro-gebäuden primärenergetisch betrachtet, dann macht derElektroenergieverbrauch für Lüftung (15%), Beleuchtung(27%) und Nutzung (33%) sowie der Energieeinsatz füraktive Kühlung (11%) einen hohen Anteil am Gesamt-energieverbrauch aus. Zunehmende Dämmmaßnahmen imZuge der Energie-Einsparverordnung (EnEV) verstärken dieBedeutung des Stromverbrauchs in der Gesamtbilanz. Dadie Energiesparpotenziale besonders in den BereichenLüftungs-, Klima- und Beleuchtungstechnik liegen, könnenKühlkonzepte mit Umweltenergie den elektrischen Energie-verbrauch und damit den Primärenergiebedarf deutlichsenken.

Abb. 4 Gegenüberstellung typischer Primärenergiekennwerte in kWh/m2a für Bürogebäude aus dem Bestand (messtechnischermittelte Kennwerte von Verwaltungsgebäuden), Neubauten nachheutigem Standard und Zielwerte für primärenergetisch optimierteBürogebäude im EnOB-Forschungsbereich »EnergieoptimierterNeubau« (EnBau).

Schlanke Gebäude

Der Begriff „schlanke Gebäude“ bezeichnet Bauten, diebereits auf Basis eines durchdachten Entwurfs und bauphy-sikalischer Qualitäten Voraussetzungen dafür mitbringen,hohen thermischen Komfort mit einer schlanken Gebäu-detechnik zu erreichen. Architektur, Bausystem, Baukons-truktion und Gebäudetechnik werden dabei so aufeinanderabgestimmt, dass ein möglichst geringer Energiebedarf fürHeizung, Kühlung und Beleuchtung erreicht wird. SchlankeBürogebäude schaffen somit die Voraussetzung für denEinsatz von thermoaktiven Bauteilsystemen zur Raumkondi-tionierung.

Abb. 6 Komplexer Bauprozess in luftiger Höhe – der Post-Tower inBonn. Architektur: Murphy/Jahn, Chicago. Quelle: Heinle, Wischerund Partner (Bauleitung)

Strom für TGA und Beleuchtung

* Gesamt [kWh/m2NGF a]

Wärme

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Beton – temperiert gutGanz gleich, ob es zu warm oder zu kalt ist –

mit konventioneller Raumklimatechnik muss jeweils

aktiv gegengesteuert, d. h. gekühlt oder geheizt, werden.

Nicht so bei der Betonkerntemperierung: Hier wird

die Gebäudestruktur dazu genutzt, thermische Energie

zu speichern, um sie bei Bedarf wieder freizusetzen.

Zum besseren Verständnis der Betonkerntemperierung(BKT) unterscheidet man modellhaft die Phasen„Laden“, „Speichern“ und „Entladen“:

Laden: Die Geschossdecken werden mit Wärme- oderKälteenergie beladen, indem warmes oder kaltes Wasserdurch die im Bauteil integrierten Rohrregister zirkuliert.Der Wasserstrom gibt bei der Durchströmung des Rohr-systems je nach Wassertemperatur Heiz- oder Kühlleis-tung an die Decke ab und erwärmt bzw. kühlt diese. DerVorgang kann durch Variation von Vorlauftemperatur,Massenstrom und Ladezeit aktiv gesteuert werden.Aufgrund der Trägheit des Systems besteht die beson-dere Herausforderung darin, ausreichend Wärme- bzw.Kälteenergie für die am folgenden Tag zu erwartendenthermischen Lasten im Bauteil einzulagern. Da derbenötigte Wärme- bzw. Kältebedarf eines Raumes abernicht exakt vorhersehbar ist, kommt es systembedingtzu Ladereserven und damit zu einem erhöhten Ener-gieeinsatz. Ideal ist der Betrieb der BKT mit einemgeeigneten Speichermanagement, um thermischenMehraufwand sowie Überhitzung oder Unterkühlungder Räume zu vermeiden.

Speichern: Wie jeder thermische Speicher überbrücktdie thermisch aktivierte Decke die zeitliche Differenzzwischen Energieangebot und Energiebedarf undbewirkt eine teilweise Verschiebung der thermischenLasten in die Nachtstunden. Überschüssige Wärme,hervorgerufen durch solare Einstrahlung und Personen-und Geräteabwärme (innere Lasten), werden in derDecke zwischengespeichert und bewirken einen Anstiegder mittleren Bauteiltemperatur. Mit diesem Tempera-turanstieg erfolgt parallel der Anstieg der operativen

Raumtemperatur, welcher jedoch durch die Speicher-massen stark gedämpft wird. Ein Beispiel: Wird eine 14 cm starke Betonschicht um 2 K erwärmt oder gekühlt,so entspricht dies einer Wärme- bzw. Kältespeicherungvon ca. 190 Wh/m2 oder einer Leistung von 23 W/m2, die8 Stunden lang zur Verfügung steht.

Entladen: Die Raumkonditionierung erfolgt bei der BKTdurch zwei parallel ablaufende Effekte: Die im Beton-kern eingelagerte Wärme oder Kälte wird zu 60% überStrahlung und zu 40% über Konvektion an den Raumabgegeben. Wegen der großen Systemträgheit ist eineraumbezogene, schnelle Temperaturregelung nichtmöglich. Die Entladung findet somit ohne direkte Ein-flussmöglichkeit des Raumnutzers vollkommen passivstatt.

Die große, Wärme übertragende Fläche der Deckeermöglicht es, bei bereits geringen Über- bzw. Unter-temperaturen nennenswerte Leistungen an den Raumabzugeben. Daher können BKT-Systeme selbst die ver-gleichsweise geringe Temperaturdifferenz natürlicherWärmesenken (Sommer) bzw. Wärmequellen (Winter)gegenüber der Raumtemperatur effektiv nutzen: Erd-reich, Grundwasser, Außenluft. Im stationären Zustandwerden Kühlleistungen von 30 bis 40 W/m2 erreicht.Nach oben ist die Kühlleistung durch den Taupunkt derRaumlufttemperatur begrenzt, da sich andernfallsTauwasser an der Decke bildet. Der Taupunkt liegt beietwa 15°C für 26°C Raumlufttemperatur und 50% relati-ve Luftfeuchte. Daher muss vor allem der Eintrag sola-rer Lasten durch einen wirksamen Sonnenschutzgemindert werden. Aufgrund der relativ „hohen“ Vor-lauftemperaturen natürlicher Wärmesenken ist eine

Abb. 7 Im Kern deszukünftigen Betons:Zwischen oberer undunterer Bewehrung fixierte Rohrleitung. Foto: solares bauen GmbH

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Abb. 9 Vergleich simulierter Raum- und Deckenober-flächentemperaturen (an Messdaten validiertes Gebäude-und Anlagenmodell) für einen Raum des FraunhoferSOBIC im Niedrigenergie-Bürogebäude Solar Info Center (SIC), Freiburg, für 4 Tage im August 2004: Ohne Raumkonditionierung sowie Kühlung durch Nachtlüftung(4-facher Luftwechsel) und BKT. Durch die Speicher-fähigkeit der Betondecke und die wasserseitige Wärme-abfuhr mittels BKT und Nasskühlturm ist die Raumtempe-ratur geringer und schwankt im Tagesgang deutlich weniger als bei der Nachtlüftung oder dem unkonditio-nierten Raum.

Abb. 8 Energiebilanz für den beheizten/gekühltenRaum mittels Betonkerntemperierung

ohne Konditionierungmit Nachtlüftung, 4-fachmit BKTAußenlufttemperatur

Operative RaumtemperaturDeckenoberflächentemperatur

solare Wärmegewinne

b Fensterfläche

b g-Wert

b Sonnenschutz

interne Wärmegewinne:

b Tageslichtnutzung

b Kunstlichtkonzept

b Bürogeräte

b Personen

Bei großen Temperaturunterschiedeninnen-außen:b Transmission durch die Außenwand

Sommer:b Lüftung am Tag

b Deckenaufbau

b Konstruktion der Rohrregister(Durchmesser, Verlegeabstand)

b Lage der Rohrregister in der Decke

b aktivierbare Speicherkapazität

Taglüftung

b Evtl. Lüftungsanlage

b Erdwärmetauscher

Transmission durch die Außenwände

Sommer:

b evtl. Fensterlüftung am Tag

Bauteilkühlung (Wärmeabfuhr):b Erdwärmesondenb Kühlturmb Solare Kühlungb Grundwasser

Bauteilheizung (Wärmezufuhr):b Erdwärmesondenb Grundwasserb Wärmepumpenb Fernwärme

Wärmezufuhr

Wärmeabfuhr

Wärmeabfuhr (Kühlfall/Sommer)

Wärmezufuhr (Heizfall/Winter)Thermischer Speicher

Raum Betondecke Wärmesenke/Wärmequelle

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Unterschreitung des Taupunktes fast nie gegeben. ImHeizfall können Leistungsdichten von 25 bis 30 W/m2

erreicht werden.

