Tote Zähne – Alltag in der Zahnarztpraxis · die akute Form der Pulpitis in eine chronische...

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12 SANUM-Post 94/2011 als Endodont zusammengefasst. Man unterscheidet innerhalb des Zahnes den Anteil der Kronenpulpa von dem der Wurzelpulpa (s. Bild 1). Während die Kronenpulpa der äu- ßeren Form der Zahnkrone ent- spricht, ist die Form der Wurzelpul- pa aufgrund von Verzweigungen sehr vielgestaltig und z.T. schwer abzuschätzen. Zu den charakteristischen Zellen des Pulpagewebes gehören vor al- lem die dentinbildenden Odontobla- sten. Sie befinden sich in der Pulpa- höhle direkt unter dem Dentin und ragen mit ihren Fortsätzen in die Dentinkanälchen hinein. Den größten Anteil bilden jedoch Fibroblasten. Sie produzieren Hartsubstanzen so- wie Fibrillen und sind für den Stoff- wechsel der Interzellularsubstanz verantwortlich. Histiozyten, Mono- zyten, Lymphozyten und Makropha- gen kommen vereinzelt vor und die- nen als Abwehrzellen. An der Wur- zelspitze treten bei jedem Zahn über das Foramen apikale Blut- und Lymphgefäße sowie Nervengefäße in die Pulpa ein und aus. Die Gefäße ziehen als Bündel durch die Wurzel- pulpa und verzweigen sich im Be- reich der Kronenpulpa ähnlich dem Geäst eines Baumes. Innerhalb der Kronen- und der Wurzelpulpa be- stehen Anastomosen zwischen den Gefäßen und bei mehrwurzeligen Zähnen auch zwischen den ver- schiedenen Wurzelkanälen. Jeder Zahn ist für sich über ein kom- plexes Fasersystem im Knochen verankert. Über das Foramen apika- le und die Seitenkanäle im Wurzel- bereich bestehen zahlreiche Verbin- dungen zum umliegenden Gewebe. Zu den Funktionen der Pulpa zäh- len: • Ernährung der Odontoblasten und über deren Fortsätze auch des Dentins, • Bildung von Reizdentin als Ab- wehrleistung durch die Odonto- blasten, • Reizleitung als Signal- und Warn- organ bei thermischen, osmoti- schen, toxischen und infektiösen Reizen und • zelluläre und humorale Abwehrlei- stung. Im Rahmen physiologischer Alte- rungsprozesse kommt es zu regres- siven Veränderungen des Endo- donts, wobei die Grenze zwischen physiologischen und pathologischen Veränderungen relativ fließend ist. Durch kontinuierliche Bildung von Dentin, dem Sekundärdentin, ver- kleinert sich die Pulpahöhle. Zusätz- lich kann eine Reduktion der Odon- toblastenschicht gegeben sein, weil Einleitung Unsere Zähne sind keine vom Ge- samtorganismus getrennte Gebilde, sondern lebendes, stoffwechselak- tives Gewebe. Eine Ausnahme macht der Zahnschmelz, die härte- ste Substanz in unserem Körper. Der Schmelz bildet die äußere Schicht des in der Mundhöhle sicht- baren Anteiles der Zähne und be- steht zu 95 Gewichtsprozent aus anorganischen Substanzen (Apatit- verbindungen). Der größte Anteil an Zahnsubstanz wird als Dentin be- zeichnet, zu 70 Gewichtsprozent aus anorganischer Substanz beste- hend (in der Zusammensetzung dem Knochen ähnlich). Das Dentin umgibt die sich im Inneren der Zäh- ne befindliche Zahnhöhle (Pulpa- kavum). Darin befindet sich ein fein- faseriges Bindegewebe, das reich an Blutgefäßen und Nervengewebe ist. Dieses wird auch als Zahnnerv bzw. Pulpa (lat. Fleisch) bezeichnet. Die Strukturen von Zahnpulpa und umgebendem Dentin sind meso- dermalen Ursprungs und werden Tote Zähne – Alltag in der Zahnarztpraxis von Dr. med. dent. Ina Faust Thema der SANUM-Therapie-Tagung 2010 Bild 1: Längsschnitt durch einen unteren Schneidezahn

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als Endodont zusammengefasst.Man unterscheidet innerhalb desZahnes den Anteil der Kronenpulpavon dem der Wurzelpulpa (s. Bild 1).

Während die Kronenpulpa der äu-ßeren Form der Zahnkrone ent-spricht, ist die Form der Wurzelpul-pa aufgrund von Verzweigungensehr vielgestaltig und z.T. schwerabzuschätzen.

