Tink.ch-Magazin 16: Schweizer Jugendfilmtage 2010

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Die Reportage zum Festival 2010 34. Schweizer Jugendfilmtage

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Magazin zu den Schweizer Jugendfilmtagen Zürich

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Die Reportage zum Festival 2010

34. Schweizer Jugendfilmtage

ALMOST FAMOUS

Die Jury lässt den Panther springenFolgende Filme wurden mit dem Springenden Panther ausgezeichnet. Die Jury begründet ihr Urteil.

Von Martin SturzeneggerDie 34. Schweizer Jugendfilmtage sind zu Ende. Über 1500 Kinder, Ju-gendliche und junge Erwachsene ha-ben in diesem Jahr 264 Filme für den Wettbewerb eingereicht. Schon in der Vorselektion konnten sehr hochwerti-ge Filme nicht berücksichtigt werden. Und ehrlich: Wie oft passiert es, dass sich etablierte Regisseure lachend an ihre Anfänge erinnern, wo sie an Film-festivals einen Platz unter «Ferner lie-fen» belegten? Heute begeistern sie Publikum wie Kritik. Doch der Weg zu Ruhm und Annerkennung kann stei-nig sein. Ein Festival wie die Schwei-zer Jugendfilmtage soll den künftigen Regiestars helfen, sich kritisch mit ihrem Schaffen auseinanderzusetzen und sich so weiterzuentwickeln. Alle 17 Preisträger heben sich durch einzigar-tige Qualitäten hervor. Jeder einzelne Film ist so individuell wie das jeweilige Urteil der Jury.

«Shy Guy»

«Der Sieger der jüngsten Katego-rie besticht mit einem wunderbaren Drehbuch. Gepaart mit dem selbst-ironischem Spiel der Protagonisten trägt es mit Leichtigkeit über einzelne gestalterische Mängel hinweg. Die Ge-schichte beschränkt sich auf das Pro-blem des schüchtern Verliebten und seines frechen Freundes, dafür klauen Regie und Schnitt ohne falsche Scham bei bewährten Vorbildern.Vielverspre-chendes Handwerk im Wachstum.»

«Der direkte Bezug von Konsumpro-dukten zur Menge des bei ihrer Her-stellung verbrauchten Wassers wird überraschend und eindrücklich visua-lisiert. Die FilmemacherInnen haben es geschafft, die komplexe Themen-vorgabe «Nachhaltige Entwicklung» nicht nur zu erfüllen und die Proble-matik aus dem eigenen Alltag heraus sichtbar zu machen, sie unterlaufen die Vorgabe zugleich mit Humor und unbändiger Energie.»

«50090»

«Ein Dokumentarfilm, der die männ-lichen Jugendlichen rund um ihren Treffpunkt an der Bahnstation herum nicht von aussen, sondern auf Augen- und Ohrenhöhe betrachtet. Selbstbilder und Attitüden werden in «Station Tösstal» nicht in Frage ge-stellt, aber ohne Scheu hinterfragt. Ge-filmt wurde mit vorhandenem Licht, Ausleuchtungsprobleme wirken sich positiv auf die intime Atmosphäre aus. Der Schnitt sorgt souverän für Struk-tur.»

«Der Siegerfilm der Kategorie für die 21- bis 25Jährigen ist eine improvisier-te Wand-, Boden-, Raum- und Ganz-körperanimation mit Punkrock- und Graffiti-Attitüde. Die Energie der weder ästhetisch noch räumlich eingegrenzten Zeichen-, Knet- und Malbewegung ergänzt die aggressive Musik zu einer pulsieren-den Implosion auf der Leinwand. «Te-levator ‹Feelings›» ist ein Film, der seinem eigenen Anspruch vollauf ge-recht wird.»

