Thor von Waldstein - Brot und Spiele im virtuellen Staat

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Der Staat ist tot. Der Liberalismus lebt. Wer die mit dem äußeren Getöse des medialen Zeitalters zelebrierten Vorgänge in unserem Land auf ihren politischen Gehalt abklopft, kommt um diesen Befund nicht herum. ...

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THOR VON WALDSTEIN BROT UND SPIELE IM VIRTUELLEN STAAT Es ist leichter, ein autoritres Regime zu Fall zu bringen, als ein liberales System vor seiner eigenen Zerrttung zu bewahren. Das eine ist knstlich, starr wir ein Kristall und kann gebrochen werden. Das andere ist organisch und kann nur absterben." (Botho Strau) "Der liberale Staat ist nicht die Antithese des totalitren Staates, sondern dessen symmetrischer Irrtum" (Niclas Gmez Davila) Der Staat ist tot. Der Liberalismus lebt. Wer die mit dem ueren Getse des medialen Zeitalters zelebrierten Vorgnge in unserem Land auf ihren politischen Gehalt abklopft, kommt um diesen Befund nicht herum. Die Zeiten, in denen der Staat der historisch herangewachsene und institutionell geordnete Rahmen war, in dem eine Volk fr sich und von sich her politisch handeln kann", sind vorbei. Politische Handlungen und ihre rechtlichen Untermalungen arbeiten zwar noch mit dem Begriff, besser: der Begriffshlse, des Staates, eine echte Wirk- und Gestaltungskraft hat der Staat aber schon seit langem nicht mehr. Dieses factum brutum, durch das die meisten herkmmlichen politischen und staatsrechtlichen Theorien zu einem Schachspiel ohne Schachbrett werden, mag seit dem Umbruch von 1989/91 und dem dabei vermeintlich errungenen Endsieg des westlich-libertren Systems besonders augenscheinlich geworden sein, fr den klarblickenden Analysten war diese Entwicklung schon seit Jahrzehnten offensichtlich. 1963 schrieb Carl Schmitt: Der europische Teil der Menschheit lebte bis vor kurzem in einer Epoche, deren juristische Begriffe ganz vom Staat her geprgt waren und den Staat als Modell der politischen Einheit voraussetzen. Die Epoche der Staatlichkeit geht jetzt zu Ende. Darber ist kein Wort mehr zu verlieren. Mit ihr geht der ganze berbau staatsbezogener Begriffe zu Ende, den eine europazentrische Staats- und Vlkerrechtswissenschaft in vierhundertjhriger Gedankenarbeit errichtet hat. Der Staat als das Modell der politischen Einheit, der Staat als der Trger des erstaunlichsten aller Monopole, nmlich des Monopols der politischen Entscheidung, dieses Glanzstck europischer Form und occidentalen Rationalismus, wird entthront." Da die magebenden politischen Entscheidungen in Deutschland seit 1871 noch nie im Parlament getroffen wurden, wird in diesem Kreise als bekannt vorausgesetzt. Da sie aber auch schon lange nicht mehr in den (Kchen-)Kabinetten der jeweiligen Regierungen fallen, ist durchaus noch nicht politikwissenschaftliches Allgemeingut. Rdiger Altmann hatte in den 60iger Jahren den modernen Staat bzw. das, was im befreiten Westdeutschland von ihm briggeblieben war, verglichen mit einem kastrierten Kater: dieser nehme an Umfang immer mehr zu, allein was fehle, sei die Potenz. Mittlerweile kann dieser growestdeutsche Kater, der schon vor 30 Jahren nicht(s) mehr zeugen konnte, aufgrund seines weiter gewucherten Fettgewebes noch nicht einmal mehr gehen: selbst schon seit langem handlungsunfhig und handlungsunwillig, figuriert der Staat heute nur noch als Fassade, hinter der die pluralistisch geformten Gruppen des Liberalismus um die politische Macht kmpfen. Der Staat von heute ist ein virtueller Staat, ein Staat, den es nicht (mehr) gibt, ein politisches Gebilde, dessen Gehalt nicht von Wahlen, Parlament oder Kabinett bestimmt wird, sondern das nur noch die jeweiligen Waffenstillstandslinien