Zu den charakteristischen Zellendes Pulpagewebes gehören vor al-lem die dentinbildenden Odontobla-sten. Sie befinden sich in der Pulpa-höhle direkt unter dem Dentin undragen mit ihren Fortsätzen in dieDentinkanälchen hinein. Den größtenAnteil bilden jedoch Fibroblasten.Sie produzieren Hartsubstanzen so-wie Fibrillen und sind für den Stoff-wechsel der Interzellularsubstanzverantwortlich. Histiozyten, Mono-zyten, Lymphozyten und Makropha-gen kommen vereinzelt vor und die-nen als Abwehrzellen. An der Wur-zelspitze treten bei jedem Zahn überdas Foramen apikale Blut- und

Lymphgefäße sowie Nervengefäßein die Pulpa ein und aus. Die Gefäßeziehen als Bündel durch die Wurzel-pulpa und verzweigen sich im Be-reich der Kronenpulpa ähnlich demGeäst eines Baumes. Innerhalb derKronen- und der Wurzelpulpa be-stehen Anastomosen zwischen denGefäßen und bei mehrwurzeligenZähnen auch zwischen den ver-schiedenen Wurzelkanälen.

Jeder Zahn ist für sich über ein kom -plexes Fasersystem im Knochenverankert. Über das Foramen apika-le und die Seitenkanäle im Wurzel-bereich bestehen zahlreiche Verbin-dungen zum umliegenden Gewebe.

Zu den Funktionen der Pulpa zäh-len:

• Ernährung der Odontoblastenund über deren Fortsätze auchdes Dentins,

• Bildung von Reizdentin als Ab -wehr leistung durch die Odonto -blasten,

• Reizleitung als Signal- und Warn-organ bei thermischen, osmoti-schen, toxischen und infektiösenReizen und

• zelluläre und humorale Abwehrlei-stung.

Im Rahmen physiologischer Alte-rungsprozesse kommt es zu regres-siven Veränderungen des Endo -donts, wobei die Grenze zwischenphysiologischen und pathologischenVeränderungen relativ fließend ist.

Durch kontinuierliche Bildung vonDentin, dem Sekundärdentin, ver-kleinert sich die Pulpahöhle. Zusätz-lich kann eine Reduktion der Odon-toblastenschicht gegeben sein, weil

Einleitung

Unsere Zähne sind keine vom Ge -samt organismus getrennte Gebilde,sondern lebendes, stoffwechselak-tives Gewebe. Eine Ausnahmemacht der Zahnschmelz, die härte-ste Substanz in unserem Körper.Der Schmelz bildet die äußereSchicht des in der Mundhöhle sicht-baren Anteiles der Zähne und be-steht zu 95 Gewichtsprozent ausanorganischen Substanzen (Apatit-verbindungen). Der größte Anteil anZahnsubstanz wird als Dentin be-zeichnet, zu 70 Gewichtsprozentaus anorganischer Substanz beste-hend (in der Zusammensetzungdem Knochen ähnlich). Das Dentinumgibt die sich im Inneren der Zäh-ne befindliche Zahnhöhle (Pulpa -kavum). Darin befindet sich ein fein-faseriges Bindegewebe, das reichan Blutgefäßen und Nervengewebeist. Dieses wird auch als Zahnnervbzw. Pulpa (lat. Fleisch) bezeichnet.Die Strukturen von Zahnpulpa undumgebendem Dentin sind meso-dermalen Ursprungs und werden

Tote Zähne – Alltag in der Zahnarztpraxisvon Dr. med. dent. Ina Faust

Thema derSANUM-Therapie-Tagung2010

Bild 1: Längsschnitt durch einen unteren Schneidezahn

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die Fibroblasten- und Gefäßdichteabnehmen, während die kollagenenFasern aber zunehmen. Innerhalbder gesamten Pulpa können auchdiffuse Verkalkungen auftreten. Ausall diesen altersbedingten Verände-rungen resultiert oft eine Abnahmeder Sensibilität. Neben den natür-lichen Alterungsprozessen kann ei-ne Regression auch traumatischbedingt sein, wie z.B. abrasivesZähneputzen oder jahrelanges Zäh -ne knirschen. Als weitere Ursachesind normale Heilungsvorgänge nachzahnärztlichen Eingriffen zu nennen.

