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Seite 1 von 12 Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt . Postfach 22 49 . 99403 Weimar Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt Weimarplatz 4 99423 Weimar www.thueringen.de Geschäftszeiten: Montag-Donnerstag: 08:30-12:00 Uhr 13:30-15:30 Uhr Freitag: 08:00-12:00 Uhr Bankverbindung: Landesbank Hessen-Thüringen (HELABA) IBAN: DE80820500003004444117 SWIFT-Adresse (BIC): HELADEFF820 Per Fax: xxxxx Mit Zustellungsurkunde xxxx Vergabekammer Freistaat Thüringen Geschäftsstelle: Telefon 0361 37-737254 Telefax 0361 37-739354 vergabekammer@ tlvwa.thueringen.de Ihr Zeichen: Ihre Nachricht vom: Unser Zeichen: (bitte bei Antwort angeben) 250-4002-3008/2016-N-004-ABG Weimar 13.04.2016 Nachprüfungsverfahren gem. § 19 ThürVgG, aufgrund einer Beanstandung vom 17.03.2016 der xxxxx (Beschwerdeführerin) ggü. der Stadt xxxxx, vertr. d. d. xxxxx (Auftraggeber), betreffend das Vergabeverfahren: "Erweiterung Zent- rale Kläranlage xxxxx" Beanstandung durch die Vergabekammer In dem o. g. Vergabenachprüfungsverfahren wird durch die Vergabekammer Freistaat Thüringen Folgendes festgestellt: 1. Das vorliegende Vergabeverfahren wird als rechtswidrig beanstandet. 2. Der Auftraggeber wird, soweit die Vergabeabsicht fortbesteht, verpflichtet, das Vergabeverfahren zumindest in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Freistaat Thüringen erneut durchzuführen. 3. Nach erneuter Prüfung und Wertung der Angebote ist eine erneute Bieterinformation nach § 19 Abs. 1 ThürVgG zu versenden. 4. Die Vergabekammer Freistaat Thüringen ist bis zum xxxxx über die Umsetzung der vorliegenden Entscheidung zu unterrichten. Der Auftraggeber hat das Vorhaben „Erweiterung Kläranlage xxxxx“ am xxxxx im Ausschreibungsanzeiger Thüringen und nach einem Vermerk in den Vergabeunterlagen auch im Vergabeportal „subreport“ nach VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Danach waren Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen. Für die Anforderung der Vergabeunterlagen war der Link: www.subreport-elvis.de vorgesehen. Die Angebotseröffnung sollte am xxxxx um 11:00 Uhr erfolgen.

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Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt . Postfach 22 49 . 99403 Weimar

Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt Weimarplatz 4 99423 Weimar www.thueringen.de Geschäftszeiten: Montag-Donnerstag: 08:30-12:00 Uhr 13:30-15:30 Uhr Freitag: 08:00-12:00 Uhr Bankverbindung: Landesbank Hessen-Thüringen (HELABA) IBAN: DE80820500003004444117 SWIFT-Adresse (BIC): HELADEFF820

Per Fax: xxxxx Mit Zustellungsurkunde xxxx

Vergabekammer Freistaat Thüringen

Geschäftsstelle: Telefon 0361 37-737254 Telefax 0361 37-739354

vergabekammer@ tlvwa.thueringen.de Ihr Zeichen:

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Unser Zeichen: (bitte bei Antwort angeben) 250-4002-3008/2016-N-004-ABG

Weimar 13.04.2016

Nachprüfungsverfahren gem. § 19 ThürVgG, aufgrund einer Beanstandung vom 17.03.2016 der xxxx x (Beschwerdeführerin) ggü. der Stadt xxxxx, vertr. d . d. xxxxx (Auftraggeber), betreffend das Vergabeverfahren: "E rweiterung Zent-rale Kläranlage xxxxx" Beanstandung durch die Vergabekammer In dem o. g. Vergabenachprüfungsverfahren wird durch die Vergabekammer Freistaat Thüringen Folgendes festgestellt: 1. Das vorliegende Vergabeverfahren wird als rechts widrig

beanstandet.

2. Der Auftraggeber wird, soweit die Vergabeabsicht fortbesteht, verpflichtet, das Vergabeverfahren zumindest in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekam mer Freistaat Thüringen erneut durchzuführen.

3. Nach erneuter Prüfung und Wertung der Angebote i st eine erneute Bieterinformation nach § 19 Abs. 1 ThürVgG zu verse nden.

4. Die Vergabekammer Freistaat Thüringen ist bis zu m xxxxx über die Umsetzung der vorliegenden Entscheidung zu unterric hten.

Der Auftraggeber hat das Vorhaben „Erweiterung Kläranlage xxxxx“ am xxxxx im Ausschreibungsanzeiger Thüringen und nach einem Vermerk in den Vergabeunterlagen auch im Vergabeportal „subreport“ nach VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Danach waren Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen. Für die Anforderung der Vergabeunterlagen war der Link: www.subreport-elvis.de vorgesehen. Die Angebotseröffnung sollte am xxxxx um 11:00 Uhr erfolgen.

