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63 TRALI und andere akute Transfusionsreaktionen L. GOUDEVA, H.-G. HEUFT Zusammenfassung Gegenstand dieses Beitrags sollen die wichtigsten akuten Transfusionsreaktionen sein: Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI), hämolytische Transfusions- reaktionen, febrile nicht-hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR), Posttransfusi- onspurpura (PTP), Transfusionssepsis, und allergische anaphylaktische Reaktionen nach Transfusion. Die genannten akuten TR kommen trotz zahlreicher Fortschritte bei der Spenderauswahl, der Präparationstechnik der Blutprodukte und im klinischen Ablauf mit einer Frequenz von ca. 0,1% aller Transfusionen vor. Mit Ausnahme der FNHTR kann jede dieser Reaktionen akut tödlich verlaufen. Jeder hämotherapeutisch tätige Arzt muss daher mit ihren klinischen Zeichen, Ihrer Ätiologie und Pathogenese und mit Sofortmaßnahmen zur Beherrschung dieser Komplikationen vertraut sein. Hinweise zur Dokumentation, zur Abklärung und zu den gesetzlichen Meldepflichten bei Trans- fusionsreaktionen runden den Beitrag ab. Definitionen Blutprodukte sind Arzneimittel. Sie können kurzfristig oder langfristig unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) verursachen. Im Klinikalltag werden solche UAW viel- fach als „Transfusionszwischenfälle“ oder „Transfusionsreaktionen“ angesprochen. Transfusionszwischenfälle („incidents“) kommen durch Abweichungen von etablierten organisatorischen und/oder technischen und/oder medizinischen Standards zustande. Typische Beispiele für Zwischenfälle sind die inkorrekte Anforderung bzw. der inkorrek- te Gebrauch von Blutkomponenten (z.B. fehlende Indikation), Fehler im immunhämato- logischen Labor (z.B. Fehlbestimmung einer Blutgruppe, Fehlinterpretation einer Kreuzprobe), Verwechslungen von Patienten oder von Blutkomponenten (Station, OP, Labor) ohne/mit Fehltransfusion, Fehler bei der Anwendung von Blutkomponenten (z.B. Unterlassen oder Fehlinterpretation des Bedside-Tests, falsches Transfusionsbesteck), inkorrekte Kennzeichnung von Blutproben für immun-hämatologische Untersuchungen (z.B. Fehletikettierung), Verabreichung verfallener oder anderweitig ungeeigneter Blutprodukte. Im Gegensatz zu „Transfusionszwischenfall“ versteht man unter „Transfusionsreaktion“ ganz allgemein alle unerwünschte Ereignisse, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Transfusionsereignis (d. h. unmittelbar vor oder während der Transfusion bzw. höchstens einige Tage (bis zu 7, selten bis zu 21 Tage) danach beobachtet werden. Gegenstand dieses Beitrags sollen die wichtigsten akuten Transfusionsreaktionen (TR) sein: Transfusionsassoziierte Akute LungenInsuffizienz (TRALI), hämolytische Transfusionsreaktionen, febrile nicht-hämolytische Trans- fusionsreaktionen (FNHTR), Posttransfusionspurpura, Transfusionssepsis und allergische anaphylaktische Reaktionen. Mit Ausnahme der febrilen, nicht-hämolytischen Transfusionsreaktion kann jede dieser Reaktionen innerhalb von Stunden bis (wenigen) Tagen tödlich verlaufen (siehe Abb. 1). Jeder hämotherapeutisch tätige Arzt muss daher mit ihren klinischen Zeichen, Ihrer Ätiologie und Pathogenese und mit Sofortmaßnahmen zur Beherrschung dieser Komplikationen vertraut sein. Langfristige unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion wie virale Infektionen, die Infektion mit pathologischen Proteinen (vCJK/BSE), die Transfusionshämosiderose oder die Graft versus Host Erkrankung sind nicht Gegenstand dieses Beitrags; Übersichten hierzu sind kürzlich erschienen (1, 2).

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TRALI und andere akute Transfusionsreaktionen

L. Goudeva, H.-G. Heuft

Zusammenfassung

Gegenstand dieses Beitrags sollen die wichtigsten akuten Transfusionsreaktionen sein: Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI), hämolytische Transfusions-reaktionen, febrile nicht-hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR), Posttransfusi-onspurpura (PTP), Transfusionssepsis, und allergische anaphylaktische Reaktionen nach Transfusion. Die genannten akuten TR kommen trotz zahlreicher Fortschritte bei der Spenderauswahl, der Präparationstechnik der Blutprodukte und im klinischen Ablauf mit einer Frequenz von ca. 0,1% aller Transfusionen vor. Mit Ausnahme der FNHTR kann jede dieser Reaktionen akut tödlich verlaufen. Jeder hämotherapeutisch tätige Arzt muss daher mit ihren klinischen Zeichen, Ihrer Ätiologie und Pathogenese und mit Sofortmaßnahmen zur Beherrschung dieser Komplikationen vertraut sein. Hinweise zur Dokumentation, zur Abklärung und zu den gesetzlichen Meldepflichten bei Trans-fusionsreaktionen runden den Beitrag ab.

DefinitionenBlutprodukte sind Arzneimittel. Sie können kurzfristig oder langfristig unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) verursachen. Im Klinikalltag werden solche UAW viel-fach als „Transfusionszwischenfälle“ oder „Transfusionsreaktionen“ angesprochen. Transfusionszwischenfälle („incidents“) kommen durch Abweichungen von etablierten organisatorischen und/oder technischen und/oder medizinischen Standards zustande. Typische Beispiele für Zwischenfälle sind die inkorrekte Anforderung bzw. der inkorrek-te Gebrauch von Blutkomponenten (z.B. fehlende Indikation), Fehler im immunhämato-logischen Labor (z.B. Fehlbestimmung einer Blutgruppe, Fehlinterpretation einer Kreuzprobe), Verwechslungen von Patienten oder von Blutkomponenten (Station, OP, Labor) ohne/mit Fehltransfusion, Fehler bei der Anwendung von Blutkomponenten (z.B. Unterlassen oder Fehlinterpretation des Bedside-Tests, falsches Transfusionsbesteck), inkorrekte Kennzeichnung von Blutproben für immun-hämatologische Untersuchungen (z.B. Fehletikettierung), Verabreichung verfallener oder anderweitig ungeeigneter Blutprodukte. Im Gegensatz zu „Transfusionszwischenfall“ versteht man unter „Transfusionsreaktion“ ganz allgemein alle unerwünschte Ereignisse, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Transfusionsereignis (d. h. unmittelbar vor oder während der Transfusion bzw. höchstens einige Tage (bis zu 7, selten bis zu 21 Tage) danach beobachtet werden. Gegenstand dieses Beitrags sollen die wichtigsten akuten Transfusionsreaktionen (TR) sein: Transfusionsassoziierte Akute LungenInsuffizienz (TRALI), hämolytische Transfusionsreaktionen, febrile nicht-hämolytische Trans-fusionsreaktionen (FNHTR), Posttransfusionspurpura, Transfusionssepsis und allergische anaphylaktische Reaktionen. Mit Ausnahme der febrilen, nicht-hämolytischen Transfusionsreaktion kann jede dieser Reaktionen innerhalb von Stunden bis (wenigen) Tagen tödlich verlaufen (siehe Abb. 1). Jeder hämotherapeutisch tätige Arzt muss daher mit ihren klinischen Zeichen, Ihrer Ätiologie und Pathogenese und mit Sofortmaßnahmen zur Beherrschung dieser Komplikationen vertraut sein.Langfristige unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion wie virale Infektionen, die Infektion mit pathologischen Proteinen (vCJK/BSE), die Transfusionshämosiderose oder die Graft versus Host Erkrankung sind nicht Gegenstand dieses Beitrags; Übersichten hierzu sind kürzlich erschienen (1, 2).

