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Seit der Modedesigner in Fernsehformaten wie »Shopping Queen« und »Das Supertalent« gute Ratschläge an die Wettbewerber verteilt, gilt Guido Maria Kretschmer als Stil- und Unterhaltungsgott. Wieso eigentlich? Interview: Dorthe Hansen Fotos: Det Kempke OH! MEIN! GUIDO! TITEL-INTERVIEW Schrei vor Glück: Was ein Werbe- slogan verspricht, löst Guido Maria Kretschmer ein – wie hier beim mobil-Fotoshoo- ting in Berlin. 88 89 mobil 09.2014 mobil 09.2014

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Seit der Modedesigner in Fernsehformaten wie »Shopping Queen« und »DasSupertalent« gute Ratschläge an die Wettbewerber verteilt, gilt Guido Maria Kretschmer als Stil- und Unterhaltungsgott. Wieso eigentlich?

Interview: Dorthe Hansen Fotos: Det Kempke

OH! MEIN! GUIDO!TITEL-INTERVIEW

Schrei vor Glück: Was ein Werbe-slogan verspricht, löst Guido Maria Kretschmer ein

– wie hier beim mobil-Fotoshoo-ting in Berlin.

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Das Phänomen kommt heute in Schwarz und entspannt die Lage allein durch sein bloßes Auftreten. Jedes bisschen Aufgekratztheit, jegliches nervöse Flir-ren, das eben noch in der Luft hing –

weg. Man könnte das vielleicht mit dieser Situation vergleichen: Der Lehrer tritt vor die Klasse und ver-kündet: »Heute doch kein Test.« Kollektives Ausat-men. Leichtigkeit in den Herzen. Guido Maria Kretsch-mer ist da und verbreitet ein gutes Gefühl. Er will ja auch kein Wissen abfragen oder Ergebnisse prüfen. Aber eine Art Lehrer ist der Modedesigner eben doch. In der TV-Sendung »Shopping Queen« schickt er Frau-en mit Moneten und Motto in die Einkaufsstraßen der Republik und bewertet die erstandenen Outfits noch im Entstehungsprozess. Die Aufgaben: »Beweise Stil-gefühl mit Sneakern«, »Inszeniere die Trendfarbe Gelb«, »Das erste Date mit der Schwiegermutter« … Anforderungen des Alltags, die – das wissen vermut-lich nur Frauen – den totalen Stress bedeuten können. Kretschmer schont seine Kandidatinnen nicht, schiebt sich von rechts auf den Bildschirm, vermittelt aus dem Off, fleht und betet: »Sie nimmt es nicht, Gott sei Dank.« Das vorwiegend weibliche Publikum dankt ihm die sachdienlichen Hinweise mit Treue und kiek-sender Begeisterung, wenn nur sein Name fällt. Ach, das könnte schön sein: einmal von Guido Maria Kretschmer zurechtgerückt zu werden.

Herr Kretschmer, ich soll Sie grüßen: von Nicole, Nadine, Brigitte, Miriam, Iris …Ja, ich grüße alle ganz lieb zurück. Das sind meine Mädels, das ist meine Basis. Inzwischen sind auch viele Jungs dabei, darüber staune ich selbst. Aber ich freue mich sehr.Und ich staune, dass mein halber Bekanntenkreis Sie grüßen lässt, als wären Sie ein guter Freund.Das liegt vielleicht daran, dass ich ein Designer bin, der an den Menschen interessiert ist. Dass ich Klei-dung nie isoliert sehe von der Person, die sie trägt. Jeder Look bekommt somit eine andere Persönlich-keit. Ich bin offen für die Geschichten der Menschen. Bei Mode erwartet man oft eine leichte Distanz. Und je berühmter viele Designer werden, desto mehr ver-lieren sie die Menschen, für die sie entwerfen. Das passiert ja auch vielen Prominenten.Dass sie den Kontakt zu den Menschen verlieren? Bei mir ist es eher so: Je erfolgreicher ich werde, desto mehr klammere ich mich an die Leute, die meine sind.Seit zwei Jahren sind Sie nicht mehr nur designen-der Unternehmer, sondern auch TV-Liebling. Vor-stellbar, dass die Leute Sie irgendwann satt haben?Natürlich, Zuneigung kann kippen. Aber ich mache mir keine Gedanken darüber, ob das Leben sich für mich drehen wird. Ich erlebe allerdings in meinem engeren Umfeld auch, dass manch einer mit diesem Erfolg nicht umgehen kann.Wie zeigt sich das?Manchmal muss man sich bemühen und korrigieren, Freunden oder Mitarbeitern sagen: Ich bin der geblie-ben, der ich war. Werdet bitte nicht verrückt, dreht nicht durch. Manchmal benehmen die Menschen sich plötzlich anders.