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16 Unternehmen haben die „Verdingungsunterlagen“ abgefordert. In der „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots“ des Auftraggebers war u. a. Folgendes angegeben: „5 Nebenangebote …

5.2 [X] Nebenangebote sind zugelassen (siehe auch Nr. 5 der Bewerbungs-bedingungen) - ausgenommen Nebenangebote, die Nachlässe mit Bedingungen beinhalten -

[X] für die gesamte Leistung [ ] nur für nachfolgend genannte Bereiche [ ] mit Ausnahme nachfolgend genannter Bereiche:

[X] unter folgenden weiteren Bedingungen:

[X] nur in Verbindung mit einem Hauptangebot“ [X] unter der Beachtung des Merkblattes zur Mindestanforderung an

„Technische Nebenangebote, Änderungs- und Sonder-vorschläge.“

Zuschlagskriterien wurden weder in der Bekanntmachung, noch im Anschreiben „Aufforde-rung zur Abgabe eines Angebots“ genannt. Auf dem in den übergebenen Vergabeunterlagen enthaltenen Formblatt 227 VHB (Stand: August 2012) – „Gewichtung der Wertungskriterien“ war allerdings Folgendes angegeben:

Gewichtung der Wertungskriterien

Wertungskriterien Gewich-

tung %

Grundlage Punktebewertung Punkte min./max je Kriterium

1 Preis (Wertungssumme einschl. evtl. Wartungskosten)

50

Angebot m. der niedrigsten Wertungssumme Angebot mit dem 2-fachen der niedrigsten Wertungssumme und darüber

10 0

2 … … 3 … … 4 … … 5 Energieeffizienz

25 höchstes Energieeffizienzniveau niedrigstes Energieeffizienzniveau

10 0

6 Andere, z. B. Gestal-tung Projektkostenbarwert

25

Niedrigster Projektkostenbarwert Höchster Projektkostenbarwert

10 0

Summe 100 Das verwendete Formular “227 Gewichtung der Wertungskriterien“ aus dem VHB Bund enthielt anschließend folgende vorgedruckten

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„Hinweise:

1 Grundlage der Punktebewertung für das Wertungskri terium Preis: Für die Angebotswertung wird eine Punkteskala von 0 bis 10 Punkte festgelegt. 10 Punkte erhält das Angebot mit der niedrigsten Wertungssumme. 0 Punkte erhält ein Angebot mit dem 2-fachen der niedrigsten Wertungssumme. Alle Angebote darüber erhalten ebenfalls 0 Punkte. Die Punkte-bewertung für die dazwischen liegenden Preise erfolgt über eine lineare Interpolation mit bis zu drei Stellen nach dem Komma.

… 4 Grundlage der Punktebewertung für das Wertungskri terium Energieeffizienz:

Zwischenwerte werden linear interpoliert mit bis zu drei Stellen nach dem Komma.

5 Ermittlung der Gesamtpunktezahl für jedes Angebot : Für jedes in der Angebotsanforderung benannte Kriterium wird eine Punktezahl durch Multiplikation des v. H. Satzes des Wertungskriteriums mit den im Rahmen der Angebotswertung für das jeweilige Angebot festgelegten Punkten ermittelt (z. B.: Der Mindestbieter erhält 10 Punkte, das Wertungs-kriterium Preis wird mit 70% gewichtet. Die Punktezahl des Mindestbieters beträgt somit 700). Die Gesamtpunktzahl aller Kriterien eines Angebotes entscheidet über die Rangfolge.“

Laut Nr. 3 der Vorbemerkungen der Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote sind bis zum xxxxx um 11:00 Uhr 2 schriftliche Angebote eingegangen, welche danach ordnungsgemäß verschlossen waren und mit dem Eingangsstempel und mit den lfd. Nummern P 1 bis P 2 versehen wurden. Laut der Anlage „Zusammenstellung der Angebote“ handelt es sich um das Angebot der für den Zuschlag vorgesehenen Bieterin, der Bietergemeinschaft xxxxx (Angebotsnummer 1), mit einer (geprüften) Angebotsendsumme brutto von x.xxx.xxx,xx € sowie 10 Nebenangeboten und 2% Nachlass sowie um das Angebot der Beschwerdeführerin (Angebotsnummer 2) mit einer (geprüften) Angebotsendsumme von x.xxx.xxx,xx € brutto und 4,1 % Nachlass (keine Nebenangebote). Tatsächlich war auf den Angebotsumschlägen (hier: Kartons) kein Eingangsstempel angebracht, sondern ein im Falle des Angebots der Beschwerdeführerin schwer leserlicher Eingangsvermerk ohne Namenskürzel. Laut Nr. 1 der Niederschrift zum Eröffnungstermin wurde das erste Angebot am xxxxx um 11:04 Uhr geöffnet; laut Nr. 4 hat die Verhandlungsleitung geprüft, dass nur Bieter und/oder deren Bevollmächtigte zugegen sind; laut Nr. 6 wurden die verlesenen Angaben in die „Zusammenstellung der Angebote“ übernommen und laut Nr. 7 wurden die Angebote in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet. Laut Nr. 9 der Niederschrift wurde diese als richtig anerkannt, unklar ist allerdings, um wen bzw. den Bevollmächtigten welchen Bieters es sich beim Unterzeichner handelt. Entgegen der Niederschrift wurden die eingegangenen Angebote allerdings nicht gekenn-zeichnet. Laut dem Vergabevermerk des Ingenieurbüros xxxxx vom 22.03.2016 wurde das Angebot der Bietergemeinschaft xxxxx mit 7 Nebenangeboten (NA 2, 4-7, 9, 10) als das wirtschaftlichste Angebot bezeichnet. Mit Schreiben vom 09.03.2016 teilte der Auftraggeber der Beschwerdeführerin mit, dass ihr Angebot nicht beauftragt werde, da ein wirtschaftlicheres Angebot vorliege. Es sei

