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1 Tiegelgröße, Kulturchampignons, Detox & B-Vitamine (Queisser) jüngste Entscheidungen des BGH im Ringen um die Wahrheit prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019 Täuschung – Beschaffenheit Zutaten: Apfelsaft konzentriert 52 %), Apfelmus konzentriert (39 %) Himbeermus konzentriert (5 %) Holunder-Beerensaft konzentriert, Zitrusfasern, Geliermittel: Pektin, natürliche Aromen

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Tiegelgröße, Kulturchampignons, Detox & B-Vitamine (Queisser)

jüngste Entscheidungen des BGH im Ringen um die Wahrheit

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Täuschung – Beschaffenheit

Zutaten:

Apfelsaft konzentriert 52 %),Apfelmus konzentriert (39 %)Himbeermus konzentriert (5 %)Holunder-Beerensaft konzentriert, Zitrusfasern, Geliermittel: Pektin, natürliche Aromen

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Bereich: Getäuscht?

Herkunftsbezug zu österreichischem Ort Fucking – Firmensitz aber in Berlin

Täuschung – Herkunft

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

• seit 2003 geschützte geographische Angabe

Verordnung (EU) 1151/2012 vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

• Ursprüngliche Beschreibung im Antrag auf Registrierung als g.g.A.: „Mindestens 51 % der verwendeten Rohstoffe müssen aus der Region Thüringen stammen“

• 2011: Antrag auf folgende Änderung der Beschreibung:

Der Satz „mindestens 51 % der verwendeten Rohstoffe müssen aus der Region Thüringen stammen“ ist zu streichen

Begründung: Die Eigenschaften oder das Ansehen des Produktes hängen nicht davon ab, dass ein Teil der verwendeten Rohstoffe aus der Region kommt

• 2012: Genehmigung der Änderung

Rohstoffe – Bsp.: Thüringer Rostbratwurst

Täuschung, aber legal

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Bildersprache – Abbildung von Früchten

EuGH/BGH „Himbeer-Vanille-Abenteuer“

(BGH Urteil vom 02.12.2015)

Irreführung, weil es auf Grund Hervorhebung von Himbeer- und Vanillebestandteilen (Produktname + Bilder) sowie der blickfangmäßigen Auslobung „nur natürliche Zutaten“ fern läge anzunehmen, dass nicht immerhin das Aroma des Produkts aus Bestandteilen von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnen wäre

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EuGH

• durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher

Verbraucherleitbild

• 6.7.1995, Rechtssache C-470/93, Slg. 1995, I-1923, Randnr. 15 – Mars• 26.10.1995, Rs C-51/94, Slg. 1995, I-3599 Rn. 34 – Kommission/Deutschland• 16.7.1998 Rs. C-210/96, Slg. 1998, I-4657 – Gut Springenheide und Tusky• 9.2.1999, Rs C-383/97, Slg. 1999, I-3599 – van der Laan• Rs. C-303/97, Slg. 1999, I-513 – Sektkellerei Kessler• 13.1.2000, Rs. C-220/98, Slg. 2000, I-117, Randnr. 30 – Estée Lauder, Lifting-Creme• 4.4.2000, Rs C-465/98, Slg. 2000, I-2297 - Darbo• 12.10.2000, C-3/99, Slg. 2000, I-8749, Randnr. 53 – Ruwet• 24.10.2002, Rs C-99/01, Slg. 2002, I-9375, Randnr. 31 - Linhart und Biffl

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BGH

• durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbrauchers,

der das fragliche Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt

• = auch der mündige Verbraucher ist manchmal doof

Verbraucherleitbild

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Verbraucherleitbild

EuGH

• „der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständigeDurchschnittsverbraucher“

• Ermittlung des Verbraucherverständnisses grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts; Heranziehung von demoskopischen Gutachtenbei besonderen Schwierigkeiten und besonderen Umständen möglich

• Differenzierung nach der Schutzbedürftigkeit des Werbeadressatenund der Gefährlichkeit des Werbeobjekts

• „Bei dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht u. a. die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen“ (Egr. 43; EuGH 4. Juni 2015, Rechtssache C 195/14, vzbv gegen Teekanne)

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Bundesgerichtshof (ZR 78/16, 11.10.2017 „Tiegelgröße“)

• Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers

maßgebend, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr.)

• Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist von der jeweiligen Situation und vor allem von der Bedeutung abhängig, die die beworbenen Waren für ihn haben

Bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs oder beim ersten Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen ist seine Aufmerksamkeit regelmäßig eher gering, so dass er die Werbung eher flüchtig zur Kenntnis nehmen wird (u.a. BGH GRUR 2015, 906 Rn. 22 - TIP der Woche)

Verbraucherleitbild

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Bundesgerichtshof (ZR 78/16, 11.10.2017 „Tiegelgröße“)• Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist von der jeweiligen Situation und vor allem von der Bedeutung

abhängig, die die beworbenen Waren für ihn haben

Dagegen wird der Verbraucher eine Angabe mit situationsadäquat gesteigerter Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen, wenn er für die angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen erheblichen Preis zu zahlen hat (u.a. BGH GRUR 2000, 619, 621 - Orient-Teppichmuster)

Maßgeblich für den Grad der Aufmerksamkeit des Verbrauchers ist außerdem die Art und Bedeutung der angebotenen Ware oder Dienstleistung. Geht es um Produkte wie Lebensmittel, bei denen der Verbraucher seine Kaufentscheidung regelmäßig auch von ihrer Zusammensetzung abhängig macht, ist davon auszugehen, dass er nicht nur die Schauseite einer Packung, sondern auch die an anderer

Stelle angebrachten Verzeichnisse über die Inhaltsstoffe wahrnehmen

wird (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 C-195/14, Teekanne [Himbeer-Vanille-Abenteuer]; BGH, 2.12.2015 I ZR 45/13 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II)

Verbraucherleitbild

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BGH ”Kulturchampignons”Herkunftsangaben bei Pilzen

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Art. 26 Abs. 2:

Die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts ist verpflichtend:

a) falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre, insbesondere

wenn die dem Lebensmittel beigefügten Informationen oder das Etikett insgesamt sonst den Eindruck erwecken würden, das Lebensmittel komme aus einem anderen Ursprungsland oder Herkunftsort

Täuschung, Herkunft

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Art. 2 Abs. 2 lit. g LMIV 1169/2011:

• „Herkunftsort“ bezeichnet den Ort, aus dem ein Lebensmittel laut Angabe kommt

• und der nicht sein „Ursprungsland“ im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 [jetzt VO 952/2013];

• der Name, die Firma oder die Anschrift des Lebensmittelunternehmens auf dem Etikett (Art. 9 Abs. 1 lit. h) gilt nicht als Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts von Lebensmitteln im Sinne dieser Verordnung

LMIV 1169/2011 - Herkunftskennzeichnung

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VERORDNUNG (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften

LMIV 1169/2011 - Herkunftskennzeichnung

Artikel 23

(1) Ursprungswaren eines Landes sind Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden sind.

(2) Vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren sind:

a) mineralische Stoffe, die in diesem Land gewonnen worden sind;b) pflanzliche Erzeugnisse, die in diesem Land geerntet worden sind;c) lebende Tiere, die in diesem Land geboren oder ausgeschlüpft sind und die dort

aufgezogen worden sind;d) Erzeugnisse, die von in diesem Land gehaltenen lebenden Tieren gewonnen worden

sind;e) Jagdbeute und Fischfänge, die in diesem Land erzielt worden sind;f) Erzeugnisse der Seefischerei und andere Meereserzeugnisse, die außerhalb des

Küstenmeeres eines Landes von Schiffen ausgefangen worden sind, die in diesem Land ins Schiffsregister eingetragen oder angemeldet sind und die Flagge dieses Landes führen;

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Bundesanstalt für Ernährung, 23.3.2013

Herkunft

Wann sind Pilze mit Migrationshintergrund „deutsche“ ? Nur die Ernte muss in Deutschland stattfinden.

