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Titelthema 14 Wirtschaft Nordhessen 3.2015

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Titelthema

14 Wirtschaft Nordhessen 3.2015

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„Services für Mieter“. „Als Innovationszentrumlebt der Science Park vom Wechsel der kreati-ven Köpfe“, erläutert Fromm die Regelung.Spätestens nach acht Jahren müssen sich dieUni-Ausgründungen eine neue Bleibe suchen.

Die Büro-, Labor- und Werkstatträume ver-teilen sich im Science Park auf einer Flächevon über 6000 Quadratmetern, die Gegeben-heiten können an die Bedürfnisse der jeweili-gen Mieter angepasst werden. „Die Architek-ten haben den Neubau sehr flexibel gestaltet“,berichten die Geschäftsführer. „So soll denwechselnden Anforderungen Rechnung getra-gen und die Kommunikation untereinanderauf vielfältige Weise gefördert werden.“ DieBauweise ermögliche viele Blickkontakte zwi-schen den Menschen, das fördere das Netz-werken. Auch die Infrastruktur stimme: Bei derIT sei man High-End in Kassel, betont Kreuter.

Vor etwa fünf Jahren hat die Stadt Kasseldas finanzielle Fundament für das Gründungs-und Innovationszentrum gegossen, erinnertsich Fromm. Sieben Millionen Euro stellte sieauf Betreiben des Kämmerers Dr. Jürgen Bar-thel für den Bau des Science Parks bereit. DieKommunalpolitik hatte das Errichten einessolchen als ein Leuchtturmprojekt erkoren, umhochqualifizierte Nachwuchskräfte in der Re-gion zu halten, Arbeitsplätze zu schaffen undSteuereinnahmen zu generieren. Nun lautetder Plan, dass sich das Gründungs- und Inno-vationszentrum in drei Jahren durch die erziel-ten Umsätze selbst tragen soll.

Klar waren sich alle Beteiligten zugleich,keine Konkurrenzsituation zwischen dem Sci-ence Park und dem Technologie- und Gründer-zentrum FiDT an der Marbachshöhe aufkeimenzu lassen. Beide Institutionen arbeiten zusam-men, formen ein Netzwerk. Auch aus diesemGrund bilden FiDT-Geschäftsführer Dr. GeroldKreuter und Dr. Oliver Fromm die Doppelspitzeim Science Park. Seltenheitswert hat fernerder Umstand, dass die Universität sich als Ge-sellschafter engagiert. Fromm: „Das suchtbundesweit seinesgleichen.“ �

E s ist ein Ort entstanden, an dem sich Ak-teure aus Wissenschaft, Gesellschaft und

Wirtschaft treffen und austauschen können“,freut sich Dr. Oliver Fromm mit Blick auf denBezug des Neubaus jetzt im März. Er bildet mitDr. Gerold Kreuter aus dem Team Innovationund Umwelt der IHK Kassel-Marburg das Ge-schäftsführer-Duo. „Dabei soll der SciencePark nicht als Ufo auf dem Campus wahrge-nommen werden: Auch die Studenten werdendort ein- und ausgehen“, sagt Fromm.

Produktdesigner, Wirtschaftsinformatiker,Soziologen, Maschinenbauer, IT-Fachleute:Die derzeit 15 Firmen mit Mietverträgen spie-geln die fachliche Bandbreite der UniversitätKassel wider. Die Auslastung liegt somit beietwa 60 Prozent. „Wir haben bewusst noch et-was Spielraum gelassen“, erklärt Fromm. Sohätten die aktuellen Mieter die Chance, beiBedarf benachbarte Räume hinzuzuordern.Perspektivisch strebe man eine Auslastungvon 80 bis 85 Prozent an.

Den Ausschlag für den Entschluss der Jung-unternehmer und Uni-Absolventen, in denNeubau auf dem Campus zu ziehen, geben diedort einzigartigen Möglichkeiten, sich zu ver-netzen, berichtet Fromm. Vor Ort existiere einbesonderes Klima: „Bei den Gründern handeltes sich um Macher, die das gleiche Ziel haben:Sie wollen etwas Neues in die Welt setzen. Be-denkenträger wird man dort nicht finden.“ Zu-gleich herrschten größere Toleranz und Ver-ständnis, falls eine Geschäftsidee platzen soll-te. Außerdem verfügten die Firmen über eine„Super-Adresse“, die in der Regel höhere Auf-merksamkeit erziele als manch anderer Stand-ort im nordhessischen Oberzentrum.

