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Tobias ZervosenArchitekten in der DDR

Architekturen | Band 35

2016-07-26 15-02-23 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0363435929630210|(S. 1- 4) TIT3390.p 435929630218

Tobias Zervosen (Dr. sc. ETH Zürich) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für Theorie und Geschichte von Architektur, Kunst und Design derTechnischen Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte sind Archi-tektur und Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts sowie die Geschichte desArchitektenberufs.

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Tobias Zervosen

Architekten in der DDRRealität und Selbstverständnis einer Profession

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INHALT

Dank | 9

EINLEITUNG | 11 I. AUFBAU UND INTERVENTION:

DER ARCHITEKTENBERUF IN DEN 50ER UND 60ER JAHREN |

I.1 Vergesellschaftung und Verantwortungszuweisung: Die Spannungspole des Berufsbildes am Beispiel der frühen DDR | 41

I.1.1 Einführung | 41

I.1.2 Abschaffung eines Berufsbildes?

Die freien Architekten und die Vergesellschaftung | 43

I.1.3 Architekten als verantwortliche Einzelakteure (I):

Das Beispiel Liebknechts und der Meisterarchitekten | 65

I.2 Politische Krisen und das Handeln der Fachleute | 86

I.2.1 Einführung | 86

I.2.2 Die Architekten und der Neue Kurs:

Interventionsversuche im Umfeld des 17. Juni | 87

I.2.3 Architekten als verantwortliche Einzelakteure (II):

Die Beispiele Gerhard Kosel und Benny Heumann | 102

I.2.4 Die Architekten und die Entstalinisierung:

Interventionsversuche im Umfeld der Allunionstagung der

Bauschaffenden und des XX. Parteitags der KPdSU | 112

I.3 Zwischen Arrangement und Intervention:

Das Architektenhandeln in den 60er Jahren | 149

I.3.1 Architektenarbeit in den frühen 60er Jahren:

Ein Überblick | 149

I.3.2 Formen des Arrangements:

Das DBA-Plenum 1963 und das Sprechen über Architektur

und Architektenarbeit | 153

I.3.3 Die Architekten und die weitere Ökonomisierung des Bauwesens | 174

41

II. KONSOLIDIERUNG UND STRATEGISCHE ANPASSUNG: DER ARCHITEKTENBERUF DER 70ER JAHRE | 213

II.1 Macht- und Politikwechsel:

Ein Berufsbild im Wandel | 213

II.1.1 „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“, WBS 70 und

Architektenberuf:

Die weitere Unterordnung unter Ökonomie und Technologie | 213

II.1.2 Die gleichzeitige Betonung des Ökonomischen und des Schöpferischen:

Berufsbildentwürfe der Architekten | 225

II.2 Politische Konsolidierung und konsolidiertes

Architektenhandeln | 232

II.2.1 Das politische Umfeld | 232

II.2.2 „Architekt und Auftraggeber bilden eine dialektische Einheit“:

Die Zusammenarbeit mit Staat und Partei | 237

II.2.3 „Ich drehe den Spieß nämlich um“:

Das Paradigma der Wirtschaftlichkeit im Dienste der Architekten | 257

II.2.4 „Wir sind Erben der Gotik, der Renaissance, des Klassizismus ebenso

wie der progressiven Ideen des Bauhauses“:

Architekten in der Denkmalpflege | 269

II.3 Am Bedarf vorbei?

Die Architektenausbildung in den 70er und 80er Jahren | 278

II.3.1 Das Auseinanderklaffen von Ausbildung und beruflicher Praxis:

Ein erneuter Blick auf die Hochschulen | 278

II.3.2 Papierarchitektur statt bauliche Realität:

Die Leistungsvergleiche als Manifeste einer ganzheitlichen

Ausbildung | 296

III. ERSTARRUNG UND ENTFREMDUNG | 305

III.1 Resignation macht sich breit: Der Architektenberuf Anfang der 80er Jahre | 305

III.1.1 Zwischen Hoffnung und Enttäuschung:

Das Berufsbild des Komplexarchitekten | 305

III.1.2 Das Scheitern strategischer Anpassungsversuche (I):