Pulpaerkrankungen

Wie jedes Gewebe reagiert die Pul-pa auf überschwellige Reize mit ei-ner Entzündung. Der Beginn jederEntzündung ist gekennzeichnetdurch eine Hyperämie, die mit einerDilatation der Gefäße einhergeht.Wenn der einwirkende Reiz beste-hen bleibt, ist die Schwellung desbetroffenen Gewebes die Folge. Daeine räumliche Ausdehnung auf-grund der anatomischen Gegeben-heit des Zahnes nicht möglich ist,entsteht ein erhöhter Gewebedruck.Diese Druckerhöhung in Kombina-tion mit einer Dilatation der Arterio-len führt vermutlich zu einer Kom-pression der Venolen und somit zueiner Strangulation der Pulpa. In derFolge resultiert daraus unweigerlichdie Gewebsnekrose und im weite-ren Verlauf der Zahntod. Nach neu -e ren Erkenntnissen scheint aller-dings eher ein hämorrhagischer In-farkt für die Nekrose verantwortlichzu sein.

Im Frühstadium der Hyperämie wirddie Pulpaerkrankung als reversibelangesehen, so dass es zu einer re-stitutio ad integrum kommen kann.

Sobald bei der akuten Entzündungnach der Gefäßerweiterung serösesExsudat austritt, wird das Stadiumals irreversibel angesehen. Relativrasch folgt die Diapedese von Leu-kozyten. Es ist das Stadium der pu-

rulenten akuten Entzündung er-reicht, dem stets die Nekrose derPulpa folgt. Das abgestorbene Pul-pagewebe wird durch Mikroorganis-men zu einer grau bis schwarz ge-färbten schmierigen Masse. Bei derEröffnung des Zahnes fällt sofort einfauliger, nach Aas riechender Ge-stank auf. Es handelt sich um einebakterielle Mischinfektion von bis zu100 Millionen Bakterien, davon 90%obligat anaerobe Bakterienspezies.Den Hauptanteil bilden zu 40%Kokken, vereinzelt wurde auch Can-dida albicans isoliert. Diese Mikro-ben können bis zu 200 µm, der En-terococcus faecalis bis zu 400 µmin die Dentintubuli eindringen. Dasbenachbarte Dentin muss also im-mer als infiziert betrachtet werden.Je nach Immunlage der Pulpa kanndie akute Form der Pulpitis in einechronische übergehen und umge-kehrt.

Durch die Verbindung über das Fo-ramen apikale und viele Seitenkanä-le mit dem umliegenden Parodontkann sich eine unbehandelte Pulpi-tis in das umliegende Gewebe aus-breiten. Die Entzündung umfasstdann das Parodontal-Ligament, denKieferknochen und – bei weitererAusbreitung durch Abszedierung –auch das Weichgewebe. Aus derPulpitis hat sich dann eine Parodon-titis apicalis entwickelt. Während dieakute apikale Parodontitis sehr gut

diagnostizierbar ist durch entspre-chende Schmerzsymptome, ver-läuft die chronische asymptoma-tisch. Häufig wird die chronischeapikale Parodontitis als Zufallsbe-fund erkannt, wenn eine Röntgen-aufnahme angefertigt werden muss(s. Bild 2).

Ursachen von Erkrankungen derPulpa

• Hier stehen kariöse Läsionen anerster Stelle, mit einer Häufigkeitvon 95%. Die Karies bricht durchden Schmelzmantel und sobalddas Dentin erreicht wird, diffundie-ren bakterielle Toxine und Antige-ne über die Dentinkanälchen zuden Odontoblastenfortsätzen. Re-lativ zeitnah reagiert die Pulpa mitdem Auftreten von Entzündungs-zellen und einer Proliferation derBlutgefäße. Auf diesen Reiz wirdvon den Odontoblasten Reizden-tin gebildet als eine Art Eigen-schutz. Solange die kariöse Zer-störung noch nicht bis zum Pul-pendach fortgeschritten ist undeine rechtzeitige Exkavierung er-folgt, sind diese initialen Entzün-dungsreaktionen reversibel. Dieserklärt die Notwendigkeit der Be-handlung kariöser Zähne, andern-falls entstünde immer gleich einePulpitis mit der Folge eines totenZahns.