Bei der Struktur der Mieter gilt es, be-stimmte Quoten einzuhalten. 40 Prozent desRaumangebots sind für Uni-Ausgründungenreserviert, die jünger sind als fünf Jahre. Wei-tere 40 Prozent gehen an solche, die sich län-ger als fünf Jahre am Markt bewiesen haben.Die übrigen 20 Prozent fallen nach Angabender Geschäftsführung unter die Kategorie

In diesem Monat ziehendie ersten Mieter ein:

Der für 15,3 MillionenEuro errichtete

Science Park derUniversität Kassel füllt

sich mit Leben. Zu denKernaufgaben des neuen

Innovationszentrumszählen, das Wissen

zwischen Wissenschaftund Wirtschaft zu

transferieren und dieGeschäftsideen von

Gründern zur Marktreifezu bringen.

Text: Andreas NordlohneIllustration: Steve Marshall

Science Park Kassel

Herzkammerfür Start-ups

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umfassen 15 m² (für sechs Personen), 30 m²(für zehn Personen) sowie 45 m² (für 18 Per-sonen). Sie können nicht nur von Mietern,sondern auch von Unternehmen für Veranstal-tungen genutzt werden.

• Das Idea Lab ist das kreative Zentrum desScience Parks und bietet auf 120 m² vom Le-gostein bis zur Wandtafel alles, was kreativesDenken und Arbeiten unterstützt. Es eignetsich für Teams und mehrere Arbeitsgruppenbis zu maximal 50 Personen. Auch das IdeaLab kann von Unternehmen angemietet wer-den.

• Im Coworking Space besteht die Möglich-keit, Arbeitsplätze auf Stunden-, Tages-, Wo-chen- und Monatsbasis zu mieten. Auf 160 m²befinden sich zehn Arbeitsplätze mit Schreib-tisch, Stuhl und Rollcontainer. Hinzu kommenunter anderem Stromanschlüsse, IT-Anschlussper Dose und WLAN. WN / AN �

Weitere Informationen und Preisliste: AnjaFlörke, Tel. 0561 93897-50, E-Mail: [email protected] oder unterwww.sciencepark-kassel.de

• Büros gibt es in der Größe von 15 bis 600 m²– ob Einzelräume, Büros mit Mittelgang,Großraumbüros oder Flurtrakte.

• Ateliers sind Werkstätten mit Empore, in de-nen sich handwerkliches Arbeiten mit Büroar-beit verbindet. Im Science Park existieren vierAteliers (70 m² plus 23 m² Empore). Die Höhebeträgt 6,60 Meter; der Raum ist deckenhochverglast. Der Einbau schwerer Maschinen istmöglich.

• Labore bieten Platz zum Experimentierenund für Prototyping. Die Raumgröße beläuftsich auf 15 bis 40 m². Eine nutzerspezifischeLaborausstattung kann nachgerüstet werden.

• In die zwei Werkhallen (120 m² und 130 m²sowie 18 m² angeschlossenes Lager) passengroße Maschinen und Werkstücke. Die Raum-höhe beträgt 6,60 Meter.

• Die Konferenz- und Besprechungsräumebieten Platz und Präsentationstechnik fürGruppen von sechs bis circa 120 Personen (be-stuhlt). Der große Konferenzraum ist teilbar in110 m² für circa 70 Personen sowie 70 m² für40 Personen. Die drei Besprechungsräume

G arage war gestern: Diesem Leitspruch hatsich der Science Park der Universität Kas-

sel verschrieben. Er bietet Studenten undJungunternehmern auf insgesamt über 6000Quadratmetern (m²) die Chance, eine eigeneFirma aufzubauen. Darüber hinaus kann jedesinteressierte Unternehmen die Konferenz- undBesprechungsräume anmieten und die moder-ne Infrastruktur nutzen. Die Optionen:

Innovationszentrum mit Ateliers, Laboren, Werkhallen

Firmen können Räume mieten

Das Team des Uni-Start-ups Sminno beim Ein-zug: (v.l.) Sohrab Noorzaie, Caroline Schmiedelund Dipl.-Ing. Khesrau Noorzaie.