Aufbau des Betonkerns

Die Rohrregister werden direkt in den Betonkern derDecken bzw. Fußböden in mäander- oder spiralförmigerRohrschlangenführung eingegossen. Als Rohrschlan-gen werden Kunststoffrohre oder Mehrschichtverbund-rohre aus PE und Aluminium eingesetzt. Sie habeneinen Durchmesser von 15 bis 20 mm. In Abständenvon 10 bis 30 cm liegen die Rohre in mittlerer Höhemeist innerhalb der statisch neutralen Zone der Beton-decke. Da die wesentliche Wärmeabgabe über dieDecke (etwa 2/3) und nicht über den Boden (1/3)erfolgt, können die Rohrleitungen auch näher an denwärmewirksamen Deckenoberflächen fixiert werden,solange dies aus Gründen der Gebäudestatik machbarist. Mit der Anordnung der Rohrschlangen und derEinbaulage im Betondeckenaufbau können unter-schiedliche Wärmeleistungen zu unterschiedlichenZeiten gewählt werden. Da bei der BKT generell Wärmevon den wasserführenden Leitungen in Richtung derDeckenoberfläche (Heizfall) bzw. in umgekehrter Rich-tung (Kühlfall) fließt, vermindern alle Schichten mithohem Wärmedurchgangswiderstand die Leistungs-fähigkeit, so z. B. Putze oder abgehängte Decken.

Die Bauphysik fordert …

Wenn das Gebäude ausschließlich mittels Betonkern-temperierung beheizt und gekühlt werden soll, dannmüssen Architektur und Gebäudetechnik bestimmtenAnforderungen genügen. Denn die Leistung der BKT istaufgrund der geringen Temperaturdifferenz zwischendem Heiz- oder Kühlmedium und der Raumtemperaturbegrenzt – trotz der großen Wärme übertragendenFlächen. Die Anforderungen im Einzelnen:

1. Zur Begrenzung der Kühllast im Sommer: Die imRaum wirksamen thermischen Lasten sind auf ein Mini-mum zu beschränken. In energieoptimierten Bürogebäu-den wird der effektive Gesamtenergiedurchlassgrad der Fassade verringert, um den solaren Wärmeeintrag in die Räume zu reduzieren. Dies wird erreicht durcheinen maßvollen Fensterflächenanteil, einen reduzier-

ten g-Wert der Fenster und einen außen liegendenSonnenschutz. Die solare Absorption auf den opakenFlächen der Fassade ist nicht zu vernachlässigen. Daherist ein niedriger U-Wert der gesamten Fassade auch imSommer von Vorteil. Oftmals kritisch sind Eckräume,weil sie auch bei gutem Sonnenschutz höhere solareLasten haben. Durch eine konsequente Tageslichtnut-zung, eine bedarfsgerechte Kunstlichtsteuerung undenergiesparende Bürogeräte lassen sich die internenLasten weiter reduzieren.

2. Zur Begrenzung der Heizlast im Winter: Der Heiz-wärmebedarf kann reduziert werden durch eine sehrgute Wärmedämmung der Fassade, mit Wärmerück-gewinnung aus der Abluft und mit passiver Solarener-gienutzung. Fehlende Randstreifenelemente im Fenster-bereich erhöhen die Anforderungen an die Fassade, dennder Kaltluftabfall soll vermieden werden. Eine beson-

„Geschichte“ thermisch aktivierter Bauteilsysteme

Heiz- und Kühldeckensysteme haben eine langeTradition. Bereits 1938 wird über Decken mitHeizfunktion berichtet, die auch zu Kühlzwecken ein-gesetzt werden. Der Markteinführung folgte aberschnell die Ernüchterung. Dies lag am unzureichen-den Wärmeschutz der Gebäude und an mangelhaf-ter Regelungstechnik und Systemgestaltung. Einesder ersten Gebäude mit wasserführender BKT wardas „Dow Building“ (Schweiz, 1991, 7.400 m2 ther-misch aktivierte Kühlfläche). Eines der erstenGebäude mit BKT als integriertes Heiz- undKühlsystem ist das „Sarinaport Bürogebäude“(Schweiz, 1994, 9.500 m2 thermisch aktivierte Heiz-und Kühlfläche). Im Jahre 2001 waren inDeutschland mehr als 60 Nichtwohngebäude miteiner BKT im Bau oder bereits in Betrieb. Bereits imJahre 2003 wurde der Anteil der gewerblichenNeubauten, bei denen inzwischen Systeme zurBetonkerntemperierung geplant oder realisiert wur-den, auf bis zu ein Drittel geschätzt.

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ders sorgfältige Planung ist notwendig für Räume miterhöhten Transmissionswärmeverlusten im Dach- undErdgeschoss sowie Eckräume, speziell wenn die Fassadegroße Glasflächen hat.

3. Geschossdecken in Massivbauweise: Die Geschoss-decken müssen viel Wärme und Kälte speichern kön-nen. Folglich kann die Betonkerntemperierung nur inthermisch „schweren“ Gebäuden eingesetzt werden.Das erfordert Baustoffe mit einer hohen Wärmeleit-fähigkeit und guter Wärmespeicherkapazität (Beton).

4. Freie Deckenoberflächen: Abgehängte Decken oderDeckenverkleidungen mindern sowohl die Wärmeüber-tragung per Konvektion als auch den direkten Strah-lungsaustausch deutlich und sind daher nicht mit derBKT zu vereinbaren. Für die BKT werden möglichst freieDeckenoberflächen (Sichtbeton) benötigt. Weil unver-kleidete Betondecken akustisch „hart“ sind, muss aufdie Nachhallzeit geachtet werden – meist sind Schallabsorbierende Konstruktionen notwendig. Diese habenaber in der Regel auch eine wärmedämmende undstrahlungsmindernde Wirkung und sollten möglichstnicht vor die thermisch aktivierten Flächen montiertwerden. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieSchall absorbierenden Flächen vorteilhaft auf Trenn-wänden oder Büromöbel platziert werden können.

Gut geplant

Für die BKT kann das Gebäude in Zonen unterteilt wer-den, um die verschiedenen Bereiche je nach Anforde-rung temperieren zu können. Die Zonen werden nachOrientierung, Geschoss, Nutzung oder Fassadenkon-zeption eingerichtet und je nach Bedarf mit unter-schiedlichen Vorlauftemperaturen (3-Leiter System)und zu verschiedenen Beladezeiten versorgt. Der ent-sprechenden Zone wird eine Registergröße zugeordnet,ähnlich der Festlegung der Heizkörpergröße für einenRaum. Allerdings ist der Spielraum eng, weil die zurVerfügung stehende Deckenfläche beschränkt ist undder Rohrabstand in den Registern aus produktionstech-nischen Gründen nicht kleiner als 10 cm sein darf. Kanndie Wärme im Sommer in einzelnen Räumen nichtabgeführt werden, sind ergänzende Maßnahmen, wiezum Beispiel schnell reagierende und dezentral regel-bare Kühlsegel, erforderlich.

Für die Konzeptphase gibt es zwar Planungshand-bücher und einfache Auslegungshilfsmittel – doch diethermische Gebäude- und Anlagensimulation ist daswichtigste Planungsinstrument. Auf Basis der Lastver-läufe für Heizung und Kühlung des Gebäudes erhältman die notwendigen Vor- und Rücklauftemperaturenund die Gesamtmassenströme an den Hauptverteilernder BKT. Parallel dazu wird erzeugungsseitig dieWärmesenke/Wärmequelle, die Anlagenhydraulik undein einfaches Regelkonzept kalkuliert. Schließlich kön-nen mit der Simulation die Energiebilanz und derEnergieverbrauch des Gebäudes in Zusammenspiel mitder Wärmesenke/Wärmequelle für unterschiedlicheVarianten bzw. spezielle Planungsentscheidungenbewertet und optimiert werden.

Bei der Planung sind besonders zu beachten:

1. Die Planer benötigen spezielle Planungstools: Die fürdie Auslegung von Kühldecken und Fußbodenheizun-gen bekannten Rechenverfahren, hydraulische Schal-tungen und Regelungskonzepte sind für die Dimensio-nierung und den Betrieb der BKT aufgrund derenTrägheit nicht ausreichend.