zwischen den einzelnen liberalistischen pressure groups widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund ist aus meiner Sicht nichts wichtiger, als die Herrschaftsstrukturen des totalitren Liberalismus in Deutschland ihrer staatsrechtlichen Kostmierung zu entkleiden und den Versuch zu unternehmen, die inneren Wirkmechanismen und Machtstrukturen - ganz ohne verschwrungstheoretischen Anspruch - offenzulegen. Der folgende Beitrag zur Herrschaftslehre des Liberalismus wirft 10 Fragen auf und versucht, die aus meiner Sicht gegebenen Antworten zu skizzieren. 1. Wie lt sich die bemerkenswerte Erfolgsgeschichte des Liberalismus erklren? Der politische Erfolg des Liberalismus basiert wesentlich auf dem konomischen Erfolg des Kapitalismus. Die Herrschaft des Geldes und der Appell an jeden einzelnen, sein wirtschaftliches Glck vom Tellerwscher aufwrts zu versuchen, sind die Grundfesten des Liberalismus. Hinzu kommt eine verhngnisvolle Seelenverwandtschaft zwischen den in jedem Menschen angelegten niederen Instinkten und der Freizgigkeit und Hemmungslosigkeit, die der Liberalismus auf seine unsichtbaren Fahnen geschrieben hat. Dieses Amalgam aus zwei Individualismen, dem Bereichert Euch!" und dem Habt Spa!" ist die dnne Legierung ber dem brodelnden Kessel der politischen Gegenstze, die der Liberalismus nicht aufzulsen, geschweige denn zu vershnen imstande ist, die er vielmehr im Wohlstand zu ertrnken sucht. Damit ist sogleich die Achillesferse des Liberalismus gekennzeichnet: er ist zu wirtschaftlicher Prosperitt und hemmungslosem Wachstum verurteilt. Genauso wichtig ist die pausenlose Unterhaltung und Berieselung der event-Gesellschaft, damit die Brger so selten wie irgend mglich darber nachdenken, in welch trostloser Lage sie sich eigentlich befinden. Der Budenzauber, der auf allen Kanlen von morgens bis abends veranstaltet wird, erinnert in fataler Weise an die Anordnung des Kapitns der Titanic" an die Musikkapelle, diese mge bis zum bitteren Ende weiterspielen nach dem Motto Die Lage ist hoffnungslos, aber lustig." Eine andere Rechtfertigung als dieses panem et circenses (Brot und Spiele) wird von den Verkndern der bundesrepublikanischen Glckseligkeit noch nicht einmal mehr versucht. Nur konsequent ist es dann, wenn sich beispielsweise der Herr Bundeskanzler nach Art eines sptrmischen Kaisers zu Details der seiner Meinung nach einzuschlagenden Strategie der Fuballnationalmannschaft uert, anstatt das zu tun, wozu er gewhlt ist, nmlich zu regieren. Die Fugenmasse Geld und das Grundrecht auf Spa halten den klappernden politischen Laden des Liberalismus zusammen. Dabei bezieht der reprsentative BRD-Konsum, der wei, da die Wirtschaft sein Schicksal ist, durchaus seine eigenen Leichen im Keller mit in sein Kalkl ein. Wichtig ist nur, da die Leichen im Keller bleiben und dort bei knstlich produzierter guter Laune gehalten werden. Die 2/3Gesellschaft, in der ein Millionenheer arbeitsloser, verwahrloster, vereinzelter und/oder seelisch unterernhrter Menschen, bar jeder Familien-, Dorf- oder Volksgemeinschaft, durch Staatsknete" und RTL-Glckseligkeit (Tittytainment"), durch Sozialhilfe und Pseudo-TV-''Ereignisse" wie etwa die Fuball-EM ruhiggestellt wird, offenbart die grausame Schattenseite eines Schnwetterpolitsystems, das mit seinem Credo Du bist alles, Dein Volk ist nichts" individualistisch verortet ist und das gerade deswegen die Gemeinschaftsaufgaben zu lsen weder imstande, noch willens ist. 2. Was ist das Lebenselixier des Liberalismus?