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Abb. 1: Transfusionsreaktionen mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf: Daten für Großbritannien und Nordirland, 1996-2008 bei ca. 36 Millionen Transfusionen (3)

Legende:HTR=Hämolytische Transfusionsreaktion, TRALI=Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz, ATR=Allergisch-anaphylaktische Transfusionsreaktion, DHTR=Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion; GvHD=Graft versus Host Disease; Bakt Inf=Bakterielle Kontamination eines Blutprodukts; PTP=Posttransfusionspurpura.

Inzidenz von TransfusionsreaktionenAkute TR kommen trotz zahlreicher Fortschritte bei der Spenderauswahl, der Präpa-rationstechnik der Blutprodukte und im klinischen Ablauf mit einer Frequenz von bis zu 0,3% aller Transfusionen vor. Nur ein Bruchteil dieser TR ist mit nachfolgender Morbidität größeren Ausmaßes oder einem tödlichen Verlauf verbunden. Für Industriestaaten mit entwickeltem Gesundheitssystem liefert derzeit das SHOT Hämovigilanzsystem (SHOT: Serious Hazards of Transfusion) die umfassendsten und zuverlässigsten Zahlen zu Transfusionsreaktionen. Dieses Erfassungssystem besteht bereits seit den 1990er Jahren und ist Vorbild für ähnliche Systeme z.B. in Frankreich (e-FIT) bzw. für das im Aufbau begriffene Hämovigilanzsystem in Deutschland. SHOT arbeitet alle UE im Zusammenhang mit Transfusionen von 70-75% aller Krankenhäuser und anderer in Großbritannien und Nordirland transfundierenden Einrichtungen akribisch auf und publiziert diese Daten in jährlichen Berichten bezogen auf das Berichtsjahr und kumulativ (3). Aufgrund von Publikationen aus anderen Ländern ist davon auszugehen, dass insbesondere die SHOT Ergebnisse zu schwerwiegenden Transfusionsreaktionen mit oder ohne tödlichen Verlauf prinzipiell auf vergleichbare Länder der Europäischen Union übertragen werden können (3-6).

Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)Die Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (transfusion related acute lung inju-ry: TRALI) hat sich in den letzten Jahren noch vor der AB0-Fehltransfusion zur häufig-sten Ursache einer schwerwiegenden Transfusionsreaktion mit Todesfolge entwickelt. So wurden in einer intensivierten Beobachtungsstudie über 24 Monate (01/2006-12/2007) des Paul-Ehrlich-Instituts 44 TRALI-Reaktionen registriert, darunter 8 (18%) mit Todesfolge (7 nach Plasmatransfusionen, ein Fall nach EK-Transfusion [4]). In Abhängigkeit von den angewendeten Blutprodukten wurde für Deutschland die Häufigkeit für TRALI nach GFP Transfusion mit 1:66.000 (mit tödlichem Verlauf 1:285.000), nach EK-Transfusion mit 1:2.86 Mio, nach TK-Transfusion mit 1:420.000 ermittelt. Eine aktu-elle Studie aus den Niederlanden ergab für das Jahr 2006 eine TRALI Inzidenz von

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1:29.000 Transfusionen, über den Untersuchungszeitraum von 01/2005 bis 06/2007 fan-den sich 56 TRALI, hierunter 10 (18%) Todesfälle (5). Ähnliche Inzidenzen wurden auch aus Frankreich (6) und Nordamerika (USA) berichtet (7).TRALI ist definiert als Symptomenkomplex aus Dyspnoe und einer objektivierbaren Ateminsuffizienz, meist verbunden mit Temperaturanstieg und Blutdruckabfall. Typischerweise lassen sich radiologisch beidseitige Lungeninfiltrate ohne kardialen Befund nachweisen. Das Krankheitsbild manifestiert sich innerhalb von 6 Stunden nach Transfusionsbeginn. TRALI fällt vor allem bei Patienten auf, die kardial gesund sind. Bei Patienten mit kardialer Vorschädigung kann die Abgrenzung zum Lungenödem aufgrund hoher Volumenbelastung (Transfusion associated circulatory overload – TACO) schwie-rig bis unmöglich sein.

• Schlagartiger Beginn während oder bis zu 6 Stunden nach Transfusion*, hauptsachlich nach Transfusion plasmareicher Produkte wie GFP und TK

• Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, klinisches Bild eines ARDS* mit Intubation und Beatmungspflichtigkeit in ca. 80% der Fälle

• Radiologisch: Neuauftreten beidseitiger Lungeninfiltrate*

• Sorgfältiger Ausschluss einer Volumenüberlastung*

• Weitere Symptome (nicht immer vorhanden): Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Hypotension, Tachykardie, u. U. Schock

Tab. 1: TRALI – klinische Symptome*TRALI Definition des European Hemovigilance Network (EHN [8])

TRALI wird durch aktivierte neutrophile Granulozyten hervorgerufen, die über ein pul-monales Capillary-Leak-Syndrom ein nicht-kardiales Lungenödem hervorrufen. Nach derzeitigem Verständnis werden zwei unabhängige pathophysiologische Mechanismen zur Auslösung einer TRALI-Reaktion diskutiert (9).

Abb. 2: TRALI-typischer Thoraxbefund Beim Antikörper vermittelten Typ ("Immunogenes TRALI") spielen infundierte granulo-zytäre oder lymphozytäre (HLA-) Alloantikörper des Spenders, die durch Schwangerschaften oder Transfusionen induziert worden sind, eine entscheidende Rolle. Sie binden an die Granulozyten des Patienten und aktivieren diese. Seltener geht das Krankheitsbild von granulozytären bzw. lymphozytären Antikörpern des Empfängers aus, die infundierte Granulozyten des Spenders aktivieren. Die aktivierten Granulozyten adhärieren an das Endothel von Lungenkapillaren. Dadurch kommt es zur Freisetzung von Zytokinen und zu einer Endothelzellschädigung mit Flüssigkeitsaustritt (proteinreiches Exsudat) ins