Und hofieren Sie?Zum Beispiel. Und da passe ich sehr auf. Ich bin keine Primadonna. Ich mache kei-nen Alarm, ich will kein vorgewärmtes Sushi … gut, das wäre bei Sushi auch der falsche Weg. Also, das ist mir alles fremd, ich bin sehr am Boden. Und da merkt man manchmal, dass es Leute gibt, die sich ver-lieren, so sehr, dass ich mich schon von ihnen trennen musste. Das darf nicht sein, dass jemand um mich herum eine Star-welt aufbaut. Ihr Erfolg kam nicht über Nacht.Richtig, ich habe mich stetig entwickelt, bin keine Eintagsfliege. Und es war ein langer Weg. Ich bin heute genauso fleißig wie früher, nur wird heute mehr darüber gesprochen.Sie entwerfen und fertigen seit vielen Jahren Berufskleidung für große Unternehmen. Die Leser dieses Interviews sitzen sehr wahrscheinlich gerade in der Bahn und könnten sich die Uniformen der Zugbegleiter mal genau angucken. Was wäre da die Herausforderung?Das Schwierige bei »Corporate Fashion« ist, dass sie allen stehen sollte. Und dass die Uniformen manchmal nicht für den jeweiligen Berufsstand gemacht sind. Die Mitarbeiter in den Zügen haben so viel zu schleppen, da zerren Schulterriemen an Schulterpolstern. Ich würde sie eher in ei-ner funktionaleren Kleidung sehen und mehr unterschiedliche Kollektionsteile anbieten, damit jeder den Look variieren kann: Der eine trägt gerne Strick, weil es am Bahnsteig zieht, die andere mag es ein bisschen elegant. Es muss eben allen ge-recht werden. Und dann ist bei Unifor-men immer schön, wenn sie auch etwas Typisches an sich haben, woran man er-kennt: Ach, da sind Sie ja! In der 1. Klasse, wo viele dunkelblaue Anzüge herumlau-fen, ist das manchmal nicht so einfach. Und dann würden alle von mir tolle Bahn-Sneaker bekommen. Wir Reisende sitzen immer gemütlich im Zug – aber die Mit-arbeiter sind richtig viel unterwegs.2004 haben Sie Ihre erste Premium-kollektion in Tokio und Schanghai gezeigt, seit 2009 dann in Berlin. War der Schritt von der Berufskleidung zur Haute Couture ein Wagnis?