«Das Porträt des Lucien Dubuis Trios und seiner Musik schafft den Spagat zwischen illustrierender Mimikry der Musik und ihrer visuellen Umsetzung und Weiterführung. Dabei spielt die Offenheit und gleichzeitige Erklä-rungsverweigerung der Musiker eine wesentliche Rolle. Der Film nähert sich ihrer Spiellust und dem Geheimnis der Kraft ihrer Musik mit verspieltem Witz, neuen Bildeinfällen und ebenso viel Neugier wie Begeisterung.»

«Station Tösstal» «Televator Feelings» «Fragmented Rhythms»

Sandro Rossi, Marco Hunkeler, Nicola Bruni und Dominik Dellenbach. Thun,BE.

Jugendarbeit Meilen. Meilen, ZH.

Antonin Wittwer. Steg im Tösstal, ZH. Augustin Rebetez. Merveiler, JU. Cyril Gfeller. Biel, BE, HKB Bern.

DIE JURY

«Ich schaue gut 400 Filme pro Jahr»DRS 2 - Filmkritiker Michael Sennhauser über die Qualitäten, die es in seinem Beruf braucht.

Alle Sieger im Überblick

Kategorie A1. Rang: Shy Guy2. Rang: Le dessin3. Rang: Premier volPublikum:Hündchen + Rübchen = Prinzchen

Kategorie C1. Rang: Station Tösstal2. Rang: Alle!n3. Rang: Die RosePublikumspreis: Jäger und Sammler

Kategorie E1. Rang: Fragmented Rhythms2. Rang: Ich bin´s Helmut3. Rang: Und das ist BelgradPublikumspreis: Ich bin´s Helmut

Kategorie B / Wanted1. Rang: 500902. Rang: NY 21573. Rang: Ein wirklich wertvolles GeschenkPublikumspreis: Wanted

Kategorie D1. Rang: Televator Feelings2. Rang: Die Terrassentüre3. Rang: Scarlet with ShamePublikumspreis: Vivere i de Schwiiz

Tink.ch gratuliert:

gibt es einen Kriterienkatalog?Beides. Das Tempo ist sehr hoch, wir müssen uns relativ schnell entschei-den. Die grobe Auswahl der Favoriten ist rein emotional. Jeder nennt ein paar Filme und danach wird argumen-tiert. Erstaunlicherweise ist uns diese engere Auswahl nie schwer gefallen. Es gibt aber immer wieder Ausreisser, die nur einem von uns besonders gefallen haben. Das macht es spannend.

Was qualifiziert jemanden für den Titel «Filmexperte»? Ha-ben Sie einen besonders schar-fen Blick oder einfach schon un-glaublich viele Filme gesehen?Filmanalyse kann man lernen. Aber eine gewisse Bandbreite hilft bestimmt. So weiss ich mittlerweile genau, was das Publikum von einem soliden Hor-rorfilm erwartet.

Können Sie Ihre Quote noch schätzen?Grob gesagt sehe ich pro Jahr etwa 400 Filme, das macht auf mein Leben gerechnet also bald 15‘000.

Will man da nicht mal eine Wo-che pausieren?Eine ganze Woche? Da kriege ich Ent-zugserscheinungen.

Wie schätzen Sie das Potential der gezeigten Filme ein?Einige Szenen werden mir sicher in Er-innerung bleiben. Aber gerade bei ganz jungen Filmemachern ist es schwierig zu beurteilen, ob sie sich der Gross-artigkeit dieser grossartigen Momen-te überhaupt bewusst sind. Sie haben vielleicht etwas erreicht, das sie selbst gar nicht einschätzen können. Das ist Zufall, gekoppelt mit kindlicher Intu-ition. Bleibt zu hoffen, dass dieser be-sondere Blick auf die Welt nicht von der Schule totgeschlagen wird.

Filmkritiker Michael Sennhauser.Foto: jdi

Was ist ein guter Film?Ein Film ist gut, wenn er seinen ei-genen Ansprüchen gerecht wird. Ein Genrefilm muss genau das leisten, was das Publikum von ihm erwartet - und das möglichst originell.

