Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen —...

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TrommsdorfflSchuchardt . Transformation osteuropaischer Untemehmen

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TrommsdorfflSchuchardt . Transformation osteuropaischer Untemehmen

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Volker Trommsdorff/Christian A. Schuchardt

Transformation o steurop ai scher Untemehmen Grundlagen - Rahrnenbedingungen -Strategien

Mit Fallbeispielen

unter Mitarbeit von Marc Drtiner, Ulrich Lessmann, Ingrid Ritter und Eduard Schmuklermann

GABLER

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Prof. Dr. Volker Trommsdorff ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Marketing an der Techni­schen Universitat Berlin und Wissenschaftlicher Direktor der Forschungsstelle fiir den Handel Berlin (Fill) e.V.

Prof. Dr. Christian A. Schuchardt ist Inhaber des Lehrstuhls fiir ABWL, insbesondere Absatzwirtschaft unter den Bedingungen des Gemeinsamen Marktes (Euromarketing), der Hochschule Bremen.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Trommsdorff, Volker: Transformation osteuropaischer Unternehmen : Grundlagen - Rahmenbedingungen -Strategien ; mit Fallbeispielen / Volker Trommsdorff ; Christian A. Schuchardt. Unter Mitarb. von Marc Driiner ... - Wiesbaden : Gabler, 1998 ISBN-13: 978-3-409-12267-2 DOl: 10.1007/978-3-322-82442-4

AIle Rechte vorbehalten

e-ISBN-13: 978-3-322-82442-4

© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden, 1998 Lektorat: Ulrike wrcher / Annegret Heckmann

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Hochste inhaltliche und technische Qualitiit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften.

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Vorwort

Das vorliegende Buch ist Ergebnis eines Forschungsprojekts, das von 1993 bis 1996 an

der Technischen Universitat Berlin in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle fiir den

Handel Berlin e.V. (FfH) durchgefiihrt wurde. Es beschreibt die Transfonnation osteu­

ropaischer planwirtschaftlicher Betriebe in marktwirtschaftliche Unternehmen und er­

kIart ihre unterschiedlichen Erfolgsgrade in Abhangigkeit von natiirlichen, rechtlichen

und wirtschaftspolitischen Spezifika der betreffenden osteuropaischen Lander, von

Branchen, BetriebsgroBen und Ressourcen, insbesondere aber in Abhangigkeit vom Ma­

nagement des Transfonnationsprozesses, darnit von Osteuropa-typischen Einstellungen,

Kompetenzen und Verhaltensmustern, die wiederum historisch und kulturell gepragt

sind. Letztlich werden Handlungsempfehlungen fiir das Management abgeleitet - auch

von westlichen Unternehmen, die sich nach der Offnung der osteuropaischen Lander

seit Ende der 80er Jahre neuen Chancen und Risiken der Kooperation gegenilbersehen.

Unser Dank gilt zunachst der Volkswagen-Stiftung, die das Projekt groBmgig und ad­

ministrativ flexibel gefdrdert hat. Die Sprachkenntnisse, das Institutionen-Netzwerk und

das Organisationstalent des auf Osteuropa spezialisierten Teams der FfH waren eine

wichtige Voraussetzung fiir das Gelingen des Projekts. Wir danken dafiir Frau Dr. Sabi­

ne Mielke, Herrn Jfugen Piskac und Frau Dr. Ingrid Ritter. Herr Eduard Schmukler­

mann hat das Projekt als freier Mitarbeiter durch seine nativen Sprach- und Landes­

kenntnisse untersrutzt. Ihm gilt besonderer Dank. Ffu untersrutzende Recherchen und

die Auswertung von Publikationen, Dokumenten und Interview- und Symposiumsmit­

schriften danken wir den Studenten Romana Arkita, Irina Bulkin, Sabine Glanzer, Uwe

Gralapp, Cornelius Grilger, Jaqueline Liese, Peggy KreHer, Sebastian von Oertzen, Rei­

ner Piske, Bernd Schnurrenberger, Christiane Uffrecht und Stefan Wintels. Besonderer

Dank gebUhrt dem zustandigen Wissenschaftlichen Mitarbeiter Ulrich Koppelt Getzt

Lessmann) und dem von der VW-Stiftung als Stipendiat gefdrderten Doktoranden Marc

Drilner. Durch die Nennung am SchluB besonders hervorgehoben, aber wegen der Vie 1-

zahl leider nur anonym, danken wir allen Gesprachspartnern in kooperierenden Institu­

tionen und Sample-Finnen, die in groBer Offenheit ihre Erfahrungen und Kenntnisse zur

Verfiigung gestellt haben.

Die Autoren

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. XIII

Tabellenverzeichnis ....................................................................................................... XV

Abkfuzungsverzeichnis ............................................................................................... XVII

1 Einflihrung ...................................................................................................................... 1

2 Grundlagen der Transformation ..................................................................................... 5

2.1 Begriff der Transformation ...................................................................................... 5 2.1.1 Definition und Abgrenzung ............................................................................... 5 2.1.2 TransformationsgeschwindigkeiL. .................................................................... 7 2.1.3 Transformationsebenen ..................................................................................... 7 2.1.4 Transformationsphasen ...................................................................................... 8 2.1.5 Konversion ....................................................................................................... 12

2.2 Transformationsansatze ......................................................................................... 14 2.2.1 Der makrookonomische Transformationsansatz nach EUCKEN ...................... 14

2.2.1.1 Aufbau eines Preissystems ........................................................................ 15 2.2.1.2 Primat der Wlihrungspolitik ...................................................................... 16 2.2.1.3 Offene Mfukte .................................... '" ..... , ............................................... 17 2.2.1.4 Privateigentum .......................................................................................... 17 2.2.1.5 Vertragsfreiheit und Hafiung ..................................................................... 18 2.2.1.6 Konstanz der Wirtschaftspolitik ................................................................ 19

2.2.2 Betriebliche Transformationsansatze ............................................................... 20 2.2.2.1 Management of Change ............................................................................ 21 2.2.2.2 Innovationsmanagement. ........................................................................... 23

2.2.2.2.1 Bestimmung der Transformationsausgangssituation .......................... 24 2.2.2.2.2 Ideen fUr die ProzeB- und Strukturtransformation .............................. 26 2.2.2.2.3 Auswahl der Ideen .............................................................................. 27 2.2.2.2.4 Bestimmung der Transformationsstrategie ......................................... 28 2.2.2.2.5 Operationalisierung der Transformationsstrategie .............................. 29 2.2.2.2.6 Diffusion und Umsetzung der Transformationsstrategie .................... 29 2.2.2.2.7 Phasenubergreifende Probleme bei Transformationsprozessen .......... 31

2.2.2.3 Business Reengineering ............................................................................ 34 2.2.2.4 Evolutionstheoretisch gepragte Managementansatze ................................ 37 2.2.2.5 Organisationstheoretische Ansatze ............................................................ 38

2.2.3 Individuelle Transformationsansatze ............................................................... 42 2.2.3.1 Ebenen der personlichen Transformation .................................................. 43 2.2.3.2 Ansatze zu personlichen Transformationsprozessen ................................. 45

2.2.3.2.1 Vorwissenschaftliche Ansatze ............................................................ 45 2.2.3.2.2 Sozialwissenschaftliche Ansatze ......................................................... 46

2.2.3.3 Typen der personlichen Transformation ................................................... 48

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3 Zwei Fallstudien zur Einfiihrung ................................................................................. 49

3.1 Rakonfi .................................................................................................................. 49 3.1.1 Historie ............................................................................................................ 49 3.1.2 Planung ............................................................................................................ 54 3.1.3 Strategie ........................................................................................................... 55 3.1.4 Marktforschung ............................................................................................... 55 3.1.5 Produktpolitik .................................................................................................. 56 3.1.6 Preispolitik ...................................................................................................... 57 3.1.7 Kommunikation .............................................................................................. 57 3.1.8 Distribution ..................................................................................................... 59 3.1.9 Beschaffung ..................................................................................................... 60 3.1.10 Rechnungswesen und Controlling ................................................................. 61

3.2 Newskaja Kosmetika ............................................................................................. 62 3.2.1 Historie ............................................................................................................ 62 3.2.2 Struktur ............................................................................................................ 63 3.2.3 Planung, Organisation und Personal ............................................................... 65 3.2.4 Strategie ........................................................................................................... 66 3.2.5 Marktforschung ............................................................................................... 66 3.2.6 Produktpolitik .................................................................................................. 67 3.2.7 Preispolitik ...................................................................................................... 69 3.2.8 Kommunikation .............................................................................................. 70 3.2.9 Distribution ..................................................................................................... 71 3.2.10 Beschaffung ................................................................................................... 73

4 Rahmenbedingungen der Transformation .................................................................... 75

4.1 Allgemeine Gegebenheiten ....................................................................................... 75 4.1.1 RuBland ........................................................................................................... 76 4.1.2 Ukraine ............................................................................................................ 77 4.1.3 Belarus ............................................................................................................. 79 4.1.4 Baltischer Raum .............................................................................................. 80

4.1.4.1 Lettland ..................................................................................................... 81 4.1.4.2 Estland ...................................................................................................... 82 4.1.4.3 Litauen ...................................................................................................... 83

4.2 Wirtschaftspolitische und rechtliche Rahmenbedingungen .................................. 85 4.3 Kulturell bedingte Wertvorstellungen, soziale Bindungen und Beziehungen ....... 87

4.3.1 Traditionelle und neue Werte im Wettbewerb ................................................ 88 4.3.1.1 Sowjetische Werte .................................................................................... 88 4.3.1.2 Kulturdimensionen nach HOFSTEDE ......................................................... 89

4.3 .1.2.1 Machtdistanz und hierarchische Ordnung .......................................... 90 4.3.1.2.2 Religiose Werte .................................................................................. 91 4.3.1.2.3 Kollektivismus .................................................................................... 91 4.3 .1.2.4 Soziale Gerechtigkeit und Beziehungswerte ...................................... 92 4.3.1.2.5 Unsicherheitsvermeidung ................................................................... 93

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4.3.1.3 Werte und Transformation ........................................................................ 93 4.3 .1.3.1 Leistungsorientierung und Selbstverantwortung ................................ 93 4.3.1.3.2 Ideal der sozialen Gerechtigkeit .......................................................... 95 4.3.1.3.3 Einstellung zur Marktwirtschaft ......................................................... 95

4.3.1.4 Werte am Arbeitsplatz ............................................................................... 96 4.3.1.4.1 Arbeitswerte und -motivation in der ehemaligen Sowjetunion .......... 96 4.3.1.4.2 Verlinderungen seit den Reformen ...................................................... 97 4.3.1.4.3 Arbeitsmotivation und betriebliche Sozialleistungen ......................... 98 4.3.1.4.4 Ehrlichkeit und Diebstahl am Arbeitsplatz ......................................... 99

4.3.2 Soziale Bindungen und Beziehungen ............................................................ 100 4.3.2.1 Hierarchische Ordnung ............................................................................ 100 4.3.2.2 Macht und Bfuokratie .............................................................................. 101 4.3.2.3 Mafia ....................................................................................................... 103 4.3.2.4 Betriebliche Beziehungen ....................................................................... 108

4.3.2.4.1 Vertikale Strukturen und Informationsmangel ................................. 108 4.3.2.4.2 Tradition von Scheinaktivitaten ........................................................ 108

4.3.3 Der russische Manager im Wandel. ............................................................... 111 4.3.4 Geschaftsbeziehungen ................................................................................... 113

4.3.4.1 Geschaftsethik ......................................................................................... 113 4.3.4.2 Business-Schicht und Untemehmertum .................................................. 114 4.3.4.3 Der neue russische Untemehmer ............................................................. 116

4.4 Privatisierung ....................................................................................................... 119 4.4.1 Privatisierungsziele ........................................................................................ 119 4.4.2 Privatisierungsmethoden ............................................................................... 120 4.4.3 Privatisierungshindernisse ............................................................................. 122 4.4.4 Die russische Voucher-Privatisierung ........................................................... 123 4.4.5 Stand der Privatisierung in RuBland .............................................................. 124 4.4.6 Privatisierungsspezifika anderer Llinder ........................................................ 128

4.4.6.1 Ukraine .................................................................................................... 128 4.4.6.2 Baltischer Raum ...................................................................................... 131 4.4.6.3 Belarus ..................................................................................................... 133

4.4.7 Betriebliche Aspekte der Privatisierung ........................................................ 134 4.4.7.1 Umverteilung des Staatseigentums ......................................................... 134 4.4.7.2 Machtstellung der Direktoren .................................................................. 135 4.4.7.3 Stellung der Aktionare ............................................................................ 136 4.4.7.4 Banken und Holdings im PrivatisierungsprozeB ..................................... 137 4.4.7.5 Privatisierung und betriebliche Transformation ...................................... 139

4.5 Business-Infrastruktur .......................................................................................... 141 4.5.1 Kommunikation ............................................................................................. 142

4.5.1.1 Konsumentenverhalten ............................................................................ 142 4.5.1.2 Kommunikationspolitik. .......................................................................... 146

4.5.1.2.1 Medien .............................................................................................. 147 4.5.1.2.2 Werbeaktivitaten osteuropliischer Untemehmen .............................. 153 4.5.1.2.3 Weitere Elemente der Kommunikationspolitik ................................ 156

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4.5.2 Beschaffung und Distribution ....................................................................... 157 4.5.2.1 Infrastruktur ............................................................................................ 159

4.5.2.1.1 Verkehrsinfrastruktur ........................................................................ 159 4.5.2.1.2 Telekommunikation .......................................................................... 164

4.5.2.2 Beschaffung ............................................................................................ 165 4.5.2.2.1 Wahl der Lieferanten ........................................................................ 165 4.5.2.2.2 Qualitat und ZuverHissigkeit... .......................................................... 166 4.5.2.2.3 Preis- und Zahlungsproblematik ....................................................... 167

4.5.2.3 Distribution im TransformationsprozeB .................................................. 169 4.5.2.3.1 Indirekter Absatz .............................................................................. 169 4.5.2.3.2 Direktabsatz ...................................................................................... 174

4.5.3 Marktforschung ............................................................................................. 177 4.5.3.1 Marktforschung in der zentralen Planwirtschaft ..................................... 177 4.5.3.2 Marktforschung im TransformationsprozeB ........................................... 180

4.5.3.2.1 Marktforschungsinstitute .................................................................. 180 4.5.3.2.2 Hauptrichtungen der Marktforschung .............................................. 182 4.5.3.2.3 Methoden der Marktforschung ......................................................... 183

4.5.4 Finanzierung .................................................................................................. 185 4.5.4.1 Das Finanzsystem in der zentralen Planwirtschaft ................................. 185 4.5.4.2 Finanzierung im TransformationsprozeB ................................................ 186

4.5.4.2.1 Zahlungsverkehr ............................................................................... 187 4.5.4.2.2 Fremdkapitalbeschaffung und Kreditwesen ..................................... 188 4.5.4.2.3 Eigenkapitalbeschaffung und WertpapierbOrsen .............................. 192

5 Empirische Untersuchung .......................................................................................... 195

5.1 Methodik .............................................................................................................. 195 5.1.1 Datenerhebung .............................................................................................. 195

5.1.1.1 Inhaltliche Zielsetzung ............................................................................ 196 5.1.1.2 Deutsch-osteuropiiischer F orschungskontext. ......................................... 196 5.1.1.3 Erhebungsphasen .................................................................................... 198 5.1.1.4 Erhebungsinstrumente ............................................................................ 199

5.1.1.4.1 FragebOgen fUr die schriftliche Befragung ....................................... 199 5.1.1.4.2 Leitfaden fUr personliche Interviews ................................................ 199 5.1.1.4.3 Symposien ........................................................................................ 200

5.1.2 Datenbasis ..................................................................................................... 200 5.1.2.1 Anzahl und Auswahl der befragten Unternehmen .................................. 200 5.1.2.2 Struktur der Stichproben ......................................................................... 201

5.1.2.2.1 GroBe der Unternehmen ................................................................... 202 5.1.2.2.2 Gesellschaftsform ............................................................................. 202 5.1.2.2.3 Branchenbezug ................................................................................. 203 5.1.2.2.4 Kontakt mit westlichen Beratern ...................................................... 203

5.1.2.3 Qualitat der Datenbasis ........................................................................... 204 5.1.2.4 Datenauswertung .................................................................................... 205

5.1.3 Transformationserfolg ................................................................................... 206

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5.1.3.1 Uberblick: Erfolgskriterien und Messung ............................................... 206 5.1.3.1.1 MeBbereich und MeBdimensionen .................................................... 206 5.1.3.1.2 MeBzeitpunkt .................................................................................... 206 5.1.3.1.3 ReferenzgroBen ................................................................................. 206

5.2 Problemfelder der betrieblichen Transformation ................................................. 207 5.2.1 Veriinderungen des betrieblichen Umfelds .................................................... 207

5.2.1.1 Crititical Incidents ................................................................................... 207 5.2.1.2 Zusammenarbeit mit Institutionen .......................................................... 210

5.2.2 Strategie ......................................................................................................... 211 5.2.3 Organisation ................................................................................................... 214 5.2.4 Marktforschung ............................................................................................. 218 5.2.5 Marketing-Mix .............................................................................................. 220

5.2.5.1 Produktpolitik .......................................................................................... 220 5.2.5.1.1 Produktionsprogramm ....................................................................... 220 5.2.5.1.2 QualiUit. ............................................................................................. 222 5.2.5.1.3 Know-how ......................................................................................... 223

5.2.5.2 Preispolitik .............................................................................................. 224 5.2.5.3 Kommunikationspolitik ........................................................................... 226 5.2.5.4 Distributionspolitik ................................................................................. 228

5.2.6 Beschaffung ................................................................................................... 231 5.3 Erfolgsfaktoren der Transformation ..................................................................... 233

5.3.1 Erfolgsmessung ............................................................................................. 233 5.3.2 Transformationstypen .................................................................................... 236

5.3.2.1 Prospect-Untemehmen ............................................................................. 236 5.3.2.2 Prisoner-Untemehmen ............................................................................ 237 5.3.2.3 Ignorant-Untemehmen ............................................................................ 238 5.3.2.4 Loser-Untemehmen ................................................................................. 239

5.3.3 Entwicklung eines Erfolgswirkungs-Modells ............................................... 240 5.3.4 Erfolgsfaktor Marketing ................................................................................ 244 5.3.5 Erfolgsfaktor Technologisches Know-how ................................................... 248 5.3.6 Erfolgsfaktor extemer EinfluB ....................................................................... 251

5.3 .6.1 Privatisierung .......................................................................................... 253 5.3.6.2 Rechtsform .............................................................................................. 253 5.3 .6.3 Kooperationen ......................................................................................... 254

5.4 Zusammenfassung ................................................................................................ 258

6 UnterstUtzung der betrieblichen Transformation ....................................................... 259

6.1 Zusammenfassung kritischer Problemfelder der Transformation in Osteuropa .. 259 6.2 Strategische Empfehlungen fUr Transformationsuntemehmen ............................ 261

6.2.1 Allgemeine Empfehlungen ............................................................................ 262 6.2.1.1 Bestimmung der Transformationsausgangssituation .............................. 262 6.2.1.2 Ideen fUr die ProzeB- und Produkttransformation ................................... 265 6.2.1.3 Bewertung und Auswahl der Ideen ......................................................... 267 6.2.1.4 Transformationsstrategie ......................................................................... 267

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6.2.2 Marketingstrategische Empfehlungen fUr Loser-Untemehmen .................... 269 6.2.2.1 Strategie .................................................................................................. 269 6.2.2.2 Marketing-Mix ........................................................................................ 272

6.2.2.2.1 Marktforschung ................................................................................ 272 6.2.2.2.2 Produktpolitik ................................................................................... 272 6.2.2.2.3 Preispolitik ........................................................................................ 273 6.2.2.2.4 Kommunikationspolitik .................................................................... 273 6.2.2.2.5 Distributionspolitik ........................................................................... 274

6.2.3 Marketingstrategische Empfehlungen fUr Prospect-Untemehmen ............... 275 6.2.3.1 Strategie .................................................................................................. 275 6.2.3.2 Marketing-Mix ........................................................................................ 280

6.2.3.2.1 Marktforschung ................................................................................ 280 6.2.3.2.2 Produktpolitik ................................................................................... 281 6.2.3.2.3 Preispolitik ........................................................................................ 282 6.2.3.2.4 Kommunikationspolitik .................................................................... 282 6.2.3.2.5 Distributionspolitik ........................................................................... 284

6.2.4 Marketingstrategische Empfehlungen fUr Prisoner-Untemehmen ................ 285 6.2.5 Marketingstrategische Empfehlungen fUr Ignorant-Untemehmen ................ 286 6.2.6 Kooperationsstrategien fUr aIle Transformationsuntemehmen ..................... 288

6.2.6.1 Situation .................................................................................................. 288 6.2.6.2 Voraussetzungen ..................................................................................... 289 6.2.6.3 Feasibility ............................................................................................... 290 6.2.6.4 Vertragsverhandlung ............................................................................... 291 6.2.6.5 Technologietransfer ................................................................................ 293 6.2.6.6 Personal und Marketing .......................................................................... 293

6.2.7 Zusammenfassung ......................................................................................... 294

7 Ausblick ..................................................................................................................... 295

Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 297

Anhang .......................................................................................................................... 321

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Alternative Wirtschaftsordnungen ....................................................................... 5 Abb. 2: Ebenen und Akteure von Transfonnationsprozessen ........................................... 8 Abb. 3: Phasenschema der Transfonnation ....................................................................... 8 Abb. 4: Wirtschaftsleistung im Vergleich zu 1989 (=100) fUr 1996 ................................. 9 Abb. 5: Wachsturnsraten (BIP) einiger Transfonnationslander 1996 ............................. 10 Abb. 6: Konstituierende Prinzipien marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung ............. 15 Abb. 7: Problemdruck im Management .......................................................................... 22 Abb. 8: Strategische Situationsanalyse ........................................................................... 25 Abb. 9: Geschiiftsfeldsegmentierung nach ABELL (1980) mit fiktivem Beispiel ........... 29 Abb. 10: Partizipation und Kategorisierung von Transfonnationsbeteiligten ............... 30 Abb. 11: Evolutionares Business Reengineering ............................................................ 35 Abb. 12: Strategische Transfonnationsoptionen ............................................................. 42 Abb. 13: Entwicklung des Produktionsvolurnens ........................................................... 52 Abb. 14: Organigrarnrn RAKONFI •................................................................................... 53 Abb. 15: Untemehrnensstruktur ...................................................................................... 63 Abb. 16: Produktrnix in Prozent des Jahresurnsatzes 1994 ............................................. 68 Abb. 17: Vertriebsstruktur des Untemehrnens ................................................................ 72 Abb. 18: Mittel-Osteuropa .............................................................................................. 75 Abb. 19: Business-Schicht in RuBland .......................................................................... 115 Abb. 20: Privatisierung als Bestandteil einer iibergeordneten Refonn ......................... 119 Abb. 21: Klassifikation von Transfonnationsuntemehrnen .......................................... 120 Abb. 22: Privatisierungshindernisse .............................................................................. 122 Abb. 23: Typische Struktur eines voucherprivatisierten Untemehrnens ....................... 123 Abb. 24: Sumrne der Verkaufspreise privatisierter Untemehrnen in Millionen US$ ... 125 Abb. 25: Durchschnittlicher Verkaufspreis auf Dollarbasis ......................................... 125 Abb. 26: Aktioniirsanteile der Bevolkerung verschiedener Lander .............................. 127 Abb. 27: Wachsturn der Untemehrnensneugriindungen ................................................ 128 Abb. 28: Entwicklung der Aktienanteile an privatisierten Untemehrnen ..................... 135 Abb. 29: Zeitungen in groBeren Stadten der russischen Regionen ............................... 151 Tab. 30: Fachverbande in RuBland ............................................................................... 155 Abb. 31: Organisation des sowjetischen Handels ......................................................... 158 Abb. 32: Verlagerung der EngpaJ3bereiche russischer Untemehrnen ........................... 169 Abb.33: GroBe der Untemehrnen nach Anzahl der Mitarbeiter .................................. 202 Abb. 34: Rechtsfonnen der Untemehrnen wahrend der zweiten Erhebungsphase ....... 202 Abb. 35: Branchen der Sarnple-Untemehrnen .............................................................. 203 Abb. 36: Veranderungen des betrieblichen Umfelds .................................................... 209 Abb. 37: Auftragsakquisition ........................................................................................ 210 Abb. 38: Zusarnrnenarbeit mit extemen Institutionen ................................................... 210 Abb. 39: Veranderungen der Mitarbeiterzahlen von 1990-1995 ................................... 215 Abb. 40: Personalabbau von 1990-1995 ....................................................................... 217 Abb. 41: Marktforschungsaktivitaten ............................................................................ 219 Abb. 42: Genutzte Infonnationsquellen ........................................................................ 219

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Abb. 43: Veranderung des Produktionsprogramms ...................................................... 220 Abb. 44: Vergleichende Bewertung der Qualitat der eigenen Produkte ....................... 223 Abb. 45: Vergleichende Bewertung des Know-hows ................................................... 224 Abb. 46: Vergleichende Bewertung des eigenen Preisniveaus ..................................... 225 Abb. 47: Kommunikation ............................................................................................. 227 Abb. 48: Absatzgebiete ................................................................................................. 229 Abb. 49: Beschaffilng ................................................................................................... 231 Abb. 50: Chancen :fUr osteuropmsche Transformationsuntemehmen ........................... 232 Abb. 51: Risiken :fUr osteuropmsche Transformationsuntemehmen ............................. 233 Abb. 52: Transformationstypen .................................................................................... 236 Abb. 53: Prospect-Untemehmen ................................................................................... 237 Abb. 54: Prisoner-Untemehmen ................................................................................... 238 Abb. 55: Ignorant-Untemehmen ................................................................................... 239 Abb. 56: Loser-Untemehmen ....................................................................................... 240 Abb. 57: Wirkungsgefiige der untersuchten Variablen ................................................. 242 Abb. 58: Wechselwirkung der "effektiven Marketingabteilung" ................................. 244 Abb. 59: Wechselwirkung des "technologischen Know-hows" .................................. 248 Abb. 60: Wechselwirkung des "extemen Einflusses" ................................................. 252 Abb. 61: Gliederungsschema :fUr die Strategiediskussion ............................................ 259 Abb. 62: Transformationsphasenvorgehen ................................................................... 262 Abb. 63: Wettbewerbsorientierte StrukturlProduktpositionierung ............................... 268 Abb. 64: Firmenlogo KIEWERFABRIKFORHAuSHALTSCHEMIE .................................. 273 Abb. 65: Outsourcing Illustration Elektropribor ........................................................... 275 Abb. 66: Change Team ................................................................................................. 278 Abb. 67: Visitenkarten von NEWSKAJA COSMETIKA .................................................... 284

XIV

Page 13: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Merkmale verschiedener Wirtschaftsordnungen ................................................... 6 Tab. 2: Ausgewiihlte makro- und mikrookonomische Faktoren zur

Transformationsphasenbestimmung ................................................................... 11 Tab. 3: Phasen des Transformationsprozesses ................................................................ 24 Tab. 4: Methoden der Ideenfindung ................................................................................ 26 Tab. 5: Ansoff-Matrix ..................................................................................................... 28 Tab. 6: Kompetenzbedingungen fUr Innovationsprojekte ............................................... 31 Tab. 7: Hemmnisse und Risiken wab.ren der Transformationsphasen ............................ 32 Tab. 8: Personale Transformationshemmnisse und Abbawnoglichkeiten ...................... 32 Tab. 9: Typen und Machtquellen von Transformationspromotoren ............................... 33 Tab. 10: Gedanken- und Umsetzungsschritte eines Business-Reengineering-Projekts .. 36 Tab. 11: Arten organisatorischen Lernens ...................................................................... 38 Tab. 12: Ansatze organisationstheoretischer Transformationsforschung ....................... 39 Tab. 13: Ausgabenstruktur .............................................................................................. 64 Tab. 14: Preisspiegel kosmetischer Produkte yom September 1995 .

in St. Petersburger Geschaften .......................................................................... 69 Tab. 15: Preisstruktur ...................................................................................................... 70 Tab. 16: Allgemeine Daten RuBlands ............................................................................. 76 Tab. 17: Allgemeine Daten der Ukraine ......................................................................... 78 Tab. 18: Allgemeine Daten Belarus ................................................................................ 79 Tab. 19: Allgemeine Daten Lettlands ............................................................................. 81 Tab. 20: Allgemeine Daten Estlands ............................................................................... 82 Tab. 21: Allgemeine Daten Litauens ............................................................................... 83 Tab. 22: Ausgewahlte Wirtschaftsdaten .......................................................................... 85 Tab. 23: Ausgewiihlte Rechtsdaten ................................................................................. 86 Tab. 24: Kulturdimensionen nach HOFSTEDE ................................................................. 90 Tab. 25: Privatisierungsarten ......................................................................................... 121 Tab. 26: Privatisierungsmethoden 1995 ........................................................................ 122 Tab. 27: Summe der jahrlich privatisierten Unternehmen ............................................ 125 Tab. 28: Branchenstruktur privatisierter Unternehmen ................................................. 126 Tab. 29: Stand der FIG in RuBland im Januar 1996 ...................................................... 139 Tab. 30: Ausgabenverteilung der russischen Haushalte 1994 ....................................... 142 Tab. 31: Motive fUr Vorratskaufe in den GUS- Staaten 1992 .................................... 142 Tab. 32: Faktoren der Kaufentscheidung russischer Konswnenten in Prozent.. ........... 143 Tab. 33: Die zehn groaten Werbetreibenden im russischen Fernsehen 1995 ............... 148 Tab. 34: Die zehn groaten Werbetreibenden im russischen Fernsehen 1996 ............... 149 Tab. 35: Giitertransport nach Verkehrstragern in RuBland 1992 .................................. 160 Tab. 36: Tagliche Waggonladungen inter- und ex-GUS ............................................... 162 Tab. 37: Versorgung mit Telefonhauptanschliissen pro 100 Einwohner ...................... 164 Tab. 38: Okonomische Kennziffern des Handels

nach sowjetischen Unionsrepubliken 1988 ..................................................... 172 Tab. 39: Inhalte der Lander-, Produkt- und Firmenmarktforschung ............................. 179

xv

Page 14: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 40: Befragte Sampleunternehmenje Untersuchungsphase ................................... 201 Tab. 41: Anteile der Material- und Lohnkosten an den Gesamtkosten ........................ 226 Tab. 42: Problemfelder der Transformation in Osteuropa ............................................ 259 Tab. 43: Kriterienbewertung der Unternehmensanalyse (Loser versus Prospect) ........ 263 Tab. 44: Kriterienbewertung der Konkurrentenanalyse ................................................ 264 Tab. 45: Kriterienbewertung der Marktanalyse ............................................................ 264 Tab. 46: Kriterienbewertung der Umweltanalyse ......................................................... 265 Tab. 47: Erweiterte ANsoFF-Matrix .............................................................................. 268

XVI

Page 15: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Abkiirzungsverzeichnis

AGgT ....................................... Aktiengesellschaft geschlossenen Typs AGoT ....................................... Aktiengesellschaft offenen Typs AH ........................................... AuBenhandel ARM ........................................ AuBenhandelsmonopole AHO ........................................ AuBenhandelsorganisation bfai ........................................... Bundesanstalt fUr AuBenhandelsinformationen BIP ........................................... Bruttoinlandsprodukt BSP .......................................... Bruttosozialprodukt Est ............................................ Estland FIG .......................................... finanziell-industrielIe Gruppen GmbH ...................................... GeselIschaft mit beschriinkter Haftung GUS ......................................... Gemeinschaft unabhangiger Staaten HB ........................................... Handelsblatt HIK .......................................... Handels- und Industriekammer (russische Schreibweise) Let ............................................ Lettland Lit ............................................ Litauen OP ............................................ Osteuropa-Perspektiven OWC ........................................ Ost-West-Contact PR ............................................ Public Relations REWE ...................................... Rechnungswesen Rus ........................................... RuBland t ................................................ Zeit UdSSR ..................................... Union der sozialistischen Sowjetrepubliken Ukr ........................................... Ukraine WiRO ...................................... Wirtschaft und Recht in Osteuropa

XVII

Page 16: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

1 Einrlihrung

Seitdem Ende der 80er Jahre das politische und wirtschaftliche System des damaligen

Ostblocks zerfallen ist, wandeln sich planwirtschaftliche "Betriebe" in Osteuropa zu

marktwirtschaftlichen "Untemehmen".

Die schlagartig oder stufenformig neuen, tendenziell marktwirtschaftlichen Rahmenbe­

dingungen haben enorme betrieblichen Veranderungen initiiert. Sie sind teilweise re­

volutionar gelaufen, oft turbulent und erratisch, vielfach auch behutsam bis schHifrig,

jedenfalls sehr unterschiedlich nach Verlauf und Erfolg. Wertneutral werden diese An­

passungsprozesse als "betriebliche Transformation" bezeichnet.

Derartige Transformationsprozesse sind auBerordentlich komplex. Sehr viele Faktoren

unterschiedlicher Aggregationsebenen sind interaktiv an der Gestaltung und den Ergeb­

nissen der betrieblichen Transformation beteiligt. Eine betriebswirtschaftlich-problem­

orientierte Untersuchung der Erfolgsfaktoren dieser Prozesse bewegt sich zwangsliiufig

auBerhalb des Paradigmas des strengen kritischen Rationalismus: Theoretisch abgelei­

tete Hypothesen nach Kriterien der angewandten Statistik zu testen, verbietet sich schon

aeshalb, weil es keine in sich geschlossene Theorie der betrieblichen Transformation

gibt.

Die Untersuchung muB sich aber nicht auf das unverbindliche Niveau der Hermeneutik

begeben, sondem kann den Anspruch auf Theorieentwicklung in der Phase des Entdek­

kungszusammenhangs erheben. Das dazu erforderliche methodische Instrumentarium

(intensive Fallstudien im zeitlichen Liingsschnitt, Critical-incidents-Befragung, Cross­

impact-Analyse usw.) gehOrt zu den etablierten Methoden explorativer wissenschaftli­

cher Beschreibung und Erklarung komplexer dynamischer Systeme (wie PROBST,

GOMEZ 1991; VESTER 1993). Ais theoretisches Fundament konnten wir Theorieansiitze

des Wandels heranziehen (lnnovationsmanagement, Reengineering, Change Manage­

ment, volkswirtschaftliche Transformationsansiitze) und neue spezifische Transformati­

onsforschung (wie GUTMANN 1991, LOSCH 1992).

So haben wir, gestiitzt auf partiale Theorieansatze, das Phiinomen betrieblicher Trans­

formationsprozesse in Osteuropa in seiner ganzen Komplexitiit zu erfassen gesucht und

Page 17: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

in einer Uingsschnittanalyse ein bewuBt ganz heterogenes Sample von Transformati­

onsuntemehmen in besonders interessanten Uindem, Branchen und BetriebsgroBen un­

tersucht. "Interessant" meint mer dreierlei: 1) das kommerzielle Interesse westeuropai­

scher Untemehmen an kiinftigen Markt- und Kooperationsbeziehungen mit osteuropiii­

schen Partnem, die als geographische Nachbam hohe Marktpotentiale erschlieBen

konnten, 2) das okonomische Interesse am Entstehen mittelstandischer Untemeh­

mensstrukturen in Osteuropa und 3) das wissenschaftliche Interesse an der Rolle des

Marketingmanagement im TransformationsprozeB von kiinftig besonders marketingin­

tensiven Untemehmen, primiir also der Konsumgiiterindustrie.

Hinsichtlich des zu untersuchenden Phanomens gehen wir damit, verglichen mit schon

vielfach analysierten volkswirtschaftlichen Transformationsaspekten wie dem der Pri­

vatisierung (z.B. WELTBANK 1997) auf eine tiefere, untemehmerisch operationalere

Ebene. Andererseits gehen wir iiber spezifischere, auf Branchen oder Lander einge­

schriinkte, Untersuchungen hinaus, die sich z.B. mit dem Einzelhandel in RuBland be­

fassen (z.B. BARBERIS u.a. 1996). Einen datentechnisch mit unserer Analyse vergleich­

baren, aber auf RuBland und einen fiiiheren Zeitpunkt im TransformationsprozeB be­

schriinkten, Ansatz verfolgt WEBSTER (1994).

Vielfach wird die Dbertragbarkeit ostdeutscher Transformationserfahrungen auf Ost­

europa diskutiert. Das Fehlen eines "groBen Bruders" wie Westdeutschland fUr Ost­

deutschland und entsprechender Transferzahlungen ist das bisher wichtigste Argument

gegen die Obertragung. Nicht weniger bedeutsam sind aber die kulturellen Bedingwl­

gen. Osteuropiier sehen sich einem ungleich groBeren technologischen, wirtschaftlichen

und gesellschaftlichen Wandel gegeniiber. Marktwirtschaftliche Praxis lag zur Wende in

Ostdeutschland nur halb so weit zuriick wie in Osteuropa. Dazu kommen die geographi­

sche und die kulturelle Niihe zum Westen. Entsprechend ist das unterschiedliche be­

triebliche Transformationsverhalten z.B. in baltischen und russischen Untemehmen zu

erkliiren.

Transformationsprozesse in osteuropiiischen Untemehmen sind multifaktoriell, interak­

tiv und heterogen, und diese Vielfalt sollte nicht durch ein restriktives Forschungsdesign

ausgeblendet werden, sondem ganzheitlich, aber differenziert gesehen werden. So miis­

sen auch Wechselwirkungen zwischen Faktoren unterschiedlicher Aggregationsebenen

2

Page 18: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

betrachtet werden, namlich zwischen Umfeldveriindenmgen, betrieblichem Wandel und

personalen Entwicklungen. Unser Untersuchungsgegenstand, die betriebliche Transfor­

mation, hiingt von Transformationen der Rahmenbedingungen und der beteiligten Per­

sonen ab und wirkt auf diese zuriick: Der politische Wandel von der Planwirtschaft zur

Marktwirtschaft fiihrt zum Wandel der Unternehmensfiihrung, diese fiihrt zu marktori­

entiertem Mitarbeiterverhalten. Umgekehrt ermoglicht dieses Verhalten die marktorien­

tierte Unternehmensfiihrung, und diese untersrutzt die Systemveriindenmg zur Markt­

wirtschaft.

