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Informationsmanagement, PPS (Produktionsplanung/-steuerung), Simulation Cyber-physische Feinplanung Hochauflösende Produktionssteuerung auf Basis kybernetischer Unterstützungssysteme G. Schuh, T. Potente, A. Hauptvogel 67 % der Unternehmen geben Termintreue als ihre wichtigste logisti- sche Zielgröße an. Um die Komplexität in der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) zu beherrschen, setzen die produzierenden Unter- nehmen IT (Informationstechnologie)-Systeme ein. Diese Systeme gewährleisten allerdings häufig keine zuverlässige Prognose der Liefer- termine und beeinflussen so die geforderte Termintreue. Der Fach- artikel beschreibt einen cyber-physischen Ansatz zur Optimierung der PPS hin zu einer zuverlässigen Planung. Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh, Dipl.-Ing. Till Potente, Dipl.-Ing. Annika Hauptvogel Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Steinbachstr. 19, D-52074 Aachen Tel. +49 (0)241 / 80-28390, Fax +49 (0)241 / 80-22293 E-Mail: [email protected] oder [email protected] Internet: www.wzl.rwth-aachen.de Dank Die Entwicklung einer hochauflösenden Produktionssteuerung auf Basis kybernetischer Unterstützungssysteme und intelligen- ter Sensorik ist Gegenstand des Forschungs- und Entwicklungs- projekts „ProSense“, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ sowie der Fördermaßnahme „Intelligente Vernetzung in der Produktion – Ein Beitrag zum Zukunftsprojekt Industrie 4.0“ (Förderkenn- zeichen 02PJ2490) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird. 1 Ausgangssituation Die steigende Dynamik der Märkte bei gleichzeitig immer individuelleren Kundenwünschen zu beherrschen, stellt auch in Zukunft eine zentrale Herausforderung für Unternehmen dar [1]. Hierbei ist die PPS ein zentrales Element zur Erfüllung dieser Anforderungen [2]. Die Komplexität in der Planung von Produktionsprozessen steigt stetig an. Das Verhalten komple- xer Systeme lässt sich im Einzelnen jedoch nicht vorhersagen [3]. Der Einsatz von IT-Lösungen (beispielsweise Advanced Planning and Scheduling-Systeme, APS) ist daher in produ- zierenden Unternehmen seit einigen Jahren notwendig ge- worden, um die PPS zu unterstützen [4]. Der Einsatz derartiger IT-Systeme bringt häufig allerdings keine zuverlässige Prognose über die zukünftige Situation in der Produktion. Stattdessen führen derartige Informations- systeme schnell dazu, dass die Strukturen der PPS zu komplex werden. Die Transparenz und Flexibilität der Auftragsabwick- lung ist damit den Unternehmen nicht mehr gegeben [5]. Analysen in einem Unternehmen der Einzel- und Kleinserien- produktion nach dem Werkstattprinzip haben gezeigt, dass das eingesetzte APS-System Defizite hinsichtlich der Prog- nosesicherheit der Planung aufweist. Das Startdatum der Arbeitsvorgänge einzelner Produkte wird kontinuierlich über den gesamten Planungszeitraum korrigiert. Die Korrekturen erfolgen in aller Regel nach oben, sodass sich der Liefertermin verzögert und somit die Liefertermintreue nicht eingehalten werden kann. Bedingt durch die Komplexität der Ursachen für Abweichungen sind diese für den Anwender nicht nachvoll- ziehbar. Bild 1 verdeutlicht für ein repräsentatives Produkt die vom APS-System geplanten Termine für jeden Arbeitsvor- gang über den gesamten Zeitraum von der ersten Einplanung im System bis zur Fertigstellung des Produkts. Die Planung jedes Arbeitsvorgangs erfolgt täglich. Eine tägliche Korrektur der Terminierung der Arbeitsgänge ist deutlich erkennbar. Die Fertigstellung des Produkts erfolgt über fünf Wochen später, als sie im ersten Planungslauf geplant war. Ein Grund für derartige Abweichungen ist die Tatsache, dass Änderungen im realen Produktionssystem nicht adäquat im IT-System adaptiert werden. Anpassungen erfordern neben Expertenwissen auch einen hohen Zeitaufwand. Um in Zu- kunft eine leistungsfähige Planung gewährleisten zu können, gilt es, Abweichungen zwischen den Planungen des IT- Systems und der realen Produktion aufzudecken. Nur so wird Cyber-physical detailed planning - High-resolution production control based on cybernetic systems 67 % of companies claim adherence to delivery dates as their main logistic target. To control the complexity of the production planning and control (PPC), manufacturing companies use IT systems. However, the systems often do not provide a reliable forecast of delivery dates and thus affect the required adherence to delivery dates. The article describes a cyber-physical approach to optimize the PPC towards a reliable detailed planning. Titelthema – Aufsatz wt Werkstattstechnik online Jahrgang 103 (2013) H. 4 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf 336