Gelten für Kurzfilme besondere Kriterien?Kurzfilme müssen sehr schnell auf den Punkt kommen, mit Überraschungs-effekten arbeiten und auf eine Pointe hinsteuern. Man sollte sich auf eine Idee begrenzen, die sich in zwei, drei Sätzen skizzieren lässt. Natürlich gibt es Langspielfilme, die genauso funk-tionieren, doch da kann man sich viel eher Zeit lassen, in schönen Bildern zu schwelgen oder Entwicklungen zu zei-gen.

Sind in längeren Filmen solche Entspannungsphasen vielleicht sogar nötig?Bestimmt. Das merkt man bei ame-rikanischen Teenagerkomödien oder Slasherfilmen. Die ziehen diesen Spannungsbogen gnadenlos durch. Da kommt man am Ende völlig erschöpft aus dem Kino raus.

Wie hat die Jury die Filme beur-teilt? Gehen Sie intuitiv vor oder

SpezialpreiseSpezialpreis: Vas-y je t´aimeUNICA-Medaille: Die Rose

DELIKATESSEN

Von Peter Rothe und Melanie PfändlerVerbrecher oder Flüchtling? Mörder oder Held? Mit Sin Nombre wurden die 34. Schweizer Jugendfilmtage er-öffnet. Der Film erzählt die Reise des Bandenverräters Casper und der un-schuldigen Sayra über die mexikani-sche Grenze in die Vereinigten Staa-ten. Als der Anführer von Caspers Gang - der berüchtigten Mara Salvat-

rucha - versucht, dessen Freundin zu vergewaltigen und diese dabei stirbt, beginnt Caspers Loyalität zu bröckeln. Während eines Überfalls auf einen Zug mit illegalen Auswanderern hält er den Bandenführer davon ab, sich an Sayra zu vergehen und tötet ihn aus Rache. Damit ist die Jagd auf Casper eröffnet. Es beginnt ein Versteckspiel, bei dem sich das ungleiche Paar allmählich nä-

her kommt. Können Mörder Helden sein? Sicherlich können sie Menschen sein, und genau diese bringt uns Regis-seur Cary Fukunaga in «Sin Nombre» berührend nahe. Sein Debütwerk ist ein tristes Drama mit starken Bildern, das den Zuschauer hoffen und mitfüh-len lässt.Hoffnung besteht auch für Fukunaga: Am Sundance Festival 2009 war «Sin Nombre» für den grossen Preis der Jury nominiert und wurde in der Ka-tegorie «Beste Regie» ausgezeichnet. Dass sich mit Gael García Bernal und Diego Luna zwei Grössen des südame-rikanischen Kinos als Produzenten beteiligten, verdeutlicht, in welcher Liga der 32-jährige Fukunaga bereits spielt. Die Geschichte mag vereinfacht wir-ken, wird jedoch wunderschön erzählt. Mit einem dem Alltag entnommenen Humor wird der Film aufgelockert, die klare Handlung lässt jedoch wenig Überraschungen offen und steuert un-beirrt dem brutalen Ende entgegen.

Dein Freund, der VerräterEine Geschichte, die unbeirrt ihrem brutalen Ende entgegensteuert.

Von Michela Masiello & Melanie PfändlerAussenseiter Richard beschliesst, mit seinem krebskranken Freund eine Weltreise zu unternehmen. Ein aller-letztes Mal soll Etienne die Welt sehen. Etienne ist ein Zwerghamster. Mit Rucksack, Fahrrad und Nagetier macht sich Richard auf den Weg ent-lang der nordkalifornischen Küste. Der scheue Student und sein Hamster treffen dabei auf die verschiedensten Leute. Manche zeigen sich überrascht über seinen sonderbaren Reisebeglei-ter, andere freuen sich über die niedli-che Idee, mit einem Hamster zu reisen. Von Franzosen bis hin zu Musikern be-gegnet Richard auch einem Leidensge-nossen - einem Tierliebhaber, der ver-geblich seinen Pudel sucht.Schliesslich fällt Richard eine schwe-re Entscheidung: Er lässt Etienne im

Ein Hamster auf Reisen Nicht nur Jack Nicholson und Morgan Freeman haben eine Bucket List.

