Tipps Für Entscheider

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    Scheer Group GmbH Uni-Campus Nord 66123 Saarbrcken Tel.: +49 (0) 681 93511-330 Fax: +49 (0) 681 93511-111 [email protected] www.scheer-group.com

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

    Inhaltsverzeichnis

    Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln ...... 1

    1 Verbndete suchen ............................................................................................ 2

    2 Kontrolle behalten den Wald trotz vieler Bume im Fokus halten ................... 4

    3 Traue Deinem Bauch, nicht nur Deinem analytischen Verstand ........................ 6

    4 Inside out outside in ........................................................................................ 9

    5 Wer zu frh kommt, kommt hufig zu spt ....................................................... 11

    6 Time kills deals, aber Zeitablauf hat auch schon Probleme gelst ................... 13

    7 Ergebnisse psychologischer Tests nutzen ....................................................... 14

    8 ber Bande spielen .......................................................................................... 16

    9 Wie schtzt man sich vor dem Innovators Dilemma? ................................... 18

    10 Die richtige Mischung macht es ....................................................................... 19

    11 Das Beste zum Schluss? ................................................................................. 21

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen

    Entscheidungsregeln

    Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, Scheer Group GmbH, Saarbrcken

    [email protected], www.scheer-group.com

    Bcher ber Strategieentwicklung fr Unternehmen gibt es wie Sand am Meer. Sie

    reichen von altchinesischen Kriegsstrategien ber betriebswirtschaftliche Konzepte

    bis zu psychologischen Erkenntnissen. Aber sind alle Vorschlge und Methoden

    gleich wichtig und hat man sie parat, wenn man sie gerade in einer speziellen

    Entscheidungssituation oder einer Strategiediskussion bruchte?

    Deshalb habe ich 10 Regeln zusammengestellt, die fr mich bei strategischen

    Entscheidungen am wichtigsten sind. Dabei beziehe ich mich primr auf meine Rolle

    als Unternehmer. Ich trage also persnlich die Risiken und Chancen meiner

    Entscheidungen. Aber die Rolle passt auch zu der eines verantwortlichen CEOs, ja

    eigentlich zu jedem unternehmerisch agierenden Manager.

    Strategisch sind Entscheidungen, die langfristig binden, einen hohen Kapitaleinsatz

    verlangen, schwer zu korrigieren sind und die Entwicklung des Unternehmens stark

    beeinflussen. Beispiele dafr sind Akquisition oder der Verkauf von Unternehmen

    oder Unternehmensteilen, Start oder Beendigung einer Produktentwicklung oder

    eines neuen Marktgebietes, Investition in einen tiefgreifenden Unternehmens-

    turnaround oder Gewinnung eines unbedingt bentigten Groauftrages.

    Da es also unterschiedliche Situationen gibt, sind auch die helfenden Regeln

    unterschiedlich einsetzbar. Ich glaube aber, dass es mglich ist, mit einem

    begrenzten Satz von Regeln eine gute Entscheidungsbasis fr viele Gelegenheiten

    zu haben.

    Die Reihenfolge der Regeln stellt keine Rangfolge dar, weil die Bedeutung der

    Regeln je nach Unternehmenssituation unterschiedlich ist.

    Die Regeln 9 und 10 sind aber an den Schluss gestellt, weil sie bereits in anderen

    Verffentlichungen des Verfassers ausfhrlicher beschrieben sind.

    Am Ende werden noch einige Regeln als Ausblick genannt.

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    1 Verbndete suchen

    Die Idee oder der Impuls zu einer strategischen Manahme ist hufig eine kreative

    Einzelleistung. Auch Wissenschaftler wie Einstein oder Knstler wie Beethoven

    haben nicht im Team gearbeitet. Aber zur Verbreitung oder Umsetzung der Ideen

    braucht man Mitstreiter. Htte Einstein seine Theorien oder Beethoven seine

    Symphonien mangels Untersttzung durch andere nicht verffentlichen knnen,

    wren sie wirkungslos geblieben. Alleine schafft man wenig. Wenn man keine

    Mitstreiter findet, die man fr eine Idee begeistern kann, bleibt die Idee eine Idee und

    wird nie Realitt. Dieses gilt ganz besonders fr revolutionre Ideen, die mit den

    tradierten Regeln brechen, also innovativ sind. Ob man nun ein neues Unternehmen

    grnden will oder in einer bestehenden Organisation einen Strategiewechsel

    vornehmen will, braucht man immer Verbndete: Bei einer Grndung z. B.

    Mitgrnder oder Investoren und bei einem internen Strategiewechsel Mitstreiter

    gegen Bedenkentrger. Aber wie findet man diese und wie berzeugt man sie?

    Personen, die eine hohe berzeugungsfhigkeit besitzen, werden hufig als

    charismatisch bezeichnet. In einem anderen Zusammenhang habe ich diese

    Eigenschaft z. B. Alexander dem Groen zugeschrieben, der ein Heer von 100.000

    Soldaten ber 12 Jahre motiviert hat, mit ihm in grausame Schlachten zu ziehen.

    Wenn man kein angeborenes Charisma besitzt, knnen einige Verhaltensweisen

    konkrete Hilfen geben.

    Nichts berzeugt m. E. mehr als klare Argumente, Transparenz der eigenen

    berlegungen und eine spannende Vision oder Story, die die Angesprochenen stolz

    macht, bei ihrer Verwirklichung dabei sein zu knnen.

    Wenn man Mitarbeitern ehrlich seine eigenen Gedanken mitteilt, fhlen sie sich zu

    Recht wertgeschtzt und erkennen sich als ausgewhlte Insider.

    Man kann aber nicht erwarten, dass man sofort eine Massenbewegung auslst. Aber

    die braucht man auch nicht.

    Bei der Entwicklung des ARIS-Produktes haben wir innerhalb der IDS Scheer mit

    einer kleinen Gruppe von drei Mitarbeitern begonnen und wurden von der

    Organisation eher skeptisch betrachtet. Die Gruppe hatte aber Freude an der

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    Neuartigkeit der Entwicklung, sah ihre persnlichen Entwicklungsmglichkeiten und

    sie konnte ihre eigenen Ideen einbringen.

    Auch unsere ersten Kunden haben wir direkt in unsere Entwicklungsdiskussionen

    einbezogen, so dass sie quasi wie unsere eigenen Entwickler agierten.

    Bei dem krzlich entschiedenen Rckkauf der IDS Scheer Consulting von der

    Software AG habe ich die zwei entscheidenden Top-Manager, ohne die ich die

    Transaktion nicht htte machen knnen, offen von meinen berlegungen

    unterrichtet. Dazu zhlten der erwartete Grensprung der Organisation, die hhere

    Visibilitt aller Unternehmen der Scheer Group und die Synergien zu den

    bestehenden Bereichen.