Das Lebenselixier des Liberalismus ist die Diskussion, weswegen die nordamerikanische Politikwissenschaft, deren analytischen Scharfsinn man bei den Gutmensch-Wissenschaftlern an den deutschen politologischen Lehrsthlen vergebens sucht, folgerichtig von einem sog. government by discussion" spricht. Dabei gehrt es zu dem Wesen politischer Debatten in der liberalistischen Kompromikultur, da ihnen keine Taten folgen (drfen). Die liberale Diskussion, in extenso breitgetreten in den Talk-Shows der Republik, ist das entscheidende Lhmungsgift, mit dem alles und jedes zerredet wird. Das ist das exakte Gegenteil eines fruchtbaren und zu Ergebnissen fhrenden Gesprchs zwischen denkenden Menschen. Botho Strau hat dies in seinem legendren Anschwellenden Bocksgesang" aus dem Jahre 1993 mit der ntigen Radikalitt beschrieben: Ich sehe zwischen einem Schau-Gesprch und einem Schau-Proze nur graduelle Unterschiede in der Vorfhrung von Denunzierten. Wer sich bei einer privaten Unterhaltung von Millionen Unbeteiligter begaffen lt, verletzt die Wrde und das Wunder des Zwiegesprchs, der Rede von Angesicht zu Angesicht und sollte mit einem lebenslangen Entzug der Intimsphre bestraft werden. Das Regime der telekratischen ffentlichkeit ist die unblutigste Gewaltherrschaft und zugleich der umfassendste Totalitarismus der Geschichte. Es braucht keine Kpfe rollen zu lassen, es macht sie berflssig. Es kennt keine Untertanen und keine Feinde, es kennt nur Mitwirkende, Systemkonforme. Folglich merkt niemand mehr, da die Macht des Einverstndnisses ihn mibraucht, ausbeutet, bis zur Menschenunkenntlichkeit verstmmelt. Wer von dem gnadenlosen Mattscheiben-Politinfotainment unserer Tage und dem unendlichen Geschwtz, das in diesen Talk-Shows hinterbracht wird, angewidert ist, der wird an die luzide Beobachtung des spanischen Schriftstellers Juan Donoso Corts erinnert, wonach die Diskussion der Name sei, unter dem der Tod reitet, wenn er inkognito zu wahren wnscht. Es kann daher nicht verwundern, wenn ein Auftritt in einer der zahllosen TVThingsttten, etwa bei der blasierten Madame Christiansen, fr das Politpersonal des uns beherrschenden liberalistischen Elends viel wichtiger ist als eine Kabinettsitzung oder gar die Knochenarbeit am ministeriellen Schreibtisch. Anstatt politische Macht auf dem verfassungsgem vorgegebenen Wege durchzusetzen, simuliert man in diesen Shows das, was man schon lange nicht mehr hat: politische Gestaltungskraft. Der Verkehrsminister zelebriert irgendwelche Verkehrskonzepte, um den falschen Eindruck zu erwecken, er sei mehr als der Butler der Autokonzerne. Die Gesundheitsministerin kredenzt ihre Reformvorschlge, obwohl jeder wei, da die diesbezglichen Entscheidungen irgendwo zwischen Pharmakonzernen und rztelobby, jedenfalls nicht von einer dafr vorgesehenen und demokratisch legitimierten staatlichen Instanz, gefllt werden. 3. Wozu braucht der Liberalismus den Staat? Die Hauptaufgabe der staatlichen Kostmierung liberalistischer Macht ist die Verschleierung der tatschlichen politischen Entscheidungsgewalt und ihrer Trger. Durch Wahlen, die schon lngst verboten wren, wenn sie etwas ndern knnten, wird dem Konsumbrger vorgegaukelt, er habe bei der Gestaltung des ueren Rahmens seiner individuellen Existenz irgend etwas mitzureden. Tatschlich wird seit Jahrzehnten auf zentralen politischen Feldern, etwa der Auslnderpolitik oder der Whrungspolitik (Einfhrung des Euro), offen ein klarer gegenteiliger Wille des Volkes miachtet und das, was die Mehrheit nicht will, mit demokratischem Anspruch in die jeweiligen staatsrechtlichen Formen gegossen. In dieser Hinsicht mu es als besonderer Treppenwitz erachtet werden, wenn die rotgrnen Koalitionre in