• Als Folge traumatischer Ereig-nisse können die Dentintubuli zurMundhöhle freigelegt sein und so-mit eine Eintrittspforte für Bakte-rien bieten. Durch ihre Prominenzsind besonders die FrontzähneFraktur gefährdet, z.B. bei Kin-dern durch einen Sturz vom Fahr-rad, bei Erwachsenen beim Ver-such, mit den Zähnen Nüsse zuknacken oder Bierflaschen zu öff-nen usw. Jeder Zahnarzt trauma-tisiert einen Zahn, sobald beimBeschleifen bis in das Dentin ge-arbeitet wird, was zur Überkro-nung eines Zahnes notwendig ist.Durch die Eröffnung der Dentin -

Bild 2: Kariös zerstörte Zähne mitapikaler Entzündung

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nachgewiesen werden können,reicht die mechanische Bearbeitungallein zur Keimreduzierung nichtaus. Deshalb wird zusätzlich einechemisch-medikamentöse Desin-fektion durchgeführt. Hier werdenSpüllösungen mit bakterizider undproteolytischer Wirkung eingesetzt,die außerdem die bei der mechani-schen Aufbereitung entstandeneSchmierschicht entfernen.

Trotz mechanischer Aufbereitungund aller Spülungen besteht jedochkeine Sicherheit, ob nun alle Keimeentfernt sind. Daher erfolgt zusätz-lich eine medikamentöse Einlage, jenach Befund und Beschwerdegradfür einige Wochen. Dafür kommtCalciumhydroxid zur Anwendung,wobei vor allem der Effekt derApexi fikation angestrebt wird, d.h.die Bildung von Hartgewebe alsApexverschluss.

Den vorläufigen Abschluss bildet dieWurzelfüllung. Es soll, laut der Qua-litätsrichtlinien der EuropäischenGesellschaft für Endodontologie, ei-ne biokompartible, hermetisch dich-te Wurzelfüllung sein, die das aufbe-reitete Kanallumen von der Pulpa-kammer bis zum apikalen Endpunktverschließt. Die Wurzelfüllung sollteein stabiles Kernmaterial enthaltenund durch die Kombination mit Pa-sten (Sealern) anatomisch bedingteHohlräume füllen.

ein bakteriendichter Verschluss desaufbereiteten Wurzelkanalsystemeserfolgen. Man spricht von einerWurzelbehandlung, da für eine adä-quate Behandlung und Schaffungeines entsprechenden Zugangesder gesamte Anteil der Kronenpulpaausgeschält wird.

Der Behandlungsablauf umfasst imGroben:

• Eröffnung des toten Zahnes undEntfernung der Kronenpulpa

• mechanische und chemische Auf-bereitung des Wurzelkanals

• medikamentöse Einlage

• Wurzelkanalfüllung

• Endversorgung des Zahnes durchkonservierende oder prothetischeVersorgung

(s. Bild 3).

Das Ziel der mechanischen Kanal -aufbereitung ist primär die Reduk-tion der Keimzahl im gesamtenEndodont durch gleichmäßiges Ab-tragen des infizierten Kanalwand-dentins. Verschiedenste Technikenkommen zur Anwendung. Eindeuti-ge Empfehlungen sind aber nichtmöglich, da einfach auch die Routi-ne und Sorgfalt des jeweiligen Be-handlers eine entscheidende Rollespielen. Da bei einer PulpanekroseBakterien bis 1,2 mm tief im Dentin

kanäle kommt es u.a. zum Flüs-sigkeitsverlust der Pulpa, da derDentinliquor zur Oberfläche ent-weicht. Die entstehende kapilläreSaugwirkung verursacht, dass dieOdontoblasten in die Dentintubuliverlagert werden, sich innerhalbweniger Tage auflösen und somiteine wichtige Schutzfunktion ver-loren geht.

• In seltenen Fällen kann aufgrunddes Gewebsverlustes bei einerchronischen Parodontitis desZahn halteapparates eine Invasionder Pulpa über das Foramen api-kale oder die Seitenkanäle erfol-gen.

• Füllungsmaterialien können vor-nehmlich auf chemischem Wegzu einer Schädigung der Pulpaführen. Auch bei den heutzutageverwendeten Kunststoff-Füllun-gen wird die pulpaschädigendeWirkung kontrovers diskutiert.Über undichte Füllungsrändersind zusätzliche Infektionswegegegeben.

• Kieferorthopädische Behandlun-gen werden durchgeführt mit demZiel, die Stellung eines oder meh-rerer Zähne in ihrer gesamten Po-sition zu verändern, d.h. der Zahnwird nicht nur gekippt, sonderndie Stellungsänderung geht bisüber die Wurzel hinaus. Dies ver-langt teilweise große Kräfte, die zueiner Schädigung der Pulpa füh-ren können. Bei der Verschiebungmuss der Gefäßstrang am apika-len Bereich folgen können, dasonst eine Stauchung oder einAbreißen der Gefäße erfolgt. Dieskann zu einer Kalzifizierung derPulpa führen, im Extremfall zurNekrose und nachfolgend demAbsterben des Zahnes.