    Nachdem auch die Chancen und Risiken besprochen wurden und generell die

    positiven Argumente berwogen, haben sie die Transaktion als ihr eigenes Baby

    angenommen.

    Allein ist man also machtlos. Trotzdem muss man zunchst mit sich selbst zu Rate

    gehen und alle mglichen Szenarien einer neuen Idee durchspielen. So kann man

    auch schon alle zu erwartenden Bedenken und Gegenargumente mit sich diskutieren

    und ist gut auf die Diskussion mit den Gesprchspartnern vorbereitet. Diese sucht

    man so aus, dass sie nach ihren fachlichen Fhigkeiten, ihrer

    Begeisterungsfhigkeit, ihrer Akzeptanz in der Organisation und ihrer Energie das

    Projekt stemmen knnen. Zur Zusammensetzung eines Teams siehe auch Regel Nr.

    10.

    Ein eingeschworenes kleines Team ist am wirkungsvollsten. Bei einer greren

    Mitgliederzahl besteht die Gefahr fr zu viele Bedenken, Eiferschteleien und

    Rangkmpfe. Erst wenn die Richtung festgelegt ist und die Umsetzung der Strategie

    beginnt, sollte das Projektteam aufgestockt werden.

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    2 Kontrolle behalten den Wald trotz vieler Bume im Fokus

    halten

    Als verantwortlicher Unternehmer oder Manager legt man die Ziele, Meilensteine und

    wichtigen Arbeitspakete einer Strategie fest. Zur Kontrolle der Einhaltung dieser

    Gren kann ein Steering Committee eingesetzt werden. Darber hinaus muss aber

    der unternehmerisch Verantwortliche auch das Projekt selbst immer wieder infrage

    stellen knnen oder es entscheidend verndern knnen. Dieses ist eine besondere

    Herausforderung an sein Urteilsvermgen.

    Ist ein strategisches Projekt gestartet, entfaltet es eine Eigendynamik. Die Mitglieder

    des Projektteams arbeiten begeistert, entwickeln neue Ideen und erarbeiten erste

    Ergebnisse: Bei der Entwicklung eines neuen Produktes hat man vielleicht schon

    einen ersten Kunden als Interessenten gefunden. Oder bei einer

    Akquisitionsverhandlung hat man bereits einige schwierige Punkte abgearbeitet und

    vertraglich formuliert. Oder bei einem Reorganisationsprojekt wurden bereits Teams

    gebildet, die Detailfragen lsen.

    Als verantwortlicher Entscheider muss man aber einen khlen Kopf behalten und

    darf sich nicht von den ersten Ergebnissen und der Stimmung mitreien lassen. Man

    muss immer noch die Mglichkeit im Auge behalten, eine Produktentwicklung zu

    stoppen, eine Akquisitionsverhandlung abzubrechen oder einer Reorganisation eine

    komplett andere Richtung zu geben.

    Auch Braut und Brutigam sollten sich vor dem Standesbeamten trotz pltzlich

    auftretender ernster Bedenken nicht nur deshalb zu einem ja verleiten lassen, weil

    sie schon in die Kleidung und Feier investiert haben.

    Wie kann man sich aber die innere Unabhngigkeit bei strategischen

    Unternehmensprojekten erhalten?

    Da man ja selbst das Projekt initiiert hat, ist man inhaltlich und auch emotional

    beteiligt. Man hat dem Projektteam berzeugend die Ziele und die wesentlichen

    Eckpunkte der Strategie vorgegeben. Anschlieend muss man aber die Emotionalitt

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    zurcknehmen knnen und sich auf das rationale berwachen und Steuern

    konzentrieren.

    Dazu darf man sich nicht in Detailarbeiten einspannen lassen. Also bei einer

    Produktentwicklung sich nicht jeden Tag neue Funktionen zeigen lassen, sondern

    sich lieber mit den Entwicklungen der Konkurrenten auseinandersetzen, Gesprche

    mit mglichen Kunden fhren, um deren Bedrfnisse genauer abschtzen zu knnen

    und sie mit den eigenen Konzepten zu vergleichen. Bei Akquisitionsverhandlungen

    soll man nur die grobe Linie verfolgen, aber sich nicht in komplizierte rechtliche

    Diskussionen einmischen oder Detailergebnisse zu euphorisch absegnen.

    Auch bei einer Reorganisation ist der stndige Abgleich der eigenen Konzeption mit

    dem Verhalten von Konkurrenten wichtiger als selbst in Detaildiskussionen

    einzugreifen.

    Je mehr man in das Projekt seine eigenen Ideen einbringt und durchsetzt, umso

    schwieriger ist es, das Projekt wieder grundstzlich infrage zu stellen oder gravierend

    zu ndern. Natrlich darf die Zurckhaltung nicht dazu fhren, dass man keine

    wichtigen Ratschlge gibt. Es ist eben eine Gratwanderung zwischen Engagement

    und Distanz.

    Diese Distanz ist schwierig zu halten, ist aber erforderlich, um jederzeit noch die

    Reileine ziehen zu knnen.

    Auch wenn ein Projekt wegen seiner Bedeutung Chefsache ist, darf man nicht

    selbst als Hauptverantwortlicher der operative Projektleiter sein, sondern eher die

    Rolle eines engagierten Aufsehers annehmen. Bei der Rolle eines operativen

    Projektleiters ist die Gefahr zu gro, sich von dem Projekt mitreien zu lassen und

    ein Stoppen oder abruptes ndern als persnliches Scheitern zu begreifen. Viele

    Projekte werden deshalb insbesondere in Grounternehmen noch weiter betrieben,

    obwohl ihr Scheitern schon offensichtlich ist. Aber der operative Projektleiter mag

    dieses nicht zugeben und versucht es noch immer weiter zu verlngern oder hofft auf

    ein Wunder.

    Ich habe deshalb stndig die wichtigsten Ziele eines strategischen Projektes vor

    Augen und vergleiche sie kritisch in regelmigen Zeitabstnden mit den reportierten

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    Projektergebnissen. Dazu gehren auch regelmig aktualisierte Projektionen ber

    Zahlen wie Fertigstellungstermine, Kosten, Umsatz usw. Aber auch hier ist es wieder

    wichtig, die Verlsslichkeit der gemeldeten Zahlen kritisch beurteilen zu knnen, also

    die Distanz, gleichzeitig aber auch die Beurteilungskompetenz zu behalten. Dabei

    kommt es nicht auf die Beurteilung aller einzelnen Bume an, sondern auf den Wald.