Nordrhein-Westfalen bei ihren Verhandlungen im Juni 2000 davon gesprochen haben, der bisherige Vater Staat" solle zum Partner Staat" werden. Tatschlich ist dieser Staat weder Vater, noch Partner, sondern Gefangener der liberalistischpluralistischen Herrschaftsstrukturen. Das traditionell gewachsene Ansehen des Staates und seine berlieferte Begriffswelt wird dazu mibraucht, den gnzlich undemokratischen Machtanspruch des Geldadels durchzusetzen. Was soll man etwa davon halten, wenn bei dem Thema Atomkraft eine demokratisch gewhlte Regierung im Jahre 2000 eine Entscheidung trifft, die erst im Jahre 2032 vollstndig umgesetzt sein soll? Ist das Volksherrschaft? Hat etwa ein lterer Herr des Jahrgangs 1932 im Jahre 1998 grn gewhlt, damit die Atomkraftwerke erst zu seinem 100. Geburtstag abgeschaltet werden? Ein weiteres Beispiel ist das sog., von der OECD zur Zeit vorbereitete Multilaterale Abkommen ber Investitionen" (MAI), in dem die multinationalen Grokonzerne ihre Investitionen in bestimmten Lndern auf Jahrzehnte dergestalt absichern wollen, da wesentliche politische Rahmenbedingungen fr den gesamten Abschreibungszeitraum dieser Investitionen unabnderlich von den jeweiligen Staaten garantiert werden, so da nachfolgende demokratische Willensnderungen des Volkes ins Leere laufen. Im Gegenhitlerland, das als Land der Deutschen zu bezeichnen derzeit schwerfllt, ist die liberalistische Geiselhaft des Staates durch zustzliche Manahmen verschrft, die die Zweckentfremdung staatlicher Instrumentarien zur Niederhaltung des Volkes in besonders grotesker Weise offenlegen: Die deutsche Regierung, die auf allen politischen Feldern, auf die es fr ein Volk ankommt (Sicherung der ueren Existenz, Erhaltung der Wehrkraft, Frderung der Familie und der Jugend, Schutz vor Kriminalitt, etc. etc.), ebenso vollstndig wie dauerhaft versagt, entsendet einen wegen Vermgensdelikten vorbestraften ExPolitiker mit Namen Graf Lambsdorff, der ohne ein Mandat des Volkes mit Vertretern eines ebenso mandatslosen greren Staates in Nordamerika und mit geldgierigen Geschftsleuten, die sich als Rechtsanwlte bezeichnen, verhandelt", um dem deutschen Volk fr eine angebliche Entschdigung angeblicher Zwangsarbeiter Zahlungen in Milliardenhhe aufzuoktroyieren. Da diese Summe weder bei Staat, noch Wirtschaft tatschlich vorhanden ist, wird sie niemand anderer zahlen mssen als der Steuerzahler und Kunde von morgen. 4. Woran glaubt der Liberalismus? Arthur Moeller van den Bruck hat die klassische Definition geprgt: Der Liberalismus ist die Freiheit, keine Gesinnung zu haben, und gleichwohl zu behaupten, da eben dies Gesinnung ist." In diesem Sinne fat der Liberalismus seine Ordnungs''idee des laisser faire, laisser aller als Garanten fr den Fortbestand seiner verdeckten Herrschaftsstrukturen auf. Der uere politische Rahmen ist fr den Brger vorgegeben und nicht vernderbar, schon gar nicht durch Wahlen. Um diese Frustration zu vergessen, diese politische Ohnmacht zu verdrngen, flchtet das Individuum in das einzige ihm gebliebene Refugium, das Konsumreich. In diesem groen KaDeWe kann man, von morgens bis abends und dank Internet jetzt auch nachts, mit uerem Tand seine innere Wste betuben. Bar jeder Einbindung in eine gewachsene Ordnung, wird der einzelne von den Wellen eines ortlosen Liberalismus fortgesplt und dem freien Spiel der Konsumkrfte berlassen. Diese Machtlosigkeit des einzelnen ist der Stoff, aus dem sich die Macht des Liberalismus speist. Der inneren Leere des einzelnen und dem Gefhl fr die eigene Ohnmacht entspringt die uere Macht der liberalistischen Herrschaftsstrukturen. Nicht zuletzt deswegen hat man den Liberalismus als einen Leichnam bei guter

