Toskana Morellino

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Morellino ist ein Sangiovese aus der südlichen Toskana. WEINWELTEN von Maus und Bassler, unterhaltsame Texte und künstlerische Fotos

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toskana scansano / maremma morellino r

morellino aus scansano / maremma

Der jüngste Star der Toskana

die im südwesten der toskana gelegene maremma war lange das stiefkind der noblen region. inzwischen hat sich das zum vorteil gewendet, denn die landschaft der provinz grosseto bietet viel natur zu − für toskanische verhältnisse − bescheidenem preis. das haben auch zahlreiche winzer erkannt, und so wurde, fast über nacht, die maremma zum neuen toskanischen weinwunderland.

Rot leuchtet der blühende Klee zwischen den Rebzeilen, die Winzer Simone Castelli mit der wichtigsten Toskana-Rebe Sangiovese – hier Morellino genannt – und weiteren loka-len Sorten bepflanzt hat. In sattem Rot leuchtet auch das Gebäude, in dem in riesigen Zementbehältern die Trauben des Weinguts Podere 414 (Anwesen 414) vergären.

Simone Castelli ist Mitte Dreißig, und er ist noch nicht lange in der Maremma. Ende der Neunziger, als die Preise für Weinberge in den prominenteren Anbau-regionen der Toskana in schwindelerregende Höhen gestiegen waren, kam er, gerade mal 23 Jahre jung, in den südwestlichen Teil der Toskana, wo gutes Rebland noch erschwinglich war.

Er kaufte ein altes Haus mit etwas Land und einem kleinen alten Weinberg und pflanzte Jahr für Jahr weite-re Reben: neben Sangiovese lokale Sorten wie Alicante, Ciliegiolo und Colorino, die im Morellino di Scansano in kleinen Anteilen – bis 15 Prozent – erlaubt sind. Sie fügen dem Wein Aromen-Nuancen hinzu und machen ihn so vielschichtiger.

Das ungezähmte Stück Land, das Castelli erwarb, hatte bei der Landreform der sechziger Jahre die Kataster-nummer 414 erhalten. So heißt jetzt das Weingut – und Podere 414 heißt auch der Wein. Castelli füllt nur diesen einen ab. Der junge Winzer teilt nicht, wie es weithin üb-lich ist, in Erst- und Zweitwein auf, in ein anspruchsvolles Spitzengewächs und einen weniger beachteten, einfacheren rosso. All seine Anstrengungen konzentriert er auf seinen Morellino di Scansano.

Von der Rebsorte her ist der Morellino im Grunde nichts anderes als ein Chianti, ein Vino Nobile oder ein Brunello. Der Unterschied zu jenen besteht vor allem darin, dass die Reben in heißerem Klima und in reichhal-tigerem Boden wachsen. Die Böden der Maremma sind lehmhaltig und nährstoffreich, das macht den Wein molli-ger, verleiht ihm reifere Fruchtaromen und führt dazu, dass dem Morellino die vornehme, zurückhaltendere Eleganz fehlt, die seinen Vettern in kühlerem Klima und bei steinig-kargen Böden im Idealfall zuwächst.

Der Morellino ist ein warmherziger und großzügiger Gesell, der seine Vorzüge – Frucht, Würze und kräftige Statur – offen darbietet. Er verlangt vom Weinfreund weder ein kompliziert geschultes Sensorium noch übermä-ßige Geduld, um den richtigen Reifegrad abzupassen. Seine vergleichsweise sanften Gerbstoffe lassen ihn schneller und leichter zugänglich wirken – ohne dass es ihm deswegen an Tiefe mangelt. Wenn man so will, ist der Morellino die selbstbewusste Antwort der Toskana auf die Rotweine der Neuen Welt.

Wir können das besser

Mitte der neunziger Jahre war die Nachfrage nach italie-nischem Rotwein auf ihrem Höhepunkt, in Italien selbst wie auch auf den Auslandsmärkten Amerika, Schweiz und Deutschland. Die hochpreisigen Super Tuscans zeigten, was qualitativ möglich war – und was Weinfreunde dafür zu zahlen bereit waren. Doch mit den kraftvollen und dabei gefälligen Weinen der Neuen Welt, vor allem aus Australien und Chile, erwuchs den erfolgsverwöhnten italienischen Winzern eine ernstzunehmende Konkurrenz – zumal die Neue-Welt-Winzer auch mit günstigen Prei-sen punkten konnten.

Italien gab sich kämpferisch: Was die können, nämlich konzentrierte, kräftige Weine aus internationalen Sorten erzeugen, können wir genauso gut, wenn nicht besser! Ge-sucht wurden also Anbauregionen mit warmem, trockenem Klima für konzentrierte, körperreiche Tropfen. Vergleichs-weise niedrige Landpreise in armen Regionen wie Sizilien,

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