Thrombopenie auf der Intensivstation - gritzka.de · Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie,...

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Thrombopenie auf der Intensivstation Prof. Dr. Jörg Beyer Vivantes Klinikum Am Urban, Berlin

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Thrombopenie auf der Intensivstation

Prof. Dr. Jörg BeyerVivantes Klinikum Am Urban, Berlin

Thrombopenie

Eine Thrombopenie wird wie folgt definiert:

Thrombozyten unter 150 G/loder ein Abfall um mehr als 40% vom Ausgangswert. Somit kann auch bei einer Thrombozytenkonzentrationim Referenzbereich eine Thrombopenie vorliegen.

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

• Akute nekrotisierende Pankreatitis• Intensivpflichtigkeit• Beatmung• Schwere Sepsis wird seit Aufnahme mit mehreren

Antibiotika behandelt• Thombopenie

=> Hämatologisches Konsil !

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

1.) Liegt tatsächlich eine Thrombopenie vor ?

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

1.) Liegt tatsächlich eine Thrombopenie vor ?

Hb 10,8 g/dlLeuko 23,2 /nlThrombo 38 /nl

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

1.) Liegt tatsächlich eine Thrombopenie vor ?

Hb 10,8 g/dlLeuko 23,2 /nlThrombo 38 /nl

2.) Liegt eine "Pseudothrombopenie" vor?

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

1.) Liegt tatsächlich eine Thrombopenie vor ?

Hb 10,8 g/dlLeuko 23,2 /nlThrombo 38 /nl

2.) Liegt eine "Pseudothrombopenie" vor?

=> Blutausstrich ansehen !!

Klinischer Hintergrund der EDTA-induziertenPseudothrombopenie

Bei bis zu 2% der Patienten tritt durch vorhandene Antikörper bei Mischung in einer EDTA-Monovette eine Aggregatbildung der Thrombozyten auf, woraus ein falsch niedriger Wert in der automatischen Zählung resultiert

Das Ausmaß der Aggregation ist dabei sehr variabel, im Extremfall können Thrombozytenzahlen unter 50G/l gemessen werden.

Es sich um ein reines in-vitro Phänomen ohne physiologische Relevanz für den Patienten.

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

• Überprüfung der Befunde Hb 10,8 g/dlLeuko 23,2 /nlThrombo 38 /nl

• Bestimmung im Citratblut Hb 10,2 g/dlLeuko 24,0 /nlThrombo 42/nl

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

3.) Anamnese

Bekannte Alkoholkrankheit. Alkoholtoxische Leberzirrhose. Rezidivierende Pankreatitis.

=> Toxische Knochenmarkschädigung ?=> Hypersplenismus ?

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

3.) Anamnese

Bekannte Alkoholkrankheit. Alkoholtoxische Leberzirrhose. Rezidivierende Pankreatitis.

=> Hypersplenismus ?=> Toxische Knochenmarkschädigung ?

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Blutbildveränderungenbei Leberzirrhose

Anämie

- Anisozytose, Poikylozytose- Makrozytose- Stomatozytose- Targetzellen- Sphärozytose- Akanthozytose

LeukopenieThrombopenie

Anämie: Poikilozytose

Stomatozyten Ovalozyten / Elliptozyten

Anämie: Poikilozytose

Target-Zellen Sphärozyten

Anämie: Poikilozytose

Echinozyt Akanthozyt

Veränderungen des Knochenmarks bei Leberzirrhose

Unspezifisch !

- Hypo- bis normozellulär

- Gesteigerte Erythropoese (Blutung oder hämolyt. Anämie)- Megaloblastäre Veränderungen der Erythropoese- Dyserythropoese- Vakuolisierung der Proerythroblasten

- Plasmazellvermehrung

- Megakaryozyten können vermindert, normal oder vermehrt

Ursache der Thrombopenie bei Leberzirrhose ?

Unklar

- Toxischer Effekt des Alkohols auf die Megakaryopoese- Hypersplenismus

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

3.) Anamnese

Bekannte Alkoholkrankheit. Alkoholtoxische Leberzirrhose. Rezidivierende Pankreatiden.

=> Hypersplenismus ?=> Toxische Knochenmarkschädigung ?

=> Vorbefunde!

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

3.) Anamnese

Bekannte Alkoholkrankheit. Alkoholtoxische Leberzirrhose. Rezidivierende Pankreatitis.

Weitere Fragen:

- Vorerkrankungen bekannt (SLE, Rheuma) ?- Medikamenteneinnahme vor/seit Aufnahme ?- Blutungszeichen vor/seit Aufnahme ?

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

4.) Körperliche Untersuchung

- Leberhautzeichen?- Milzgröße?- Blutungszeichen?

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

5.) Nachdenken: Differentialdiagnosen überlegen!

• angeboren• erworben

- infektiös- immunologisch- metabolisch- neoplastisch- medikamentös- toxisch- artefiziell

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

5.) Nachdenken: Differentialdiagnosen überlegen!