Ausgangsbasis: Zollregelung in der Verordnung 2913/92. Artikel 23 des Zollkodex stellt bei pflanzlichen Erzeugnissen auf die Ernte ab:(2) Vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren sind:[…]b) pflanzliche Erzeugnisse, die in diesem Land geerntet worden sind.

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Kulturchampignons“

Artikel 76 VO 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse

(1) […] dürfen gegebenenfalls Erzeugnisse des Sektors Obst und Gemüse, diefrisch an den Verbraucher verkauft werden sollen, nur in Verkehr gebracht werden,wenn […] und das Ursprungsland angegeben ist.(Anhang I Teil IX: KN-Code ex 0709: „Anderes Gemüse, frisch oder gekühlt“/ Code 0709 51: „Pilze“)

Artikel 60 VO 952/2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union(1) Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oderhergestellt worden sind, gelten als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets.

Art. 31 Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446Als Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oderhergestellt worden sind, gelten:b) dort geerntete pflanzliche Erzeugnisse;

Art. 7 LMIV 1169/2011(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere[…]

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Kulturchampignons“

1. Ist für die Bestimmung des Begriffs des Ursprungslands gem. […] Art. 76 VO 1308/2013 auf die Begriffsbestimmungen in […] Art. 60 VO 952/2013 Unionszollkodex abzustellen?

2. Haben Kulturchampignons, die im Inland geerntet werden, gem. […] Art. 60 Abs. 1 VO 952/2013 einen inländischen Ursprung, wenn wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt und die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Inland verbracht worden sind?

BGH:

1. Ja, da inhaltlicher Bezug der Verordnungen untereinander.

2. Ja, da für eine Anwendung von Art.60 Abs. 2 Unionszollkodex kein Raum bleibt.

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Kulturchampignons“

3. Ist das Irreführungsverbot des […] Art. 7 Abs.1 lit. a LMIV auf die nach […] Art. 76 Abs. 1 VO 1308/2013 vorgeschriebene Ursprungsangabe anzuwenden?

4. Dürfen der nach […] Art. 76 Abs. 1 VO 1308/2013 vorgeschriebenen Ursprungsangabe aufklärende Zusätze hinzugefügt werden, um einer nach […] Art. 7 LMIV verbotenen Irreführung entgegenzuwirken?

BGH:

3. + 4. Verweis auf Art. 1 Abs. 4 LMIV:

„Diese Verordnung gilt unbeschadet der in speziellen Rechtsvorschriften der Union für bestimmte Lebensmittel enthaltenen Kennzeichnungsvorschriften.“

„Ob der Begriff „unbeschadet“ einen Vorrang spezieller

Kennzeichnungsvorschriften mit der Folge bedeutet, dass das allgemeine

lebensmittelrechtliche Irreführungsverbot gem. Art. 7 LMIV keine Anwendung

findet, oder ob die betroffenen Regelungen nebeneinander anwendbar sind,

bedarf der Klärung“

Normenvorrang spezieller Vorschriften vor allg. Irreführungsverbot?

BGH „Queisser / B-Vitamine“

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Queisser / B-Vitamine“

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH, Beschluss 12. Juli 2018 (I ZR 162/16) – „B-Vitamine“

1. Sind einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogeneVorteile spezielle gesundheitsbezogene Angaben gemäß einer der Listen nachArt. 13 oder Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits dann"beigefügt" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung, wenn sich derVerweis auf der Vorderseite und die zugelassenen Angaben auf derRückseite einer Umverpackung befinden und nach der Verkehrsauffassungdie Angaben zwar inhaltlich eindeutig auf den Verweis bezogen sind, derVerweis aber keinen eindeutigen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweisauf die rückseitigen Angaben enthält?

2. Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinnedes Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinnevon Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?

BGH „Queisser / B-Vitamine“

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH-Beschluss 12.3.2015 – RESCUE

Vorlagefragen an EuGH, Az. I ZR 29/13„ORIGINAL RESCUE TROPFEN“ und „RESCUE NIGHT SPRAY“ in Tropfen- oder Sprayform mit Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent in Apotheken

2. ob bei unspezifischen Claims nach Art. 10 Abs. 3 HCVO Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1a und Art. 6 Abs. 1 HCVO erforderlich sind

Der BGH geht dabei davon aus, • wissenschaftliche Nachweise nach Art. 5 Abs. und Art. 6 Abs. 1 HCVO gelten

grds. auch für Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 3• für unspezifische Angaben können keine entsprechenden Nachweise verlangt

werden, da Art. 10 Abs. 3 Claims keiner Zulassung gem. Art. 10 Abs. i.V.m. Art. 13 Abs. 3 und 5 oder Art. 17 HCVO bedürfen, weil für sie im Hinblick auf ihre Unbestimmtheit keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweise i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Ziff. I der Verordnung erbracht werden können

Gesundheitsbezug?

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Health ClaimVO 1924/2006

„gesundheitsbezogene Angabe“

= „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbarzum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhangzwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmitteloder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheitandererseits besteht“

(Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO 1924/2006)

• gesundheitsbezogene Wohlbefinden ≠ allgemeines Wohlbefinden?

• Spezifische vs. unspezifische Angaben

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

EuGH: „gesundheitsbezogen“

EuGH, Rs C-544/10, 6.9.2012

34 Die Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 enthält weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss, noch zu dessen Intensität oder Dauer. Unter diesen Umständen ist der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen.

35 Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ muss auch jeden Zusammenhang erfassen, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustands trotz des genannten, potenziell schädlichen Verzehrs.

36 Zum anderen soll sich der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ nicht nur auf die Auswirkungen des punktuellen Verzehrs einer bestimmten Menge eines Lebensmittels beziehen, die normalerweise nur vorübergehender oder flüchtiger Art sein können, sondern auch auf die Auswirkungen eines wiederholten, regelmäßigen oder sogar häufigen Verzehrs eines solchen Lebensmittels, die nicht zwingend nur vorübergehend und flüchtig sind.

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

OLG Stuttgart Urteil vom 3.11.2016, 2 U 37/16

Durch die Verwendung des Begriffs "bekömmlich" für Bier wird einWirkzusammenhang zwischen diesem Getränk und der Gesundheithergestellt. Damit liegt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor.

BGH, Urteil vom 17.05.2018, I ZR 1151/16

Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne von Art. 2 II Nr. 5 HCVOerfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandsdank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Eine gesundheitsbezogeneAngabe liegt außerdem dann vor, wenn mit der Angabe zum Ausdruck gebrachtwird, der dauerhafte Verzehr eines Lebensmittels sei der Gesundheit nichtabträglich.

gesundheitsbezogen: „bekömmlich“

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Bundesgerichtshof zu

• „Lernstark“:

gesundheitsbezogen, in der Zusammenschau mit Angabe „Mit Eisen ... zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“

• „RESCUE Tropfen“:

gesundheitsbezogen hins. Art der Produkte, ihre Anwendungsweise und der hierauf bezogenen Bezeichnung

• „Combiotik“: gesundheitsbezogen im Verbund mit „Praebiotik“ und „Probiotik“

• „So wichtig wie das tägliche Glas Milch“ (Monsterbacke II)

• „ENERGY & VODKA“ für ein stark alkoholhaltiges Wodka/Mischgetränk

keine nährwertbezogene Angabe; auch kein Gesundheitsbezug, da eine Angabe, mit der keine besondere Eigenschaft des Lebensmittels bezeichnet werde, noch weniger vom Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasst werde