Wurzelbehandlung

Im Rahmen einer Wurzelbehand-lung soll die vollständige Ausräu-mung des irreversibel geschädigtenund infizierten Pulpagewebes und

Bild 3: Schematische Darstellung einer WurzelbehandlungAus: Schubert, Zahnmedizinische Assistenz, Libromed

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Anschließend wird der Erfolg durcheinen röntgenologischen Befundgesichert und die Zahnkrone end-gültig mit einer Füllung oder prothe-tisch durch eine Krone restauriert.

Sollte die Wurzelfüllung nicht kom-plett bis zur Wurzelspitze möglichsein oder heilt die apikale Entzün-dung nicht reizlos ab, gibt es nochdie Möglichkeit einer chirurgischenIntervention, die Wurzelspitzenre-sektion.

Im Rahmen dieser Behandlung wirddie Wurzelspitze entfernt und imumliegenden Knochen das Entzün-dungsgewebe exkaviert. Für den si-cheren apikalen Verschluss soll ab-schließend eine retrograde Wurzel-füllung erfolgen.

Erfolg/Misserfolg einer Wurzel-behandlung

Von einem Behandlungserfolg oderauch einer Heilung wird bei klini-scher Symptomenfreiheit und bei

röntgenologisch nachweisbaremParodontalspalt normaler Breite ge-sprochen. Insgesamt wird in der Li-teratur eine Erfolgrate von 70-95%angegeben.

Mögliche Ursachen für den Misser-folg können sein:

• Anatomische Besonderheiten

Insbesondere die fein verzweigtenSeitenkanäle im apikalen Drittel derZähne sind schwer bzw. nicht zu-gänglich und können nicht mecha-nisch gereinigt werden. Außerdemhält sich die Natur nicht immer andie Angaben der Anatomiebücher.Als Beispiel die 1. oberen Molaren:sie haben 3 Wurzeln, in denen maneigentlich jeweils einen Pulpakanalerwartet. Bei Untersuchungen anextrahierten Zähnen mit Hilfe derComputertomographie wurde je-doch in 50,8% der oberen 1. Mola-ren ein 4. Kanal nachgewiesen. Ab-weichungen in der Anzahl der Wur-zeln oder dem Verlauf der Pulpa -

kanäle können an allen Zähnen auf-treten, s. Bild 4 und 5.

• Unzureichende Reinigung undDesinfektion

Für eine effektive keimtötende Wir-kung durch NaOCl, dem Haupt-mittel zur desinfizierenden Spülung,wird eine Einwirkzeit von minde-stens 2 min, mitunter bis 30 minangegeben. Dies wird in der Hektikdes Praxisalltages leider nicht im-mer berücksichtigt. Unabhängig da-von ist die Vorstellung eines sterilenEndodonts zur Vermeidung einerReinfektion praktisch gesehen illu-sionär.

• Technische Defizite

Neben der unzureichenden mecha-nischen Aufbereitung des Kanals inLänge und Querschnitt zählen hier-zu Instrumentenfrakturen im Kanaloder das Überpressen von Füllma-terial über das Foramen apikale indas umliegende Gewebe.

• Mangelhafte koronale Versorgung

Weitlumige Füllungen oder Stiftprä-parationen können den avitalenZahn in seiner Gesamtstatik schwä-chen und zu Frakturen führen. Beinicht adäquater Versorgung wird ei-ne Misserfolgsrate von immerhin44% angegeben.

Tote Zähne aus schulmedizini-scher Sicht

Laut der Richtlinien des Gemeinsa-men Bundesausschusses ist eineWurzelbehandlung angezeigt, umeine geschlossene Zahnreihe odereinen funktionstüchtigen Zahner-satz zu erhalten sowie eine Freiend-Situation zu vermeiden.

Für manche Patienten stellt der Ver-lust der eigenen Zähne ein großespsychisches Problem dar. DerSpruch „Man beißt sich durch“ istnur einer von vielen, die darauf hin-weisen, dass Zähne oft mit psychi-schen Eigenschaften in Verbindunggebracht werden. Die ausfallendenMilchzähne werden voll Freude ge-

Bild 5: unterer Prämolar mit 2 Wur-zeln und Wurzelkanalfüllung, apikaleEntzündung

Bild 4: unterer Schneidezahn mit 2Wurzelspitzen

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sammelt, während der verlorenebleibende Zahn mit Altwerden,Krankheit oder Schwäche assoziiertwird. Ein wurzelbehandelter „toter“Zahn steht dem Träger noch zurVerfügung und kann mit entspre-chender konservierender oder pro-thetischer Versorgung seiner Funk-tion im Sinne der Mastikation undauch Ästhetik gerecht werden. Un-geachtet dessen darf der finanzielleAspekt nicht ganz außer Acht gelas-sen werden. Dem Verlust des Zah-nes folgt selten eine kostenloseoder kostengünstige prothetischeNeuversorgung.