Gesundheit" bezeichnet. Der Liberalismus glaubt an die unendliche Formbarkeit des Menschen, der Liberalismus glaubt, da sich der einzelne dem Hamsterrad zwischen Verdienst und Konsum ad ultimo aussetzen wird. Wie die Geschichte mehrfach gezeigt hat, rckerinnern sich die Menschen aber urpltzlich ihrer Wurzeln und ihres Wesens und fangen an, ihr Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen, was gleichbedeutend sein wird mit einem 9. November fr den Liberalismus. 5. Wer sind die ntzlichen Idioten des Liberalismus? Studiert man die Geschichte des Liberalismus in (West-) Deutschland seit 1949, so mu man sich eigentlich wundern, da ein politisches System, das ihm einst ntzliche Figuren nach Gebrauch rcksichtslos verkommen lt und ihm politisch gefhrlich erscheinende Faktoren ebenso laut- wie gnadenlos ausschaltet, auch heute noch von vielen als liberal erachtet wird. Die Auguren des Status quo haben es stets verstanden, magebliche politische Gruppierungen, die ber das Wesen der liberalistischen Austarierung politischer Gegenstze nicht im Bilde waren, einzubinden und - nach Art einer Wrgeschlange solange zu umarmen, bis sich in dem so Umworbenen kein echtes eigenes Leben mehr rhrt. Gbe es einen Preis fr den wichtigsten ntzlichen Idioten des herrschenden politischen Systems, so mte dieser nach meiner Auffassung zwischen Bauernverband einerseits und Vertriebenenverband andererseits gerecht geteilt werden. Was htten diese Verbnde nicht alles politisch ausrichten knnen, als sie noch von einem starken soziologischen Unterbau getragen waren? Statt dessen hat man sich ber Jahrzehnte hinweg mit Lippenbekenntnissen zufrieden gegeben und beschwert sich nun nach dem erfolgreichen Ende dieser Salamitaktik auch noch, wenn man pltzlich auf allen Feldern abgewickelt wird. Aus diesen Ausfhrungen ist zu entnehmen, da ich ein vehementer Gegner irgendwelcher Beteiligungs- oder Berhrungskonzepte gegenber einem nun wirklich gnzlich abgehalfterten politischen System bin. Aus meiner Sicht besteht fr eine nationale deutsche Rechte gerade heute berhaupt kein Anla, das sinkende Schiff zu betreten. Die Geschichte der Grnen, aber auch die Entwicklung der FP in den letzten und in den nchsten Jahren, belegt und wird belegen, wo das hinfhrt, nmlich zu der Auflsung der eigenen Ideensubstanz und einer sukzessiziven Angleichung an die herrschenden Verhltnisse. Ebensowenig wie es sinnvoll war, 1987 in die SED einzutreten, ebensowenig ist es sinnvoll, innerhalb des liberalistischen Systems, etwa in der CDU oder der FDP irgendwelche politische Positionen im Sinne der deutschen Nation abzudecken oder gar noch zu reprsentieren. Gerade letzteres ermglicht dem Liberalismus auf seine angebliche Ausgewogenheit zu verweisen und mit den Lummers e tutti quanti Demokratie vorzugaukeln. Es ist nicht nur ein Akt der politischen Hygiene, sondern auch ein Zeichen strategischer Klugheit, den Fermentierungsproze, in dem sich das politische System, in dem wir leben, befindet, sich selbst zu berlassen, um fr die Zeit, wenn der Komposthaufen in sich zusammengefallen sein wird, das Feld zu bestellen. Auch in dieser Hinsicht lohnt es sich, das Ende der Weimarer Republik und der deutschen Partei, die dieses Ende aktiv ins Werk gesetzt hat, zu studieren. Man kann dem Mann, der heute fr alles Bse schlechthin zustndig zu sein scheint, in