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Lungengewebe (capillary leak syndrome) und nachfolgender Gewebsschädigung. Größere Operationen, bestehende Infektionen (insbesondere Pneumonien), Polytransfusion u. a. Faktoren begünstigen offenbar dieses Geschehen, sind aber keine zwingende Voraussetzung für das immunogene TRALI.Beim so genannten „Nicht-Immunogenen Trali“ führen größere Operationen, bestehende Infektionen (insbesondere Pneumonien), Polytransfusion u. a. Faktoren über die Freisetzung von Entzündungsmediatoren zu einer vermehrten Adhärenz von Granulozyten an Endothelzellen der Lunge. Durch die Transfusion von gelagerten Blutprodukten (meist gegen Ende Ihrer Lagerzeit), die Erythrozyten oder Thrombozyten mit Lagerungsschäden enthalten (z.B. bei EK Anreicherung von Lysophosphatidylcholinen in der Erythro-zytenmembran und frei im Überstand, bei TK Anreicherung von CD40L in der Throm-bozyten membran und frei im Überstand), akkumulieren biologisch aktive Lipide, die die adhärenten autologen Granulozyten aktivieren. Dadurch kommt es zur Freisetzung von Zytokinen und zu einer Endothelzellschädigung mit Flüssigkeitsaustritt (proteinreiches Exsudat) ins Lungengewebe und Gewebsschädigung. Größere Operationen, bestehende Infektionen (insbesondere Pneumonien), Polytransfusion u.a. Faktoren sind also eine zwingende Voraussetzung für das nicht-immunogene TRALI im Sinne eines so genannten „two hit model“ (10).In eine TRALI-Reaktion sind in der Mehrzahl der Fälle (ca. 60-70%) plasmareiche Blutkomponenten wie Gefrorenes Frischplasma oder Thrombozytenkonzentrate, zu etwa 30-40% aber auch Erythrozytenkonzentrate verwickelt (Zahlen für Deutschland 2006-2007 [4]). Der Frauenanteil unter den in TRALI Reaktionen verwickelten Spendern liegt bei >70%, der Anteil der Spender (ganz überwiegend Spenderinnen) mit leukozytären Antikörpern bei ca. 70-80%. Diesen die Hypothese des „Immunogenen TRALI“ bestär-kenden Untersuchungsergebnissen stehen aber Befunde entgegen, die diesem Konzept widersprechen: die hohe TRALI-Frequenz der heute relativ plasmaarmen Erythro zyten-konzentrate (Plasmagehalt in der Regel <30 mL pro Transfusionseinheit), die relative Häufigkeit von Spendern mit leukozytären Antikörpern, denen nur eine geringe Anzahl von TRALI-Fällen gegenübersteht (11), die nur bei ca. 50% der TRALI-Fälle mit leuko-zytären Antikörpern nachweisbare Spender/Empfänger-Inkompatibilität u. a. Da für das nicht immunogene TRALI nur relativ wenige klinische Beobachtungen vorliegen, ist die Pathogenese von TRALI letztlich nicht sicher geklärt (9, 11, 12). Die mit 5-25% der TRALI-Fälle vergleichsweise hohe Mortalität hat aber die staatlichen Behörden zahlrei-cher Länder, darunter auch der Bundesrepublik Deutschland, zu einer eingreifenden Präventivmaßnahme veranlasst: die Plasmaspende von Frauen mit Schwanger schafts-anamnese zu untersagen bzw. auf den Kreis von weiblichen Spendern einzuschränken, bei denen Antikörper gegen Leukozytenantigene von Granulozyten (HNA-Antikörper) und Lymphozyten (HLA-Antikörper) nicht nachweisbar sind.Nach aktuellem Kenntnisstand ist die Mehrzahl der TRALI-Todesfälle durch Verken-nung der klinischen Situation und Verzögerung der notwendigen Intubation und Beatmung gekennzeichnet. Therapeutisch wichtig (u. U. ausschlaggebend) ist also: Rasche (Ver-dachts)-Diagnose und rechtzeitige Intubation und Beatmung, möglichst bevor sich das TRALI-Vollbild entwickelt hat. Bei diesem Vorgehen soll sich die TRALI-Mortalität auf 5-10% reduzieren. Die Gabe von Cortison ist umstritten. Sie kann TRALI nicht verhin-dern, wohl aber aufgrund ihres membranstabilisierenden Effekts die Symptomatik miti-gieren. Die Applikation von Diuretika ist aufgrund des exsudativen Charakters des Lungenödems nicht indiziert.

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Sofortmaßnahmen

• Sofortige Beendigung der Transfusion unter Beibehaltung des venösen Zugangs (ggf. Legen eines zentralen Venenkatheters)

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Atmung, Blutgasanalyse, Blutdruck, Puls, Urinausscheidung, Blutbild, O2 über Nasensonde

• Bei rascher Verschlechterung der pulmonalen Situation: Zügige Intubation und Beatmung.

• Röntgen-Thorax zur Erhärtung der Verdachtsdiagnose

• Kortikosteroidgabe i.v. (250 mg Methylprednisolon i.v.)

• Bei Hypotension Volumenzufuhr (Infusion von 1000 ml einer Vollelektrolytlösung, ggf. weitere Volumengaben je nach Ausscheidung)

• evtl. Dopamin in Nierendosis (1-3 µg/kg KG/Minute)

• Sicherstellung der Konserve (Alter der Konserve?) und nach Möglichkeit von Blutproben vor und nach der Transfusion, Feststellung der Menge des transfundierten Blutes

Weitere Maßnahmen

• Information des Blutspendedienstes zur Untersuchung von Spender und Transfusionsempfänger auf Granulozytenantikörper und HLA-Antikörper

Tab. 2: Ärztliche Maßnahmen bei Verdacht auf TRALI

Hämolytische TransfusionsreaktionenAkute hämolytische Transfusionsreaktion (Sofortreaktion)Akute hämolytische TR (Sofortreaktionen) sind fast immer vermeidbar. Die häufigste Ursache ist die Transfusion AB0-inkompatibler Erythrozytenkonzentrate bzw. Frischplas-mapräparate. Der Fehltransfusion liegen in der Regel Verwechslungen von Patienten bzw. Blutproben, Fehlzuordnung von Blutprodukten zu Patienten, Missachtung anerkannter Regeln im Umgang mit Blutprodukten (z.B. Unterlassen des Bedsidetests) sowie techni-sche Unzulänglichkeiten der Anwender zugrunde. Nicht selten führen Fehlerketten (Fehlzuordnung von Blutprodukten gepaart mit Unterlassen oder Fehlinterpretation des Bedsidetests) zur Transfusionsreaktion. Fast immer sind klinische Bereiche mit hoher Transfusionsfrequenz (OPs, Intensivstationen) und erfahrenem Personal betroffen!

Ein sachgerecht durchgeführter Bedside-Test (AB0-Identitätstest) verhindert AB0–Transfusionszwischenfälle. Der Bedside-Test ist bei Verabreichung erythrozytenhaltiger Blutkomponenten zwin-gend vorgeschrieben. Bei Anwendung von Fremdblutprodukten muss die AB0-Blutgruppe des Patienten gestestet werden. Bei Eigenblut muss zusätzlich zur Testung der AB0-Blutgrupe des Patienten auch die AB0-Blutgruppe der Eigen-Erythrozytenkonzentrate (EK) getestet werden, da bei auto-logen EK in vielen Kliniken auf die Kreuzprobe verzichtet wird.

Die Symptomatik hämolytischer TR ist vielgestaltig. Wache, orientierte Patienten klagen häufig schon nach Einlaufen von wenigen Millilitern über allgemeines Unwohlsein, Unruhe oder auch Schmerzen im Bereich der Infusionsstelle. Besondere Aufmerksamkeit verdienen ungewöhnliche Symptome wie plötzliche auftretende (u. U. heftige) Bauch- und/oder Rückenschmerzen (Lendenwirbelbereich, gelegentlich mit Ausstrahlung in die Flanken); diese sind pathognomonisch für eine akut einsetzende hämolytische TR. Besonders gefährdet sind Patienten mit reduziertem Bewusstseinszustand oder Vollnarkose, da bei diesen Patienten aufgrund der fehlenden subjektiven (Früh-)Symptomatik nicht

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selten mehrere Transfusionseinheiten fehltransfundiert werden. Die Mortalität akuter hämolytischer TR ist in dieser Gruppe mit mindestens 10% zu veranschlagen (13, 14). Eine Auflistung von Symptomen hämolytischer TR findet sich in Tabelle 3.

Subjektive Symptome (oft Frühsymptome)

• Allgemeines Unwohlsein und Unruhe

• Schweißausbruch

• Übelkeit (gelegentlich auch Erbrechen)

• Schmerzen im Bereich der Infusionsstelle oder im venösen Verlauf

• Plötzliche (z. T. heftige) Rückenschmerzen (Lendenwirbelbereich) bzw. diffuse (Unter)-Bauchschmerzen, Flankenschmerzen (teilweise als Nierenschmerzen gedeutet)

Objektive Symptome

• Temperaturerhöhung, Fieber

• Schüttelfrost

• Bronchospasmus, Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose

• Tachykardie

• Blutdruckabfall (>20 mmHg), Kollaps, Schock

• diffuse Blutungsneigung (vor allem bei operativen Eingriffen)

• Roter Urin

• Nierenversagen (Oligurie, Anurie)

Labor

• Rotes Serum

• Hämoglobinurie

• starker LDH-Anstieg (innerhalb von 24 Stunden nicht selten > 1.000 U/L)

• schneller Abfall des Haptoglobins (oft unter die Nachweisgrenze)

• Anstieg der Retentionsparameter

• u. U. Azidose

• u. U. Thrombozytenabfall, Parameter einer komplexen Gerinnungsstörung im Sinne einer DIC (Abfall des Fibrinogens, D-Dimere erhöht, u.a.)