Die Endodontologie als Teilgebietder Zahnheilkunde geht weiter mitihrer Forschung, um die Möglichkei-ten der Aufbereitung und Desinfek-tion zu verbessern durch die Ver-wendung von Präzisionsinstrumen-ten oder der Verfeinerung bildge-bender Verfahren zur Diagnostikund Verlaufskontrolle. DigitalesRöntgen, digitale Längenmessgerä-te sowie digitale Mikroskope kom-men zum Einsatz.

Es wird aber nicht nur an einer Ver-besserung der Methodik und Mate-rialien an sich gearbeitet, auch dieUrsachenforschung geht weiter. Sozeigen Untersuchungen an derzahnmedizinischen Fakultät derOregon Health & Science University,dass ein signifikanter Prozentsatzder Patienten mit irreversibler Pulpi-tis und apikaler Parodontitis auchdas Epstein-Barr-Virus in sich trägt.Dieses Wissen eröffnet neue Mög-lichkeiten bei der Behandlung pulpi-tischer Zähne.

Tote Zähne aus ganzheitlicherSicht

Innerhalb der ganzheitlichen Be-trachtung und Therapie haben toteZähne eine große Bedeutung. Zumeinen ist der Gesamtorganismuschronisch belastet durch die ständi-ge Auseinandersetzung mit den No-xen durch noch vorhandene Bakte-rien oder verwendete Materialien im

gen. Der Patientin wurde aus ganz-heitlicher Sicht die Wechselwirkungwurzelbehandelter Zähne mit demGesamtorganismus erklärt und dieExtraktion des Zahnes mit spätererVersorgung durch ein Implantatempfohlen.

Innerhalb kurzer Zeit nach derZahn entfernung war ihre Migränever schwunden und nach einem hal-ben Jahr berichtete sie stolz, end-lich schwanger zu sein, nach vielenbisherigen Fehlversuchen. Der Zahn11 korreliert mit dem Urogenitaltraktund war in diesem Fall ein eindeuti-ges Störfeld, s. Bild 6.

Es gibt aber auch Patienten, die vie-le Jahre gut mit einem lege artiswurzelgefüllten Zahn leben.

Fallbeispiel 2:

2 Jahre, nachdem bei einer Patien-tin mehrere Kronen eingesetzt wur-den, gab sie pulpitische Beschwer-den im Bereich des unteren 1. Mo-laren links an. Auf dem Röntgenbildist deutlich eine Verbreiterung des

Rahmen der Wurzelbehandlung;zum anderen entsteht eine gestörteenergetische Beziehung zwischenZahn-Kieferbereich und den übrigenOrgansystemen. In der Literatur fin-den sich mittlerweile zahlreiche Be-lege aus der Praxis zur Wirkung vonsog. „Leichengiften“. In den Sei-tenkanälen des Wurzelkanalsy-stems belassenes Pulpagewebesowie Anteile der Odontoblasten-fortsätze in den Dentintubuli hinter-lassen Eiweißzerfallsprodukte. Hin-zukommen die Toxine der überwie-gend anaeroben Bakterien, die kon-tinuierlich eine Belastung darstellen.

Weston Price führte Untersuchun-gen durch, in denen er extrahiertetote Zähne von chronisch krankenPatienten unter die Haut von Kanin-chen implantierte. Diese bekameninnerhalb von 72 Stunden die glei-chen Symptome wie die Patienten. Dr. Rau, Dr. Lechner u. v. a. Prakti-ker weisen immer wieder auf denZusammenhang von schweren Er-krankungen und dem Vorhanden-sein toter Zähne hin. Es steht außerFrage, dass in diesen Fällen die be-troffenen Zähne zu extrahieren sind,um dem Körper eine große Last zunehmen.