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beabsichtigt, die Bietergemeinschaft xxxxx zu beauftragen. Mit Schreiben vom 17.03.2016 hat die Beschwerdeführerin bei dem Auftraggeber die Nicht-einhaltung der Vergabevorschriften beanstandet und die Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Bietergemeinschaft erteilen zu wollen als vergaberechtswidrig gerügt. Die Bietergemeinschaft habe im Hauptangebot keinen günstigeren Preis angeboten, die Wertung der Nebenangebote der Bietergemeinschaft sei nicht vergaberechtskonform, da diese nicht den Anforderungen der Ausschreibung hinsichtlich Nebenangeboten entsprechen würden (Formblatt 211 Nr. 5, Nr. 5 der Bewerbungsbedingungen sowie Merkblatt zu Mindestanforderungen an „Technische Nebenangebot, Änderungs- und Sondervorschläge“). Zudem sei erst nach dem Absageschreiben an die Beschwerdeführerin, nämlich am 15.03.2016 ein Aufklärungsgespräch mit der Bietergemeinschaft geführt worden. Die Auswertung der im Formblatt 227 vorgenommenen Gewichtung der Wertungskriterien und die damit ermittelte Rangfolge werde als unzulässig und das tatsächliche Submissions-ergebnis verzerrend gerügt. Der Auftraggeber hat mit Schreiben vom 21.03.2016 unter Bezugnahme auf § 107 Abs. 3 GWB mitgeteilt, dass bei Verfahren unterhalb der Schwellenwerte nur nationales Recht gelte. Deshalb bestehe der formelle Rechtsschutz nach dem GWB nicht. Mit Abschluss der Wertung der Nebenangebote und der Vorlage des Vergabeberichtes am 07.03.2016 habe sich bereits ein deutlicher preislicher und wirtschaftlicher Vorteil des Angebotes der Bieter-gemeinschaft dargestellt. Mit der unverzüglichen Absendung der Information an den nicht berücksichtigten Bieter am 09.03.2016 sei § 19 VOB/A Rechnung getragen worden. Das Aufklärungsgespräch sei im Rahmen des von § 15 Abs. 1 Nr. 1 festgelegten Kataloges erfolgt. Die Wertung sei anhand der im Formblatt 227 bekanntgemachten Kriterien erfolgt:

Wertungskriterium gewichtete Punkte Bieter 1 Bieter 2 Preis (HA inkl. NA) 500,00 487,706 Energieeffizienz 0,000 250,000 Projektkostenbarwert 250,000 0,000 Summe 750,00 737,706

Das von der Beschwerdeführerin abgegebene Angebot sei weder das wirtschaftlichste, noch das preisgünstigste Angebot gewesen. Mit Schreiben vom 22.03.2016 widersprach die Beschwerdeführerin, dass ihrer Rüge wirksam abgeholfen sei, beantragte gerade wegen der Wertung Einsicht in das Submissionsergebnis und hielt ihre Rüge aufrecht. Nach einem Telefonat mit einem Mitglied der Vergabekammer, worin ein Vertreter des Auftraggebers auf § 19 Abs. 2 Thüringer Vergabegesetz hingewiesen wurde, hat der Auftraggeber die Vergabekammer Freistaat Thüringen darüber durch die Vorlage der Vergabeakte mit Schreiben vom 31.03.2016 (Posteingang: 01.04.2016) sowie mehreren E-Mails vom 01.04. und 05.04.2016 unterrichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeakte in Gestalt der bei der Vergabe-kammer vorliegenden Nachprüfungsakte Bezug genommen.