Tab. 3: Symptomatik der akuten hämolytischen Transfusionsreaktion

Die hämolytische Transfusionsreaktion (HTR) tritt als Sofortreaktion während oder kurz nach der Transfusion von AB0-inkompatiblen Erythrozyten auf. Sehr selten kommt es aufgrund hoher Isohämolysintiter des Spenders (Titer > 500) auch im Rahmen von Gefrierplasma- oder Thrombozytentransfusionen zur Hämolyse. Die Inzidenz falsch zugeordneter Transfusionen wird mit bis zu 1:12.000 (USA, New York 1992 [14]), damit assoziierter hämolytischer Ereignisse wird mit 1:33.000 (14) bis >1:200.000 (United Kingdom, 2008 [3]) angegeben. Zahlen für Deutschland liegen nicht vor, aufgrund eige-ner Erfahrungen und persönlicher Berichte ist aber von einer Inzidenz in der Größenordnung von 1:30.000 Transfusionen für akute hämolytische TR auszugehen.Ursächlich sind fast immer komplementaktivierende AB0 Isoantikörper vom Typ IgM im Sinne einer AB0-Fehltransfusion. Hämolytische Sofortreaktionen mit komplementakti-vierenden IgM- (selten IgG-) Antikörpern aus anderen Blutgruppensystemen wie z.B. Anti-K (-Kell), Anti-Ika (-Kidd a), Anti-Lea (-Lewis a), Anti-Tja (-Tjay), Anti-Vel, Anti-Lan u.a. sind demgegenüber Raritäten. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel nicht um Fehltransfusionen der Anwender, sondern meist um Fehler im serologischen Labor (Probenverwechslung im Labor, Fehldurchführung der Kreuzprobe im Sinne einer falsch

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negativen Kreuzprobe, Fehlinterpretation einer positiven Kreuzprobe, gepaart mit der Fehlinterpretation eines Antikörperbefundes).Die für die hämolytische Sofortreaktion ursächlichen Antikörper verursachen eine intra-vasale Hämolyse, sie aktivieren die Komplementkomponente C1. Hierdurch wird die Komplementkaskade angestoßen, letztlich entsteht der „membrane-attack-complex“ C5b-C9, der ein regelrechtes Loch in die Erythrozytenmembran „stanzt“. Einströmende Flüssigkeit lässt die inkompatiblen Erythrozyten akut zerplatzen. Dieser Prozess läuft mit rasender Geschwindigkeit ab. Fast alle inkompatiblen Erythrozyten werden in Sekunden bis Minuten bis allenfalls wenigen Stunden vernichtet. Dieser Pathomechanismus erklärt die stark eingeschränkten therapeutischen Möglichkeiten nach einer Fehltransfusion. Die Hämolyse kann praktisch nicht aufgehalten werden, da Plasmapherese und/oder Austauschtransfusion in der Regel zu spät kommen. Kortikosteroide kommen zwar zum Einsatz (siehe Tab. 4), stoppen aber nicht die Hämolyse, sondern beeinflussen allenfalls die Zytokin- und Histaminfreisetzung sowie die inflammatorischen Prozesse, die durch die Hämolyse in Gang gesetzt werden. Die therapeutischen Maßnahmen nach einer Fehltransfusion bzw. einer hämolytischen Sofortreaktion beschränken sich daher auf rein symptomatische Eingriffe, wobei sich das Ausmaß therapeutischer Maßnahmen nach dem Schweregrad der Hämolyse und der damit verbundenen Begleitsymptomatik richtet. Eine Auflistung therapeutischer Maßnahmen im Rahmen hämolytischer TR findet sich in Tabelle 4.

Sofortmaßnahmen

• sofortige Beendigung der Transfusion unter Beibehaltung des venösen Zugangs (ggf. Legen eines zentralen Venenkatheters)

• Sicherstellung der Blutkonserve und nach Möglichkeit von Blutproben vor und nach Transfusion, Feststellung der Menge des (fehl-)transfundierten Blutes, Klärung der Ursache der Fehltransfuion

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Blutdruck, Puls, Atmung, Urinausscheidung, Blutbild, Gerinnungsstatus, Blutgasanalyse (BGA)

• Bei Hypotension Volumenzufuhr (Infusion von 1000 ml einer Vollelektrolytlösung, weitere Volumengaben je nach zentralvenösem Druck verabreichen)

• Kortikosteroidgabe i.v. (mindestens 250 mg Methylprednisolon)

Weitere Maßnahmen

• bei (drohendem) Nierenversagen: Urinausscheidung durch Volumengabe und Diuretika steigern, Dopamin in Nierendosis (1-3 µg/kg KG/Minute), bei persistierender Oligo-/Anurie Dialysebehandlung

• bei (beginnendem) Schock: Natriumbicarbonat-Gabe nach BGA, bei Schock 1-3 ml einer 0,01%igen Adrenalin-Lösung langsam i.v. (5-10 µg/Minute), bei Herzstillstand werden 5-10 ml einer 0,01%igen Adrenalin-Lösung i.v. injiziert. Ggf. sind Adrenalin-infusionen (10-100 ng/Minute) notwendig.

• bei Zeichen der DIC: Heparingabe (z.B. unfraktioniertes Heparin, 2000 IE als Bolus i.v., danach 500 IE/Stunde)

• in besonders schweren Fällen (Fehltransfusion von großen Mengen inkompatibler Erythrozyten, z.B. ≥ 6 EK und Zeichen protrahierter Hämolyse, z.B. bei niedrigen AK-Titern) kann ausnahmsweise eine Austauschtransfusion indiziert sein.

Sonstige Maßnahmen

• Veranlassung einer serologischen Nachuntersuchung

• Bereitstellung von kompatiblem Blut, falls erforderlich

Tab. 4: Ärztliche Maßnahmen im Rahmen einer akuten hämolytischen Transfusionsreaktion

Es kann vorkommen, dass eine Fehltransfusion oligo- bis asymptomatisch verläuft und medizinisch folgenlos bleibt. In diesen glücklichen Fällen liegen entweder sehr niedrige (Titer <8) bis fehlende Isoagglutinintiter vor (z.B. bei älteren Patienten oder anderweitig immunsupprimierten Patienten) oder der Effektorschenkel der Hämolyse ist gestört (z.B. niedrige Komplementspiegel bei [weit] fortgeschrittener Leberzirrhose).

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Auch folgenlos gebliebene Fehltransfusionen müssen zur Verhütung „gepaarter Verwechslungen" unverzüglich dem Blutdepot der Klinik mitgeteilt werden. So wird bei Namensgleichheit z.B. die versehentliche Transfusion eines EK mit der Blutgruppe 0 auf einen Patienten mit der Blutgruppe A folgenlos bleiben, während die Transfusion des EK mit der Blutgruppe A auf den namensgleichen Patienten mit der Blutgruppe 0 schwerwie-gende medizinische und juristische Folgen haben kann.

Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion (DHTR)Im Gegensatz zur akuten hämolytischen Tranfusionsreaktion ist die verzögerte hämolyti-sche Transfusionsreaktion (delayed haemolytic transfusion reaction, DHTR) in vielen Fällen nicht vermeidbar. Sie stellt sich im Laufe von 2-7 (bis zu 14-21) Tagen nach der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten ein. Die DHTR verläuft in vielen Fällen asymptomatisch als reine serologische verzögerte Transfusionsreaktion (delayed serolo-gic trafusion reaction, DSTR). Falls sich eine Hämolyse einstellt, verläuft diese ver-gleichsweise mild und protrahiert. Die Kenntnis dieses Krankheitsbildes nach Transfusion ist aber wichtig, weil es 6-8mal häufiger beobachtet wird als die akute hämolytische TR (Frequenz ca. 1:5.000 Transfusionen [15]) und weil sie trotz des eher milden und protra-hierten Verlaufs der Hämolyse insbesondere bei vorgeschädigten multimorbiden Patienten mit hohem Transfusionsbedarf (≥6 EK) tödlich enden kann. So wird im Shot-Hämovigilanzsystem regelmäßig über 1-3 DHTR – Todesfälle pro Jahr berichtet [3].DHTR werden durch Alloantikörper verursacht, die zum Zeitpunkt der Transfusion unter der serologischen Nachweisgrenze liegen und daher bei der prätransfusionellen serologi-schen Diagnostik (serologische Verträglichkeitsprobe [SVP, Synonym: Kreuzprobe]) und Antikörpersuchtest (AKS) nicht entdeckt werden. In unserem Beispiel (siehe Abb. 3) wurde ein Patient nach einem Verkehrsunfall 1960 transfundiert. Die nach diesen Transfusionen nachgewiesenen Rhesus-Alloantikörper Anti-c und Anti-E fielen im Laufe der Jahrzehnte nach der Erst-Transfusion unter die technische Nachweisgrenze. Als sich der Patient im Jahre 2004 einem kardiochirurgischen Eingriff unterziehen musste, waren SVP und AKS negativ, die Zweit-Transfusion von 6 EK wurde initial auch gut vertragen. Allerdings erreichen auch Antikörper, die zum Zeitpunkt der Transfusion eindeutig unter der Nachweisgrenze der prätransfusionellen serologischen Diagnostik liegen, im Rahmen einer Boosterreaktion meist schon 2-7 (selten erst 14-21 Tage) nach Transfusion eine Konzentration, die zur beschleunigten Elimination der jetzt inkompatiblen Erythrozyten führt. Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen müssen daher als (in der Regel unvermeidbares) immunologisches (serologisches) Restrisiko der Blutransfusion angese-hen werden. Jeder Patient muss im Rahmen seiner Aufklärung vor Transfusion hierüber informiert werden.

Abb. 3: Boosterreaktion präformierter Antikörper als Schlüssel zum Verständnis der DHTR

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Der durch diese Boosterreaktion ausgelöste Erythrozytenabbau vollzieht sich extravasal. Die mit Antikörpern und meist mit der Komplementkomponente C3d beladenen Erythrozyten werden von Makrophagen des retikuloendothelialen Systems von Leber und Milz phagozytiert und über einen Zeitraum von einigen Tagen bis wenigen Wochen eli-miniert. Der Schweregrad der Hämolyse – Symptomatik einer DHTR hängt in erster Linie von der Spezifität der Antikörper und ihrer Fähigkeit zur Komplementaktivierung, aber auch von der Reaktionslage des Immunsystems des Patienten (Stärke der Boosterreaktion) und von der Zahl der verabreichten und verzögert inkompatiblen Erythrozytenkonzentrate ab. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Hämolyse jedoch mild bis sehr mild und erfordert keine intensivtherapeutischen Maßnahmen. Ein unzureichender Hb-Anstieg nach Transfusion, der durch sonstige klinische Befunde nicht erklärbar ist, kann der ein-zige klinische Hinweis auf eine Hämoyse vom verzögerten Typ sein. Schwere Verläufe werden in der Regel nur bei Patienten mit großen Transfusionsvolumina in kurzer Zeit (> 6 EK in einer Serie) und vorbestehender Organschädigung beobachtet. Eine Übersicht zur typischen klinischen Symptomatik der DHTR zeigt Tabelle 5.

Subjektive Symptome (oft Frühsymptome)

• Gelegentlich Anämiesymptome: Müdigkeit, Schwäche, Blässe, Schwindelgefühl

Objektive Symptome

• Temperaturanstieg, kombiniert mit unzureichendem Hb-Anstieg

• Unzureichender Hb-Anstieg und/oder unerwartet temporärer Hb-Anstieg, gefolgt von raschem Hb-Abfall auf/unter Ausgangsniveau und/oder erneuter Transfusionspflichtigkeit ohne Blutungszeichen

• Sklerenikterus, leichter Hautikterus (oft auch kein Ikterus)

• brauner Urin

• LDH-Anstieg >50% in 24 Stunden, LDH aber oft hochnormal oder nur leicht erhöht, Abfall des Haptoglobins, Bilirubin selten >3mg/dL

• Positiver direkter Antiglobulintest (direkter Coombstest) ca. 48 Stunden nach Transfusion bei negativem Vorbefund unmittelbar vor Transfusion

• nur bei Vorschädigung oder Polytransfusion: Verschlechterung der Nierenfunktion, Organversagen, Zeichen der DIC

Tab. 5: Symptomatik der verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktion

Bei den irregulären Antikörpern, die typischerweise diese Komplikation hervorrufen, handelt es sich meist um Antikörpergemische von Rhesusantikörpern (meist Anti-c, oft in Kombination mit anderen Rh-Antikörpern wie Anti-E, Anti-D), die begleitet werden von Antikörpern gegen weitere Blutgruppen wie das Kell, Duffy (Fy) oder das Kidd (Ik)- System. Antikörpergemische von 3-4 Erythrozytenantikörpern sind nicht selten. Häufiger noch als Transfusionen induzieren Schwangerschaften solche Antikör per(gemische), wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um normal verlaufende oder komplizierte Schwangerschaften handelt. Diese Tatsache sowie der fast immer Jahrzehnte umfassende Zeitraum zwischen Schwangerschaft und Transfusionspflichtigkeit prädestinieren Frauen mit Schwangerschaftsanamnese für diese Komplikation. Tatsächlich wird die DHTR bei Frauen 3-5mal häufiger beobachtet als bei Männern (16). Es ist wichtig zu wissen, dass DHTR eine iatrogene Komponente aufweisen können. So kann es bei technisch unzulänglichen Blutentnahmen (insbesondere an ZVK), bei inten-sivmedizinischer Betreuung mit erheblicher parenteraler Flüssigkeitszufuhr (insbesonde-re parenterale Ernährung) sowie bei schweren Blutungen mit massiver Volumensubstitution vorübergehend zu einer erheblichen Verdünnung des Patientenserums und damit von Antikörpern, die im Bereich der Nachweisgrenze liegen, kommen. Dies kann über falsch negative Kreuzproben zum Vollbild einer DHTR führen.Die therapeutischen Maßnahmen sind bei der DHTR wie bei der akuten hämolytischen Transfusionsreaktion rein symptomatisch (Tabelle 6). Aufgrund der protrahiert verlaufen-

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den Hämolyse kann bei großen Transfusionsvolumina eine prophylaktische Austausch-transfusion zur Verhinderung eines schweren Verlaufs indiziert sein.

Sofortmaßnahmen

• Sicherung und Verlaufsbeobachtung der Hämolyse

• Einleitung der Antikörperdiagnostik, Bereitstellung kompatibler EK

• Sicherstellung der Blutkonserven (wenn noch vorhanden) und nach Möglichkeit von Blutproben von vor und nach Transfusion

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Blutdruck, Puls, Urinausscheidung, Überwachung der Nierenfunktion, Blutbild, Gerinnungsstatus

• bei großem Transfusionsvolumen (≥ 6 EK) und Tendenz zu schwerem Verlauf Austauschtransfusion

Weitere Maßnahmen

• Bei weiterer Transfusionspflichtigkeit Bereitstellung von kompatiblem Blut, sorgfältige Kontrolle der Transfusion und des Transfusionserfolgs

• Transfusionsmedizinische Nachsorge: Kontrolle der Antikörperdiagnostik 2-4 (-12) Monate nach Abklingen der Reaktion

Tab. 6: Ärztliche Maßnahmen im Rahmen einer DHTR

Patienten mit DHTR bilden zusätzlich zu den geboosterten Antikörpern häufig weitere erythrozytäre Alloantikörper. Ein Teil der Patienten entwickelt außerdem Autoantikörper, die noch nach 12-18 Monaten nach der Transfusion nachweisbar sein können. Diese Autoantikörper sind meist nur von geringer klinischer Bedeutung, können jedoch gele-gentlich hartnäckige Hämolysen mit längerem Verlauf unterhalten. Aus diesen Gründen sollte bei Patienten mit verzögerter hämolytischer Transfusionsreaktion die Indikation für weitere Transfusionen mit größter Zurückhaltung gestellt werden. Außerdem ist eine transfusionsmedizinische Nachsorge indiziert.