Eigentlich nicht, weil ich parallel immer Couture-Kunden hatte und den Kontakt zur Mode nie verloren habe. Ich glaube aber auch, dass es bei Mode egal ist, was du machst – es muss gut sitzen und die Leute erreichen. Aber es stimmt schon, es hat viel Geld gekostet, weil ich den Weg unternehmerisch allein gegangen bin. Das Handwerk und die Schneiderkunst haben mir sehr geholfen.Demnächst zeigen Sie Ihre Kollektion auch in New York. Warum nicht in den traditionellen Modemetropolen Paris oder Mailand? New York ist modern, dort habe ich das Gefühl, die machen die Arme etwas brei-ter auf für mich. Deshalb ist es für mich die logische Konsequenz nach Berlin.Bei »Shopping Queen« geht es darum, sich für einen konkreten Anlass gut zu kleiden. Super Service für uns, angeb-lich besitzen die Deutschen ja kein modisches Stilempfinden.Was ich nicht glaube. Wir Deutschen sind nicht weniger gut angezogen. Wir haben eher eine andere Art, Anerkennung zu zeigen. Wir tun das lieber über Dinge, die wir erreicht haben, als über Äußerlichkei-ten. Es gibt immer auch Menschen, die weit weg sind vom Style. Aber das ist auch nicht das Problem.Was ist das Problem?Dass manche ihre ganze Biografie nach au-ßen tragen. Dass jeder sofort sieht, was sie tun, was sie haben oder nicht haben. Weil sie nicht verstehen, dass Mode auch Zau-ber ist. Und dass Mode eine Hülle ist, die dich schützen kann: Mit der richtigen Klamotte gehen alle Türen auf. Was würde sich ändern, wenn wir das Spiel mit Mode besser begriffen?Mode ist ja nicht nur Ausdruck für das Ge-genüber. Mode ist auch was mit mir, etwas in mir. Das ist wie gute Unterwäsche.Die einen wofür wappnet?Na ja, wie die Oma schon sagte: Zieh dir frische Wäsche an, falls du ins Kranken-haus kommst. So profan ist das. Tu was für dich und die anderen! Mode kann dich stark machen. Mode ist Freiheit.Die einen ebenso verführen könnte, sich zu verkleiden.Richtig: Ich habe mich immer im Gepäck! Nietzsche sagte einmal sinngemäß: Heute Nachmittag werde ich mich besuchen, mal gucken, ob ich zu Hause bin. Man muss innerhalb der Freiheit, die Mode uns gibt, gucken, dass man kein Verspre-chen gibt, das man nicht halten kann. Was wäre ein falsches Versprechen?Wenn ich auf Krawall mache, aber eigent-lich eine ganz Schüchterne bin, die von den Männern süß gefunden, aber nicht flach

NADEL & FADEN

Guido Maria Kretschmer wurde 1965 in Münster

geboren. Als kleiner Jun-ge begann er zu nähen,

bald schon für einen treu-en Kundenstamm. Seinen

Lebensgefährten, den Maler Frank Mutters,

lernte er bereits 1984, vor dem Durchbruch als

Designer, kennen. Das Paar zog es nach Süd-

europa, Kretschmer ver-kaufte seine Mode auf

Hippiemärkten, studierte in Barcelona. Seit 1989

entwirft und produziert er Uniformen für Unter-

nehmen wie Hapag-Lloyd, TUI, Deutsche Te-lekom. 2004 präsentiert

er erstmals sein Premi-um-Modelabel, ab 2005

wirkt er auch als Kostüm-bildner für Theater- und Filmproduktionen. 2012

dann der Sprung ins TV-Geschäft: »Shopping Queen« – eine Adaption

des türkischen »Shopping Monsters«. Naomi Camp-

bell holte Kretschmer in die Jury ihrer Casting-

show »The Face«, Dieter Bohlen zu »Das Super-

talent«. 2014 gab es die Goldene Kamera für

»Shopping Queen« und die »Romy« für die

»Beste Unterhaltung«.

»Ich habe mich entwickelt, bin keine Eintagsfliege.«

Aus der Deckung: seit Jahrzehnten Unternehmer, plötzlich Liebling der Nation – aber kein Grund zum Durchdrehen. Findet Guido Maria Kretschmer. Hier taucht er kurz mal hinter dem britischen »Industrie Magazine« ab.