*** Nach der vorgelegten Kostenberechnung des Auftraggebers beträgt der Auftragswert der ausgeschriebenen Bauleistungen insgesamt 3.xxx.xxx,xx Euro (ohne Umsatzsteuer). Damit wird die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Vergabegesetz festgelegte Anwendungswertgrenze von 50.000 € (ohne Umsatzsteuer) für Bauleistungen überschritten und das Thüringer Vergabegesetz ist anzuwenden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Vergabegesetz - ThürVgG - vom 18. April 2011 (GVBl. S. 69), zul. geä. durch Gesetz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194, 202)). Der Auftraggeber ist als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 ThürVgG daher gemäß § 1 Abs. 2 ThürVgG verpflichtet, bei der Vergabe von Bauleistungen die einschlä-gigen Vergabebestimmungen anzuwenden, die VOB/A und das Thüringer Vergabegesetz, ebenso ist die Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Vergabe öffentlicher Aufträge vom 14.10.2014 (ThürStAnz vom 13.10.2014, S. 1299 ff.) zu beachten. Da der Gesamtauftragswert vorliegend auch die Wertgrenze von 150.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) weit übersteigt, jedoch unterhalb der EU-Schwellenwerte bleibt, ist die Vergabekammer Freistaat Thüringen beim Thüringer Landesverwaltungsamt gemäß § 19 Abs. 2, 3 und 4 ThürVgG als Nachprüfungsbehörde zur Überprüfung des o. g. Vergabe-verfahrens aufgrund der Beanstandung der Beschwerdeführerin zuständig. Die Beanstandung der Beschwerdeführerin ist im Ergebnis begründet, weil das Vergabeverfahren unter Verstoß gegen geltende Vergabebestimmungen durchgeführt wurde. • Es liegt ein Verstoß des Auftraggebers gegen die Verpflichtung zur Anwendung des

Thüringer Vergabegesetzes vor. Das Vergabeverfahren bereits ist aus diesem Grund rechtswidrig.

So verpflichtet das ThürVgG die Auftraggeber u. a. dazu, öffentliche Aufträge für Bauleistungen, die das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) erfasst, nur an Unternehmen zu vergeben, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, ihren Arbeitneh-mern Mindestentgelte und Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und anderer gesetzlicher Bestimmungen über Mindestentgelte zu gewähren (§ 10 Abs. 1 ThürVgG), die Einhaltung der Entgeltgleichheit schriftlich zu versichern (§ 10 Abs. 3 ThürVgG) sowie die Auftragnehmer zur Vereinbarung dieser Bedingungen mit ihren Nach-unternehmern zu verpflichten (§ 12 Abs. 2 ThürVgG); vgl. hierzu und zu entsprechenden Formblättern auch Pkt. 10.1 Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Eine solche schriftliche Verpflichtungserklärung nach §§ 10 und 12 Abs. 2 ThürVgG wurde von den Bietern in den Vergabeunterlagen entgegen den zwingenden Verpflichtungen des ThürVgG nicht gefordert.

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Paragraf 11 ThürVgG verpflichtet den Auftraggeber Aufträge nur an solche Auftragnehmer zu vergeben, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, den Auftrag ausschließlich mit Waren auszuführen, die unter Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gewonnen oder hergestellt wurden (§ 11 Abs. 2 ThürVgG). Zudem hat er die Auftragnehmer zur Vereinbarung dieser Bedingungen mit eventuellen Nachunternehmern zu verpflichten (§ 12 Abs. 2 ThürVgG); vgl. hierzu und zu entsprechenden Formblättern Nr. 11 Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Eine solche schriftliche Verpflichtungserklärung nach §§ 11 und 12 Abs. 2 ThürVgG wurde von den Bietern in den Vergabeunterlagen entgegen der zwingenden Verpflichtung des ThürVgG ebenfalls nicht gefordert. Zudem enthält das Thüringer Vergabegesetz weitere Pflichten des Auftraggebers zur Vereinbarung von Verpflichtungen mit den zukünftigen Auftragnehmern als ergänzende Vertragsbedingungen, nämlich in § 12 und § 15 ThürVgG (Nachunternehmereinsatz), § 17 (Kontrollen) und § 18 (Sanktionen); vgl. hierzu und zu entsprechenden Formblättern auch Pkt. 15, 17 und 18 Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch diese schriftlichen Verpflichtungserklärungen hat der Auftraggeber von den Bietern in den Vergabeunterlagen entgegen den zwingenden Verpflichtungen des ThürVgG nicht gefordert. Der Auftraggeber hat gemäß § 21 VOB/A i. V. m. § 19 ThürVgG neben der zwingenden Benennung der Nachprüfungsbehörde - der Vergabekammer Freistaat Thüringen beim Thüringer Landesverwaltungsamt - in der Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen ausdrücklich auf die Möglichkeit der Beanstandung der beabsichtigten Vergabeentschei-dung, die durch den Bieter an den Auftraggeber zu richten ist, sowie das in § 19 Abs. 2 ThürVgG beschriebene Verfahren hinzuweisen. Auch dieser Verpflichtung ist der Auftraggeber ausweislich der von ihm vorgelegten Unter-lagen nicht nachgekommen (mit Ausnahme der Angabe der Nachprüfungsbehörde, der Vergabekammer Freistaat Thüringen beim Thüringer Landesverwaltungsamt, in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes). Nicht richtig ist hier wegen der Anwendung des § 19 Abs. 4 ThürVgG auch die Angabe: „Thüringer Landesverwaltungsamt, Vergabekammer Freistaat Thüringen“ in der Bekanntmachung. Die entsprechenden Unterlagen, auf denen die Bieter bzw. deren Nachunternehmer durch ihre Unterschriftsleistung entsprechende Erklärungen abzugeben haben, sind grundsätzlich in die Vergabeunterlagen aufzunehmen. In den an die Bewerber versandten Vergabeunterlagen waren diese Unterlagen hingegen nicht enthalten. Aus den genannten Gründen ist ein Verstoß der Auftraggeber gegen das geltende ThürVgG festzustellen. Das Vergabeverfahren ist aus diesem Grund rechtswidrig.