PosttransfusionspurpuraDie Posttransfusionspurpura (PTP) ist ein sehr seltenes Krankheitsbild. Wenn man die Statistiken des SHOT-Hämovigilanzsystems zugrunde liegt, ist für Deutschland mit höch-stens 0-2 Fällen pro Jahr zu rechnen. Die PTP entwickelt sich typischerweise 7-10 Tage nach Thrombozytentransfusion mit einem plötzlichen Abfall der Thrombozytenzahl und massiver Blutungsneigung. Dieses klinische Bild beruht auf der Bildung von Alloantikörpern gegen Thrombozytenantigene (Spezifität meist Anti-HPA-1a, Frequenz des Alloantigens ca. 98 %), die sich aus ungeklärter Ursache auch an die autologen Thrombozyten des Transfusionsempfängers binden (kombinierte Allo- und Autoimmunthrombozytopenie). Die PTP ist eine wichtige Differentialdiagnose, weil bei Verdacht auf PTP Zurückhaltung bei Thrombozytentransfusionen geboten ist, da diese über die Antikörperstimulation das Krankheitsbild verschärfen und darüber hinaus auch klinisch ineffektiv sind. Bei V. a. PTP ist ein Therapieversuch mit hochdosiertem Immunglobulin (mit oder ohne Corticosteroide) gerechtfertigt.

Sofortmaßnahmen

• Absetzen von Thrombozytentransfusionen

• Immunglobulin i.v., Dosis: 1-2 g/kg Körpergewicht über 3-5 Tage

• Kortikosteroidgabe i.v. (250 mg Methylprednisolon)

Weitere Maßnahmen

• Antikörperdiagnostik auf Thrombozytenantikörper (HPA-Antikörper) veranlassen

Tab. 7: Ärztliche Maßnahmen bei Posttransfusionspurpura

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Febrile nichthämolytische TransfusionsreaktionFebrile nichthämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR) machen 50-80% aller akuten Transfusionsreaktionen aus und müssen daher an dieser Stelle erwähnt werden. FNHTR zeigen im Vergleich zu hämolytischen Transfusionsreaktionen einen harmloseren klini-schen Verlauf, da sie in der Regel nicht mit Organversagen und Todesfällen assoziiert sind. Gelegentlich zeigen FNHTR ein anaphylaktoides Reaktionsmuster, verlaufen dabei aber milder als bei echten allergischen anaphylaktischen Reaktionen.FNHTR sind definiert als Temperaturanstieg von ≥1°C auf mindestens 38°C ohne Infektzeichen während oder bis 4 Stunden nach Transfusion. Sie gehen häufig von Antikörpern gegen Leukozyten- (HLA-) bzw. Thrombozytenantigene (HPA) des Spenders aus. Klinisch imponieren Fieberschübe mit oder ohne Kältegefühl, Frösteln bzw. Schüttelfrost. Temperaturen von 40°C werden selten überschritten, was als Abgrenzung gegenüber Fieberschüben bei Transfusionssepsis herangezogen werden kann.Thrombozytentransfusionen sind am häufigsten von FNHTR betroffen. Neben Antikörpern gegen Leukozyten- (HLA-) bzw. Thrombozytenantigene spielt die lagerungsbedingte thrombozytäre Cytokinfreisetzung eine kausale Rolle. FNHTR mit länger gelagerten TK (>3 Tage alt) sind häufig Folge dieser Cytokinfreisetzung.Ausbleibender Transfusionserfolg im Zusammenhang mit einer FNHTR, nicht selten kombiniert mit einem gleichzeitigen Leukozytenabfall, sind aber wichtige klinische Hinweise auf das Vorliegen von Leukozyten- (HLA-) bzw. Thrombozyten-(HPA-)Antikörpern (Thrombozytenrefraktärität) und grenzen diese Pathogenese gegenüber der Cytokinfreisetzung ab. Patienten, die gegen HLA-Antigene oder thrombozytäre Antigene immunisiert sind, müssen nachfolgend mit Antigen-negativen Thrombozytenkonzentraten substituiert werden. Gegebenenfalls ist die Verträglichkeit vor Transfusion mit einem Crossmatch-Verfahren zu überprüfen.

Sofortmaßnahmen

• Stopp der Transfusion, Untersuchung des venösen Zugangs (Infektion?)

• Sicherstellung der Blutkonserve und nach Möglichkeit von Blutproben von vor und nach Transfusion, Feststellung der Menge des transfundierten Blutes

• Kortikosteroidgabe i.v. (250 mg Methylprednisolon) oder

• Dolantin 20-50 mg langsam über 1-2 Minuten i.v.

• evtl. Blutkulturen des Empfängers, Veranlassen einer Sterilkontrolle der Konserve

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Blutdruck, Puls, Atmung, Urinausscheidung

• Bei TK ca. 60 Minuten nach der Transfusion Blutbild (sog. 1-Stunden-Wert) zur Beurteilung des Transfusionserfolgs (wenn ausreichende Menge transfundiert)

Weitere Maßnahmen

• HLA-/HPA-Antikörperdiagnostik zur Bereitstellung kompatibler Blutprodukte (TK)

Tab. 8: Ärztliche Maßnahmen bei FNHTR

TransfusionssepsisBei jeder Blutspende muss die bakterienbesiedelte Haut des Blutspenders durchstochen werden. Die bakterielle Kontamination von Blutprodukten ist damit ein systemimmanen-tes transfusionsmedizinisches Problem. Zwar konnte die Rate bakteriell verunreinigter Blutprodukte durch verschiedene Maßnahmen (Ausschluss von Spendern mit Hauterkrankungen/Hautläsionen, Ausschluss von Spendern akuten (z.B. Darminfektionen) und chronischen Infektionen (z.B. Osteomyeliits), Verbesserungen bei der alkoholischen Dekontamination der Haut, Nutzung der ersten 30-50 mL jeder Blutspende für Testzwecke (so genanntes „predonation sampling“), die Reduktion der Haltbarkeit von Thrombozytenkonzentraten auf nur noch 4 Tage u.a.m. in den vergangenen Jahrzehnten auf ein Niveau von ca. 0,07 % für TK und EK (Stand 2007) gesenkt werden (17). Eine