(Foto: Jörg Lantelmé)

Die Hochschule verfolgt seit Langem eineAgenda, um diese Herausforderungen zumeistern. Eine der jüngeren Entscheidungen:Vor zwei Jahren hat sie die Dachmarke Uni-KAT ins Leben gerufen. Diese vereint verschie-dene Instrumente, die dazu dienen, Ausgrün-dungen zu fördern. 380 Firmen sind auf die-sem Wege dem universitären Brutkasten ent-schlüpft – sie stehen für etwa 10.500 Arbeits-plätze. Dazu zählen nicht nur Unternehmenwie die enercast GmbH, die Wind- und Solar-leistungsprognosen erstellt, oder das Soft-ware- und Beratungshaus Yatta Solutions,sondern auch kulturelle Einrichtungen wie dieGalerie für komische Kunst, die Caricatura,und das Kulturzentrum Schlachthof.

Die Bundesregierung hat diese Anstrengun-gen 2013 gewürdigt und der Universität Kas-sel den Titel „Exist-Gründerhochschule“ ver-liehen. Zudem überweist sie bis 2016 zweiMillionen Euro. Die Mittel fließen unter ande-rem in den Aufbau eines Expertenpools vonUniKAT-Mitarbeitern, die in den einzelnenFachbereichen Gründungsthemen positionie-ren. Ein Anteil des Fördergeldes wurde in dieCrowdfunding-Plattform www.startnext.cominvestiert. Eine weitere Teilsumme nutzte dieHochschule, um eine Professur für unterneh-merisches Handeln einzurichten. AN �

1971 ist ein entscheidendes Jahr fürden Standort Nordhessen: Die

Gesamthochschule Kassel (GhK), der Vorläuferder heutigen Universität, wurde gegründet.„Für mich war und ist dieses Ereignis die größ-te und bemerkenswerteste infrastrukturelleLeistung für die Region“, hat der von 1980 bis1995 amtierende Hauptgeschäftsführer derIHK Kassel, Dr. Walter Giesler, 2010 im Inter-view mit der WIRTSCHAFT NORDHESSEN be-tont. Er erinnerte sich in dem Redaktionsge-spräch daran, dass es zunächst schwer war,beide Lager – Universität und Unternehmen –zusammenzubringen: „Die Universität warleicht linkslastig, was Unternehmer traditio-nell weniger sind.“ Ganz langsam habe mansich angenähert. Die IHK wirkte als Mittler.

Im Laufe der Jahre ist aus der anfänglichenSkepsis eine produktive Zusammenarbeit ge-diehen. „Unser Ziel ist es, unternehmerischesDenken und Handeln in allen Studiengängenzu verankern“, erklärt Dr. Oliver Fromm, unteranderem Geschäftsführer von UniKasselTrans-fer und dem Science Park. InterdisziplinäreProblemlösungen gewinnen immer mehr anBedeutung, ergänzt Uni-Präsident Prof. Dr.Rolf-Dieter Postlep. „Wissenstransfer undGründungsförderung sind die zentralen Auf-gaben unserer Universität.“

Gesamthochschule: Zunächst überwog die Skepsis

„Größte infrastrukturelle Leistung“Transferorganisationenebenfalls im Science Park

D er Science Park Kassel ist nicht nur ein Ortder Gründerszene. Drei Transferorganisa-

tion sind dort ebenfalls angesiedelt:• Die UNIKIMS ist die Management Schoolder Universität. Jährlich nutzen etwa 500Nachwuchs- und Führungskräfte aus über 100kleinen und mittleren Unternehmen und mul-tinationalen Konzernen das Angebot. Dazu ge-hören berufsbegleitende MBA- und Master-Studiengänge sowie maßgeschneiderte Bau-steine für Menschen, die ihren beruflichenAufstieg planen. Dank der Verbindung von ak-tuellen Marktanforderungen und Wissen-schaft ist die UNIKIMS in den vergangenenJahren nach eigenen Angaben zu einer der er-folgreichsten universitären Weiterbildungs-einrichtungen geworden. www.unikims.de• Als zentrale Transferorganisation ist es dieAufgabe von UniKasselTransfer, Wissen undKompetenzen der Universität für die Gesell-schaft nutzbar zu machen. Im Internet:www.unikasseltransfer.de• Gesellschaft für Innovation NordhessenmbH (GINo): Das Patentinformationszentrumals autorisierter Partner des Deutschen Pa-tent- und Markenamtes bietet insbesondereUnternehmen Informationen zu gewerblichenSchutzrechten wie Patenten, Marken oder De-signs. www.gino-innovativ.de und www.piz-kassel.de WN / AN �

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mehr Menschen vom Unternehmertum zu be-geistern.