Zunehmende Unvereinbarkeit von gestalterischem Anspruch und Diktat

der Ökonomie | 314

III.1.3 Das Scheitern strategischer Anpassungsversuche (II):

Bemühungen um eine technologische Erneuerung | 321

III.1.4 Die Entfremdung von Fachleuten und Politik | 324

III.2 Baupolitik und Fachdiskurs: Auseinanderdriften statt Ineinandergreifen | 336

III.2.1 Einführung | 336

III.2.2 Abschottung versus Internationalisierung | 338

III.2.3 Thematische Erstarrung versus thematische Öffnung | 346

III.3 Reaktionen der Architekten | 359

III.3.1 Kritik an der Marginalisierung des Architektenberufs | 359

III.3.2 Neue (und zugleich alte) Berufsbildentwürfe | 366

III.3.3 Nachwuchsprobleme | 380 SCHLUSSEXKURS: GAB ES EIN DDR-TYPISCHES GESTALTERISCHES ARBEITEN DER ARCHITEKTEN? | 397 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSS | 423

Literaturverzeichnis | 437

Quellenverzeichnis | 449

Abbildungen | 455

Abbildungsnachweise | 469

Abkürzungsverzeichnis | 471

Dank

Das vorliegende Buch beruht auf meiner 2013 am Institut für Geschichte und Theo-

rie der Architektur der ETH Zürich eingereichten und verteidigten Dissertations-

schrift, die mit Blick auf die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet wurde. Zu

den schönsten Aufgaben gehört es in diesem Zusammenhang, Dank zu sagen an al-

le diejenigen, die die Erarbeitung der Doktorarbeit auf unterschiedlichste Art und

Weise begleitet haben.

Allen voran möchte ich mich zunächst ganz herzlich bei meinem Doktorvater

Andreas Tönnesmann bedanken, der die Arbeit von Anfang an mit großer Begeiste-

rung begleitet hat. Immer wieder gab er entscheidende Impulse und stand mir mit

Rat und Tat zur Seite – auch dann, wenn es mal nicht so lief und ich den Wald vor

lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. Sein früher Tod im Mai 2014 ist sehr

schmerzlich. Ebenso herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Korreferentin

Christiane Salge, die mit großem Einsatz jederzeit zur Verfügung gestanden und

mich fachlich wie ideell auf großartige Weise unterstützt hat. Ein großes Danke-

schön geht in diesem Zusammenhang auch an die beiden Doktorandenkolloquien:

Zum einen an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Retraiten im schweizeri-

schen Castasegna und zum anderen an alle diejenigen, mit denen ich mich an der

Freien Universität Berlin über meine Arbeit austauschen konnte. Ganz besonders

danken möchte ich an dieser Stelle zudem Lothar Schmitt, der mir immer wieder

ausführliche Rückmeldung zu meiner Arbeit gegeben und mich auch darüber hinaus

in umfassender Weise unterstützt hat. Eine hervorragende Ansprechpartnerin für al-

le organisatorischen Fragen und Probleme rund um die Arbeit war Doris Wirz-

Gasperetti. Auch bei ihr und bei Nadia Göntem-Wachtel möchte ich mich deswegen

besonders herzlich bedanken. Dank sagen möchte ich darüber hinaus Dietrich Er-

ben und dem gesamten Lehrstuhl für Theorie und Geschichte von Architektur,

Kunst und Design der Technischen Universität München, an dem ich seit Oktober

2012 tätig sein darf. Die hervorragende Arbeitsatmosphäre und der großartige Kol-

legenkreis dort haben die letzten Monate der Fertigstellung meiner Dissertation zu

10 | ARCHITEKTEN IN DER DDR

einer sehr schönen Zeit werden lassen. Einen speziellen Dank möchte ich hier auch

unserer Fotografin Isabel Mühlhaus aussprechen, die mir bei der Erstellung der Ab-

bildungen kompetent unter die Arme gegriffen hat.