Fallbeispiel 1:

Eine 37-jährige Patientin stellte sichvor wegen unklarer Beschwerdenim Bereich des ersten oberen rech-ten Frontzahnes (Zahn 11). Es wür-de im Bereich der Wurzelspitze abund zu so komisch dumpf ziehen.Der Zahn war mit einer Krone ver-sorgt, nicht aufbissempfindlich unddie Vitalitätsprüfung negativ. Die Pa-tientin wusste von der vorhandenenWurzelfüllung und dem unter derKrone befindlichen Stiftaufbau. Die-se Behandlung wurde bereits vorvielen Jahren durchgeführt und diePatientin verstand nicht, wieso eintoter Zahn noch Beschwerden ma-chen könnte. In der weiteren Anam-nese ergaben sich regelmäßige Mi-gräneattacken und Schlafstörun-

Bild 6: Fallbeispiel 1, Zahn 11 mit in-suffizient gefüllter Wurzelspitze, Ver-sorgung mit Stiftaufbau und Krone,apikale Entzündung

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Parodontalspaltes erkennbar, s. Bild7. Um der Patientin eine teure Neu-versorgung zu ersparen, erfolgte dieTrepanation des Zahnes durch dievorhandene Krone und eine Wurzel-behandlung. Mittlerweile sind 5 Jah-re vergangen, die Patientin ist in re-gelmäßiger Kontrolle und erfreutsich bester Gesundheit, der letzteRöntgenbefund zeigte apikal keineAuffälligkeiten, s. Bild 8.

Man muss bedenken, dass die Not-wendigkeit einer Wurzelbehandlungnicht nur bei Patienten ab etwa 35-40 Jahren gegeben ist. Vor einigenWochen war ein 14-jähriges Mäd-chen zur Behandlung mit einer tie-fen kariösen Läsion an einem unte-

ren bleibenden Backenzahn. Wirmußten gemeinsam mit den Elternentscheiden: Wurzelbehandlungoder Extraktion des Zahnes. Führenwir die Wurzelbehandlung durch,kann sich daraus ein Störfeld ent-wickeln; extrahieren wir den Zahn,ist eine kieferorthopädische Regula-tion notwendig, um die Zahnlückezu schließen mit dem Risiko der Me-ridianverschiebung. Alternativ be-stände die Möglichkeit, die Lückeoffen zu halten und später mit einemImplantat zu versorgen. Ein Implan-tat ist immer ein Fremdkörper undbefindet sich in der Mundhöhle nichtunter einer geschlossenen Epithel-decke, sondern indirekt in einem offenen System. Daraus kann sichalso auch ein Störfeld entwickeln.

Jeder Zahnarzt wird Tag für Tag vordiese Entscheidung gestellt. Nebender Situation in der Mundhöhle, derRestbezahnung und dem Alter istvor allem immer die Belastungdurch chronische Krankheiten, alsoeine positive Familienanamnese,entscheidend.

Patienten, die sich für eine Wurzel-behandlung entscheiden, müssen inregelmäßiger Kontrolle bleiben undkönnen sehr gut naturheilkundlichbegleitet werden. Zu den halbjähr-lichen zahnärztlichen Befundungengehört immer eine Aktualisierungder Allgemeinanamnese. Die regel-mäßige Kontrolle kann mit naturheil-kundlichen Testmethoden verbes-sert werden, um Belastungen zu er-kennen, bevor sie Beschwerden ver -ursachen (s. SANUM-Post Nr. 91,Dr. Guggenbichler „Zahnstörfelder“).

Begleittherapie mit SANUM-Präparaten

In Wilhelm von Brehmer’s Buch „Si-phonospora polymorpha v. Br.“ wirdüber seine Untersuchungen berich-tet. Er beschrieb eine Mikrobe, diemit dem Blutstrom über das Fora-men apikale in die Pulpa wanderte.

In Abhängigkeit vom pH-Wert desBlutes entwickelte sich eine parasi-täre Form. Nur wenn keine patholo-gischen Störungen aufträten, würdedie Mikrobe wieder herausge-schwemmt werden. Entzündungs-prozesse und die sich daraus erge-bende tote Pulpa bieten dagegenden Nährboden für die Entwicklungpathogener Stäbchen. Er beschriebdie Bedeutung des Zusammenhan-ges zwischen der Siphonosporapoly morpha v. Brehmer und demFokalproblem devitaler Zähne. Dabeihandelt es sich um dieselbe bakte-rielle Hochform, die Prof. GüntherEnderlein in seiner Mucor-Cycloge-nie als Leptotrichia buccalis be-zeichnete, mittlerweile in der neuenNomenklatur als Propionibacteriumacnes bekannt. Wie auch immer derName ist, für die Pathogenität ist dieVeränderung des Milieus entschei-dend. Es sollte bei jedem Patienten,der eine Wurzelbehandlung durch-führen lässt, oder dem ein toter Zahnentfernt wurde, eine Milieusanierungerfolgen. Durch die Verbindungen mitdem umliegenden Gewebe könntensich auch nach einer Extraktion im-mer noch toxische Belastungen imKiefer befinden. Parallel muss dieAusleitung bakterieller, viraler undmykotischer Keime erfolgen. Die To-xine der Bakterien und evtl. Rest-zellbestandteile werden mit Hilfe derSANUKEHLE für das Immunsystemerkennbar gemacht. ARTHROKEH-LAN “A“ darf nicht fehlen; der Wirk-stoff wird gewonnen aus der Über-impfung der aus der Bakterienfloramenschlicher Zahngranulome iso-lierten Siphonospora polymorpha.Nach dem Verfahren Dr. v. Breh-mer‘s wird aus diesen Kulturen einFormoltoxoid gewonnen, das dieAbwehrkräfte steigert.