WN: „Unser Land braucht eine neue Grün-derzeit“, bekennt die Bundesregierung in ih-rem Koalitionsvertrag. Was sollte die Politikjetzt tun?Evers: Zwei Drittel der IHK-Experten sehenden Mangel an Beteiligungskapital als Top-Hemmnis für innovative Gründungen. Hiermuss die Politik ansetzen, Hürden im Steuer-recht beseitigen und es so Investoren leichtermachen, in Start-ups zu investieren. Wir müs-

sen zudem Gründer von Bürokratie be-freien. Vor allem aber brauchen wirinsgesamt mehr Verständnis für Un-ternehmertum. Besonders in Schulen

werden unternehmerische Kompeten-zen noch viel zu selten vermittelt. Und bei

der Erbschaftssteuer muss die Bundesregie-rung die Voraussetzungen dafür schaffen, dasskeine hohen bürokratischen Hürden und keinezusätzlichen Steuerlasten bei der Übergabeentstehen, um die Betriebsnachfolge nichtnoch zusätzlich zu erschweren. DIHK �

Das Interesse, sich selbstständig zu machen,ist im IHK-Bezirk Kassel-Marburg groß. 2014verzeichneten die IHK-Existenzgründungsbe-rater 941 persönliche Beratungsgespräche –114 mehr als 2013. Die Frauenquote lag mit 38Prozent über dem Bundesschnitt. Auch die Zahlder Teilnehmer an Aufbau- und Basisveran-staltungen schnellte deutlich in die Höhe.

will nur etwa jeder 20. Gründer in der Indus-trie starten. Dieses Muster sehen die IHK-Ex-perten über die Jahre hinweg.

„In der Industrie kommen auf einenmöglichen Übernehmer rein rechnerischsogar fünf Alt-Eigentümer.“

Dr. Marc Evers, DIHK

WN: Wie wirkt sich der Negativtrend auf dieUnternehmensnachfolge aus?Evers: Die Situation wird immer schwieriger.Mittlerweile melden sich bei den IHKs mehrSenior-Unternehmer, die ihren Betriebübergeben möchten, als übernahmebe-reite Gründer. In der Industrie kommenauf einen möglichen Übernehmer reinrechnerisch sogar fünf Alt-Eigentümer,die ihren Betrieb übergeben möchten.Hier wirkt die Demografie bereits sehr stark.Immer mehr Unternehmer erreichen das Ru-hestandsalter, während gerade die Zahl jünge-rer Gründer sinkt.

WN: Sind die deutschen Gründungsmuffel?Evers: Deutschland war schon immer ein Landder Tüftler. Am innovativen Spirit mangelt esnicht. Dass es durchaus ein hohes Grundinte-resse am Thema Unternehmensgründung gibt,zeigen schon die über 100 Gründungswettbe-werbe, die hierzulande existieren. Das Poten-zial muss allerdings stärker ausgeschöpft wer-den – und hierfür muss die Politik alle Signalefür Gründer auf Grün stellen. Mindestlohn undRente mit 63 sind allerdings nicht geeignet,

D er Existenzgründungsexperte beim Deut-schen Industrie- und Handelskammertag

(DIHK), Dr. Marc Evers, äußert sich im Inter-view mit der WIRTSCHAFT NORDHESSEN, wasdie Politik nun tun sollte.

WIRTSCHAFT NORDHESSEN: Alle Welt re-det von IT-Start-ups. Gibt es einen neuenGründungsboom in Deutschland?Dr. Marc Evers: Bei den wissensintensivenGründungen erleben wir derzeit in der Tat einepositive Entwicklung. Mehr als doppelt so vieleIT-Start-ups wie vor sieben Jahren suchen dieIHK-Gründungsberatung auf. Im Schnittschaffen diese sehr innovativen Projekte vier-mal mehr Arbeitsplätze als andere Gründun-gen. Neben IT-Start-ups sorgen Kreativbran-chen wie Webdesign oder Werbung für fri-schen Wind. Und: Die Gründer sind deutlichbesser vorbereitet als in den Jahren zuvor.