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Informationsmanagement, PPS (Produktionsplanung/-steuerung), Simulation

Cyber-physische Feinplanung Hochauflösende Produktionssteuerung auf Basis kybernetischer Unterstützungssysteme G. Schuh, T. Potente, A. Hauptvogel

67 % der Unternehmen geben Termintreue als ihre wichtigste logisti-sche Zielgröße an. Um die Komplexität in der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) zu beherrschen, setzen die produzierenden Unter-nehmen IT (Informationstechnologie)-Systeme ein. Diese Systeme gewährleisten allerdings häufig keine zuverlässige Prognose der Liefer-termine und beeinflussen so die geforderte Termintreue. Der Fach -artikel beschreibt einen cyber-physischen Ansatz zur Optimierung der PPS hin zu einer zuverlässigen Planung.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh, Dipl.-Ing. Till Potente, Dipl.-Ing. Annika Hauptvogel Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Steinbachstr. 19, D-52074 Aachen Tel. +49 (0)241 / 80-28390, Fax +49 (0)241 / 80-22293 E-Mail: [email protected] oder [email protected] Internet: www.wzl.rwth-aachen.de

Dank Die Entwicklung einer hochauflösenden Produktionssteuerung auf Basis kybernetischer Unterstützungssysteme und intelligen-ter Sensorik ist Gegenstand des Forschungs- und Entwicklungs-projekts „ProSense“, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ sowie der Fördermaßnahme „Intelligente Vernetzung in der Produktion – Ein Beitrag zum Zukunftsprojekt Industrie 4.0“ (Förderkenn -zeichen 02PJ2490) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird.

1 Ausgangssituation

Die steigende Dynamik der Märkte bei gleichzeitig immer individuelleren Kundenwünschen zu beherrschen, stellt auch in Zukunft eine zentrale Herausforderung für Unternehmen dar [1]. Hierbei ist die PPS ein zentrales Element zur Erfüllung dieser Anforderungen [2]. Die Komplexität in der Planung von Produktionsprozessen steigt stetig an. Das Verhalten komple-xer Systeme lässt sich im Einzelnen jedoch nicht vorhersagen [3]. Der Einsatz von IT-Lösungen (beispielsweise Advanced Planning and Scheduling-Systeme, APS) ist daher in produ -zierenden Unternehmen seit einigen Jahren notwendig ge-worden, um die PPS zu unterstützen [4].