Auf der Basis dieser Differenzienmg werden im Kern des vorliegenden Buches Erfolgs­

faktoren der Transformation exploriert und diskutiert. Die Empirische Basis ist haupt­

sachlich eine 2'i2-1ahres-Liingsschnittuntersuchung durch eine teilstrukturierte person­

liche 2-Wellen-Befragung von 24 Transformationsunternehmen in RuBland, dem Balti­

kum, von Belorus und der Ukraine. Zur Messung des Markt- und Transformationser­

folgs wurden Indikatoren gebildet.

Die Kombination der dichotomisierten Auspragungen dieser Indikatoren ergibt vier

Transformationsunternehmenstypen (Gefangene/StarsN erliererlIgnoranten). Zum Bei­

spiel sind "Gefangene" solche Unternehmen, die trotz erfolgreicher Transformations­

anstrengungen keinen Markterfolg erzielen, weil Branchen- und Umfeldbedingungen

das verhindern. Ein erfolgreicher TransformationsprozeB ist eine notwendige, aber nicht

himeichende Bedingung fur den marktwirtschaftlichen Erfolg ehemals planwirtschaftli­

cher Unternehmen.

Hypothesen tiber die Transformationserfolgsfaktoren werden tiber Kontrastgruppen­

analysen exploriert. FUr aIle Transformationstypen geltende Erfolgsfaktoren sind eine

professionelle Marketingabteilung, gutes technologisches Know-how und gute Bezie­

hungen zu ausliindischen, insbesondere westlichen, Unternehmen. Uber so generelle

Erfolgsfaktoren hinausgehende Situations- und Transformationstypen-spezifische Er­

folgsfaktoren werden exploriert. Damit entsteht eine - vorsichtig zu verallgemeinernde -

Grundlage fur Entscheidungshilfen im Transformationsmanagement.

Ausgehend von den Transformations-Startbedingungen (finanzielle, technologische,

menschliche Ressourcen) werden situationsspezifische Transformationsstrategien vor-

3

Page 19: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

geschlagen. In Verbindung mit den gefundenen Transfonnationstypen wird die in der

volkswirtschaftlichen Transfonnationsdiskussion gestellte Frage der adaquaten Ge­

schwindigkeit und Transfonnationsart auf die betriebliche Ebene tibertragen und in

StrategievorschHige fUr Transfonnationsuntemehmen und westliche Kooperationspart­

ner umgesetzt.

Damit glauben wir, einen bestmoglich wissenschaftlich fundierten Beitrag fUr die vielen

noch bevorstehenden betrieblichen Transfonnationsprozesse innerhalb und auBerhalb

der untersuchten Lander zu leisten. Als Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre steht

dieser Beitrag dem Transfer tiber unsere Zielgruppen (Manager, Untemehmensberater

und Studierende) in die Untemehmen zur Verfiigung. Dartiber hinaus mag er indirekt

dazu dienen, die wirtschaftspolitischen und soziookonomischen Rahmenbedingungen in

Transfonnationslandem besser auf das Schltisselziel auszurichten, schnell zu einer ge­

sunden Untemehmenslandschaft zu gelangen.

4

Page 20: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

2 Grundlagen der Transformation

Eine Analyse der betrieblichen Transformationsprozesse im Systemwandel sollte ihren

theoretischen Hintergrund explizieren. Mit Beginn der Perestroika und den ersten Trans­

formationsbemiihungen lag keine umfassende Theorie des Systemwandels vor, weder

auf der volkswirtschaftlichen noch auf der betriebswirtschaftlichen Ebene (WAGNER

1991, 17f.). Die vorIiegende Analyse muG sich daher auf Theoriefragmente beschran­

ken. Nach einigen definitorischen Abgrenzungen werden zunachst Ansatze der volks­

wirtschaftlichen Transformationsforschung skizziert, dann ein ordnungspolitischer

Rahmen der Transformation vorgestellt und schlieBlich die der vorIiegenden Untersu­

chung zugrundeliegenden betriebswirtschaftlichen Ansiitze des Wandels erIautert.

2.1 Begriff der Transformation

2.1.1 Definition und Abgrenzung

Der Begriff "Transformation" wird fiir den Ubergang einer Zentralverwaltungs­

wirtschaft in eine Marktwirtschaft verwendet, wie er gegenwartig in vielen Lander Mit­

tel- und Osteuropas zu beobachten ist. Zur genaueren Beschreibung dieses Uberganges

bedarf es der Definition der Ausgangs- und Zielzustande einer solchen Transformation.

Unterscheidbare Typen bezeichnet Schuller 1991, siehe Abb. 1.

Staatseigentum Syndikalistisches

Privateigentum Eigentum

TYPC1 TYPC2 ..................................

TYPA

J TYPC3

.................................. TYPB TYPC4

Abb. 1: Alternative Wirtschaftsordnungen (SCHULLER 1991,22)

Die Merkmale, anhand derer diese Wirtschaftssystemtypen unterschieden werden, sind

zusammengefal3t in Tab. 1.

5

Page 21: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 1: Merkmale verschiedener Wirtschaftsordnungen (ScHilLLER 1991, JENS 1993)

Typ Wirtschaftsordnung Merkmale Beispiel

Planwirtschafl zenlrale Wirtschaftsplanung, hierarch i- Ehemalige UdSSR

A sches Bildungssystem, gUterwirtschaftliche Bilanzen. Mengenplanung, staatseigene Betriebe, Planerfiillung durch SoIl·lst-Vergleiche und zenlrale burokratisch· autoritare Lenkung.

8 Kombination von nicht vollzugsver- gewinnorienlierte betriebliche Ergebnis- Ungam von 1968-88 bindlicher zenlraler Wirtschaftspla- rechnung. Allerdings herrscht Staatsei-nung und zentralisierter Betriebspla- genlum an den Betrieben und eine umfas-nung sende staaViche Preisregulierung vor.

C1-4 MarklwirtschaftJiche Ordnungen dezenlrale Wirtschaftsplanung, Preise C1: Ex-Jugoslawien (Typen Cl-4 unterscheiden sich bilden sich spontan auf den Marklen, C2:USA hinsichtlich der Bedeutung des betriebliche Ergebnisrechnung ist am C3: Deutschland staaVichen Einflusses auf das Wirt- Gewinn- oder Ergebnisprinzip orientiert C4:Schweden schaflsgeschehenl bis 1990

Unter Transfonnation einer Wirtschaftsordnung im volkswirtschaftlichen Sinne versteht

man den Ubergang yom Typ A, bzw. Typ B zu einem der Typen C.

In Anlehnung an eine Unterscheidung nach Zweck und Mittel von Innovationen (BAKER

et al. 1967, 160; HAusCHILDT 1993, 7ff.), lassen sich folgende Transfonnationstypen

unterscheiden, die fUr die makrookonomische wie die mikrookonomische Ebene gelten:

• "Mittelinduzierte Transfonnation": Der Zweck ist unverandert, aber es werden neue

Mittel zur Erfiillung dieses Zwecks angeboten.

• "Zweckinduzierte Transfonnation": Es entsteht ein neuer Zweck, der mit unveran­

derten Mitteln befriedigt wird.

• "Radikale Transfonnation": In diesem Typ sind die Zwecke neu gesetzt und zugleich

werden neue Mittel zur Erfiillung dieser Zwecke angeboten.

• "Inkrementale Transfonnation": Zwecke und Mittel bleiben im Prinzip unverandert.

Die Transfonnation besteht in einem veranderten (verbesserten) Zweck-Mittel­

Verhaltnis.

In der vorliegenden Untersuchung wird von einer "radikalen" Transfonnation des ma­

krookonomischen Systems ausgegangen. Eine Transfonnation ist somit eine einschnei­

dende, grundlegende Anderung der vorherrschenden Wirtschaftsordnung. Graduelle

Systemveranderungen, wie die Freigabe nur einiger Preise oder die Privatisierung des

6

Page 22: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Handwerks werden hier nicht als Systemtransformation bezeichnet, unabhangig von

ihren Auswirkungen auf das Untemehmensverhalten.

2.1.2 Transformationsgeschwindigkeit

Der Ubergang von einem Zustand A oder B einer Wirtschaftsordnung in einen Zustand

C kann aufverschiedene Weise geschehen (SCHULLER 1991, 64ff.), wobei sich typische

Transformationsmuster erkennen lassen. Kriterien dieser Transformationstypen sind die

Geschwindigkeit des Ubergangs, die mehr oder weniger starke staatliche Lenkung so­

wie exteme Einfliisse. Allgemeingilltige Transformationsmuster oder gar Standardemp­

fehlungen existieren dagegen bisher nicht, zumal historische Beispiele fehlen und von

einer interdisziplinar angelegten Theorie der Transformation noch nicht die Rede sein

kann, aus der solche Muster und Empfehlungen abgeleitet werden konnten (GUTMANN

1991,63).

1m Mittelpunkt der bisherigen Diskussion steht die Frage nach dem giinstigsten zeitli­

chen Ablauf der Transformation, insbesondere nach der Beurteilung eines schockartigen

im Vergleich zum graduellen Vorgehen (THIEME 1991; SCHULLER 1991; JENS 1993).

Bei einer "Schocktherapie" werden die zentralen ordnungspolitischen Grundentschei­

dungen fur eine Marktwirtschaft und Demokratie zum gleichen Zeitpunkt getroffen (Big

Bang) (GLASTETTER 1995, 458). Beispielhaft fur eine Schock-Transformation war die

Ubemahme der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Einigungsver­

trages in Ostdeutschland am 2. Juli 1990. Bei einer graduellen Transformation wie z.B.

in Ungarn werden einzelne Eckpfeiler einer institutionellen Ordnung schrittweise gean­

dert. Die Transformation ist dann ein mehrstufiger, zeitlich gestreckter ProzeJ3.

2.1.3 Transformationsebenen

Transformation spielt sich nicht nur auf staatlicher Ebene ab, sondem wird entscheidend

vom Verhalten nichtstaatlicher 1nstitutionen und Marktteilnehmer beeinfluJ3t. Eine

marktwirtschaftliche Konstitution ist nur eine notwendige Voraussetzung fur die erfolg­

reiche gesellschaftliche Transformation. Transformationsprozesse konnen somit nicht

allein "Top-down" durchgefiihrt werden. Wechselwirkungen zwischen den Systemele­

menten sind Bestandteile und Determinanten der Transformation. Abb. 2 skizziert Ebe­

nen und Akteure eines Transformationsprozesses.

7

Page 23: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Umfeld

Betriebe

Personen

----Wandel der Rahmenbedingungen

----Betriebliche Transforrnationsphasen

Entwicklungsphasen des Individualverhaltens

Marktwirtschaft

marktorientierte Untemehmensfiihrung

marktgerechtes Verhalten

Abb. 2: Ebenen und Akteure von Transformationsprozessen (eigene Darstellung)

2.1.4 Transformationsphasen

Unabhangig von der Wahl des Transformationsvorgehens (schockartig oder graduell)

konnen verschiedene Transformationsphasen unterschieden werden. Phasenschemata

werden sowohl fiir volkswirtschaftliche als auch betriebswirtschaftliche Transformati­

onsprobleme verwandt (SCHULLER 1991; HANDEL 1994; SCHUH 1994; VANDERMERWE

1995). Nicht Dauer und Intensitat, sondem Verlaufsmuster von Transformationsprozes­

sen weisen RegelmiiBigkeiten auf (HANDEL 1994, 64). Sie konnen in einem Vier­

Phasen-Schema abgebildet werden. Abb. 3 stellt den typischen Output-Verlauf des pro­

duzierenden Sektors dar.

Output Wahrnehmung (Planwirtschaft)

Regeneration (Wachstums­phase)

Abb. 3: Phasenschema der Transformation (eigene Darstellung)

t

In der Wahmehmungsphase fiihrt nachhaltiger wirtschaftlicher Riickgang in der Plan­

wirtschaft zu Transformationsdruck und ideologischer Krise. Die Schrumpfungsphase

ist durch Absatz- und Beschaffungprobleme, Umsatzriickgange und Produktionseinbrii­

che gekennzeichnet. Untemehmen werden zur betrieblichen Umgestaitung und Neuori-

8

Page 24: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

entierung gezwungen und privatisiert, saniert oder liquidiert. 1m Rahmen dieser Anpas­

sung soHen vor aHem groBe, unrentabel arbeitende und bislang meist monopolistisehe

Betriebe zu marktorientierten Unternehmen transformiert werden. Sehaffen Unterneh­

men diesen Turn-around, so folgt dem drastisehen Einbrueh eine Waehstumsphase mit

Konsolidierung.

Die meisten Transformationslander haben flinf bis sieben Jahre naeh dem Systemweeh­

sel die Konsolidierungsphase noch nieht erreieht. RuBland ist Ende 1996 wohl am Ende

der Sehrumpfungsphase angekommen, doch ist ein nachhaltiger Aufsehwung noeh nieht

in Sieht. 1m Vergleieh zu 1989 betragt die Wirtsehaftsleistung nur noch etwa 50%. Abb.

4 gibt einen Dberbliek tiber den Stand der Umbauverluste versehiedener Transformati­

onslander (o.V., WiRO 6/1996,223).

Polen . :\'i-' ;": . ',>. ':.\ ,,, .... ,,.: :;;: "~:...I 97

Slowei1ien ' ,; ',' 94 Ungarn 86

Tschechien 85

Kroalien 84

Slow. Rep. 84

Rumanien 81

Eslland 74

Letland 54

Belarus 54

RuBiand 49

Ukraine .,': 43

Ulauen 42

Annenien 37

Georgien ' .. ,,;:. I 17

0 20 40 60 80 100

Abb. 4: Wirtschaftsleistung im Vergleich zu 1989 (=100) fiir 1996 (o.V., WiRO 6/1996, 223).

Diese Wirtsehaftsleistungsdaten lassen keinen eindeutigen RtieksehluB auf den Stand

des Transformationsprozesses zu. So besagt der vergleiehsweise geringe relative Wert

der Wirtsehaftsleistung von RuBiand im Vergleich zu Rumanien nieht, daB die rumani­

sche Transformation weiter fortgesehritten ist. Vielmehr ist die Sehrumpfungsphase

noch nieht abgesehlossen, da die Privatisierung noch unvoHstandiger ist.

9

Page 25: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Abb. 5 zeigt Transfonnationslander, die sich 1996 in der Wachstumsphase befinden.

Polen und Slowenien haben die Transfonnationsverluste von der Plan- zur Marktwirt­

schaft so gut wie ausgeglichen (o.V., WiRO 611996, 223).

Kroatien ,', .. :'. ,17 EsUand :::1~;:':- "1 6

Polen .~ ;: 5,5 : Tscl1echien

. 5,5 :

Slow. Rep. 5 Stowenien . ': : .... ~··:r <": ;.:1':. '1 4,5: Rumanien '..r,:. '~. 4,5 :

Utauen 4 Leltand ':.3

Ungam 3 Butanen ,:\ . .::!.-',,- .1: 2,5 : RuBiand 0

Ukraine 0

0 2 3 4 5 6 7 Prozen!

Abb. 5: Wachstumsraten (BIP) einiger Transformationsliinder 1996 (gesch.) (WiRO 6/1996, 223)

Wird der gesamte produzierende Sektor einer Transfonnationswirtschaft langfristig be­

trachtet, so wird im Fall erfolgreicher Transfonnation mit der Konsolidierungsphase ein

hOheres als das planwirtschaftliche Niveau erreicht (vgl. Abb. 3), vor allem weil dann

bereits aus wenigen groBen Monopolbetrieben viele kleinere, effizientere Unternehmen

entstanden sind.

Wiihrend der Transfonnation bestimmen das sozial-kulturelle, das politisch-rechtliche,

das 6konomisch-finanzielle und das technologisch-industrielle Umfeld den Fortgang der

betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Transfonnation. Sind diese Umfeldfaktoren

bekannt, so kann bestimmt werden, in welcher Phase sich eine Volkswirtschaft befindet

(HANDEL 1994, 65).

Tab. 2 zeigt unternehmensexterne und -interne Faktoren, anhand derer die Phasenzuge­

hOrigkeit tendenziell bestimmt werden kann. Die externen Faktoren sind nach den ord­

nungspolitischen Prinzipien von EUCKEN (vgl. 2.2.1) gegliedert.

10

Page 26: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 2: Ausgewlihlte makro- und mikroiikonomische Faktoren zur Transformationsphasenbestimmung (eigene Darstellung)

Planwirtschaft Schrumpfungsphase Wachstumsphase Preissystem staaUich vorgegeben Preisfreigaben

Wiihrungspolitik Staatsbank abh. Zentralbank, Aufbau 2-stufiges erste Privatbanken Bankensystem

,keine' Inflation starke Inflation dem Wachstum an-gepaBte Inflation

kein Kapital- und Auktionen und SOr- Enlwicklung Kapital· Kreditmarkt senentstehungen und Kreditmarkt

Offene Markte AuBenhandelsmo- Abbau der AHM Liberalisierter AH nopole (AHM)

Beginnende Zunehmend auslandi-Investitionstatigkeit sche Investitionen

Wetlbewerb (W) kein offener W harterW,sunnvalof starker, aber regu-the fittest lierterer W Aufkommen auslandi- Auslandischer W in schen Ws fast allen Branchen

keine Kunden-, son- Produkte werden von starkere Kundenori-dern Planorientierung Kunden gekauft entierung

Privateigentum kein Privateigentum PrivatisierungsprozeB reale, echte Privati-(kaum externes sierung (in· und aus-Kapital) landische ext. Kapi-

ta.lbeteiligungen) Konkursgesetzge- Durchsetzung von bung Konkursen

Untemehmensneu-griindungen

Rechtsordnung Entstehung relevanter Beginn der Durch-Rechtsnormen setzbarkeit

Konstanz der ,kein' staatliches starkes Anwachsen lang same Konsolidie-Wirtschaftspolitik Defizit des staatlichen Defi- rung auf hohem

zites Niveau Marketing staaUiches Beschaf- Wegfall der Beschaf- Aufbau neuer Zuliefe-

fungs- und Absatz- fungs- und Distributi- rer- und Kunden-monopol onssysteme strukturen

Suche neuer Zuliefe-rer und Kunden Suche von Marketing- Umsetzung der un-und Transformations- ternehmensspezifisch strategie en Transformations-

strategie Produkt Planvorgaben eigene Produktent- Markteinffihrung

wicklungen und neuer Produkte -modifizierungen

Preis staatlich vorgegeben eigene Preisfestset- Preisgestaltung nach zung Kosten- oder/und

Marktgesichtspunkten Organisation planwirtschaftlicher Erarbeitung einer Existenz von Marke-

Betrieb Umorganisationsstra- tingdirektor/ tegie -abteilung

Gewinnphase

Effektives 2-stufiges Bankensystem moderate Inflation

Effektiver Kapital- und Kreditmarkt Intemationale Ab-kommen

Einbindung in den intemationalen W Unternehmen ist ,Customer driven' Markteintritt und Marktaustritt jederzeit m6glich

Effektives Rechts-system Versuch des schrilt-weisen Abbaus staat-Iicher Defizite Gefestigte Beschaf-fungs- und Absatzbe-ziehungen

Produktrnanagement

marktwirtschaftlich geffihrtes Untemeh-men

Aufbau neuer Abteilungen:Planung und Strategie, Marketing/Kommunikation, ReWe/Controlling, Beschaffung

11

Page 27: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

2.1.5 Konversion

Konversion ist der ProzeB der Umgestaltung von militiirisch genutzten finanziellen,

materiellen und personellen Ressourcen fUr zivile Zwecke. Bisher bearbeitete Ge­

schaftsfelder werden in einem ein- oder mehrstufigen ProzeB ganz oder teilweise durch

neue Geschaftsfelder substituiert. Dabei bilden die frei werdenden Ressourcen die Basis

fUr neue Geschaftsfelder, d.h. die Untemehmenskapazitaten bleiben im wesentlichen

erhalten (BRIXLE 1993, 92). In Abgrenzung zum Transformationsbegriff enthalt der Be­

griff der Konversion eine ethisch-normative Komponente, die mit dem getliigelten Wort

"Schwerter zu Ptlugscharen" umschrieben wird (W ALLMANN 1994, 16). Die Aufgaben

von Konversion und Transformation sind jedoch im Prinzip gleich, sie Iiegen in der

strukturellen Anpassung der planwirtschaftlich gepragten Wirtschaftsstruktur an markt­

wirtschaftliche Bedingungen (OPITZ 1993, 137). Konversion ist eine Spezialform der

Transformation.

Problemfelder der Konversion sind

• die Freisetzung von staatlichen Militiir- und Riistungsaufwendungen fUr zivile Zwek­

ke sowie deren okonomisch und sozial zweckmaBiger Einsatz,

• die zivile Verwendung bisher militiirisch genutzter Produktions-, Forschungs- und

Dienstleistungskapazitaten und die EingIiederung der entsprechenden Arbeitskrafte,

• die Wiedereingliederung von Militiirpersonen in zivile Tatigkeiten sowie die zivile

Nutzung militiirischer Gebaude, Anlagen, Liegenschaften und Standorte

(Truppeniibungs-, SchieBplatze u.a.),

• die Nutzung militiirischer Technik fUr zivile Zwecke und die Wiedergewinnung von

Material und Rohstoffen aus denaturierten Waffen, Munition und militiirischen Aus­

riistungen sowie

• die zivile Rekonstruktion jener regionalen und kommunalen Strukturen, die im Zu­

sammenhang mit Militiir- und Riistungsobjekten entstanden sind (ENGELHARDT

1990).

Nach den bisherigen Erfahrungen dauert der KonversionsprozeB mehrere Jahre. Vor

aHem sind strategische Geschaftsfelder zu finden, die Marktchancen und Wettbewerbs­

vorteile bieten. Daraus ist die Produktions-Um- und Neuprofilierung zu bestimmen.

Diese erfordert neben der arbeitsplatzbedingten Qualifizierung von Personal investive

12

Page 28: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

MaBnahmen und VorIeistungen. Aufgrund der in einigen Rustungsbetrieben der ehema­

ligen UdSSR vorhandenen spezifisch miliUirischen Fertigungstechnologie und einer

sehr groBen Fertigungstiefe ist das AusmaB an Reorganisation und Umprofilierung die­

ser Untemehmen betrachtlich.

Die besondere Rolle der Konversion im TransformationsprozeB osteuropaischer Staaten

ergibt sich aus dem groBen Anteil des Rustungskomplexes der Sowjetunion an der Ge­

samtproduktion, insbesondere im Hochtechnologiebereich. Wie groB dieser Anteil tat­

sachlich war, laBt sich nicht genau bestimmen (CHECINSKI 1992, 332); allgemein wird

angenommen, daB sich das Gros des technologischen Know-hows der Sowjetunion hier

konzentrierte. Die Hoffnung, dieses wissenschaftliche Potential fUr den Zivilbereich

nutzen zu kannen, konnte bislang nur in wenigen Einzelfallen erfiillt werden. Die Kon­

versionsuntemehmen sehen sich okonomischen Problemen gegenuber, die aus eigener

Kraft unlosbar scheinen:

• Ruckgang der staatlichen Aufirage: 1995 wurden, in Kaufkraft gemessen, nur 20%

des Verteidigungshaushalts von 1988 ausgegeben (o.V., FAZ 26.8.1996,4),

• Abwanderung der besten und am hOchsten qualifizierten FOhrungskrafte (Brain­

drain) (KATSCHALIN, KARASJOVA 1993,63),

• fehlende Kredite rur Investitionen zur Produktionsumstellung (ebd., 63),

• fehlende Absatzorgane und mangelndes okonomisches Know-how (ebd., 64).

Die seitens der Regierung initiierten Konversionsprogramme konnten bislang bei wei­

tern nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Das 1992 verabschiedete Gesetz zur

Konversion (CHECINSKI 1992,331) konnte die Erwartungen nicht erfiillen. Ehemalige

Rustungsbetriebe unterIiegen aufgrund der erklarten Untersrutzungsbereitschaft der Re­

gierung, die aus der auBen- und sozialpolitischen Relevanz des Themas folgt, anderen

Transformationsbedingungen als andere Untemehmen. Da das Ziel der vorIiegenden

Arbeit auf der Analyse der Transformation kleinerer und mittlerer Untemehmen liegt,

andererseits aber auch Konversionsuntemehmen im Sample enthalten sind, wird an ge­

eigneter Stelle auf spezielle Aspekte dieser Untemehmen hingewiesen.

13

Page 29: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

2.2 Transformationsansatze

Art und Tempo der Wandlungsprozesse sind in den verschiedenen Uindem unter­

schiedlich, weil die wirtschaftliche, technologische, soziale und politische Lage und der

historisch-kulturelle Kontext sehr verschieden sind. Als Theoriebasis wUnschenswert

ware ein allgemeingiiltiger Kriterienkatalog zu einer lUckenlosen Analyse relevanter

Transformationsaspekte und zur Beurteilung des Reformablaufs in den verschiedenen

Uindem.

Die Wissenschaft war auf den TransformationsprozeB nicht vorbereitet, hatte insofem

auch keine "Theorie der Systemtransformation", weder auf der volkswirtschaftlichen

noch der betriebswirtschaftlichen Ebene (LOSCH 1992, 656f.). Transformationspolitik ist

jedoch in jedem Fall Ordnungspolitik (GLASTETTER 1995, 457). Zur Bestimmung des

Bezugsrahmens der vorliegenden Untersuchung werden ordnungspolitische Kriterien,

verschiedene betriebliche Ansatze des Wandels und Implikationen fUr die betroffenen

Individuen vorgestellt.

2.2.1 Der makrookonomische Transformationsansatz nach EUCKEN

Als theoretische Grundlage bieten sich die von WALTER EUCKEN 1952 formulierten

ordnungspolitischen Empfehlungen zur Etablierung einer marktwirtschaftlichen Wett­

bewerbsordnung an (vgl. Abb. 6). Diese basieren auf historischen Erfahrungen seit

Mitte des 18 Jahrhunderts. EUCKENS Uberlegungen waren nicht ideologisch motiviert,

sondem waren der Versuch, empirische Beobachtungen zu "Prinzipien" zu verdichten

(EUCKEN 1990, 18f.).

Die Empfehlungen enthalten staatspolitische Grundsatze, konstituierende und regulie­

rende Prinzipien fUr die Wirtschaftspolitik. Als Wirtschaftsordnung wird die Gesamtheit

der systernkonstitutiven und -steuemden Elemente des Wirtschaftsgeschehens bezeich­

net, sowohl idealtypisch als auch in der konkreten Umsetzung (PETERS 1993, 10). Die

systernkonstituierenden Prinzipien zielen auf Bedingungen zum Autbau einer markt­

wirtschaftlichen Ordnung, die regulierenden Prinzipien dienen der Erhaltung der Funk­

tionsfahigkeit einer Marktwirtschaft. Die Prinzipien sind interdependent und dynamisch,

was die isolierte Betrachtungsweise erschwert, aber auch die Notwendigkeit ihrer si­

multanen Umsetzung im Rahmen des Transformationsprozesses erklart (SCHRADER,

14

Page 30: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

LAASER 1992, 64f.; DORR. 1990, 5ff.). Ihre heutige Relevanz wird von Erfahrungen in

den Reformlandem eindrucksvoll bestatigt (GUTMANN 1991,70).

FUNKTIONSFAHIGES PREISSYSTEM - Abbau von Preissubventionen - Liberalisierung der Preisbildung auf Faktor- und GOterrnarkten

I I I I I

W~~~Y!if. OFFENE PRIVAT- RECHTS- KONSTANZD. MARKTE EIGENTUM ORDNUNG WIR~gf~~FTS-LI K

I I I I -. Aulbau eines Abbau der AuBen- Verfassungsrecht- Implementierung Makrookon. Rah-zweistufigen handelsmonopole Iiche Stellung des einer WirtschaftS- menbedingungen Bankensystems

Liberalisierung des Eigentums rechtsordnunQ

Budgetdisziplin der Primatder Privatisierung

fHandels-, Zivll-, AuBenhandels nsolvenz-, Wett- Fiskalpolitik

GeldwertstabilitiU bewerbsrecht u.a.) Zugehorigkeit zu Zulassung auslan- Effektivitat der

Entwickluns von internationalen discher Invesloren T ransformations- offenllichen Kapital- un Organisationen spezifische Rege- Verwaltung Kreditmarklen Entwicklun~ des lungen \Altlasten,

Inlernalionale Ko- ftrivalen Se tors Restilu ionsan- Aussagen zur p'oli-operationsvertrage Unlernehmens- spriiche usw.) lischen Slabilitat

neugriindungen) und zum Demokra Effektive Rechts- tisierungsprozeB infrastruklur

Durchsetzbarkeit

~bb. 6: Konstituierende Prinzipien marktwirtschartIicher Wirtschartsordnung (eigene Darstellung)

Nachstehend werden Euckens Prinzipien behandelt, jeweils zunachst allgemein, dann

spezifisch im Hinblick auf die Transformation in Osteuropa.

2.2.1.1 Autbau eines Preissystems

Ein funktionsfahiges Marktpreissystem auf der Basis vollstandiger Konkurrenz ist das

oberste Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung (EUCKEN 1990,254). Es impliziert freie

Preisbildung im Wettbewerb. Vordringliches Anliegen ist es, Wettbewerbsbeschran­

kungen und Monopole abzubauen und die Markte wettbewerblich zu gestalten (PETERS

1993, 83). Der Preismechanismus in einem marktwirtschaftlichen System koordiniert

Angebot und Nachfrage, erfiiIlt die Informationsfunktion und garantiert effiziente AIlo­

kation der verfiigbaren Ressourcen (SCHRADER, LAASER 1992, 24). Neben der Hand­

lungs- und Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer ist ein Sanktionsmechanismus

Voraussetzung, u.a. in Gestalt eines Konkursrechts, der den Marktaustritt der Wirt­

schaftssubjekte systemkonform regelt (SCHRADER, LAASER 1992, 25).

15

Page 31: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zentrale Elemente der Umgestaltung der Preisbildung sind der Abbau von Preissubven­

tionen und die Ab16sung administrativer Preissetzungen auf den Faktor- und Giiter­

markten (EGGER et al. 1992, 36f.). Eine rasche Liberalisierung der Preise entlastet den

Staatshaushalt durch den Abbau von Subventionen und sichert ArbeitspHitze durch nied­

rige Reallohne (EGGER et al. 1992, 37f.).

2.2.1.2 Primat der Wiihrungspolitik

Ein stabiler Geldwert ist zur Verwirklichung einer funktionsfahigen Wettbewerbsord­

nung notwendig. Erst diese Stabilitat ennoglicht es dem Preissystem, die wirtschaftliche

Entwicklung effizient zu koordinieren (EUCKEN 1990, 257). Wamend Geldwertstabilitat

als gesamtwirtschaftliches Ziel weltweit akzeptiert ist, besteht Dissens hinsichtlich des

kurzfristigen Trade offs zwischen Inflation und Beschiiftigung (ISSING 1992, 356). Mo­

netare Stabilitat erfordert institutionelle Rahmenbedingungen. Dazu ist u.a. ein zweistu­

figes Bankensystem mit einer von der Regierung unabhangigen Zentralbank erforder­

lich, die geldpolitischen Zielen verpflichtet ist (SIEBERT 1992, 133). Urn die faktische

Selbstandigkeit der Zentralbank zu erreichen, ist gesellschaftlicher Konsens, der die

Sicherung des Geldwertes als wirtschaftspolitisches Primat akzeptiert, notwendig

(HERMANN-PILLATH 1991, 20). Bei der Durchsetzung dieses Zieles ist die Notenbank

mit dem Dilemma konfrontiert, daB eine zu restriktive Geldpolitik wirtschaftliches

Wachstum nicht ausreichend alimentiert, wamend eine zu expansive Geldpolitik die

Inflationsneigung erhOht.

Urn den rur sozialistische Lander charakteristischen Kaufkraftiiberhang abzubauen, ste­

hen vier Altemativen zur Auswahl (PETERS 1990,388): Geldabwertung, Preisliberalisie­

rung, Erweiterung des Warenangebots und Verkauf von Staatseigentum. Diese Ma/3-

nahmen sind im Zusammenspiel der ordnungspolitischen Krafte miteinander zu kombi­

nieren. Angesichts der hohen intra-industriellen Verschuldung, insbesondere der Staats­

betriebe, wird der Privatisierung des Bankensystems hohe Prioritat eingeraumt, urn rur

effizienten Umgang mit dem Faktor Kapital die Umwandlung von Depositen in Investi­

tionskapital zu institutionalisieren (NEuMANN 1992, 168) und die Soft budget con­

straints der Untemehmen zu "verhiirten" (WELFENS 1992, 73). Zudem ist die Konverti­

bilitat, d.h. das Recht zum freien und unbeschriinkten Umtausch in andere Wiihrungen,

rur den Abbau von Investitionsrisiken von gro/3er Bedeutung (SCHRADER, LAASER

1992, 44). Die Theorie der optimalen Wiihrungsraume lehrt, daB im Falle regionaler

16

Page 32: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Divergenzen in der wirtschaftlichen Entwicklung, fehlender Lohn- und Preisanpassun­

gen und mangelnder Mobilitat der Produktionsfaktoren die Einfiihrung einer eigenen

Wahrung sinnvoll ist (HERMANN-PILLATH 1991,21). Die Abkoppelung ehemaliger Re­

publiken der Sowjetunion von der Rubelzone in Form nationaler Wahrungsreformen

findet hier ihre theoretische Legitimation. Das Vertrauen in- und auslandischer Markt­

teilnehmer in die Glaubwiirdigkeit der Wahiungspolitik wird durch die erfolgreiche Im­

plementierung dieser MaBnahme gestarkt und bildet die Basis fUr eine autonome Geld­

politik.

2.2.1.3 Offene Miirkte

Der Staat und gesellschaftliche Interessengruppen verfiigen iiber diverse tarifare und

nichttarifare Handelshemmnisse, urn den intemationalen Konkurrenzdruck zu mindem

(EUCKEN 1990,264). Die MOE-Reformlander streben an, sich auBenwirtschaftlich zu

Offnen, urn die (Re-) Integration in die intemationale Arbeitsteilung zu beschleunigen

und intemationale Direktinvestitionen zu attrahieren. Obgleich die Auswirkungen von

Handelshemmnissen auf die nationale Giiterversorgung von vielen Faktoren bestimmt

wird (SENTI 1992, 126 ff.), ist die Offnung des Binnenmarktes ein unverzichtbares Ele­

ment dauerhaften Wachsturns, vor allem fUr kleinere Lander (WELFENS 1992, 8).

Der Grad der auBenwirtschaftlichen Offnung kann gemessen werden an der Menge an

Im- und Exportbeschrlinkungen, der Freiheit des Kapitalverkehrs und der ZugehOrigkeit

zu intemationalen Organisationen (SCHRADER, LAASER 1992, 46f.).

2.2.1.4 Privateigentum

Teil des Transformationsprozesses ist die Uberfiihrung von Staatseigenturn in Privatei­

genturn, insbesondere die Ubertragung der Verfiigungsgewalt iiber die Produktionsmit­

tel (JENS 1993, 161). Anreiz- und Sanktionsmechanismen werden durch Ergebnisver­

antwortung geschaffen, wettbewerbliche Strukturen durch die Entflechtung der mono­

polistischen Kombinate (BORNSTEIN 1994, 235). Die rasche Schaffung privaten Eigen­

turns ist geboten, urn den Strukturwandel zu forcieren (BALZER 1993, 264) und urn die

realwirtschaftliche Anpassung zu beschleunigen (SIEBERT 1992, 133). Dieser ProzeB

moB durch eine Privatisierung "von unten" begleitet werden. Erst durch die Neugriin­

dung vieler Untemehmen werden effiziente Wettbewerbsstrukturen begriindet (EGGER

17

Page 33: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

et al. 1992,44). Der Zuflufi ausHindischen Kapitals ist angesichts der geringen Kapital­

bildungsfahigkeit ein zentraler Erfolgsfaktor der Privatisierung (ANDREFF 1994, 116).

Die Privatisierungsmodelle spiegeln die Ziele der Transformation wider (BORNSTEIN

1994,235). Unabhfulgig von dem zugrundeliegenden Vorgehen sollten drei Bedingun­

gen erfiillt sein: die Standardisierung und die institutionelle Verankerung der Privatisie­

rungsablaufe, der Aufbau des Finanzsektors sowie stabile politische Verhaltnisse, die

auch unpopulare Entscheidungen durchzusetzen gestatten (EGGER et al. 1992, 43).

Der Privatisierungsgrad und das Privatisierungstempo sind das Ergebnis politischer

Zielvorgaben. Trotz erheblicher Unterschiede in den Entwicklungen war die Privatisie­

rungsgeschwindigkeit in den MOE-Lfuldem zunachst schleppend (KLos 1993,48). Ur­

sachen waren die Zielkonflikte zwischen einer Maximierung der Privatisierungserlose

und einer Reduzierung der sozialen Folgekosten, desweiteren der Mangel an Privatisie­

rungs-Know-how, die hohe Verschuldung der Staatsbetriebe, okologische Altlasten, die

Zuriickhaltung auslfuldischer Investoren aufgrund unzureichender Rahmenbedingungen

sowie der Umfang des zu privatisierenden Staatsvermogens (ROGGEMANN 1992, 50ff.;

BORNSTEIN 1994,236, 254f.).

2.2.1.5 Vertragsfreiheit und Haftung

Vertragsfreiheit und Haftung fur untemehmerisches Handeln sind unentbehrliche

rechtspolitische Institute der Wettbewerbsordnung (EUCKEN 1990, 275ff.). EUCKEN hat

die Bedeutung eines ungehinderten Marktzutritts im Prinzip der offenen Markte formu­

liert. Dariiber hinaus ist der Marktaustritt als Sanktions- und Haftungsmechanismus zu

nennen (TUCHTFELDT, FRlTZ-AI3MUS 1992, 237f.). Das Wirtschaftsrecht in den MOE­

Staaten sollte daher die Freiheit wirtschaftlicher Tatigkeit und des privaten Eigentums

garantieren sowie ein umfassendes Gesellschaftsrecht und wettbewerbsrechtliche

Grundlagen einschlieBlich des Konkurs- und Vergleichsrechts. Ais Grundlage sollte ein

allgemeines Handels- und Zivilrecht geschaffen werden (ROGGEMANN 1992, 39f.).