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weitere Absenkung ist jedoch mit den etablierten Methoden technisch nicht möglich. Für autologe Blutkomponenten werden höhere Raten bakterieller Kontamination angegeben, was mit oligo- bis asymptomatischen transienten Bakteriämien bei reduziertem Gesundheitszustand vor allem älterer Eigenblutspender (Patienten) in Zusammenhang gebracht wird. Die Zahlen bedeuten konkret, dass in Deutschland rechnerisch jährlich ca. 2800 EK und ca. 300 TK bakteriell verunreinigt in Verkehr gebracht werden. Dieser Kalkulation steht aber nur eine geringe Anzahl von 7-8 dokumentierten Fällen von Transfusionssepsis/Jahr (77 Fälle von Transfusionssepsis im Zeitraum 1997-2007 [18]) gegenüber, wobei Todesfälle mit einer Frequenz von 0-2/Jahr registriert werden (9 Todesfälle im Zeitraum 1997-2007 [18]). Für die erhebliche Diskrepanz zwischen den auf Studienergebnissen basierenden Hochrechnungen zur bakteriellen Kontamination von Blutprodukten und den tatsächlich registrierten Fällen von Transfusionssepsis werden eine Vielzahl von Gründen geltend gemacht: die geringe Pathogenität der vielfach in Blutprodukten nachweisbaren Hautkeime, die natürliche Bakterizidie des Blutes, die ein geordnetes clonales Erregerwachstum behindert, die für das Erregerwachstum relativ ungünstigen Lagerbedingungen weit unterhalb des Körpertemperaturniveaus, die unspe-zifische Bakterienabreicherung um etwa 0.5–2 Logstufen, die mit der Leukozytenfiltration verbunden sein kann, die Bevorzugung frischer Blutprodukte, die gleichzeitiige Verab-reichung von Antibiotika u.a.m.In manifesten Fällen von Transfusionssepsis finden sich in Erythrozytenkonzentraten häufig bestimmte Gram-neagative Erreger, die bei Kältelagerung noch wachsen können: Yersinia enterocolitica, Pseudomonas aeruginosa, Camplylobacter jejuni, evtl. auch ver-grünende Streptokokken. Fälle von Transfusionssepsis mit Erythrozytenkonzentraten verlaufen aufgrund des genannten Erregerspektrums häufig schwer. Da Thrombo zyten-konzentrate bei Raumtemperatur gelagert werden, haben bei diesem Blutprodukt auch Erreger mit geringerer Pathogenität eine gewisse Wachstumschance. Kontaminierte TK weisen daher häufig Hautkeime wie Staphylokokkus epidermidis, koagulase negative Staphylokokken, Corynebacterium acnis, gelegentlich aber auch pathogene Keime wie Staphyloccccus aureus, seltener gramnegative Keime wie Klebsiella pneumoniae und E. coli auf.Die Symptomatik der Transfusionssepsis, vor allem die Initialsymptomatik, lässt sich von der FNHTR oft nur schwer abgrenzen. Bei jeder fieberhaften Transfusionsreaktion, die während oder innerhalb von 4 Stunden nach Transfusion auftritt, muss ernsthaft eine Transfusionssepsis in Betracht gezogen werden, wenn sie

• bei der Transfusion von autologen Blutkomponenten auftritt• zu einem raschen Temperaturanstieg um >2°C auf >39°C führt, oft verbunden mit

Tachykardie und (heftigem) Schüttelfrost• zu septischen Temperaturen (> 40°C) führt• trotz sofortiger ärztlicher Intervention (z.B. Abbruch der Transfusion) mit rascher

oder weiterer klinischer Verschlechterung bis hin zum Präschock / Schock einher-geht.

Differentialdiagnostisch muss dem venösen Zugang besondere Beachtung geschenkt wer-den. Periphere Venenverweilkatheter können aufgrund von Entzündungszeichen im Hautbereich häufig schon makroskopisch als bakteriell kontaminiert erscheinen. Bei zen-tralen Zugängen (Port, Hickmankatheter u.a.) muss vor allem bei längerer Verweildauer an eine bakterielle Kontamination gedacht werden. In jedem Fall von vermuteter Transfusionssepsis ist auch der Zustand des Patienten vor Transfusion relevant. Es muss immer geklärt werden, ob sich der Patient schon prätransfusionell in septischer Verfassung befand.

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Sofortmaßnahmen

• Sofortige Beendigung der Transfusion unter Inspektion des venösen Zugangs (Infektzeichen?), Beibehaltung des Zugangs nur, wenn dieser sicher ohne Befund ist; Entfernen eines auffälligen venösen Zugangs nach Möglichkeit erst nach Neuanlage eines weiteren Zugangs an anderer Stelle

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Blutdruck, Puls, Atmung, Temperatur, Urinausscheidung, Blutbild, Gerinnungsstatus, Blutgasanalyse

• Antibiotikatherapie des Empfängers: zunächst breite Abdeckung des Keimspektrums erforderlich; bei EK Substanzen, die auch gram negative Keime erfassen, bei TK Antibiotika auch mit Staphylokokkenwirksamkeit, später nach Antibiogramm

• ggf. Schockbehandlung

Weitere Maßnahmen

• Sicherstellung, sorgfältige Inspektion (Minirisse, Gerinnsel, Verfärbungen?) und sorgfältiger Verschluss der Blutkonserve inklusive Transfusionsbesteck, Veranlassen getrennter Sterilitätskontrollen von Blutkonserve, ggf. anhängender Schlauchsegmente und Transfusionsbesteck

• Blutkulturen des Transfusionsempfängers

Tab. 9: Ärztliche Maßnahmen bei Verdacht auf Transfusionssepsis

Allergische und Anaphylaktische ReaktionenAllergische Reaktionen treten typischerweise unmittelbar nach Einleitung der Transfusion (aber auch noch bis zu 24 Stunden danach) auf. Sie beruhen auf Polymorphismen von Plasmaproteinen, wobei Antikörper des Transfusionsempfängers mit entsprechenden Antigenen des Spenders pathologische Antigen-Antikörperkomplexe bilden. Aufgrund des heute niedrigen Plasma-Gehalts von Erythrozytenkonzentraten sind Empfänger von GFP und TK häufiger betroffen. Die Symptome können sich auf die Haut (Urtikaria, Exanthem, Pruritus) beschränken, es kann aber darüber hinaus zu Symptomen wie Dyspnoe und Stridor kommen. Die fehlende Hypotonie grenzt die „reine“ allergische TR vom Übergang zur allergisch-anaphylaktischen TR ab. Die Mehrzahl der Fälle ist nur mit einer harmlosen Urtikaria verbunden. Häufig beeinträchtigt der quälende Juckreiz die Patienten mehr als das makulopapulöse konfluierende Exanthem. Therapeutisch reicht in vielen Fällen ein Stopp der Transfusion aus. Antihistaminika und Kortikosteroide i.v. sind nur bei heftiger Hautreaktion mit nicht beherrschbarem Juckreiz indiziert. Bei Patienten, die auf Transfusionen wiederholt mit Urtikaria reagieren, kann vor der Transfusion die prophylaktische Applikation von Antihistaminika versucht werden.Gefürchtet sind zusätzliche kardiovaskuläre Reaktionen: Blutdruckabfall (≥ 30 mm Hg innerhalb von 24 Stunden nach Transfusion) bis zum anaphylaktischen Kreislaufschock, oft begleitet von Bronchospasmus und Zyanose. Bei Ausbildung eines echten anaphylakti-schen Kreislaufschocks muss man in erster Linie an das Vorliegen von Anti-IgA bei aus-geprägtem Mangel oder völligem Fehlen von IgA beim Transfusionsempfänger denken.

Sofortmaßnahmen

• Sofortige Beendigung der Transfusion, Feststellung der Menge des transfundierten Blutes

• Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten: Blutdruck, Puls, Atmung, Temperatur, Urinausscheidung, Blutbild, Gerinnungsstatus, Blutgasanalyse

• 1-3 ml einer 0,01%igen Adrenalin-Lösung langsam i.v. (5-10 µg/Minute), bei Herzstillstand werden 5-10 ml einer 0,01%igen Adrenalin-Lösung i.v. injiziert. Ggf. sind Adrenalininfusionen über Perfusor (10-100 ng/Minute) notwendig.