Der Einsatz derartiger IT-Systeme bringt häufig allerdings keine zuverlässige Prognose über die zukünftige Situation in der Produktion. Stattdessen führen derartige Informations-systeme schnell dazu, dass die Strukturen der PPS zu komplex werden. Die Transparenz und Flexibilität der Auftragsabwick-lung ist damit den Unternehmen nicht mehr gegeben [5]. Analysen in einem Unternehmen der Einzel- und Kleinserien-produktion nach dem Werkstattprinzip haben gezeigt, dass das eingesetzte APS-System Defizite hinsichtlich der Prog-nosesicherheit der Planung aufweist. Das Startdatum der Arbeitsvorgänge einzelner Produkte wird kontinuierlich über den gesamten Planungszeitraum korrigiert. Die Korrekturen erfolgen in aller Regel nach oben, sodass sich der Liefertermin verzögert und somit die Liefertermintreue nicht eingehalten werden kann. Bedingt durch die Komplexität der Ursachen für Abweichungen sind diese für den Anwender nicht nachvoll-ziehbar. Bild 1 verdeutlicht für ein repräsentatives Produkt die vom APS-System geplanten Termine für jeden Arbeitsvor-gang über den gesamten Zeitraum von der ersten Einplanung im System bis zur Fertigstellung des Produkts. Die Planung jedes Arbeitsvorgangs erfolgt täglich. Eine tägliche Korrektur der Terminierung der Arbeitsgänge ist deutlich erkennbar. Die Fertigstellung des Produkts erfolgt über fünf Wochen später, als sie im ersten Planungslauf geplant war.

Ein Grund für derartige Abweichungen ist die Tatsache, dass Änderungen im realen Produktionssystem nicht adäquat im IT-System adaptiert werden. Anpassungen erfordern neben Expertenwissen auch einen hohen Zeitaufwand. Um in Zu-kunft eine leistungsfähige Planung gewährleisten zu können, gilt es, Abweichungen zwischen den Planungen des IT-Systems und der realen Produktion aufzudecken. Nur so wird

Cyber-physical detailed planning - High-resolution

production control based on cybernetic systems

67 % of companies claim adherence to delivery dates as their main logistic target. To control the complexity of the production planning and control (PPC), manufacturing companies use IT systems. However, the systems often do not provide a reliable forecast of delivery dates and thus affect the required adherence to delivery dates. The article describes a cyber-physical approach to optimize the PPC towards a reliable detailed planning.

Titelthema – Aufsatz

wt Werkstattstechnik online Jahrgang 103 (2013) H. 4 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf336

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eine zuverlässige Planung und somit das Vertrauen des An-wenders in die Planung der IT-Systeme sichergestellt.

2 Anforderungen

Unternehmen setzen heute Feinplanungssysteme ein, um die Komplexität der Produktion zu beherrschen und die PPS zu unterstützen. Ihre Anforderung an derartige IT-Systeme ist eine zuverlässige Aussage über den Fertigstellungstermin al-ler Aufträge und somit das sichere Erreichen des dem Kunden zugesagten Termins. Da die Termintreue die führende logisti-sche Zielgröße in produzierenden Unternehmen ist [6], ist das Erreichen des Kundenwunschtermins für diese essenziell. Eine zuverlässige Planung des Feinplanungssystems erlaubt es dem Fertigungssteuerer, den Fokus seiner Arbeit von der Priori sierung verspäteter Aufträge zur Realisierung der gefor-derten Termintreue zu nehmen. Stattdessen kann dieser sich verstärkt mit der Optimierung der PPS befassen.

3 Zuverlässigkeit von Prognosen

Die Möglichkeit, Prognosen für die Zukunft zu treffen, wird in der heutigen Zeit immer bedeutender. Bei komplexen Systemen mit chaotischen Prozessen (beispielsweise Produk -tionsabläufen) sind Vorhersagen schwierig, da selbst bei nahezu identischen Ausgangssituationen sich völlig unter-schiedliche Ergebnisse ergeben können [7]. Dieses Phänomen ist vor allem im Bereich der Wettervorhersage bekannt.

So ist eine Wettervorhersage für einen Zeitraum von vier Tagen mit einer relativ hohen Zuverlässigkeit erreichbar, wo-hingegen eine Vorhersage des Wetters für einen Monat keines-falls möglich ist [7]. Die Vorhersage des zukünftigen Wetters wird auf Basis der „numerischen Wettervorhersage“ durch -geführt [8]. Die in die Berechnung der Prognosen für die nächsten Stunden und Tage eingehenden Faktoren (wie Tem-peratur, Luftdruck und so weiter) werden global einheitlich zu exakt gleichen Zeitpunkten gemessen [9]. Durch chaotische Beziehungen in der Atmosphäre kommt es zu Abweichungen, die nicht in die Berechnung einbezogen werden können. Eine kleine Veränderung des Anfangswertes kann zu einer großen