2. Der Einsatz der BKT kann die bislang üblichenErwartungen an eine Klimaanlage nur begrenzt erfüllen.

Abb. 10 Bauablauf in Bildern (Gebäude: FraunhoferSOBIC im Solar Info Center (SIC) Freiburg). a Nach dem Verlegen der oberen Bewehrung über den

Modulen werden die Rohrmatten fixiert. Zu erkennen sind die Abstandshalter zwischen Schalung, untererund oberer Bewehrung sowie das Drahtgeflecht zurAusrichtung der Rohre

b Die Rohrleitung liegt stabil zwischen unterer und oberer Bewehrung

c Verteiler und Deckendurchführungselement: DerVerteiler wird an Stahlprofilen befestigt. Das Durch-führungselement wird an die Schalung genagelt

d Nach den Betonierarbeiten sieht man nur noch denVerteiler. Der Verteiler wird demontiert und die Rohre aus den Leerrohren durch das Deckendurchführungs-element nach unten gezogen. Der Verteiler wird dann als Kühlwasserverteiler genutzt

e Nach der Ausschalung: Das Deckendurchführungs-element liegt in der fertigen Decke. Der Beton kann jetztleicht abgeklopft und die Rohre herausgezogen werden.In diese Aussparung wird dann der Verteiler montiert.

Fotos a-e: Fraunhofer ISE und solares bauen GmbH

c d e

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Bauherr, ggf. Nutzer und Planer müssen die Anforde-rungen an den thermischen Komfort klar definieren.Dazu liefert die aktuelle Normung (prEN 15251 oderASHRAE 55) entsprechende Kriterien.

3. Vorgaben zur Regelung und Betriebsführung müssenklar definiert werden. Dies umfasst viele Bereiche derGebäudetechnik – von Sonnenschutz bis Pumpen-steuerung.

So wird gebaut

Im Gegensatz zur Fußbodenheizung und -kühlung mussdie Verlegung der Rohrleitungen bei der Betonkerntem-perierung in den Ablauf der Schalungs-, Bewehrungs-und Betonierarbeiten integriert werden. Dies erforderteine sorgfältige Planung und intensive Abstimmung mitder Tragwerksplanung, um statisch besonders hochbeanspruchte Bereiche im Umfeld von Stützen undSchächten nicht zu schwächen. Vor der Einbettungerfolgt eine Überprüfung auf Undichtheiten der Rohremittels Sichtabnahme und Druckprüfung. Es ist auf einesorgfältige Verlegung der Rohre zu achten, da Schädenan den Rohrregistern später nicht mehr repariert wer-den können. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass

Kühlkonzepte mit Umweltenergie habenweitreichende Auswirkungen auf Archi-tektur, Bauphysik und Gebäudetechnik:Begrenzung der Heiz- und Kühllasten,Nutzung der Wärmespeicherfähigkeit desGebäudes, Einbeziehung der Gebäude-struktur in das Energiemanagement desGebäudes, Wahl und Dimensionierunggeeigneter natürlicher Wärmequellen- undsenken, Auslegung der Betonkerntem-perierung und der Hydraulik sowie eineaufgrund der systembedingten großenthermischen Trägheit durchdachte Rege-lung. Somit erfordern diese Gebäude-konzepte eine komplexe, ganzheitlicheDenkweise im Zusammenspiel der unter-schiedlichen Gewerke in der Planung undam Bau. Eine hohe Nutzungsqualität kannnur durch eine hohe Planungs- undAusführungsqualität erreicht werden, danach Fehlplanung, fehlerhafter Bauaus-führung oder in Folge von Nutzungsände-rungen der Komfort nicht per Klimaanlageaktiv wieder eingestellt werden kann.

Integrale Planung und interdisziplinäres Bauen

sich Verzögerungen im Bauablauf durch das Vorhan-densein routinierter Systemanbieter und entsprechen-de logistische Maßnahmen vermeiden lassen.

Temperieren und Lüften

Die Betonkerntemperierung als Heiz- und Kühlsystemdient dazu, den thermischen Komfort im Gebäudesicherzustellen. Das System leistet keinen Beitrag zurVerbesserung der Raumluftqualität oder zur Regulie-rung der Raumluftfeuchte. In der Regel werden die Büro-gebäude mit BKT zur Sicherung des hygienischen Min-destluftwechsels während der Anwesenheit der Nutzermechanisch be- und entlüftet, wobei die Zuluft über einErd-Luft-Register oder ein Erdwärmesonden-Registervorgewärmt bzw. vorgekühlt werden kann. Die Zu- undAbluftanlagen sind mit einer Wärmerückgewinnung aus-gestattet, um die Lüftungswärmeverluste bzw. zusätzli-che Nachheizung der Zuluft im Winter zu reduzieren.Parallel zur Lüftungsanlage sind in der Regel öffenbareFenster zur individuellen Fensterlüftung vorhanden. InAbhängigkeit von den klimatischen Bedingungen undder Feuchtebildung in den betreffenden Räumen kannauf eine „aktive“ Entfeuchtung der zugeführten Außen-luft in der Regel ganzjährig verzichtet werden.

Abb. 11 Integraler Planungs- und Ausführungs-prozess für thermoaktive Bauteilsysteme (nachZent-Frenger)

bFestlegung der Auslegungsgrößen für BKT

bGebäudekonzept (Architektur, Fassaden, Bauphysik, Lichtplanung, Nutzungskonzept)

bFestlegung der Wärmequelle/-senke

bAbstimmung der SystemkomponentenENTW

URF

PLAN

UN

G

bEnergie und Lüftungskonzept(Gebäudesimulation)

bLeistungsberechnung BKT und Wärmequelle/-senke

bStatik

bVerlegepläne

AUSF

ÜH

RUN

G

ROHBAU TGA MSR

Verlegung der Rohrregister

RegelungSteuerung

HydraulikIN

BETR

IEBN

AHM

E

bFüllen und Entlüften der Rohrregister

bDruckprobe

bHydraulischer Netzabgleich

bFestlegung der Steuerungsparameter

bVerknüpfung mit Wärmequelle/-senke

bInbetriebnahme

bAbstimmung Betriebsführungskonzept

Interdisziplinärer Ausführungsprozess

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11BINE themeninfo I/2007

Aus der Praxis

Abb. 12 Ansicht und Grundrissder Gebhard-Müller-Schule inBiberach. Die Berufsschule miteiner Netto-Grundfläche von10.650 m2 wurde als Niedrig-energiegebäude konzipiert.Architektur: ProjektgemeinschaftElwert & Stottele (Ravensburg), Energiekonzept: Ebert-Ingenieure(München), Monitoring: Hochschule Biberach.Foto: Hochschule Biberach

Abb. 13 Außentemperatur (AT), Vor- und Rücklauftemperatur der BKTsowie Vor- und Rücklauftemperatur des Grundwassers vor dem Kalt-wasser-Wärmeübertrager [°C] für eine Woche im Juli 2005. Die BKT wirdnachts mit Kälteenergie beladen. Über einen Wärmeübertrager wird der Wasserkreislauf der BKT auf eine Vorlauftemperatur von 18 bis 19°Cgekühlt. Daten: Hochschule Biberach

Berufsschule in Biberach

Energiekonzept

Lüftung Heizung Kühlung

• Zu- und Abluftanlage mit • BKT-System (Räume und Flure) • BKT-System Wärmerückgewinnung (70%) • Fußbodenheizung (Atrium, WC) • Grundwasser

• Fensterlüftung • Grundwasser• Wärmepumpe, Holzpelletkessel

(Spitzenlast)

lich belegen die Monitoring-Ergebnisse eine hohe thermischeBehaglichkeit bei guter Luftqualität sowohl im Winter als auch imSommer. Der Biomassekessel wurde in 2005 praktisch nichtbenötigt, weil die Leistung der Wärmepumpen völlig ausreichte.

Insgesamt wurde das gesetzte Ziel – ein Primärenergiekennwertfür Heizung, Lüftung, Kühlung und Beleuchtung von 100 kWh/m2a zuunterschreiten – mit 116 kWh/m2a in 2005 noch nicht ganz erreicht.Die bereits durchgeführten Optimierungsmaßnahmen insbeson-dere in der Regelungstechnik lassen dies aber in Zukunft erwarten.

Das dreigeschossige Schulgebäude besteht aus einem Gebäude-riegel in Massivkonstruktion aus Stahlbeton und aus einem kubi-schen Unterrichtsgebäude in Stahlbeton-Skelettkonstruktion.Aufgrund der hohen Belegungsdichte sind relativ hohe Luftwech-selraten notwendig. Gegenüber einem konventionellen Schul-gebäude mit Fensterlüftung sorgt hier eine kontrollierte Be- undEntlüftung mit Wärmerückgewinnung für gute Luftqualität undreduzierte Lüftungswärmeverluste. Die Zuluft wird per Mischgas-sensoren raumweise nach Luftqualität geregelt. Pro Raummodulkann ein Fenster geöffnet werden. Sobald dies geschieht, stelltsich die Lüftungsanlage im entsprechenden Raum ab.