    Im Gegenteil: Es ist ein beliebtes Vorgehen, einzelne positive Ergebnisse

    vorzulegen, einzelne eindrucksvolle Beispiele auszubreiten, obwohl insgesamt die

    Richtung nicht mehr stimmt. Man sieht dann den Wald vor lauter Bumen nicht mehr.

    Auf keinen Fall darf man sich bei wichtigen Entscheidungen unter Zeitdruck setzen

    lassen (dagegen den Partner natrlich schon eher). Argumente wie: Wir haben das

    neue Produkt schon einem Pilotanwender zugesagt; der Notartermin fr den Vertrag

    steht schon fest; wir brauchen den Deal noch fr den Quartalsabschluss oder fr die

    Aufsichtsratssitzung, sind zu berhren.

    Natrlich gehen bei der Distanzhaltung die Detailkenntnisse ber das Projekt etwas

    verloren. Aber viele Details berholen sich whrend des Projektes ohnehin.

    Auerdem kann man sich bei dringendem Bedarf ber einen wichtigen Tatbestand

    immer noch detailliert informieren lassen.

    3 Traue Deinem Bauch, nicht nur Deinem analytischen Verstand

    Der Volksmund sagt: Bei der Sache habe ich ein schlechtes Bauchgefhl oder Bei

    der Aussage krampft sich mein Bauch oder Diese Entscheidung habe ich aus dem

    Bauch heraus getroffen oder Dieses Problem macht mir Bauchschmerzen.

    Dass der Bauch bei Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitreden kann, wird

    inzwischen auch von Wissenschaftlern ernst genommen und das nicht erst seit dem

    Bestseller von Giulia Enders Darm mit Charme auch populrwissenschaftlich

    diskutiert. Man spricht sogar von dem Bauch als Sitz eines zweiten Gehirns des

    Menschen. Auf jeden Fall besteht eine enge Verbindung zwischen den

    Empfindungen von Darm und Magen und dem Kopfgehirn.

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    Ohne die medizinischen Ursachen weiter zu verfolgen, ist gesichert, dass wir neben

    unserer rational-analytischen Entscheidungsfhigkeit auch eine mehr gefhlsmige

    Entscheidungsinstanz besitzen - nennen wir sie ruhig Bauch.

    Auch gibt es psychologische Untersuchungen, in denen gezeigt wird, dass spontan

    aus dem Bauch heraus getroffene Entscheidungen nicht schlechter sind als

    langwierig analytisch begrndete und abgewogene Entscheidungen.

    Ich bin kein Anhnger von Esoterik, habe aber einen uerst erfolgreichen High-

    Tech-Unternehmer kennengelernt, der fest an die Wirksamkeit von Trumen glaubte.

    So erzhlte er mir einmal, dass er in der Nacht getrumt habe, dass ein wichtiger

    Partner die Zusammenarbeit kndigen wrde und dieses tatschlich am folgenden

    Morgen geschehen sei.

    Meine schlichte Interpretation ist allerdings, dass er bereits aus dem Verhalten des

    Partners in der letzten Zeit schwache Signale erhalten hat, die eine nderung der

    Kooperation ankndigten. Diese hat er aber nicht bewusst interpretiert. Im Traum

    haben sie sich aber so verdichtet, dass er morgens von dem Ereignis berzeugt war.

    Ich interpretiere generell das Bauchgefhl als ein Sammelbecken vieler Erfahrungen,

    die sich in einer Situation blitzschnell zu einem Urteil zusammenschlieen.

    Dieses gilt z. B. auch fr Personalentscheidungen, die nicht primr anhand der

    Bewerbungsunterlagen und den Aussagen des Kandidaten whrend des

    Bewerbungsgesprchs getroffen werden, sondern eben auch nach dem

    Bauchgefhl. Dieses erfasst dann auch kleine Verhaltensweisen und

    Sympathiewerte des Kandidaten, die man nicht rational beschreiben kann. Es bleibt

    eben ein gutes oder ungutes Gefhl ber den Kandidaten zurck.

    Dieses Gefhl versucht man anschlieend durch herbeigezogene Argumente zu

    rationalisieren, aber der Bauch hat die eigentliche Entscheidung getroffen.

    Besonders stark ist die gefhlsmige Komponente bei dem sogenannten Primary-

    Effekt. Hierunter verstehen Psychologen, dass der erste Eindruck eine besondere

    Wirkung besitzt, weil die Aufmerksamkeit des Beobachters am grten ist und er

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    deshalb am strksten in Erinnerung bleibt. Nicht ohne Grund sagt man auch die

    Chance des ersten Eindrucks bekommt man nur einmal.

    Bei meinen Vortrgen benutze ich deshalb z. B. in den ersten 10 Minuten keine

    Folien, um die Zuhrer nicht von mir und meinen Aussagen abzulenken.

    Auch dem Ende eines Vortrages, einer Verhandlung oder einer Besprechung wird

    eine besondere Bedeutung zugesprochen und als Recency-Effekt bezeichnet.

    Wenn man seinem Bauchgefhl traut, darf man sich nicht von Beratern, die sich

    mehr an vermeintlichen Tatsachen oder Analysen orientieren, dominieren lassen. So

    hatte ich einmal die Gelegenheit, bei einem schnellen Entschluss ein wunderschnes

    Geschftshaus in einer absoluten Spitzenlage einer Weltstadt zu erwerben. Mir gefiel

    das Objekt ausgezeichnet, sollte mich aber innerhalb einer Woche entscheiden. Die

    herangezogenen Architekten untersuchten die Bausubstanz und konfrontierten mich

    so lange mit ihren Bedenken, bis die Frist verstrichen war. Ich trauere heute immer

    noch der entgangenen Gelegenheit nach.

    Auf der anderen Seite darf man sich auch nicht durch kurzfristige Gefhle

    beeinflussen lassen. In einem psychologischen Test hat der Versuchsleiter

    Studenten nach bestimmten Einstellungen gefragt. Dabei legte er fr eine

    Kontrollgruppe an das Kopiergert des Instituts 5-Euro-Scheine. Wenn ein Student

    diesen heimlich einkassierte, befragte er ihn etwas spter zu den Testfragen. Und

    siehe da, diejenigen, die eine freudige berraschung erlebt hatten, beantworteten

    die Fragen signifikant optimistischer als die anderen.

    Die gleiche Warnung vor Gefhlen gilt auch fr die Annahme von Geschenken oder

    kleinen Geflligkeiten. Es ist ein bekannter Trick, dass Personen, die einen

    geschftlichen Kontakt suchen, mit kleinen Aufmerksamkeiten die Tr ffnen wollen.