Die Erfahrungen in den fun[ neuen Bundeslandem haben eindringlich gezeigt, daB ne­

ben der Frage nach der Durchsetzbarkeit des Rechts (SCHRADER, LAASER 1992, 5) fur

Investoren die Klarung der Eigentumsrechte an Grund und Boden, die Effektivitat der

18

Page 34: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

verwaltungstechnischen Infrastruktur, die Klfuung der Ubemahme und Bewertung von

Altlasten und die arbeitsrechtlichen Folgen der Privatisierung von groBer Bedeutung

sind (HORN 1991, 35ff.). Den rechtlichen Rahmenbedingungen sind die steuerlich be­

deutsamen Bestimmungen fUr in- und auslandische Investoren zuzurechnen (FUEST

1993, 106). Investitonsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen erhOhen zusammen

mit Gewinntransfer-Regelungen die Sicherheit einer Auslandsinvestition. Weitere kon­

stituierende Prinzipien der Wirtschaftspolitik zum Aufbau einer Wettbewerbsordnung

sind eine wettbewerbsfordemde Art der Vertragsfreiheit, ein Haftungsrecht fUr die Fol­

gen von getroffenen Planentscheidungen und allgemein eine berechenbare, "konstante"

Wirtschaftspolitik.

Vertragsfreiheit ist fur die Lenkung des alltaglichen Wirtschaftsprozesses durch voll­

standige Konkurrenz unentbehrlich. Sie sollte jedoch insoweit beschrankt werden, als

das der Konstituierung der Wettbewerbsordnung dient. So sollten Vertrage als unzulas­

sig betrachtet werden, die die Vertragsfreiheit Dritter beschranken - etwa die Bildung

von Monopolen oder Kartellen (EUCKEN 1990, 276f.), zu denen die neu entstehenden

FIG (finanziell-industrielle Gruppen) in RuBland zahlen.

Die Haftung erfiillt wahrend des Aufbaus der Wettbewerbsordnung wichtige Funktionen

(EUCKEN 1990, 280f.). Sie tragt zur vorsichtigeren Kapitaldisposition bei, wirkt gegen

die Konzentration und steigert die Funktionsfahigkeit des Leistungswettbewerbs. Haf­

tung muB wirtschaftsverfassungsrechtlich geregelt werden. Der Haftungsmechanismus

regelt die Zugriffsmoglichkeiten auf das Vermogen des Schuldners und den Mark­

taustritt der Wirtschaftssubjekte als Konsequenz ihrer Fehlentscheidungen.

2.2.1.6 Konstanz der Wirtschaftspolitik

Untemehmerisches Handeln ohne Risiko ist undenkbar. Es ist Aufgabe des Staates,

Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen politische Unsicherheitsmomente auf ein

kalkulierbares MaB reduziert sind (EUCKEN 1990, 287). 1m Vordergrund der Reform­

programme intemationaler Organisationen steht eine solide Haushaltspolitik. Zur Finan­

zierung des staatlichen Budgets bedarf es einer funktions- und leistungsfahigen Ver­

waltung mit einem zumindest wettbewerbs- und anreizneutralen Gebiihren- und Steuer­

system (FUEST 1993, 109). Umfang und Struktur der Ausgaben ergeben sich unmittelbar

19

Page 35: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

aus dem Staat zugeschriebenen Funktionen. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist

der Aufgabenurnfang des Staates eng definiert. Dieser umfaBt grundsatzlich die Bereit­

stellung offentlicher Guter, die innere und auBere Sicherheit, die Gestaltung gesetzlich

bestimmter Rahmenbedingungen sowie die Sicherung des Existenzminimurns der BUr­

ger (SCHRADER, LAASER 1992, 31).

1m Wettbewerb urn auslandisches Kapital wird die politische Stabilitat der Transforma­

tionsokonomien und deren Berechenbarkeit als ein zentraler Standort- und Erfolgsfaktor

der Transformation beurteilt (EGGER et al. 1992,43). Bei unkalkulierbaren Risiken un­

terbleiben Investitionen mit einem langfristigen Investitionshorizont (PETERS 1993, 85).

Die ersten Erfahrungen zeigen zwar Reformerfolge in der makrookonomischen Stabili­

sierung und der Liberalisierung des AuBenhandels, aber auch Defizite in der Neudefini­

tion des Staates. Wesentliche Hemmnisse sind gesellschaftliche und politische Wider­

stiinde, Defizite im Bereich der institutionellen Infrastruktur und Mangel an qualifizier­

tern Hurnankapital (WOHLMUTH 1992, 46f.).

AIle Prinzipien mussen zusarnmenspielen, isolierte Anwendung einzelner Prinzipien

verfehlt den Erfolg (EUCKEN 1990,291).

2.2.2 Betriebliche Transformationsansitze

Mit einer Ubertragung westlicher Managementrnethoden allein konnen die betrieblichen

Umstrukturierungsprobleme nicht gelOst werden. In westlichen Wirtschaftssystemen

bewiihrte Managementansatze setzen "westliche" Rahmenbedingungen voraus. Dagegen

herrschen in Transformationslandem meist unklare rechtliche und wirtschaftliche Rah­

menbedingungen und andere sozio-kulturelle Landesspezifika (EKIERT 1992, 78). Jede

Ubertragung von Managementkonzepten uber Kulturkreise hinweg erfordert kulturan­

passende MaBnahmen (DOLFER 1991; HOFSTEDE 1980, 1993).

Wegen ihrer besonderen Relevanz fUr die Transformation in osteuropruschen Unter­

nehmen werden die Theorien des Management of Change, das Innovationsmanagement,

das Business Reengineering, evolutionstheoretische Managementansatze und weitere

ausgewiihlte organisationstheoretische Ansatze als gedankliche Fundierung der Trans-

20

Page 36: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

formationsprozesse herangezogen. Kriterien, die der Auswahl der Ansatze zugrunde

liegen sind

• die erfolgreiche Problemlosung (Bewahrtheit),

• die Realitatsnahe ihrer Aussagen,

• deren Gehalt und

• Generalisierbarkeit.

All diesen Ansatzen ist gemein, daB sie nicht fiir Probleme eines osteuropaischen Trans­

formationsuntemehmens entwickelt wurden. Als alleiniges Gedankengerust greifen des­

halb aIle hier diskutierten Managementansatze zu kurz und sind nur partikular geeignet,

unsere Untersuchung auf eine theoretische Grundlage zu stellen. Sie bedfufen einer lan­

der- und kulturspezifischen sowie Transformations-situationsspezifischen Adaption.

Entgegen dem ganzheitlichen, problemorientierten Ansatz der vorliegenden Untersu­

chung liefem sie nur fragmentarische Anregungen fiir spezifische Transformationspro­

bleme. Umso mehr muB der nach Anregungen und Erklarungen suchende Transformati­

onsforscher und -manager ein breites Spektrurn unter den Theorien des Wandels ins

Auge fassen.

2.2.2.1 Management of Change

Der Wandel der Untemehmensumwelt hat wachsende Komplexitat der Beziehungen der

untemehmensintemen und -extemen Systemelemente zur Folge. Einfaches lineares Ur­

sache-Wirkungsdenken ist inadaquat (BLEICHER 1995, 19). Verschiedene Manage­

mentansatze umfassen und ein neues Verstandnis von Wandlungsprozessen propagieren

die Begriffe "Management of Change", "Changemanagement" oder auch "Business

Transformation" (BLEICHER 1995; KLIMECKI 1994; ULRICH 1994; GOUILLART, KELLY

1995), die inhaltlich ahnlich sind. Dariiber hinaus ist der Wandel der Individuen, insbe­

sondere die Veranderungen der Wertvorstellungen der in den Untemehmen tatigen Mit­

arbeiter, ein wichtiger Aspekt bei der Realisierung eines Organizational-change

(KLIMECKI 1994, 9).

Entstanden sind diese Ansatze unter dem Problemdruck westlichen Managements. Die

Globalisierung, Konzentrationsprozesse und technologische Umbruche zwingen die

Wirtschaft zu einer Beschleunigung ihrer Leistungsprozesse. Die benotigte Reaktions-

21

Page 37: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

zeit bei steigender Komplexitiit und die vorhandene Problembewiiltigungszeit bei zu­

nehmender Dynamik des Umfelds laufen in einer Schere auseinander.

Anpassungszeit

1900

Benotigte Reaktionszeit bei stelgender Komplexital

Verfugbare Problembewaltigungszeit bei zunehmender Dynamik

2000 Wachsende Komplexitat und Dynamik des Umfelds

Abb. 7: Problemdruck im Management (nach BLEICHER 1995,26)

Ein "Management von Veranderungen" in osteuropiiischen Untemehmen wird dringend

benotigt. Das Reaktionszeit-Problembewiiltigungszeit-Dilemma gilt fur osteuropiiische

Untemehmen in besonderem MaBe.

Trotz und wegen der hoheren Komplexitiit und der zunehmenden Dynamik des Wandels

gibt es Anzeichen fur einen Paradigmawechsel im Management, den folgende organisa­

torische Entwicklungstendenzen kennzeichnen (BLEICHER 1994, 139; 1995, 40f.):

• vom MiBtrauen zum Vertrauen als Bestandteil der Untemehmensphilosophie,

• yom technokratischen Fi.ihrungsverstandnis des entscheidungsfreudigen Machers zu

einem mehr evolutorischen und kooperativen Fi.ihrungsverstandnis,

• von Arbeitsteilung und Spezialisierung zur Bildung von flexiblen, temporiiren Ar­

beitsgruppen mit breiten Aufgabenfeldem,

• Dezentralisierung und Orientierung auf die Human-Ressourcen,

• von einer Fokussierung "harter" Managementfaktoren zu einem strategischen Mana­

gement des Humanpotentials,

• vom Gleichgewichtsstreben rationaler Optimierung zu Entrepreneurship und Intra­

preneurship,

• Entwicklung kleiner, teilautonomer, innovativer Produkt-lMarkteinheiten innerhalb

groBer Untemehmen und

• von tiefgreifender Spezialisierung zur Generalisierung von Aufgaben und Verant­

wortung.

22

Page 38: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Diese Tendenzen einer tiefgreifenden Umgestaltung von Untemehmen (Management of

Change) werden konkretisiert durch die "Lemende Organisation" (GoMEZ u.a. 1994,62;

MOLLER-STEWENS, PAUTZKE 1996, 185f.; PROBST, GILBERT 1994, 306f.; SCHREYOGG,

Noss 1995, 178), das Innovationsmanagement (WITTE 1973, 1976; HAUSCHILDT 1993;

GEMUNDEN, WALTER 1995; TROMMSDORFF 1995), das Business Reengineering

(SERVATIUS 1994B; BRECHT, HESS, OSTERLE 1995; HAMMER 1995; WOMACK, JONES

1997) und evolutorische Ansatze (SERVATIUS 1994a, b; STRASSER 1991; ULRICH,

PROBST 1988; MALIK 1993; KLIMECKI, PROBST, EBERL 1994; LAZLO 1992; LEONHARDT

1994).

2.2.2.2 Innovationsmanagement

Eine Transformation ist fUr das betreffende Untemehmen immer eine Innovation. Die

Theorie des Innovationsmanagement liefert Anregungen fUr die Losung von Transfor­

mationsproblemen. Wesentliche Elemente sind identisch, so bei den Innovationsphasen

(THOM 1980; MICHEL 1990; TROMMSDORFF 1995), den Widerstanden gegen Innovatio­

nen (NIEDER, ZIMMERMANN 1992; HAUSCHILDT 1993) und den Promotoren von Inno­

vationen (WITTE 1973; LEDER 1989; BITZER, POPPE 1993; HAUSCHILDT 1993). Analog

der volkswirtschaftlichen Phasenbetrachtung der Transformation (vgl. Abb. 3) wird der

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, die betriebswirtschaftliche Trans­

formation ehemals planwirtschaftlicher Untemehmen, mit Hilfe des Phasenschemas von

Innovationsprozessen untersucht. Dabei gehen wir jeweils zunachst darauf ein, wie die

Phasen urspriinglich fUr Produktinnovationen inhaltlich und methodisch ausgerullt sind,

und dann auf Anpassungen fUr die betriebliche Transformation in Osteuropa, die ja zum

erheblichen Teil die Produktinnovation einschlieBen. Die operative und strategische

Umsetzung wird in Kapitel6. vertieft.

Phasenkonzepte orientieren sich meist an der Struktur von Planungs- und Entschei­

dungsmodellen (ROGERS 1983, 135ff.; BOHNISCH, 1979, 18ff.). In einem sehr groben

Zweiphasenschema werden Ideengenerierung und Ideendurchsetzung unterschieden. Oft

wird die Ideendurchsetzung noch in Ideenakzeptierung und -realisierung differenziert

(THOM 1980; 53, MICHEL 1990, 11). FUr detailliertere Analysen werden die Phasen

weiter unterteilt (SCHMITT-GROHE, 1972, 50ff.; ALLESCH, POPPENHEGER, 1986, 22ff.).

FUr diese Untersuchung wird die Diffusion (BROCKHOFF 1992, 30) explizit mit in den

Phasenansatz aufgenommen.

23

Page 39: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 3 zeigt ein Phasenschema der Innovation, das die Probleme eines betriebswirt­

schaftlichen Transformationsprozesses abbildet. Urspriinglich fUr Produktinnovationen

entwickelt, wird der Phasenansatz fUr den TransformationsprozeB urn Struktur-lProzeB­

innovationen erweitert.

Tab. 3: Phasen des Transformationsprozesses (in Anlehnung an TROMMSDORFF 1995, 4f.)

Bestimmung der Ideen fUr die Pro- Auswahl der Bestimmung d. Operationalisie· Diffusion und Transformations· zen· und Slruktur· Ideen Transforma· rung der Umsetzung der ausgangssituation transformation tionsstrateQie Stra_tegie Strategie

Z Analyse der Ideen fUr Struktur- Konzentration Entscheidung Struktur·lPro· Diffusion der

I strategischen IProzeB· und auf potentiell fUr eine Strate- zeB· und Pro- Produktinnova-

E Situation Produktinnova· erfolgreiche gie u nd deren duktinnovation tion, Umsel-

L tionen Ideen Ausformu· operationalisie- zung der MaB-lierunQ ren nahmen

V Analyse potenti- Ideen kennen au 5 Wirtschaftlichk Aufbauend auf Siru ktu r -/Pro- MeinungsfUhrer a eller Abnehmer· dem Untemeh- eitsanalyse = strategischer zeB- und Pro- ansprechen R markle, Umfeld- men kommen Wertanalyse Silualionsanaly duktentwick -G entwicklung, der (push) oder vom aus Sichl der se und Ziel- lung geschiehl E eigenen Poten- Markt (pull) kom- Kunden. vorstellungen parallel mit H liale und der men werden Strate- vorherigen E WeHbewer- gien bestimml Phasen N berpoten tiale

Starken-/Schwa- push: Teamar- Feasibility- Strategleop- - SchniHstellen- 8esondere chen-Analyse beit, Vorschlags- studie: tionen ergeben management Kommunikati-

wesen, Qualitals· Markldalen sich mit Hilfe • Make or Buy· onsmannah· Chancen· zirkel, Freiraume, sammeln, f.?lgender Entschei· men zur Errei· IRisiken· Analyse Abbau von Krea· Investition s· Uberlegungen: dungen chung der

tivilats· rechnungen, • Ansoff·Matrix • Festlegung d. Meinungs· M hemmnissen, Durchffihr· • Fiihrerschaft, Marketing·Mix fUhrer E Kreativitiits· barkeit bzgl. Wher/spiller • Bestimmung T techniken relevanter Res· Folger d.lnnovations· Zusammenar· H pu II: Berater oder sourcen wie • PreiS/Mengen· hehe aus Kun· beit mit Handel a Referenzfirmen Personal. versus densichl fUr D (Transformations· Werksloffe, Praferenz· komunika· E Benchmarking) Kapital, elc. strategie tionspolitische N Ansprache

PhasenObergreifende Diffusionsprobleme d. Slruktur·/ProzeBinnovation: Widersland im Unlemehmen, Zeitrisiko

Die weitere Untergliederung dieses Abschnitts richtet sich nach den Phasen aus Tab. 3.

2.2.2.2.1 Bestimmung der Transformationsausgangssituation

Zur Bestimmung der 1st-Situation des Untemehmens im Markt werden fUr jedes Ge­

schaftsfeld einzeln aIle relevanten Untemehmens-, Wettbewerber-, Markt- und Umwelt­

daten erfaBt und schrittweise verdichtet. 1m ersten Schritt werden eine Stiirken­

ISchwachen-Analyse und eine Chancen-lRisiken-Analyse ersteIlt (ARNOLD, SABISCH

24

Page 40: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

1992, 7; HOEPFNER 1991, 63ff.; MACHARZINA 1993, 226ff.). Die Ergebnisse dieser bei­

den Analysen werden schlieBlich weiterverdichtet zu einer zweidimensionalen Darstel­

lung der strategischen Situation (Portfolio). Wenn auf diese Weise aIle Geschaftsfelder

als Portfoliopositionen dargestellt sind, liegt ein einfaches Bild der strategischen Aus­

gangssituation des Transformationsuntemehmens vor. Abb. 8 zeigt das Schema der

strategischen Situationsanalyse.

Untemehmung Wettbewelber Kunden Umwel!

Potential Konkurrenten _ ~

Markt- Umwelt-Analyse Analyse Analyse Analyse

+ + + + StMlen I Chancen I

Schwachen- Risiken-Analyse Analyse

I ~ Portfolio OIl I Analyse

Abb. 8: Strategische SituationsanaIyse (TROMMSDORFF 1995, 5)

Eine institutionalisierte, zukunftsorientierte Situationsanalyse erfordert die Antizipation

von DiskontinuWiten der Untemehmensumwelt. 1m Diskontinuitatenmanagement

(MACHARZINA 1993, 244ff.) haben sich einfache Lebenszykiusmodelle zur Antizipation

bevorstehenden Wandels an. Beispiele flir solche Modelle sind das technologische S­

Kurvenkonzept (FOSTER 1982; TWISS 1988; BROCKHOFF 1993), Technologielebenszy­

klusmodelle (ROUSSEL 1984; LITTLE 1988) und das Branchenlebenszykiusmodell

(TUSHMAN, ANDERSON 1986; BENKENSTEIN 1989). Auf diesen Konzepten aufbauende

Typologien werden von UTTERBACK, KIM (1985), TUSHMAN, ANDERSON (1986) und

WEISS (1989) vorgeschlagen. Aufbauend auf der Unterscheidung in Produkt- oder Pro­

ze13diskontinuitat werden mit Hilfe weiterer Kriterien verschiedene Diskontinuitatstypen

erkllirt. TUSHMAN, ANDERSON (1986, 443) unterscheiden kompetenzzerstOrende und -

verstlirkende Produkt- und ProzeJ3diskontinuitaten.

Zur Sensibilisierung fUr und zum Umgang mit Veranderungen ist eine Auseinanderset­

zung mit den Erkenntnissen und der Methodik des Diskontinuitatenmanagements auch

fUr osteuropaische Untemehmen sinnvoIl, zumal das in ehemals planwirtschaftlichen

Untemehmen keine Rolle gespielt hat.

25

Page 41: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

2.2.2.2.2 Ideeo itir die Proze8- nod Strukturtraosformatioo

Wenn das Innovationsproblem erkannt ist, miissen Ideen zur Losung gefunden werden.

Kreativitat, die Flihigkeit Neues zu finden, ist gefragt. Eine Klassifizierung von Kreati­

vitatstechniken bietet sich an, urn die Ideenfmdung situationsabhangig gezielt anzuge­

hen (GESCHKA, LAUDEL 1992, 70):

• Ideengenerierung durch Forderung der Intuition oder systematisches Vorgehen,

• Ideengenerierung durch Abwandlung vorliegender Losungsansatze oder durch Kon­

frontation mit scheinbar problemfremden Wahrnehmungen.

Tab. 4 gibt einen Uberblick iiber verschiedene Methoden der Ideenfindung.

Tab. 4: Methoden der Ideenfindung (GESCHKA 1986, 150)

Vorgehensprinzip zur Ideenausl6sendes Prinzip Kreativitatsforderung Verbindung Gegeniiberstellung

Verstarkung der Intuition intuitive Assoziation intuitive Konfrontation

• wechselseitige Assoziation Brainstorming • Reizwortanalyse • Analogiebildung • klassisches Brainstorming • Exkursionssynektik • spontane Eingebung • Schwachstellen-Brainstorming • Bildmappen-Brainwriting

• Parallel-Brainstorming • Visuelle Konfrontation in der Gruppe • Semantische Intuition

Brainwriting • Methode 635 • Ringtauschtechnik • Brainwriting-Pool • Kartenumlauftechnik • Galerie-Methode • Ideen-Delph i

Systemalisch-analytisches systematische Abwandlung systematische Konfrontation Vorgehen • Morphologisches Tableau • Morphologische Matrix

• Ordnung der • Sequentielles Tableau • Systematische Reizobjektermittlung Problemelemente • Sequentielle Morphologie

• Kombinalion der • Modifizierende Morphologie Losungselemente (Attribute Usting)

• Variation der • Progressive Abstraklion

· Losungselemente Gezielte Lenkung der DenkvorQanQe

Techniken der Ideenfindung werden bisher fast nur fUr Produktinnovationen angewandt.

Sie sind aber auch fUr Struktur-lProzeBinnovationen, insbesondere die Transformation,

erfolgversprechend. Allerdings finden sich besonders in osteuropaischen Transformati­

onsuntemehmen Barrieren gegen die Anwendung von Kreativitatstechniken:

• Nutzen nicht unmittelbar einsichtig, Management erwartet sofortige Erfolge,

• inadequate Einstellung gegeniiber Gruppenarbeit, autoritarer Fiihrungsstil und

• Verfahrensregeln der Kreativitatstechniken widersprechen eingefahrenen Verhal­

tensmustem.

26

Page 42: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Synektische Methoden stellen die hOchsten Anspriiche an die Teilnehmenden. Dazu

notwendige untemehmensexteme Schulungen sind in Osteuropa wenig realistisch. Ein

weiteres, speziell in Osteuropa virulentes Problem ist, daB hierarchisch heterogen auf­

gebaute Gruppen Hemmungen bei der Durchfiihrung zeigen.

2.2.2.2.3 Auswahl der Ideen

Die vorliegenden Transformationsideen werden in einem ersten "Screening" auf poten­

tiell erfolgreiche Ideen reduziert. Die verbleibenden Ideen werden einer Wertanalyse

(auch aus Kundensicht) unterzogen und in einer abschlieBenden Feasibilitystudie auf

Wirtschaftlichkeit gepriift (TROMMSDORFF 1995, 5).

Die Wertanalyse dient besonders der Vermeidung von "Over-Engineering". Es sollen

die Qualitatsdimensionen eines Produktes aufgedeckt werden, die aus Kundensicht die

Funktionstiichtigkeit nicht beeintrachtigen und daher zu Gunsten geringer Kosten ent­

fallen konnen. Sinnvoll ist die Wertanalyse in Transformationsuntemehmen nicht nur

zur Vermeidung iiberfliissiger Produktleistungen, sondem auch zur systematischen, auf

Kundenbediirfnissen aufbauenden Produktmodifikation. Folgende Fragen helfen dem

Transformationsmanager, die Produktaltemativen zu analysieren (NIESCHLAG, DICHTL,

HORSCHGEN 1994, 272):

• Welche Funktionen muB das Produkt aus Kundensicht erfiillen?

• Welche Hilfsfunktionen nimmt es wahr?

• Welche Kosten verursacht es?

• 1st die Funktion des betreffende Elements unabdingbar?

• Konnte die Funktion durch ein anderes, billigeres Element ohne Funktionsbeein­

triichtigung iibemommen werden?

• Welche Kostenersparnis bringt das?

Ideen miissen nach Erfolgs- und Hygienekriterien gepriift werden. Erfolgskriterien sind

notwendig und hinreichend fUr Erfolg, Hygienekriterien nur notwendig, aber nicht hin­

reichend. Eine Formalisierung der Erfolgskriterien durch Scoringmodelle, die ohne Pro­

bleme mit der osteuropaischen Denktraditionvereinbar sind, erleichtert die Objektivie­

rung. Zu diesen gehOren beispielsweise :

27

Page 43: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• technische Machbarkeit,

• Kosten,

• Marktchancen (Marktgr6Be, -wachstum, -qualitat),

• Marktrisiken (Substitution, Kannibalisierung, Imitation durch Wettbewerb) und

• Umfeldrisiken.

2.2.2.2.4 Bestimmung der Transformationsstrategie

Bei der Strategiefindung sind tiber produktbezogene Entscheidungen hinaus gesamtun­

temehmerische Entscheidungen zu treffen. Strategische Hilfestellungen bei solchen

Grundsatzfragen gibt die Produkt-Markt-Matrix nach ANSOFF (1966) und das Schema

zur Geschaftsfelddefinition nach ABELL (1980).

Tab. 5: Ansoff-Matrix (Ansoff (1966)

aller Markl neuer Markl

alles Produkt Marktdurchdringung Marktentwicklung

neues Produkt Produklenlwicklung Diversifikation

Abgeleitet aus der strategischen

Situationsanalyse und den grund­

satzlichen Zielvorstellungen erfolgt

die Strategieentscheidung, die das

Ob und Wie der Produktinnovation

beinhaltet (TROMMSDORFF 1995, 5).

Das Wie der Produktinnovation

wird in einem weiteren Schritt spezifiziert. Hierbei hilft die Geschaftsfeldsegmentierung

mit dem Geschaftsfeld-Schema nach ABELL (1980). Eine Produktinnovationsstrategie

erfordert zugleich eine Entscheidung tiber den angestrebten Markt (Kundengruppen),

tiber die Produkteigenschaften (aus Nutzersicht, im Sinne von Problem16sungen) und

die dafiir ben6tigten Technologien und Kompetenzen (Skills). Das ABELL-Schema stellt

diese Entscheidungsaltemativen bildlich dar.

Zu den gesamtuntemehmerischen Entscheidungen, die Transformationsmanager in die­

ser Phase zu treffen haben, geh6rt die Formulierung einer Untemehmensphilosophie. In

ihr spiegelt sich ein Minimalkonsens der Werthaltungen aller beteiligten Transformati­

onspartner wider (FRITZ 1992,156; ROGGEBERG 1995,34).

28

Page 44: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Produkteigenschaiten

z.B. Obertragungs­qualitiit

Technologien

Institute

Kundengruppen I

Handel I

Abb. 9: Geschafts(eldsegmentierung nach ABELL (1980) mit fiktivem Beispiel

2.2.2.2.5 Operationalisierung der Transformationsstrategie

Die ausformulierte Strategie, bestehend aus urnfassenden Entscheidungen wie Make-or­

Buy- undloder Kooperationsentscheidungen, wird technisch und organisatorisch opera­

tiona1isiert (TROMMSDORFF et al. 1995, Iff). Insbesondere wird die F&E-Abtei1ung mit

der Konstruktion und die Marketingabtei1ung mit der Marktvorbereitung befa13t. Die

Gestaltungsvariablen des Marketing (produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distribu­

tionspolitik) werden untereinander abgestimmt.

2.2.2.2.6 Diffusion und Umsetzung der Transformationsstrategie

Am Ende des Innovationsprozesses steht die Umsetzung und Durchsetzung, insbesonde­

re die Einfiihrung der neuen Produkte am Markt und die Realisierung der Prozel3-

IStrukturinnovation im Untemehmen. Fiir die Marktdurchsetzung hat der Diffusionspro­

zel3 (Ausbreitung einer Innovation in einem sozialen System) herausragende Bedeutung.

Wahrend im Marketing die Diffusionstheorie nur marktseitig angewendet wird, kann sie

im Transfromationsprozel3 auch und zuvorderst auf das sozia1e System "Untemehmen"

angewendet werden. Betei1igte an diesem DiffusionsprozeB sind Anbieter, Meinungs­

fuhrer, Diffusionsagenten und Adoptoren. Meinungsfiihrer und spielen marktseitig und

untemehmensintem eine zentra1e Rolle im DiffusionsprozeB. Sie haben EinfluB auf Ein­

stellungen, Meinungen und Verha1tensweisen der von der Innovation betroffenen Grup-

29

Page 45: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

penmitglieder und mtissen mit Hilfe von Promotoren durch interne und externe Kom­

munikationsmaBnahmen besonders angesprochen werden.

Widerstiinde, Barrieren und Hemmnisse behindern die Durchsetzung der Innovation

(HAUSCHILDT 1993, 90ff.). VANDERMERWE (1995) beschreibt die Widerstande gegen

Transformationen mit Hilfe der Erkenntnisse der Diffusion von Neuprodukten. Auch

Partizipation im TransformationsprozeB ist mit dem Diffusionsphasenkonzept darstell­

bar (V ANDERMERWE 1995, 87).

2,5%

Innovators Opinion Early Late Laggards leaders acceptors acceptors

Diffusion der Transformation bei den Mitarbeitem

Abb. 10: Partizipation und Kategorisierung von Transformationsbeteiligten (in Anlehnung an VANDERMERWE 1995,88)

Die Typisierung und die empirisch gewonnenen Daten beruhen auf einer Untersuchung

tiber Verhalten von Unternehmensmitgliedern im Verlaufe von Veranderungen in west­

lichen Unternehmen (VANDERMERWE 1995,88). Vergleichbare Befunde sind bei der

Untersuchung in osteuropruschen Transformationsunternehmen zu erwarten.

Auch zur Aufrechterhaltung der Innovativitat nach dem Transformationsanschub sind

hohe Anforderungen an die Beteiligten gestellt. Personelle, soziale und organisatorische

Erfolgsbedingungen der Innovation, und damit auch der Transformation hat

DREESMANN (1994, 63) zusammengestellt.

30

Page 46: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 6: Kompetenzbedingungen fiir Innovationsprojekte

Bedingungs- Fachliche PersOnliche Konstrukuve Soziale Methoden Partizipative ebene Kompetenz Kompetenz Kompetenz Kompetenz Kompetenz Kompetenz

Individuum Qualifikation Reife, emotia- Intelligenz Offenheil, Methoden Verantwortung, Wissen nale Slabllitat Kreativilat Kommunikati- Instrumente Entscheidungs-Erfahrung Flexibilitat ons-!Koope- Verfahren wille, Mitwir-

rationsbereit- kung schaft

Soziales Qualifika- Gruppenidenti- Erfahrungs- Unterstiizung Funktionaler Aktivitats-Umfeld tionsniveau fikation mil

Innovation austausch Arbeilsstil orientierung

Organisalo- Qualiftka- Innovations- Informations- Partizipativer Projekl- Entscheidungs-rischer tionsanfor- kultur management Fiihrungsstil management freiraum Rahmen derungen Innovations- Komplexilat Nutzen Gestaltbarkeil Soziale Wir- Systematik Beherrsch-system kung barkeit

2.2.2.2.7 Phaseniibergreifende Probleme bei Transformationsprozessen

Ein typisches phaseniibergreifendes Transforrnationsproblem ist das Zeitrisiko, da der

Zeitbedarf der Tatigkeiten in den Phasen schwer prognostizierbar ist. Zeitiiberschreitun­

gen fuhren zu uberrniiBiger personeller und finanzieller Bindung von Ressourcen, zu

spater Wettbewerbsfahigkeit, frtihzeitigem Aufkommen von Wettbewerbern und ErhO­

hung des innerbetrieblichen Widerstands gegen die Veriinderung. Als Folge der kom­

plex vernetzten Entwicklungen im transforrnierenden System kommt es wiihrend des

gesamten Prozesses zu Unsicherheiten, Risiken und Konflikten (SITTER 1995, 50).

Die Theorie des Innovationsmanagement liefert Erklarungen fur das Entstehen und den

Abbau von Transforrnationshemmnissen (NIEDER, ZIMMERMANN 1992, 374). Tab. 7

zeigt phasenspezifische Hemmnisse und Risiken, wobei die Transforrnationsphasen hier

auf vier Hauptphasen komprimiert sind. Die Bewaltigung dieser Risiken verteilt sich bei

Transforrnationen auf das gesamte Unternehmen (BACHMANN, MOLL 1992, 251).

31

Page 47: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 7: Hemmnisse und Risiken wiihren der Transformationsphasen (in Antehnung an BITZER

1990,258; CHMIELEWICZ 1991, 87; DLUGOS 1991, 67; ZWEIPFENNIG 1991,6)

Ideen fur die Proze~- Beslimmung der Operationalisierung der Umsetzung der und Strukturtrans- T ransforma- Transformationsstrategie T ransforma-

fomation lionsstrategie tionsstrategie personale fehlende Kreativitiit, Bereichsdenken, mangelnde technische Widersliinde der von Hemmnis· schlechtes Untemeh- Neid, MiBgunst Qualifikation Veriinderungen be-seiRisiken mens klima troffenen Milarbeiter organisatori- hiiufige Sterungen, unflexible, transfor- Koordinationsprobleme fehlende organisatori-sche Hemm- keine transformations· mationsunfreundliche der zusammenarbeiten- sche Voraussetzungen n isseiRi siken freundliche Atmosphii- Kommunikati- den Bereiche zwischen Veranda-

re, kein Einsatz von onsstruktur rungsplanem und -Innovationslechniken, umsetzem keine Weiterbildungs-ma~nahmen

technische kein Einsatz von ungenugende Pra- verallele, unzureichende Schniltstellenprobleme Hemmnissel Innovationstechniken sentations-medien fur Ausstaltung mit vorh. Technologi-Risiken Ergebnisse oder en, mangel haft vorbe-

Vorschliige reitete Mitarbeiter finanzielle fehlende finanzielle ~ein Anreizsystem bei finanzielle Engpiisse bei unvorhergesehene Hemmnissel Anreize fur kreati ve UbemahmeiAnnahme Realisierung, IIIiquiditiit, Kosten und Umfeld-Risiken Mitarbeiter, Finanzbe- der Veriinderungen, Konkursgefahr entwicl<lungen, llliqui·

dart ex-ante nichl Finanzbedart ex-ante ditiit, Konkursgefahr abschiitzbar schwer abschatzbar

Personale Transformationshemmnisse und denkbare Abbaumoglichkeiten stellt Tab. 8

dar.

Tab. 8: Personate Transformationshemmnisse und Abbaumoglichkeiten (eigene DarsteIIung nach Hauschildt 1993)

Hemmnisart Hemmnis- Hemmnis- MaBnahmen zum Abbau personaler Hemmnisse iiul!.erung ursachen EinzelmaBnahmen iibergreifende MaBnahmen

F iihigkeitsbarriere: kein Wissen zu wenig Bildung, zu Verbesserung von • Aus-, Fort-, ==- nich! kennen wenig Information Information und Wei!erbildung

Kommunikation F ahigkeitsbarriere keine festhallen an Gewohn- Anwendung von • Seminare, Work-==- nichl kennen Kreativiliit tem, Tabus und Werten, Kreativitiitstechniken shops, Zirkel

blockieren Bereitschafts- keine kein Interesse, kein [nformation, Partizipation, • Motiva!oren barriere Motivation Impuls, kein Bediirfnis, Pramiensysteme, => nicht wollen keine Akzeptanz Fiihrungsgrundsatze • Promotoren Berei!schafts- keine Furcht, Angst .kein Verlierer", Einsatz barriere Sicherheil von Hygienefaktoren, • Hygienefaktoren => nichl wagen Einsatz der Psychoiogie

Jede Verlinderung ist Chance und Bedrohung fUr die Mitarbeiter (RUEPP 1993, 27). In

dieser Situation sind "Agenten des Wandels", "Change Agents" oder "Transformations-

32

Page 48: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

agenten" hilfreich, die das Transformationsprojekt gemeinsam mit den beteiligten Mit­

arbeitem steuem und unterstUtzen. Die Mitarbeiter sollen sich von bisherigen Auffas­

sungen, Werten und Erfahrungen losen und schnell neue Kompetenzen, Initiativen und

innovative Aktivitaten zeigen, obwohl sie die Bedrohung ihrer Arbeitsplatze erleben

und ihre bisherigen Netzwerke zusammenbrechen (v. ROSENSTIEL 1994, 6f.).

WITTE (1973) hat im Rahmen seiner groBen Untersuchung zum Innovationsmanage­

ment ein Konzept zur Uberwindung und Handhabung von Widerstiinden entwickelt, das

Promotorenmodell. Promotoren sind Personen im Untemehmen, die

• den InnovationsprozeB starten und aktiv fcirdem,

• sich mit personlichem Engagement einsetzen,

• ihr Aktivitatsniveau nicht absinken lassen und

• eng mit dem Team zusammenarbeiten.

Vertiefende Literatur findet sich bei WITTE 1976, 1988; HAUSCHILDT, CHAKRABARTI

1988; HAUSCHILDT 1989,1993; BITZER, POPPE 1993; GEMUNDEN, WALTER 1995.

Nicht nur sachlich-technische Hindernisse erschweren den VeriinderungsprozeB, ergiinzt

und verstarkt werden sie durch personelle Hindernisse. Yom Wandel betroffene

"Opponenten" spielen die Rolle des Verhinderers. Ihren Widerstand konnen

"Promotoren" iiberwinden. Nach ihren EinfluBquellen werden verschiedene Typen von

Promotoren definiert (vgl. Tab. 9).

Tab. 9: Typen und Machtquellen von Transformationspromotoren (in AnIehnung an HAUSCHILDT,

CHAKRABARTlI988, 383; GEMUNDEN, WALTER 1995, 975)

Machtpromotor Fachpromotor ProzeBpromotor

• gegen Willensbarrieren • gegen Fahigkeitsbarrieren • gegen Strukturbarrieren • hierarchisch oben • hat Expertenwissen • hat Organisationskenntnis • gibt Ressourcen • enlwickelt A1ternativen • kennt aile Wichtigen Leute • setzt Prioritaten • kennt kritische Details • schaff! Verbindungen • blockert Opposition • beurteilt externe Losungen • iiberbnickt Sprachbarrieren • Personalentscheidungen • realisiert Konzepte • planVorganisiert den Ablauf

In Erganzung zu diesen drei Promotorentypen existiert ein Beziehungspromotor, der

inter-organisationelle Promotoraufgaben wahrnimmt. Dieser nutzt ein vorhandenes

Netzwerk und besitzt die Fiihigkeiten, neue Netzwerkbeziehungen aufzubauen.