Das Gebäude nutzt in erster Linie thermoaktive Bauteilsysteme(TABS) zur Heizung und Kühlung: In den Unterrichtsräumen undFluren erfolgt die Konditionierung über eine Betonkerntemperie-rung, in den Toiletten und im Atrium über eine Fußbodenheizung.In den Klassenräumen gibt es keine zusätzlichen Heizkörper. AlsWärme- und Kältequelle dient Grundwasser, für dessen Nutzungam Standort aufgrund vorhandener Grundwasserströme sehrgute Voraussetzungen vorliegen. Die Grundlast der Wärmeversor-gung des Gebäudes wird über zwei in Stufen schaltbare Wärme-pumpen realisiert, die über einen 16 m tiefen Förderbrunnen undzwei Schluckbrunnen an das Grundwasser gekoppelt sind. Füreinen optimalen Betrieb der Wärmepumpen im Zusammenhangmit der Betonkerntemperierung wird ein maximales Temperatur-niveau des Heizwassers von bis zu 28°C angestrebt. Darüber hin-aus steht zur weiteren Spitzenlastdeckung ein Holzpelletkesselbereit, der bisher jedoch nur sehr selten zum Einsatz kam. ImSommer wird das Gebäude ebenfalls über die Betonkerntempe-rierung mit Grundwasser über einen Wärmeübertrager gekühlt.Eine aktive Kälteerzeugung ist nicht erforderlich. Das Tempera-turniveau des gesamten Gebäudes wird zentral geregelt und kannfür einzelne Räume nicht verändert werden.

Das Gebäude hatte im Jahr 2005 einen Heizwärmeverbrauch von36 kWh/m2a. Etwa 2/3 der Wärme stammen aus dem Grundwasserund 1/3 aus der Elektroenergie für die Wärmepumpen. Grundsätz-

BKT_VLTBrunnen_VLTBKT_RLT

ATBrunnen_RLT

Weitere Infos zu diesem Gebäude unter www.enob.info

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12 BINE themeninfo I/2007

Woher kommen Wärme und KälteDie Vorzüge der Betonkerntemperierung werden

optimal genutzt, wenn bei Beheizung und Kühlung jeweils

mit kleinen Temperaturdifferenzen gearbeitet wird.

Folglich können ökologisch und primärenergetisch vorteil-

hafte Energiequellen mit niedrigem Temperaturniveau

zur Wärme- und Kältebereitstellung eingesetzt werden.

Hierfür in Frage kommen das Erdreich und das Grundwasser,

als Wärmesenke unter Umständen auch die Außenluft.

Prinzipiell kann die Energiebereitstellung für dieBetonkerntemperierung auf gewöhnliche Weise erfol-gen. Doch der Vorteil bei der BKT ist ja gerade, dassman aufgrund der großen Wärme bzw. Kälte übertra-genden Fläche bereits mit sehr kleinen Temperatur-differenzen zwischen Decken- und Raumtemperatureffektiv heizen oder kühlen kann. Die Kühlwasser-temperaturen betragen häufig 18 bis 22°C, die Heizwas-sertemperaturen maximal 27 bis 29°C. Also kann gutmit regenerativ bereitgestellter Wärme und Kältegeheizt und gekühlt werden. Im Winter wird das natür-lich vorhandene Temperaturniveau der Umweltenergiedurch eine Wärmepumpe noch geringfügig und damitwirtschaftlich günstig erhöht. Auch Abwärme, soweitvorhanden, kann aufgrund des niedrigen Tempera-

turniveaus zum Heizen genutzt werden. Im Sommer wirddie Umweltenergie direkt genutzt. Optional kann eineKältemaschine als Backup-System vorgesehen werden.

Aus der Erde

Die annähernd konstanten Temperaturen des tiefenErdreichs (bis 100 m) können energetisch und betriebs-technisch besonders günstig genutzt werden für die(direkte) geothermische Kühlung/Heizung beispiels-weise durch Erdwärmesonden oder Energiepfähle. BeiErdwärmesonden handelt es sich in der Regel um 2 bis3 Doppelrohre aus Kunststoff mit 32 mm Durchmesser,die in ein 50 bis 100 m tiefes Bohrloch eingelassen wer-den. Durch dieses erdverlegte System wird Wassergepumpt, welches je nach Jahreszeit Wärme an dasErdreich abgibt oder Wärme aufnimmt. Energiepfählesind Gründungspfähle eines Gebäudes, die 20 bis 30 min den Boden reichen und als Erdwärmesonden genutztwerden.

Sowohl Erdwärmesonden als auch Energiepfähle nutzendie saisonale Wärmespeicherfähigkeit des Erdreichsoder Wärmeströme des Grundwassers. Die Temperaturdes Erdreichs liegt in Tiefen von 30 bis 100 m nur 1

Kelvin über dem Jahresmittel der Lufttemperatur desStandortes. Die jahreszeitlichen Temperaturschwan-kungen sind bis in Tiefen von 5 m messbar, darunterherrschen annähernd konstante Temperaturen. Bei

Abb. 15Vor -und Rücklauftemperaturen in den Erdsonden sowieErdtemperaturen in den Tiefen 1, 3, 10, 50 und 100 m überden Jahreslauf 2004 und 2005

(Gebäude Energon, Ulm). Daten: Steinbeis-TransferzentrumEnergietechnik, Ulm

Abb. 14 Nach dem Verlegen der Bewehrungund der Rohrmattengehen die Betonierarbeiten zügig voran.Foto: Heinle, Wischerund Partner (BauleitungPost-Tower)

1 m3 m10 m50 m100 m

VorlaufRücklauf

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13BINE themeninfo I/2007

Außentemperaturen. Im Unterschied zum Erdreich oderzum Grundwasser kommt die Außenluft aber kaum alsWärmequelle für den winterlichen Betrieb in Frage.

Aus dem Grundwasser

Auch Grundwasser mit seiner ganzjährigen Temperaturvon 8 bis 12°C bietet als Wärmequelle bzw. -senke guteBedingungen. Für die Nutzung wird bis in die wassertra-genden Schichten gebohrt. Über eine Tauchpumpe wirdeinem Förderbrunnen Grundwasser entnommen, wel-ches über einen Wärmetauscher Wärme bzw. Kälte andas Wasser des „internen“ BKT-Kreislaufs abgibt undüber einen Schluckbrunnen wieder zurückgeführt wird.Der Abstand zwischen Förder- und Schluckbrunnensollte zur Vermeidung von thermischen Kurzschlüssenmindestens 10 m betragen. Grundwasser als Wärme-quelle/-senke kann ganzjährig ohne zeitliche Ein-schränkung genutzt werden. Die Leistungsfähigkeithängt primär von der Menge des zur Verfügung stehen-den Grundwassers ab.

einer entsprechenden Auslegung können Erdwärme-sonden und Energiepfähle nicht nur im Sommer zurKühlung, sondern im Winter auch als Wärmequellegenutzt werden, immer in Kombination mit einerWärmepumpe. Die wechselseitige Nutzung des Erdreichsals Speichermedium für den Heiz- und Kühlbetriebunterstützt eine schnelle Regeneration des Erdspei-chers, denn im Sommer wird Wärme in das Erdreich ein-gespeichert, die im Winter dem Erdreich wieder entzo-gen wird. Damit wird die Effizienz des Gesamtsystemsgegenüber einer nur einseitigen Nutzung (entwederHeizen oder Kühlen) gesteigert und eine langfristigeTemperaturänderung im Erdboden vermieden.

Auswertungen zum Bürogebäude Energon in Ulm (vgl.S. 14) zeigen: Die ungestörte Temperatur des Erdreichsist über den Tag gesehen stabil und liegt in tieferenSchichten über den Jahresverlauf annähernd konstantbei 10°C. Die sich aus der Erdwärmesonde einstellen-den Vorlauftemperaturen variieren von 6 bis 23°C.