    Man fhlt sich dann sozusagen in deren Schuld und gibt einen Gesprchstermin,

    obwohl man ihn eigentlich nicht will. In der Psychologie ist dieser Effekt unter dem

    Begriff der Reziprozitt bekannt.

    Das serise Bauchgefhl muss sich also sowohl gegen rationale als auch

    gefhlsmige Beeinflussung schtzen. Gleichzeitig darf es sich auch einer

    selbstkritischen rationalen Kontrolle nicht verschlieen.

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    Viele erfolgreiche Manager und Unternehmer aus meinem beruflichen Umfeld hren

    m. E. auf ihr Bauchgefhl. Ich mchte sogar so weit gehen, ihre sensorischen

    Fhigkeiten als entscheidenden Erfolgsfaktor anzusehen. Sie sind sicher wichtiger

    als ein zustzlicher Punkt beim Intelligenzquotienten.

    4 Inside out outside in

    Es ist natrlich positiv, wenn Mitarbeiter stolz auf ihr Unternehmen sind. Dieses strkt

    das Wir-Gefhl und trgt zur Motivation bei.

    Es wird aber gefhrlich, wenn Organisationen sich selbst zu wichtig nehmen und

    quasi alle Dinge primr durch ihre eigene Brille sehen. Dies kann dazu fhren, dass

    die Organisation den Sinn fr die Realitt verliert, sich berschtzt, den Kontakt zum

    Kunden verliert und sich quasi selbst gengt. Die Sichtweise der Organisation ist

    dann von innen nach auen. Der bayerische Spruch Mir san mir bringt diese

    Haltung anschaulich zum Ausdruck.

    Bei einer Outside-in-Betrachtung nimmt die Organisation die Position von

    Auenstehenden, also von Kunden, Lieferanten oder der ffentlichkeit ein. Man sieht

    dann durch die Brille der anderen auf die eigene Organisation, also auf sich selbst.

    Das erfordert die Fhigkeit und die Bereitschaft, sich in die Situation des anderen

    hinein zu versetzen. Da man sich aber hufig selbst wichtiger findet als die anderen,

    ist diese Sicht schwieriger. Deshalb dominiert hufig der Inside-out-Effekt. Dieses

    kann zu erheblichen Problemen fr die Organisation fhren.

    Ein verantwortlicher Manager muss deshalb diesen Effekt beobachten und

    gegensteuern.

    Einige Beispiele sollen den Inside-out-Effekt verdeutlichen.

    Es beginnt hufig bereits mit der Unternehmensprsentation vor einem Kunden. Hier

    werden alle Leistungen und Produkte des Unternehmens in einer Art Bauchladen

    aufgefhrt, unabhngig davon, ob sich der Kunde dafr interessiert. Auch das

    Organigramm der Organisation zeigt die interne Sicht. In den Umsatz- und

    Wachstumszahlen sowie der Marktausbreitung kommt der ganze Stolz auf die

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    eigene Erfolgsgeschichte zum Ausdruck. Der Kunde mchte aber vor allem wissen,

    ob das Unternehmen in der Lage ist, sein Problem zu verstehen und zu lsen.

    In Diskussionen mit Externen werden wie selbstverstndlich firmeninterne

    Fachbegriffe verwendet. Besonders beliebt sind dabei interne

    Produktbezeichnungen, fremdlndische Fachbegriffe und Abkrzungen. Da man ja

    selbst tglich mit diesen Begriffen umgeht, erwartet man, dass auch die ganze Welt

    sie verstehen. Der gleiche Effekt zeigt sich auch in vielen Firmenbroschren und

    Fachartikeln.

    Sind aber Aussagen fr den Gesprchspartner oder Leser unverstndlich, so wird

    nicht nur das Ziel verfehlt, ihn von den eigenen Argumenten zu berzeugen, sondern

    er wird auch hufig verrgert, weil er sich als dumm hingestellt fhlt.

    Bei grundlegenden organisatorischen nderungen oder Akquisitionen steht hufig

    die Kommunikationsstrategie nach innen, also zu Mitarbeitern und ihren Vertretern

    im Vordergrund und nicht so sehr die Information an Kunden.

    Auch die Produktentwicklung neigt dazu, inside out gesteuert zu werden. Entwickler

    entwerfen dann neue Funktionalitten nach ihrer eigenen Meinung und weniger nach

    dem Bedrfnis der Kunden.

    Am bedrohlichsten ist der Inside-out-Effekt, wenn er zu einer generellen

    Selbstberschtzung der Organisation fhrt. Man empfindet sich als der Grte,

    dominiert den Markt, fhlt sich als unangreifbar und verliert die Sensorik fr neue

    Marktentwicklungen. Darauf warten dann schon Konkurrenten mit neuen

    Technologien oder Geschftsmodellen, um diese Schwche auszunutzen.

    Wie kann man sich nun vor diesen Situationen schtzen und zu einer mehr outside in

    orientierten Betrachtung gelangen?

    Eine erste Hilfe ist natrlich, dass man sich als Verantwortlicher stndig in die Rolle

    eines Externen, z. B. eines Kunden, versetzt und alle wichtigen Entscheidungen

    daran spiegelt. Dieses ist bei mir eine stndige Routine, um z. B. die Verstndlichkeit

    von Prsentationen von Mitarbeitern zu erhhen.

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    Wirksam sind auch Kundenbefragungen zur Zufriedenheit mit Produkten und

    Dienstleistungen sowie Mitarbeiterbefragungen zur Arbeitgeberrolle.

    Analysteninstitute bewerten Technologie und Strategie des Unternehmens im

    Vergleich zur Marktentwicklung und zur Konkurrenz.

    Informationen zu einer strkeren Outside-in-Steuerung der Organisation sind also

    verfgbar. Man muss nur bereit sein, sich von der Mir san mir-Einstellung zu lsen.

    Der wirklich erfolgreiche Unternehmer und Manager ist mit seinem Outside-in-Blick

    zugleich der schrfste (konstruktive) Kritiker und Frderer der Organisation.

    5 Wer zu frh kommt, kommt hufig zu spt

    Dass eine neue Idee nicht sofort anerkannt wird und keinen Markt findet, ist nicht

    ungewhnlich. So kann es sein, dass die Idee zwar sinnvoll ist, aber die zur

    Verfgung stehenden Technologien eine Realisierung unmglich oder zu teuer

    machen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren Elektro- und Benzinmotor echte

    Konkurrenten als Automobilantrieb. Diesen Wettstreit hatte dann bekanntlich der

    Benzinantrieb gewonnen. Heute stehen wir dagegen vor einem mglichen Siegeszug

    des Elektromotors. Der Verlierer kann nun doch noch zum Gewinner werden.