Abweichung über einem längeren Zeitraum führen [10]. Des-halb nimmt die Vorhersagegenauigkeit mit größerem Prog-nosezeitraum ab. Beim Ermitteln von Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines bestimmten Wetterereignisses werden viele Vorhersagen anhand eines Modells berechnet, dessen Anfangsbedingungen minimal voneinander abweichen. Somit werden Fehler aus der Datenaufzeichnung relativiert und dem chaotischen Verhalten des Wetters Rechnung getragen [11]. Dieses Vorgehen stellt große Anforderungen an die Rechen-leistung. Je weiter der Prognosezeitraum in die Zukunft geht, desto größer sind hierbei die Unterschiede der einzelnen Vor-hersagen. Der so entstehende Prognosekorridor gibt Anhalts-punkte dafür, wie sich die Wetterlage in der nächsten Zeit wahrscheinlich einstellt. Für eine exakte Vorhersage existie-ren zwei Bedingungen [12]: – eine realistische Beschreibung der Anfangsbedingungen

und – ein exaktes Modell zur Berechnung. Da beide Bedingungen in der Praxis nie ganz erfüllt werden können, entsteht daraus zwangsweise eine Vorhersageunsi-cherheit. Mithilfe des beschriebenen Vorgehens lässt sich den abweichenden Anfangsbedingungen begegnen. Prognose -fehler können aber auch durch Vereinfachungen und Näherun-gen in den unterschiedlichen Modellen entstehen und sich im Laufe der Berechnungen immer weiter ausbreiten. Um diese Abweichungen einzubeziehen, werden Prognosen unter-schiedlicher Modelle ausgehend von einem einheitlichen Startwert berechnet und die Ergebnisse miteinander ver -glichen. So entsteht ein Prognosekorridor, innerhalb dessen sich der betrachtete Wetterfaktor einstellen wird, und es er-gibt sich darüber hinaus ein Anhaltspunkt, wie wahrschein-lich eine bestimmte Ausprägung ist [11]. Bild 2 zeigt bei-spielhaft eine 15-Tage-Prognose. Der schattierte Bereich kennzeichnet die Bandbreite der Ergebnisse und die helle aus-gezogene Linie den Mittelwert aller Lösungen. Je schmaler der dunkel schattierte Bereich ist, desto gesicherter ist die Vorhersage. Um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen, ist es dabei wichtig, viele unterschiedliche Modelle gleichzeitig zu berechnen.

Bild 1. Terminverschiebungen von Planaufträgen

4 Cyber-physische Systeme in der PPS

Um die in der PPS geforderten zuverlässigen Prognosen zu gewährleisten, sind die benannten Methoden aus der Wetter-vorhersage zu übertragen. Das heißt, neben der exakten Beschreibung des zur Planung eingesetzten Modells ist auch eine realistische Beschreibung der Anfangsbedingungen in der Planung von Produktionsprozessen unabdingbar. Cyber-physische Systeme (CPS) weisen die entsprechenden Voraus-setzungen für die Realisierung einer zuverlässigen Planung auf. Sie zeichnen sich vor allem durch eine erhöhte Rechen-leistung aus [13], die notwendig ist, um möglichst viele un-terschiedliche Berechnungen gleichzeitig durchführen zu können. Mittels entsprechender Sensorik sind CPS in der Lage, unmittelbar physikalische Daten aufzunehmen und basierend auf der Verbindung mit digitalen Netzen sämtliche verfügbare Daten zu nutzen [14]. Um die Anfangsbedingungen des Mo-dells weitestgehend exakt zu bestimmen, gilt es, die entspre-chenden Faktoren (wie Betriebs- oder Maschinendaten und so weiter) in der Produktion möglichst genau aufzunehmen. Mit-hilfe von CPS und der entsprechenden intelligenten Sensorik werden somit mehr Daten zur Verfügung gestellt und eine exaktere Ermittlung der Anfangsbedingungen ermöglicht.