Aus kühler Nachtluft

Als weitere natürliche Wärmesenke kann die kühleNachtluft über einen Kühlturm genutzt werden. Hierunterscheidet man zwischen Trocken- und Nasskühl-türmen. Bei den Trockenkühlern ist eine Rückkühlungdes Wassers nur machbar, wenn die Außentemperaturunter der zu erreichenden Wassertemperatur liegt.Während der warmen Jahreszeit ist somit die Rück-kühlzeit auf die Nacht- und frühen Morgenstundenbeschränkt. Bei den Nasskühlern hingegen wird derWärmetauscher auf der Luftseite zusätzlich durch einensekundären Wasserkreislauf besprüht. Durch die Ver-dunstung des Wassers kann einerseits die Wärmetau-scherfläche reduziert werden, und andererseits kannanstelle der Außenluft- die Feuchtkugeltemperaturberücksichtigt werden. Die Feuchtkugeltemperatur liegt,speziell bei trockener Außenluft, deutlich unter derAußenlufttemperatur, weil der Effekt der Verdunstungs-kälte berücksichtigt wird. So kann die Rückkühldauerverlängert werden. Zudem wirkt sich die tiefere Tem-peratur positiv auf die Energieeffizienz und die maxi-male Kühlleistung aus. Die Effizienz der Rückkühlungmit Kühlturm steigt mit sinkenden nächtlichen

Abb. 16 Erdwärmesonden in der Realisierung(Gebäude BOB Aachen). Fotos: FachhochschuleKöln und VIKA Ingenieur GmbH

Abb. 17 Nasskühlturm im Fraunhofer SOBIC (im Solar Info Center Freiburg,links) und Brunnenkopf des Saugbrunnens (im Fußpunkt eines Steigschachtesim Gebäude der GMS Biberach, rechts). Fotos: solares bauen GmbH undHochschule Biberach

Abb. 18 Die Effizienz (Coefficient of Performance, COP) eines kleinen Nasskühl-turms am Fraunhofer SOBIC im Solar Info Center (SIC) in Freiburg steigt mitsinkender Außenlufttemperatur. Betrieben wird der Kühlturm von 22 bis 6 Uhr.Der COP ist definiert als das Verhältnis aus Kälteleistung und dafür benötigterStrombedarf.

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Abb. 19 Bürogebäude Energon in Ulm – mit knapp7.000 m2 Nettogrundfläche das weltweit größteBürogebäude nach Passivhauskonzept (2006). DieBetonkerntemperierung sorgt zusammen mit einerumfassenden Wärmedämmung, mechanischer Be-und Entlüftung sowie beweglichem Sonnenschutzfür komfortable Arbeitsbedingungen. Architektur: oehler faigle archkom (Bretten),Energiekonzept: ebök Ingenieurbüro (Tübingen),Monitoring: Steinbeis-Transferzentrum Energie-technik, Fachhochschule Ulm. Foto und Grundriss:Software AG Stiftung, Darmstadt

Im Sommer wird mit der Betonkerntemperierung gekühlt. DieKälte kommt aus der Erde – mit vierzig jeweils 100 Meter langenErdwärmesonden erreicht man eine Kälteleistung von bis zu 120 kW.Wasser strömt in einem geschlossenen Kreislauf von den Erd-wärmesonden durch die Rohrregister in den Decken und zurück.Insgesamt sind 350 Rohrregister aus Kunststoff auf 5.000 m2

Deckenfläche verlegt. Die Register liegen in 10 cm Abstand vonder Deckenunterseite bei 28 cm Deckenstärke. Über einen zusätz-lichen Wärmetauscher mit Frostschutzsicherung wird der Wasser-kreislauf der Erdwärmesonden auch zum Kühlen und Heizen derZuluft eingesetzt.

Die Büroräume werden ausschließlich über die BKT mit gebäude-interner Abwärme (Server-Räume) und Fernwärme beheizt, dieErdsonden liefern Wärme über das Vorheizregister im Zuluftgerätan die kalte Zuluft. Nur wenige Flächen im Gartengeschoss mitSondernutzung (Casino, Seminarräume) sind zusätzlich mitFußbodenheizung bzw. Akustik-Thermo-Paneelen ausgestattet.

Die BKT wird grundsätzlich nachts, also außerhalb der Büro-nutzungszeiten betrieben. Nach dem Einschalten der Zirkulations-pumpe wird der Ladezustand des Betonkerns aus der Vorlauf-/Rücklauf-Temperaturdifferenz ermittelt. In Verbindung mit dererforderlichen Vorlauftemperatur wird eine Pumpenlaufzeitberechnet, die in regelmäßigen Zeitabständen bedarfsgerechtkorrigiert wird. Durch die intermittierende Betriebsweise ergebensich hier größere Temperaturschwankungen im Erdsonden-Kreis.

Beim Kühlen wird tagsüber vorrangig die Zuluft gekühlt, derBetrieb der BKT erfolgt möglichst nachts, also außerhalb der Büro-

Bürogebäude nach Passivhauskonzept

nutzungszeiten. Beim Heizen wird die Decke nachts mit gebäude-interner Abwärme (Lebensmittel- und Serverkühlung) und Fern-wärme beladen. Die Vorlauftemperatur liegt immer unter 24°C,die Betonkerntemperaturen erreichen maximal 23,5°C. DieTemperatur von Betonkern und Raumluft sind nur geringenSchwankungen unterworfen (1 Kelvin). Aufgrund des Passivhaus-standards sind die Vorlauftemperaturen auch im Heizfall immerso gering, dass Räume mit hohen internen Lasten automatischgekühlt werden. Dies erlaubt beim Energon die Realisierung einereinheitlichen Regelzone für alle Räume. Die BKT wird gegen 19

Uhr in Betrieb genommen. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigen alleTemperaturen im Bauteil den bei Entladung zu erwartenden,leicht fallenden Verlauf. Beim Kühlen ist die Dynamik größer:Nachts wird aus der Decke Wärme mittels Kaltwasser (21 bis 22°C)abgeführt. Die Deckenoberflächentemperatur und die Raumtem-peratur sind morgens am geringsten und steigen mit Arbeits-beginn aufgrund interner und solarer Lasten. Eine Vorlauftempe-ratur von 20°C wird nie unterschritten.

Der Endenergieverbrauch des Gebäudes für Heizung, Lüftung,Kälte und Licht lag 2005 bei 46,8 kWh/m2a inklusive Gebäude-kühlung und Casino (Endenergieverbrauch: Strom 23,4 kWh/m2aund Wärme 23,4 kWh/m2a). Der Primärenergieverbrauch desGebäudes für 2005 betrug 81,0 kWh/m2a.

Bauherr und Nutzer sind mit dem Gebäude und dem Arbeits-platzkomfort sehr zufrieden. Selbst während der Inbetrieb-nahmephase, als die Lüftung noch nicht voll funktionierte und dieHeizung von Hand geregelt werden musste, kam es für die Mieterzu keinen Nutzungseinschränkungen.

14 BINE themeninfo I/2007

Energiekonzept

Lüftung Heizung Kühlung

• Zu- und Abluftanlage mit • BKT-System • BKT-System Wärmerückgewinnung ( 65%) • Gebäudeinterne • Erdwärmesonden

• Fensterlüftung Abwärme• Temperierung der Zuluft durch • Fernwärme

Erdwärmetauscher, Erdwärme-sonden, Wärmerückgewinnung und Fernwärme

Abb. 21 Oben: Heiz- und Kühlarbeit derErdwärmesonden der Jahre 2004 und 2005

(Ablesewerte, bezogen auf die beheizte Netto-grundfläche von 6.911 m2) sowie mittlere monat-

liche Außen- und Raumlufttemperaturen.Hinweis: Für 9/2004 liegen keine vollständigeMessdaten vor. Unten: Jahresheiz- und Jahres-

kühlarbeit der Erdwärmesonden. Daten:Steinbeis-Transferzentrum Energietechnik, Ulm

Aus der Praxis

Weitere Infos zu diesem Gebäude unterwww.enob.info

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15BINE themeninfo I/2007

Abb. 20 Dynamik in der thermisch aktivierten Decke. Oben Heizen undunten Kühlen. Daten: Steinbeis-TransferzentrumEnergietechnik, Ulm

„Binnen eines Jahrzehnts haben sich thermoaktiveBauteilsysteme als weiteres System der Flächenheizungund -kühlung in Deutschland etabliert. Zu Recht. Vieleerfolgreiche und gut funktionierende Beispiele stehenfür diesen Siegeszug, dem sich mehr und mehr Bau-herren und Planer anschließen. Jedoch: einmal gebaut,sind thermoaktive Bauteilsysteme zementierte Planungund Ausführung im wörtlichen Sinne – mit system-typisch engen Grenzen der Leistungsfähigkeit und Regel-barkeit. Bei Standardanwendungen stellt dies keinProblem dar. In anspruchsvollen Einsatzfällen könnendagegen die Anforderungen an eine optimale Planung,Systemtechnik und Betriebsführung sehr hoch sein –und gerade hierfür sind bislang keineswegs alle Fragenaus der Planungs- und Baupraxis beantwortet.Diesbezüglich besteht also noch Bedarf für anwen-dungsbezogene Forschung, Lehre und Ausbildung imbesten Sinne.“