• „Original Bach-Blüten“

für sich genommen eine in Bezug auf die Gesundheit neutrale Angabe

OLG Stuttgart zu „bekömmlich“

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Vorgabe des EuGH: „Implizierens“

= des gleichzeitigen Beinhaltens verschiedener Deutungen einer Angabe

= setzt zumindest voraus, dass eine Werbeangabe oder ein Slogan aus sich heraus einen Effekt des Verzehr eines Lebensmittel auf die Gesundheit nahelegt

(s. Legaldefinition einer ‚gesundheitsbezogenen Angabe‘ in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO 1924/2006)

≠ darf nicht hineingelesen werden

Eine gesundheitsbezogene Angabe kann auch dann vorliegen, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird1, wie bei „Praebiotik“2 oder „mit prebiotischen Ballaststoffen“, nicht jedoch bei „Kunstwörter“ wie ‚Combiotik‘3

1 BGH WRP 2011, 344 Rn. 9 – Gurktaler Kräuterlikör

2 BGH ZR 178/12, 26. 2. 2014 – Praebiotik; hierzu bereits EU-Kommission, Guidance on the Implementation of Regulation (EC) No 1924/2006 on nutrition and

health claims made on foods, in der dem Ständigen Ausschuss am 14. 12. 2007 vorgelegten Fassung.

3 OLG Frankfurt LRE 66, 189 = WRP 2013, 1382.

„gesundheitsbezogene Angabe“

unspezifischer oder

spezifischer Health Claim?

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen

psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen

schlank machenden oder gewichtskontrollierendenEigenschaften des Lebensmittels oder die Verringerung des Hungergefühls oder ein verstärktes Sättigungsgefühl oder eine verringerte Energieaufnahme durch den Verzehr des Lebensmittels

Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos

Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern

Art

. 13

Art

. 14

5 spezifische health claims

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

unspezifische health claims

Art. 10 Abs. 3 VO:

„Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig,“

wenn ein zugelassener health claim beigefügt ist.

Frage: gesundheitsbezogene Wohlbefinden ≠ allgemeines Wohlbefinden?

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Unspezifische Angaben über das „gesundheitsbezogene Wohlbefinden“

• „vitalisierend“

• „sehr gut für Ihren Organismus“

• „hilft Ihrem Körper, besser mit Stress fertig zu werden“

• „reinigt Ihren Organismus“

• „hilft, Ihr gutes Körpergefühl zu erhalten“

Art. 10 (3) – health claims

EU-Kommission

„VO über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben: Mythen und Missverständnisse“, MEMO/03/188, 1.10.2003

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Art. 10 (3) – health claims

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Bei Angaben wie „vitalisierend“ handelt es sich unspezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 3 HCVO.

Bundesgerichtshof

• unspezifische = bei denen die Aussagen zwar auf das durch die Einnahme des Mittels zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden Bezug nehme,

wie "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit" oder „erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“;

• spezifisch = welche zu „fördernde Funktionen des Körpers“ zum Ausdruck bringen bzw. nahelegen

(BGH GRUR 2013, 958 Rn. 13 – Vitalpilze)

Art. 10 (3) – health claims

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Rechtsprechung

• OLG Hamburg, Urteil vom 26.10.2017 (3 U 65/17) - „gut für die Stimme“

Werbeaussage „gut für die Stimme“ für Hustenbonbon spezifischegesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO.