5 Ansatz zur Sicherstellung einer hohen Planungsgüte

Neben der realistischen Beschreibung der Anfangs-bedingungen ist das Beschreiben des zur Planung eingesetz-ten Modells eine wichtige Voraussetzung. Beim Erstellen des Modells ist nicht der Detaillierungsgrad entscheidend. Viel-mehr sind einfache Modelle gefordert, deren Planung verläss-liche Werte liefert [15]. Mithilfe dieser Modelle lassen sich anschließend Experimente durchführen. Bei diesen Experi -menten wird von einheitlichen Startwerten ausgehend das jeweilige Modell minimal variiert und nachfolgend mit der realen Produktion verglichen. Die Startwerte definieren einen bestimmten Zeitpunkt in der Produktion, der in der Ver-gangenheit liegt. Anhand der Modelle werden ausgehend von dem Startwert die zukünftigen Produktionsprozesse simuliert.

Liegt der Startzeitpunkt ausreichend weit in der Vergangen -heit (beispielsweise 14 Tage), kann der simulierte Zeitraum mit den in der Realität abgelaufen Produktionsprozessen ver-glichen werden. Somit wird das Modell identifiziert, das mit der realen Produktion die größte Übereinstimmung aufweist. Dieses Modell lässt sich dann in Zukunft für die PPS einsetzen. Die Herausforderung liegt darin, in kürzester Zeit möglichst viele unterschiedliche Modelle gleichzeitig zu berechnen, um so neues Wissen über die PPS zu generieren und eine echtzeit-fähige Entscheidung des Fertigungssteuerers zu ermöglichen.

Bild 3 stellt die Analyse der gesamten Aufträge einer Pro-duktion über einen Zeitraum von einem Monat dar. Verglichen wird zum einen die Planung der Aufträge durch das APS-Sys-tem, wie sie zu Beginn des Monats ausgegeben wurde, mit der sich in der realen Produktion täglich einstellenden Situation. Zum anderen wird die Planung – ermittelt mithilfe eines gene-rierten Simulationsmodells – mit der sich in der realen Pro-duktion täglich einstellenden Situation verglichen. Das Simu-lationsmodell wurde so parametrisiert, dass an sämtlichen Maschinen eine Reihenfolgebildung nach der Fist-in-First-Out-Regel (FiFo) erfolgt. Im betrachteten Produktionsbetrieb ist die FiFo-Regel die vom Fertigungssteuerer vorgegebene Strategie. Bei Anwendung der FiFo-Regel werden die Aufträge in der Reihenfolge abgearbeitet, in der sie am Arbeitssystem eintreffen, weshalb sie als natürliche Reihenfolgeregel be-zeichnet wird [16]. In der Produktion des analysierten Unter-nehmens befinden sich konstant zwischen 1500 und 1600 Aufträge in einer Fertigungsumgebung mit etwa 140 Maschi-nen. Bereits nach drei Tagen kann nur noch eine Übereinstim-mung von circa 25 % zwischen der vom APS-System vorherge-sagten und der realen Situation in der Produktion festgestellt werden. Nach 16 Tagen liegt die Abweichung zwischen realer und geplanter Produktion bereits bei etwa 85 %. Die Berech-nung des einfachen Modells dagegen ist deutlich zuver-lässiger und weißt eine durchschnittliche Abweichung von nur 58 % auf.

Werden nun weitere Experimente mit unterschiedlichen Modellen und mit exakteren Anfangsbedingungen, die dank der im Forschungsprojekt ProSense zu entwickelnden intel -ligenten Sensorik aufgenommen werden können, durchge -

Bild 3. Vergleich zwischen einer Simulation und einem APS (Advanced Planning and Scheduling)-System

Bild 2. 15-Tage-Trend für die Tageshöchsttemperaturen (DasErste.de)