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• Es liegt zudem ein Verstoß gegen die Verpflichtung des § 14 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A vor. Das Vergabeverfahren ist auch aus diesem Grund rechtswidrig.

Denn die beim Auftraggeber eingegangenen Angebote der für den Zuschlag vorgesehenen Bietergemeinschaft sowie auch das Angebot der Beschwerdeführerin wurden nicht gekenn-zeichnet. Bei Ausschreibungen nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil A ist für die Öffnung und Verlesung (Eröffnung) der Angebote ein Eröffnungstermin abzuhalten (§ 14 Abs. 1 S. 1 VOB/A). Gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A werden die Angebote im Eröffnungstermin geöffnet und in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet. Wie die Angebote zu kennzeichnen sind, ist hierbei offen gelassen. Allerdings sollen durch die Kennzeichnungspflicht nachträgliche Änderungen und Ergänzungen der Angebote verhindert, zumindest aber erschwert werden. Kennzeichnung im Sinne von § 14 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A bedeutet, dass alle wesentlichen Angebotsbestandteile, die zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung vorliegen, entweder einheitlich (z. B. durch Lochung) gekennzeichnet oder aber (z. B. durch Siegelung) verbunden werden, um einen nachträglichen versehentlichen oder bewussten Austausch einzelner Bestandteile des Angebots bzw. deren Entfernung zu verhindern. Sie dient damit der Gewährleistung der Authentizität der Angebote und ist unabdingbare Grundvoraussetzung zur Sicherung eines transparenten und fairen Wettbewerbs. Die Kennzeichnung muss nicht auf sämtlichen Angebotsunterlagen geschehen, sondern nur „in allen wesentlichen Teilen“. Als wesentliche Angebotsteile sind alle bieterseitigen Angebotsinhalte und Erklärungen zu betrachten, die im Falle einer Zuschlagserteilung zum Vertragsgegenstand werden. Zu den wesentlichen Angebotsteilen zählen daher insbesondere Blätter, die die Preise und die geforderten Erklärungen sowie die Unterschrift enthalten, also das Leistungsverzeichnis, aber auch alle die Bestandteile, bei denen der Bieter eigene Angaben gemacht hat sowie grundsätzlich auch alle Nebenangebote. Bei Angeboten, die aus mehreren Teilen bestehen, bei Anlagen sowie bei Mustern und Proben muss die Zugehörigkeit erkennbar gemacht werden. Als wesentlicher Angebotsbestandteil ist hier z. B. auch das vorgelegte Angebotsschreiben selbst anzusehen, da es die das Angebot umfassenden wesentlichen Vertragsbedingungen überhaupt erst benennt und zum Vertragsbestandteil macht, da es die Erklärung beinhaltet, dass der Bieter die Ausführung der beschriebenen Leistungen zu den vom Bieter eingesetzten Preisen und mit allen den Preis betreffenden Angaben anbietet, da darin eventuelle Preisnachlässe und/ oder die Anzahl der Nebenangebote anzugeben ist und weil es die Bieter-Erklärung beinhaltet, dass dieser sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden hält und weil es die zwingend hier abzugebende Unterschrift unter das Angebot zu enthalten hat. Im vorliegenden Vergabeverfahren ist jedoch festzustellen, dass bei beiden hier vorgelegten Angeboten überhaupt keine Kennzeichnung erfolgte.