    Anfang der 80er Jahre wurde mit dem Begriff CIM (= Computer Integrated

    Manufacturing) ein Konzept zur durchgreifenden Computeruntersttzung der

    Prozesse Fertigung, Logistik und Produktentwicklung erarbeitet (an dem der

    Verfasser durch seine Verffentlichungen beteiligt war). Dieses Konzept wurde aber

    nicht realisiert, weil zu der damaligen Zeit die Informationstechnologie noch nicht

    ausgereift genug war. Die Rechnerleistung war noch zu gering, die

    Hardwarearchitektur war auf Grorechner ausgerichtet, Datenbank- und

    Netzarchitekturen waren wenig standardisiert usw. Das an sich organisatorisch

    sinnvolle Konzept bekam das Image des Scheiterns. Heute werden nach der

    rasanten Weiterentwicklung der IT viele der damaligen Gedanken wieder

    aufgenommen, mit neuen Ideen ergnzt und unter dem Begriff Industrie 4.0 mit

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    grerer Realisierungschance diskutiert. Neue Ideen, Marktakzeptanz und

    Realisierungschance mssen eben bei einem Erfolg zusammentreffen.

    Im ersten Anlauf zu scheitern, ist somit fr neue Ideen nichts Ungewhnliches. Der

    hier zu behandelnde Effekt liegt vielmehr darin, dass diejenigen, die im ersten Anlauf

    die Protagonisten der Idee waren und viel Energie hineingesteckt haben, beim

    zweiten nun erfolgreichen Anlauf durch Neueinsteiger um den Lohn ihres frheren

    Einsatzes gebracht werden. Sie tragen den Makel des Scheiterns, haben sich

    anderen Themen zugewandt und merken nicht, dass ihre Ideen inzwischen

    verndert, weiterentwickelt und mit fortschreitender Technologie realisierbarer

    geworden sind.

    Wie kann man sich vor einem solchen Effekt schtzen?

    Wichtig ist es, beim Scheitern einer Produktentwicklung oder eines Konzeptes eine

    genaue Analyse der Ursachen vorzunehmen.

    Ist dieses, wie z. B. beim CIM-Konzept die fehlende Technologie, so muss ihre

    Entwicklung verfolgt werden bis der bentigte Reifegrad erreicht ist. Dann kann das

    Konzept eventuell unter einem neuen Namen wieder aufgenommen werden.

    Dieses klingt aber einfacher als es ist. Denn das grte Hindernis ist psychologischer

    Art. Das Gefhl, mit dem Konzept gescheitert zu sein, ist so nachhaltig, dass man

    sich nicht traut, es noch einmal wieder aufzunehmen. Diese Sperre haben

    Neueinsteiger nicht. Sie fhlen sich vielmehr als Erfinder und knnen jetzt die

    Frchte ernten, die die eigentlichen Innovatoren gest haben. Diese verpassen

    selbst die Chancen oder mssen sich bei ihrem verzgerten Einstieg noch als

    Nachahmer bezeichnen lassen. Der moralische und geschftliche Erfolg des

    Innovaters ist ihnen nicht vergnnt.

    Mir ist dieses mindestens dreimal in meinem Leben passiert. Ich mchte deshalb

    anderen eigentlichen Erfindern Mut machen, bei einem Comeback ihrer Ideen auf

    ihre frheren Leistungen hinzuweisen und vor allem, sich an die Spitze der neuen

    Entwicklung zu setzen. Sonst kommen sie beim Comeback ihres Themas zu spt.

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    6 Time kills deals, aber Zeitablauf hat auch schon Probleme

    gelst

    Strategische Entscheidungen, die einen hheren Kapitaleinsatz erfordern, werden in

    der Regel sorgfltig vorbereitet. Die Wirtschaftlichkeit der Alternativen wird sorgfltig

    berechnet, juristische Fragen werden penibel errtert usw. Dagegen ist auch

    prinzipiell nichts zu sagen. Ist der Entscheidungszeitraum aber zu lang, tun sich

    Gefahren auf. Das Entscheidungsteam vergrbt sich immer tiefer in Details und

    entdeckt immer neue Ursachen fr Bedenken. Innerhalb des Teams bilden sich

    Fraktionen fr oder gegen einzelne Alternativen. Zum Schluss sind alle Beteiligten

    froh, wenn das ganze Projekt gestoppt wird und man sich mit frischem Mut neuen

    Themen zuwenden kann.

    Ich habe solche Prozesse mehrfach erlebt. Einmal zog sich eine

    Beteiligungsverhandlung ber ein halbes Jahr hin, obwohl die beteiligten Vorstnde

    beider Unternehmen bereits zum Start des Projektes eine grundstzlich positive

    Absichtserklrung verabschiedet hatten. Der Vorstand eines der beteiligten

    Unternehmen bestand aus vermeintlichen Governance-Regeln des Unternehmens

    darauf, eine ausfhrliche, um nicht zu sagen penible Due Diligence durchzufhren.

    Von beiden Seiten wurden Verhandlungsteams aus Juristen, Technikern, Beratern

    und Controllern aufgesetzt. Zunchst wurde auch konstruktiv gearbeitet. Dann aber

    erhielt der Prozess eine Eigendynamik, da jedes Mitglied auch seinen fachlichen

    Beitrag leisten wollte und damit auch auf der anderen Seite Gegenargumente

    auslste. Schlielich wurde durch immer neue Argumente die anfangs mit

    Begeisterung definierte Vision der Zusammenarbeit durchlchert. Zwischen den

    beiden Verhandlungsgruppen wurde eine fast feindliche Stimmung aufgebaut. Zum

    Schluss wurde der Vorstand des Unternehmens, das auf der detaillierten Due

    Diligence bestanden hatte, mit dem Ergebnis konfrontiert, dass die Gruppe groe

    Bedenken bei einem positiven Votum htte, sich aber natrlich der Entscheidung des

    Vorstands beugen wrde. Dabei waren viele der Argumente eher emotionaler Art

    und wurden durch an den Haaren herbeigezogene Fakten rationalisiert. Dem

    Vorstand blieb nichts anderes brig, als das Projekt fallen zu lassen. Er wollte sich

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    nicht einem spteren Vorwurf aussetzen, bei einem Fehlschlag dem fachlichen Rat

    der Projektgruppe nicht gefolgt zu sein.