33

Page 49: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Promotoren konnen Innovationswiderstiinde u.a. dadurch iiberwinden, daB sie Oppo­

nenten in den VeranderungsprozeB einbinden (WITTE 1976, 324, KALUZA 1982, 408).

Opponenten

• wehren sich gegen Veranderungen,

• schaffen organisatorische Oppositionsfelder,

• verzogem / verhindem den InnovationsprozeB,

• bleiben im Hintergrund,

• decken Informationsliicken auf,

• antizipieren Widerstande und Risiken und

• stellen Wirksamkeit der MaBnahmen in Frage.

WITTE unterscheidet fiinf empirisch signifikante Promotoren-Strukturen, die Gespann­

struktur, einseitige Machtpromotoren, einseitige Fachpromotoren, Personalunion von

Fach- und Machtpromotoren und Strukturen ohne Promotoren. Empirische Befunde

zeigen eine hohe Uberlegenheit der Gespann-Struktur (WITTE 1973, 19ff.). Die am

TransformationsprozeB beteiligten Gruppen unterscheiden sich durch ihr Unterstiit­

zungs- bzw. Widerstandsverhalten. Je nachdem, ob sie einen unterstiitzenden oder

hemmenden EinfluB haben, kann das Promotoren- und das Opponenten-Gespann un­

terschieden werden. Organisatorische MaBnahmen konnen Promotoren-Strukturen for­

dem, insbesondere individuelle Freiraume, Teamarbeit und spezifische Kommunikati­

ons- und Kooperationsformen fUr Promotoren.

In ehemalig planwirtschaftlichen Organisationen sind ausgepragte Promotorenstruktu­

ren vorhanden, nicht nur in Form von "Seilschaften". Es ist eine Herausforderung des

Transformationsmanagements, sie zu erkennen und transformationsforderliche Teile

solcher Strukturen zu nutzen und hinderliche Strukturen zu beseitigen.

2.2.2.3 Business Reengineering

Modemes, westliches Management wurde und wird in Osteuropa vielfach als Allheil­

mittel fUr aile anstehenden Transformationsprobleme gesehen, nicht nur von einheimi­

schen Untemehmen, auch von westlichen Untemehmensberatem und Managementtrai­

nem (PIEPER 1993, If.). Fiir keinen Managementansatz gilt dies so wie fUr das Business

Reengineering, das zu Beginn der 90er Jahre, zeitgleich mit den ersten Transformati-

34

Page 50: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

onsbemiihungen in Osteuropa, popular wurde (WOMACK, JONES 1991; HAMMER,

CHAMPY 1995; CHAMPY 1995; HAMMER 1995).

Business Reengineering soIl helfen, dem Wandel oder den Veranderungen der Unter­

nehmensumwelt, die auf die Unternehmen einwirken, durch radikales Umdenken und

Verhaltensanderung der Mitarbeiter zu begegnen. Dazu soIlen die geschiiftlichen Pro­

zesse fundamental iiberdacht und umgeformt werden mit den Zielen Kostensenkung,

Qualitatssteigerung, Serviceverbesserung und Effizienzsteigerung.

Wichtigste Elemente des Business Reengineering sind a) die ProzeBorientierung, u.a.

durch ProzeBverantwortliche und ProzeBteams (GAITANIDES 1994, OSTERLOH, FROST

1994, HAMMER, CHAMPY 1995), b) der Abbau von Innovationswiderstanden (MORRIS,

BRANDON 1994), c) der Einsatz von Promotoren ("Leader") (DIXON 1995), und d) einer

Projektorganisation fUr die Umsetzung des Reengineering.

HAMMER und CHAMPY (1995, 16) sind der Uberzeugung, daB Business Reengineering

in kleinen, vorsichtigen Schritten nicht zu verwirklichen ist. Neben diesem radikalen

Ansatz, mit der "Cowboymentalitat" Veranderungen schnell und bedingungslos durch­

zufiihren (SERVATIUS 1994b, 11), wird eine gemiiBigtere Variante, das evolutionare Re­

engineering, diskutiert.

Radikale umgestaltung von Schliisselprozessen

VOIIlandene lItruklur iindert slch scMt\weise

Business Reengineeri1g

RadOOiie Vemnderungen

EvokJIorische Managemenlansalze

Kontinuief1iche Veroesserungen

Abb. 11: EvoIutionlires Business Reengineering (nach SERVATIVS 1994b, 12)

35

Page 51: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Veriinderungen sollen beim evolutionaren Reengineering nicht radikal in Quanten­

spriingen erfolgen, sondem in einem kontinuierlichen, andauemden ProzeB. Das Ziel

der Kosten-, Qualitats-, Service- und Innovationsf'iihrerschaft wird jedoch auch beim

evolutionaren Reengineering angestrebt. Die Aufgabe, neue, am Kunden ausgerichtete

Untemehmensprozesse aufzubauen, urn wettbewerbsstark aufzutreten, ist oberstes Ziel

des evolutionaren Reengineering. Nur bei der Losung dieser Aufgabe unterscheidet sich

das evolutionare Reengineering yom Business Reengineering. Abb. 11 zeigt, wo das

evolutionare Reengineering zwischen dem klassischen Reengineering und den (noch

vorzustellenden) evolutionstheoretischen Ansatzen einzuordnen ist.

Tab. 10: Gedanken- und Umsetzungsschritte eines Business-Reengineering-Projekts

SERVATIUS 1994 HAMMER 1995 KonER 1995

1. Schrilt

2. Schrilt

3. Schrilt

4. Schritl

5. Schrilt

6. Schrilt

7. Schrilt

8. Schrilt

Die Reengineering-Ansatze sind fur westliche Untemehmensurnstrukturierungen ent­

wickelt worden. Das gilt insbesondere fur die wiederkehrende Forderung nach einem

36

Page 52: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

effizienteren Informationsmanagement, so daB eine vollige Ubertragung der Konzepte

auf Osteuropa zweifelhaft erscheint. Da die Literatur kein einheitliches Vorgehen fur die

Umsetzung eines Business-Reengineering-Projekts vorschUigt, werden in Tab. 10 ver­

schiedene verstreut vorliegende Gedanken- und Umsetzungsschritte gegeniibergestellt.

2.2.2.4 Evolutionstheoretisch gepriigte Managementansiitze

Traditionelle Managementkonzepte und deren Weiterentwicklungen gehen auf die klas­

sische Betriebswirtschaftslehre mit Gutenbergs faktortheoretischem Ansatz zurUck.

Ausgehend yom Rationalprinzip wurde dem dispositiven Faktor (Untemehmens­

fiihrung) die Aufgabe zugewiesen, eine optimale Kombination der drei Elementarfakto­

ren Werkstoffe, Arbeits- und Betriebsmittel zu planen und diese organisatorisch­

gestalterisch umzusetzen. Diese mechanistische Systemkonzeption hat den impliziten

Anspruch auf exakte Ergebnisse mit Hilfe mathematischer Methoden. Daran wird zu­

nachst kritisiert, daB eine exakte Steuerung des Untemehmens durch Planung anhand

von funktionalen Wirkungsmechanismen nicht moglich ist (GRIMM 1994, 17f.). Ent­

sprechende Kritik findet sich in der Forderung 'nach einem Paradigmawechsel von der

Tradition des mechanistischen Ursache-Wirkung-Denkens hin zu einer Sicht offener

sozialer Systeme, die dem EvolutionsprozeB unterworfen sind (OESER 1989, 8).

Der traditionelle PlanungsprozeB mit den Managementaufgaben Zielformulierung, Pla­

nung, Entscheidung, Durchfiihrung und Kontrolle wird als defizitar beschrieben. Be­

griindet wird diese Kritik mit einem zu wenig prazisen Informationsstand, impliziten

Pramissen bei der Altemativenherleitung, dubiosen Ursache-Wirkungs-Beziehungen

und der Gefahr der "Paralyse durch Analyse" im Bemiihen, die zunehmend turbulente

Umwelt einzubeziehen. Eine starre Planung sei existenzbedrohend fur das Untemeh­

men, weil sie Flexibilitatspotentiale verhindere (GRIMM 1994, 19f.). Diese Kritikpunkte,

die in einem im Vergleich zur osteurop1iischen Dynamik noch recht stabilen Umfeld

entstanden, ermutigen eine evolutionstheoretische Betrachtung der Transformationspro­

zesse in Osteuropa. Die starre und die evolutorische Sicht sind jedoch nicht substitutiv,

sondem komplementar (BLEICHER 1995, 14).

Zu den Evolutorischen Managementansatzen zahlt die angewandte Chaostheorie

(PINKWART 1993; SERVATIUS 1994a, b), die Fortschrittsorientierung (KIRSCH 1990,

37

Page 53: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

STRASSER 1991), der St. Gallener Ansatz (HAYEK 1972; SPRONGLI 1981; PROBST 1985;

ULRICH, PROBST 1988; MALIK 1993), das entwicklungsorientierte Management

(PROBST, NAUJOCKS 1993; KLIMECKI, PROBST, EBERL 1994), das lernfahige Untemeh­

men (HOFBAUER 1992) und die Globale Orientierung (LAZLO 1992; LEONHARDT 1994).

Wiederkehrende Forderungen sind untemehmerische Flexibilitat und Lernfahigkeit.

Gestaltungsempfehlungen fUr innovationsfreundliche, lemende Organisationen

(KOHLER 1991; SATTELBERGER 1991; WOLFRUM 1994) sind auf Transformationsunter­

nehmen iibertragbar. 1m Zusammenhang mit dem organisationalen Lemen werden

selbstorganisierende Prozesse favorisiert (GOMEZ 1990; WELTZ 1992; DOSI 1993). Tab.

11 zeigt verschiedene Arten organisatorischen Lemens.

Tab. 11: Arten organisatorischen Lernens (eigene Darstellung)

Zielsetzung der Typ des organisa- Lemstimuli Lemergebnisse Lemmechanismus Organisation torischen Lemens

Regeln intemer Organisations- Neuartige Proble- Intemes Justieren Reformulierung von Akti-Angelegenheiten anderung me 1m Sinne von liel: Kongruenz von on-Resultat-Bezieh u n gen und Operationen (,change') ,performance Verhalten mit Zielen, (auf Grundlage vorhande-

gaps' Standards, Quoten etc. ner Fahigkeiten der Orga-nisation)

Uberleben in der Organisations- Verwfrrendes Anpassung als liel der Akzeptanz neuer strategi-Umwelt entwicklung ,Puzzle' im Rah- Balance des Untemeh- scher Annahmen (durch

(,developmenr) men der Unter- mens mit der sich an- Umfeld-Monitoring und nehmenlUmweltbe demden relevanten strategische Neuorientie-ziehung Umwelt rung)

Vorbereitung auf Organisations- Schmerzhafte Antizipation der wahr- Vision eines neuen Kul-eine mOgliche transformation Anomalien scheinlichen lukunft turkems (durch Umgang lukunft durch Anderung von mit Unbekanntem)

Chara.kter bzw. Kultur der Organisation

2.2.2.5 Organisationstheoretische Ansiitze

Der organisationale Wandel ist traditionell Gegenstand organisationstheoretischer

Uberlegungen. In Tab. 12 werden einige zentrale Ansatze zur Beschreibung von Unter­

nehmensveranderungen vorgestellt.

38

Page 54: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 12: Ansiitze organisationstheoretischer Transformationsforschung

Ausgangspunkt Annahmen I Hypothesen 8ewahrung Populatic?" Ecology • Historische. poIitische sozio-Okonomische und marl<tliche In mehreren Studien

HANNAN, Ansatz: Uber!eben F aktoren determinieren die Organisationsfonnen, denen ein weiterentwickelt, FREEMAN ist von extemem Fit strukturelles BenarrungsvennOgen immanent ist ganzheiUichere Sicht-

1977, 1984 der Organisation al>- • Starmen ist Ergebnis intemer sunk costs, vorhandener weise hat sich durch-hangig, Untersu- KommunikationsstJUkturen und Nonnen gesetzt, Wechselwir· chung v. Entstehung • Untemehmen sehen sich Stabilitaiserwartungen ihter Um· kungen zwischen und Niedergang von welt gegenliber. die sie erflillen mlissen, Umwelt und Unter· Oi!l3l1isaUonen • Deterministisches Verhaltnis 'M. Organisation und UmweH nehmen zulas~ Konsistenzansatz: • 1m Gegensatz zur kootingenztheoreUschen Forderung nach Mehrere Studien

MILLER, Mit Hille von Typo- schrittweisem Wandel (piecemeal change), wird radlkaler FRIESEN logien soil die Viel· Wandel (quantum change) favorisiert, troll erhOhter Orga-

1984 fait bestehender nisationskosten Organisationstypeo • Argumente gegen inkrementalen Wandel: Wandel nur reduziert werden v()((ibergehend, Desintegration, Widerstand (kognitiv, poIi·

tisch). OrganisaUonen besitzen momentum (Festhalten an bestehenden StJUkturen), das nur radikal zu andem ist

LEVY, MERRY Konsistenzansatz, Unterscheidung In planned change und second order change. Fallbeisplelhafte 1986 explizit organisaUo- Change benuht meis! nichl auf geplanten und explizit lormu· Oberpnifung

nale Transformation lierten Strategien. Second order change ist ein mulUdimen· sionaler, multilevel, qualitativer, diskontinuierticher, radikaler

I organisationeller Wandel Punctuated equili- 1.) OT tritt meist in kurzen, diskontinuierlichen Phasen des Hypolhesen wurden brium: Gleichge- Wandels auf emplrisch anhand

ROMANELU, wichtsmodell, in 2.) Kleine Veranderungen organisationaler Aktivitaten resul· einer Lebenszyklu·

TUSHMAN dem nach SICirungen Ueren nicht in einer fundamenlalen OT sanalyse von 25

1994 ein neues Gleich- 3.) Starke EinbuBen der kurzfristigen Performance einer Minicomputer-gewicht angestrebt Organisation fUhren eher zu einer radikalen OT herstellem in den wird, Unlersuchung 4.) GroBe Veranderungen im Umfeld einer Organisation USA untersucht radikaler Organisa- fUhren eher zu einer revolutionaren OT tionstransformation 5.) EinfUhrung eines neuen CEO erh6ht die Wahrscheinlich-

Hon kelt einer revolutionaren OT Proaktlve, marl<lin· Modellkomponenten: S·Kurvenkonzept, versch. Slufen der T.

VANDERMERWE duzierte Transfor· unterscheiden, Widerstanden mit dem Diffusionskonzept der 1995 mation. antizipaUve Produklinnovalion begegnen.lnhalt AntizlpaUve Transfor·

und reakUve mation (An ist essentiell fUr Marl<tfiihrer, Lemen zu Verges-Transformation sen, T.·prozesse haben 3 T.·Stufen: Aufregung, Schulung, In·

tegration, mit spezifischen Aufgaben, Nutzung des Diffusions· kon~ts zur Kalegorisierung von Transformationsbeleiligten

Ambidextrous Anforderung: Fiihigkeit, inkrementalen und revolutioniiren F allbeisplelhafte TUSHMAN, organization: Unler· Wandel zu gestalten, erfordert gegensatzliche Strukturen und Oberpriifung O'REILLY suchung inkremen· Prozesse in derselben Firma,

1996 talen und revolutio- Autonome Gruppen installieren, Anpassung der Unlemeh-naren Wandels. menskultur an die geforderte Aufgabenstellung (light-Joose-Ausgangspunkt ist Aspekt), Lemprinzip der Organisalion: Variation, Selektion, eine bestehende Retention Erfolgsposition Hauplproblem: Bereilschaft zur Kannibalisierung eigener

Produkte Prozesse Nutzung des Pro- • Prinzlpien eines PM sind universell anwendbar ,Management by jektmanagements • Problem der Entbilrokratisierung von Unlemehmen mit Hille Projects' ist prakUsch

PARTINGTON (PM) hir Produktin· der bestehenden Strukturen bedeulend, aber

1996 novationen, Be- • PM·TooIs: Proceduren: fUr die Aufrechlerhaltung eines theoretisch wenig schreibung inkre- best. Standards Plan ung: ein best. liel in einer best. ZeU. fundiert menlalen Unter· Mil best. Ressourcen erlangen, Definition des P. Ressour· nehmenswandels, cenallokatlon: P. mGssen unlemehmensintem um Res· PM als Basis eines sourcen kiimpfen Kontrolle: I.S.v. Feedback·Analysen Fo-Wandel manage- kus auf Events: Meilensteine miissen angepeill werden menls (PERT, CPM nutzen)

39

Page 55: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der Ansatz des "Management by Project" (PARTINGTON 1996) ist dem in dieser Unter­

suchung gewlihlten Transformationsphasenvorgehen lihnlich. Die zu definierenden Pro­

jektkriterien (Ressourceneinsatz und Meilensteine) sind in ihrer Spezifitiit (MEYER

1994, 95f.) jedoch fur die Formulierung eines Transformationsprojekts zu streng. Das

Projektmanagement genugt den Anforderungen an Flexibilitat und Reagibilitat eines

Transformationsprozesses nicht. Innerhalb einzelner Transformationsphasen sind Pro­

jektmanagementtechniken allerdings vorteilhaft.

Ein weiteres Argument gegen die Nutzung eines phasen- und bereichsubergreifenden

Projektmanagement in ehemals planwirtschaftlichen Untemehmen ist der Widerstand

der Generaldirektoren gegen die Abtretung von Kompetenz, die fur das Projektmana­

gement essentiell ist. SHAW, FISHER und RANDOLPH (1991) haben die Auswirkungen

von Hierarchieabbau in Untemehmen der ehemaligen Sowjetunion und bei dem ameri­

kanischen Telekommunikationsuntemehmen AT&T untersucht. Ergebnis dieser Unter­

suchung war, daB die Wahrscheinlichkeit von Widerstand gegen das Projektmanage­

ment um so gro/3er ist, je langer ein Untemehmen von extemem Wettbewerb ausge­

schlossen war. Das ist bei osteuropaischen Transformationsuntemehmen die Regel

(SALMI 1996,41).

Weitere organisationstheoretische Ansatze sind gut fundiert und im westlichen Kontext

empirisch uberpriU't (ROMANELLI, TUSHMAN 1994, 1141ff.; TUSHMAN, O'REILY 1996,

9ff.). Fur osteuropaische Transformationsprobleme lassen sich Anregungen aus ihnen

ableiten. Dazu gehoren die schon auf makrookonomischer Ebene diskutierte Frage der

betrieblichen Transformationsgeschwindigkeit (z.B. Kontingenz- und Konsistenzansat­

ze) und das bei den meisten Untemehmen anzutreffende Effizienz-Effektivitats­

Dilemma: Transformationsuntemehmen sehen sich einem Dilemma operativ iiberle­

bensnotwendiger und strategisch wUnschenswerter Entscheidungen gegenuber. Das Ma­

nagement osteuropaischer Untemehmen ist hiiufig durch Unsicherheit, Orientierungs­

mangel und kurzfristige Aktionen gekennzeichnet. Veranderungen der Umfeldfaktoren

wird eher reaktiv als antizipativ begegnet. Diskontinuitatenmanagement findet nicht

statt, kurzfristig notwendige MaBnahmen dominieren. Die Entwicklung von Strategien

fur langfristige Erfolgspotentiale spielt kaum eine Rolle.

40

Page 56: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Abgesehen von den transformationsimmanenten Umfeldproblemen stehen mangelnde

Effizienz und Effektivitat einer betrieblichen Transformation im Wege: Planwirtschaft­

liche zentralistische Strukturen, hierarchisches Denken, eine bloB reaktive Haltung, die

traditionelle Mengen- und Produktionsorientierung, veraltete Produktionsanlagen und

mangelnde Motivation, unbefriedigende Produkte und Leistungen. Es gibt kaum Markt­

forschung zur Ermittlung der Zielkundenwiinsche. Marketing war unter Verkaufer­

marktbedingungen unnotig, seine Entwicklung ware eine effektive Investition, wfude

aber zunachst den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg beeintrachtigen (HEIMERL­

WAGNER 1994, 346).

Zusammenfassend lautet das Dilemma: Effektivitatssteigernde MaBnahmen zur Verrin­

gerung des internen Selektionsdrucks (Widerstand der bestehenden Strukturen) wie De­

zentralisierung, Marktorientierung, Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen erfordern In­

vestitionsmitte1, die kaum zur Verfiigung stehen. Effizienzsteigernde MaBnahmen wie

Rationalisierung und Kostensenkung erhOhen den internen Selektionsdruck und gefalrr­

den die Motivation (HANNAN, FREEMAN 1977, 930). Neben den internen Selektions­

druck tritt starker externer Selektionsdruck insbesondere durch den Zusammenbruch

von Absatzmarkten. Er ist um so groBer, je dynamischer die Umfeldveranderungen sind.

Transformationsunternehmen haben in dieser Situation die strategischen Optionen der

Effektivitats- und der Effizienznotwendigkeiten auszuwiihlen und kOJ11binieren.

• Senkung des externen Selektionsdrucks bei konstantem kurzfristigen internen Selek­

tionsdruck (Effizienzsteigerung)

• Senkung des internen Selektionsdrucks bei konstantem kurzfristigen externen Selek­

tionsdruck (Effektivitatssteigerung)

• Kombination aus beiden.

Abb. 12 zeigt vier stratgeische Verhaltenstypen aus diesen beiden Optionen. MILES und

SNOW (1986) gehen von der These aus, daB sich Reactor-Organisationen, wie sie haupt­

sachlich in Osteuropa anzutreffen sind, an einem der drei anderen Typen (Defender,

Prospector, Analyzer) orientiert sein mfissen.

41

Page 57: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

hoch DEFENDER

effizienzorientierte Organisationen

o Transfonnation: Etablierung in stabiler

Nische ....

REACTOR ....

/--~ .. .. Kombination aus 0 und f)

.l trategische meuerung E

intemer Selektions­

druck ANALYZER

" PROSPECTOR ~ Ir

Innovation als iangfristige effektivitatsorientierte Existenzsicherung Organisationen

niedrig

niedrig eidemer Selektionsdruck hoch

Abb. 12: Strategische Traosformatioosoptiooeo (oach HEIMERL-WAGNER 1994,352)

Eine ahnliche Typologie der in der vorliegenden Studie untersuchten Unternehmen und

den sich daraus ergebenden strategischen Implikationen wird in Abschnitt 5.3.2 und Ka­

pitel 6 vorgestellt.

Eine weitergehende Darstellung der Theorieansatze des Change Management, des Inno­

vationsmanagement, des Reengineering und des evolutorischen Management fiir Trans­

formationsprobleme osteuropliischer Unternehmen findet sich bei DRONER (1997).

2.2.3 Individuelle Transformationsansiitze

Die wirtschaftliche Transformation in Osteuropa vollzieht sich nicht nur auf der makro­

okonomischen und der betrieblichen Ebene, auch das einzelne Individuum ist im Kon­

text seines betrieblichen und privaten Umfeldes einer grundlegenden Wandlung unter­

worfen. Dabei kann von einer wechselseitigen Beeinfiussung, Forderung oder Behinde­

rung der jeweiligen Transformationsprozesse ausgegangen werden. Wenn die "Trans­

formation im Kopt" der Entscheidungstrager und Mitarbeiter nicht vollzogen wird, wer­

den betriebliche und gesellschaftliche VeranderungsmaBnahmen blockiert und konnen

weder mittel- noch langfristige Wirkungen entfalten.

Ohne die friihzeitge Einbindung der Mitarbeiter in die Umstrukturierungsplanung und

die entsprechende Vorbereitung der "Brain ware" waren auch Wandlungsprojekte auch

42

Page 58: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

in den an eine vergleichsweise hohe interne Dynamik gewohnten westlichen Unterneh­

men zum Scheitern verurteilt (WITI 1996, S. 175, TROMMSDORFF 1995, S. 1 ff.,

GMONDEN, WALTER 1995).

Die bereits in Teil 2.2.2 angesprochene Diskussion fiber Innovationswiderstande bei

Wandlungsprozessen im Rahmen des Innovationsmanagement bestiitigen ebenfalls die

groBe Rolle, die personliche Wahrnehmung, Einstellungen, Motive, Wandlungsfahigkeit

und -bereitschaft fUr den Erfolg betrieblicher Veriinderungsprozesse hat. Fiir HAU­

SCHILDT (1993) und WITI (1996, S. 22 ff.) ist beispielsweise die individuelle Verande­

rungsbereitschaft der zentrale Erfolgsfaktor fUr den kreativen ProzeB und das Gelingen

unternehmerischer ProzeBinnovationen.

1m folgenden werden fUr die vorliegende Studie ausgewiihlte Ansatze vorgestellt, die

Ebenen, Prozesse und Typen der individuellen Transformation beschreiben bzw. erkla­

renhelfen.

2.2.3.1 Ebenen der personlichen Transformation

Hauptproblem fUr die individuelle Wandlung im Rahmen einer gesellschaftlichen Sy­

stemtransformation ist die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Neuorientierung in meh­

reren Lebensbereichen, wie Beruf, Privatleben oder Konsum, und in mebreren BewuBt­

seinsebenen (bewuBtenlunbewuBten, kognitivenlemotionalen. Dabei wird eine Vielzahl

fUr die soziale Orientierung elementare Werte, Einstellungen, Vorstellungen, Kenntnisse

und Lebensstile in Frage gestellt und muB aufgrund widerspruchlicher Erfahrungen und

Informationen neu bewertet werden. Die hohe Dynamik gefahrdet zudem mUbsam ge­

wonnene Privilegien, die der Einzelne versucht, fiber auBere und innere Veranderungen

hinfiber zu retten.

Grundsatzlich konfrontiert die gesellschaftliche und betriebliche Transformation den

Einzelnen mit einer Vielzahl von Veranderungen, die fUr Ihn sowohl positive als auch

negative Konsequenzen haben konnen. Sie eroffnet gleichzeitig Freiraume und Poten­

tiale, aktiv neues Verhalten zu probieren und personliche Ziele konsequenter zu verfol­

gen als zuvor. In anderen Lebensbereichen werden solche Freiraume reduziert. Damit

43

Page 59: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

stellt sich das Problem der individuellen Transformation als multikausales Mehrebenen­

problem.

Das Schichtenmodell von DULFER (1991, 210) stellt ein Geriist fUr die Systematisierung

unterschiedlicher EinfluBfaktoren auf das Verhalten des Managers dar. Es unterteilt die

betriebliche Umwelt in konzentrische Schichten, die sich von auBen nach innen zuneh­

mend beeinflussen und in deren Zentrum der Manager mit seinem betrieblichen Inter­

aktionsumfeld steht. Die einzelnen Schichten sind:

• Natiirliche Gegebenheiten

• Stand der Realitatserkenntnis und Verfahrenstechnik

• kulturell bedingte Wertvorstellungen

• soziale Bindungen und Beziehungen

• rechtlich-politische Normen

• Interaktionspartner und Leistungsbeziehungen

• Interne Ressourcen

Innerhalb der einzelnen Schichetn werden fUr jedes Land typsiche Umfeldfaktoren iden­

tifiziert und deren EinfluB auf das Management bewertet (DULFER 1991, 198 ff.). Die

Anwendung des Schichtenmodells fUr die internationale Umfeldanalyse ermoglicht eine

systematische Darstellung typischer Faktoren fUr das Management und den internatio­

nalen Vergleich, beispielsweise zwischen den Umfeldfaktoren in China und Osteuropa

(SCHUCHARDT 1994, 303).

Obwohl das System von DULFER (1991, 210) urspriinglich fUr die Darstellung nationa­

ler Faktoren konzipiert war, die auf das Verhalten eines Auslandsmanagers wirken, ist

es auch fUr die Systematisierung von Ebenen geeignet, die den Transformationsprozel3

des Einzelnen beeinflussen, und die selbst im Bewul3tsein des Einzelnen einer Transfor­

mation unterworfen sind. Die Ebenen des Schichtenmodells konnen also allgemein als

Ebenen der individuellen Transformation verstanden werden. Dies gilt insbesondere flir

die Ebenen "Soziale Bindungen und Beziehungen" und der "kulturell bedingten Wert­

vorstellungen", mit Einschriinkungen auch fUr die Ebene "Stand der Realitatserkenntnis

und Technologie", wozu auch Sprache und Denkformen zu rechnen sind.

44

Page 60: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die in der internationalen Managementliteratur kontrovers diskutierten Kulturdimen­

sionen des Anthropologen HOFSTEDE (1993) stellen einen weiteren Ansatz fUr die Er­

mittlung kulturspezifischer Wandlungsebenen dar. Die fiinf Dimensionen fUr den inter­

kulturellen Landervergleich sind:

• Machtdistanz groB I gering

• Individualismus I Kollektivismus

• Maskulinitat I Feminitat

• Unsicherheitsvermeidung I Risikoneigung

• Europaische I Asiatische Denkformen

HOFSTEDE (1980, 1984) hatte in seiner 1993 aktualisierten empirischen Studie iiber 50

Lander in ihrer Auspragung beziiglich dieser Dimensionen bewertet und in Positionie­

rungsmodellen gegeniibergestellt. Trotz der teilweise berechtigten Kritik an der empiri­

schen Fundierung der landerspezifischen MeBwerte und der im Detail oft stark verein­

fachten Operationalisierung der Indikatoren bieten die fiinf Basisdimensionen einen

anschaulichen Rahmen fUr die qualitative Diskussion fallbezogen gewonnener explora­

torischer Daten.

2.2.3.2 Ansiitze zu personlichen Transformationsprozessen

FUr die Darstellung und Analyse der individuellen Transformationsprozesse werden im

folgenden ausgewahlte theoretische Ansatze dargestellt und bewertet.

2.2.3.2.1 Vorwissenschaftliche Ansiitze

Die personliche Wandlung als krisenhafter ObergangsprozeB von einem Zustand der

individuellen Entwicklung zu einem anderen ist eines der zentralen Themen des

Menschseins. Sie spielt daher auch in den meisten Schriften aller Traditionen zur per­

sonlichen Entwicklung eine bedeutende Rolle. Ansatze zur personlichen Wandlung und

Transformation finden sich entsprechend seit dem Altertum in einer Vielzahl von philo­

sophischen, religiosen, kiinstlerischen, mystischen und volkerkundlichen Oberlieferun­

gen nahezu aller Kulturkreise. Beispiele finden sich in agyptischen, griechischen, romi­

schen, indianischen oder asiatischen Dokumenten. GleichermaBen.

45

Page 61: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Das im asiatischen Kulturkreis verwurzelte "Buch der Wandlungen" (WING 1982) bei­

spielsweise legt (wie die Mehrzahl der europaischen Uberlieferungen) eine personliche

Entwicklung nach einem mehr oder weniger komplexen Stufenmodell zugrunde und

gibt Handlungsempfehlungen fUr die jeweiligen Phaseniibergange.

Mythen und Dramen portratieren ebenfalls menschliche Wandlungsprozesse.Auf der

Suche nach vorwissenschaftlich iiberlieferten, individuellen Transformationsansatzen

bieten sich daher Heldenmythen und -dramen an. Der Anthropologe CAMPBELL (1978)

weist interessanterweise in seinem Werk "Der Heros in tausend Gestalten" eine nahezu

kulturunabhangige Wandlungslogik nach, die in unterschiedlichen Kulturkreisen in

HeIdenmythen tradiert wurde. Aus einer langjiihrigen weltweit kulturvergleichenden

Inhaltsanalyse von Marchen leitet er einen gleichartigen individuellen WandlungsprozeB

ab, den er als "HeIdenzyklus" bezeichnet. Dabei identifiziert er zunachst den Heiden

grundsatzlich als die Figur, die eine personliche Wandlung vorantreibt. Wiihrend des

Prozesses entstehen in fast allen Uberlieferungen drei Ebenen des Widerstandes, die der

sich Wandelnde iiberwinden muB. Die drei Ebenen des Widerstandes sind

• Tragheit, sich iiberhaupt auf den WandlungsprozeB einzulassen,

• Widerstand der von der Veranderung tatsachlich oder vermutlich bedrohten personli-

chen Qualitaten und

• tattsachlicher Verlust der durch die Wandlung aufgegebenen Qualitaten.

Interessant ist dabei, daB in den traditionellen Uberlieferungen der Protagonist selten

genau das erringt, weswegen er sich zunachst auf die Wandlung eingeIassen hat, was auf

eine auch betrieblichen Prozessen innewohnende Dynamik der Systeme hinweist.

2.2.3.2.2 Sozialwissenschaftliche Ansiitze

Ais Basis fUr eine sozialwissenschaftliche Analyse der individuellen Transformation

kommen indiviual- und sozialpsychologische Ansatze in Frage.

Die individualpsychologischen Ansatze zur Wandlung sind vor allem in der urspriing­

lich stark psychoanalytisch ausgerichteten Entwicklungspsychologie und darnit in der

Psychologie Sigmund FREUDS und C. G. JUNGS begriindet. Wiihrend Freud im Rahmen

seines psychoanalytischen Ansatzes noch voneinem weitgehend triebgesteuerten Ent­

wicklungsprozeB ausging, der durch die friihkindlichen Erlebnisse und erzwungene

Sublimierungen beeinfluBt wird, ftihrt JUNG (l985a, S. 7 ff.) eine steuemde Kraft des

46

Page 62: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

kollektiven UnbewuBten ein, das unabhangig von der personlichen Geschichte, wachs­

tums- und Konfliktsituationen pragt. Auch Jung greift fUr seine Argumentation auf

iiberlieferte Mythen und Marchen zuriick, in denen er Manifestationen der gesammelten

kollektiven Entwicklungserfahrung eines Kulturraumes sieht (JUNG 1985b). Injiingerer

Zeit beginnt sich auch in einigen psychologischen Schulen ein zunehmend prozessualer

Ansatz durchzusetzen (SCHELLENBAUM 1991). Die entwicklungspsychologischen Mo­

delle gehen jedoch zumeist von selbstinduzierten und damit von personlichkeitsindu­

zierten Veranderungsprozessen aus. Sie sind damit (ebenso wie die unterschiedlichen

Sozialisierungsmodelle mit Kindheits- und Pubertatsbezug) fUr eine Analyse der durch

eine Systemtransformation induzierten personlichen Wandlung nur begrenzt geeignet.

Weitere sozialpsychologische Ansatze zur Beschreibung individueller Wandlungspro­

zesse finden sich beispielsweise in behavoristischen und kognitivistischen Lemtheorien

und in der Theorie des Konsumentenverhaltens (KROEBER-RIEL 1992, TROMMSDORFF

1993). 1m Sinne des "Marketing nach innen" (BRUHN 1995), das im Innovationsmana­

gement eine Rolle spielt, kann die personliche Wandlung auch als gesellschaftlicher

oder innerbetrieblicher Diffusionsvorgang von Wissenselementen, Wahrnehmungen,

Einstellungen, Werthaltungen interpretiert werden, der in veranderten Verhaltenweisen

resultiert und durch Marketinginstrumente beeinfluBt wird. Ahnlich der produktbezoge­

nen Marketingkommunikation entstehen durch das AufeinanderstoBen alter und neuer

Informationen, Realitatsinterpretationen, Werthaltungen und Einstellungen kognitive

und emotionale Dissonanzen, die ein Kommunikationskonzept gezielt auflosen kann.

Damit konnen auch die in der Theorie zum Konsumentenverhalten entwickelten Erkla­

rungsansatze fUr eine Analyse und Interpretation der individuellen Transformationspro­

zesse herangezogen werden. In Anlehnung an TROMMSDORFF (1993, S. 29 ff.) lassen

sich fUr die Beschreibung der individuellen emotionalen und kognitiven Prozesse grund­

satzlich Zustandskonstrukte, wie

• Aktivierung,

• Involvement,

• Wissen,

• Einstellungen,

• Werte und

• Lebensstile unterscheiden von den Konstrukten, die die Stufen der Informationsverarbeitung beim

Empfanger beschreiben, wie

47

Page 63: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Informationsaufnahme,

• Informationsverarbeitung,

• Entscheidungsfmdung und

• Verhaltensanderung.

Die Zustandskonstrukte korrespondieren mit den Ebenen der Transformation, wie sie

oben im Rahmen des Umweltschichtenmodells erHiutert wurden. Die ProzeBkonstrukte

werden als theoretischer Rahmen fUr die Diskussion der Transformation auf der indivi­

duellen Ebene herangezogen und dienen gleichzeitig als gedankliche Grundlage fUr

mogliche Empfehlungen der Transformationsuntersrutzung.

2.2.3.3 Typen der personlichen Transformation

Dariiber hinaus lassen sich fUr die individuelle Ebene in Anlehnung an die Adoptionsty­

pen im NeuproduktdiffusionsprozeB (ROGERS 1962) folgende Transformationstypen

identifizieren, die unterschiedlich auf neue Informationen, Werte, Interpretationen oder

auch Managementmethoden reagieren:

• Innovatoren

• Frtihadoptierer

• Frtihe Mehrheit

• Spate Mehrheit

• Nachziigler

Diese Transformationstypen reflektieren analog zu den Adoptionstypen ein unter­

schiedliches Aufnahmeverhalten gegeniiber neuen Denk- und Handlungsmustern und

werden ebenfalls in der Diskussion der individuellen Transformation zugrunde gelegt.

48

Page 64: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3 Zwei Fallstudien zur Einitihrung

Bei der Generierung von durchschlagenden Faktoren fiir den Erfolg oder MiBerfolg von

Unternehmen in Osteuropa der Gegenwart mussen Infonnationen aggregiert und abstra­

hiert und damit reduziert werden. Damit dem Leser der Blick fiir die kompIizierte

Wirklichkeit nicht verloren geht, seien zwei Fallstudien typischer Unternehmen der

weiteren (theoretischen) Analyse vorangestellt, so daB die reale Komplexitiit des Trans­

fonnationsprozesses ehemalig planwirtschaftlich organisierter Unternehmen auf dem

Gebiet der GUS anschaulich gemacht wird.

Es wird dabei ein empirischer Fallstudienansatz zugrundegelegt. Die Fallmethode kon­

zentriert sich im Gegensatz zu quantitativen Ansatzen der empirischen Sozialforschung

auf wenige spezifische Einzelfalle und sucht dort alle relevanten Faktoren zu erfassen.