Sehr herzlich bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei allen, die das Ent-

stehen dieser Arbeit finanziell möglich gemacht haben: bei der Stiftung Bildung

und Wissenschaft im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, bei der Gerda-

Henkel-Stiftung sowie bei der ETH Zürich und den Lehrstühlen von Vittorio Mag-

nago Lampugnani und Andreas Tönnesmann. Der Gerda-Henkel-Stiftung sei zu-

dem für die Gewährung einer umfangreichen Druckkostenbeihilfe gedankt.

Dank aussprechen möchte ich weiterhin allen Archivmitarbeitern, die mir bei

der Recherche und Bereitstellung von Quellenmaterial behilflich waren: im Bun-

desarchiv Berlin und in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen,

im Baukunstarchiv der Berliner Akademie der Künste und in den Wissenschaftli-

chen Sammlungen des IRS Erkner. Besonders bedanken möchte ich mich zudem

bei den IRS-Mitarbeitern Harald Engler, Alexander Obeth und Anja Pienkny. Die

von ihnen organisierten Tagungen, Workshops und Ausstellungen haben mich im-

mer wieder mit anderen Forscherinnen und Forschern sowie mit Zeitzeugen in Kon-

takt gebracht. Für ausführlichere Gespräche, konstruktive Kritik und hilfreiche

Rückmeldung danke ich hier u.a. Frank Betker, Mark Escherich, Bruno und Tho-

mas Flierl, Ulrich Hartung, Wolfgang Kil sowie Anke Kuhrmann, an der ETH Zü-

rich außerdem Andreas Kriege-Steffen. Gedankt sei darüber hinaus meinen vielen

anderen Gesprächspartnern, die mir bereitwillig über ihre Arbeit als Architektinnen

und Architekten in der DDR Auskunft gegeben haben. Ein ganz besonderes Danke-

schön geht hier an Dieter Bankert, Dietmar Kuntzsch, Wilfried Stallknecht und Do-

rothea Tscheschner.

Diese Arbeit hätte kaum entstehen können ohne gute Freunde, die jederzeit da

waren, mit denen ich über mein Thema diskutieren konnte, die mich aber auch mal

auf andere Gedanken gebracht haben. Philip Bajon, André Bischoff, Katrin

Charpentier, Michael Eichinger, Otto Jungblut und Sara Tazbir sei hier neben vie-

len anderen ganz besonders herzlich gedankt, ebenso wie Brigitte Polhaus und dem

gesamten ,gehen-und-sehen�-Team.

Nicht zuletzt aber waren es auch meine Eltern und mein Bruder Benedikt, die

meine Arbeit an der Dissertation über Jahre mit viel Interesse und Verständnis be-

gleitet, mir Mut zugesprochen und mich unterstützt haben. Kaum in Worte zu fas-

sen ist mein Dank an Anja Berninger, die mir tagein, tagaus zur Seite gestanden und

sich selbst dann in Geduld geübt hat, wenn wir während unserer gemeinsamen Ur-

laube auch die Rostocker Plattenbauviertel anschauen ,mussten�. Ihr möchte ich

dieses Buch widmen.

Einleitung

Im April 1990 beschäftigte sich die Architekturzeitschrift archplus in einer Ausgabe

ausführlich mit Architektur und Städtebau der DDR.1 Die Titelseite war provokant

und zugespitzt zugleich mit der Überschrift „Architektur ohne Architekten“ verse-

hen, während eine Collage die gängigen Vorurteile über das Planen und Bauen in

der DDR einzufangen versuchte (Abb. 1). Der Teppichornamentik mittelalterlicher

Glasfenster gleich bildete der mehrfach aneinandergesetzte Ausschnitt einer Plat-

tenbaufassade den Hintergrund. Durch die endlose Reihung immer gleicher Fenster

und die Sepiafarbigkeit entstand ein Eindruck der Monotonie, Gleichförmigkeit und

Austauschbarkeit � in Anlehnung an jene weit verbreitete Vorstellung, nach der es

in der DDR architektonisch nicht viel mehr als graue, sich ins Endlose ausdehnende