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Bei dem (für den Zuschlag vorgesehenen) Angebot der Bietergemeinschaft handelt es sich um 2 Ordner: einen gewöhnlichen Aktenordner sowie ein sog. Ringbuch – beide mit 2-Ring-Hebelmechanik zum einfachen Ein- und Ausheften von mit einem standardmäßigen „Büro“-Locher gelochten Blättern. Im Aktenordner befinden sich zum Beispiel ein Anschreiben der Bietergemeinschaft, ein ausgefülltes Angebotsschreiben auf Formblatt 213 VHB mit der Eintragung der Anzahl der Nebenangebote, einem angebotenen Preisnachlass von 2,0% sowie der Unterschrift, das Leistungsverzeichnis mit per Hand ausgefüllten Hersteller- und Typangaben und ein Kurz-Leistungsverzeichnis mit den Ordnungszahlen und diesen Positionen zugeordneten Einheitspreisen sowie auch 10 Nebenangebote - alle Blätter in allgemein üblicher Weise mit einem standardmäßigen „Büro“-Locher zur Heftung gelocht und eingeheftet. Im Ringbuch befinden sich in gleicher Weise eingeheftet Zertifikate, Gerätelisten, Referenzlisten und Bescheinigungen der Mitglieder der Bietergemeinschaft. Nirgendwo, in keinem der beiden Ordner, ist in irgendeiner Art und Weise eine Kennzeich-nung von irgendwelchen Angebotsbestandteilen durch den Auftraggeber zu finden, sodass nicht erkennbar ist, ob alle beiden Ordner mit den der Vergabekammer übergebenen Inhalten auch so bereits im Eröffnungstermin vorgelegen haben. Nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen der Angebote durch Ein- und Ausheften von wesentlichen Angebotsbestandteilen waren jederzeit möglich. Bei dem Angebot der Beschwerdeführerin handelt es sich um 2 Heftungen, wobei die Blätter in jeder dieser Heftungen mit einem standardmäßigen gewöhnlichen „Aktendulli“, welcher von jedermann zu öffnen und schließen ist, zusammengeheftet sind. In der einen Heftung befinden sich u. a. das ausgefüllte Angebotsschreiben auf Formblatt 213 VHB mit der Eintragung eines Preisnachlasses von 4,10% sowie der Unter-schrift, ein Kurz-Leistungsverzeichnis mit den Ordnungszahlen und diesen Positionen zugeordneten Einheitspreisen und weiteren Unterlagen, in der anderen Heftung befindet sich das Lang-LV – ein Leistungsverzeichnis mit per Hand ausgefüllten Hersteller- und Typangaben jedoch ohne die Angabe von Einheitspreisen. Alle Blätter beider Heftungen sind in allgemein üblicher Weise mit einem standardmäßigen „Büro“-Locher zur Heftung gelocht und eingeheftet. Nirgendwo, in keiner der beiden Heftungen, ist in irgendeiner Art und Weise eine Kenn-zeichnung von irgendwelchen Angebotsbestandteilen durch den Auftraggeber zu finden, sodass auch nicht erkennbar ist, ob alle beiden Heftungen mit den hier vorgelegten Angebotsbestandteilen auch so bereits im Eröffnungstermin vorgelegen haben. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Angebotes durch einfaches Ein- und Ausheften von wesentlichen Angebotsbestandteilen waren jederzeit möglich. Allein der auftraggeberseitige Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A führt bereits zur Rechtswidrigkeit des gesamten Vergabeverfahrens. Die unterlassene Kennzeichnung wesentlicher Bestandteile der eingegangenen Angebote bei der Angebotseröffnung hat zur Folge, dass nicht gewährleistet ist, dass die bei der Prüfung und Wertung der Angebote zugrunde liegenden Unterlagen tatsächlich alle rechtzeitig und mit dem bei der Prüfung festgestellten Inhalt vorgelegen haben.

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Die unterlassene Kennzeichnung lässt einen sicheren Ausschluss der Manipulierbarkeit nach Ablauf der Angebotsfrist nicht zu. Ein ordnungsgemäßer Wettbewerb ist objektiv nicht mehr gewährleistet. Die unterlassene Kennzeichnung der vorgelegten Angebote stellt einen gravierenden Vergaberechtsverstoß dar, der objektiv selbst durch eine Rückversetzung des Vergabe-verfahrens auf den Zeitpunkt der Angebotseröffnung kein rechtmäßiges Vergabeverfahren mehr erwarten lässt. Der Auftraggeber hat keine Möglichkeit bei einer Verpflichtung durch die Vergabekammer zur erneuten Prüfung der Angebote diesen Kennzeichnungsmangel zu heilen. (vgl. Weyandt, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.09.2015Rn. 36 zu § 14 VOB/A m. zahlr. Nw. aus der Rspr.). Die vorgelegte Niederschrift über den Eröffnungstermin enthält zwar hinsichtlich der Angebotskennzeichnung den vorgedruckten Vermerk: „Die Angebote wurden in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet“. Dieser Vermerk widerspricht jedoch den o. g. Feststellungen. • Hinweise der Vergabekammer ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

- Das vorgelegte Leistungsverzeichnis enthält 22 Eventualpositionen, d. h. Leistungen mit dem Vorbehalt, dass sie unter Umständen (bei Bedarf) zusätzlich zu einer im Leistungs-verzeichnis enthaltenen Leistung auszuführen sind, und steht damit im Widerspruch zur Forderung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A, wonach Bedarfspositionen grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen sind.

- Zudem enthält das vorgelegte Leistungsverzeichnis eine Vielzahl von Positionen mit vom

jeweiligen Bieter auszufüllenden Hersteller-, Fabrikats- und/oder Typangaben – und zwar ohne Produktvorgabe mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ i. S. von Punkt 8, 4. Anstrich des Angebotsschreibens - was aufgrund der Vielzahl solcher Leistungspositionen die Gefahr des Angebotsausschlusses beim Fehlen einer einzigen dieser Bieterangaben erhöht.