Sie wird zu den induktiven Verfahren gerechnet und solI dem Leser in erster Linie der

Exploration dienen (TROMMSDORFF, WILPERT 1994), sie wird aber auch zur Abgren­

zung von Problemfeldern und zur Ableitung von Hypothesen verwendet (Kapitel 6).

3.1 Rakonfi

AO Pischtschekombinat RAMENSKIJ

140100 Moskowskaja Oblast Gorod Ramenskoe Uliza Nowaja, Dom 6

3.1.1 Historie

Der Lebensmittelbetrieb wurde im Jahre 1935 fiir die Gemuseverarbeitung gegrundet

und stellt seit 1957 SiiBwaren her. Bereits 1986, zum Anfang der Perestroika, begann

das Management, die neu gewonnenen Freiheiten intensiv zu nutzen. Der Schwerpunkt

der Produktion wurde auf die Mangelware Schokoladenkonfekt ausgerichtet, der uber­

durchschnittlich hohe "Gewinn" zum Teil fiir betriebliche Sozialleistungen und Pramien

verwendet. Seit dem Inkrafttreten des "Gesetzes uber den Staatsbetrieb" (1988) lasteten

Staatsauftrage nur noch etwa 90% der Produktionskapazitiiten aus. Daruber hinaus pro­

duzierte Ware durfte der Betrieb an frei ausgewahlte Kunden verkaufen und dabei die

Preise in gewissen Grenzen aushandeln.

49

Page 65: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der Direktor des Untemehmens, Alexander Schinkarew, besucht seit 1989 Weiterbil­

dungskurse an einer Moskauer Businesschool. Er wollte so schnell wie moglich volle

wirtschaftliche Unabhangigkeit erreichen und tiberzeugte die Belegschaft, sich yom

Agro-Kombinat loszusagen und die Betriebsmittel zu pachten. Die Vorbereitungsphase

fUr diesen Schritt dauerte etwa ein Jahr. Einige Mitarbeiter, die marktwirtschaftlich

nicht aufgeschlossen waren und nicht als Miteigenrumer in Frage kamen, wurden ent­

lassen. Dieses damals fast unglaubliche Verhalten zeigte die Entschlossenheit und den

Mut des Managements. Die Betriebsmittel sollten aus ktinftigen Gewinnen gekauft wer­

den. Die Einschatzung ihres Werts war Gegenstand und Streitpunkt langer Verhandlun­

gen mit den BehOrden. Ende 1990 war der Pachtvertrag geschlossen. Das Untemehmen

muBte zwar immer noch zu 80% Staatsauftrage ausftihren, doch war dafUr die Beschaf­

fung der Rohstoffe groBtenteils gesichert. AuBerdem erhielt RAKONFI das Recht, den

Gewinn nach Abzug der Steuem frei zu verwenden und die Investitionspolitik selbstan­

dig zu bestimmen.

Ab 1991 vvurde das QualitatsbewuBtsein der Mitarbeiter, vor allem durch Priimien fUr

niedrige AusschuBraten, gestarkt. Schwund durch Diebstahl, der frtiher trotz aller Kon­

trollmaBnahmen zum Alltag gehOrte, gab es so gut wie nicht mehr, die Arbeitsdisziplin

verbesserte sich erheblich. FUr die Qualitatsprodukte des Untemehmens gab es genti­

gend zahlungskraftige Handelskunden. Das Hauptproblem war die Beschaffung. Die

Engpasse wurden nicht mehr nur durch Lagerhaltung (dafUr wurden die Umlaufrnittel

als zu schade angesehen) ausgeglichen, sondem durch eine flexible Beschaffungspolitik

in der Lieferantentreue belohnt wurde.

Nach der Freigabe der Preise Anfang 1992 sank die Kaufkraft der Bevolkerung rapide,

und der Verbrauch von StiBigkeiten ging stark zurtick. Der Konkurrenzdruck wurde zu

diesem Zeitpunkt ebenfalls starker. In Moskau befinden sich mehrere groBe Untemeh­

men, z.B. die Konditoreifabrik ROTER OKTOBER mit einem Produktionsvolumen von ca.

60.000 TonnenlJahr, die durch Kostendegressionsvorteile GroBhandler billiger belief em

konnen. Die nur 50 km von Moskau entfemte Fabrik RAKONFI produziert von ver­

gleichbaren, nicht patentgeschtitzten Standardprodukten im Durchschnitt nur ca. 2.000

TonnenlJahr.

50

Page 66: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

RAKONFI besaB bereits vielversprechende eigene Entwicklungen, wn sich gegenuber der

Konkurrenz zu profilieren, brauchte aber dringend Modernisierungsinvestitionen. Fiir

langfristige Kredite verlangten die Banken untragbar hohe Zinssiitze. In der Hoffnung

auf KapitalzufluB wurde die Rechtsform geandert: Mitte 1992 wurde eine AGoT

(Aktiengesellschaft offenen Typs) gegriindet, was sich als Fehlentscheidung erwies. Da

noch kein funktionsflihiger Wertpapiermarkt existierte und die Dividendenaussichten

gering waren, konnten kawn Investoren gewonnen werden. Die wenigen extemen Akti­

eninhaber blockierten Modernisierungsentscheidungen, da sie ausschlieBlich an Speku­

lationsgewinnen interessiert waren. Daher schien dem Direktor die Rechtsform der

AGgT (Aktiengesellschaft geschlossenen Typs) fUr die betriebliche Transformation bes­

ser geeignet. Ende 1994 gelang es, praktisch alle Aktien wieder im Untemehmen zu

vereinigen und eine unabhangige Geschaftspolitik und Umstrukturierung anzugehen.

Aufgrund der Zunahme von Importen sank 1993 die Nachfrage nach RAKONFI­

Produkten. Die Verbraucher waren auf die verlockend verpackten Riegel und Bonbons

aus dem Ausland neugierig und wollten die aus Filmen bekannten Attribute des

"westlichen Lebens" kosten. Auslandische SiiBwaren erreiehten einen Marktanteil von

30%, dazu kamen ca. 10% illegal importierte Waren. Da RAKONFI nieht uber ausrei­

chend finanzielle Mittel verfiigte, wn die Produktionspalette schnell zu emeuem, wurde

vorerst mit bestehenden Produkten weitergearbeitet.

Das Management erkannte, daB die Tiitigkeit aller Untemehmensbereiche letztendlich

der Zufriedenheit der Kunden dienen sollte. So wurde z.B. die Auftragsabwicklung neu

definiert, langjiihrig gewachsene biirokratische Prozeduren wurden abgeschafft. Fiir eine

wirkungsvolle bereichsubergreifende Zusammenarbeit bei der Bearbeitung der Kunden­

auftriige entwickelten sich zunehmend horizontale Informationsflusse.

Abb. 13 zeigt die Absatzentwicklung von 1991 bis 1995. Ais Erfolg bewertete das Ma­

nagement die Tatsache, daB die Fabrik nicht einen Tag stillstand, alle produzierten Pro­

dukte abgesetzt werden konnten und die Liquiditiit gesichert war, obwohl viele groBere

Untemehmen der Branche monatelang stillstanden und uberschuldet waren. Anderseits

verbreitete sich die emuchtemde Erkenntnis, daB die Emeuerung der Produktionspalette

und die Eroberung neuer Marktanteile mehrere Jahre dauem wiirde. Die als produkti­

onsfeindlich angesehene Steuerpolitik des Staates, die Marktmacht der GroBuntemeh-

51

Page 67: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

men und die sinkende Kaufkraft der Bevolkerung erwiesen sich als anhaltende Phano­

mene. Vor allem Investitionen in das Hwnankapital wurden als strategische Notwendig­

keit erkannt. Aile Fiihrungskrafte der mittleren Ebene lieBen sich auf Kosten des Unter­

nehmens weiterbilden. Mit gezielten SchulungsmaBnahmen unterstiitzte der Direktor die

Entwicklung des Qualitats- und KostenbewuBtseins der Mitarbeiter.

Tonnen 2500 •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••

2000 ~ •••••••••••••••••••••••••••••••••• --+

1500 ••••••••••••••••••••••••••••••• ~ ••••••••••

1000 •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••

·500 •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••

O+--------r------~~------,--------,

1991 1992 1993 1994 1995

Abb. 13: Entwicklung des Produktionsvolumens (eigene Darstellung)

Wegen des permanenten Krisenzustandes im Land erschien es besonders wichtig, die

Mitarbeiter finanziell und psychologisch zu unterstiitzen. Da die jiihrliche Dividende

eines Betriebsangehorigen nur etwa 30 bis 50 Dollar ausmachte, blieben die Lohne und

Geh1ilter die Hauptquelle der Existenz. Hauptanstrengung von RAKONFI war deshalb,

die Lohne jeden Monat regelmiillig auszuzahlen, wiihrend viele Untemehmen in RuB­

land die Lohnzahlungen permanent verzogerten, wn andere Schulden zu begleichen.

Wegen der Preissteigerungen bei Lebensmitteln pachtete das Untemehmen Anbauland

von der Gemeinde und iiberlieB jedem seiner AngehOrigen kostenlos ein Grundstiick fiir

den Gemiiseanbau. RAKONFI iibemahm auch die Kosten fUr die Betreuung der Kinder

der Mitarbeiter und forderte die Verpflegung in der eigenen Kantine zu 70%. Durch

diese betrieblichen Sozialleistungen kann die Produktivkraft der RAKONFI-Belegschaft

voll fiir das Untemehmen genutzt werden, da niemand zur Existenzsicherung einen

zweiten oder gar dritten Job annehmen muB, wie dies in RuBland z.Zt. die Regel ist.

1994 setzte sich die GewiBheit durch, daB RAKONFI am Markt bestehen kann. Zwar la­

gen die Absatzzahlen noch ein Drittel unter dem Niveau von 1991, aber der Umsatz

wurde iiberwiegend mit hochwertigen Produkten zu adaquaten Preisen erzielt. Alle min-

52

Page 68: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

derwertigen Produkte waren aus der Produktpalette eliminiert. Das Unternehmen hatte

keine Schulden und finanzierte bedeutende Investitionen aus Gewinnen, z.B. den Kauf

einer modernen Verpackungslinie und von LKWs sowie den Bau von Garagen.

Das Unternehmen verdankt seinen Erfolg vor allem dem wirtschaftlichen Talent, der

Energie und der sozialen Intelligenz des Direktors Alexander Schinkarew. Seine cha­

rismatische PersBn1ichkeit trieb den Wandel im Unternehmen voran. Er erklarte den

Mitarbeitern seine Vision und begeisterte sie, fUr ihre Verwirklichung einzutreten. Er

ging oft in die Abteilungen und die Werkhalle, ermutigte die Mitarbeiter und erklarte

ihnen den Sinn der Veranderungen. In Anbetracht des permanenten Wandels im Umfeld

war es dringend notwendig, fUr die Transformation im Unternehmen eine Gruppe von

selbstverantwortlich handelnden Akteuren heranzubilden. Das mittlere Management er­

hielt den Uberblick tiber den gesamtbetrieblichen Leistungserstellungsprozel3 und die

Kompetenz, in enger Zusarnmenarbeit miteinander alle bereichstibergreifenden Proble­

me selbstandig zu IBsen. Der Direktor mischt sich seitdem in ihre alltaglichen Aufgaben

nicht mehr ein. Er zwang die Mitarbeiter nicht zum Wandel, sondern baute geduldig

ihre inneren Widerstande abo Er lernte selbst dazu und scheute sich nicht, Fehler einzu­

gestehen. Er wurde schon seit Jahrzehnten als echte Vaterfigur aufgrund seiner ruhigen,

humorvollen Art geschatzt. Die Mitarbeiter sind emotional an ihn gebunden, weil er nie

ihr Vertrauen durch Machtmil3brauch enttauschte - z.B. betragt sein wamend der Priva­

tisierung erworbener Aktienanteil nur 4%.

Die Struktur des Unternehmens ist hierarchisch, mit voneinander abgesonderten Spezi­

alabteilungen und ausschliel3lich vertikalem InformationsfluJ3 (Abb. 14).

I Direktor Rechtsberater J I

I I I I I Hauptingenieur II Stellvertreter fUr Technologie II Stellvertreter fUr Okonomie II Hauptbuchhalter I

I I 1 I I Produktion I Entwicklungslabor Planung I Vertrieb I

und Beschaffung Qualitiitskontrolle Buchhaltung

Abb. 14: Organigramm RAKONFI

53

Page 69: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3.1.2 Planung

Noch 1991 wurden Beschaffimg, Herstellung und Absatz zu 90% von der zentralen

PlanbehOrde festgelegt. Die stark schwankende Nachfrage, das Fehlen langfristiger

Auftrage, unbekannte Lieferungs- und Zahlungstennine, unvorhersehbare Anderungen

von Preisen und Steuem erschweren vor allem die Finanzplanung erheblich. Zu Beginn

wurden die Ergebnisse von 1994 analysiert. Der Gesamtumsatz betrug 6.315 Mio. Ru­

bel (ca. 2,1 Mio. US$), der Gewinn nach Abzug der Steuem 659 Mio. Rubel (ca.

220.000 US$). 5% davon wurden in Fonn von Dividenden ausgeschiittet, der Rest in die

Modemisierung des Untemehmens investiert.

AnschlieBend werden die Nachfrage und der dringende Investitionsbedarf geschatzt und

die Entwicklungen im Umfeld prognostiziert. Auf dieser Grundlage werden der Ge­

samtumsatz unter Annahme einer 10%-igen Wachstumsrate und der Gewinn nach Steu­

em geplant. Daraus erreehnet sieh die geplante Menge eines fiktiven Produktes mit der

durehsehnittliehen Rentabilitat des vergangenes Jahres und es wird die Menge unter

Berucksiehtigung der saisonalen Sehwankungen auf slas Monatsniveau herunter gebro­

chen. Alles, was produziert wird, muB abgesetzt werden, der Lagerbestand darf 10%

nieht uberschreiten. Ausgehend yom Produktionsplan werden die Beschaffungsmengen

festgelegt, da die meisten Produkte identische Rohstoffe benOtigen.

Die monatlieh~n Einnahmen im Finanzplan ergeben sieh aus zu laufenden Preisen be­

werteten geplanten Produktionsmengen. Die Ausgaben werden aufgrund der bekannten

monatlichen Zahlungsverpfliehtungen (Lohne, Steuem usw.) und des geplanten Investi­

tions- und Beschaffungsbedarfs festgesetzt. Die Sicherung der tagliehen Liquiditat ist

von zentraler Bedeutung, da kurzfristige Uberbruekungskredite wegen des hohen Zinses

nieht in Frage kommen. Da sieh Geld aufgrund der Inflation grundsatzlieh nieht als

Wertspeieher eignet, ist der Kassenbestand auf 10 Mio. Rubel begrenzt ist. Bei Einnah­

menubersehussen werden Rohstoffe mit hoher Haltbarkeit bevorratet. 1m FaIle eines

Liquiditatsengpasses bittet die Fabrik ihre Lieferanten urn Stundung oder ihre Kunden

urn vorzeitige Bezahlung. Dabei helfen die vertrauensvollen Beziehungen zu den Ge­

schaftspartnem.

54

Page 70: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3.1.3 Strategie

RAKONFI sucht seine Absatzmiirkte hauptsachlich in der russischen Provinz, insbesonde­

re im Norden des Landes, und konzentriert sich auf die Herstellung von Qualitatspro­

dukten. Verpackung und Design der Produkte sollen ihre nationale Herkunft und die bei

den meisten Russen von Kindheit an bekannten Geschmacksrichtungen hervorheben.

Die Produktion wird allmiihlich auf selbstentwickelte und patentgeschiitzte Produkte

urngestellt. Ein Innovationsmanagement wird institutionalisiert. In der Zwischenzeit

wurde die hohe Qualitat der Standardprodukte gesichert und versucht, die Kostenvor­

teile der Konkurrenten aufzuholen.

Eine hohe Bindung der Hauptkunden und Lieferanten an das Untemehmen wird ange­

strebt. Das Management wird weiterhin in selbstandigem und verantwortungsbewuBtem

Handeln geschult, die Verantwortung der Facharbeiter fur die Endprodukte wird durch

Job rotation gestiirkt. Das Untemehmen wird mit modemer Informationstechnologie

ausgerustet, urn die Anpassungsfahigkeit zu verbessem. Die vorhandenen Datenbanken

sollen erweitert und mit einem einheitlichen EDV -Netz verbunden werden.

3.1.4 Marktforschung

Der stellvertretende Direktor fur Okonomie ist personlich fur die Marktbeobachtung

verantwortlich und verarbeitet die von verschiedenen Mitarbeitem gesammelten Daten.

Aufgrund der eingegangenen Kundenauftrage und der taglichen Verkaufszahlen beur­

teilt er die aktuelle Nachfrage und sucht nach GrUnden fur Schwankungen. Es gibt eine

EDV -Kundendatenbank, die Kaufgewohnheiten und spezielle Wiinsche der bei jeder

Bestellung ausfiihrlich befragten Kunden festhiilt. Hauptinformationsquellen sind Han­

delsmessen, sie spiegeln das Angebot der Konkurrenz und die Anforderungen des Han­

dels am besten wider. Weitere wichtige Informationsquellen sind Zeitungen, die eine

landesweite Konkurrenzbeobachtung ermoglichen, sowie Fachzeitschriften, die Anre­

gungen fur Produkt- und Verpackungsideen geben.

Der Verkauf auf Wochenmiirkten in verschiedenen Regionen wird als F eldtest benutzt.

Auch das kleine Firmengeschaft dient dem unmittelbaren Kontakt mit Verbrauchem.

Die Fabrik fiihrt keine speziellen Verbraucherumfragen durch, da man sich davon keine

grundsatzlich neuen Erkenntnisse verspricht. Die in Gesprachen geaul3erten Wiinsche

55

Page 71: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

und Einstellungen der Verbraucher sind noch sehr homogen. FUr die Entwicklung neuer

Produkte und Verpackungsmuster reichen nach Meinung der Geschaftsfiihrung qualita­

tive Daten derzeit aus. Den Aussagen der Handelskunden wird weit groBere Bedeutung

beigemessen als denen der Konsumenten.

3.1.5 Produktpolitik

Nach Meinung der Geschaftsfiihrung sind die russischen Verbraucher durch die aggres­

sive Werbung westlicher Produkte animiert, "den Geschmack des westlichen Lebens"

zu testen. Anderseits werden in RuBland oft westliche Waren mit auslaufenden Haltbar­

keitsfristen abgesetzt, was bei den Verbrauchem Enttauschung bezUglich der Qualitat

bewirkt. In letzter Zeit besinnt man sich auf die traditionellen russischen SiiBigkeiten,

die aus Naturstoffen hergestellt sind.

Vnter EinfluB der westlichen Werbung und durch Vergleich mit westlichen Waren ent­

wickelte sich bei den russischen Verbrauchem eine grundsatzlich andere Einstellung zur

Verpackung. Friiher wurden ohne Bedenken auch unverpackte Bonbons gekauft, wenn

sie gut schmeckten, wiihrend heute die alte russische Verpackung aus minderwertigem

Papier mit bleichen Farben auch bei sehr gut schmeckenden SiiBigkeiten nicht mehr

akzeptiert wird. Die Moskauer Konkurrenten haben einen groBen Vorsprung in der Ver­

packung, zumal sie zum Teil schon fiiiher mit westlichen Verpackungsmaschinen aus­

geriistet waren und das Papier mit modemem Design direkt von westlichen Lieferanten

bekommen. RAKONFI ist dagegen gezwungen, daB Papier zu hOheren Preisen tiber Ver­

mittler einzukaufen, weil die Bestellmenge fUr eine direkte Belieferung nicht ausreicht.

Das Verpackungsdesign fUr die selbstent-wickelten Produkte wird gemeinsam mit einer

Werbeagentur entworfen. FUr die Muster auf den Pralinenpackungen werden tiberwie­

gend Motive aus russischen Miirchen gewiihlt.

Es wurden Produkte entwickelt, die modem und ansprechend aussehen, durch ihre Neu­

artigkeit neugierig machen sollen, aber gleichzeitig geschmacklich den Verbraucher an

die "siiBen Erlebnisse" seiner Kindheit erinnem. So ist der Schokoladenriegel LAKOMKA

(Nascher) ein Verkaufsschlager im oberen Preissegment geworden. Daneben wurden

preiswerte bunte Dragees in durchsichtiger Plastikverpackung, die Spielzeugtiere nach­

bildet, entwickelt. Bei allen Produkten wird auf sehr hohe Qualitat geachtet. Da die Er-

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Page 72: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

teilung eines Patents auf ein neues Produkt fiber ein Jahr dauert und keinen landesweiten

Schutz der Rechte garantiert, steht das Innovationsdenken im Vordergrund: RAKONFI

will stets neue Produkte entwickeln und Nachahmem voraus sein.

3.1.6 Preispolitik

Preise werden grundsatzlich in Verhandlungen mit den Kunden gebildet. Als Anhalts­

punkt dient eine monatlich aktualisierte Preisliste, die aufgrund der Abschatzung der

Nachfrage und des Vergleichs mit der Konkurrenz entsteht und die saisonale Nachfrage­

schwankungen beriicksichtigt. Die untere Preisgrenze bilden die vollen Selbstkosten.

Die auch von vielen Konkurrenten hergestellten Standardprodukte werden etwas billiger

angeboten als die der Konkurrenz. Dagegen werden die originellen selbst entwickelten

Produkte im hOheren Preissegment positioniert. Sprunghafte .Anderungen der Preise

werden vermieden, urn das Vertrauen der Endverbraucher zu erhalten. Eine kontinuier­

liche Preispolitik ist nur bei direkter Verbindung zum Einzelhandel moglich, denn die

GroBhandler treiben die Preise willkiirlich in die Hohe. RAKONFI versucht, die kleinen

und unerfahrenen provinziellen Einzelhandelsuntemehmen mit Hilfe von fairen Rabatt­

und Skontovergiinstigungen zu treuen Geschaftspartnem und Vertretem der Interessen

der Fabrik in den Regionen zu machen.

3.1.7 Kommunikation

Der Kommunikationspolitik wird groBe Bedeutung beigemessen. Der Direktor investiert

viel in das Vertrauen der Geschaftspartner, Verbraucher und Mitarbeiter; Aufgrund

spektakularer Medienberichte und der eigenen alltaglichen Erfahrung ist das Vertrauen

der Offentlichkeit in die Anstandigkeit der russischen Untemehmer und in die Qualitat

ihrer Lebensmittelprodukte erschiittert, denn etwa ein Drittel der im Land verkauften

Lebensmittel ist minderwertig bis unbrauchbar, weil Hersteller und Handler die gesetz­

lich vorgeschriebenen Qualitatszertifikate von korrupten Beamten kaufen.

RAKONFI bemiiht sich seit 1990 intensiv urn intelligente Public Relations, urn das Image

eines innovativen, integeren, nationalen Herstellers aufzubauen und zu pflegen. Die

Fabrik ist auch mit mehreren Messediplomen ausgezeichnet worden. Das Management

ist der Meinung, daB in RuBland ein Untemehmen nicht mit Hilfe der im Westen fibli­

chen Mittel glaubwiirdiger gemacht werden kann. Das Prahlen mit den eigenen Tugen-

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Page 73: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

den nach amerikanischer Art ist der traditionellen russischen Bescheidenheit fremd und

wirkt abstoBend. Es wird versucht, die Innovativitat und humane Gesinnung des Unter­

nehmens in einer Welt des "wilden Kapitalismus" herauszustellen und zieht immer wie­

der die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. 1m Laufe der Jahre sind mehrere Zei­

tungsartikel in der Moskauer und der regionalen Presse erschienen. Vor dem Verkauf

einer groBen Menge ihrer SiiBwaren durch den GroBhandel der Gebietsstadt Tschel­

jabinsk im November 1994 schrieb z.B. die Stadtzeitung einen begeisterten Artikel fiber

RAKONFI. Danach waren die Produkte der Fabrik schnell ausverkauft. Am eigenen

Standort Ramenskoje mit etwa 100.000 Einwohnern ist das Unternehmen :fii.r seine

langjiihrige, nicht geheuchelte Wohltatigkeit im Waisenhaus und der Behindertenschule

sowie :fii.r die Frische und Qualitat seiner SiiBwaren gut bekannt.

Die Verpackung ist nach Ansicht der Geschaftsleitung zu Zeit das wichtigste Kommu­

nikationsmedium mit dem Endverbraucher. Frfiher standen Name und Adresse der Fa­

brik nur sehr klein auf dem Einwickelpapier. Auf der neuen Verpackung wird seit 1994

das neue Firmenlogo abgedruckt. Der Verbraucher behiilt die geanderte Abkfirzung des

vollen Firmennamens "Ramenskaja Konditorei-Fabrik" leicht im Gedachtnis. Die bunte

Verpackung des Schokoladenriegels LAKOMKA zeigt in der Mitte den patentierten Pro­

duktnamen und einen darauf sitzenden Gassenjungen. Die neuen Pralinenpackungen

zeigen die Pralinen auf einem Teegeschirr aus dem traditionellen russischen Porzellan

GSCHEL, das :fii.r seine Qualitat berfihmt ist und ebenfalls in Ramenskoje hergestellt

wird. Es wird versucht, das gute Image des "russischen MeiBen" auf die eigenen Pro­

dukte zu fibertragen.

Das Unternehmen schaltet regelmiiBig auf den Handel gerichtete kurze sachliche Ver­

kaufsanzeigen in den regionalen Zeitungen. Die Endverbraucher werden durch Spots in

der preiswerten Rundfunkwerbung der regionalen Sender des Moskauer Gebietes ange­

sprochen. Fernsehwerbung ist:fii.r das Unternehmen zu teuer. FUr auch von der Konkur­

renz hergestellte Standardprodukte wird prinzipiell keine Werbung gemacht, wei! man

damit mehr der Konkurrenz diene als dem eigenen Unternehmen. Nationale Imagewer­

bung zur Produktpositionierung wird :fii.r unbezahlbar gehalten. Die Positionierung der

Produkte erfordert sowohl Qualitats- als auch KommunikationsmaBnahmen, aber die

Geschaftsleitung will zuerst aIle Moglichkeiten der Qualitatsverbesserung durch auf­

wendige ModernisierungsmaBnahmen ausschOpfen, bevor sie in die Imagewerbung in-

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Page 74: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

vestiert. Nach Ansicht der Geschliftsfiihrung wird zur Zeit keine Werbung fUr LAKOMKA

benotigt, da die 300 Vertragskunden die Kapazitiit voll auslasten. Man will lieber alle

freien finanziellen Mittel in die Anschaffung neuer Maschinen investieren, urn eine Pro­

duktionsausweitung zu erreichen.

3.1.8 Distribution

Wegen der Zollbeschriinkungen entfallen 95% des Umsatzvolurnens auf RuBland, der

Rest wird in andere GUS-Staaten geliefert. Hauptabsatzgebiet sind die naheliegenden

Regionen der russischen Provinz mit der Tendenz zur Ausbreitung nach Norden, wo die

Bevolkerung mehr als in anderen Regionen traditionellen russischen Werten verbunden

ist. Wegen der erheblichen regionalen Kaufkraftunterschiede wird das Sortiment regio­

nenspezifisch segmentiert. Die Zusammenarbeit mit dem GroBhandel brachte wegen

hoher Handelsspannen iiberwiegend negative Erfahrungen. Fiir den Aufbau eines eige­

nen Vertriebsnetzes fehlen Geld und Kenntnisse der ortlichen Verhiiltnisse. Verkaufs­

niederlassungen aufzubauen ist kostspielig und auch fUr finanzstarke Hersteller schwie­

rig, weil die ortliche Administration ortsansassige Untemehmen vor Konkurrenz von

auBen schiitzt. Der Schwerpunkt wird folglich auf den Aufbau der direkten Beziehungen

mit dem Einzelhandel gelegt, mit dem Schwerpunkt, vertrauenswiirdige Kunden auszu­

wahlen und an sich zu binden.

1m Westen iibliche langfristige Liefervertriige sind wegen der hohen Unsicherheit des

russischen Umfelds eine Seltenheit, es wird ad hoc bestellt und geliefert. Die Nachfrage

nach SiiBigkeiten schwankt in RuBland saisonal. Das Fehlen gesicherter Kundenauftriige

erschwert die Finanz- und Produktionsplanung erheblich. Daher ist das Kundenrnana­

gement fUr RAKONFI iiberlebenswichtig. Es wird versucht, auch mit Neukunden langfri­

stige und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Wegen der Schwierigkeiten bei der

Bonitiitspriifung und der Durchsetzung von Forderungen wird bei Neukunden urn Vor­

kasse gebeten. Dem Kunden wird die Eimiiurnung von Skonto nach einer Probezeit in

Aussicht gestellt, weil der Einzelhandel an chronischem Geldmangel leidet. RAKONFI

fordert die vertragliche Kundenbindung durch Vorzugsbehandlung: Wenn sich ein

Handler in der nachfrageschwachen ersten lahreshiilfte zur Abnahme der vereinbarten

lahresmenge verpflichtet, sichert er sich fUr die Zeiten der erhOhten Nachfrage Liefe­

rungspriiferenzen. 1995 hatte das Untemehmen ca. 300 solcher Rahmenvertriige abge-

59

Page 75: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

schlossen. Das genaue Sortiment wird kurzfristig vereinbart und verbindlich bestellt.

Wenn notwendig, werden die Maschinen innerhalb eines Tages auf die Produktion be­

stellter Waren umgeriistet und notfalls Sonderschichten gefahren. GroBere Abnehmer

holen die Waren direkt bei der Fabrik abo Um kleinere Einzelhandelsunternehmen preis­

wert zu belief ern, kaufte die Fabrik drei LKWs.

Ein Drittel des Umsatzes wird mit langfristig bewiihrten Kunden erzielt. Sie werden

vertrauensvoll auf Kredit beliefert. Wenn RAKONFI Liquiditatsschwierigkeiten hat, be­

gleichen diese Kunden sogar Rechnungen der Fabrik bei ihren Lieferanten. So bezahlte

z.B. ein Kunde fiir die Lieferung des neuen Verpackungspapiers, dafiir bekam er als

erster die SiiBwaren in der neuen Verpackung. Die originellen selbstentwickelten Pro­

dukte der Fabrik sind begehrt, doch nur in begrenzter Menge herstellbar. Deswegen be­

wegt das Unternehmen ihre Kunden dazu, die Modernisierung zinsgOnstig zu kreditie­

ren und sich dadurch eine V orzugsbelieferung zu sichern.

Uber den Aufbau eines eigenen AuBendienstes wird schon lange nachgedacht, aber die

Zeit dafiir ist nach Meinung der Geschaftsfiihrung noch nicht gekommen. Es ist schwie­

rig, verkaufsgewandte und vertrauenswiirdige Mitarbeiter fiir den AuBendienst zu fin­

den. Die Nachwuchskrafte fiir den Vertrieb werden erst noch geschult.

Der Absatz der Produkte ist nicht mehr ausschlieBlich Aufgabe der Kommerzabteilung,

sondern auch anderer Fach- und Fiihrungskrafte. In den letzten zwei Jahren wurden sie

in den nachfrageschwachsten Monaten Januar und Februar von ihren alltaglichen Auf­

gaben teilweise befreit und verkauften seIber die Waren auf den Wochenmarkten des

Moskauer Gebiets. Auf diese Weise kommen sie dem Endverbraucher naher und sam­

meln wertvolle Erfahrungen.

3.1.9 Beschaffung

Die Beschaffung ist fiir die Fabrik dank der flexiblen Lieferantenpolitik schon lange

kein EngpaB mehr. Mit der Halfte der Lieferanten existieren enge langfristige Beziehun­

gen. Der Lagerbestand an Rohstoffen reicht gerade fiir zwei Wochen. Bei einem uner­

warteten Ausfall gibt es fiir jede Position alternative Beschaffungsvarianten. Der Bedarf

an Rohstoffen und insbesondere an Verpackung wird zu 20% aus dem Westen gedeckt.

60

Page 76: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Preise gleichen sich an, aber Qualitiit und Service der westlichen Lieferanten sind

hOher. Die Bezahlung erfolgt durch Gegengeschafte mit Schokoladenprodukten.

3.1.10 Rechnnngswesen nnd Controlling

Bei galoppierender Inflation war es vordringlich, die Selbstkosten zu bestimmen. Be­

reits vor der Perestroika wurde eine Kalkulation nach staatlichen Verordnungen durch­

gefiihrt, wobei die Kostendaten jedoch nicht fiir die Preiskalkulation, sondern aus­

schlieBlich zum Zweck der Rechnungslegung verwendet wurden. Die Buchfiihrung

wurde sehr ernst genommen, da bei Fehlern in der Bilanz Anklage auf Veruntreuung

drohte. Die Kostenrechnung driickte dagegen eher politische MaBgaben aus als be­

triebswirtschaftliche Tatbestande. Die Preise waren von der PlanbehOrde festgelegt, die

tatsiichlichen Selbstkosten unbekannt.

Bei RAKONFI wurde bald die Notwendigkeit eines managementorientierten internen

Rechnungswesens erkannt, da die nach dem herkommlichen System ermittelten Ko­

stendaten ein verzerrtes Bild ergaben. Die Hauptbuchhalterin schuf 1992 ein hauseige­

nes System des internen Rechnungswesens, welches im Laufe der niichsten Jahre konti­

nuierlich verbessert wurde. Der EinfluB der Hauptbuchhalterin ist stark geworden. Sie

bestimmt die Finanzpolitik und muB in der Flut der widerspriichlichen staatlichen Ver­

ordnungen die gesetzestreue Rechnungslegung sicherstellen und dem Unternehmen eine

moglichst freie Verfiigung iiber seine finanziellen Mittel ermoglichen.

Alle Bestands- und Preisveranderungen werden tiiglich erfaBt und beim Errechnen der

Kostendaten automatisch beriicksichtigt. Das System unterscheidet strikt zwischen Da­

ten fiir die externe Rechnungslegung und solchen fiir das Management. So werden z.B.

die Kosten der selbstgebauten Lagerhalle in der Bilanz unterbewertet, urn die hohe

Vermogenssteuer zu reduzieren. Dagegen bekommen die Entscheidungstriiger reale, an

den Marktpreisen orientierte Kostendaten. Bei Rohstoffen ist fiir das Management der

aktuelle Marktpreis von Bedeutung, fiir die Bilanz dagegen der Anschaffimgspreis. Das

Kostenmanagement wird durch staatliche Verordnungen iiber riickwirkende Steuerande­

rung en erheblich erschwert. Die Se1bstkosten der langst verkauften Produkte erhOhen

sich dadurch unerwartet, folglich muBte die Differenz mit einer PreiserhOhung anderer

Produkte ausgeglichen werden.

61

Page 77: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Materialeinzelkosten betragen im Durchschnitt 75% der Selbstkosten, die Lohnein­

zelkosten mit Sozialabgaben ca. 7%. Die gesamten Gemeinkosten haben einen Anteil

von 18%. Trotz der permanent steigenden Energiepreise bleiben Energiekosten infolge

der sUindigen Verbesserungen der Technologie unter 10% der Gemeinkosten. Jede Ko­

stenart wird monatlich auf Ubereinstimmung von Soll- und Istkosten kontrolliert. Der

Begriff des Controlling ist bei RAKONFI unbekannt. Benutzt wird ein aus praktischer

Notwendigkeit heraus entstandenes System der Kostenkontrolle. Die Sollkosten werden

nach Vergangenheitsdaten als produktbezogene mengenmaBige Standards geplant. Die

Istkosten werden aufgrund der gemessenen Verbrauchsmengen errechnet. Auch die

Produktions-, Absatz- und Finanzkennzahlen werden monatlich geplant und kontrolliert.

Wegen der vergangenheitsbezogenen Planung der Istkosten handelt es sich urn einen

selbsttauschenden 1st-1st Vergleich, wobei die Unwirtschaftlichkeit der Vergangenheit

in die Zukunft fortgepfianzt wird. Die Deckungsbeitragsrechnung als Instrument des

Kostenmanagements ist nicht bekannt. Dennoch steigert das betriebliche Kostenrech­

nungssystem das Kostenbewu13tsein, wei! ermittelte Abweichungen analysiert und nach

Grunden und Verantwortlichen gesucht wird.

3.2 Newskaja Kosmetika

AO Newskaja Kosmetika pro Obuchowskoj oboronij 80 193 029 St. Petersburg Rufiland

3.2.1 Historie

Die Firma wurde 1851 unter dem Namen ARKONA gegrOndet. Bis 1917 produzierte

ARKONA Seifen und Kerzen. Mit der Oktoberrevolution veranderten sich zunachst nur

Firmenbezeichnung und -struktur, erst nach 1945 wurde die Produktionspalette urn

Zahnpasten, Cremes und andere kosmetische Artikel erweitert. Zurn Zeitpunkt der Un­

tersuchung ist NEWSKAJA KOSMETIKA der zweitgr6fite Hersteller solcher Produkte in

RuBland. Neben den Hauptprodukten Seife, Zahnpasta und Creme, wird Shampoo, Gly­

zerin und Vaseline hergestellt.

62

Page 78: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

1991 mietete die Belegschaft den Betrieb als V orstufe der Privatisierung. So konnten

friihzeitig Teile der Beschaffung, des Absatzes und der Mittelverwendung des Investiti­

onsfonds statt zentralgeplant nach den Vorstellungen des Managements erfolgen. Ein

Jahr spater wurde NEWSKAJA KOSMETIKA als zwanzigster russischer Betrieb privatisiert

(AGgT). Die Privatisierung verlief nicht auf Voucherbasis (vgl. 4.2), sondern der Be­

trieb wurde unter den eigenen Mitarbeitern ohne Kapitalzuflu13 aufgeteilt. Die Vorteile

dieser Art der "Schenkungs-Privatisierung" lagen zum einen in der Schnelligkeit ihres

Vollzugs bei geringen Transaktionskosten, zum anderen konnten die Schwierigkeiten

des Mangels an privatem Geldvermogen umgangen werden, und die Interessen der Be­

triebsangehorigen blieben gewahrt. Alle Aktien werden von Mitarbeitern des Unter­

nehmens gehalten. 1m Sommer 1995 verfligte keiner der zu diesem Zeitpunkt 460 Ak­

tieninhaber fiber ein Kontrollpaket. Die Dividende betragt 5-7%, der verbleibende Ge­

winnanteil flieBt jeweils zur Halfte in den Umlaufmittelfonds und in Anlageinvestitio­

nen. Nachteil dieser Privatisierungsmethode ist fehlendes Investitionskapital und die

daraus folgende mangelnde Innovativitat des Unternehmens.