• Volumenzufuhr (Infusion von 1000 ml einer Vollelektrolytlösung, weitere Volumengaben je nach zentral-venösem Druck verabreichen)

• Natriumbicarbonat-Gabe nach BGA

• Dopamin in Nierendosis (1-3 µg/kg KG/Minute)

• Kortikosteroidgabe i.v. (1000 mg Methylprednisolon)

Tab. 10: Ärztliche Maßnahmen bei anaphylaktischen allergischen Reaktionen

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Eine anaphylaktische allergische Reaktion ist in der Regel afebril und kann somit gegen-über einer anaphylaktoid verlaufenden FNHTR und einer Transfusionssepsis abgegrenzt werden. Zur Prophylaxe von Reaktionen bei Patienten mit bekanntem Anti-IgA bei IgA-Defizienz können gewaschene Erythrozytenkonzentrate zur Transfusion eingesetzt wer-den. Aufgrund des Plasmaanteils ist die Versorgung von Patienten mit Anti-IgA bei TK-Transfusionspflichtigkeit schwierig. In diesen Fällen kann ein Versuch mit plasmaar-men TK in so genannter Additivlösung erwogen werden.

Transfusionsreaktionen – Qualitätssichernde Maßnahmen

Allgemeine Maßnahmen

Bei jedem Verdacht auf eine TR sind folgende allgemein gültige Maßnahmen notwen-dig:

• Unterbrechen, ggf. Abbrechen der Transfusion• Zugang belassen, symptomatische Therapie nach Klinik• Identitätssicherung des Patienten• Überprüfung der Identität der Blutprodukte, Kontrolle der Begleitdokumente zu den

Blutprodukten• Beurteilung des Zusammenhangs mit der Transfusion• Dokumentation in der Patientenakte• Information des Klinik-Blutdepots und/oder des blutgruppenserologischen Labors

der Klinik zur Veranlassung einer Nachuntersuchung zur Abklärung der TR• Probennahme für Laboruntersuchungen und unverzügliche Weitergabe zur Abklärung

der TR

DokumentationDie Dokumentation einer TR ist Aufgabe des transfundierenden Arztes. Die Sympto-matik (ggf. auch Angaben zur Genese der TR) müssen in der Krankenakte und auf den Anforderungsdokumenten für nachfolgende Untersuchungen so protokolliert werden, dass die Klassifikation der Reaktion und symptomorientierte Nachuntersuchungen mög-lich sind und die Aufklärung der Reaktion insgesamt erleichtert wird. Abklärung einer TransfusionsreaktionJede TR muss angemessen nachuntersucht werden. Folgende Materialien werden in der Regel zur Abklärung/Nachuntersuchung benötigt:

• die betroffene(n) Blutkomponente(n)• prätransfusionelles Blut des Patienten, sofern vorhanden• posttransfusionelles Blut des Patienten 7,5 ml EDTA-Blut 7,5 ml Nativblut• stichwortartiger Transfusionsbericht mit Beschreibung der klinischen Symptomatik

und Angabe der verabreichten Menge der verdächtigen Blutkomponente(n)

Die anfordernde Station erhält nach Abschluss der Untersuchungen einen Bericht über die Ergebnisse der Abklärung der Transfusionsreaktion. Dieser ist in der Patientenakte abzu-legen. Falls organisatorische Mängel zur TR beigetragen haben, sind diese in Zusammenarbeit mit dem Transfusionsbeauftragten der Abteilung und dem Transfusionsverantwortlichen der Klinik abzustellen.

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MeldepflichtenEs bestehen umfangreiche und detaillierte gesetzliche Meldepflichten, falls es im Rahmen einer Transfusion zu einem UE gekommen ist, dass als Transfusionsreaktion eingestuft wird. Diese Meldepflichten müssen im Qualitätssicherungssystem der Einrichtung der Krankenversorgung so eindeutig geregelt werden, dass keine Meldung übersehen/verges-sen wird und sinnlose Doppelmeldungen vermieden werden. Prinzipiell muss der trans-fundierende Arzt jede TR gemäß §16, Abs. 1 des Transfusionsgesetzes (TFG) folgenden Personen bzw. Institutionen melden:

• Transfusionsbeauftragter der transfundierenden Abteilung• Transfusionsverantwortlicher der Einrichtung der Krankenversorgung• Sonstige nach dem Qualitätssicherungssystem (QSS) der Einrichtung zu informie-

rende Personen (z.B. Qualitätsbeauftragter Hämotherapie, Studenplanbeauftragter, falls die Einrichtung der Krankenversorgung einen eigenen Blutspendedienst unter-hält)

Milde Transfusionsreaktionen können gebündelt in bestimmten zeitlich festgelegten Abständen (z.B. jährlich) gemeldet werden. Schwerwiegende TR müssen unverzüglich, d.h. spätestens innerhalb von 15 Tagen, gemeldet werden. Als „schwerwiegend“ gelten TR, die

• lebensbedrohlich sind oder tödlich enden• zu einer nachfolgenden stationären Aufnahme führen oder zur Verschlechterung

eines Krankheitsbildes mit Verlängerung des stationären Aufenthaltes führen• zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Behinderung führen

Neben den klinikinternen Meldewegen (Transfusionsbeauftragter, Transfusionsver-antwortlicher, weitere Personen) gibt es gemäß §16, Abs. 2 TFG auch externe Meldepflich-ten, und zwar gegenüber dem pharmazeutischem Unternehmen (in der Regel DRK – Blut-spendedienst, staatlich-kommunaler Blutspendedienst oder private Firma [z.B. bei GFP], welches die Blutprodukte hergestellt hat) und bei schwerwiegenden TR gegenüber der Bundesoberbehörde für das Blutspendewesen, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Langen. Falls die Abklärung/Nachuntersuchung der TR an den Hersteller der Blutkomponenten gekoppelt ist, ist eine automatische Information des Herstellers gegeben. Falls die Abklärung/Nachuntersuchung vom blutgruppenserologischen Labor der Einrichtung durchgeführt wird, muss im QSS festgelegt werden, wer den Hersteller über die TR und das Ergebnis der Nachuntersuchung unterrichtet. Die Information des PEI bei schwerwie-genden TR sollte grundsätzlich dem Transfusionsverantwortlichen vorbehalten sein. Dieser wird sich mit dem Qualitätsbeauftragten Hämotherapie der Einrichtung über Art und Zeitpunkt der Meldung abstimmen. Zur PEI-Meldung sind Formulare zu benutzen, die über die Homepage des PEI bezogen werden können: www.pei.de >Informationen für Ärzte und Apotheker > Meldeformulare. Für den klinischen Alltag sind drei Meldedokumente bedeutsam: Form H1a2 für die Initialmeldung und Form H2a bzw. H2c für den Abschlußbericht nach TR-Abklärung, wobei H2c ausschließlich für den Abschlußbericht nach einer TRALI Reaktion vorgesehen ist.

• Form H1a2 (Formular für die initiale [„unverzügliche“] Meldung)Meldung des Verdachts einer schwerwiegenden Transfusionsreaktion bei der Anwen-dung von Blutprodukten nach § 16 TFG (Initialmeldung)• Form H2aBewertung des Verdachts einer schwerwiegenden Transfusionsreaktion bei der Anwen-dung von Blutprodukten nach § 16 TFG (Abschluss der Initialmeldung H1a)• Form H2cBewertung des Verdachts einer TRALI: Abklärung des Verdachts einer transfusions-assoziierten Lungeninsuffizienz bei der Anwendung von Blutprodukten gemäß § 63c AMG (Abschluss der Initialmeldung H1a).

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AbkürzungenAMG ArzneimittelgesetzEK ErythrozytenkonzentratGFP Gefrorenes FrischplasmaFNHTR Febrile, nichthämolytische TransfusionsreaktionHb HämoglobinPTP PosttransfusionspurpuraQSS QualitätssicherungssystemTFG TransfusionsgesetzTK ThrombozytenkonzentratTR TransfusionsreaktionTRALI Transfusionsassoziierte akute LungeninsuffizienzUAW Unerwünschte ArzneimittelwirkungUE Unerwünschtes Ereignis

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