• Bildungsstörung• Erhöhter Verbrauch

• erworben- infektiös: virale Infekte- immunologisch: ITP, SLE, HIT, PTP- metabolisch: TTP, Verbrauchskoagulopathie- neoplastisch: MDS, Leukämien, KM Karzinose- medikamentös: Antibiotika, u.v.a.m- toxisch: Alkohol, Zytostatika, Radiatio- artefiziell: Pseudothrombopenie

Fall No 1: Patient 46 Jahre, Thrombopenie, Intensiv

5.) Nachdenken: Differentialdiagnosen überlegen!

Sepsis und Verbrauchskoagulopathie (disseminierteintravasale Gerinnung) - Ätiologie und Klinik

• Sepsis ist eine häufige Komplikation bei verschiedenstenintensivmedizinischen Krankheitsbildern.

• Gerinnungsaktivierung durch bakterielle Endotoxine und durchabnormal hohe Serumspiegel von Histamin, Serotonin und Adrenalindie zum Teil durch zerstörte Thrombozyten freigesetzt werden.

• Mikrothrombenbildung im Kapillarbett mit Minderperfusion lebens-wichtiger Organe und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren.

• Hohe Sterblichkeit in Folge von Organversagen und Blutungen.

Fragmentozyten

Sepsis und Verbrauchskoagulopathie (disseminierteintravasale Gerinnung) - Diagnostik und Therapie

• Klinische Untersuchung (Anamnese und körperliche Untersuchung).

• Blutbild und manuelles Differentialblutbild (Fragmentozyten).

• Gerinnungsdiagnostik: - Quick, PTT, Fibrinogen, AT III (erniedrigt),- Fibrinspaltprodukte, D-Dimere (erhöht)

• Bestimmung von Leber- und Nierenfunktionsparameter

• Therapie: - Ursache der Sepsis behandeln !- Heparin, AT III- Aktiviertes Protein C- Fresh Frozen Plasma (FFP) oder TKSubstitution bei schweren Blutungen

Heparin-induzierte Thrombopenie(HIT) - Ätiologie

• Heparin ist in der Klinik eines der am häufigsten verschriebenenMedikamente. Je nach der Molekülgröße wird zwischenunfraktioniertem Heparin (UFH) und niedermolekularem Heparin(NMH) unterschieden.

• HIT II beruht auf einer Antikörperbildung zwischen Heparin undPlättchenfaktor 4 der auf der Oberfläche der Thrombozyten bindet.

• Häufigkeit nach verwendetem Heparin (UFH > NMH), Dosis undVerabreichungsdauer zwischen 0,1% und 5%.

Heparin-induzierte Thrombopenie(HIT) - Klinik und Therapie

• Abfall der Thrombozyten frühestens fünf Tage bis spätestens14 Tage nach Erstexposition, selten auf Werte < 20 /nl.

• Typische Komplikationen sind arterielle und venöse Thrombosensowie Hautnekrosen an den Injektionsstellen. Keine Blutungen!

• Diagnostik mittels Nachweises der Antikörper mittels ELISA imCitratblut ggf. Bestätigung durch einen funktionellen Test (HIPA).

• Wichtigste Therapie ist sofortiges Absetzen von Heparin. Ersatzdurch Danaparoid (Orgaran®), Lepirudin (Refludan®) gefolgt voneiner mehrmonatigen Therapie mit Phenprocumon (Falithrom®).

Posttransfusionelle Purpura (PTP)- Ätiologie und Klinik

• Boosterung vorhandener antithrombozytärer Antikörper bei z.B.durch Schwangerschaften sensibilisierten Menschen. Häufigkeitdaher Frauen > Männer.

• Auftreten zwischen 2 und 12 Tagen nach Transfusion von Blutoder Blutplättchen.

• Rascher Abfall der Thrombozyten, schwere Thrombopenie,klinische Blutungsneigung!

Differentialdiagnose PTP versus HIT

Medikamentös induzierteThrombopenien

• Glykoprotein-2b/3a-Hemmer (Abciximab)• Clopidorgrel, Ticlopidin• Rheumamittel (Gold, Chloroquin, Methotrexat)• Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Rifampicin)• Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin)• Thiazid Diuretika

• http://moon.ouhsc.edu/jgeorge/database.html

Stufendiagnostik Thrombopenieauf Intensivstation

• 1. Stufe: Sichtung und Verifizierung der Thrombopenie• 2. Stufe: Blutausstrich und Bestimmung BB im Citratblut• 3. Stufe: Genaue Patientenanamnese (Akte und Kurve)• 4. Stufe: Untersuchung des Patienten (Blutungszeichen)• 5. Stufe: Detaillierte Gerinnungsdiagnostik incl. HIT

Laborparameter Leber-/Nierenfunktion• 6. Stufe: Ggf. Knochenmarkpunktion bei V.a. Bildungsstörung

• Die häufigste Ursache ist eine Sepsis.• Oft spontane Regeneration der Thrombozyten.• Aber leider kann oft keine definitive Ursachegefunden werden.

Thrombopenie auf Intensivstation