„Die Betonkerntemperierung ist im heutigen Bauge-schehen schon fast Standard. Doch weil man bei vielenGebäuden mit Rücksicht auf Architektur, Raumklima,Kosten und Energieeffizienz an die Grenzen des Mach-baren geht, können thermoaktive Bauteilsysteme ihreVielseitigkeit beweisen. Ein im erweiterten Sinne ther-misch aktivierter Fußboden wurde z. B. in der Akademieder Künste in Berlin und auch im neuen internationalenFlughafen in Bangkok realisiert. Dabei dient die tem-perierte Bodenfläche weniger als aktives Kälteelementdenn als Wärmesenke für alle kurz- und langwelligenStrahlungsgewinne, die aus dem Raum abgeführt wer-den können noch bevor sie die Bodenfläche und damitden Raum spürbar erwärmen. In Deutschland gibt esbereits viele erfolgreiche Projekte mit thermoaktivenBauteilsystemen. Jetzt ist es an der Zeit, diese Planungs-und Baukompetenz international zu multiplizieren,zumal angepasste Systeme auch unter anderen Klima-bedingungen, wie z. B. in Winnipeg, Baltimore, Peking,von uns angewandt werden.“

Prof. Roland KoenigsdorffLehrgebiete Simulationstechnik,Bauphysik sowie Energiekonzepte ander Hochschule Biberach, Forschungund Projekte zur Systemeinbindungthermoaktiver Bauteile, Evaluierungder Gebhard-Müller-Berufsschule inBiberach (EnBau-Modellprojekt)

Matthias SchulerGründer und Geschäftsführer derFirma Transsolar, Gastprofessuran der Graduate School of Design(Harvard University), u. a. Energie-konzept für den Post-Tower.

Im Portrait

16. Februar 2005, Tagesmitteltemperatur -3,8°C

15. Juli 2005, Tagesmitteltemperatur 20,3°C

Heizen Kühlen Raumtemperatur Außentemperatur

BKT_VLT

BKT_RLT RLT Beton Unterkante

Beton Mitte Beton Oberkante

Der Professor und der Planer – zwei Expertenmeinungen

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16 BINE themeninfo I/2007

Dynamik von Heizen und KühlenIn Gebäuden mit Betonkerntemperierung als alleiniges Heiz-

und Kühlsystem kann die Raumtemperatur nicht individuell

oder schnell angepasst werden. Weil die Raumtemperaturen

auch durch die Nutzung beeinflusst werden, etwa durch

interne und solare Lasten sowie durch die Lüftung, ist ein

vorausschauendes Wärme- oder Kälte-Beladungsmanagement

notwendig.

Durch den geringen Unterschied zwischen Bauteilober-flächen- und Raumtemperatur entsteht ein wirkungs-voller Selbstregeleffekt: Üblicherweise bewegen sichdie Oberflächentemperaturen der thermisch aktiviertenDecke in einem schmalen Band zwischen ca. 21° und25°C. Liegt die Raumtemperatur über der Deckenober-flächentemperatur, so wirkt das Bauteil als Flächen-kühlung, im umgekehrten Fall dagegen als Flächenhei-zung. Wenn z. B. bei einer Deckenoberflächentempera-tur von ca. 20°C ein noch unbelegter Raum am Morgeneine Raumtemperatur von 18°C aufweist, wird erzwangsläufig beheizt. Steigt infolge innerer und äuße-rer Lasten die Raumtemperatur im Laufe des Tages aufüber 21°C an, findet eine Kühlung des Raumes statt. DieWärmeübertragung zwischen thermisch aktivierterDecke und Raum regelt sich ein Stück weit selbst.

Betriebsweise und Regelstrategien

Die kurzzeitige Leistungsregelung innerhalb einesTageszyklus erfolgt im Wesentlichen durch den bereitsbeschriebenen Selbstregelungseffekt. Passend zurgewünschten Systemfunktion (Heizen bzw. Kühlen)sind folgende Betriebsweisen und Regelstrategienmöglich:

Tag-Nacht-Betrieb: Wird die Betondecke außerhalb derNutzungszeit (Nachtstunden) mit Wärme- oder Kälte-energie beladen, ist ausreichend Speicherkapazitätnotwendig, um die Decke soweit zu heizen oder zu küh-len, damit tagsüber ausreichend Leistung zur Verfü-gung steht. Da dies in der Praxis kaum möglich ist,

muss entweder mehr Energie als erforderlich gespei-chert oder eine erhöhte Schwankungsbreite derRaumtemperatur zugelassen werden. Im eigentlichenSinn findet bei dieser Betriebsweise keine Regelungnach der Raumtemperatur statt. Vielmehr wird ein mehroder weniger effektives Speichermanagement betrie-ben. Dieses kann weiter optimiert werden, wenn nebendem aktuellen Beladezustand des Speichers noch einePrognose des am nächsten Tag zu erwarteten Witte-rungsverlaufs sowie eine Annahme über die zu erwar-tende Wärmefreisetzung aus inneren Quellen in dieRegelstrategie mit einbezogen werden. Der jeweils proRegelkreis ungünstigste Raum gibt das Beladungs-niveau vor.

Durchgehender Betrieb: Die Beladung der Geschoss-decken mit Kälteenergie kann auch durchgehendbetrieben werden, wenn die Wärmesenke wie zumBeispiel das Erdreich oder Grundwasser ohne zeitlicheEinschränkung zur Verfügung steht.

Regelung: Die Decken werden in Abhängigkeit der mitt-leren Außentemperatur, der Raumtemperatur oder derDifferenz zwischen Vor- und Rücklauftemperatur mitWärme- oder Kälteenergie be- bzw. entladen oder deak-tiviert. Auch eine prädikative, wetterprognosenbezo-gene Steuerung ist möglich. Als Regelparameter dienendie Vorlauftemperatur, der Massenstrom und diePumpenlaufzeit, um die Raumtemperatur im begrenztenUmfang anzupassen. Werden die Erdsonden oder derKühlturm im Direktbetrieb genutzt, findet keine Rege-lung der Vorlauftemperatur statt.

Abb. 22 Hoher thermischerund visueller Komfortlässt sich auch mit einerreduzierten, schlankenGebäudetechnik erreichen.Gebäude Energon in Ulm.Foto: Software AG Stiftung,Darmstadt

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17BINE themeninfo I/2007

Betonkerntemperierung und Behaglichkeit

Die Strahlungsverhältnisse im Raum beeinflussen die Behaglich-keit. Unter Strahlungsasymmetrie versteht man die maximaleTemperaturdifferenz, die in einem Raum zwischen zwei sich gegen-überliegenden Flächen auftritt. Die daraus folgende einseitigeErwärmung bzw. Abkühlung des Menschen durch uneinheitlicheTemperaturen der Umschließungsflächen kann zu thermischenUnbehagen führen. Wird allein über die Decke geheizt, darf des-halb die Oberflächentemperatur ca. 27°C nicht überschreiten. ImKühlfall sollte die Temperaturdifferenz der kalten Deckenflächemit anderen Flächen im Raum nicht größer als 14 K sein (ISO 7730).Diese Kriterien werden in Niedrigenergiegebäuden mit Betonkern-temperierung eingehalten. In Kombination mit natürlichen Wärme-senken liegen die Vorlauftemperaturen bei minimal 18°C undmaximal 29°C, sodass die Deckenoberflächentemperaturen nahean der Raumtemperatur liegen – beim Gebäude Energon z. B. beweg-ten sich die Deckenoberflächentemperaturen in 2005 innerhalbeines Temperaturbands von 20,5 bis 25,0°C. Aufgrund der gerin-gen Strahlungsasymmetrie ist das Raumklima voll im Behaglich-keitsbereich.

Die detaillierten Auswertungen zu den Gebäuden Energon (vgl. S.14) und BOB (vgl. S. 18) zeigen, dass durch Kühlung mit Beton-kerntemperierung die geforderten Raumtemperaturen unterBerücksichtigung des Nutzerverhaltens (fast) immer eingehaltenwerden können – eine konsequente Reduzierung solarer undinterner Wärmelasten vorausgesetzt. Auch im Winter kann dieBetonkerntemperierung den thermischen Komfort ohne zusätz-liche statische Heizflächen in diesen Gebäuden gewährleisten.

Da die Lüftung in Zusammenhang mit einer BKT nur eine hygieni-sche und keine konditionierende Aufgabe übernimmt, kann dieLuftmenge auf den hygienisch bedingten Mindestluftwechsel (40 m3/h*Person) für Büroräume) begrenzt werden. Die aus demreduzierten Luftvolumenstrom resultierenden geringen Luftge-schwindigkeiten und die Geräuschreduktion erhöhen ebenfallsden Komfort.