3.2.2 Struktur

I Vorstand Aufsichlsral I I

I Generaldireklor I I

I I I I Direklor fur Qualitalssicherung I I Technischer Direklor I Markelingdireklor I Hauplbuchhalter J

I I I J J Beschaffung I F&E J Planung I Buchhaltung I Marketing & Design

Abteilung fUr Arbeil Vertrieb und Lohn

I :

I Produklion J

Abb. 15: Unternehmensstruktur (eigene Darstellung)

NEWSKAJA KOSMETlKA ist ein mittelstandisches Unternehmen. Vor der Perestroika ar­

beiteten dort 480 Mitarbeiter, 1995 hatte das Unternehmen 620 Mitarbeiter, davon 400

in der Produktion. Die aktuelle Unternehmensstruktur ist in Abb. 15 dargestellt. Es gibt

63

Page 79: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

kein Produktgruppenrnanagement, die Struktur ist zentralistisch. Der Generaldirektor ist

die zentrale Machtfigur, er fallt aile wichtigen Entscheidungen in Abstimmung mit den

vier Fachdirektoren. Die teilweise komplexen Aufgabenbereiche der Fachdirektoren

erklaren sich aus der Denkweise des Managements, das Unternehmen streng Top-down

zu organisieren. Macht und Verantwortung werden auf moglichst Wenige verteilt. Die

Transformation zu moderneren Organisationsstrukturen ist noch nicht fortgeschritten.

Die Abteilung fUr Marketing und Design ist fUr Marktforschung, die Organisation von

Messen, Werbung, Preisbildung (Anfertigung von Preisspiegeln) und die Gestaltung des

Produktprograrnrns verantwortlich, die Vertriebsabteilung fUr den Warentransport, die

Vertriebsanalyse und die administrative Abwicklung der Lieferungen.

Tab. 13: Ausgabenstruktur (eigene Darstellung)

Ausgaben Anteil an den Gesamtausgaben Malerial 67.0% Personal 15.6% Energie 6.1%

Kredillilgung 3.2% Steuem 8.1%

NEWSKAJA KOSMETIKA ist wie viele

russische Produktionsunternehmen ma­

terialintensiv, die Lohnkosten spielen

eine untergeordnete Rolle. Der kompa­

rative Lohnkostenvorteil wird jedoch

durch die im Vergleich mit westlichen

Uindern deutlich niedrigere Arbeitsproduktivitat relativiert. Der lahresumsatzIBe­

schiifiigten betrug bei NEWSKAJA KOSMETIKA 1994 lediglich ein Achtel des entspre-

chenden Werts fUr die deutsche chemische Industrie.

Es gibt zur Zeit in RuJ3Iand 18 Hersteller kosmetischer Produkte, die einen Marktanteil

von etwa 30% haben. Den groBten Teil des Marktes nehmen Billigprodukte aus WeiB­

ruBland und der Ukraine ein, 10% des Kosmetikmarktes werden durch westliche Im­

porte abgedeckt. Der russische Hauptwettbewerber ist das Werk SVOBODA in Moskau,

wo u.a. Cremes und Zahnpasten produziert werden. Die wichtigsten intemationalen

Konkurrenten sind HENKEL, SCHWARZKOPF, P&G, ELIDA GIBBS COSMETIC, UNILEVER,

WELLA und BEIERSDORF. Die Marktanteile von NEWSKAJA KOSMETIKA liegen bei den

Hauptprodukten Seife, Creme und Zahnpasta GUS-weit zwischen acht und zwolf Pro­

zent. Die Nachfragesituation hat sich verscharft, die Bevolkerung gab 1995 real nur

50% des Votjahresniveaus fUr Kosmetika aus. Ais Reaktion auf diese Marktsituation hat

das Unternehmen versucht, Marktanteile durch die ErschlieBung neuer Absatzgebiete

innerhalb der Russischen Foderation zu gewinnen.

64

Page 80: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3.2.3 Planung, Organisation und Personal

Vor Glasnost und Perestroika oblag die Planung einer staatliehen Kommission, die in

Abstimmung mit dem aktuellen Fiinfjahresplan liber Plankennziffern Produktionsvo­

lumen, Produktprogramm, die Zulieferer und die finanziellen Mittel vorgab. Bis heute

ist die Planung zentral organisiert, auf der Grundlage von Vergangenheitsdaten gibt die

Planungsabteilung quartalsweise vier Globalplane heraus: den Produktions-, Finanz-,

Absatz- und Besehaffungsplan. Jede Abteilung entwiekelt auf der Grundlage dieser Pla­

ne eigene Teilplane, die von der Planungsabteilung und dem Generaldirektor koordiniert

und kontrolliert werden. Die Plane mlissen wegen der stark sehwankenden Naehfrage

kurzfristig korrigiert werden. Bei Neuentwieklungen wird unter Leitung des teehnisehen

Direktors ein teehniseher Plan erstellt. Das Bliro fUr Marketing und Design entwiekelt

regelmaBig Sortimentsplane und ist verantwortlieh fUr die Absatzplankontrolle.

Es ist erklartes Unternehmensziel, aus GrUnden der Arbeitsplatzerhaltung monatlieh

eine bestimmte Menge zu produzieren. Die Unternehmenspolitik ist darauf ausgeriehtet,

Entlassungen nur als allerletztes Mittel zur wirtsehaftliehen Gesundung einzusetzen. Die

Mitarbeiter werden aber oft in andere Abteilungen umgesetzt. Eine absatzorientierte

Planung wird wegen der Gefahr des sich versehleehternden Arbeitsklimas bei sporadi­

scher Produktion nieht in Betraeht gezogen.

Der Fiihrungsstil ist patriarehaliseh, aIle wiehtigen Entseheidungen laufen liber den Ge­

neraldirektor. Jede Abteilung hat ihren Leiter, der die Abteilungsarbeit koordiniert. Je­

der Mitarbeiter hat ein klar abgesteektes Aufgabenfeld und feste Zeitvorgaben. Teamar­

beit oder Ansatze von ProzeBorientierung sind weder in der Art der Fiihrung noeh in der

U nternehmensstruktur verwirklieht.

Weiterbildung ist bisher nur in geringem MaBe durehgefiihrt worden, lediglieh einige

Fiihrungskrafte erhalten Englisehkurse auf Firmenkosten. Naeh Meinung des Generaldi­

rektors sollten die Fiihrungskrafte seinem Beispiel folgen und sieh anhand der tagliehen

Erfahrung selbst aus- und weiterbilden. Der Motivationseffekt einer Weiterbildung und

Aufgabenanreieherung wurde von der Unternehmensleitung nieht erkannt.

6S

Page 81: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3.2.4 Strategie

NEWSKAJA KOSMETlKA will vor allem das untere und mittlere Einkommenssegment

bedienen. Zur Marktanteilshaltung bzw. -ruckeroberung gegeniiber der seit 1992 er­

starkten westlichen Konkurrenz wird die Strategie der Kostenfiihrerschaft verfolgt.

Markenbildung und ein Vordringen in Nischen zur ErschlieJ3ung besserverdienender

Segmente sind seit langerem geplant, aber bisher wegen mangelnden Know-hows und

Investitionskapitals nur in Ansatzen verwirklicht. International sind die Produkte auf­

grund von Qualitats- und Designproblemen nicht konkurrenzfamg. Fiir den Export in

die dritte Welt sind die Produkte zu teuer, die Preise in Hartwiihrung haben sich wegen

der Kostensteigerungen im eigenen Land seit 1991 vervierfacht. Marktdurchdringung

solI durch die geographische Erweiterung der Warendistribution auf alle Gebiete der

GUS und eine hOheren Dichte im Distributionsnetz realisiert werden.

3.2.5 Marktforschung

Seit 1992 erkannte das Unternehmen die Notwendigkeit von Marktanalysen und glie­

derte die Abteilung fiir Marketing und Design in die Unternehmensstruktur ein. Auf­

grund des spiirbar wachsenden Konkurrenzdrucks auslandischer Anbieter vergab

NEWSKAJA KOSMETIKA im Mai 1993 an das STAATLICHE HANDELSINSTITUT DER

RUSSISCHEN FODERATION den Auftrag, die Marktlage fur seine Produkte detailliert zu

untersuchen und eine Marketingstrategie zu erarbeiten. Die Konsequenzen aus den Er­

gebnissen dieser Studie waren erste Produktmodifikationen und -neuentwicklungen so­

wie eine Konzentration auf die Produkte, die den groJ3ten Absatz versprachen.

Die gut ausgebildete Marketingleiterin der Firma baute ein GroJ3- und ein Einzelhan­

delspanel auf. Die Panels werden regelmaBig zur Nachfrageentwicklung einzelner Pro­

dukte, zu Produktkonzepten (Design, Verpackungsart und -groJ3e), zur Qualitat und

nach Verbesserungsvorschlagen befragt. Aus den Ergebnissen der Erhebungen werden

in der Marketingabteilung V orschlage zur Programmgestaltung und Produktneuent­

wicklung herausgearbeitet.

Die Abverkaufe jedes Geschafts werden in der Marketingabteilung wochentlich analy­

siert, man kann so die "Hits und Nieten" aktuell identifizieren und schnell reagieren.

Durch ein Marktforschungsinstitut werden jiihrlich Telefonbefragungen bei 2.500 Fa-

66

Page 82: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

milien zu Bedarfsanalyse, Kaufmotiven und der Positionierung der Produkte bei den

Endverbrauchem durchgefiihrt. Die wichtigsten in- und ausHindischen Konkurrenten

und deren Marktanteile sind NEWSKAJA KOSMETIKA bekannt. Die Marktforschung solI

weiter ausgebaut werden.

Es treten zum Teil Probleme bei der Abstimmung von Handels- und Endverbraucher­

wUnschen auf. Wenn z.B. nach einer Bedarfsanalyse ein Markt fUr eine Tages- und eine

Nachtcreme ausgemacht wird, ist es schwierig, dem Handel zu erkHiren, warum eine

zusatzliche Creme ins Sortiment aufgenommen wurde. Die Strategie der Positionierung

mehrerer Marken unter einer Dachmarke ist dem Handel unbekannt.

Weitere Informationsquellen sind Sekundardaten, z.B. die monatlichen Berichte aus

dem Institut fUr Konjunktur und Marktforschung fiber Marktvolumina und Verkaufs­

zahlen in den Regionen, Messen sowie Kundenbefragungen im eigenen Geschaft. Bei

Neuentwicklungen werden Markttests unmittelbar vor der Markteinfiihrung mit 100-200

Probanden durch ein Marktforschungsinstitut durchgefiihrt. Die Ware wird diesen zum

Test auf Geschmack, Qualitat, Geruch, Farbe, Produktnamen und zur Zielgruppenbe­

stimmung kostenlos abgegeben. Die neuen Produktkonzepte werden aber erst am Ende

des Innovationsprozesses getestet, so daB sie nicht schon in der Entwicklungsphase zur

kundengerechten Gestaltung der Produkte beitragen.

3.2.6 Produktpolitik

Trotz Absatzschwierigkeiten in 1991 stellte NEWSKAJA KOSMETIKA zunachst weiterhin

die alten Produkte mit denselben Verpackungen her. Erst der massive Markteintritt

auslandischer Konkurrenten seit 1992 und die daraufhin deutlich spiirbaren Marktan­

teilsverluste gaben den AnstoB, neue Produkte und Verpackungen zu entwickeln. Die

russischen Konsumenten gewannen in dieser Zeit schnell Vertrauen zu westlichen Kos­

metikprodukten, die mit exzellenter Aufmachung und meist unter hohem Werbedruck

eingefiihrt wurden, so daB sie bereit waren, die bis zu sechsmal hoheren Preise fUr diese

Waren zu akzeptieren.

NEWSKAJA KOSMETIKA reagierte mit der Verbreiterung des Produktprogramms und

marktgerechter Gestaltung der Produkte. Bestehende Produkte wurden modifiziert, In-

67

Page 83: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

novationen in einer neu gesehaffenen F&E-Abteilung geplant. Dort befassen sieh seehs

Mitarbeiter mit der Entwieklung neuer Rezepturen, zwei mit dem Produktdesign. Der

Markt wurde naeh versehiedenen Kriterien wie z.B. Alter, Gesehleeht, Beruf oder

Hauttyp segmentiert. Neuprodukte wurden erst naeh ihrer Fertigentwieklung einem

Markttest unterzogen; die Konsurnenten in die Produktentwicklung einzubeziehen, wur­

de als unnotig eraehtet.

1994 wurde eine neue Produktionslinie fUr Seife gekauft. Mehrere neue Pflegeserien

wurden entwiekelt, die Produktpalette urn insgesamt neun Creme- und Seifensorten er­

weitert. 1995 produzierte das Untemehmen dreiBig versehiedene Cremes und zehn Sei­

fenarten. Taglieh wurden 40 Tonnen Seife, 80.000 Tuben Zahnpasta und ca. 85.000

Paekungen Creme hergestellt. Erfolgreiehe Produkte wurden unmodifiziert beibehalten.

Creme 24%

48%

Shampoo 3%

Vaseline und Glyzerin

4%

Abb. 16: Produktmix in Prozent des Jahresumsatzes 1994 (eigene Darstellung)

Seit Ende 1993 war der Aufbau von Marken geplant. Neuentwiekelte Produkte versueht

man als Monomarken unter der Daehmarke NEWSKAJA KOSMETIKA anzubieten. Da der

Markenaufbau kaurn dureh Werbung und Verkaufsforderung unterstUtzt wurde und das

Untemehmen die Probleme einer modemen Verpaekungsgestaltung seit Jahren nieht

bewaltigt, kann man bisher kaurn von der Einflihrung von NEWSKAJA KOSMETIKA­

Marken spreehen. Allerdings wird von der inlandisehen Konkurrenz ebenfalls noeh kei­

ne erfolgreiehe Markenpolitik betrieben, und deren Qualitat und Produktdesign entspre­

ehenb dem von NEWSKAJA KOSMETIKA.

68

Page 84: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Urn die Anmutung der Produkte zu verbessem und sich auf diese Weise von anderen

russischen Anbietem abzuheben, sieht das Management die Verbesserung des Pro­

duktdesigns weiterhin als vordringliche Aufgabe an. Qualitatsverbesserungen konnen

dann sowohl dem Handel als auch den Endverbrauchem glaubhafter gemacht und das

Image des Billiganbieters tiberwunden werden.

NEWSKAJA KOSMETIKA ist bemtiht, die eigene Produktqualitat an die der intemationalen

Konkurrenz anzunahem. Es gibt strenge Richtlinien bei der Qualitatskontrolle, die Mit­

arbeiterzahl in diesem Bereich wurde mehrmals erhOht. Es werden ausschlieBlich nattir­

liche Grundkomponenten verarbeitet.

Die Fertigungstiefe hat sich seit der Perestroika nicht verandert. Eine Konzentration auf

Kernkompetenzen erweist sich aufgrund der gro/3en Schwierigkeiten bei der Suche nach

Zulieferem, die den Qualitats- und Zuverlassigkeitsanspruchen von NEWSKAJA

KOSMETIKA gentigen wfuden, und des drohenden Verlustes von Arbeitsplatzen als

schwierig.

3.2.7 Preispolitik

Der Preis ist beim tiberwiegenden Teil der russischen Konsumenten das wichtigste

Kaufentscheidungskriterium. Die Preisfreigabe erfolgte noch vor der Privatisierung. Das

Management setzte danach neue Preise "nach Gefiihl" fest. Die Distributionskanale

wurden erst nach der Preisfestlegung erschlossen.

Tab. 14: Preisspiegel kosmetischer Produkte yom September 1995 in St. Petersburger Geschiiften (Durchschnittspreise in Rubel auf 100g der Produkte normiert)

Produktgruppe NEWSKAJA KOSMETlKA russische Konkurrenz auslandische Konkurrenz

Zahnpasta 1,700 2.285 11.100 Creme 4,300 3.320 13,250 Seife 1.550 1.800 3.050

Nach der Einfiihrung eines modemen Rechnungswesens 1993 konnte die Preisermitt­

lung nach dem Zuschlagverfahren (Kosten des Produkts + in der Aktionarsversammlung

abgestimmter Gewinnaufschlag) erfolgen. Die Leitpreise der inlandischen Konkurrenz

haben teilweise ebenfalls Einflu/3 auf die Preisbestimmung, die Preise der westlichen

69

Page 85: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Anbieter werden grundsatzlich unterboten. So ordnet sich der Preis in sein russisches

Konkurrenzumfeld ein, westliche Produkte sind bis zu sechsmal teurer.

NEWSKAJA KOSMETIKA ist wie viele andere russische Unternehmen gezwungen, antizi­

pativ PreiserhOhungen aufgrund von Inflationserwartungen und erwarteter Kostenstei-

Tab. 15: Preisstruktur (eigene Darstellung)

Verkaufspreis ab Werk 100% GroBhandelsaufschlag + 25% Verkaufspreis ab GroBhandel 125% Einzelhandelsaufschlag + 25% Einzelhandelsverkaufspreis 150%

gerungen vorzunehmen. So werden bei der

Kalkulation der Preise monatlich 15% Infla­

tion mitberucksichtigt. Mit Rabatten kann

nur gegenuber dem Handel argurnentiert

werden, da Preisaktionen in den Geschaften

von den russischen Konsurnenten mit abge­

laufener Haltbarkeitsdauer oder minderer Qualitat (bzw. Ausschul3produktion) gleichge-

setzt werden. NEWSKAJA KOSMETIKA gab bisher keine Preisempfehlungen an den Han­

del, in Zukunft mochte das Unternehmen aber bier mehr Einflul3 ausuben. Es ist geplant,

in Nischen hOherpreisig zu verkaufen.

3.2.8 Kommunikation

Vor Glasnost und Perestroika wurde Marktkommunikation als unnotig erachtet, da der

Absatz nicht vom Unternehmen selbst betrieben wurde und der Kunde im Geschaft oh­

nebin mit den wenigen angebotenen Produkten Vorlieb nehmen mul3te. Aber auch zum

Zeitpunkt der Befragungen hat NEWSKAJA KOSMETIKA die Relevanz von Verbraucher­

kommunikation noch nicht erkannt. Das Unternehmen betreibt eine Push-Strategie, urn

seine Produkte mit Hilfe handelsgerichteter Absatzforderung in den Markt zu drucken.

Da der Endverbraucher wisse, daB die Qualitat hoch sei, werde keine Werbung benotigt,

so die Meinung der Unternehmensleitung 1995. Werbung sei zur Zeit nur eine Sache

westlicher Firmen. Es verwundert nicht, daB der Schwerpunkt der Werbekonzeption auf

der Erstellung von Handzetteln mit Produktinformationen lag und kein Werbebudget

festgelegt wurde. Jede MaBnahme wird vom Generaldirektor einzeln beurteilt und ge­

nehmigt.

Verantwortlich fOr die Marktkommunikation ist die Leiterin des Buros fOr Marketing

und Design. Die Aufgaben urnfassen die Organisation von Messeteilnahmen, Handels­

werbung, Marktforschung, Preiskalkulationen und V orschlage zur Gestaltung des Pro-

70

Page 86: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

duktprogramms. Beim Entwurf von Produktinformationen, Gebrauehsanweisungen und

Ausstellungskatalogen fUr Messen wird mit Werbeagenturen zusammengearbeite1.

NEWSKAJA KOSMETIKA nimmt regelmaBig an Messen in Moskau und den wiehtigsten

Regionen teil. Produktwerbung wird dem GroBhandel fiberlassen, der Werbeprospekte

herausgibt und Gewinnspiele veranstaltet. GroBhandler werden halbjahrlieh fUr zwei

Tage zu einem Workshop naeh S1. Petersburg eingeladen, Themen sind Beurteilungen

der Produktkonzepte, Abverkaufsanalysen, Qualitiits- und Liefermangel, Wiinsehe und

Kritik des Handels und antizipierte Endverbraueherbediirfnisse aus der Sieht des Han­

dels. Am Abend wird in einem Hotel eine Feier veranstaltet, wo die Ergebnisse des Ta­

ges noeh einmal in entspannter Atmosphiire reflektiert werden konnen. Auf diese Weise

erhiilt NEWSKAJA KOSMETIKA wiehtige Rfiekkoppelungen fiber sein Vorgehen am

Markt.

Seit 1994 arbeitet das Untemehmen an seiner Corporate Identity. Bisher wurden ein

neues Firmenlogo und ein einheitliehes Design yom Briefkopf bis zum Messestand

entwickelt.

3.2.9 Distribution

Vor der Perestroika ziihlte der Absatz nieht zu den Aufgabenbereiehen der Betriebslei­

tung. Es gab eine staatliehe Absatzgarantie, die Endkundenstruktur war im Betrieb

weitgehend unbekann1. Ein staatlieher Distributeur, in dessen Zentrallager man nur

"fiber die StraBe" zu lief em brauehte, plante und organisierte die Verteilung in der ehe­

maligen Sowjetunion. Mit der Preisfreigabe 1991 konnte NEWSKAJA KOSMETIKA nieht

nur die Preise selbst bestimmen und sein Produktionsvolumen planen, sondem war ge­

zwungen, Abnehmer selbst zu finden und zu belief em.

Ais Folge dieses "Sprungs ins kalte Wasser" sank das Produktionsvolumen zuniiehst

massiv, da die alten Zentraleinkiiufer des ehemaligen staatliehen Distributionssystems

keine Mittel mehr hatten. Einige dieser Zentraleinkiiufer etablierten sich als GroBhand­

ler, und bis Ende 1992 konnte NEWSKAJA KOSMETIKA seinen Absatz dureh die Auswahl

einiger geeigneter GroBhandler und eigene Akquisition von Einzelhandelsgesehiiften

wieder steigem. Das ehemalige staatliche Zentrallager wird heute yom Untemehmen

71

Page 87: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

selbst genutzt, ein eigenes Geschaft erOffnete dort 1992. Die Transportabteilung fUr die

lokale Verteilung per LKW wurde in den Vertrieb eingegliedert. Uberregional wird zu

80% per Balm ausgeliefert, die Fabrik hat einen eigenen BalmanschluB. Ein Plan von

1994, in den drei Folgejahren selbst regionale Verkaufsniederlassungen zu schaff en, war

bis zum Sommer 1995 noch nicht umgesetzt.

Die Struktur des Vertriebs auf dem Stand 1995 ist in der Abb. 17 dargestellt. Die direkte

Lieferung an den Einzelhandel erfolgt per Abholung, zum GroBhandel wird selbst gelie­

fert. Der eigene Vertrieb setzt sich aus den Umsatzen von Bartergeschaften (incl. der

Belieferung der stadtischen Gas-, Wasser- und Elektrizitatswerke zur Versorgung ihrer

Mitarbeiter) und dem Verkaufim eigenen Geschaft zusammen.

Einzelhandel 30%

Vertrieb iiber GroBhandel

60%

Abb. 17: Vertriebsstruktur des Unternehmens (eigene Darstellung)

60% der Distribution werden iiber 15 GroBhandler in RuBland (z.B. in Moskau, Wolgo­

grad, Omsk, Twer) und je einen in Belarus und der Ukraine realisiert. Diese GroBhand­

ler verfiigen iiber umfassende Kontakte zum Einzelhandel und vertreiben auch Konkur­

renzware. 25% sind die iibliche Handelsmarge. Die Anforderungen, urn GroBhandler fUr

NEWSKAJA KOSMETIKA zu werden, sind ein hoher Bekanntheitsgrad in der Region, sehr

gute Bonitiit und die Kapazitat, Produkte von NEWSKAJA KOSMETlKA im Wert von min­

destens 300.000 DM monatlich umzusetzen. NEWSKAJA KOSMETlKA versucht intensiv,

u.a. bei Messen und iiber person1iche Kontakte, weitere vertrauenswiirdige GroBhandler

zu tinden.

72

Page 88: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Schaffung eines eigenen AuBendienstes wird von der Geschaftsfiihrung als nicht

sinnvoll erachtet, da dies zu teuer sei und auBerdem die GroBhandler die Verhaltnisse

vor Ort besser kennen. Man hofft, daB die Ausweitung der Distribution fiber den GroB­

handel eine landesweite und effiziente Belieferung der vielen Einzelhandler ermogli­

chen wird. NEWSKAJA KOSMETIKA unterhalt bereits sehr enge Beziehungen zu seinen

Distributionspartnem. Die Absatzplanung erweist sich wegen der stark schwankenden

Nachfrage dennoch als schwierig.

Die Absatzgebiete beschranken sich auf die GUS-Staaten, wobei 95% der Produktion

direkt in RuBland abgesetzt werden. Es gibt starke Distributionsunterschiede zwischen

den Regionen, z.B. werden in Karelien zehnmal mehr einheimische Produkte im Ver­

gleich zu Importwaren abgesetzt als in St. Petersburg. Diese landlichen Gegenden sollen

in Zukunft durch die GroBhandler sHirker erschlossen werden. Die Untemehmensleitung

sieht es auBerdem als strategisches Ziel an, die verlorenen Markte in WeiBruBland und

der Ukraine zurUckzugewinnen.

3.2.10 Beschaffung

Vor Glasnost und Perestroika erfolgte die Beschaffung zentral fiber Moskau. Schon aus

dieser Zeit stammen die Probleme mit Lieferfristen bei der Beschaffung von Investiti­

onsgfitem. In der Transformationsphase kamen zu der geringen Lieferzuverlassigkeit

und langen Lieferzeiten sehr kurze Zahlungsziele bei teilweise im Vergleich zur auslan­

dischen Konkurrenz hOheren Preisen hinzu. Das Untemehmen sah sich gezwungen,

langjahrige Lieferbeziehungen aufzulOsen und neue Lieferanten zu suchen. In Zeiten der

Planwirtschaft wurde NEWSKAJA KOSMETIKA von 280 ausschlieBlich russischen Betrie­

ben beliefert, 1995 waren schon 80% der nun 430 Lieferanten auslandische Firmen (vor

allem aus Polen, Osterreich, Deutschland, Frankreich, Tschechien, Schweden, Finnland,

den Niederlanden), nur noch 5% aus GUS-Staaten. Eine ErhOhung auf 500 Zulieferer

war geplant. So wurden beispielsweise Fette, Aluminium, Tenside, Farben und Emul­

gator aus dem Ausland beschafft. 1m Sommer 1995 gab es bei diesen Importen eine

ZollerhOhung, so daB weitere Veranderungen der Lieferantenstruktur abzusehen sind.

Auf dem Grundstoffmarkt setzen monopolistische Anbieter willkfirlich immer wieder

hahere Preise fur Gas, Wasser, Benzin usw. fest. Das Untemehmen reagierte mit dem

AbschluB von Kompensationsgeschaften mit diesen Lieferanten.

73

Page 89: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4 Rahmenbedingungen der Transformation

Da sechs Lander in die Untersuchung einbezogen wurden, ist die Darstellung des Trans­

formationswnfelds sehr komplex. Sie wird im folgenden nicht erschOpfend, sondem

problemorientiert dargestellt. Nach einem knappen Uberblick tiber die natiirlichen Ge­

gebenheiten und geschichtlichen Hintergriinde der Lander (4.1) werden die fur das Ver­

Abb. 18: Mittel-Osteuropa

4.1 Allgemeine Gegebenheiten

stehen der Transformation auf per­

soneller Ebene bedeutsamen kultu­

rellen Werte, sozialen Bindungen

und Beziehungen in 4.2 vertieft. Die

wichtigsten wirtschaftspolitischen

und rechtlichen Normen unterliegen

einer besonders hohen Dynamik, so

daB fur weiterfiihrende Fragen auf

die Literatur verwiesen werden muB.

Sie werden im Rahmen der aus­

fiihrlichen Darstellung der Privati­

sierungsprozesse in 4.3 angespro­

chen. Die Marketinginfrastruktur

(4.4) wird wegen ihrer hohen Rele­

vanz flir die Kernfragen der Unter­

suchung eingehend behandelt.

Einige demographische und geographischen Daten sollen einen kurzen, aber diffe­

renzierten Eindruck tiber die Lander vermitteln. Osteuropa ist keine Einheit; die Sowjet­

union war ein politischer, kein kultureller ZusammenschiuB von Staaten. Abb. 18 zeigt

die Untersuchungslander in der Ubersicht. Aufgrund seiner Vormachtstellung in der

ehemaligen Sowjetunion und der tiberproportionalen Vertretung in dem vorliegenden

Sample nimmt RuBland breiteren Rawn in der folgenden Darstellung ein. Flir eine ein­

gehendere Beschaftigung mit osteuropaischen Landem sei auf die angefiihrte Literatur

verwiesen.

75

Page 90: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.1.1 RuHland

Seit der Souveranit~tserkUirung am 11.6.1990 sind in der Russischen Foderation aile

Strukturen fUr einen selbsllindigen Staat geschaffen worden. Als einziger Staat der ehe­

maligen Sowjetunion proklamierte RuBland keine UnabMngigkeit. Nach dem August­

Putsch 1991 war RuBland Hauptakteur im Bemtihen urn neue zwischenstaatliche Struk­

Tab. 16: Allgemeine Daten RuOlands (o.V., bfai 1996a)

Fli:iche 17,1 Mio. Qkm Bevi:ilkerung 147,2 Mio. (Mille 1996) Bevi:ilkerunosdichte 8,61 Einw.lqkm Wi:ihruno Rubel Wechselkurs (Monatsdurchschnill 9/96) 10M = 3,566 Rubel Infialionsrate (%)(Prognose 1996) 30-35 BIP ie Einwohner in US$ (Proonose 1996) 2.938

turen auf dem Gebiet der ehe­

maligen UdSSR und Initiator

fUr die Griindung der Gemein­

schaft UnabMngiger Staaten

(GUS). RuBland ist ein Vie!­

vOikerstaat. Rund 100 ver­

schiedene Volksgruppen sind

auf dem Territoriurn der Foderation zu Hause, die kulturelle Vielfalt ist Grund fUr ethni­

sche Konflikte. Mit der Ost-West-Ausdehnung von 9000 km und der von Nord-Sud­

Ausdehnung von 4000 km werden mehrere Zeit- und Landschaftszonen urnspannt. Die

Klimabereiche reichen von arktischen bis sUbtropischen Zonen. RuBland ist reich an

Flussen, tausende Inseln befinden sich im Norden und Osten des Landes. Die groBten

Seen sind der Baikal in Sudostsibirien und der Ladoga und der Onega sudlich von Ka­

relien. Die multinationale Foderation ist administrativ in 21 Republiken gegliedert. Die

Beziehungen zwischen den f6derativen Organen der Staatsmacht und staatlichen

Machtorganen der Republiken basieren auf dem Fordervertrag yom 31. M~z 1992. Auf

der Ebene unterhalb der Republiken urnfaBt die Foderation sechs Regionen, 49 Gebiete

und elf autonome Kreise als Verwaltungseinheiten. Moskau hat den Status einer Region

und St. Petersburg den eines Gebietes. Die Republiken haben eigene Verfassungen, in

den Regionen und Gebieten gel ten eigene rechtliche Verordnungen (SCHULUS 1994,

1 If.). Daher ist der russische Markt regional sehr differenziert zu betrachten. GroBe re­

gionale Diskrepanzen bestehen z.B. in der lokalen Steuerpolitik, in der infrastrukturellen

Entwicklung und der industriellen Struktur. Als Erbe der friiheren Arbeitsteilung beste­

hen noch heute regionale industrielle Schwerpunkte, der Differenzierungsgrad der Pro­

duktion ist, wie in allen osteurop~ischen Undem, relativ gering.

GroBuntemehmen und deren hohe regionale Konzentration kennzeichnen die russische

Industriestruktur. Die Industrie ist im westlichen RuBland (in erster Linie in den Bal-

76

Page 91: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

lungsraumen Moskau und St. Petersburg), im Uralgebiet sowie im siidlichen Sibirien

konzentriert. Die marktwirtschaftliche Umgestaltung fiihrt zu einer deutlichen Verande­

rung der Industrieregionen. Wichtigste Bereiche der investitionsgiiterlastigen Industrie

sind die Energie- und Brennstoffindustrie, die Metallerzeugung sowie der Maschinen­

bau mit jeweils rund 20%-igem Anteil an der Gesamtproduktion. Mittelstandische

Strukturen fehlen in den meisten Gebieten Osteuropas, eine Ausnahme ist z.B. der We­

sten RuBlands. Die gesamte Produktion formiert sich durch die Entstehung des privaten

Sektors neu, ganze Industriesektoren werden sich kiinftig regional verlagem, neue Sek­

toren entstehen.

Haupt-Femverkehrstrager ist die Eisenbahn, das Strafiennetz auBerhalb der Zentren ist

unzureichend. Der Giiterumschlag in den Hafen (Nordliches Eismeer, Ostsee, Schwar­

zes Meer, Pazifik) betragt 100 Mio. t, rund 40% des UdSSR-Wertes von 1989.

Entgegen verhalten optimistischer Prognosen intemationaler Finanzinstitutionen hat in

RuBland auch 1996 kein Wirtschaftswachstum eingesetzt. Der Riickgang des BIP und

der Investitionstatigkeit hat sich gegeniiber den Vorjahren sogar beschleunigt (DIW 51-

52/96, 842).

Die okologische Situation in der Russischen Foderation ist unbefriedigend. Besonders

wegen fehlender Finanzierungsmoglichkeiten werden Umweltschutzmafinahmen ver­

nachlassigt. Hohe Schadstoftkonzentrationen in der Luft, besonders in stadtischen Re­

gionen, sowie Wasser- und Bodenverschmutzungen sind die Folge.

4.1.2 Ukraine

Die Ukraine wurde am 25.12.1917 proklamiert und war seit dem 30.12.1922 Teil der

UdSSR. Am 16.07.1990 erklarte sich die Ukraine souveran. Die Unabhangigkeits­

erklarung folgte am 24.08.1991. Die Ukraine vertrat in der GUS die strikteste Position

nationaler Souverarutat und stand mit ihrer antizentralistischen Haltung in Opposition

zur Vormachtstellung RuBlands. 1996 sind, insbesondere in der Ost-Ukraine, Tenden­

zen zum WiederanschluB an RuBland zu beobachten. Die Ukraine, im Westen der osteu­

ropaischen Tiefebenen gelegen, grenzt an RuBland, Belarus, Maldowa, Rumaruen,

Slovenien und Polen und wird im Siiden durch das Schwarze Meer mit der Halbinsel

77

Page 92: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Krim begrenzt. Der Djnepr durchmiBt die Ukraine von Norden nach SUden und ist die

wichtigste WasserstraBe und Wasserkraftquelle. Klimatisch herrscht ein gemaBigtes

Kontinentalklima, an der Sfidkiiste der Krim ist es sUbtropisch.

Das Land hat durch seine geographische Lage zentrale Bedeutung fUr den Verkehr. Es

ist Transitland sowohl von Nord nach Sfid (Verbindung zwischen Ostsee und Schwar­

zem Meer) als auch in West-Ost Richtung. FUr den Tourismus sind die Halbinsel Krim,

die Karpaten und Kiew attrak-

Tab. 17: Allgemeine Daten der Ukraine (o.V., bfai 1996b) tiv. Die Krim war im sowjeti-

Flache Bevolkerung Bevolkerungsdichte Wahruno Wechselkurs (1.10.96) Inflationsrate (%) (Prognose 1996) BIP je Einwohner in US$ (19951

603.700qkm 51,7 Mio. (1995) 86 Einw./qkm Griwna (seit 2.9.96) 10M = 1,15 Griwna 50

698

schen System bevorzugter Feri­

en- und Alterssitz verdi enter

Funktioniire. Der Anteil von

Russen an der Bevolkerung ist

daher in dieser Region beson­

ders hoch.

Die Ukraine wird oft als eine der geeignetesten GUS-Wirtschaftsregionen fUr westliche

Investitionen erachtet. Standortvorteile sind die relativ hochentwickelte und differen­

zierte Industrie und das niedrige Lohnniveau. Tatsiichlich erlebt die Ukraine jedoch seit

der Unabhangigkeit eine anhaltende wirtschaftliche Talfahrt ohne Aussicht auf Besse­

rung. Geringe Stabilisierungstendenzen waren Mitte 1994 zu beobachten, die sich je­

doch nicht fortsetzten. Die Regierung versucht, die Transformation durch vertikale

Branchenentwicklungsprogramme zu lenken und die Kontrolle fiber neu entstehende

Untemehmensgruppen zu erlangen. Der Strukturwandel wird so weitgehend blockiert

(DIW 30/96, 507).

Ahnlich wie in Belarus stellt die Angleichung der russischen bzw. turkmenischen Roh­

stoffpreise an das Weltmarktniveau ein zentrales Hindemis der ukrainischen Wirtschaft

dar. Kaum ein Untemehmen ist in der Lage, die Energie- und Rohstoffpreise zu zahlen.

Die eigene Energieerzeugung nimmt immer mehr ab, was die importierte Energiekrise

weiter verstiirkt. Die energieintensiven Produktionszweige batten demzufolge die stiirk­

sten Einbriiche zu erleiden.

78

Page 93: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.1.3 Belarus

Belarus (WeiBruBland) wurde am 1.1.1919 gegriindet und trat Ende des Jahres 1922 der

UdSSR bei. Die SouveramUitserkHirung der Republik Belarus erfolgte am 27.7.1990,

die Unabhangigkeitserklarung am 26.8.1991. Das Territorium ist administrativ in die

Tab. 18: Allgemeine Daten Belarus (o.V., bfai 1996c)

Flache 207.600qkm Bevolkerung 10,3 Mio. (1995) Bevolkerungsdichte 49,8 Einw.lqkm Wahrung WeiBrussischer Rubel (BRB) Wechselkurs (30.9.96) 10M = 8.121,37 BRB Inflationsrate (%)(1995) 709 BIP je Einwohner in US$ (1995) 2.272

sechs Gebiete Minsk, Gomel,

Brest, Witebsk, Mogilev und

Grodno gegliedert. Ais westli­

cher Teil der osteuropruschen

Tiefebenen ist Belarus ein iiber­

wiegend flaches, mit Siimpfen

und Mooren bedecktes Land mit

gemiiBigt kontinentalem, aber feuchtem Klima. Die Landessprache ist belorussisch, eine

dem russischen naher als dem ukrainischen stehende ostslawische Sprache. Ahnlich wie

in der Ukraine sind die Transitverbindungen in Nord-Siid- sowie in Ost-West-Richtung

von ausschlaggebender verkehrstechnischer Bedeutung. Hauptverkehrstrager ist die

Eisenbahn, Hauptumschlagplatz ist Brest. Der intemationale Flugverkehr ist schwach

entwickelt.