- Entgegen dem Inhalt des Nachforderungsschreibens des Ingenieurbüros xxxxx vom

29.02.2016 an die für den Zuschlag vorgesehene Bietergemeinschaft fällt die Nachforderung von geforderten, aber im Angebot fehlenden Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben nicht unter den § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, der die VST zur Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise verpflichtet. Geforderte Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben sind integraler Angebotsbestandteil und nicht nachzufordern. Das Fehlen solcher Angaben ist nicht heilbar und führt zum Angebotsausschluss (VK Thüringen, B. v. 12.04.2013, Az. 250-4002-2400/2013-E-008-SOK). Nicht nachgefordert werden dürfen in demselben Zusammenhang auch falsch eingetragene Angaben (Angabe des Herstellers anstatt des zuvor eingetragenen Händlers, nachträgliches Anfordern einer Klarstellung bei Eintragung mehrerer statt einer geforderten Produktangabe in einer Position).

- Soweit die Aussage im Vergabevermerk des Ingenieurbüros xxxxx vom 22.03.2016 richtig

ist, Bieter 2 (die Beschwerdeführerin) habe in Pos. 03.02.0185 einen Schieber angeboten, welcher nicht der Ausschreibung entsprechend für die Wandmontage

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geeignet ist und nicht die Anforderungen des LV bedient, ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Angebot dieses Bieters dann nicht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A wegen unzulässiger Änderung an den Vergabe-unterlagen ausgeschlossen wurde.

- Eines der beiden eingereichten Angebote - nämlich das Angebot der

Beschwerdeführerin – sollte nach dem Absageschreiben des Auftraggebers vom 09.03.2016 deshalb den Zuschlag nicht erhalten, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot war. Es befand sich folglich in der „engeren Wahl“ (§ 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A). Diese frühzeitige Absage 6 Tage vor der Durchführung einer Aufklärung mit dem Bieter des anderen abgegebenen Angebotes am 15.03.2016 ist bereits deshalb unverständlich, weil die unverzügliche Unterrichtung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 VOB/A für Bieter von ausgeschlossenen oder nicht in die engere Wahl gekommenen Angeboten vorgesehen ist. Zudem erfolgte diese Absage, bevor die offenbar vom Auftraggeber für erforderlich gehaltene Aufklärung mit dem Bieter des anderen Angebotes der engeren Wahl durch-geführt wurde (in der man sich z. B. die Gleichwertigkeit der Nebenangebote bestätigen lies) und die Wertbarkeit dieses Angebotes klar werden sollte. Denn gemäß § 15 Abs. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote Aufklärung nur verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung usw. zu unterrichten. Das heißt, die Aufklärung (hier: das Aufklärungsgespräch vom 15.03.2016) dient dem Auftraggeber zur Ermittlung des konkreten Angebotsinhalts bei bestehendem Aufklärungsbedarf.

- Auch ist das frühzeitige Absageschreiben vom 09.03.2016 an die Beschwerdeführerin die

einzig dokumentierte „Entscheidung“ des Auftraggebers selbst. In den übergebenen Unterlagen ist nur ein Vergabevermerk des beauftragten Ingenieurbüros xxxxx vom 22.03.2016 sowie ein Bietergesprächsprotokoll über das Gespräch vom 15.03.2016 enthalten. Ein eigener Vergabevermerk des Auftraggebers oder Entscheidungen des Auftraggebers im Vergabeverfahren sind hingegen nicht dokumentiert. Aus der Dokumentation muss erkennbar sein, dass die einzelnen Entscheidungen allein auf den Auftraggeber zurück-gehen und nicht etwa durch dessen Bevollmächtigte getroffen wurden. Hat der Auftrag-geber die Wertungsentscheidung(en) nicht selbst getroffen, sondern sie maßgeblich oder gar vollständig einem von ihm eingeschalteten Dritten überlassen, liegt hierin ein Vergabeverstoß. Das vollständige Fehlen einer eigenen Vergabeentscheidung des Auftraggebers führt sogar zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens (VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 15.05.2013 – Az.: 2 VK – 05/13).

- Das Wertungssystem des Auftraggebers zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes

begegnet ebenfalls vergaberechtlichen Bedenken. Mit Blick auf das auch im „nationalen“ Vergabeverfahren geltende Transparenzgebot (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A) ist es unverzichtbar, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung allen Bietern vorab bekannt gegeben werden. Durch Aufstellung und Mitteilung der Wertungskriterien und ihrer Gewichtung im Form-blatt 227 hat der Auftraggeber den Bietern zu verstehen gegeben, dass der Zuschlag auf