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gelegt werden will – dann muss ich aufpassen, dass ich nicht so aussehe. Nutzt Mode für euch! Macht euch appetitlich, seid ein bisschen gepflegt, seid ein Vorbild für eure Kinder! Es ist vollkommen in Ordnung, sich auch mal gehen zu lassen. Aber wenn Mutti den gan-zen Tag in Jogginghose auf dem Sofa liegt und sich Zigaretten stopft … deshalb gebe ich in »Shopping Queen« ja auch Tipps für das tägliche Leben. Nur zu!Dass man einmal am Tag gemeinsam am Tisch isst. Oder: Wenn du voll gemüllt bist bis oben unter die Decke, wenn der Hunderttausendste Nippes in deine Wohnung kommt und du als Kind nie siehst, was neu ist, dann siehst du auch nicht, dass die Mama sich über eine neue Vase freut. Etwas Neues hat bei uns zu Hause immer Raum gekriegt. Ich sage ja auch immer: Kinder, geht nicht shoppen, geht bummeln! Glaubt nicht, dass ihr alles konsumieren müsst! Sie haben ein großes Sendungsbewusstsein. Ich bin ein politischer Mensch. Was nützt es, wenn es dir gut geht, aber dem Rest der Truppe schlecht?Kann Mode die Welt verbessern?Man muss wissen, das ist alles von Menschen ge-macht. Das hat nicht einer oben in eine Maschine reingeschmissen, und unten fällt ein Pulli raus. Da-für will ich ein Bewusstsein schaffen. Ich glaube auch an gewisse Einflüsse, an die wir uns als Gesellschaft zu halten haben. Schon im Kleinen: Nehmt auf einer Hochzeit nicht der Braut die Show. Kommt nicht zu einer Beerdigung, als gäbe es etwas zu feiern. [Kretschmer macht eine Pause. Er sagt einfach mal nichts, schaut kurz ins Leere, fährt dann fort.]

Ich denke ganz oft, es sollte öfter mal eine Schweigeminute geben für eine Gesell-schaft. Warum ist es nicht so, dass mal alle ganz still sind, innehalten? Ich mag das Kollektive: Wir sind eine Verbindung. Wie die Welt innehielt, als Lady Diana ge-storben ist. Das wünsche ich mir für Sy-rien, für die Ukraine. Wenn alles schief-geht … aber es ist ein frommer Wunsch, das textil zu tun.Man sagt immer, Juristen und Ärzte seien am übelsten dran, weil sie auch nach Feierabend Freunde und Bekann-te beraten müssten. Sie machen das ganz gerne, oder?Ich mache das nicht bei Freunden. Eher im Vorbeigehen: Lassen Sie das bitte! Dann lachen die Leute.Konnten Sie Dieter Bohlen, der Sie in die Jury der TV-Show »Das Super-talent« berufen hat, helfen?Nein, der hat eine ganz andere Aufgabe.Aber er ist nicht mehr ganz so blond, nicht mehr ganz so bunt.Und trägt weniger Logos. Ich muss sagen, mittlerweile mag ich den auch.Mochten Sie ihn nicht?Wir sind in zwei Welten zu Hause. Aber wer so nett umgeht mit seinen Kindern, der ist vielleicht auch ein feiner Mensch. Ich glaube, dass er gesehen hat, dass ich keine Gefahr bin für ihn. Der mag mich, weil er weiß, dass der Guido nichts nimmt.Was sagt das über eine Gesellschaft aus, wenn TV-Juroren Stars werden? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Sicherlich, dass die Gesellschaft Angst hat, zu verlieren. Dass sie diejenigen pro-tegiert, die Entscheider sind, jene, die in diesem Moment »Macht« haben. Und vielleicht auch, dass diese Repräsentanten uns den Weg ein bisschen vorgeben. Was die Politik vielleicht nicht mehr tut. Und wenn da jemand in einer Fernsehsendung sitzt, dessen Meinung ich teile, dann er-greife ich gewissermaßen Partei.Orientiert der Zuschauer sich eher an der Jury oder an dem Teilnehmer?Der Zuschauer ist Juror und Teilnehmer zugleich. So wie ich bei »Shopping Queen« gleichermaßen Beschützer und derjenige, der die Wahrheit ausspricht, bin. Man spürt aber, dass etwas Gutes dabei raus-kommt. Hier verliert niemand. Und das ist im Fernsehen neu.Im Herbst planen Sie den Launch Ihres ersten eigenen Online-Shops. Das Gegenteil von »Shopping Queen«, denn das Kauferlebnis, das Glück in Tüten, fällt weg.Ich glaube an die Kraft der Haptik. Aber der Online-Einkauf ist eine andere Art von Bummeln. Ich kaufe sehr viel online,