WN: Wie sieht die Entwicklung insgesamtaus?Evers: Ernüchternd. Im Jahr 2013 hatten dieIndustrie- und Handelskammern 6,9 Prozentweniger Gespräche mit Existenzgründern alsim Jahr zuvor, insgesamt 234.000. Und auchdie ersten Schätzungen für 2014 verheißenkeine Wende. Der Zuwachs bei chancengetrie-benen Start-ups ist zu schwach, um den Trendins Positive zu drehen. Es gibt vor allem deut-lich weniger Gründungen aus der Arbeitslosig-keit. Das ist eine Folge der jahrelang gutenKonjunktur, aber auch des Fachkräftemangelsund eines starken Bestrebens nach Sicherheit.Viele Qualifizierte ziehen eine gut dotierte Ar-beitnehmerposition der Selbstständigkeit vor.

WN: In welchen Branchen wird gegründet?Evers: Vier von fünf Gründern wollen im Han-del oder in einer Dienstleistungsbranche star-ten. Der Markteintritt erfordert hier ver-gleichsweise wenig Startkapital. Entsprechend

IHKs: Bei Unternehmensgründungen droht ein neuer Negativrekord – Evers:

Spirit ist da, aber die Hürden sind hoch

Nur schwer zu nehmen:Der Mangel an Beteili-

gungskapital ist oftdie höchste Hürde für

innovative Gründungen.(Foto: Fotolia)

„Die Situation wirdimmer schwieriger“:Dr. Marc Evers,Gründungsexpertebeim DeutschenIndustrie- und Han-delskammertag (DIHK).(Foto: DIHK / Ben Buegers)

ihn weiterempfohlen. Insgesamt erhielten dieKammern damit für die Zufriedenheit die Note1,27 (Vorjahr: 1,26). Es hatten sich 5628 Per-sonen an den Befragungen beteiligt, im Vor-jahr waren es 6379. DIHK �

eine Befragung durch die Kammern ergab. DieIHK Kassel-Marburg hatte ebenfalls teilge-nommen.

Erneut würden fast 98 Prozent den IHK-Gründerservice weiterempfehlen oder haben

D ie weitaus meisten beratenen Gründersind mit dem Service ihrer IHK sehr zu-

frieden. Auch im vergangenen Jahr haben runddrei Viertel der Antwortenden die IHK-Grün-dungsberater mit „sehr gut“ bewertet, wie

IHK-Gründerservice sehr hilfreich: Fast 98 Prozent würden ihn weiterempfehlen

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operieren. Was läuft gut in der Zusammen-arbeit?Postlep: Von zentraler Bedeutung ist: Wir be-gegnen uns auf Augenhöhe. Als Universitäthaben wir früh erkannt, dass unsere Kernauf-gaben in den Bereichen Forschung und Lehreeine wertvolle Bereicherung durch den Wis-senstransfer mit der Praxis finden. Umgekehrtist anerkannt: Wissenschaft ist heute eineTriebfeder für technologische, aber auch fürgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwick-lung. In der Zusammenarbeit mit unserenPartnern aus der Region – in der Wirtschaftbeispielsweise SMA, VW oder B. Braun Mel-sungen – etablieren sich dabei zunehmendlangfristig angelegte strategische Kooperati-onsbeziehungen. Sie dienen in einem ständi-gen Rückkopplungsprozess auch der Quali-tätssicherung unserer Forschung. In der Lehrewird die Schlüsselkompetenz „Unternehmeri-sches Denken und Handeln“ in alle Studien-gänge integriert und zielt dabei auf eine um-fassendere Problemlösungskompetenz unsererStudierenden ab.

WN: In welchen Bereichen sehen Sie nochgroße Potenziale?Postlep: Durch die Fächerbreite an der Univer-sität Kassel haben wir Potenziale in vielen Be-reichen, etwa den Ingenieurwissenschaften,der Nanotechnologie, der Fahrzeugtechnik,dem wachsenden Bereich der Umwelt- undEnergietechnologien, aber auch in den Geis-tes- und Kulturwissenschaften, den interna-

tionalen Politikwissenschaften und derLehr- und Hochschulforschung. Un-sere besondere Chance liegt in derNutzung unseres reichhaltigen Fä-

cherkanons zur Erarbeitung interdis-ziplinärer Problemlösungen. Dieser Ansatz

des Zusammenwirkens verschiedener Diszipli-nen bei der Bearbeitung von gesellschaftlichrelevanten Forschungsfragen wird in der Wis-senslandschaft spürbar an Bedeutung zuneh-men. Der Gewinnung hervorragender Köpfefür den wissenschaftlichen Nachwuchs mussdabei an unserer Hochschule ein besonderesAugenmerk gewidmet werden.