Plattenbausiedlungen ohne jede gestalterische Differenzierung gab. Im Bildvorder-

grund trat ein weiteres Element hinzu: den Bühnenhintergründen zahlreicher Par-

teiveranstaltungen ähnlich, waren hier Stalin, Ulbricht und Honecker in Profilan-

sichten hintereinander gestaffelt zu sehen. Zusammen mit dem Titel des Heftes

ergab sich so für den Betrachter eine ganz klare Lesart. Demnach ließ sich das Bau-

en in der DDR gleich in doppelter Hinsicht als eine „Architektur ohne Architekten“

beschreiben. Zum einen nämlich schien der immer wieder angewandte Typenbau

nahezulegen, dass es eine individuelle Architektenarbeit gar nicht gab. Und zum

anderen standen der 1953 verstorbene Generalsekretär der KPdSU und die beiden

Parteichefs der SED dafür, dass Architektur und Städtebau nach dem Vorbild Mos-

kaus in umfassender Weise politisch dominiert und gelenkt waren. So galt das Bau-

en der DDR landläufig vielfach als reine Staatsarchitektur, in der Architekten ent-

weder gar nicht oder allenfalls als bloße ausführende Organe politischer Vorgaben

vorkamen. Doch in der Titelcollage der archplus verdichteten sich nicht nur jene

Vorstellungen, die man im Allgemeinen und sicherlich beiderseits der Mauer von

Architektur und Architektenarbeit in der DDR hatte. Gleichzeitig nämlich gab sie

1 Arch+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau, 4/1990.

12 | ARCHITEKTEN IN DER DDR

auch die parteioffiziellen Wunschvorstellungen selbst wider. So war es tatsächlich

eines der wesentlichen baupolitischen Ziele gewesen, die Architektentätigkeit völlig

den Mechanismen einer ,von oben� gesteuerten, an die Planwirtschaft angepassten

Baupolitik unterzuordnen und damit einer umfassenden Kontrolle durch Staat und

Partei zu unterwerfen.2 Gerade mit Hilfe des seit Mitte der 50er Jahre forcierten in-

dustriellen und typisierten Bauens setzte man alles daran, Architektenarbeit weitge-

hend zu entindividualisieren und sie nur noch als eine die Bauproduktion steuernde

und organisierende Tätigkeit zu verstehen. Die übergreifende Leit- und Richtlinien-

kompetenz sollte damit letztlich nicht mehr bei den Fachleuten, sondern bei Baupo-

litik und Bauwirtschaft liegen.

Im Gegensatz zu diesem gängigen und zugleich auch parteioffiziellen Bild

möchte die vorliegende Untersuchung die Fachleute als aktiv handelnde Akteure in

den Mittelpunkt des Interesses stellen. Der DDR-Architektenberuf soll also nicht

primär durch eine Betrachtung seiner institutionellen Rahmenbedingungen charak-

terisiert werden, sondern durch den Blick auf das Handeln und das Selbstverständ-

nis derjenigen, die ihn ausgeübt haben. Von den zahlreichen Facetten, die in diesem

Zusammenhang zu nennen sind, sollen schwerpunktmäßig zwei besonders zentrale

herausgegriffen werden.

Eine grundlegende Rolle spielte zunächst die Tatsache, dass der Architektenbe-

ruf unter den Bedingungen des DDR-Staatssozialismus stets als eine auf verschie-

denste Art und Weise auf Politik bezogene Tätigkeit verstanden werden muss. Dies

ist alleine deswegen der Fall, weil DDR-Architekten in aller Regel zugleich Ange-

stellte wie Auftragnehmer des Staates waren. Ein Privatsektor fehlte hingegen ab-

gesehen von einigen kaum ins Gewicht fallenden Ausnahmen völlig. Auch dies be-

traf sowohl die Auftraggeber- wie auch die Architektenseite. Von zentralem Inte-

resse wird es deswegen sein, die Architekten und das Architektenhandeln ins Ver-

hältnis zur politischen Ebene zu setzen. Grundsätzlich zur Disposition gestellt wer-