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führt, entsteht ein Prognosekorridor, mit dem der Fertigungs-steuerer deutlich zuverlässiger planen kann. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Güte des Modells bestimmt und somit die Prognosegenauigkeit beschrieben werden kann.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Der in diesem Fachartikel beschriebene cyber-physische Ansatz zur Optimierung der PPS hin zu einer zuverlässigen Planung wird im Rahmen des „Industrie 4.0“-Forschungs- und Entwicklungsprojekts ProSense entwickelt und umgesetzt. Ziel ist es, Simulationsmodelle einzusetzen, die aufgrund ih-rer geringen Komplexität schnell und für jeden verfügbar sind und so in kurzer Zeit eine große Anzahl unterschiedlicher Modelle gleichzeitig berechnet werden können. Somit wird für den Fertigungssteuerer eine gesicherte Vorhersage geschaf -fen, auf der er zuverlässige Entscheidungen treffen kann. Der

Mensch wird also bei der Planung und Steuerung der Produk-tion optimal unterstützt und schließlich die Effizienz der Pro-duktion gesteigert. ?

Literatur

[1] Zäh, M. F.; Schack, R.; Müller, S.: Ansatz zur Projektierung der Digitalen Fabrik. ZWF 100 (2005) H. 5, S. 286–290

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[3] Friedli, T.; Schuh, G.; Kurr, M.: Kooperationsmanagement: Systematische Vorbereitung – Gezielter Auf- und Ausbau – Entscheidende Erfolgsfaktoren. München: Carl-Hanser-Verlag 2005, S. 34

[4] Schuh, G.; Gottschalk, S.; Höhne, T.: High Resolution Production Management. CIRP Annals - Manufacturing Technology 56 (2007) No. 1, pp. 439-442

[5] Schuh, G.: Produktionsplanung und -steuerung – Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. Heidelberg: Springer-Verlag 2006, S. 17

[6] Schuh, G.; Stich, V.: Produktion am Standort Deutschland. Aachen: Druckservice Zillekens 2011, S. 16–17

[7] Gassmann, O.; Kobe, C.: Management von Innovation und Risiko – Quantensprünge in der Entwicklung erfolgreich managen. Heidelberg: Springer-Verlag 2006, S. 18

[8] Rotach, M.: Neue Entwicklungen in der Wettervorhersage – Potential und Anforderungen für Anwender. Forum für Wissen (2007), S. 19–23

[9] Podbregar, N.; Schwanke, K.; Frater, H.: Wetter, Klima, Klimawandel – Wissen für eine Welt im Umbruch. Heidelberg: Springer-Verlag 2008, S. 196-197

[10] Etling, D.: Theoretische Meteorologie eine Einführung. Heidelberg: Springer-Verlag 2008, S. 250

[11] Galmarini, S.; Bonnardot, F.; Jones, A.; Potempski, S.; Robertson, L.; Martet, M.: Multi-model vs. EPS-based ensemble at-mospheric dispersion simulations - A quantitative assessment on the ETEX-1 tracer experiment case. Atmospheric Environment 44 (2010) No. 29, pp. 3558-3567

[12] Molteni, F.; Buizza, R.; Palmer, T.; Petroliagis, T.: The ECMWF Ensemble Prediction System: Methodology and validation. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society 122 (1996), pp. 73-119

[13] Broy, M. (Hrsg.): Cyber-Physical Systems – Innovation durch softwareintensive eingebettete Systeme. Heidelberg: Springer-Verlag 2010, S. 98

[14] Vogel-Heuser, B.; Bayrak, G.; Frank, U.: Agenda CPS-Szenario smart factory. In: Vogel-Heuser, B. (Hrsg.): Erhöhte Verfügbarkeit und transparente Produktion. Kassel: Univ. Press 2011, S. 6–21

[15] N. N. automotiveIT: VW plant in Hannover mit Blackbox-Modell. Internetnachricht vom 10. Oktober 2012

[16] Nyhuis, P.; Wiendahl, H.-P.: Logistische Kennlinien – Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen. Heidelberg: Springer-Verlag 2003, S. 87

Kontaktdaten Projektträger Dipl.-Ing. Thomas Rosenbusch Projektträger Karlsruhe Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT) Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 D-76344 Eggenstein-Leopoldshafen Tel. +49 (0)721 / 608-25273 E-Mail: [email protected] Internet: www.produktionsforschung.de