Die Fragen stellteWN-Redakteur Andreas Nordlohne �

Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep ist seit Septem-ber 2000 Präsident der Universität Kassel undkooptiertes Mitglied der Vollversammlung derIHK Kassel-Marburg. Zu seinen wissenschaftli-chen Arbeitsschwerpunkten zählen unter an-derem kommunale Wirtschaftspolitik und Re-gionalökonomik. Sein Nachfolger im Amt desPräsidenten ist Prof. Dr. Reiner Finkeldey, bis-lang Vizepräsident der Universität Göttingen.Finkeldey tritt das Amt zum 1. Oktober an.

Seit Oktober 2014 entsteht unweit des Cam-puscenters ein studentisches Selbstlernzen-trum. Außerdem bekommt das Gebäude Inge-nieurwissenschaften III an der Möncheberg-straße ein zusätzliches Stockwerk. Aber dergeplante Umzug der Naturwissenschaftenwird voraussichtlich noch bis 2020 dauern.Hier ist es mein Ziel, die Finanzierung fürden Baustart beim Land sicherzustellen.

Ansonsten spricht viel dafür, bei mo-deratem Wachstum vor allem die Quali-tätsentwicklung in Forschung und Lehreweiter zu intensivieren. Dafür haben wirin einem neuen Entwicklungsplan für dienächsten fünf Jahre die Leitlinien formuliert.Positiv stimmt mich, dass die Wissenschafts-politik zentralen Anliegen der Hochschulenentgegengekommen ist. Das Gesamtbudgetder Hochschulen des Landes Hessen soll stei-gen, die Landesprogramme zur Förderung vonForschung und Entwicklung (LOEWE), für denHochschulbau (HEUREKA) sowie zur Quali-tätsentwicklung von Lehre und Studium (QSL)werden fortgeführt. Hessen setzt als einzigesBundesland die durch die Bundesfinanzierungfrei werdenden BAFöG-Mittel von 81 Mio.Euro für den Hochschulbereich ein. Die Uni-versität Kassel wird entsprechend in dennächsten fünf Jahren stabile finanzielle Leit-planken haben. Das hilft, sich neuen, vor allemqualitativen Herausforderungen – dazu gehö-ren unter anderem die wissenschaftliche In-frastruktur und das E-Learning – zu stellen.

WN: Wissenschaft und Wirtschaft in der Re-gion tauschen sich regelmäßig aus und ko-

WIRTSCHAFT NORDHESSEN: Herr Prof. Dr.Postlep, im Oktober gehen Sie in den Ruhe-stand. Welche Schlagzeile würden Sie gernüber einem Zeitungsartikel lesen, der sichmit Ihrer 15-jährigen Amtszeit als Präsidentauseinandersetzt?Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep: „Die UniversitätKassel – gut aufgestellt für die Herausforde-rungen der Zukunft“ würde ich gern lesen. Inden vergangenen 15 Jahren hat sich die Uni-versität Kassel durch erfolgreiche Arbeit aufallen Feldern der Forschung, des Wissens-transfers und der akademischen Bildung zu ei-nem ge- und beachteten Teil der deutschenUniversitätslandschaft entwickelt. Das schlägtsich nieder in einer kontinuierlich gewachse-nen Zahl an Studierenden, einer vielfältigenund vielgestaltigen Forschungspräsenz inwichtigen Zukunftsfragen der Gesellschaftund einem ausgebauten, regional und überre-gional vernetzten Wissensaustausch mit deraußeruniversitären Umgebung.