    Htte der Vorstand dagegen das Projekt von Anfang an zur Chefsache erklrt, dem

    Verhandlungsteam wenige zu klrende Fragen mit einem festen Zeitlimit

    vorgegeben, so wren die Verhandlungen sicher erfolgreich verlaufen.

    Deshalb sollte man den Grundsatz ernst nehmen, lieber schnell eine nicht in allen

    Einzelheiten abgeklrte Entscheidung zu treffen, als durch zu langes Zgern und

    Verhandeln die gewollte Entscheidung zu torpedieren.

    Andererseits kann man natrlich auch die Gegenposition einnehmen. Will man ein

    nicht gewnschtes Projekt zu Fall bringen, dann kann man es auf die lange Bank

    schieben. Insbesondere bei juristischen Auseinandersetzungen wird dieses Mittel

    hufig eingesetzt. Durch immer neue Verfahrenstricks wird z. B. von einer Partei die

    Entscheidung solange hinausgezgert, bis man einen gnstigen Vergleich erreicht

    hat.

    Die Zeit kann also in mehrerer Hinsicht strategisch eingesetzt werden. Wichtig ist,

    dass man bewusst mit ihr umgeht und sie als gestalterisches Mittel gezielt nutzt.

    7 Ergebnisse psychologischer Tests nutzen

    Eine wesentliche Richtung der empirischen psychologischen Forschung fhrt

    Experimente durch, die auch fr die strategische Entscheidungsfindung zu

    interessanten Ergebnissen fhrt. Nicht ohne Grund hat der amerikanische

    Psychologieprofessor Daniel Kahneman den Nobelpreis fr

    Wirtschaftswissenschaften erhalten.

    Es lohnt sich, seine Bcher zu lesen, insbesondere das Werk Schnelles Denken,

    Langsames Denken. Auch die Bcher von R.B. Cialdini, insbesondere das Buch

    Die Psychologie des berzeugens sind erhellend. Auch die

    Wirtschaftswissenschaften haben erkannt, dass ihr simples Bild des rational

    handelnden Homo oeconomicus um psychologische Erkenntnisse erweitert werden

    muss. Da die psychologischen Bcher auch ber das berufliche Umfeld hinaus

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

    15

    interessant und leicht zu lesen sind, haben sie immer einen Platz in meinem

    Reisegepck.

    Fr mich sind neben dem bereits angefhrten Primacy-Effekt, also die besondere

    Wirkung des Anfangs eines Gesprchs, Vortrags oder einer Verhandlung auch der

    Recency-Effekt von praktischer Bedeutung, da auch der letzte Eindruck eine

    besondere Wirkung hat. Auch dem Ende eines Vortrags oder einer Verhandlung

    kommt demnach eine besondere Bedeutung zu, die man gezielt ausnutzen kann.

    Auch die Reziprozittsregel wurde schon erwhnt. Sie bedeutet, dass der Mensch

    sich verpflichtet fhlt, bei einer erhaltenen Leistung mit einer Gegenleistung zu

    reagieren.

    Mir hat auch die Kenntnis des Anker-Effektes sehr geholfen. Er besagt, dass

    derjenige, der bei einer Verhandlung als erster ein Angebot macht oder eine

    Forderung erhebt, bei dem Verhandlungspartner einen Anker setzt. Ist

    beispielsweise das Angebot bewusst extrem niedrig, so scheut sich der Partner

    anschlieend, eine extrem hohe Forderung, z. B. einen doppelt so hohen Wert,

    entgegenzustellen (Kontrastprinzip). Er wird vielmehr in der Nhe des Ankers

    bleiben.

    Diesen Effekt kann man bei Preisverhandlungen ber Objekte, fr die kein

    Marktpreis oder allgemein anerkanntes Bewertungsverfahren existiert, erfolgreich

    anwenden. Dieses sind z. B. Akquisitionen von Unternehmen. Wird das bewusst

    gesetzte Anker-Angebot oder die Anker-Forderung allerdings extrem bertrieben, so

    kann der Deal auch sofort zu Ende sein.

    Aber innerhalb einer vernnftigen Spannweite ist die Ausnutzung des Ankers sehr

    wirkungsvoll.

    Wird man selbst von einem Anker-Angebot des Geschftspartners berrascht, so ist

    eine gute Abwehrstrategie, dieses sofort vehement als unrealistisch zurckzuweisen,

    es erst gar nicht zu diskutieren und den Partner um ein realistisches Angebot zu

    bitten.

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Die Kenntnis des Ankereffektes ist also sowohl bei der aktiven Nutzung als auch zu

    seiner Abwehr sehr ntzlich.

    Insgesamt bieten die Ergebnisse der psychologischen Experimente viele neue

    Einsichten in wirtschaftliches Handeln. Allerdings ist auch eine Erkenntnis aus Tests,

    dass allein die Kenntnis der Effekte nicht davor schtzt, ihnen nicht auf den Leim zu

    gehen. Deshalb sind gute Kenntnisse und eine stndige Selbstberprfung

    erforderlich.

    8 ber Bande spielen

    Beim Billard wird der Ball hufig nicht direkt auf den angezielten Ball gespielt,

    sondern zunchst an die Bande des Tisches, wenn dadurch eine bessere

    Treffwahrscheinlichkeit erreicht wird.

    hnlich kann man auch in Verhandlungssituationen agieren. Hufig ist es besser,

    dass man nicht selbst einen Verhandlungspartner anspricht, sondern einen Dritten

    einschaltet. Dieser hat z. B. einen besseren Zugang zu dem Verhandlungspartner,

    kann ihn vielleicht auch aufgrund seiner Autoritt beeinflussen, gilt als neutral

    gegenber dem Verhandlungsgegenstand oder lenkt von der eigentlichen

    Verhandlungssituation ab.

    Der Auswahl des Dritten und seiner gezielten Instrumentalisierung kommt groe

    Bedeutung zu.

    Aus den mglichen Kandidaten sollten diejenigen ausgewhlt werden, die man mit

    einigem Erfolg ansprechen kann. Dieser Ablauf klingt einfach, ist aber natrlich mit

    Risiken verbunden, abgewiesen zu werden oder spter ebenfalls zu einer Geflligkeit

    angesprochen zu werden.

    Bei mir hat aber dieser Ansatz in einer kritischen Situation gut geholfen. Wir mussten

    unbedingt einen Groauftrag zur Softwareeinfhrung bei einem Weltkonzern

    gewinnen und waren uns sicher, ihn gut erfllen zu knnen. Unser Konkurrent war

    ein viel greres internationales Beratungsunternehmen. Wir hatten fachlich den

    Vorstand des Kunden berzeugt, aber der Konkurrent brachte aufgrund seiner Gre

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Statusargumente ins Spiel, denen wir nichts Gleichwertiges entgegensetzen

    konnten. Es ist bekannt, dass viele Vorstnde solchen Argumenten zuneigen. Man

    kann ihnen bei einem Scheitern des Projektes keinen Vorwurf machen, den falschen

    Partner ausgewhlt zu haben, wenn dieser ein renommiertes Weltunternehmen ist.