der Tat einiges vorwerfen, was man ihm nicht vorwerfen kann, ist Blauugigkeit und Strategielosigkeit gegenber den liberal-totalitren Machtansprchen der ersten deutschen Republik. Nachdem die Deutschen 1933 und 1989 unter Beweis gestellt haben, da sie Republiken recht zgig verabschieden knnen, um ihre eigene res publica zu retten, brauchen wir auch in dieser Hinsicht wenig politischen Nachhilfeunterricht. 6. Wer sind die Nutznieer des Liberalismus? Von der Bindungslosigkeit des Menschen und der Strukturlosigkeit des Staates profitiert an erster Stelle das vagabundierende Kapital, das seine Industrie- und Computernomaden (Reinhold Oberlercher) an die Stelle des Globus absendet, wo die besten Geschfte winken, und das sind regelmig die Stellen, wo das Volk am wenigsten zu sagen hat. Ganz vorne auf der Nutznieerskala steht natrlich die politische Klasse, die zu herrschen vorgibt, einschlielich ihres gesamten parapolitischen Umfeldes, von der Konrad-Adenauer-Stiftung bis zur EKD. Von der Hemmungslosigkeit, mit der man sich dort zwischenzeitlich selbst bedient und sich persnlich oder zugunsten der Parteien bereichert, hat der denkwrdige Kohl-Winter 1999/2000 beredtes Zeugnis abgelegt. Man bentigt wenig Scharfsinn fr die Schlufolgerung, da es sich bei den zu Tage getretenen und mittlerweile wieder vollstndig in die mediale Versenkung verschwundenen Ereignissen nur um die Spitze des Eisberges handelt. Es gibt aber nicht nur institutionelle, sondern auch generative Liberalismusgewinner. Dazu zhlen in erster Linie die westdeutschen kinderlosen Jahrgnge zwischen 1930 und 1950, die in dem zgellosen Konsum der letzten 30 Jahre ihre parasitre Privatexistenz genossen haben und nun darauf hoffen drfen, mittels des Solidarbetruges zulasten der jungen Generation, offizielle Bezeichnung: Rentensystem, ihren Lebensabend zu bestreiten. 7. Wer sind die Opfer des Liberalismus? Auf der Strecke des anything goes unserer Tage bleiben die sog. Modernisierungsverlierer, bleibt alles, was sich der Arithmetik des kollektiven Konsumbetruges zulasten anderer entzieht, - die ungeborenen Kinder, von denen ca. 300 000 pro Jahr gettet werden, - die geborenen Kinder, denen man jeglichen Halt in der Familie und eine Orientierung an Werten genommen hat, - die Frauen, denen man ihre Mutterrolle zugunsten der sich abrackernden Suffragette la Birgit Breuel oder Jil Sander nehmen will, - alle vereinzelten Menschen, denen man den natrlichen Bezug zur Gemeinschaft genommen hat und die nun, zurckgeworfen auf nichts mehr als ihr Ego, den permanenten Appellen des liberalistischen Systems, die eigenen niederen Instinkte auszuleben, erliegen, - die Vlker, die den Genozid durch Liberalisierung erleiden und schlielich - die gewachsenen Institutionen, weswegen der Versuch von Kirchen und Gewerkschaften, den Liberalismus durch Aufgabe eigener Traditionen und Inhalte quasi auf der Dekadenzberholspur zu bertrumpfen, nur als kurios bezeichnet werden kann. Da die liberalistische Sptepoche, in der wir leben, zu einer Bltezeit von Kultur, Kunst und Wissenschaft zhlt, behauptet ernsthaft niemand. Die liberalistische Abribirne hat auf diesem Feld eine Wste geschaffen, die es in Deutschland noch nie gegeben hat und die zu der uns auf den Werbeplakaten entgegenstrahlenden, ewig frhlichen, gut gelaunten Spagesellschaft in einem skurrilen Widerspruch steht, der an das Diktum von Oscar Wilde erinnert, wonach das Furchtbare an der Moderne sei, da sie die Tragdie in das Gewand der Komdie stecke. 8. Was fehlt dem Liberalismus?