WN: Auf welche Erfolge und Entwicklungensind Sie besonders stolz?Postlep: Für mich war ein schöner Erfolg, dassdie Universität 2013 im Wettbewerb „EXIST-Gründungskultur - die Gründerhochschule“ alsein Sieger hervorging. Unsere Strategien zurHerausbildung einer Kultur des unternehmeri-schen Denkens und Handelns haben über-zeugt. Und in wenigen Wochen werden wirden Science Park eröffnen, einen Meilensteinzur Beförderung der regionalen Innovations-dynamik. Erfolgreich sind wir auch als attrak-tiver Studienstandort mit hoher Bedeutung inder Region und darüber hinaus. Wir habenjetzt knapp 24.000 Studierende, denen wireine hochwertige Ausbildung anbieten und dieauch als Absolventen dem regionalen Arbeits-markt prinzipiell zur Verfügung stehen.

Außerdem haben wir ein ambitioniertesBauprogramm auf den Weg gebracht. DerStandort Holländischer Platz wächst sichtbar.Die Universität hat sich zudem in mehrerenForschungsbereichen international profiliertund insgesamt das wettbewerblich eingewor-bene Drittmittelaufkommen auf knapp 54 Mil-lionen Euro steigern können. Und die Universi-tät Kassel ist ein auf vielen Feldern sichtbarerPartner bei der dynamischen wirtschaftlichenEntwicklung der Stadt Kassel und der RegionNordhessen.

WN: Welche Baustellen hinterlassen Sie Ih-rem Nachfolger Prof. Dr. Reiner Finkeldey?Postlep: Baustellen im wahrsten Sinn desWortes: Auf dem neuen Campus Nord gehendie Arbeiten gut voran, aber langsamer, als ur-sprünglich geplant. Der Science Park Kasselund das Hörsaalgebäude sind nahezu fertigge-stellt, der Rohbau für den Fachbereich Archi-tektur, Stadt- und Landschaftsplanung steht.

Uni-Präsident Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep vor dem Ruhestand: Bilanz und Ausblick

„Meilenstein für Innovationsdynamik“

Unternehmerisches Denken und Handeln istfür ihn eine Schlüsselkompetenz: Universitäts-präsident Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep.

(Foto: Uni Kassel / Fischer)

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Zeit. Und wo entstehen Innovationen? Aufdem Campus. Daher ist eine Kooperation mitder Wissenschaft in Kombination mit einemguten Marketing immer ein vielversprechen-des Konzept“, sagt der 45-Jährige, der selbststets im Dialog mit der Uni steht. Bei der Fra-ge, ob auch er noch mal gründen wolle, folgterst ein Schmunzeln, dann eine eindeutigeAntwort. „Das ist nicht ausgeschlossen. Esmacht einfach so viel Spaß.“ Esther Beller �

Die Aibotix GmbH wurde Anfang 2011 in Kas-sel gegründet. Das Unternehmen stellt Droh-nen her, die vorwiegend zu Vermessungs- undInspektionszwecken eingesetzt werden. DieFluggeräte nehmen mit hochauflösenden Ka-meras unter anderem Hochspannungsleitun-gen, Hallendecken und -wände, Brücken,Windräder, Gas- und Ölpipelines unter dieLupe, vermessen Steinbrüche und zählen Pin-guine am Südpol. Aibotix agiert weltweit. ImFebruar 2014 übernahm der Vermessungs-technik-Hersteller Hexagon das Unternehmen.Davon erhoffen sich die Kasseler, die eigenenDrohnen erneut voranzubringen.

Jörg Lamprecht, Gründer von Aibotix in Kassel, motiviert zur Selbstständigkeit

„Noch mal gründen? Immer wieder!“Obwohl er damals wenig Unter-stützung von außen bekam, würdeer es immer wieder tun: Für JörgLamprecht, Gründer und Ge-schäftsführer der Aibotix GmbH inKassel, ist die Selbstständigkeitnach wie vor der berufliche Kö-nigsweg. Lamprecht ist erfolgrei-cher Unternehmer und Wiederho-lungstäter: Neben der Aibotix hatder 45-Jährige bereits fünf weitereFirmen am Markt positioniert.