einfach weil ich wenig Zeit habe. Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich verändert, Läden haben sich ver-ändert, wir sind Online-Menschen. Ich wollte eine Demo-cratic Collection schaffen. Was meinen Sie damit?Meine Mode ist für viele, die abseits großer Städte leben, nicht erreichbar. Aber die Leute wollen was von Guido haben, nicht nur ein Buch, auch ein Teil. Und ich mag de-nen nicht T-Shirts, Handyhüllen, Firlefanz und Sonder-müll um die Ohren hauen. Ich wollte eine Kollektion von Lieblingsteilen – in einer guten Qualität und in anständi-gen Produktionsstätten gefertigt, für einen wirklich gu-ten Preis –, die man bestellen kann, egal, wo man lebt.Sie haben als Neunjähriger angefangen zu nähen und zu zeichnen. Woher kannten Sie das Berufsbild Designer?Ich kannte das nicht! Ich habe einfach gezeichnet, gemalt, gekritzelt.Gab es denn Modezeitschriften daheim?Nein, nein. Wir hatten nur den »Stern«. Das war das einzi-ge Magazin, das ich kannte. Der »Stern« war meine »Vogue«, meine »Elle«, mein Wohnmagazin, alles. Ich hätte auch ein guter Architekt werden können, ich habe Häuser gezeichnet, habe gespielt, dass ich der Unterneh-mersohn vom Flora-Soft-Margarine-Imperium bin. Noch so ein Traum: im Gutshaus von der Unox-Suppen-Verpa-ckung zu leben. Ich habe auch viel gelesen. Luise Rinser, Gerhart Hauptmann, Reclam-Heftchen.Ein einsames Kind, trotz der drei Geschwister?Ich hatte Freunde. Und ich hab mir gewünscht, ein Ein-zelkind zu sein. Ich war der Zweitälteste und wollte volle Aufmerksamkeit. Oha. Ich hatte meinen Eltern von diesem Wunsch erzählt, und dann haben die gesagt: Okay, dann gehen wir mal allein los. Weil sie wussten, dass sie mich damit retten. Ich woll-te als Kind auch immer hinten im Auto sitzen. Nie vorne, wie die anderen.Kommen Sie, Sie sind gar nicht so bodenständig. Ihre russischen Windhunde – auch so ein Anzeichen für Exzentrik.Aber die sind bodenständig! Barsois lassen sich nicht dressieren, die wollen nur frei sein. Wir Windhund-Hal-ter sind ein eingeschworener Club von Freigeistern, weil unsere Hunde kein Kommando befolgen. Die kommen nur aus Liebe. Und das ist ein Wunsch, den ich für mein ganzes Leben hab. Und von wegen bodenständig: Wenn mein PR-Agent und Freund David mit seinem Dackel bei mir zu Besuch ist, der dann mit seinen kurzen Beinen in den tiefflorigen Teppichen versinkt, dann sehe ich, wie meine schönen Russinnen auf dem Sofa liegen und den-ken: Der ist süß, aber irgendwie total verbaut.

»Ich mag den Leuten nicht Firlefanz und Sondermüll um die Ohren hauen.«

Extrem nah: Sein Buch »Anziehungs-kraft« [Edel], in das Kretschmer hier gleich serienweise sein Auto-gramm setzt, bringt Klarheit in Stilfragen.

EIN STÜCK VON GUIDO

Ab Herbst gibt es Mode von Guido Maria Kretsch-

mer nicht mehr nur in ausgesuchten Läden –

sondern jederzeit und wo auch immer. Für seinen

Online-Store hat der De-signer eine Lieblingsteile-

kollektion entworfen, in der hin und wieder Mo-delle aus den Premium-

kollektionen auftauchen.

Immer auf SendungIm November startet die

neue Staffel von »Das Supertalent«, im Januar

2015 eine neue Show [beide RTL]. »Shopping Queen« läuft weiterhin

montags bis freitags, da-zu samstags die Wieder-holung am Stück [Vox].

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