Abb. 23 Thermischer Komfort exemplarisch für die Gebäude Energon Ulm(grün) und BOB Aachen (gelb): Dargestellt ist die gemessene mittlereRaumtemperatur der Büros während der Anwesenheitszeit der Nutzer(8:00 bis 18:00) in Abhängigkeit des gleitenden Mittels der Außentempe-ratur (Richtlinie ISSO 74). Gemäß den Behaglichkeitskriterien sind 65%der Nutzer immer mit der Raumtemperatur zufrieden (Nutzerzufriedenheit:90% (schwarze Linie), 80% (dunkelgraue Linie), 65% (hellgraue Linie).Alle Daten für das Jahr 2005. Daten: Steinbeis-Transferzentrum Energie-technik, Ulm.

gleitende mittlere Außentemperatur [°C]

BOB Aachen Energon Ulm

Forschungsschwerpunkt»Energieoptimiertes Bauen« (EnOB)

EnOB ist ein Forschungsschwerpunkt des Bundesministe-riums für Wirtschaft und Technolgie (BMWi) im Rahmen des 5. Energieforschungsprogramms „Innovation und neueEnergietechnologien“. In den Forschungsprojekten von EnOBwird am Gebäude der Zukunft gearbeitet. Für Neubautenbedeutet das, dass der Primärenergiebedarf gegenüberdem heutigen Stand der Technik (EnEV 2006/DIN V 18599)nochmals mindestens halbiert werden soll. Das schließtden Energieaufwand für die Trinkwassererwärmung, Lüftung,Klimatisierung und Beleuchtung sowie Hilfsenergien fürPumpen und Ventilatoren mit ein. Zugleich wird an Konzep-ten und Technologien für Nullemissionshäuser gearbeitet.

Bei der Gebäudesubstanz geht es um eine Weiterentwick-lung von Konzepten zur konsequenten und nachhaltigenenergetischen Sanierung. Dabei sollen im Nichtwohnungsbaudie Anforderungen an Neubauten nach EnEV 2006/DIN V 18599

um mindestens 30% unterschritten werden. Im Wohnungsbaugilt es, die Anforderungen an Neubauten nach EnEV 2006

um mindestens 50% zu unterschreiten. Ambitionierte Sanie-rungskonzepte werden hier in Verbindung mit innovativenTechnologien in forschungsintensiven Vorhaben erprobt. Einwichtiger Forschungsbereich von EnOB ist EnBau, was für»Energieoptimierter Neubau« steht:

Im Forschungsbereich EnBau (früher SolarBau) wurden inder Vergangenheit mehr als zwanzig Büro- und Verwaltungs-gebäude sowie öffentliche und gewerbliche Gebäude mitminimalem Energiebedarf geplant und gebaut. Zukünftig:Die Gebäude werden über eine längere Nutzungsdauer wissenschaftlich evaluiert und im laufenden Betrieb opti-miert. Die Möglichkeiten und Vorteile einer primärenergetischoptimierten Planung werden also an konkreten Modellpro-jekten ausgelotet.

Voraussetzung zur Teilnahme an »EnBau«: Der Heizwärme-bedarf der Gebäude darf 20 kWh/m2a nicht übersteigen undder gesamte Primärenergieaufwand für Heizung, Licht, Lüftungund Klima muss unter 75 kWh/m2a liegen bzw. die Anforde-rungen für das Referenzgebäude nach EnEV 07 um minde-stens 50% unterschreiten. Ein neuer Schwerpunkt von EnBausind Wohngebäude mit Nullemission in der Jahresbilanz.

Weitere Infos hierzu unter www.enob.info

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Abb. 24 BOB BalancedOffice Building in Aachenmit einer Nettogrundflächevon 2.151 m2. Ansichtund Grundriss.Architektur: Hahn HeltenArchitekten (Aachen),Energiekonzept: VIKAIngenieur GmbH (Aachen),Monitoring: Fachhoch-schule Köln. Foto: Jörg Hempel,Aachen

Abb. 26 Messtechnisch erfasste Endenergie- und Primärenergieverbrauchskennwertefür das Jahr 2005. Der Primärenergiefaktor für Netzstrom beträgt 3,0 kWhpri/kWhend(Quelle: DIN 4701-10:2003-08). Die Darstellung des Energieverbrauchs umfasst Lüftung,Beleuchtung, Sonstiges (Aufzug, Warmwasser) sowie die Erzeugung und Verteilung vonWärme und Kälte bis einschließlich der Hauptverteilerpumpe. Neben der Beleuchtungweist der Hilfsenergieeinsatz für die Gebäudebeheizung und -kühlung den größtenAnteil am gesamten Endenergie- und Primärenergieverbrauch auf: Der anteilige Energiebedarf von Pumpen im Primär- und Sekundärkreis beträgt 23,6 kWh/m2a bzw. 29% desgesamten Primärenergieverbrauchs (2005). Daten: FH Köln

Abb. 25 Blick auf eine Geschossdecke mit den BKT-Rohrregistern in der Bewehrung und den weißenLüftungsrohren. Foto: VIKA Ingenieur GmbH

18 BINE themeninfo I/2007

Aus der Praxis

Bürogebäude in Aachen

Das viergeschossige Bürogebäude hat einen kompakten Bau-körper in Massivbauweise und sehr gutem Wärmeschutz. DerJahresheizwärmeverbrauch lag in 2005 bei 25,0 kWh/(m2a). Durchden niedrigen g-Wert der Verglasung von ca. 50% und einemFensterflächenanteil von 30% wurde auf eine außen liegende Ver-schattung verzichtet. Es gibt einen innen liegenden Blendschutz.Das Bürogebäude wird mechanisch be- und entlüftet. Stockwerks-weise arbeitet die Zu- und Abluftanlage mit einer Wärmerück-gewinnung (Wärmerückgewinnungsgrad 75%). Die Zuluft wird nurüber die Wärmerückgewinnung und die Tatsache, dass die Kanäleim Betonkern verlegt sind, temperiert.

Mit 28 Erdwärmesonden (je 45 m) wird im Winter dem Erdreich diebenötigte Wärme entzogen und durch eine elektrische Kompressions-wärmepumpe auf Nutztemperatur gebracht (26°C). Über die Beton-kerntemperierung (insgesamt 2.070 m2) wird die Wärme in die Räumegebracht. Pro Etage gibt es zwei Regelkreise (Nord und Süd). Die Rohresind mit einem Abstand von 12 cm von der Deckenunterseite verlegt.Das BKT-System wird ganzjährig mit einer Vorlauftemperaturzwischen 22 und 26°C betrieben. Auf den Betrieb zusätzlicher Heiz-flächen wird verzichtet. Im Sommer wird das Gebäude direkt über dieErdwärmesonden gekühlt. Für die Gebäudebeheizung und -kühlungwird ausschließlich der Endenergieträger Strom eingesetzt.

Energiekonzept

Lüftung Heizung Kühlung

• Zu- und Abluftanlage mit Wärmerück- • BKT-System • BKT-System gewinnung (75%) • Erdwärmesonden • Erdwärmesonden

• Fensterlüftung möglich + Wärmepumpe• Temperierung der Zuluft durch Wärmerück-

gewinnung

Pumpen HeizenPumpen KühlenWärmepumpeBeleuchtungLüftung AufzugWarmwasser

Gesamter Energieverbrauch [kWh/m2a]Endenergie: 27,4, Primärenergie: 82,2, davon Primärenergie Pumpen: 23,6

Weitere Infos zu diesem Gebäude unterwww.enob.info

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Im Überblick

19BINE themeninfo I/2007

Anforderungen• Neubau: Die Betonkerntemperierung kann nicht in der

Gebäudesanierung eingesetzt werden, sondern beschränktsich auf Neubauten. Altbauten können z. B. mit Kapillarrohr-systemen aktiviert werden.

• Gebäudehülle: Ein integral geplantes Gebäudekonzept (opti-male Abstimmung von Architektur, Bauphysik und Gebäude-technik) mit konsequenter Begrenzung der Heiz- und Kühllastist Voraussetzung für den Einsatz einer Betonkerntempe-rierung. Dies verringert den Energieeinsatz zum Kühlen, senktdie Anforderungen an die BKT-Regelung und verbessert dasRaumklima.

• Bauschwere: Da die Speicherfähigkeit „aktiv“ in das Last-management des Gebäudes mit einbezogen wird, ist eine gutethermische Speicherkapazität (Gebäude in Massivbauweise)erforderlich. Die Betondecken sollten nicht verkleidet bzw.abgehängt sein, um den Wärmeaustausch mit dem Raum zugewährleisten.

• Raumakustik: Der Einsatz durchgehender abgehängter Deckenmit dämmenden Elementen zur Gestaltung der Raumakustik(Nachhallzeit, Schallverteilung) ist in den Räumen mit Beton-kerntemperierung nicht möglich bzw. in der Fläche undAnordnung stark eingeschränkt. Räume mit hohen akustischenAnforderungen verlangen ein entsprechendes Raumakustik-Konzept.