den soll dabei das immer wieder kolportierte Bild, nach dem Architekten aus-

schließlich ausführende Organe einer ,von oben� vorgegebenen Baupolitik und da-

mit einer nahezu vollständigen Anleitung und Kontrolle oder aber sogar Maßrege-

lung und Gängelung unterworfen waren. Nicht in Abrede gestellt werden soll zwar,

dass diese Momente eine wichtige Rolle spielten. Nicht zuletzt die vorliegende Ar-

beit wird dies in umfassender Weise bestätigen. Es soll jedoch auch die Frage ge-

stellt werden, inwiefern die Architekten selbst aktiv am politischen Diskurs teilge-

nommen und auf ihn eingewirkt haben. Betrachtet werden sollen dabei zum einen

die vielen verschiedenen Fälle, in denen Fachleute zugleich auch Architektur- und

damit Parteifunktionäre waren. Dabei interessiert vor allem die Frage, inwiefern

2 Bezogen auf die DDR-Gesellschaft insgesamt (Meuschel, S. 10) und Architektur und

Städtebau (Betker, S. 36ff.) ist dieser Vorgang vielfach auch als Entdifferenzierungs-

prozess bezeichnet worden.

EINLEITUNG | 13

diese Architekten die für alle Fachleute gültigen baupolitischen Leitlinien mitent-

wickelt und mitbestimmt haben. Beleuchtet werden sollen aber auch andere Strate-

gien fachlicher Einflussnahme. Dabei wird ein breites Spektrum unterschiedlichster

Handlungsmodi in den Blick genommen werden: von auf eine unmittelbare Verän-

derung der Baupolitik abzielenden fach- und berufspolitischen Interventionsversu-

chen bis hin zu verschiedensten Formen der strategischen Anpassung an die politi-

schen Rahmenbedingungen, die der politischen Erwartungshaltung und eigenen

fachlichen Interessen gleichermaßen gerecht zu werden versuchten.

Eng mit der Frage nach dem Verhältnis von Politischem und Fachlichem ist

somit auch der zweite Aspekt verknüpft, auf den hin das Architektenhandeln unter-

sucht werden soll und der die Fachdebatten der Architekten zum Gegenstand hat.

Beleuchtet werden sollen dabei Charakter und Inhalte solcher Debatten, aber auch

die Zusammenhänge, in denen sie geführt wurden. Auch damit verbunden wird vor

allem die Frage im Vordergrund stehen, in welchem Verhältnis diese Fachdebatten

zu den jeweiligen politischen Leitlinien standen. Zu untersuchen ist so beispiels-

weise, ob sie alleine als politisch loyal, angepasst oder gar opportunistisch bezeich-

net werden können oder ob und in welchem Grad sie zugleich durch eigene fachli-

che Interessen geprägt und motiviert waren. Auf differenzierte Art und Weise soll

in diesem Zusammenhang also herausgearbeitet werden, in welchem Maße Fachde-

batten politisch bestimmt waren, inwieweit sie aber auch eigene fachliche An-

schauungen und Überzeugungen der Akteure widerspiegelten. Davon ausgehend

lassen sich schließlich fachliches Handeln und politische Einflussnahme ein weite-

res Mal in ein genaueres Verhältnis zueinander setzen.

Ausgehend von einer intensiven Betrachtung dieser beiden das Architektenhan-

deln bestimmenden Dimensionen sollen schließlich Rückschlüsse auf das Berufs-

bild des Architekten in der DDR gezogen werden. Untersucht werden soll hier zum

einen, an welche Elemente historisch gewachsener Berufsbilder unter DDR-

Bedingungen angeknüpft werden konnte, welche Aspekte aber auch angesichts ei-

ner auf die umfassende Vergesellschaftung des Berufsstandes abzielenden sowie

die Diskurshoheit selbst beanspruchenden Baupolitik neu hinzutraten. Genauer in

den Blick genommen werden sollen dabei u.a. die zahlreichen Berufsbildentwürfe,

die von den Architekten selbst erarbeitet und eingebracht wurden. Dabei wird es

wieder um die Frage gehen, inwiefern sich im beruflichen Selbstverständnis ein

bewusstes Eingehen auf politische Leitlinien einerseits, aber auch eigene fachliche

Interessen andererseits niederschlugen. Herausgearbeitet werden soll damit verbun-

den zudem, ob es Unterschiede im Selbstverständnis der Architekten gab. Dabei

werden ebenso die dahinterstehenden Gründe und Motivationen wie die daraus re-

sultierenden Folgen für die Architektentätigkeit und das Architektenhandeln inte-

ressieren.