• VGH München, Beschl. v. 17.09.2018 (20 ZB 17.2073) „Arthro Aktiv Kapseln“

zwar handelt es sich bei dem Begriff „Arthro Aktiv“ um keine besonders stark aufeine Verbesserung des Gesundheitszustands hindeutende Angabe, sie nimmtjedoch für durchschnittlichen Verbraucher Bezug auf das Krankheitsbild derArthrose und impliziert mit der Verwendung des positiv konnotierten Begriffs„Aktiv“ einen positiven Zusammenhang zwischen Einnahme des Lebensmittelsund Krankheitsbild der Arthrose

• OLG Celle, Urt. v. 04.09.18 (13 U 37/18) - „probiotischer Magermilchjoghurt“

Begriff „probiotisch“ gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 II Nrn. 1 u. 5HCVO.Durchschnittsverbraucher versteht den Begriff zumindest dahin, dassbeschriebenes Produkt lebensfähige Mikroorganismen enthält und einengesundheitsfördernden Einfluss hat.

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Rechtsprechung

• LG Hannover, 08.01.2019 (26 O 42/18) - „Fettstoffwechsel Kapseln“

Die im Rahmen einer Verkaufswerbesendung im Fernsehen in Bezug auf dasProdukt (hier: Bauchspeicheldrüsen Tabletten und Fettstoffwechsel Kapseln)getätigten Aussagen stellen nicht lediglich allgemeine Informationen dar.Vielmehr ist davon auszugehen, dass die allgemeinen Informationen lediglicheingebettet in werbende Aussagen der allgemeinen Werbesendung sind.

• LG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 (12 O 269/18) „smartsleep“

Werbeaussagen des Produkts nehmen Bezug auf eine bestimmte zu förderndeFunktion des Körpers, nämlich den Schlaf, so dass diese gesundheitsbezogenund mangels zugelassenen Claims unzulässig sind gem. Art. 2 Nr. 5, Art. 10 I,Art. 13 HCVO.

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH Beschluss I ZR 167/16 vom 6. Dezember 2017

• Buchstabenkombination "tox" in Produktbezeichnung = "Toxin" oder "toxisch“ (Egr. 8)

• In Kombination mit der aus dem Lateinischen übernommenen Vorsilbe "De" zum Bedeutungsinhalt = "entgiftend„ (Egr. 8)

• Entgiftung begrifflich dazu dient, einer Vergiftung entgegenzuwirken, so dass, wenn eine Vergiftung den gesamten Organismus betrifft, eine Entgiftung spiegelbildlich nicht auf einzelne Körperteile beschränkt sein kann (Egr. 10)

• Bezeichnung "Detox" nicht lediglich einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 VO 1924/2006, sondern spezielle gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 (Egr. 9)

BGH „Detox“

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Und, wie ist es bei

„Queisser / B-Vitamine“?

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Queisser / B-Vitamine“

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

• Gehirn, Gedächtnis?

• abwegig die Argumentation des OLG und des BGH, die Angaben bezüglich Gehirn und Gedächtnis seien deshalb unspezifisch und ihre Verwendung im konkreten Fall zulässig, weil die behaupteten Wirkungen sich nicht auf bestimmte Nährstoffe oder sonstige Lebensmittelbestandteile bezögen.

• Gerade dies begründet die Unzulässigkeit.

• Zutreffend führte der BGH in seinem Urteil über „Repair Kapseln“ noch aus, eine gesundheitsbezogene Angabe, die nicht erkennen lasse, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben die behauptete Wirkung eines Produkts beruhe, wäre mit den zugelassenen Angaben nicht inhaltsgleich und daher unzulässig

(BGH, 07.04.2016 – I ZR 81/15 – Repair Kapseln)

BGH „Queisser / B-Vitamine“

darf ich vom Wortlaut

zugelassener claims abweichen?

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

„Vitamin C trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen“

EFSA begreift „Stress“ und „Schaden“ als Synonyme (EFSA Journal 2009; 7,9:1226 und 2010; 8,10:1815)

„Vitamin C trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Schaden zu schützen“

Health Claims - Wording

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

EU-Kommission + Mitgliedstaaten

GENERAL PRINCIPLES ON FLEXIBILITY OF WORDING FOR HEALTH CLAIMS

Zulassung – wie verbindlich?

