Thesen zur Einheit der Bildung

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„Macht Bildung“ – Gute Bildung von Anfang an – Bildung und Betreuung für die Kleinsten Donnerstag, 10. Juni, um 18.30 Uhr Vortrag Klaus Kien Thesen zur Einheit der Bildung Unter dem Blickwinkel "Einheit der Bildung" will ich ihnen drei Thesen bzw. Argumente zur institutionalisierten Betreuung und Bildung für Kinder unter Drei vorstellen, die auch den Anspruch erheben, jeweils systematisch wichtige Aspekte des großen Themas Bildung insgesamt in den Blick zu nehmen. 1. Krippenalter ist Bildungsalter! Bildung beginnt nicht erst in der Schule. Schon vor dem dritten Geburtstag werden wichtige Schritte menschlicher Entwicklung und Bildung getan: Grundvertrauen wird gebildet als Grundelement von Kommunikation; Bewegungserfahrung ist ein wesentliches Feld, das vor dem dritten Lebensjahr wichtige Grundeinstellungen erfährt; die Sprache wird angelegt und in wesentlichen Grundelementen entwickelt usw. Die öffentliche Verantwortung für diesen frühen Bildungsbereich wird in einer Situation, in der sich Familienstrukturen ändern, konsequenterweise zunehmend wahrgenommen. Wenn allerdings diese Beschreibung der Bildungsbedeutung des frühen Kindesalters stimmt, dann muss die familienpolitische Begründung der Forderung nach öffentlich verantworteter und institutionalisierter früher Bildung - die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nämlich - ergänzt werden um eine echte bildungspolitische: Die chancengerechte frühkindliche Bildung ist notwendig zur gerechten Verteilung und bestmöglichen Nutzung der Chancen im Leben! Familienergänzende Bildung muss also in öffentlicher Verantwortung schon vor dem dritten Lebensjahr beginnen, wenn so früh bereits wesentliche Grundlagen für die individuelle Bildungsentwicklung und für die Erschließung eines Bildungspotentials in gesellschaftspolitischer Hinsicht geschaffen werden sollen. Erst in dieser Perspektive kommt auch die Bildungsqualität der frühen pädagogischen Institutionen ins Blickfeld und macht die Unterscheidung zwischen Bildung und Betreuung Sinn! Bildungspolitik muss sich zunächst also mit Bezug auf eigenständige bildungstheoretische Überlegungen legitimieren und erst in zweiter Linie z.B. auch familienpolitisch oder wirtschaftspolitisch.

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„Macht Bildung“ – Gute Bildung von Anfang an – Bildung und Betreuung für die Kleinsten

Donnerstag, 10. Juni, um 18.30 Uhr Vortrag Klaus Kien

Thesen zur Einheit der Bildung Unter dem Blickwinkel "Einheit der Bildung" will ich ihnen drei Thesen bzw. Argumente zur institutionalisierten Betreuung und Bildung für Kinder unter Drei vorstellen, die auch den Anspruch erheben, jeweils systematisch wichtige Aspekte des großen Themas Bildung insgesamt in den Blick zu nehmen. 1. Krippenalter ist Bildungsalter! Bildung beginnt nicht erst in der Schule. Schon vor dem dritten Geburtstag werden wichtige Schritte menschlicher Entwicklung und Bildung getan: Grundvertrauen wird gebildet als Grundelement von Kommunikation; Bewegungserfahrung ist ein wesentliches Feld, das vor dem dritten Lebensjahr wichtige Grundeinstellungen erfährt; die Sprache wird angelegt und in wesentlichen Grundelementen entwickelt usw. Die öffentliche Verantwortung für diesen frühen Bildungsbereich wird in einer Situation, in der sich Familienstrukturen ändern, konsequenterweise zunehmend wahrgenommen. Wenn allerdings diese Beschreibung der Bildungsbedeutung des frühen Kindesalters stimmt, dann muss die familienpolitische Begründung der Forderung nach öffentlich verantworteter und institutionalisierter früher Bildung - die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nämlich - ergänzt werden um eine echte bildungspolitische: Die chancengerechte frühkindliche Bildung ist notwendig zur gerechten Verteilung und bestmöglichen Nutzung der Chancen im Leben! Familienergänzende Bildung muss also in öffentlicher Verantwortung schon vor dem dritten Lebensjahr beginnen, wenn so früh bereits wesentliche Grundlagen für die individuelle Bildungsentwicklung und für die Erschließung eines Bildungspotentials in gesellschaftspolitischer Hinsicht geschaffen werden sollen. Erst in dieser Perspektive kommt auch die Bildungsqualität der frühen pädagogischen Institutionen ins Blickfeld und macht die Unterscheidung zwischen Bildung und Betreuung Sinn! Bildungspolitik muss sich zunächst also mit Bezug auf eigenständige bildungstheoretische Überlegungen legitimieren und erst in zweiter Linie z.B. auch familienpolitisch oder wirtschaftspolitisch.

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Das nenne ich politische Einheit der Bildung! 2. Diese frühkindliche Bildung ist die erste und entscheidende Stufe in einer individuellen Bildungskarriere. Sie definiert zu einem großen Teil die Chancen und weiteren Entwicklungspotentiale des Individuums (Sprachentwicklung). Sie ist pädagogisch-konzeptionell mit den nachfolgenden Bildungsinstitutionen abzustimmen und im Sinne einer jeweils bestmöglichen auf die Person bezogenen Förderung an die Entwicklung der Kinder anzupassen: Bildung fängt also in der Krippe an und soll sich lebenslaufbezogen und in aufeinander abgestimmten Stufen oder Schritten fortsetzen. Das nenne ich biografische oder pädagogische Einheit der Bildung! 3. Diese frühkindliche Bildung ist auch strukturell in ein öffentlich organisiertes Bildungssystem einzupassen, das insgesamt die beiden vorgenannten Themen mit einbezieht: politischer Bildungsanspruch, individuelle lebenslaufbezogene Pädagogik schlagen sich - als mittelfristiges Ziel konsequenter bildungspolitischer Bemühungen - systematisch auch nieder in der räumlichen Verknüpfung öffentlich organisierter und verantworteter Bildungsangebote. Ergänzt durch individuelle, bedarfsorientierte und differenzierte Förder- und Hilfsangeboten - z.B. in Koordinierung mit anderen Bereichen der Jugendhilfe oder durch Formen der Zusammenarbeit mit freien Trägern - können somit Bildungszentren oder auch kommunale bzw. lokale Bildungslandschaften entstehen, die ein breites Spektrum von Bildungs-, Förder- und Hilfeangebote unter möglichst wenigen Dächern bereithalten. Schlussbemerkung in strategischer Absicht: Eine politisch-pädagogisch-systematisch weiter gedachte Einheit der Bildung in diesem Sinne kann Grundlage sein für einen entideologisierten öffentlichen Diskurs zur konkreten Ausgestaltung eines angestrebten neuen Bildungssystems, der allerdings noch einige Aspekte zusätzlich mit diskutieren muss (stichwortartig): Autonomie, Professionalität, Kommunalität. Eine einheitliche bildungspolitische Betrachtungsweise ist Voraussetzung für ein langfristiges Gelingen von Bildungsreform. Gut gemeinte Einzelmaßnahmen können ihren Sinn nur nachweisen vor einer einheitlichen bildungspolitischen Gesamtperspektive!