Indem vor allem Handeln und Tätigkeit der Architekten selbst betrachtet und

davon ausgehend das Berufsbild charakterisiert wird, wird ein dezidiert architektur-

14 | ARCHITEKTEN IN DER DDR

historisches Erkenntnisinteresse verfolgt. So soll auch die Frage gestellt werden,

inwiefern nicht nur die Politik, sondern auch die Fachleute selbst den Verlauf der

DDR-Architekturgeschichte im Allgemeinen und ihrer eigenen Berufsgeschichte im

Besonderen mitbeeinflusst haben. Von Interesse wird dabei nicht zuletzt sein, ob

die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung vielfältigere und differenziertere Er-

klärungsmuster für die spezifische Entwicklung von DDR-Architektur und

-Städtebau bereitstellen. Prüfen lässt sich dabei zum einen, inwiefern sich fachli-

ches Handeln in der DDR-Architekturgeschichte niedergeschlagen hat. Darüber

hinausgehend soll jedoch auch untersucht werden, ob der Blick auf die Fachleute

unsere Einschätzung der Architekturgeschichte selbst reicher und differenzierter

macht. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise, ob es theoretisch-

fachliche Debatten gab, die sich nicht oder kaum im konkret Gebauten abgebildet

haben. Geprüft werden soll darüber hinaus, ob der Blick auf das Architektenhan-

deln auch dazu beitragen kann, die Einschätzung des Gebauten selbst zu verändern

– etwa, indem es dezidiert als Produkt politischer und fachlicher Interessen sowie

intensiver, von unterschiedlichsten Akteuren bestimmter Aushandlungsprozesse

verstanden wird.

Methodik und Quellen Das methodische Vorgehen ist ein in klassischer Weise quellenkritisches. Im Vor-

dergrund steht die Interpretation schriftlicher Primärquellen zur DDR-Politik- und

Baugeschichte. Da die Arbeit primär an allgemeinen Aussagen über den Charakter

des Architektenhandelns, der geführten Fachdebatten und des Tätigkeitsprofils inte-

ressiert ist, fand hier wiederum von Ausnahmen abgesehen schon vor der Sichtung

der Quellen eine genaue Vorauswahl statt. Um zudem zu verallgemeinerbaren Er-

gebnissen zu gelangen, wurden in erster Linie vor allem solche Archivkonvolute

berücksichtigt, die DDR-weit etablierten institutionellen Plattformen fachlichen

Handelns und fachlichen Austauschs zugeordnet werden können. Dies betrifft zum

einen Aktenmaterial zur Architektenausbildung und hier vor allem Quellen, die

Rückschlüsse auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Ausbildung und den Austausch

zwischen älterer Lehrer- und jüngerer Studierendengeneration zulassen.3 Zum ande-

ren ist an zentraler Stelle die Überlieferung der in eine sozialistische Massenorgani-

sation umgewandelten berufsständischen Vertretung BdA (Bund deutscher Archi-

tekten der DDR; bis März 1971: Bund Deutscher Architekten [BDA]4) zu nennen.5

3 Zu nennen sind hier insbesondere Aktenkonvolute der im Bundesarchiv Berlin archivier-

ten Überlieferung des SfHuF bzw. des MfHuF.

4 Zur Unterscheidung vom BDA der Bundesrepublik wird im Folgenden außer bei Zitaten

oder Titeln von Archivdokumenten durchgängig die Schreibweise ,BdA� verwendet.

5 In der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen (SAPMO) sowie teilweise

in den Wissenschaftlichen Sammlungen des IRS Erkner. Die in dieser Untersuchung an-