Der Liberalismus ist eine durch und durch verkommene, parasitre Erscheinung. Er lebt von Voraussetzungen, die zu erhalten oder gar zu schaffen er nicht in der Lage (Bernard Willms), ja noch nicht einmal willens ist. Er lebt von der Substanz, von den Leistungen frherer Generationen, deren geistiges und seelisches Porzellan er nach und nach zerdeppert, um den dabei entstehenden Lrm als eigene kulturelle Hchstleistung zu feiern. Er will nichts bewahren, schon gar nicht Strukturen oder Institutionen, die sich seinem Diktat des konomischen widersetzen. Dem Liberalismus fehlt alles, was eine echte politische Idee auszeichnet: Politische Gestaltungskraft, ordnende Gemeinschaftsbindung und die Frderung von Talenten, die diese politische Idee zu tragen in der Lage sind. Da sich Ordnung und Liberalismus zueinander verhalten wie Feuer und Wasser, ist der Begriff des Ordoliberalismus eine contradictio in adiecto. Trotz seines individualistischen Ansatzes ist der Liberalismus gerade nicht imstande, ein Klima zu schaffen, in dem der einzelne sich zum Nutzen der Gemeinschaft frei und unabhngig entwickeln kann. Das gilt zuallererst fr den wichtigsten Einzelnen, den jede Gemeinschaft braucht, nmlich denjenigen, der fr sich nichts behalten will als die Kraft des Sich-Verstrmens in der Gemeinschaft. Die greatest happiness of the greatest number" (Bentham) ist aber gerade nicht das, was eine organische und Institutionen gefestigte Gemeinschaft auszeichnet. Vielmehr hat sich der Orwell'sche Alptraum verwirklicht, bei der die Freiheit des einzelnen ebenso zerstrt ist wie die Freiheit des Volkes. Der Liberalismus ist so in seine Interessenkultur verliebt, da er gar nicht mehr erkennt, wie ihm der seelische Unterbau unter den Fen zerrinnt: Die Interessenpsychologie, die zuerst von franzsischen Aristokraten des 18. Jahrhunderts und dann vom englischen Utilitarismus entwickelt wurde, ist berall da von groem Nutzen, wo kalkuliert, gemessen und gewogen wird. Doch der Mensch ist im Kern kein kalkulierendes Wesen: Er ngstigt sich um seine Existenz, er frchtet die Zukunft, er empfindet Ha gegen seine Feinde, er ist bereit, sein Leben zu opfern, wo es ihm um eine groe Sache geht ... Im Alltag mag Politik eine Sache des Interessenkalkls und des Interessenausgleichs sein; sobald aber Ungewhnliches und Bedrohliches eintritt, sind fr zahlreiche Menschen Emotionen weit wichtiger als Interessen, auch wenn diese Emotionen nur in seltenen Fllen den vorangestellten oder vorstellbaren Interessen direkt entgegengesetzt sind: Emprung, Zorn, Trauer, Ha, Verachtung, Angst, aber auch Enthusiasmus, Hoffnung, Glaube an eine groe Aufgabe." Der Hunger des Volkes, sich selbst auch einmal kollektiv gut finden zu drfen, bleibt in dem antitriumphalen Deutschland unserer Tage ungestillt. Die Tristesse, von der der politische Betrieb in diesem Land gekennzeichnet ist, findet nicht zuletzt hierin eine wesentliche Erklrung. Emotionale Unterernhrung ist aber fr jede Menschenvielzahl eine in der Regel tdlich verlaufende Krankheit. 