Wald frei und schenkt ihm für die letz-ten Tage die Freiheit. Richard ist kein Mann der vielen Wor-te. Ungewohnt still ist deswegen das Roadmovie. Der preisgekrönte Film lebt nicht von der schauspielerischern Leistung - die Mimik des Hauptdar-stellers bleibt meist dieselbe -, son-dern von der emotionalen Beziehung zwischen dem Protagonisten, seinem Hamster und dem Rest der Welt. Ob-wohl man sich manchmal mehr Span-nung herbeiwünscht, ist Jeff Mizushi-ma eine witzige Komödie mit 70-er Jahre Look und emotionalem Tiefgang gelungen. Die amerikanische Produk-tion entstand mit Schweizer Beteili-gung: Giacun Caduff ist ein junger Bas-ler Produzent, der in Los Angeles die Filmschule besucht hat. Der Film war seine Abschlussarbeit.

Foto: PD

Foto: PD

nia einen ersten Vorgeschmack. Die Filme entstanden im Rahmen eines Workshops, der von diversen Stiftun-gen und Umweltorganisationen unter-stützt wurde. Im Vordergrund standen Themen wie verstecktes Wasser, sau-bere Kleidung und Klimaschutz. Dabei sollten die Produzenten nicht morali-sieren, sondern die Thematik mit einen gewissen Humor angehen. Dies gelang

suchten es mit Singen und eine ver-anstaltete gar einen Dancebattle. Alle Werke vermittelten eine klare Aus-sage, wirkten aber nicht zu ernst. Et-was humorloser, dafür mit beeindru-ckendem Enthusiasmus, präsentierte eine Schulklasse einen thematischen Vortrag. Der Vortrag erinnerte an Al Gores «Incovenient Truth» - einfach ohne Humor.

angelegt - die Filme werden auf der ganzen Welt ausgetauscht. Am Donnerstagabend er-hielt das Publikum mit einen Kurzfilm aus Ke-

che als Kinderarbeiter dargestellt und eine Wasserpumpe zum Geburtstagsgeschenk umfunktioniert. Ein paar Gruppen ver-

Ohne Mahnfinger, dafür mit einem

Augenzwinkern für nachhaltige Entwicklung

Filme für eine bessere WeltDie Filme der Kategorie B standen unter dem diesjährigen Festivalmotto „What I want, what you want, what we need”.

Kurzfilme für den Klimaschutz: Kategorie B ist einem guten Zweck gewidmet.Fotos: PD

AN INCONVENIENT TRUTH

Das Festival in der BoxDas Konzept von «Box[ur]shorts» bringt den Kurzfilmgenuss ins Café und den Coiffeursalon.

Von Ruzica LazicIm Lieblingscafé ist die Zeitung schon fertiggelesen, die Wähe schon wegge-putzt. Was nun? Das Konzept Box[ur]shorts versüsst dem heutigen Schön-geist die kleine Langeweile mit knacki-gen Kurzfilmen aus der Box. Diese ste-hen an viel frequentierten Plätzen und wollen gesehen werden. Und wieso? Giacun Caduff, Projektgründer und Basler und Jungregisseur: «Ausser den Festivals gibt es fast keine Plattformen für Kurzfilme. Unser Ziel ist ein neues Netzwerk zu kreieren.“Caduff liess sich von seinem malenden Onkel inspirieren. Der hatte seine Bil-der auf Menutafeln von Restaurants - ebenfalls im öffentlichen Raum - ins-talliert. Das Konzept von Box[ur]shorts war im Jahr 2006 noch rudimentäre Technik in einer Kiste und einem LCD Bildschirm vornedrauf. Inzwischen begann das Rezept zu greifen: Auf-gestellt wurden die Boxen anfänglich in Los Angeles. Es folgten New York, Atlanta und das Sundance Festival in Park City. Jedes Jahr werden in den Boxen etwa fünfzig Filme gezeigt, die von Filmema-chern aus der ganzen Welt eingereicht werden. Nicht jeder Film wird gezeigt - Klasse statt Masse heisst die Devise. Deshalb veranstaltet Box[ur]shorts jährlich eine Preisverleihung, an der eine goldige Boxershorts an den bes-ten Film verliehen wird. «Meltdown», eine Komödie des amerikanischen Re-gisseurs David Green, gewann den ers-ten Preis vom vierten Box[ur]shorts. Im Podium der Jugendfilmtage feierte Box[ur]short Schweizer Premiere. Die Idee kam beim Publikum gut an: Ein witziger Film im richtigen Moment dürfte auch in der Schweiz gefallen.