1m Zuge der aufgewiihlten Nationalitatenszene beim Zerfall der Sowjetunion bestanden

im Vergleich zu den meisten anderen Republiken keine nennenswerten interethnischen

Konflikte. In Belarus ist die nationalistische Bewegung eher schwach ausgepragt, und

obwohl die Grenzziehung zu den Nachbarstaaten nicht genau den ethnischen Gegeben­

heiten entspricht, erklarte das Parlament den Verzicht auf Grenzrevisionen. Die latenten

Gebietsanspriiche zwischen Belarus und Litauen wurden ebenfalls nicht politisch gel­

tend gemacht. Ende 1996 neigt Belarus zum WiederanschluB an RuBland.

Rohstoffarmut kennzeichnet die Industriestruktur, Roh- und Grundstoffindustrien exi­

stieren kaum. Schwerpunkte in der verarbeitenden Industrie liegen im Maschinen- und

Fahrzeugbau, der Elektrotechnik (40% der Industrieproduktion), der Nahrungsmittel­

und Textilindustrie und der Chemischen Industrie. Belarus ziihlt zu den stark industriali­

sierten Republiken der ehemaligen UdSSR, verfiigt aber gleichzeitig iiber einen hohen

Anteil landwirtschaftlicher Arbeitskrafte. Die Landwirtschaft ist trotz ungiinstigen Kli­

mas und schlechter Bodenbeschaffenheit relativ hoch entwickelt. Durch die Arbeitstei-

79

Page 94: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

lung in der ehemaligen Sowjetunion ist die Viehzucht stark ausgepragt. Die Republik

verlor durch die Tschemobyl-Katastrophe mehr als 260.000 Hektar an landwirtschaftli­

cher Nutzf1ache.

Der TransformationsprozeB wird durch starkes MiBtrauen der Regierung gegentiber

marktwirtschaftlichen Institutionen und Regelsystemen bestimmt. Die Reformen wer­

den durch eine Ftille staatlicher Eingriffe blockiert. Absatz- und Energiemarkte werden

vor allem durch eine enge Anbindung an RuBland gesucht, obwohl der hohe Ausbil­

dungs stand und die geographische Lage eine Orientierung an den mitteleuropaischen

Reformstaaten (Tschechien, Ungarn, Polen) ermoglichen. Belarus hat sich damit, anders

als seine Nachbarstaaten, gegen weltwirtschaftliche Offnung und Anbindung an West­

europa entschieden (DIW 45/96717).

4.1.4 Baltischer Raum

Die Reformstaaten als homo gene Einheit zu betrachten, ist vor allem gegentiber dem

Baltischen Raum ein Fehler. Diese Region ist nicht nur kulturell und okonomisch ganz

andersartig als RuBland und die anderen Lander, sondem auch in sich sehr uneinheitlich.

Wirtschaftlich gibt es ein spfubares Nord-Stid-Gefalle, zusatzlich besteht innerhalb die­

ser Lander ein starkes Gefalle zwischen stadtischen und landlichen Regionen.

Investitionsvorteile aller baltischen Staaten sind die Uberschaubarkeit der Lander und

die relativ schnell voranschreitende Transformation, die westlich orientierte Mentalitat

der Bevolkerung, die Nahe zu Westeuropa (Anbindung tiber die Ostsee) und das niedri­

ge Lohnniveau bei vergleichsweise hohem Bildungsniveau. Eine zusatzliche Ver­

besserung wurde durch das am 1.1.1995 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwi­

schen den baltischen Staaten und der Europaischen Union erreicht. Danach konnen alle

Waren, mit Ausnahrne von Stahl, Eisen, Textilien und landwirtschaftlichen Produkte

zollfrei und ohne Kontingentbegrenzung in den EG-Raum exportiert werden. Dieses

Abkommen ist einer der ersten Schritte zum Beitritt der baltischen Staaten in die EU.

Westliche Investoren schreiben diesen Landem eine Bruckenfunktion zur GUS zu, was

aus Sicht dieser Lander infolge der gegenseitigen Abwendungstendenzen und Rivalita­

ten nur eingeschrankt zutrifft.

80

Page 95: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.1.4.1 Lettland

Zu Zeiten der UdSSR war Lettland eine der am weitesten entwickelten Sowjetrepubli­

ken. Der TransforrnationsprozeB und die LoslOsung aus der Abhangigkeit von den ehe-

maligen Sowjetrepubliken ging mit einer tiefen Wirtschaftskrise einher. Dennoch zeigt

die wirtschafliche und politische Lage erste Stabilitatserfolge. Lettland ist mit iiber 3900

Tab. 19: Allgemeine Daten Lettlands (o.V., bfai 1996d)

Flache 64.600Qkm Bev61kerung 2,5 Mio. (1995) Bev61kerungsdichle 38,7 Einw.lqkm WahrunQ Lal (Ls) Wechselkurs (30.9.96) 10M = 0,364 Ls Inflalionsrale (%) (Prognose 1996) 19,8 BIP je Einwohner in US$ (1995) 1.715

Seen (davon 300 gr6Bere) und

12.400 Wasserlaufen das Land

der Seen und Fliisse. Der gr6Bte

See ist der Lubanas (90 qkm), der

langste FluB ist die Gauja (452

km), der wirtschaftlich bedeu­

tendste FluB ist die Daugava. Die

Ostseekiiste im Westen des Landes miBt rund 500 km. Klimatisch ist das Land vom

Atlantischen Ozean beeinfluBt, der mit zahlreichen Hoch- und Tiefdruckgebieten fUr

Temperaturschwankungen sorgt. Sonnentage sind relativ selten.

FUr den lettischen Transport sind die Hafen von Riga, Ventspils und Liepaja auBerst

wichtig. Die Hafen von Ventspils und Liepaja haben gegeniiber den iibrigen Ostseeha­

fen den wirtschaftlichen Vorteil, standig eisfrei zu sein. StraBennetz und -qualitat sind

zufriedenstellend. Die 2.400 km langen Eisenbahnstrecken verlieren fUr den Waren­

transport zunehmend an Bedeutung.

1m Zuge der Arbeitsteilung der ehemaligen Sowjetunion war Lettland auf bestimmte

Erzeugnisse spezialisiert; Rohstoffe, Energietrager und zusatzliche Fachkrafte kamen

aus den anderen Teilen der UdSSR. In dieser Zeit erhOhte sich die industrielle Produkti­

on urn ein Vielfaches, das Volumen der Landwirtschaft verdoppelte sich. Beide Sekto­

ren hatten durch die Umwandlungsprozesse starke EinbuBen zu verzeichnen. Die wich­

tigsten Industriesektoren sind Nahrungsmittelindustrie (33%), Metallverarbeitung

(17,5%), Leichtindustrie (13,5%), Energiewirtschaft (10%), Chemieindustrie (9,5%)

und Holz-, Papier- und Zelluloseproduktion (7%).

Lettlands landwirtschaftliche Nutzflache von 2.474 Mio. ha wird zu 68% zurn Anbau,

zu 28% als Wiesen und Wei den und zu vier Prozent fUr Dauerkulturen genutzt. Nahezu

81

Page 96: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

die H1ilfte der Flache leidet unter FeuchtigkeitsiiberschuB und muB entwassert werden.

Die lettische Landwirtschaft konzentriert sich auf Viehwirtschaft, speziell Milcherzeu­

gung, Mastrindhaltung, Schinkenproduktion sowie Gefliigelhaltung. Rund 80% der

Pflanzenproduktion wird fUr die Viehzucht verwertet.

Lettland ist durch seine Geschichte mit der hanseatischen Tradition verbunden, was sich

schon in der Architektur widerspiegelt. Die Mehrheit der Bevolkerung ist protestantisch,

kulturell ist Lettland eher dem skandinavischen als dem slawischen Raum zuzuordnen.

4.1.4.2 Estland

Nach der Erlangung seiner Unabhangigkeit am 21.08.91 begann Estland mit dem Auf­

bau funktionsfahiger marktwirtschaftlicher Strukturen. Der estnische Transformations­

prozeB schreitet schneller voran als Tab. 20: Allgemeine Daten Estlands (o.V., bfai 1996e)

Fli:iche 45.226 qkm Sev61kerunq 1,56 Mio. (1994L Sev61kerungsdichle 33,7 Einw.lqkm Wi:ihrung Eslnische Krone (ekr) Wechselkurs (30.9.96) Feslkurs: 10M = 8 ekr Inflalionsrale (%) (Prognose 1996) 20,0 SIP je Einwohner in US$ (1995) 1.700

der der iibrigen Reformstaaten.

Estland hat sich mittlerweile zu

einem prosperierenden Staat ent­

wickelt. Das nordosteuropaische

Land, an der Ostsee gelegen und

bis zum Finnischen Meerbusen rei­

chend, ist die kleinste der drei baltischen Republiken. Rund 1500 Inseln saumen die

3.800 km lange Ostseekiiste. Etwa 20% der flachen und wasserreichen Republik besteht

aus Siimpfen und fUnf Prozent aus Seen. Das Land ist mit 150 Fliissen iiberspannt, le­

diglich neun davon sind langer als 100 km. Infolge der wasserreichen Bodenbeschaffen­

heit sind weite Flachen unbewohnbar. Das Territorium ist zu 30% von Mischwaldem

bedeckt.

Die estnische Infrastruktur ist zufriedenstellend. Das Verkehrsnetz verfUgt iiber 15.000

km AutostraBen, nur 8% davon sind HauptstraBen. Ein Ausbau des Netzes und der Bau

von Autobahnen hat begonnen. Der Gesamtfrachttransport wird zu 50% yom Seetrans­

port bestritten, der Eisenbahntransport verliert an Bedeutung.

82

Page 97: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zwischen den Esten und ihren baltischen Nachbarn besteht wenig Verwandtschaft. Est­

land gehOrt zur finnisch-ungarischen Sprachfamilie, Lettland und Litauen zur indo­

gennanischen Sprachfamilie.

Das estnische Yolk wird als stark, selbstbewuBt und stolz charakterisiert, was beispiels­

weise in der Wertschlitzung der eigenen Wlihrung zum Ausdruck kommt und in der

Kraft, die Umwandlungsprozesse schnell und zielstrebig durchzufiihren (TuRNER 1994,

15).

4.1.4.3 Litauen

Unter dem Schutz des Deutschen Reiches wurde Litauen 1917 erstmals als unabhangi­

ger Staat proklamiert. Nachjahrelanger polnischer und sowjetischer Besetzung wurde es

1940 in die Sowjetunion eingliedert. 1m Mai 1989 erklarte der oberste Sowjet die staat-

Tab. 21: Allgemeine Daten Litauens (o.V., bfai 19961)

Flache 65.300Qkm Beviilkerung 3,7 Mio. (1995) Beviilkerungsdichte 57 Einw.lqkm WiihrunQ Litas (LTL) Wechselkurs (30.9.96) 10M = 2,63 LTL Inflationsrate (%) (1995) 20,3 BIP je Einwohner in US$ (1995) 1.502 (eiQene BerechnunQ)

liche Souverlinitlit Litauens, die

Unahbhangigkeitserklarung er­

folgte im Mlirz 1990. Litauen ist

die groBte, bevolkerungsreichste

und am dichtesten besiedelte Re­

publik im Baltikum. Die offizi­

elle Landessprache, Litauisch,

wird von drei Vierteln der Bevolkerung gesprochen. Ais Geschiiftssprachen sind Rus­

sisch, Englisch und Deutsch verbreitet. Ein dichtes Netz an Fliissen prligt die Republik,

die langsten sind Nemunas (937 km) und Neris (510 km). An der Seekiiste im Westen

des Landes schlieBt sich ein Tiefland an, das nach Osten in ein Hiigelland iibergeht. Die

Wetterverhliltnisse sind ozeanisch, Litauen hat relativ kiihle Sommer und milde Winter.

1m Transportwesen besteht hoher Investitionsbedarf. Das Eisenbahnnetz ist iiber 2.000

km lang, die Bestande sindjedoch veraltet, die Anbindung an das intemationale Netz ist

unzureichend. Das StraBennetz miBt insgesamt 35.000 km Lange und solI aufwesteuro­

pliischen Standard gebracht werden. Auch der Hafen von Klaipeda ist ausbauHihig, aber

er ist schon heute fUr Seetransporte nach Norden und Westen, sowie als Umschlagplatz

in Richtung GUS geeignet. Geplant sind der Bau einer Autobahn und der Ausbau des

Flughafens der Hauptstadt, womit eine unabhangige nationale Luftlinie angestrebt wird.

83

Page 98: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Litauen gehOrt wie Lettland zur indo-germanischen Sprachfamilie. Beide Volker sind

ethnisch eng verwandt und konnen sich iiber ihre Muttersprachen verstandigen. Den­

noch zeichnen sie sich eher durch Unterschiede als durch Gemeinsamkeiten aus. Litauen

ist mit dem polnisch-katholischenlrussisch-orthodoxen Kulturkreis verbunden, Lettland

dagegen mit der protestantisch-hanseatisch-skandinavischen Kultur, was wesentliche

Unterschiede in der MentaliUit und Denkweise verursacht.

Litauen war bis 1940 ein Land mit reiner Argrarwirtschaft. Die konsequente In­

dustrialisierung begann erst Ende der 60er Jahre, mit dem Vorteil, daB sich die Produk­

tionsanlagen und Gebaude noch heute in einem akzeptablen Zustand befinden.

Die Wirtschaft Litauens verzeichnet die derzeit ungllnstigste Lage und die starksten

Produktionseinbriiche unter den baltischen Staaten. Viele bankrotte Staatsuntemehmen

existieren bei sinkender Produktivitat und steigenden Kosten weiter. Seit 1989

schrurnpfte die Produktion in allen Wirtschaftsbereichen urn ca. 50%. Der Dienstlei­

stungssektor ist unterentwickelt, aber schnell entwicklungsfahig. Der Industriebereich

dominiert trotz starker EinbuBen und wird der wichtigste Sektor bleiben. Litauens stark

ausgepragte Industriestruktur bietet eine gllnstige Ausgangsposition fUr die kiinftige

Entwicklung. Profilbestimmende Industriebranchen sind die Textilindustrie, insbeson­

dere Leinen aus eigenem Flachsanbau und Verarbeitung von Baurnwolle aus Usbeki­

stan, die Baustoffindustrie, der Maschinenbau, insbesondere Werkzeugmaschinenbau,

Zerspanungs- und Landmaschinen, sowie die elektronische Industrie. Die Leichtindu­

strie besteht vor allem aus Bekleidungs-, Schuh- und Stoffproduktion. Die Nah­

rungsgiiterindustrie konzentriert sich auf Zucker, Speiseol, Milchpulver, Fleischwaren,

Friichte und Tierfutter (Ropp 1994, 9).

Litauen verfiigt iiber die einzige Erdolraffinerie im Baltischen Raurn. Um diesen Vorteil

weiter auszubauen und sich weiter aus der Abhangigkeit von russischen RohOllieferun­

gen lOsen zu konnen, plant Litauen Investitionen im Energiesektor. Vorgesehen sind

Ausbauten der Raffinerie, ErschlieBung von Erdolfeldem, ErschlieBung und Nutzung

geothermischer Energie sowie Reduzierung der Schadstoffemission der Kraftwerke.

Dringender Investitionsbedarfbesteht in der Sanierung des Kraftwerksystems.

84

Page 99: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Landwirtschaft war in der Vergangenheit auf die Belieferung des russischen Mark­

tes ausgerichtet und ist jetzt mit drastisch gesunkener Nachfrage bei starker Verteuerung

der Produktionsfaktoren konfrontiert. Rund 54% der gesamten LandesfHiche Litauens

dient der landwirtschaftlichen Nutzung, deren fruchtbarster Teil im Zentrum des Landes

liegt. Die Argrarreform der 1992er Regierung billigte den einzelnen Bauem nur kleine

Bewirtschaftungsflachen zu, was ihren Spielraum wesentlich einschriinkte.

4.2 Wirtschaftspolitische und rechtliche Rahmenbedingungen

In allen osteuropaischen Staaten kann beziiglich der Investitions- und AuBenhandels­

bedingungen in Zukunft von Verbesserungen und einer Stabilisierung ausgegangen

werden, denn aIle Lander streben wegen erwarteter volkswirtschaftlicher Vorteile nach

auslandischen Investitionen. Obwohl rechtliche Unsicherheiten bestehen, sichem die

Regierungen gem dauerhaft gute Investitionsbedingungen zu. Bei der Investitionsent­

scheidung sind kiinftige Entwicklungstendenzen sehr bedeutend. Wiihrend die balti­

schen Staaten bereits groBe Fortschritte verzeichnen konnten, entwickelt sich die Trans­

formation innerhalb der GUS, besonders in RuBland, Belarus und der Ukraine, schwer­

fallig. Prognosen sind schwierig, doch kann man bei allen Staaten von einer Beibehal­

tung der Reformkurse und der Bereitschaft zur Einfiihrung marktwirtschaftlicher Stru­

kuren ausgehen.

Tab. 22: Ausgewiihlte Wirtschaftsdaten (in Anlehung an o.V., OP 1996/1997, I, 6ff.)

RuBland Ukraine Belarus Lettland Litauen Estland

Wachstum (1) 1994 -12,5 -27,2 -20,0 0,6 1,0 4,7 1995 -4,0 -11 ,2 -10,0 -1 ,6 2 ,6 3,0

(geschatz1:j1996 -30 -8,0 -6,0 2,0 1,5 3 ,5

Inflationsrate (2) 1994 224,0 501,0 2500,0 35,9 72,1 47,7

1995 131,0 182,0 240,0 25,0 39,2 28,9 (geschatz1:11996 35,0 60,0 70,0 18,0 30,0 20,0

Arbeitslosenquote (3) 1994 2,6 0,3 2,1 12,0 10,0 8,0 1995 3,5 1,0 2,5 12,0 12,0 7,5

(geschatzl: )1996 4,2 3,0 3,0 11,0 11 ,0 7,0 - -(II mle Veranderung des SIP gegenuber VOI)iIhr In % Pl Jahresdurohschnittswerte in % PI Jahresendwer1e In %

Wegen der dynamischen Veranderungen und der guten Verrugbarkeit aktueller Daten

werden hier die rechtlichen und wirtschaftspolitischen Rahrnenbedingungen nur skiz­

ziert. Tab. 22 und Tab. 23 zeigen Ausschnitte aktueller Wirtschafts- und Rechtsdaten

der untersuchten Lander. Das Material ist dem Jahrbuch 1996/97 "Osteuropa-Perspek-

85

Page 100: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

tiven" (FAZ 1996) entnommen. Zur Vertiefung sei ANDROSCH (1996) empfohlen. Eine

fUr die genaue Analyse der aktuellsten Rechtsentwicklungen relevante Quelle ist die

Zeitschrift WIRTSCHAFT UND RECHT IN OSTEUROPA (WlRO).

Tab. 23: Ausgewiihlte Rechtsdaten (in Anlehung an o.V., OP 1996/1997, II, Sff.)

Rul1lland Ukraine Belarus lettland litauen Estland AGoT Mindestkapilal Mindestkapilal Mindestkapital Mindestkapital Mindestkapilal Mindestkapilal

(7/96) (6/96) 150 Mio. BLR 5000 LVL 100 000 Lt 40000EEK 759 Mio. Rubel 2,3 Bill. URK

AGgT Mindestkapilal Mindestkapilal Mindestkapilal Mindeslkapilal Mindestkapilal Mindestkapilal (7/96) (6/96) 10 Mio. BLR 5000LVL 10000 Lt 40 000 EEK 76 Mio. Rubel 1,153 Bill. URK

. KoSI 35% 30% 30% 20-25% 29% 26% EkSI 12%·30% 10%·50% 25% 18-35% 26% MwSI 20% 20% 20% 18% 18% 18% Import- 015% 15%-40% 2%·30% 20% i.d.R. 10% i.d.R. keine zolle Export- keine 010% 2%·30% Ld.R. keine 5%-50% i.d.R. keine zOlIe

Zu den wirtschaftlichen Rahmendaten gehOrt eine Betrachtung des osteuropaischen Hu­

mankapitals. Die vielfach erwahnten Lohnkostenvorteile werden in Relation zu den Pro­

duktivitatsnachteilen gesetzt und die weitere Einkommenspolarisierung angesprochen.

1m September 1996 betrug das durchschnittliche monatliche Einkommen 157 US$, was

einem Anstieg von 2% gegeniiber August und 42% gegeniiber September 1995 betragt.

In der Industrie betragt das durchschnittliche Einkommen 178 US$, in der Leichtindu­

strie 78 US$ und in der Gasindustrie 561 US$. Die Einkommen im Gesundheits-, Erzie­

hungs- und kiinstlerischen Bereich liegen etwas unter dem der Industrie (o.V., RUSSIA

TODAY, 8.11.1996).

Aufgrund des Alters der Anlagen, der iibertriebenen vertikalen Integration und des ver­

besserungswiirdigen Managements dauert beispielsweise die Produktion eines Autos

zwischen drei und dreiBig mal so lange wie in westlichen Landem. Damit wird der

Lohnkostenvorteil in vie len Industrien durch die niedrige Arbeitsproduktivitat iiber­

kompensiert (o.V., ST. PETERSBURG TiMES, 14-20.10.1996).

Bei GAZ z.B., einem russischer Automobilproduzenten, produzieren 96.000 Mitarbeiter

im Jahr 215.000 Autos. CHRYSLER ben6tigt fUr 1,8 Millionen Einheiten nur 125.000

86

Page 101: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Mitarbeiter (O.V., ST. PETERSBURG TIMES, 14-20.10.1996). Die Fertigungstiefe erreicht

bei AVTOVAZ 60%. Jeder der 200.000 Arbeiter hat 1996 im Schnitt 3,5 Autos produ­

ziert, in Deutschland liegt der Vergleichswert etwa doppelt so hoch (o.V., FAZ

24.2.1997, 18). Arbeiter der amerikanischen Olfirma EXXON waren 1995 zwolfmal so

produktiv wie Arbeiter von GAZPROM (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 31.10.1996).

Ein GroBteil dieses Produktivitatsnachteils ist auf die schlechte Ausstattung der Indu­

strie mit modernen Fertigungsanlagen, Automatisierungs- und Informationstechnologi­

en zurUckzufiihren. Dazu kommt aber viel menschliche Ineffizienz. So benotigen russi­

sche Unternehmen zwei oder drei Stunden fUr ein "kurzes" Meeting, das in den USA

nur eine % Stunde dauern wiirde (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 12.-18.3.1996).

Eine Studie des Instituts fUr Soziologie der russischen Akademie der Wissenschaften,

bei der 1500 Telefoninterviews durchgefiihrt wurden, zeigt, daB die Kluft zwischen arm

und reich groBer wird. 25% der Bevolkerung verdienen weniger als 54 US$ im Monat

und 10% verdienen mehr als 217 US$ im Monat. Einkommen fiber 15.000 US$ im Mo­

nat wurden nicht mit in die Berechnungen aufgenommen, urn Verzerrungen zu vermei­

den. Das durchschnittliche Einkommen einer Familie liegt bei 263 US$. Fast ein Drittel

der Befragten verdienen weniger als das Existenzminimurn von 63 US$ (o.V., Sr.

PETERSBURG TIMES, 9-15.1.1996).

4.3 Kulturell bedingte Wertvorstellungen, soziale Bindungen und Beziehungen

Dem Umweltscbichtenmodell von DOLFER (1991, 209 if.) folgend, werden in der Ebene

der kulturellen Wertvorstellungen alle Vostellungen, Werte und Wertesysteme zusam­

mengefaBt, die die religiose, ethische und moralische Basis fUr Einstellungen und Ver­

halten eines Landes, einer Volksgruppe oder einer Region bilden (zu Werten vgl.

SILBERER 1991, OPP 1983, TROMMSDORFF 1993, 183 if.). Die Ebene der sozialen Bin­

dungen und Beziehungen umfaBt nach DOLFER (1991, 208) die sich aus den kulturellen

und religiosen Werten ergebenden famiWiren, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Beziehungsstrukturen.

Ein groBes Problem im Rahmen dieser Studie besteht aus der Eingrenzung der bier zu

betrachtenden Kulturkreise. Auf dem Gebiet der ehemaligen GUS findet sich eine Hille

87

Page 102: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

an unterschiedlichen Kulturraumen, die unter anderem slawisch, baltisch, kaukasisch

und asiatisch gepragt sind. Bei allen Verschiedenheiten hat jedoch der russisch beein­

flu13te Kulturraum in den Landem der ehemaligen GUS durch den hohen Anteil der sla­

wischen Bevolkerung, die sprachliche Dominanz des Russischen, die Implementierung

russischer sozialistischer Wertvorstellungen, Prozesse und Strukturen eine deutliche

Pragung hinterlassen.

Daher solI nachfolgend die Diskussion und Analyse der russischen Kultur- und Wert­

vorstellungen und der sich aus ihnen ergebenden typischen Beziehungsstrukturen im

Vordergrund stehen. Sie sind typische Einflu13faktoren im Sinne der Umweltfaktoren

von DOLFER (1981, 1991). Die Wertekategorien wurden zunachst aus der Literatur und

der aktuellen innerrussischen Wertediskussion abgeleitet und in Expertenworkshops

gruppiert und gewichtet. Die Darstellung entstammt also einem eklektischen Ansatz.

Fiir die exploratorische Forschung im betriebswirtschaftlich-anthropologischen Bereich

hat das den Vorzug, daB alle wesentlichen Faktoren aus unterschiedlichen Disziplinen

und Theorieansatzen einbezogen werden konnen.

4.3.1 Traditionelle und neue Werte im Wettbewerb

4.3.1.1 Sowjetiscbe Werte

Aufgrund der Vorherrschaft sozialistischer Werte und Strukturen wurden die sowohl in

Russland als auch in den anderen Staaten der GUS die vor 1918 existierenden kulturel­

len Muster durch das staatlich vorgegebene Leitbild des sowjetischen Menschen iiberla­

gert. 1m Rahmen des als "sozial-historisches Experiment" mit "menschlichem Material"

bezeichneten Umerziehungsprogramms der Fiihrung (NELSON, KUSES 1995, 140) wurde

ein Mensch angestrebt, der folgende Eigenschaften aufweisen sollte:

• entindividualisiert,

• personliche Interessen den kollektiven unterordnend,

• Zufriedenheit mit einfacher Bediirfnissbefriedigung nahe dem Existenzminimum und

• mit staatlich patemalistischer Orientierung.

In der aktuellen russischen Literatur finden sich Hinweise, daB einer daraus entstande­

nen Mentalitat des "Sowjetmenschen" haufig die Verantwortung fUr das Scheitem

marktorientierter Reformen zugeschoben wird (AKSENOVA 1995, 185). Die Frage bleibt,

88

Page 103: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

wie stark die Zwangssozialisierung von drei Generationen die verordneten ideologisch­

nonnativen Werte im BewuBtsein der Bevolkerung tatsachlich verankem konnte.

Nach LEWADA (1992, 33) wurde bereits nach dem Ende der direkten Repressalien der

Stalin-Ara stillschweigend nicht mehr die Realisierung der sowjetischen Personlich­

keitsmerkmale gefordert, sondem lediglich deren offentliches Bekenntnis. Dies diirfte

erheblich zu der fUr totalitare Systeme typischen Kultur der Lippenbekenntnisse und

Doppelmoral beigetragen haben, die in den Landem in den betrieblichen Strukturen und

Ablaufen bis heute zu beobachten ist.

Die oberflachlichen ideologischen Praktiken wurden jedoch nach dem Zerfall der

UDSSR ohne spiirbaren Widerstand der Bevolkerung sehr schnell verworfen (LEW ADA

1992, 296). Empirische Untersuchungen russischer Sozialforscher belegen bereits nach

wenigen Refonnjahren eine zunehmende Verdrangung des klassischen "Sowjettyps" in

gesellschaftliche Randgruppen hohen Alters oder niedrigen Bildungsstandes (KLJAM­

KIN, LAPKIN 1995, 106, LEWADA 1992,290). DANILOVA (1995,130) findet keine spezi­

fisch sowjetischen Werte mehr in der Bevolkerung und argumentiert, der

"Sowjetmensch" sei ein historisch begrenztes Phanomen. Entsprechend kommt auch

AKSENOVA (1995, 187) zu dem SchluB, die Bedeutung des mangelnden Selbstvertrau­

ens und der spezifisch "sowjetischen" Mentalitat werde in bezug auf die MiBerfolge der

Transfonnation meist uberschiitzt, die objektiven Anpassungshindernisse im sozialen

und okonomischen Umfeld jedoch unterschiitzt.

1m Gegenteil ist in vielen Regionen der GUS eine Ruckbesinnung auf vor-sowjetische,

regionale und nationale Traditionen zu beobachten, die oft mit einer deutlich zur Schau

getragenen Kritik an den sowjetischen Mustem einhergeht. Die im weiteren diskutierten

empirischen Befunde weisen darauf hin, daB die traditionellen russischen Werte mit

vOriibergehenden Modifikationen durch die sozialistische Zeit erhalten geblieben sind

und bis heute das Verhalten der Akteure im Transfonnationsumfeld beeinflussen.

4.3.1.2 Kulturdimensionen nach HOFSTEDE

Der niederlandische Anthropologe HOFSTEDE (1980, 1993) bietet mit seinen in der Li­

teratur zum intemationalen Management viel diskutierten Kulturdimensionen einen in-

89

Page 104: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

teressanten Ansatz zum Vergleich russischer Werte mit denen anderer Lander.

HOFSTEDE (1993) entwickelt auf der Basis multivariater Datenmodelle Indizes fUr vier

hauptsachliche Kulturdimensionen. Diese sind

• Machtdistanz, zum Beispiel zwischen Mitarbeiter und V orgesetztem,

• die Bedeutung von Indiviualitatswerten,

• die gesellschaftliche Bedeutung maskuliner oder femininier Werte sowie

• die Einstellung zu Risiko und Unsicherheit.

Wenngleich die Dimensionen auf der Basis eines sehr eingeschriinkten Hypothesen­

gerfrstes und Stichprobenumfangs ermittelt wurden, so geben Sie doch einen Anhalts­

punkt fUr die Differenzierung russischer Werte, wie in Tab. 24 dargestellt.

Tab. 24: Kulturdimensionen nach HOFSTEDE

Kulturindizes -7 Machtdistanz Individualilal Maskulinital Unsicherheits-

Lander .J... vermeidung

RuBland 76 26 28 92

ehem. Jugoslawien 76 27 21 88

USA 40 91 62 46

Deutschland 35 67 66 65

Japan 54 46 95 92

Besonders flillt in RuBland die hohe Unsicherheitsvermeidung sowie eine ausgepragte

Machtdistanz auf, die allerdings in den Landem des ehemaligen Jugoslawien und in

Japan ebenfalls zu finden sind. Auffallig ist auch die geringe Bedeutung von Individua­

lismus und Maskulinitat. Die Ergebnisse HOFSTEDES (1993) werden von divers en, nach­

stehend angesprochenen empirischen Untersuchungen russischer Forscher gestiitzt.

4.3.1.2.1 Machtdistaoz nod hierarchische Ordonog

Wahrend in westlichen Landem das Erziehungssystem Eigenstandigkeit und kritische

Unabhangigkeit des Einzelnen fOrdert, ist die Erziehung in Russland auch heute noch

stark gepragt von hierarchischen Abhangigkeiten, Respekt und der Rolle des Lehrers

oder Vorgesetzten als Vorbild und weise Vaterfigur (LEWADA 1992, 112). Daraus Hillt

sich auf eine Dominanz von hierarchischen und Senioritatswerten schlieBen. Das korre­

spondiert mit den Erkenntnissen von KAPLAN (1966, zitiert nach KNAPP 1992), der bei

der Analyse russischer Uno-Redebeitrage einen dominant deduktiven Redeaufbau und

90

Page 105: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

damit hierarchische, vertikale Denkstrukturen identifizierte. Die traditionelle Dominanz

hierarchischer Werte spielt fUr die Auspragung der sozialen Bindungen und Beziehun­

gen eine entscheidende Rolle und wird daher in Tei14.2 vertieft diskutiert.

4.3.1.2.2 ReligiOse Werte

Trotz der Vorherrschaft der christlich-orthodoxen Kirche vor 1917 bezeichnen sich nach

LEV ADA (1992, 242) im Jahre 1990 nur 7,5 % der Bevolkerung als religios, fast die

Halfte (49 %) lehnen religiose Autoritaten ab und verlassen sich auf den "gesunden

Menschenverstand". Trotzdem kann die hierarchische Orientierung, die Geduld und die

Dominanz sozialer Werte bei weiten Teilen der Bevolkerung als Erbe der viele Jahrhun­

derte lang praktizierten christlich-orthodoxen Lehre angesehen werden. Interessant ist in

diesem Zusammenhang die Feststellung, daB sowohl Stalin als auch Lenin das christ­

lich-orthodoxe Priesterseminar besuchten. Die strukurelle Ahnlichkeit des vertikal­

hierarchischen orthodoxen Dogmas mit der im sowjetischen Staatsapparat praktizierten,

ideologiegestUtzten monohierarchlschen Biirokratie 11i.J3t zumindest auf eine wechselsei­

tige Verstarkung hierarchischer Werte schlieBen.

4.3.1.2.3 Kollektivismus

STEPIN (1995, 77) sieht RuBland als kollektiv orientiertes Land, in der der Einzelne von

Kindheit an lernt, sich in seinen Bediirfnissen und Verhaltensweisen starker an der

"Wir-Gruppe" als Familienersatz zu orientieren. Die Unterordnung der individuellen

unter die kollektiven Interessen wird von einigen Autoren sogar als Fundament des rus­

sischen Weltbildes bezeichnet (PANARIN 1995,71), das seit vielen Jahrhunderten als Be­

standteil der christlich-orthodoxen Lehre die Werte der Bev6lkerung gepragt haben. Da­

bei stehen wechselseitige hierarchische Verpflichtungsverhaltnisse im Vordergrund,

iihnlich wie im Konfuzianismus.

Die alte Tradition des engen Zusammenlebens in abgeschiedenen Dorfgemeinden mit

groBer Entfernung von der AuBenwelt kann als eine historische Wurzel der gemein­

schaftlichen Mentalitat der Russen gesehen werden. Die Gemeinde diente einerseits als

wirtschaftliche Einheit mit kollektiver Arbeit ihrer Mitglieder, anderseits blieb sie als

stabile soziale Einheit in dem Veranderungen unterworfenen Umfeld konstant (SARU­

BINA 1995, S.49). Die russischen Industriellen bauten seit Ende des neunzehnten Jahr-

91

Page 106: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

hunderts intensiv die soziale Sphare ihrer Betriebe auf, errichteten Wohnungen, Kan­

tinen und Krankenhauser fUr die Werktiitigen, urn ihre Arbeitsmotivation zu steigem.

IVANOV (1995, 250) klagt in diesem Zusammenhang die ehemalige sowjetische Macht­

elite des Millbrauchs der kollektivistischen Orientierung der Menschen an und wirft ihr

vor, sie fUr ihre ideologisch verdeckte Ausbeutung ausgenutzt zu haben. Unabhiingig

davon setzte sich auch in der sowjetischen Zeit das traditionelle Verstiindnis des Be­

triebs als ganzheitlicher sozialokonomischer Organismus fort. Trotz des Einbrechens

individueller Wertvorstellungen und vereinzelten Wohlstands haben jedoch auch im

derzeitigen Transformationsurnfeld kollektive Werte noch hohe Bedeutung.

4.3.1.2.4 Soziale Gerechtigkeit und Beziehungswerte

Soziale Gerechtigkeit und Beziehungswerte wichtiger einzuschatzen als die personliche

Karriere ist nach HOFSTEDE (1993, 101) Kennzeichen der Dominanz femininer Werte.

Dies ist nach STEPIN (1995, 78) auch tief im traditionellen russischen Wertesystem ver­

wurzelt, von DOSTOJEWSKIJ beschrieben auch als "das Streben, allen Menschen der Erde

Bruder zu sein". Eine Dominanz von Beziehungswerten beobachtet bereits 1633 der

holsteinische Bibliothekar ADAM OLARIUS: "Deutsche besitzen eine starke Neigung, die

Zeit auszukaufen. Sie sprechen geradezu davon, daB es darauf ankomme, die Zeit zu

nutzen .... Den Russen ist eine solche Betrachtensweise etwas vollkommen Fremdes."

OLARIUS meint, Russen gehen mit der Zeit eher urn "wie mit einem Spielzeug" und

"haben eine unbiindige Freude am Gesprach" (RAUCH 1960, 58). DANlLOWA (1995,

121) schreibt hierzu, daB die Frage "wer bin ich" in RuBland weniger mit der Frage

"was habe ich erreicht?" sondem mit der Frage "was bin ich fUr ein Mensch?" gleichzu­

setzen sei. LEV ADA (1992, 273, 336) ermittelt, daB fUr 75 % der von ihm befragten Rus­

sen die Gesellschaft Anderer und die Geselligkeit einen sehr hohen Wert darstellt.

92

Page 107: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.3.1.2.5 Uosicherheitsvermeiduog

Von dem Begriff des "russischen Roulette" konnte man spontan auf eine hohe Risiko­

freude der russichen Bevolkerung schlieBen. In bezug auf Russland begriindet HOF­

STEDE (1993, 136) eine situativ extreme Risikobereitschaft, zum Beispiel beim Autofah­

ren, psychologisch mit dem Versuch, eine tiefer liegende Unsicherheit zu vermeiden.