O nly Solutions – mit der Gründung dieserSoftware-Firma startete der damalige

Mathematikstudent im Jahr 1996 gemeinsammit seinen Kommilitonen René Seeber undCarsten Werner in das Unternehmerdasein.Von einer Einrichtung wie dem Science Parkkonnten die jungen Männer damals nicht pro-fitieren. „Zu unserer Studienzeit gab es vonSeiten der Uni eigentlich nichts, was Existenz-gründern eine große Hilfe gewesen wäre. Eswurden weder Vorlesungen zum Thema nochspezielle Förderprogramme angeboten“, sagtJörg Lamprecht. Und trotzdem fühlte sich derDiplom-Mathematiker auf dem Campus stetswohl und gut aufgehoben, die Atmosphäredort liebt er noch heute. „Mir gefiel die Leben-digkeit, das geschäftige Wirken und Werkeln,das oft bis in die Nacht hineinreichte.“

Und doch gab es zu jener Zeit eine hilfreicheAnlaufstelle. Das Trio wendete sich an die IHK.Dort informierte man sie unter anderem überZuschüsse und Fördermöglichkeiten undmachte sie auf Auszeichnungen aufmerksam.„Das war Gold wert. Wir haben dann tatsäch-lich den Existenzgründerpreis der Stadt Kasselund damit 10.000 D-Mark gewonnen.“ Sobrachte dieser Erfolg nicht nur Anerkennung,sondern auch zusätzliches Kapital.

Was heute im Bereich Existenzgründung aufdem Campus passiere, sei bemerkenswert. „DieUniversität ist breit aufgestellt und top orga-nisiert, wenn es darum geht, potenzielle Jung-unternehmer zu unterstützen.“ Den Science

Park findet Lamprecht einfach „klasse“ undsieht darin „genau den richtigen Anreiz fürGründungswillige“.

Zurück in die Vergangenheit: Only Soluti-ons, die sich sehr schnell sehr gut am Marktetabliert hatte, verkauften die Inhaber 1999an die Kasseler Firma Biodata InformationTechnology AG. In den Folgejahren erschufJörg Lamprecht vier weitere Unternehmen, dieer nach und nach wieder veräußerte. Anfang2011 gründete der Kasseläner dann die Aibo-tix GmbH, die sich in kurzer Zeit zu einem er-folgreichen und weltweit agierenden Droh-nen-Hersteller entwickelt hat.

Den Schritt wagen, mutig seinEine Erfolgsgeschichte. Zweifelsohne. Doch

was rät ein solch erfahrener Unternehmer jun-gen Menschen, die ganz am Anfang stehen,die zögern, die Respekt haben und denen viel-leicht der Mut fehlt, den Schritt in die Selbst-ständigkeit zu wagen? „Natürlich gab es auchbei uns Probleme. Und es ist ja ganz klar: Diebeiden höchsten Hürden für Existenzgründersind – damals wie heute – die Finanzierungund der Vertrieb eines Produktes“, führt Lam-precht aus. „Aber das Gründungsklima ist dochbesser denn je! Wer heute ein gutes Produkthat, kann dieses über das Internet enormschnell unter die Leute bringen. Das ist ein rie-siger Vorteil. Auch ein Gewerbeschein ist heu-te schnell besorgt, eine Internetseite schnellgebaut“, sagt Lamprecht. „Und: Was habendenn junge Akademiker zu verlieren? Meist istnoch keine Familie da, sie müssen noch keineVerantwortung tragen. Daher lautet mein Ratkurz und knapp: Versucht es!“

Natürlich weiß Lamprecht, dass durch dieMöglichkeiten von Internet und Social Mediaauch die Konkurrenz viel größer ist. „Und hierkommt die Universität wieder ins Spiel. Nötigsind mehr Innovationen in immer kürzerer

Sein eigener Chef: Dieses Privileg möchte Jörg Lamprecht, der die weltweit agierende AibotixGmbH Anfang 2011 gründete, nicht mehr missen. (Foto: Aibotix / nh)

So fing alles an: Gemeinsam mit René Seeber(links) und Carsten Werner gründete Jörg Lam-precht im Jahr 1996 die Software-Firma OnlySolutions. (Foto: HNA-Archiv / Herzog)

Uni-Angebote für KMUZ ur kostenfreien Informationsveranstal-

tung „Potenziale der Region nutzen –Von der Uni in die regionale Wirtschaft“ amDienstag, 3. März, lädt die IHK Kassel-Mar-burg ein. Referent Oliver Fromm, Geschäfts-führer UniKasselTransfer, stellt zwischen15.30 und 17 Uhr die Angebote des Career-Centers der Universität vor. Gerade für kleineund mittlere Unternehmen (KMU) sind dieseinteressant. Veranstaltungsort ist die IHK, Kur-fürstenstraße 9 in Kassel. Anmeldungen an:Stefanie Damm, Tel. 0561 7891-271, E-Mail:[email protected] AN �

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