Von Lars VoglerKlimaschutz, Nachhaltigkeit und so-ziale Gerechtigkeit - damit setzten sich die Filmemacher der Kategorie B auseinander. Sie alle hatten ihre Filme im Rahmen des Projekts «Wanted» eingereicht. Dieses ist international

einigen sehr gut. So liess ein Team in einer neuen Eiszeit die Mammuts auf-erstehen und die Weltherrschaft über-nehmen oder füllte mit dem Wasser, das man zur Herstellung eines Stücks Fleisch braucht, ein Hallenbad. In ei-nem Film wurden Berner Jugendli-

KRIEG DER WELTEN

Breite Masse oder geistige Elite?Wie ist das Verhältnis zwischen Theater und Film? Eine Podiumsdiskussion sollte Antworten liefern.

Von Michela Masiello & Stefanie PfändlerEin Blick aus dem Kühlschrank, eine Schlacht aus dem Feuer heraus gefilmt – solche Szenen wird das Publikum auf einer Theaterbühne nie erleben. «Bei einem Film wird der Zuschauer mit-hilfe der Kamera gezwungen, sich auf bestimmte Dinge zu fixieren», erklärte Till Brockmann, Theaterfachmann von der ZHdK am Symposium der Jugend-filmtage. «Die Perspektive kann sich innert Sekunden ändern.»Die Diskussion widmete sich den Un-terschieden und Gemeinsamkeiten von Film und Theater – und förderte allerhand Meinungsunterschiede zuta-

ge: «Filme sprechen die breite Masse an, das Theater hingegen nur die geis-tige Elite», provozierte Schauspieler und Regisseur Dieter Berner, der an der Hochschule für Film in Potsdam doziert. Diese Ansicht stützte der aus dem Irak stammende Regisseur Samir nur indirekt: «Die Theatersprache ist uns längst fremd geworden.»

Mehr Tempo und NäheTheaterregisseur Samuel Schwarz be-tonte vielmehr die Berührungspunkte beider Formen: «Der Film nutzt die Kraft der theatralen Effekte für eine direkte Konfrontation mit der Gesell-

schaft.» Obwohl ein Theaterstück ähn-lich lange dauert wie ein Film, kann dieser seine Zeitsprünge, schnellen Orts- und Perspektivenwechsel Ge-schichten mit einer viel grösseren Ge-schwindigkeit erzählen. Vielleicht ist es diese Geschwindigkeit und Nähe, die Brockmann zum Urteil bewegt, dass sich die Schauspielerei im Film viel stärker an der Realität orien-tiert als auf der Bühne. Was nicht be-deutet, dass dies die Bühnenleistungen der Schauspieler schmälern würde. Im Gegenteil: Im Theater wartet auf die Künstler immerhin die direkte Kon-frontation mit dem Publikum.