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

EU-Kommission + Mitgliedstaaten

GENERAL PRINCIPLES ON FLEXIBILITY OF WORDING FOR HEALTH CLAIMS

Zulassung – wie verbindlich?

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

• untunlich: Ergänzung außerhalb zugelassener Indikation

• zugelassene claim „copper contributes to normal energy yieldingmetabolism“ darf nicht ergänzt werden um „copper contributes to thenormal breaking down of fats in fat tissue”. Experten der Mitgliedstaaten, „General Principles on Flexibilty of Wording for Health Claims“ (Dezember 2012) unter Bezugnahme auf EFSA Journal; 7,9:1211

• nicht erfolgsbezogen umformuliert:

anstelle von „Cholin trägt zur Erhaltung einer normalen Leberfunktion bei“ nicht „Cholin reduziert nachweislich die Fettakkumulation in der Leber“.

• unzulässig: Wirkort

Die Angabe „Vitamin C trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen“ darf auch nicht ergänzt werden durch Benennung des Wirkorts (Leber).

Health Claims, Wording

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH „Queisser / B-Vitamine“

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

für Zink zugelassene claim:

„trägt zu einer normalen kognitiven Funktion bei“

„kognitive Funktion“ = „Konzentration“ (BGH, 10.12.2015 – I ZR 222/13 – Lernstark, Rotbäckchen)

Queisser:

rückseitig zugelassener health claim, vorderseitig Angabe verkürzen auf

„Zink für Konzentration“

BGH „Queisser / B-Vitamine“

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

• Gehirn, Gedächtnis?

„Gehirn“ und „Gedächtnis“ variieren nicht lediglich den durch VO vorgegebenen Wortlaut eines zugelassenen health claims dem Sinn nach, sondern gehen weit über die Indikation hinaus

• für Zink zugelassene health claim besagt nur, dass Aufnahme des Mineralstoffs „zu einer normalen kognitiven Funktion“ beitragen könne

Wirkort wird nicht genannt (Gehirn)

etwaiger Erfolg (Gedächtnis) nicht bestätigt

bloße Unterstützung kognitiver Fähigkeiten bzw. der Konzentration besagt noch lange nicht, dass damit zugleich die Fähigkeit einherginge, Bewusstseinsinhalte, Sinneswahrnehmungen oder psychische Vorgänge im Gehirn zu speichern, sodass sie bei geeigneter Gelegenheit ins Bewusstsein treten bzw. zurückgerufen werden können

BGH „Queisser / B-Vitamine“

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

OVG Münster „Auge, Nerven, Gehirn“

OVG Münster, Beschl. v. 11.05.2018 – 13 B 410/18

„Das neue F. Q. wirkt also nicht nur aktiv auf das gesamte Auge – es setzt zusätzlich auch an den Nerven an und hilft damit bei der Signalverarbeitung im Gehirn“

• ≠ mit VO 432/2012 zugelassenen Angaben bzgl. Eisen, Vitamin A und Riboflavin

• „wirkt (…) aktiv auf das gesamte Auge“ geht über die zugelassene Angabe hinaus: „… trägt zur Erhaltung normaler Sehkraft bei“

• Angabe „zusätzlich auch an den Nerven an(setzt) und (…) damit bei der Signalverarbeitung im Gehirn (hilft)“, überschreitet den Sinngehalt der zugelassenen Angaben zu Eisen, indem eine komplexe Wirkung nicht nur auf das Gehirn, sondern auch auf das Nervensystem behauptet wird

unzulässige gesundheitsbezogene Angabe

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

KG Berlin „Stressabbau“

KG Berlin, Beschl. v. 08.05.18 – 5 W 48/18

• Nahrungsergänzungsmittel + Marke + Zeichen ® + Bezeichnung „Stress“

• KG = Zweckbestimmung zur „Stressbekämpfung“

• ≠ nicht gleichbedeutend mit Inhalt zugelassener gesundheitsbezogenen Angaben über Vitamin B2, B6 und B12