    Bei einem kleineren Unternehmen muss er sich dagegen eher Vorwrfe gefallen

    lassen.

    Da ich den Vorstandsvorsitzenden des Softwarehauses kannte, dessen Software wir

    einfhren wollten, und wusste, dass er die Qualitt unserer Arbeiten anerkannte, rief

    ich an und bat ihn, sich bei dem Kunden fr uns einzusetzen. Dieses war ihm nicht

    sehr sympathisch, weil er sich dann indirekt gegen unseren Konkurrenten

    aussprechen wrde. Als ich ihm aber unsere Unternehmenssituation schilderte und

    wie sehr wir den Auftrag bentigten, stimmte er zu und rief den

    Vorstandsvorsitzenden des Kunden an. Wir bekamen den Auftrag und haben ihn mit

    groem Einsatz zur Zufriedenheit des Kunden durchgefhrt.

    hnliche Konstruktionen des ber Bande Spielens gibt es auch beim Einsatz von

    weien Rittern bei feindlichen bernahmekmpfen, indem ein Dritter dem zu

    bernehmenden Unternehmen zur Hilfe kommt, ein attraktiveres Angebot macht und

    damit den Gegner aussticht.

    Wenn ein Anteilseigner eines Unternehmens seine Anteile verkaufen mchte, aber

    die Einwilligung der anderen Gesellschafter bentigt, kann er ebenfalls ber Bande

    spielen, wenn die dieses verweigern.

    Wenn er einen Kaufinteressenten bereits gefunden hat, so kann dieser mit den

    anderen Anteilseignern in Kontakt treten, um Kooperationsgesprche anzubieten.

    Dabei wird er seine Kontakte zu dem verkaufswilligen Gesellschafter natrlich nicht

    nennen. Bietet er dem Unternehmen mit einer Kooperation attraktive Vorteile oder

    besitzt er auch Drohpotential im Falle des Verweigerns, werden sich die anderen

    Anteilseigner der Zustimmung zum Verkauf kaum widersetzen, wenn dieses von dem

    Dritten verlangt wird. Der verkaufswillige Anteilseigner braucht also selbst gar nicht in

    Erscheinung zu treten.

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Das Spielen ber Bande ist generell ein wirksames Instrument ob man es einsetzt,

    muss aber jeder selbst fr sich entscheiden.

    Die Spielzge zu kennen, ist aber wichtig, um nicht selbst ein unwissendes Opfer

    eines anderen Bandenspielers zu werden.

    9 Wie schtzt man sich vor dem Innovators Dilemma?

    Erfolgreiche Unternehmen unterschtzen hufig die Gefhrlichkeit neuer

    Technologien fr ihr Produkt. So hat der Computerhersteller Nixdorf den PC als

    Konkurrent fr seine dezentralen Computersysteme nicht erkannt oder das

    Versandhaus Quelle den Internethandel fr sein angestammtes Kataloggeschft.

    Grnde fr die Unterschtzung sind u. a., dass die neue Technologie gegenber der

    bestehenden ausgereiften Technologie noch Nachteile besitzt. So war der PC

    zunchst noch wesentlich weniger leistungsstark als die mittlere Datentechnik von

    Nixdorf und es war weniger Anwendungssoftware verfgbar. Auch der Internethandel

    musste zunchst erst das Logistiksystem aufbauen, das der traditionelle

    Versandhandel bereits etabliert hatte. In den neuen Technologien steckte aber ein

    strkeres Entwicklungspotential, das schlielich ihren Erfolg ausmachte.

    Ein wichtiger Beharrungsgrund ist auch, dass das Management mit der bestehenden

    Technologie erfolgreich geworden ist und die neue Technologie als Angriff auf seine

    Kompetenz empfindet.

    Das Phnomen der Unterschtzung neuer Technologien durch bestehende

    Unternehmen ist von Christensen u. a. in dem Buch The Innovators Dilemma

    anhand vieler Beispiele beschrieben worden.

    Wie kann man sich vor dieser Gefahr schtzen?

    Ich versuche, das Potential neuer Technologien vorurteilsfrei zu analysieren. Dabei

    hilft mir, dass ich ihre organisatorischen Auswirkungen abschtze. Fhren sie zu

    einer strkeren Zentralisierung oder Dezentralisierung der Organisation oder frdern

    sie die Standardisierung gegenber einer Individualisierung von Ablufen. Aus

    diesen Wirkungen lassen sich dann Nutzenpotentiale ableiten und die

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    wirtschaftlichen Erfolge der Technologien prognostizieren. So fhrt beispielsweise

    die Cloud Technologie u. a. zu einer strkeren Zentralisierung der IT mit einer

    besseren Ressourcenauslastung und Economies-of-scale-Effekten durch

    Outsourcing.

    Ganz wichtig ist es, sich eine gewisse ngstlichkeit gegenber aufkommenden

    Konkurrenten zu bewahren. Andy Grove, der Mitgrnder von Intel, hat in seinem

    Buch Only The Paranoid Survive beschrieben, wie unabdingbar die Fhigkeit ist,

    offen fr schwache Signale zu sein, die sich zu einer Gefahr verstrken knnen. In

    der Tat sind einige der erfolgreichsten mir bekannten Unternehmer aus der IT-

    Industrie eher ngstlich als selbstgefllig. Eine Haltung Happy go lucky fhrt

    unweigerlich zum Niedergang. Deshalb ist es wichtig, Kontakt zu Personen zu

    halten, die mit neuen Entwicklungen vertraut sind, z. B. aus der Wissenschaft, oder

    Kenntnisse ber besonders innovative Mrkte besitzen. Auch knnen Unternehmen,

    die in Nachbarmrkten erfolgreich sind, beobachtet werden, ob sie in den eigenen

    Markt mit ihrem Konzept eindringen knnen. Gegenwrtig sieht man z. B., dass das

    Unternehmen Apple, das hauptschlich Software im B2C-Markt anbietet, durch eine

    Kooperation mit IBM zur Entwicklung von Business-Apps auch in den B2B-Markt

    eintreten will.