EYES WIDE SHUT

Rund 3000 Besucherinnen und Besu-cher sahen an fünf Tagen 57 Kurzfilme von jungen Schweizer Filmschaffen-den. Auch das Rahmenprogramm und die Atelierkurse fanden grossen An-klang. Fürs nächste Jahr hat sich der künftige Festivalleiter Urs Lindauer noch höhere Ziele gesteckt: «Das Fes-tival soll sich weiter in den Köpfen der Leute festsetzen.» (mars)

Samuel Schwarz, Moderator Dieter Berner, Till Brockmann, Samir und Mani Wintsch (v.l.n.r.).Foto: Johannes Dietschi

Die Leinwand im Fokus

THE BOSS OF IT ALL

Ein neues Kapitel in der FestivalgeschichteDrei Jahre lang war Patric Schatzmann Leiter der Jugendfilmtage. Ab nächstem Jahr zieht Urs Lindauer ins Elfenbeinzimmer der Jugendfilmtage-Towers. Zwei unterschiedliche Charaktere mit ähnlichen Interessen äu-ssern sich:

Urs Lindauer, wie gefällt Ihnen die Qualität der Beiträge?Das hohe Niveau vom letzten Jahr konnte gehalten werden. Das Pro-gramm ist nicht nur hochwertig, son-dern auch abwechslungsreich.

Welche Filme schauen Sie pri-vat?Ich mag Filme mit Originaltypen und gesellschaftlichen Aussenseitern. Die Handlung ist für mich weniger wichtig, als die Atmosphäre, die der Film auf-baut. Dem Regisseur Wes Anderson (The Royal Tennenbaums, Darjeeling Limited) gelingt dies hervorragend.

Wie ist es um den Nachwuchs im Schweizer Film bestellt?Es gibt viele versteckte Talente. Fes-tivals wie die Jugendfilmtage sind wichtig, damit diese entdeckt werden. Auch wenn sie nicht den ersten Preis holen, bringt ihnen der Austausch mit

anderen Filminteressierten wertvolle Erfahrungen. Zudem bewegen sich die Filme der Filmschulen auf sehr hohem Niveau und geben Hoffnung für die Zukunft. Das Problem ist, was passiert, wenn diese Talente nicht mehr unter der Obhut der Schulen sind. Das Film-business ist hart.

Ab nächstem Jahr sind Sie neuer Festivalleiter. Was wird anders? Im nächsten Jahr wird sich noch wenig verändern. Ich werde die gute Arbeit von Patric Schatzmann fortzusetzen. Wir wollen die Jugendfilmtage im Ka-lender von Zürich noch weiter etablie-ren. Das Festival soll sich in den Köp-fen der Leute festsetzen.

Patric Schatzmann, nach drei Jahren ist das Ihr letzter Auftritt als Festivalleiter. Kommt Weh-mut auf?Nein, bis jetzt noch nicht.

Kommen Ihnen spontane Anek-doten in den Sinn, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?Während des Festivals bin ich eher auf die negativen Sachen fokussiert. Den-ke ich mit etwas Abstand zurück, ist es eine Ansammlung von spannenden Begegnungen, die mir hoffentlich in Erinnerung bleiben.

Wie hat sich die Filmbegeiste-rung bei den Jugendlichen in den letzten Jahren entwickelt?Mit der technischen Revolution, in der wir uns gerade befinden, hat sich das

ganze sehr gewandelt. Einst sehr teu-res Equipment wird auf einmal auch für Jugendliche erschwinglich. Ich hoffe es gibt eine ähnliche Revolution wie in den 1960er Jahren, als plötzlich alle zur Gitarre griffen und Rockmusik spielten: Alle sollen zur Kamera grei-fen und filmen!

Wollen Sie der Filmjugend ab-schliessend etwas auf den Weg geben?Macht Kurzfilme, anstelle von einem langen Film - dafür gleich zehn pro Jahr! Oder, egal: Macht einfach Filme!

Urs Lindauer (31), hat an der Universität Zürich Filmwissenschaft studiert und ist seit 2008 bei den Jugendfilmtagen engagiert.