Die Begleittherapie während derWurzelbehandlung kann wie folgtaussehen:

Beginn mit der Behandlung undweiter während der gesamten The-rapiezeit:

Bild 7: Fallbeispiel 2, Zahn 36 mitapikal verbreitertem Parodontalspalt

Bild 8: Fallbeispiel 2, Zahn 36, 5 Jahrenach Wurzelbehandlung, apikal un-auffällig

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• täglich Zähne putzen mit ALKALA N

• Öl-Zieh-Kur vor dem Frühstück (1Esslöffel Pflanzenöl 10 min durchdie Zähne ziehen und gut aus-spucken)

• morgens SANUVIS 60 Tropfen,abends FORMASAN 10 Tropfenoral

• MAPURIT L 2x täglich 1 Kapsel

• CUPRUKEHL D3 3x täglich 5-10Tropfen

parallel für mindestens 2-3 Wochen

• NOTAKEHL D5, evtl. QUENTA-KEHL D5 2-3x täglich 5 Tropfen indas Zahnfleisch im Bereich desbetroffenen Zahnes, danach

• 3 Tage SANKOMBI D5 / 3 TageNOTAKEHL D5 Tropfen im Wech-sel 2-3x täglich 5 Tropfen lokal,gleichzeitig beginnen mit

• SANUKEHL Strep D6, Staph D6und/oder Pseu D6, je nach Te-stung, im täglichen Wechsel 4Tropfen oral und 4 Tropfen einrei-ben, zusätzlich

• ARTHROKEHLAN “A“ D6 1x täg-lich 5 Tropfen lokal einreiben.

Diese Therapie ist auch begleitendbei der Extraktion eines infiziertenoder bereits wurzelbehandeltenZahnes geeignet.

Präparate zur Stärkung der auf dem -entsprechenden Meridian gelege-nen Organe verbessern den langfri-stigen Erfolg. In jede Praxis gehörtdazu das Schema mit den Zahn-Or-gan-Beziehungen (s. S. 2, Abb. 6)

Nicht jeder Patient ist bereit, sichspontan von seiner toten Zahnsub -stanz zu trennen und lässt eineWurzelbehandlung durchführen.Ganz gleich, wie sich die Patientenentscheiden, wir sollten sie im Sinneeiner ganzheitlichen Therapie auf-

klären und begleiten. Die Bilder 9-12 zeigen Beispiele, welche sicht-baren Befunde auch ohne Röntgen-bild einen Hinweis auf einen totenZahn geben können. Eine sofortigeAbklärung vom Zahnarzt ist not-wendig und eine ganzheitliche Be-gleittherapie angezeigt.

Grundsätzlich ist es wünschens-wert, dass die verschiedenen The-rapeuten nicht jeder für sich ein unddenselben Patienten behandeln,

ohne von einer gleichzeitig stattfin-denden anderen Therapie zu erfah-ren. Eine Zusammenarbeit erfolgtstets zum Wohle des Patienten. �

Bei den dargestellten Patientenbil-dern handelt es sich um Photos auseigener Praxis, bei denen das Ein-verständnis der Patienten zur Veröf-fentlichung vorliegt.

Literatur auf Anfrage beim Semmel-weis Verlag

Bild 9: Fistelbildung

Bild 10: Röntgen zu Pat. von Bild 9Zahn 11 mit apikalem Granulom, Zahn21 mit insuffizienter Wurzelfüllung

Bild 11: Narbengewebe nach Wur-zelspitzenresektionbläulich-graue Tätowierung (Hin-weis auf Amalgam)

Bild 12: Röntgen zu Pat. von Bild 11metalldichte retrograde Wurzelfüllungnach Wurzelspitzenresektion