    Das stndige Denken in Worst-Case-Szenarien schtzt vor unliebsamen

    berraschungen. Da man sich aber bereits mit dem Schlimmsten in seinem inneren

    Kino auseinandergesetzt hat, hat man auch schon Lsungsmglichkeiten berlegt.

    Es gilt dann nur noch, die eigene, noch vom Erfolg verwhnte Organisation zu

    berzeugen. Dieses ist die schwierigste Aufgabe. Schlimmstenfalls muss man durch

    harte Managemententscheidungen durchgreifen und die rosaroten Brillen durch

    realistische ersetzen. Der ungewhnlich rapide Managementwechsel bei einigen IT-

    Unternehmen zeigt gegenwrtig solche Tendenzen.

    10 Die richtige Mischung macht es

    Die richtige Mischung unterschiedlicher Charaktere in einem Managementteam ist

    ein entscheidender Erfolgsfaktor fr den Teamerfolg. Fr die Beurteilung und

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Zusammensetzung eines Teams habe ich ein einfaches Typologie-Konzept

    entwickelt, vor dem sich wohl jeder Psychologe grausen wrde, das mir aber gute

    Dienste leistet.

    Jeden dieser Typen habe ich mit einer bekannten Figur belegt, die eine

    Haupteigenschaft reprsentiert.

    Der Alexander-der-Groe-Manager, den ich schon in Punkt 1 erwhnt habe, ist der

    Visionr, der durch sein Charisma und seine Ideen die Strategie des Unternehmens

    bestimmt.

    Ein Albert-Einstein-Manager ist der analytische Denker, der jedes Problem und jede

    Entscheidung kritisch untersucht.

    Der James Bond-Manager ist handlungsstark, mobil und krisenfest.

    Der Willy-Brandt-Manager ist sozial kompetent und strahlt Vertrauen nach innen

    und auen aus.

    Der Daniel-Dsentrieb-Manager strmt vor neuen kreativen Ideen.

    Die Typologie kann natrlich geschlechtsneutral angewendet werden.

    Die Typen knnen nicht 1:1 den Mitgliedern eines Teams zugeordnet werden,

    sondern man kann diskutieren, wie stark die von ihnen reprsentierten Eigenschaften

    insgesamt vertreten sind.

    Ungnstig ist es z. B., wenn eine Eigenschaft durch mehrere Mitglieder zu stark

    vertreten ist und dafr eine andere Eigenschaft fehlt. Fhlen sich mehrere Manager

    als Alexander der Groe, so entsteht ein Machtkampf um die richtige

    Unternehmensstrategie, der das Unternehmen lhmen kann.

    Fehlt die Willy-Brandt-Eigenschaft, so hat das Team Probleme in der Mitarbeiter-

    und Kundenakzeptanz.

    Da die Eigenschaften je nach Unternehmenssituation unterschiedlich stark bentigt

    werden, muss man das bentigte Profil stndig verfolgen. So bentigt man in einer

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Krisensituation die Handlungsstrke eines James-Bond-Managers, whrend in

    ruhigen Zeiten die Willy-Brandt-Eigenschaften strker gefordert werden.

    11 Das Beste zum Schluss?

    Natrlich gibt es neben den diskutierten Regeln noch viele weitere strategische

    Hilfen, um den vielfltigen Situationen in einem Unternehmen begegnen zu knnen

    und es erfolgreich zu gestalten.

    So ist z. B. das Spiel zwischen einem Top-down- und dem Bottom-up-Vorgehen

    wichtig. Bei einer Strategieentwicklung und der Erstellung der Jahresplanung sollte

    man z. B. zunchst Top-down vorgehen, indem die wichtigsten Eckwerte gesetzt

    werden. Dann kann man diese den eingerichteten Arbeitsgruppen vorgeben und

    Bottom-up detaillierte Manahmen zu ihrer Erreichung erarbeiten lassen.

    Gegebenenfalls mssen dann die Top-down-Vorgaben etwas angepasst werden.

    Dieses Pingpong-Spiel kann dann mehrfach wiederholt werden. Falsch ist es aber,

    sofort mit einer Bottom-up-Erhebung zu beginnen, weil dann die Fhrungskraft des

    Managements fehlt.

    Man kann eine Organisation mit berraschenden Entscheidungen eine neue

    Richtung zeigen, indem z. B. eine unkonventionelle Personalentscheidung getroffen

    wird. Indem man einen auslndischen Manager beruft, kann man der

    Internationalisierung eine grere Bedeutung zukommen lassen, mit einem jungen

    Manager einem neuen Thema mehr Gewicht geben usw. Dieses kann zwar auch

    rger hervorrufen, weil sich verdienstvolle Mitarbeiter bergangen fhlen, der

    Organisation kann es aber einen Ruck geben.

    Indem man dem Zufall eine Chance gibt, knnen neue Impulse entstehen. Mit dem

    Bau des Gebudes Scheer Tower am Campus der Universitt Saarbrcken mchte

    ich den sechs Unternehmen der Scheer Group die Gelegenheit geben, durch

    zufllige Kontakte in der Cafeteria gemeinsame Interessen und Synergien zwischen

    den Unternehmen zu entdecken.

  • Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen Entscheidungsregeln

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    Auch der Grundsatz Cash is King ist gerade fr wachsende Unternehmen

    bedeutsam, da hier die Liquiditt leicht zu einem Engpass werden kann.

    Vielleicht ist aber die wichtigste Regel, an seinen strategischen Zielen

    unerschtterlich festzuhalten. Wer sollte jemandem auf Dauer Widerstand

    entgegenbringen, der zh ein Ziel verfolgt? Irgendwann lsst auch das Interesse des

    schrfsten Gegners nach und er wendet sich neuen Themen zu. Auch ein

    unermdlicher Einsatz bei Kunden zeigt irgendwann die ersten Frchte.

    Der strategische Wille versetzt Berge!

    Insgesamt sind aber die ausfhrlicher behandelten 10 Regeln fr mich bereits eine

    gute Richtschnur fr strategisches Handeln.

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    Scheer Group Whitepaper

    Whitepaper Nr. 1: 16 Tipps fr Start-ups in der High-Tech-Industrie, Prof. Dr. A.-W.

    Scheer, Juni 2013

    Whitepaper Nr. 2: Tipps fr den CIO: Vom Tekki zum Treiber neuer Businessmo-

    delle, Prof. Dr. A.-W. Scheer, September 2013

    Whitepaper Nr. 3: Die Universitt und ihre Region, Prof. Dr. A.-W. Scheer, Juli 2014

    Whitepaper Nr. 4: Tipps fr Entscheider: Meine 10 wichtigsten strategischen

    Entscheidungsregeln, Prof. Dr. A.-W. Scheer, August 2014