• Leistungsfähigkeit: Üblicherweise bewegen sich die Oberflächen-temperaturen der thermisch aktivierten Bauteile in einem schma-len Band zwischen ca. 21 und 25°C. Trotz großer Wärmeüber-tragungsflächen der Decke sind daher die erreichbaren Heiz-und Kühlleistungen auf 30 bis 40 W/m2 begrenzt.

• Regelbarkeit: Aufgrund der großen thermischen Masse undTrägheit der BKT ist eine genaue Regelung auf eine Raumsoll-temperatur nicht möglich. Sollen bestimmte Raumtemperatu-ren gewährleistet werden, ist ein zusätzliches, regelbares undschnell reagierendes Heiz- bzw. Kühlsystem erforderlich.

• Zonierung: In bisherigen Projekten wurde die Deckenflächemeist ohne Berücksichtigung der späteren Raumaufteilung mitRohrregistern eines steuerbaren Wasserkreises belegt. Ausdiesem Grund war eine individuelle, raumbezogene Regelungnicht gegeben. Heute erfolgt die Zonierung der BKT-Rohr-register oft raumweise, wodurch die Raumtemperatur einzelnerRäume unabhängig voneinander geregelt werden kann.

Nutzen• Nutzung von Umweltenergie: Zum Kühlen oder Heizen, beispiels-

weise durch freie Kühlung (Kühltürme), Erdwärmesonden, Erd-kollektoren, Solarkollektoren oder Grundwasser. Die Umweltener-gie kann direkt oder mit geringer Temperaturänderung durchKältemaschinen bzw. Wärmepumpen wirtschaftlich genutztwerden.

• Niedriger Primärenergieverbrauch: Speicherverluste, begrenzteRegelbarkeit und nicht beeinflussbare Wärmeströme vom Bauteilan den Raum bzw. umgekehrt bedingen höhere Wärme- undKälteverbräuche als bei einer idealen Raumkonditionierung.Daraus ergibt sich systembedingt ein erhöhter Mehrverbrauchan Nutzenergie gegenüber gut regelbaren Systemen, die mitgeringen Abweichungen von der Raumsolltemperatur auskom-men. Durch den Einsatz von Umweltenergie zum Heizen undKühlen wird aber der Primärenergieverbrauch der BKT-Systemeentscheidend reduziert. Der Hilfsenergieeinsatz für die Wärme-und Kälteverteilung ist bei wassergeführten Systemen geringerals bei luftgeführten Systemen.

• Reduktion der Lastspitzen: Eine ausreichend dimensionierte BKTführt zur Reduktion von Lastspitzen und ein teilweises Verschie-ben dieser Last außerhalb der Anwesenheitszeit. Durch denNachtbetrieb lässt sich der Energieverbrauch durch eine grö-ßere Effizienz (Coefficient of Performance, COP) reduzieren undgegebenenfalls von geringeren Nachtstromtarifen profitieren.

• Selbstregelungseffekt: Aufgrund der relativ geringen Unter- undÜbertemperaturen der Decke zum Raum ist der Selbstregelungs-effekt sehr gut. Liegt die Raumtemperatur über der Bauteilober-flächentemperatur, so wirkt das Bauteil als Flächenkühlung, imumgekehrten Fall dagegen als Flächenheizung. Dies ist beson-ders in der Übergangsjahreszeit effektiv.

• Reduzierung des Lüftungssystems: Die BKT bedingt die Entkopp-lung von thermischer Raumkonditionierung (Heizen und Kühlen)und Lüftungsanforderungen. Der auf das hygienisch erforder-liche Maß reduzierte Luftvolumenstrom führt zur Verkleinerungdes Kanalnetzes um bis zu 70% und zur Reduzierung der Betriebs-kosten und des Energieverbrauchs.

• Komfort: Die nahe an der Raumlufttemperatur liegenden System-und Oberflächentemperaturen, der hohe Strahlungsanteil an derWärmeübertragung sowie die Abwesenheit hoher Luftwechsel-raten und je nach System eventuell hoher Luftgeschwindigkeitenbringen thermische Behaglichkeit.

• Architektur: Da die Rohrregister im Bauteil integriert sind, wirddie innenarchitektonische Gestaltung kaum beeinflusst – aller-dings sind abgehängte Decken zu vermeiden.

Checkliste Betonkerntemperierung

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20 BINE themeninfo I/2007

FörderungBundesministerium für Wirtschaftund Technologie (BMWi)11019 Berlin

Projektträger Jülich von BMWi und BMUForschungszentrum Jülich GmbH52425 Jülich

Förderkennzeichen0335007 C, G, N, P

AusblickMit thermoaktiven Bauteilsystemen kann die Gebäudestruktur und die Speicherfähigkeitder Bauteile für ein aktives Energiemanagement von Gebäuden genutzt werden. DieSysteme sind vielseitig einsetzbar. Die Betonkerntemperierung als derzeit am stärkstenverbreitetes thermoaktives Bauteilsystem ist insbesondere für die Kombination vonHeizen und Kühlen interessant, als reines Heizsystem jedoch nicht wirtschaftlich. DerEinsatz der Betonkerntemperierung ist deshalb auf den Neubau von Nichtwohnungs-bauten beschränkt. Für den Wohnungsbau kommen eher andere thermoaktive Bauteil-systeme wie z. B. Kapillarrohrsysteme oder die Fußbodentemperierung in Frage.

Die Energieeffizienz des gesamten Systems, also die Relation von Nutzenergie (Energie-strom an den Raum) zu Endenergieaufwand (Strom für Ventilation und Wärme-/Kälte-maschinen), wird mit dem Faktor COP (Coefficient of Performance) beschrieben. In denvorgestellten Gebäuden erreicht die Energieeffizienz der thermoaktiven BauteilsystemeCOP-Werte zwischen 2 und 4. Sie kann noch deutlich gesteigert werden. COP-Werte von etwa 10 sollten angestrebt werden. Dies setzt eine konsequente Optimierung derhydraulischen Anlage und der Regelstrategie voraus, um den Hilfsenergieverbrauch vonz. B. Pumpen entscheidend zu verringern. Soll die Betonkerntemperierung mit zusätz-lichen Heiz- und Kühlsystemen kombiniert werden, ist die Planung und Systemausle-gung besonders anspruchsvoll, weil dynamische Speichervorgänge im Gebäude unddie Fremdwärmegewinne berücksichtigt werden müssen. In weiteren Projekten werdendiese Zusammenhänge genauer untersucht.

Eine Erweiterung des TABS-Konzepts sind verschiedene Niedrig-Exergie-Systeme. ImRahmen des Forschungsschwerpunkts „Energieoptimiertes Bauen (EnOB)“ fördert dasBundesministerium für Wirtschaft und Technologie das Verbundprojekt „Niedrig-Exergie-Technologien (LowEx – Low Exergy)“. Hier werden unter anderem neue Bausysteme entwickelt, die sich durch eine deutlich erhöhte Wärmespeicherfähigkeit aufgrund inte-grierter Latentwärme speichernder Materialien auszeichnen. Aktiv beladen und entladenwerden diese neuartigen Baustoffe über Wasser führende Systeme wie z. B. Kapillar-rohrmatten. Dabei werden Regelstrategien und Betriebsweise der Systeme mit Blick aufEnergiebilanz und Komfort optimiert. Mit solchen Bausystemen könnte das Wärme-management in Gebäuden effektiver und flexibler auf dynamisch auftretende Wärme-und Kühllasten reagieren.

Mehr von BINEb Komfortabel lernen und arbeiten, BINE-Projekt-Info 12/2006

b Bürokomfort mit regenerativer Kühlung, BINE-Projekt-Info 5/2006

b Forschen - energetisch optimiert, BINE-Projekt-Info 5/2005

b Passive Kühlung mit Nachtlüftung, BINE-Themeninfo I/2003

b Heizen und Kühlen mit Kapillarrohrmatten, BINE-Projekt-Info 6/2003

b www.bine.info

Linksb www.enob.info

b www.enbau.info

b www.lowex.info

LiteraturVoss, K.; Löhnert, G.; Herkel, S. u.a.: Bürogebäude mit Zukunft – Konzepte, Analysen, Erfahrungen.Berlin : Solarpraxis, 2006. 282 S., 2. Aufl., ISBN 3-934595-59-6, 49,00 €

Koschenz, M.; Lehmann, B.: Thermoaktive Bauteilsysteme tabs. Dübendorf (Schweiz): EMPA-Akademie, 2000. 100 S., ISBN-3-905594-19-6, 40,00 €

Olesen, B.; Dossi, F.: Neue Erkenntnisse über Regelung und Betrieb für die Betonkernaktivierung.In: HLH. Jg. 56 (2005), H. 1, S. 29-34 (Teil 1) und HLH. Jg. 56 (2005), H. 3, S. 35-40 (Teil 2)

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