• „Riboflavin [Vit. B2] trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen“

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

OVG Sachsen-Anhalt – Gelenk-Tabletten Plus“

OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. 08.10.18 (3 L 538/17)

• die für ein Nahrungsergänzungsmittel verwendete Angabe „Gelenk-TablettenPlus“ sei in der verwendeten Form ein allgemeiner gesundheitsbezogenerVerweis, der nach Art. 10 Abs. 3 der VO 1924/2006 unzulässig sei, weil ernicht mit einer zugelassenen Angabe einhergehe

• die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben, die dem Verweis nachArt. 10 Abs. 3 beizufügen sind, dürfen nicht beliebig oder gar willkürlich sein,sondern müssen sich inhaltlich aus diesen Verweis beziehen

• bei den Gelenkfunktionen handle es sich um selbständige und von anderenKörperfunktionen abgrenzbare Funktionen

nicht gleichzustellen mit Knochen und Bindegewebe

• „… trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei“

• „…trägt zur Erhaltung von normalem Bindegewebe bei“

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müssen unspezifische health claims um zugelassene ergänzt werden? Art. 10 (3) HCVO

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

BGH (Urteil v. 17.01.2013, Az. I ZR 5/12 – Vitalpilze) soll das (eingeschränkte) Verbot des Art. 10 Abs. 3 HCVO voraussetzen, dass die Listen nach Art. 13, 14 HCVO auch erstellt wären. Solange dies nicht der Fall ist, sei die Verwendung entsprechender Verweise durch die HCVO aber nicht reglementiert, da die HCVO andernfalls zunächst eine strengere Regelung enthielte als später. Nach Ansicht des BGH hat sich diese Rechtslage auch durch die (Teil-) Liste nach Art. 13 Abs. 3 HCVO gem. der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 nicht maßgeblich geändert.

OLG Hamm (Urteil v. 20.05.2014, Az. 4 U 19/14): Art. 10 Abs. 3 HCVO jedenfalls insoweit bereits jetzt anwendbar bzw. vollziehbar, als es um unspezifische Angaben geht, für die in der existierenden Teilliste bereits eine entsprechende spezifische gesundheitsbezogene Angabe zugelassen ist (so auch LG Berlin, Urteil v. 15.01.2015, Az. 52 O 170/14). OLG stellte in seinem Urteil v. 07.10.2014 (Az. I-4 U 138/13) klar, dass es auch im Falle sogenannter "Botanicals von einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO ausgeht.

Auch EuGH zieht in seinem Urteil vom 10.04.2014 - C-609/12 (Ehrmann „Monsterbacke“) eine Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO jedenfalls in Betracht, obwohl die Liste nach Art. 13 Abs. 3 HCVO noch nicht vollständig vorliegt (vgl. Rn. 36 des Urteils: „Unbeschadet einer etwaigen Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006“).

Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO

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prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

OLG Karlsruhe – 6 U 87/18 – Urteil vom 27.02.2019

1. Die Werbung für ein Lebensmittel (hier: Tee) mit der Angabe„…Zykluszauber-Tee enthält feinste Kräuterspeziell abgestimmt aufdie Funktion des weiblichen Organismus vor der Periode“ stellt eineunspezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 III LGVOdar.

2. Jedenfalls für pflanzliche Stoffe (Botanicals) und damit für alleInhaltsstoffe eines Tees, ist derzeit eine Entscheidung für spezifischegesundheitsbezogene Angaben nicht zu erlangen. Folglich kannderzeit auch keine der in den Listen nach Art. 13, 14 LGVO enthaltenespezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werden, so dass dieVerwendung entsprechender unspezifischer Verweise i.S.v. Art. 10 IIILGVO – jedenfalls für Botanicals – nicht reglementiert ist.

Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO

prof. dr. alfred hagen meyer | 09.07.2019

Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer

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