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das wirtschaftlichste Angebot (nach den Kriterien Preis, Energieeffizienz und Projekt-kostenbarwert) erfolgen soll. Problematisch ist aber die darin mitgeteilte und vorgesehene Punkteverteilung für die Wertung der Energieeffizienz mit „höchstes Energieeffizienzniveau = 10 Punkte, niedrigstes Energieeffizienzniveau = 0 Punkte“ bzw. beim Projektkostenbarwert mit „niedrigster Projektkostenbarwert = 10 Punkte, höchster Projektkostenbarwert = 0 Punkte“. Denn die Reduzierung der Punktevergabe bei einem Wertungskriterium auf null Punkte nach dem Prinzip „Alles oder Nichts“ hat genau dann, wenn nur 2 Angebote in die Wertung gelangen zur Folge, dass ein in diesem Kriterium nicht so guter Bieter dann inadäquat gar keine Punkte erlangt - selbst, wenn er nur geringfügig schlechter als das Konkurrenzangebot ist - und damit das Kriterium faktisch mit der Gefahr der Wettbewerbsverzerrung gar nicht gewertet wird (vgl. hierzu vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 22.01.2014 - Verg 26/13 - und vom 29.04.2015 - Verg 35/14). Zudem ist das Wertungssystem beim Kriterium Projektkostenbarwert auch deshalb intransparent, weil nicht angegeben wurde, wie eine nachvollziehbare Punktevergabe bei mehr als zwei Angeboten mit Projektkostenbarwerten, die zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Projektkostenbarwert liegen, erfolgen sollte. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung auf Seite 7 des Vergabevermerks des Ingenieurbüros: „Zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes wurden alle wichtigen auftragsbezogenen Kriterien, wie Preis, Ausführungsfrist, Qualität und Folgekosten einbezogen“, da Ausführungsfrist, Qualität und Folgekosten keine in den Vergabeunterlagen transparent benannten Wertungskriterien waren, und daher nicht verwendet werden dürfen. Ebenso nicht nachvollziehbar ist daher auch die Feststellung des Ingenieurbüros auf S. 12 des Vergabevermerks: „Sofern die angebotenen Leistungen aller Bieter nach Art und Umfang gleichwertig sind, ist der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen. Das Angebot mit dem wirtschaftlichsten Preis hat … abgegeben.“ Denn bewertete Zuschlagkriterien müssen nach den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung selbstverständlich den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien entsprechen.

- Auch die Wertung der Nebenangebote (NA) der für den Zuschlag vorgesehenen Bieterin verstößt gegen vergaberechtliche Vorschriften. Hier sei beispielhaft die Nicht-Wertung der Nebenangebote 3 und 8 der Bietergemeinschaft genannt. Die Vorgaben für die Wertung der Nebenangebote ergeben sich aus den Vorschriften der VOB/A, den Vorgaben in den Vergabeunterlagen – insbesondere auch Nr. 5 der den Vergabeunterlagen beigefügten Bewerbungsbedingungen (VHB Bund - Ausgabe 2008 - Stand August 2014) und den den Vergabeunterlagen beigefügten „Mindestanforderungen an Technische Nebenangebote, Änderungs- und Sondervorschläge“ des Auftraggebers. Der Ausschluss des NA 3, welches nach den Feststellungen des Ingenieurbüros im Vergabevermerk alle formellen Voraussetzungen an Nebenangebote erfüllt und gleich-wertig ist, mit der Begründung: „Das NA 3 wird technisch nicht gewertet, da eine Fabrikatsgleichheit mit den vorhandenen Ausrüstungen aus Gründen der Wirtschaftlich-keit der Wartung angestrebt wird.“, ist von diesen Vorgaben jedoch nicht gedeckt. Der Ausschluss des NA 8, welches nach den Feststellungen des Ingenieurbüros im Vergabevermerk alle formellen Voraussetzungen an Nebenangebote erfüllt und gleich-

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wertig ist, mit der Begründung: „Das NA 8 kann nicht gewertet werden, da sich dieses mit NA 10 ausschließt. Gewertet wird NA 10, da es den größeren Kostenvorteil für den AG bringt.“, ist von diesen Vorgaben ebenfalls nicht gedeckt. Denn es ist keine insoweit vergleichende Wertung der jeweils unterschiedlichen „Varianten“ des Angebotes der Bietergemeinschaft nach den vom Auftraggeber selbst auferlegten und den Bietern mitgeteilten Wertungskriterien und deren Gewichtung dokumentiert (Angebot der Bietergemeinschaft, Angebot der Bietergemeinschaft unter Einbeziehung jedes einzelnen, wertbaren Nebenangebotes bzw. ihrer sich gegenseitig nicht ausschließenden Kombinationen – auch im Vergleich der Einbeziehung von NA 8 bzw. NA 10).

Das Vergabeverfahren ist daher als rechtwidrig zu beanstanden und der Auftraggeber zu verpflichten, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht das Vergabeverfahren zumindest in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Freistaat Thüringen erneut durch-zuführen. Gemäß § 19 Abs. 2, 2. Halbsatz, ThürVgG hat der Auftraggeber die Auffassung der Nachprüfungsbehörde zu beachten. Der Auftraggeber hat daher seine Maßnahmen zur Umsetzung der Auffassung der Vergabekammer durch die Übersendung der entsprechenden Unterlagen nachzuweisen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber gemäß § 19 Abs. 5 ThürVgG die Kosten der Amtshandlung der Nachprüfungsbehörde zu tragen hat, weil er das Vergabeverfahren fehlerhaft durchgeführt hat und dieses daher zu beanstanden war. Der Auftraggeber ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3ThürVwKostG persönlich gebührenbefreit. Die Beschwerdeführerin erhält einen Abdruck dieses Schreibens. Wir bitten, den Erhalt dieses Schreibens mit dem beiliegenden Empfangsbekenntnis per Fax zu bestätigen. Scheid Vorsitzender Anlage: Empfangsbekenntnis