Foto: jdi

Foto: jdi

Patric Schatzmann (45) war Mitbe-gründer von klipp&klang, Gassenar-beiter in Zürich und Jugendarbeiter im Aargau.

THE PRODUCERS

DER CLUB DER TOTEN DICHTER

Das Onlinemagazin Tink.ch publiziert ab morgen Montag weitere Inhalte zu den diesjährigen Schweizer Jugend-filmtagen. Nebst dem PDF-Download dieses Magazins, finden Sie einen Querschnitt durchs gesamte Festival: Interviews, kurze Radiobeiträge (in Zusammenarbeit mit Radio Stadtfil-ter), Filmreviews und Fotostrecken.

Als besondere Highlights: Die auführ-lichen Interviews mit Sabine Timoteo und dem künftigen Festivalleiter Urs Lindauer: www.tink.ch (einfach auf den Springenden Panther drücken).

Herausgeber:

Tink.ch, Sandstrasse 5, 3302 Moosseedorf

031 850 10 91, [email protected], www.tink.ch

Ausgabe: Nummer 16, 14. März 2010

Auflage: 250 Stück

Redaktion:

Martin Sturzenegger (Leitung), Elia Blülle,

Ruzika Lazic, Michela Masiello, Sonja

Nodup, Stefanie Pfändler, Melanie Pfändler,

Peter Rothe, Tatjana Rüegsegger, Bigna

Tomschin, Lars Vogler, Luzia Tschirky

Layout:

Melanie Pfändler

Stefanie Pfändler

Fotos:

Johannes Dietschi (jdi)

Martin Sturzenegger (mars)

Audio:

«Tinnitus», Radio Stadtfilter

«Nach einer wahren Geschichte» – das kann man von meinem ersten Film nicht behaupten. «Nach einem wahren Traum» trifft es da schon eher. «Träu-mereien» handelt von einem Ausflug, der mit kleinen Unstimmigkeiten be-ginnt und immer bizarrere Züge an-nimmt. Der Dreh ist alles andere als glatt verlaufen: Die Temperaturen fie-len schlagartig um 20 Grad und einige Darsteller fielen aus. Eigentlich wollte ich immer Schauspieler werden, doch mittlerweile fasziniert mich die Ar-beit hinter der Kamera fast mehr. Am liebsten würde ich einmal einen Film produzieren, in dem ich gleich selbst eine Rolle übernehme.

Aaron (21): «Träumereien»

Die Idee für meinen Film ist mir nachts gekommen. Soeben hatte ich das Buch «Stiller» von Max Frisch fertig gelesen. Das Buch handelt von einer Person, die nicht mehr weiss, wer sie selbst ist. Im Zentrum meines Films steht Thomas, der auch nicht mehr weiss, wer er ist. Nachdem er mit jemand anderem ver-wechselt worden ist, findet er sich in einer merkwürdigen Situation wieder. Am ersten Drehtag dachte ich. «Das klappt nie!» Aber schon am zweiten Tag war ich sehr motiviert.Der Titel “Jäger und Sammler” ist eine Anspielung auf Facebook. Heute sam-melt man sich dort die eigene Identi-tät.

Bigna (20): «Jäger und Sammler»

Wenn ich an gewissen Orten vorbei-laufe, sehe ich Filmszenen vor mir. Ich setze mich dann mit dem Drehbuchau-tor zusammen und wir arbeiten dazu die Story aus. Mein jüngerer Bruder ist für das Sounddesign zuständig. Wir sind ein eingespieltes Team und wollen auch in Zukunft gemeinsam Filmpro-jekte realisieren. Im Moment besuche ich das letzte Jahr meiner Informati-klehre. Aber ehrlich gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens am Bürotisch zu verbringen. Meine Leidenschaft gehört dem Film. Ob ich später eine Filmschule besuche, weiss ich noch nicht – die machen ei-nen auch nicht zwingend besser.

Luzi (19): «Direct Cause»

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