9. Woran wird der Liberalismus zugrundegehen? Aufgrund des Primates des konomischen ber das Politische, von dem der Liberalismus lebt, gibt es fr ihn zwei denkbare Todesarten. Entweder geht er daran zugrunde, da er das Nachschubproblem nicht bewltigt, oder er strzt durch eine Revolution der Satten (Konrad Windisch), die begriffen haben, da es der Reichtum des Kapitalismus ist, der ihre geistige und seelische Armut schafft. Bernard Willms hat dies in seinem berhmten Antaios-Essay wie folgt auf den Punkt gebracht: Ein Staat,... der sich ... nur als ,Verteiler' von gesellschaftlich erwirtschaftetem Wohlstand ansieht, kann auf Massenloyalitt nur solange rechnen, als das 'Brot', das er verteilt, ausreicht, oder soweit, wie es ihm gelingt,

klarzumachen, da der Mensch von diesem 'Brot' und von nichts weiterem zu leben habe. Dies aber wird ihm auf die Dauer niemand glauben." Im Gegensatz zu dem Zusammenbruch des Kommunismus, der vor einem Jahrzehnt mehr oder minder lautlos implodiert ist, steht fr das Ende des Liberalismus zu erwarten, da die durch den Wohlstand nur bertnchten, nicht aber beseitigten politischen Gegenstze bei einem konomischen Kollaps explodieren, was zu weitreichenden Verwerfungen und Zerstrungen, auch und gerade in der Volkssubstanz, fhren wird. 10. Gibt es ein Leben nach dem Liberalismus? Nachdem die Ausstellung des staatsrechtlichen Totenscheins fr den Liberalismus nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint, stellt sich die Anschlufrage, ob mit den liberalistisch verstrahlten Gemeinschaftsresten eine Ordnung wiederhergestellt werden kann, die diesen Namen verdient. Nach der vorangegangenen Analyse mag es den einen oder anderen vielleicht verwundern: ich habe aber an einer solchen Rekonstruktion des Politischen nicht den geringsten Zweifel. Wer die anthropologische Grundstruktur des Menschen, seine Antiquiertheit" (Gnter Anders) kennt, wei, da die gegenwrtige Vereinzelung des homo oeconomicus nicht das letzte Wort der Geschichte sein wird. Aus der Asche des Liberalismus werden neue Ordnungen hervorgehen, deren Gestalt heute noch keiner kennt. Unsere Aufgabe wird es sein, den Renouveau des 21. Jahrhunderts den Vlkern zu widmen und ihnen all das zurckzugeben, was ihnen der Liberalismus gestohlen hat. Ob die Vlker sich des politischen Gestaltungsmodells des Staates, das vom Ende des 16. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ihr Schicksal bestimmt hat, wieder bedienen werden, ist nicht sicher. Im Ergebnis wird es darauf aber nicht ankommen, da junge und kraftvolle Vlker durchaus in der Lage sind, eine ihrer Zeit entsprechende neue Menschenfassung" zu gestalten, die mglicherweise dem klassischen Staatsmodell auf vielen Feldern berlegen sein wird. Wesentlich bleibt, da diese neue Ordnung fr sich in Anspruch nehmen kann: Der Liberalismus ist tot. Die Vlker leben. [Die gedruckte Fassung enthlt 15 z.T. ausfhrliche Anmerkungen, die hier nicht wiedergegeben werden.] * Der hier verffentlichte Text wurde am 1.7.2000 in Wurzen auf einer Veranstaltung der Deutschen Akademie (Kaiserslautern) vorgetragen. STAATSBRIEFE 7-8/2000