AhnIich argumentiert PANARIN (1995, 69), der die schnelle, mitunter auch aggressiv, in

direkter Auseinandersetzung erfolgende Beseitigung unklarer Situationen als Unsicher­

heitsvermeidung deutet.

Bei allen Einschriinkungen an der Universalitat von HOFSTEDES (1993) Ergebnissen

so lite der Hinweis auf stark kollektiv gepdi.gte Wertvorstellungen und eine hohe Unsi­

cherheitsvermeidung bei der oft unkritischen Implementierung westlicher Manage­

mentmodelle beriicksichtigt werden (PIEPER 1993, 236), deren Erfolg einen hohen Grad

individueller Unabhangigkeit, Unsicherheits- und Risikofreude voraussetzen.

4.3.1.3 Werte uod Transformation

4.3.1.3.1 Leistungsorieotieruog uod Selbstveraotwortuog

Gesellschaftliche Transformation bedeutet auch Wechselwirkung zwischen den Indivi­

duen und dem sich andemden sozialen Umfeld. Das erklarte Ziel der okonomischen Re­

formen in RuBland ist der Ubergang zu einer freien Gesellschaft mit der minimal not­

wendigen Zahl administrativer Beschriinkungen, mit der Forderung des Untemehmer­

geistes und mit der Freiheit der Menschen, ihr Schicksal in die eigenen Hande zu neh­

men (SCHABANOVA 1995,81).

Sozialwissenschaftliche Umfragen belegen, daB entgegen verbreiteten Vorurteilen in der

ehemaligen Sowjetunion, trotz der kollektiven Orientierung, Eigeninitiative und Tat­

kraft eine groBe Rolle spielten (KELLER, KNIGGE 1995, 58). 1m Rahmen einer landes­

weiten Befragung im Jahre 1990 meinten 63% der Bevolkerung, daB man sein Gluck

mit seinen eigenen Handen schaffen musse (LEW ADA 1992, 316 ff., Frage 49). Fiir 55%

der Befragten (Gegenmeinung 36%) war es wichtiger, bei der Arbeit und in personli­

chen Angelegenheiten Erfolge zu erzielen als MiBerfolge zu vermeiden (ebd., Frage 45).

59% der Befragten (Gegenmeinung 24%) schatzen initiative Menschen hoch (ebd., Fra-

93

Page 108: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ge 5), und 37% waren sogar bereit, selbst einen Fiihrungsposten zu fibemehmen. Bei

den Befragten dominierte die Meinung, daB "die zuverUissige, tagtiigliche Arbeit eines

jeden" der richtige Weg zur Bewiiltigung gesellschaftlich wichtiger Aufgaben ist (ebd.,

Frage 10) und daB man sich bei der Problemlosung nicht auf okonomische und politi­

sche Scheinautoritiiten, sondem "auf den eigenen gesunden Menschenverstand srutzen

solIe" (ebd. Frage 33).

NAUMOV A (1995, 19) argumentiert, die Enttauschung fiber die nicht erfullten Erwartun­

gen nach den zum Teil schockartig durchgefiihrten Reformen hatte die Menschen er­

nfichtert und ihre Einstellung zur sozialen Realitiit schliissiger werden lassen. SMETANIN

(1995, 86) ermittelt in seiner Umfrage folgende Einschiitzungen von fUr den Lebenser­

folg entscheidenden Faktoren:

• harte Arbeit,

• Aktivitiit und Untemehmungsgeist,

• personliche Beziehungen und

• guter Beruf.

Eine von der Russischen Akademie der Wissenschaft im Jahr 1993 durchgefiihrte reprii­

sentative Befragung zeigt, daB eigene Schwachstellen wie mangelnde Untemehmungs­

lust (26%), mangelndes Selbstvertrauen (19%), mangelnder Kampfgeist (16%), man­

gelnde Risikobereitschaft (14%) durchaus von den Beteiligten selbst erkannt werden.

Dies ist fUr SCHABANOVA (1995, 87) ein Zeichen fUr die Bereitschaft zum Lemen.

In der Transformationspraxis werden jedoch die Grenzen der Verwirklichung der indi­

viduellen Fiihigkeiten und Potentiale im sozialen und okonomischen Umfeld enger, wo­

fUr KOSMARSKIJ, MALI EVA (1995, S.16) vor allem den MachtmiBbrauch der Obrigkeit

und die Verarmung der Bevolkerung verantwortlich macht. Werden weite Bevolke­

rungsschichten unterbezahlt, unter ihrer Wiirde behandelt und aus dem aktiven okono­

mischen Leben ausgeschlossen, erfolgt bei gleichzeitig mangelndem Verstandnis fUr die

Funktionsweisen einer indirekten marktwirtschaftlichen Ordnung nur eine kurzfristige

erzwungene Anpassung des Einzelnen. Diese kann schnell zu einer fundamentalen Kri­

tik an den Reformen und der als negativ erlebten marktwirtschaftlichen Ordnung fiihren.

94

Page 109: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.3.1.3.2 Ideal der sozialen Gerecbtigkeit

Materieller Reichtum wurde im zaristischen RuBland als von Gott zur Nutzung gegeben

betrachtet und konnte folglich nur durch die Ubemahme sozialer Verantwortung ge­

rechtfertigt werden (SARUBINA 1995, 49). So standen nach einer Befragung von LEW A­

DA (1992, 316 ff.) auch im Jahre 199049% der russischen Bevolkerung den Reichen

positiv gegenuber, sofem das Geld auf ehrliche Art und Weise verdient worden ist. Al­

lerdings glaubten 40%, daB "man soviel Geld nicht ehrlich verdienen konne". Die Mehr­

zahl der Befragten (67% gegen 26%) glaubte nicht, daB es eine Gesellschaft geben

konnte, in der es weder Not noch Leid gibt. Die als unehrlich und krirninell bezeichnete

Bereicherung der Machtelite seit Anfang der 90er Jahre wird jedoch nach Umfragen von

KLJAMKIN, LAPKIN (1995, 102) von der Mehrheit der Befragten entschieden abgelehnt.

FUr soziale Gerechtigkeit wird nach diesen Ergebnissen von den meisten Gruppen der

russischen Gesellschaft trotz des ideologischen Erbes Einkommensgleichheit nicht vor­

ausgesetzt. Die absolute Mehrheit der Bevolkerung will danach nicht "in Armut gleich"

sein, sondem sieht die Aufgabe der Gesellschaft in der Erhaltung eines Wohlstandsni­

veaus, das fur alle Menschen ein menschenwtirdiges Leben ermoglicht.

4.3.1.3.3 Einstellung zur Marktwirtscbaft

Nach einer von der Russischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1993 durchge­

fuhrten reprasentativen Befragung akzeptierte die Mehrheit der Bevolkerung die Frei­

heit des Untemehmertums und des Eigentums und erwartet von der sozialen Marktwirt­

schaft eine Steigerung des Wohlstandes (SCHABANOVA 1995, 86). Mehr als 20% der

Bevolkerung erkliirten sich so gar selbst bereit, ein eigenes Untemehmen zu grunden.

Durch die zum Teil sehr kurzfristig durchgefuhrten Deregulierungen ohne die gleich­

zeitige Schaffung funktionierender Institutionen fur eine indirekte Steuerung einer so­

zialen Marktwirtschaft bekam die neue Ordnung fur viele Burger ein abschreckendes

Gesicht: Willkur der BUrokratie, Raubbau, Kriminalitat und Schwache der sozialen In­

stitutionen, welche Rechte und Interessen der Menschen hatten schutzen sollen. Die

Praktiken des "Wilden Kapitalismus" stehen dem tief in der russischen Kultur verwur­

zelten Ideal der sozialen Gerechtigkeit entgegen. Sie werden von der Bevolkerung ne­

gativ wahrgenommen und mit dem Begriff der Marktwirtschaft identifiziert. STEPIN

95

Page 110: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

(1995, S.81) kritisiert, daB der Staat einerseits das Staatseigentum fUr symbolische Prei­

se an Neureiche verschleudere und anderseits durch seine Wirtschafts- und Sozialpolitik

groBe Teile der Bevolkerung in Armut und Elend treibe.

RESNIKOV (1995, 4) kritisiert in diesem Zusammenhang die ausschlieBliche Orientie­

rung der okonomischen Reformen an makrookonomischen Strukturen, wobei die ent­

scheidende Rolle des motivierten Menschen als Trager der Veranderungen verkannt

werde. Vor allem die Forderung der Kleinbetrlebe werde vemachlassigt. GATOVSKIJ

(1995, 121) argurnentiert, die okonomischen Reformen in RuBland werden so lange

fehlschlagen, wie die Menschen unter ihrer Wiirde behandelt werden, weil dadurch kein

Vertauen in die marktwirtschaftliche Ordnung wachsen konne.

In vielen Befragungen der Bevolkerung zeigt sich, daB die Mehrheit linke oder rechte

ideologisch-totalitiire Bestrebungen ablehnt (LEONARD 1995, 64): Vielmehr nimmt der

Wunsch nach einer der russischen Tradition entsprechenden, parteiiibergreifend rus­

sisch-autoritiiren Entwicklung zu, die Autoritiit und Ordnung in den Vordergrund stellt

und doch die marktwirtschaftliche Tendenz fordert. Leitbild dieser Vorstellung ist eine

integrierende nationale Personlichkeit, die mittels weitreichenden Vollmachten Chaos

und organisierte Kriminalitat beendet und nach dem Modell der asiatischen "Tiger­

staaten" das Land in einen modemen Industriestaat verwandelt.

4.3.1.4 Werte am Arbeitsplatz

4.3.1.4.1 Arbeitswerte und Arbeitsmotivation in der ehemaligen Sowjetunion

Die Einstellung der Biirger der ehemaligen Sowjetunion zur Arbeit integrierte okonomi­

sche, soziale und ethische Aspekte. Die ablehnende Haltung der Arbeiter gegeniiber

ihrer schlecht bezahlten und schlecht organisierten offiziellen Arbeit in den sozialisti­

schen Betrleben kann nicht als alleiniges Kriteriurn fUr die Einstellung der Menschen

zur Arbeit genommen werden. LEWADA (1992, 34 ff.) schreibt, daB viele Mitarbeiter oft

nur den Schein einer intensiven Tatigkeit am offiziellen Arbeitsplatz erweckten, urn der

zynischen Ausbeutung durch den Staat auszuweichen. Die Kraft wurde fUr die Regelung

personlicher Angelegenheiten gespart, zum Beispiel fUr die Ausfiihrung eines privaten

Auftrages unter heimlicher Nutzung staatlicher Produktionsmittel.

96

Page 111: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der offizielle Lohn war selten ein Anreiz fUr die Steigerung der Produktivitat. Deswe­

gen verlagerte sich die Leistungsmotivation aus dem Bereich des offentlichen Lebens in

den privaten Bereich. Die nebenbei betriebene Landwirtschaft brachte im Jahr 1989

59% des gesamten staatlichen Produktionsvolumens an Kartoffeln, 58% an Friichten

und Beeren und 30% an Fleisch und Gemuse (LEWADA 1992,84). Nach SAIZEW (1994,

185) wurde in der Schattenwirtschaft eine hohe Produktivitat und adaquate Entlohnung

erzielt. Annahemd 20 Millionen Beschiiftigte brachten bier etwa 30% der gesamtwirt­

schaflichen Leistung der UdSSR hervor.

Die richtige Entlohnung erwies sich auch in der UdSSR als beste Arbeitsmotivation,

war jedoch fUr die Staatsbetriebe ideologisch nicht vertretbar. Fachmanmsches Wissen

und Konnen wurde nicht mit Geld oder mit gesellschaftlichem Status belohnt, wohl aber

mit Achtung. Qualifizierte Arbeiter, Ingenieure und Techniker machten Rationalisie­

rungsvorschlage und arbeiteten oft zusatzlich ohne Entlohnung, wenn die Aufgaben sie

reizten. Viele Fachleute gingen deshalb in die Betriebe der Rustungsindustrie, und zwar

nicht nur der etwas besseren Bezahlung wegen, sondem auch aus dem Interesse, ihre

Fahigkeiten zu vervollkonunnen und effizient einzusetzen. Nach LAWRENCE,

VLACHOUTSICOS (1993, 14) wurden damals nur ca. 10% der produktiven und kreativen

Fahigkeiten der Arbeitnehmer genutzt.

4.3.1.4.2 Veranderungen seit den Reformen

Seit 1992 treiben unerwilnschte Nebeneffekte der okonomischen Reformen AngehOrige

der unteren Scbichten in die soziale Krise, was sich auch negativ auf die betriebliche

Arbeitsmotivation auswirkt. In den meisten Untemehmen wurde z. B. der Posten des

Sicherheitsbeauftragten eliminiert. Dadurch stieg die Zahl der Arbeitsunfalle erheblich

an (Saslavskij 1995, 50). Vor den Reformen war es durch den strukturbedingten Ange­

botsuberhang an Arbeitsplatzen grundsatzlich moglich, nach einer Kilndigung eine an­

dere Stelle zu finden. Derzeit erreicht die verdeckte Arbeitslosigkeit schatzungsweise

20%, in vielen Regionen mit ungOnstiger Produktionsstruktur liegt sie deutlich hOher

(Saslavskij 1995, 50). Sowohl in den staatlichen als auch in den privatisierten Unter­

nehmen ist dadruch die Abhangigkeit der Mitarbeiter von der Untemehmensleitung er­

heblich gestiegen.

97

Page 112: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Entsprechend den Erfahrungen in den mitte1europaischen Landem hatte die Verteilung

von Betriebsanteilen an die Mitarbeiter im Rahmen der kleinen Privatisierung keine

positiven Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation (ERMOLAJEV 1994, 81). Zunachst

brachten die Aktien kein zusatzliches Einkommen, denn in den meisten Untemehmen

wurde keine oder eine sehr geringe Dividende ausgezahlt. Des weiteren hat der einze1ne

Aktionar keinen EinfluB auf die Untemehmenspolitik. Die Direktoren entlassen mit Hi1-

fe der gehorsam schweigenden Mehrheit die Widerspenstigen und iibemehmen deren

Antei1e (SASLA VSKIJ 1995, S.49). Die Gerichte sind mit Klagen von derart gekiindigten

Arbeitnehmem iiberlastet.

Die Demotivation der Arbeitnehmer wird durch die anhaltende Inflation verstarkt: 1m

Jahre 1994 sank das Reallohnniveau der bearbeitenden Industrie inflationsbedingt urn

50 % (SASLA VSKIJ 1995, 51). Die Arbeitsmotivation und die fUr eine modeme Indu­

striegesellschaft notwendige Solidaritat zwischen Arbeit und Kapita1 wurde durch

mehrmonatige Verzogerungen der Lohnzah1ungen und andere Verletzungen der Arbeit­

nehmerrechte zunehmend b10ckiert (ST ARIKOV 1996). Es ist der Solidaritat, dem per­

sonlichen Verantwortungsgefiihl und der traditionellen Gedu1digkeit der russischen Be­

vo1kerung zu verdanken, daB trotz der in vielen Untemehmen herrschenden Zustande

bisher keine groJ3eren Unruhen ausgebrochen sind.

4.3.1.4.3 Arbeitsmotivation und betriebliche Sozialleistungen

Die Arbeitnehmer suchen im Untemehmen ihre Identitat und begreifen sich a1s Mitg1ie­

der der fami1ieniihnlichen "Wir-Gruppe". Die emotiona1e Bindung der Mitarbeiter an

das Untemehmen resultiert in einem erhohten Pflichtgefiih1, aber auch in der Erwartung,

daB das Untemehmen seinen AngehOrigen bei der Losung ihrer privaten Prob1eme, bei­

spie1sweise bei der Kinderbetreuung und medizinisch hi1ft (POSEL 1995, 45). Besonders

da die sozia1e Ffusorge des Staates unzureichend ist, haben betrieb1iche Sozialleistungen

hohe Bedeutung fUr die Arbeitsmotivation. Je mehr nun der Zugang zu diesen Leistun­

gen fUr die Mitarbeiter dadurch behindert wird, daB das Manamagement unkontrolliert

betrieb1iche Po1ikliniken, Kantinen, Erho1ungs-, und Ku1tureinrichtungen an Privatfir­

men vermietet, wobei personliche Bereicherung nicht ausgeschlossen wird (SASLA VSKIJ

1995, 49), desto starker sind die Demotivationseffekte.

98

Page 113: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Eine yom Soziologischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaft durchge­

fiihrte Befragung von Arbeitnehmem in Moskau (PATRUSCHEW, TEMNIZKIJ 1994, 57)

ergab die folgende Reihenfolge von EinfluBfaktoren der Arbeitsmotivation, die auch

dem in den vorigen Abschnitten diskutierten traditionellen Werten entspricht:

• Guter Verdienst

• Umgang mit Kollegen und Freunden

• Selbstverwirklichung durch Einsatz der Kenntnisse und Fiihigkeiten

• Anerkennung als nutzbringendes Mitglied der Gesellschaft.

Die Ergebnisse stUtzen die von HOFSTEDE (1993) ermittelte Bedeutung der von ihm als

feminin bezeichneten Beziehungswerte in der russischen Kultur.

Die Erfahrung erfolgreicher Joint-ventures in RuBland zeigt, daB die sinnvolle Nutzung

des Potentials der russischen Arbeitnehmer zur Steigerung der Produktivitiit bis zum

westlichen Niveau, zu Zufriedenheit der Belegschaft und zu eindrucksvollen Wertzu­

wiichsen fiihrt (LAWRENCE, VLACHOUTSlCOS 1993, 14). Den Anreiz dafiir bildet eine

gerechte leistungsbezogene Entlohnung, die durch betriebliche Sozialleistungen unter­

stUtzt wird

4.3.1.4.4 Ehrlichkeit nod Diebstahl am Arbeitsplatz

Das Stehlen von Privateigentum gilt traditionell in RuBland als moralisch iiuBerst ver­

werflich. Ganz anders verhalt es sich bei staatlich-offentlichen Glitem, die "allen und

niemandem" gehOren. Diebstahl am Arbeitsplatz war in der Staatsbetrieben der ehema­

ligen Sowjetunion weit verbreitetet und galt dort als Kavaliersdelikt: Das yom Staat

ausgebeutete Yolk nahm sich seinen nicht ausgezahlten Lohn als Naturalieniiquivalent

selbst (LEWADA 1992, 82). Die Veruntreuung staatlicher Mittel galt als einzige Ressour­

ce im Uberlebenskampf gegen den iibermiichtigen Staat. Ahnlich der Einstellung zur

Schwarzarbeit war Diebstahl am Arbeitsplatz ein Phiinomen der Doppelmoral in der

tiiglichen Uberlebenspraxis. Trotz der Zunahme privatwirtschaftlicher Untemehmen

muB aufgrund der Langlebigkeit entsprechender Werte davon ausgegangen werden, daB

der Diebstahl von Arbeitsmaterialien ein typisches Problem bleibt.

99

Page 114: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.3.2 Soziale Bindungen und Beziehungen

4.3.2.1 Hierarchische Ordnung

P ANARIN (1995, 69) macht ein emotionales Bediirfnis der Russen nach ausfiihrlichen

formellen und informellen Regeln, nach klaren Rollenverteilungen und einer starken

Zentralmacht dafiir verantwortlich, daB sich bei allen bisherigen gesellschaftlichen Mo­

dellen in RuBland eine hierarchische Struktur und totalitare Macht der Biirokratie durch­

gesetzt hat. WITTFOGEL (1962) beschreibt in einer (urnstrittenen) Analyse ebenfalls die

totalitare, russische Staatshierarchie in Analogie zu mechanistischen Gesellschaftsmo­

dellen als hydraulische Gesellschaft und arbeitet AhnIichkeiten zwischen russischen und

chinesischen Despotien heraus (vgl. hierzu auch SCHUCHARDT 1994, 305). Er be­

schreibt, daB die russische Kultur seit lahrhunderten eine monohierarchische Struktur

mit groBer Machtdistanz widerspiegelt: Der Staatsdiener war Kriegsherr, Richter, Pro­

phet und Kaufmann zugleich. Der kurze industrielle Aufschwung RuBlands am Ende

des neunzehnten lahrhunderts geniigte nicht, urn eine breite Machtverteilung in der Ge­

sellschaft herbeizufiihren. Die auf Privateigentum beruhende russische Wirtschaft stand

auch vor 1917 unter dem autoritaren EinfluB des Staates. Die absolute Uberlegenheit der

zaristischen Biirokratie auBerte sich beispielsweise in der totalen Kontrolle des gesam­

ten Finanzwesens des Landes durch die Staatsbank (WITTFOGEL 1962, 236 f.).

Wie von uns bereits im Zusammenhang mit der Transformation Chinas herausgearbeitet

(TROMMSDORFF, WILPERT 1994,3; SCHUCHARDT 1994,4 ff.), erfordert eine Marktwirt­

schaft als horizontale Ordnung vom Einzelnen ein grundsatzlich anderes Denk- und

Konflikt16sungsverhalten als eine vertikale, hierarchische Ordnung (vgl. hierzu auch

KIRSCH, MACK SCHEIDT 1988). In der russischen, traditionell hierarchisch gepragten

Kultur mit dem nach HOFSTEDE (1993) hohen Unsicherheitsvermeidungsindex wird die

UngewiBheit nicht als eine normale Erscheinung im Leben hingenommen, sondem pri­

mar als Bedrohung empfunden und mit Hilfe von Gesetzen und Regeln bekampft. Ver­

antwortliche Politiker, Staatsbeamte, Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer solchen Pra­

gung fiihlen sich wohl in einer klar strukturierten Umgebung, in der nichts dem Zufall

iiberlassen ist. Fiir einen dominant hierarchisch gepragten Menschen wirken nicht­

hierarchische, horizontale und dezentrale Ordnungsprozesse als ungeordnet und chao­

tisch. Sie 16sen erhebliche Unsicherheitsgefiihle und Unwohlsein aus und in der Folge

eine kritische Haltung gegeniiber den marktwirtschaftlichen Veranderungen.

100

Page 115: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

HOFSTEDE (1993, 54) warnt entsprechend vor der ungeprUften Ubertragung westlicher

Wirtschaftsmodelle auf hierarchisch gepriigte Gesellschaften, da dies zu erheblichen

Ressentiments und unter Umstiinden zum Scheitem der Reformen f'iihren kann: Ohne

eine ausreichende Vorbereitung, Schulung und personliche Erfahrung mit horizontalen

Ordnungssystemen bleibt der hierarchisch gepriigte Einzelne in marktwirtschaftlichen

Strukturen orientierungslos. In einem solchen Umfeld sind eigene Wertesysteme,

Selbstverantwortung und Verhandlungsgeschick kritische Erfolgsfaktoren, die erst im

Verlauf der Transformation erlemt und geubt werden konnen.

4.3.2.2 Macht ond Burokratie

Die historische Erfahrung f'iihrte das russische Yolk zu der Auffassung, daB nur eine

starke zentrale Macht die Ordnung innerhalb des riesigen Reiches sichem konne. Die

Schwiichung der zentralen Macht hatte in der russischen Geschichte stets erbitterte sepa­

ratistische Machtkampfe, Brutalitat, Barbarei und Chaos zur Folge. In der mentalen

Programmierung der Russen ist die Uberzeugung fest verankert, daB eine starke Obrig­

keit politische und okonomische Macht, W ohlstand und gesellschaftlichen Status in sich

vereinen solI (STEPIN 1995, 79).

1m Gegensatz zur Entwicklung im Westen bildete auch die russische orthodoxe Kirche

kein Gegengewicht zu der absoluten staatlichen Macht. Die straffe staatliche Verwal­

tung der kirchlichen Angelegenheiten f'iihrte zum Aufbau einer Art Staatskirchentum

(MOELLER 1979, 124). So beherrschte der russische Staat jahrhundertelang alle lebens­

wichtigen Bereiche des menschlichen Zusammenlebens. Die Beziehung zur staatlichen

Macht und Obrigkeit war in der russischen Kultur weniger eine Frage der Politik, son­

dem des personlichen Uberlebens.

Die sowjetische Gesellschaft behinderte auf anderer ideologischer Grundlage, aber ganz

im Sinne der russischen Tradition das Entstehen einer breiten Mittelschicht. Der buro­

kratische Staatsapparat wurde zur herrschenden Klasse, welche die totale Macht schuf

und verteidigte. Das daraus entstandene gesellschaftliche System wurde oft als Appa­

ratsstaat oder hydraulische Despotie (WITTFOGEL 1962,399,545) bezeichnet.

101

Page 116: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Seit der Reform Anfang der 90er Jahre ist nach Aussage russischer Sozialforscher die

Mehrheit der Bevolkerung wegen der emeuten Entfremdung der Obrigkeit vom Yolk

zutiefst enttauscht (KLJAMKIN, LAPKIN 1995, 101). Das MiBtrauen in alle Formen der

Obrigkeit, zentraler und lokaler, Legislative und Exekutive nimmt zu. Immer mehr Be­

fragte nehmen die soziale Realitat nicht als eine geordnete Struktur, sondem als ein von

niemandem beherrschtes Chaos wahr (NAuMoVA 1995, S.l3). Dies verdeutlicht das im

vorigen Abschnitt erlauterte Fehlen von Verhaltens- und Interpretationsmustem fUr eine

weniger hierarchische Ordnung und daher die Notwendigkeit von breit angelegten Schu­

lungs- und AutklarungsmaBnahmen in der Bevolkerung.

Tatsachlich brachte auch die aus dem Westen importierte Demokratie keine breite

Machtverteilung mit sich. Wegen der reformfeindlichen Position des Parlaments ver­

zichtete die Regierung Jelzin auf die miihevolle Suche nach gesellschaftlichem Konsens

und konzentrierte statt dessen die gesamte Macht im Land in den Handen der ausflih­

renden Gewalt, urn in voller Ubereinstimmung mit der russischen Tradition die Refor­

men von oben durchzusetzen. Es entstand emeut eine Monopolbiirokratie, die den Auf­

bau einer im russischen Grundgesetz deklarierten demokratischen Gesellschaft mit

breiter Machtverteilung in der Praxis verhindert (NELSON, KUSES 1995, l38). Wegen

der mangelhaften Entwicklung von unabhangigen, sich gegenseitig kontrollierenden

Machtzentren in Politik, Industrie oder Gewerkschaften existieren kaurn Gegengewichte

zu den monopolistischen Anspruchen des autoritaren Staatsapparates.

Insbesondere in den landlichen Regionen regieren die Gouvemeure de facto eigen­

machtig in ihren Gebieten, in denen sie zuvor oft V orsitzende der Gebietskomitees der

Partei waren. In den Handen der Biirokratie liegt die uneingeschrankte Macht am Ort;

die Unabhangigkeit der ortlichen Legislative und des Gerichtswesens existiert in vielen

Fallen nur auf dem Papier. Beispielhaft fUr diese Entwicklung ist das Woroneschskom­

Gebiet, wo nur in flinfvon 39 Kreisen neue Biirgermeister gewahlt wurden, wahrend die

ubrigen direkt aus der sowjetischen Zeit ubemommen wurden (SALlE 1994, 163). Ent­

sprechend viele der ehemaligen Parteifunktionare sind Abgeordnete der ortlichen Le­

gislative geworden.

In RuBland wird Macht traditionell hOher geschatzt als Geld. Fur GLASJEW (1994, 5)

bedeutet viel starker noch als in der sowjetischen Zeit die ZugehOrigkeit zur Machtelite

102

Page 117: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

einen kaum kontrollierten Zugang zur Verteilung von Ressourcen und eine Quelle der

privaten Bereicherung. Die Durchfiihrung der okonomischen Reformen steht danach

mehr unter dem Zeichen der Umverteilung des Staatseigentums und dient weniger der

Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt. Die These, dal3 die groBten Besitztiimer in Zei­

ten gesellschaftlichen Umbruchs angehauft werden, hat sich nach Lwov (1995, 27) in

RuBland besUitigt. Er wirft der sowjetischen Machtelite und vielen Fiihrungskriiften vor,

ihren EinfluB unter den veranderten gesellschaftlichen Bedingungen durch legale Ober­nahme von Volkseigentum abgesichert zu haben, das sie de facto schon immer als eige­

nes Eigentum benutzt habe. Auch das tragt zur Unzufriedenheit in der russichen Offent­

lichkeit bei.

Bis heute ist damit in RuBland die politische Macht von der okonomischen Macht kaum

zu trennen. Gewinner bekommen alles, einen wiirdigen Ruhestand fiir Rentner gibt es

nicht. Auch heute wird argumentiert, daB deswegen die russische Machtelite im Ver­

gleich mit der westlichen mehr zu verlieren habe und deshalb vor keinem Mittel zuriick­

schrecke, die Macht zu erhalten (PANARIN 1995,69). In RuBland gibt es nach PANARIN

(1995, 69) traditionell keine breite Mittelschicht, die Machtelite halt zusammen und

entzieht sich der Kontrolle. Diese Auffassung PANARINS spiegelt ein in der russischen

Offentlichkeit oft anzutreffendes Ohnmachtsgefiihl des Einzelnen wieder, das Machtge­

fiige wird als undurchschaubar und die Biirokratie als korrupt wahrgenommenen.

4.3.2.3 Mafia

Die Mafia als Begriff ist in der russischen Offentlichkeit seit Jahren ein offen und breit

diskutiertes Thema. Die Auspliinderung des Landes, offene Gewalt, Korruption und

Steuerhinterziehung sind Medienalltag. Das organisierte Verbrechen wachst in ord­

nungspolitische Felder, in denen der Staat seine legitime Macht nicht ausiibt. Ange­

sichts des raschen Eindringens der Mafia in nahezu alle Lebensbereiche wird nachfol­

gend die Mafia als gesellschaftliches System und ihre historischen Wurzeln diskutiert.

Die russische Mafia kann weniger als eine Organisation von Kriminellen gesehen wer­

den, eher als ein gewaltiger Korper der russischen Wirtschaft und der Politik, der sich

illegaler Methoden und der Dienste von Kriminellen bedient und ohne Riicksicht auf

Gesetz und Moral das Primat der individuellen Bereicherung verwirklicht. 1m Mittel-

103

Page 118: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

punkt steht nach BEHR (1985, 247) primiir ein okonomisches, machiavellistisches Be­

wuBtsein nach dem Prinzip "der Zweck heiligt die Mittel". Der groBe volkswirtschaftli­

che Wert der Leistungen der Mafia, insbesondere auf dem Gebiet des Drogenhandels,

wird am Beispiel der asiatischen Anbaullinder und Regionen deutlich. Angesichts der

schwachen Investitionen in die russische Industrie wird das "Waschen" der kriminellen

Gewinne durch eine Kapitalanlage in die legale Wirtschaft von der Administration ge­

duldet bis stillschweigend gefordert (NESTROV, WAKURIN 1995, 139). Eigens urn das

Geld der Partei zu waschen, wurden schon Ende der 80er Jahre viele Kreditinstitute ge­

griindet. Selbst das russische Innenministeriurn bezeichnet den heutigen Bankensektor

als einen der kriminellsten Bereiche der russischen Wirtschaft (LUNEEV 1994, S.97).

Gewalttaten wie Mord und Raub erschuttem die Offentlichkeit. Die okonomischen

Hintergriinde des organisierten Verbrechens dringen weniger in das offentliche BewuBt­

sein. Der Mafia geht es vor allem urn einen sicheren Geschaftsgang, die Aura von

Furcht und Schrecken wird aus Geschliftsgriinden erzeugt (BEHR 1985, 288). Gewalt an

der Oberflache kann man bekampfen, nicht aber das kriminelle Grundgeschaft. Die Be­

kampfung der Mafia in RuBland ist nahezu aussichtslos, da sie bis zu 50% ihrer Ein­

nahmen mit korrupten Teilen der Biirokratie teilt (ROSSJJSLOJE PREDPINIMATELSTVO

1995, 101) und ein betrachtlicher Teil der Polizei zu ihren Reihen gehort.

Die Einschrlinkung der hierarchischen Ordnung im Rahmen der Transformation hinter­

laBt ordnungspolitisch ungeregelte Bereiche, in denen sich die Mafia als ebenfalls hier­

archische illegale Ordnungsmacht etabliert. Sie tritt an die Stelle des Staates und kopiert

seine Herrschaftsform mit ihrer eigenen Biirokratie und ihren eigenen ungeschriebenen

Regeln (TRAUBOTH 1994, 30). Bandenkriege gehOren der Vergangenheit an, die Ein­

fluBbereiche sind weitgehend zwischen den Gruppierungen aufgeteilt.

Eine Vielzahl von offiziell registrierten Sicherheitsfirmen, hinter denen die Mafia steht,

"offeriert" ihre Leistungen privaten und staatlichen Betrieben. Eine Ablehnung der

Schutzgeldangebote der Mafia wird mit Gewalt beantwortet und ist nicht anzuraten.

Verhandlungen uber die Konditionen sind jedoch ublich. Ais Altemativen sind Pau­

schalgeld oder Gewinnbeteiligung (meist 10%) ublich. Das Untemehmen wird vor einer

Erpressung genau analysiert, alle notwendigen Daten werden durch legale und illegale

Recherchen gesammelt oder gekauft, Bankinformationen eingeschlossen. Die Mafia

104

Page 119: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

nimmt ihr Geschaft ernst und leistet fiir das gezahlte Geld akzeptable Sicherheit und

Ordnung. BUNOV, NIKITOV (1995, S.48) berichtet beispielsweise vom Aufbliihen der

Hotelbranche nach Jahren der Unsicherheit, weil die beschiitzende Hand der Mafia ge­

wohnliche Kriminelle verjagt habe.

Die sozialen Wurzeln der Mafia und des organisierten Verbrechen liegen in der sowjeti­

schen Gesellschaft begrundet. LUNEEV (1994, 91) bezeichnet den Rechtsbruch so gar als

das traditionell staatstragende System, da die Parteibfuokratie fiir die Auspliinderung

des Landes, die zynische Versklavung des Volkes und die Ermordung von Millionen

von Menschen Verantwortung trage. Die Kriminalitat der Staatsbfuokratie auBerte sich

unter Stalin aufgrund der totalitiiren Kontrolle nicht in den fiblichen Formen illegaler

Bereicherung und Korruption. Es etablierte sich aber eine herrschende Klasse ahnlich

einer geschlossenen Kaste (LUNEEV 1994, 92), in die AngehOrige der unteren Klassen

nur mit dem Willen anerkannter FUhrer aufgenommen wurden. Der Erhalt der bevor­

rechtigten Stellung sicherte eine besondere Versorgung und andere Privilegien wie

Dienstwagen oder eine Datscha.

Die jahrzehntelang in der UdSSR herrschende Parteibfuokratie hat nach SANTOS (1995,

147) ihre Macht zum Zweck der privaten Bereicherung genutzt, wo auch immer sich ihr

die Moglichkeit dafiir bot. Seit den sechziger Jahren bliihte der uneingeschriinkte MiB­

brauch des Volkseigentums zu privaten Zwecken, der Verkauf von Amtsstellen im

Staatsapparat und die Korruption. LUNEEV (1994, 94) beklagt, daB sich seit dem Ende

der 80er Jahre fiir Staats diener zusatzliche Moglichkeiten der unkontrollierten Verru­

gung fiber groBe materielle und finanzielle Ressourcen eroffneten.

Der Mangel an Giitern und Dienstleistungen ist ein zentrales Element der planwirt­

schaftlichen Ordnung, der von der sowjetischen Machtelite in allen Lebenssphiiren ver­

schiirft wurde (SALJE 1994, 33). Das Defizit wurde als Instrument der Steuerung des

V olkes sogleich nach 1917 bewuBt eingesetzt, urn die Menschen durch das staatliche

Brotmonopol rur ihre Brotration zur Arbeit zu zwingen. Nach SALJE (1994, 33) beruht

bereits seit den sechziger Jahren die Macht der Bfuokratie weniger auf Repressalien als

auf der Austeilung von Gebrauchsgiitern und der Zuteilung von Ressourcen.

105

Page 120: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der weitreichende Mangel an Giitem des Higlichen Bedarfs veranlaBte Manager und Di­

rektoren zu illegalen Aktivitaten. Der erfahrene Direktor verlor bei dringenden Beschaf­

fungsproblemen seine Zeit nicht mit unnutzen Beschwerden, sondem fuhr in das fUr ibn

zustiindige Ministeriurn und suchte dort Mittel und Wege, den fUr die Zuteilung zustiin­

digen Beamten zu korrumpieren. SALJE (1994, 19) berichtet, daB die Bestechungsgelder

zumeist nachtraglich durch Falschung von Produktionszahlen ausgeglichen wurden.

Ahnlich wie in den USA am Anfang des Jahrhunderts gab das durch ProhibitionsmaB­

nahmen der Regierung Gorbatschows entstandene Defizit an Alkohol dem organisierten

Verbrechen einen Schub. Die BevOlkerung betatigte sich aufgrund des allgemeinen

staatlichen Handelsmonopols in dieser Zeit zunehmend im illegalen Handel und auf

dem Schwarzmarkt. Besonders begehrte Konsurnguter und Lebensmittel wurden in ille­

galen Fabriken sowie in staatlichen Betrieben an der Statistik vorbei produziert und ver­

kauft.

Die Umsatze des offiziellen Marktes wurden durch die des schwarzen Marktes weit

ubertroffen, dessen Umsatz im Jahre 1990 auf etwa 30% des offiziellen Umsatzes ge­

schatzt wird (SCHULUS 1993,254). Teile der Staatsbtirokratie hatten ein starkes Interes­

se am Fortbestehen der Schattenwirtschaft, die pradestiniert ist fur Korruption und das

ideale Betatigungsfeld fUr Erpressung und andere Formen des organisierten Verbre­

chens bildet (DANILIN et al. 1994, 49). Die sowjetische Machtelite bediente sich fur die

Erreichung ihrer Ziele nicht nur krimineller Methoden, sondem auch der Vertreter der

kriminellen Welt. Die engen Beziehungen zwischen der Staatsburokratie und dem kri­

minellen Milieu reichen weit in die Vergangenbeit. Die Administration der Gefangnisse

und Arbeitslager benutzte Kriminelle fUr die "Umerziehung" der politischen Gefange­

nen. Ende der achtziger Jahre warb das KGB die Paten der kriminellen Welt aktiv zur

Zusammenarbeit, urn mit ihrer Hilfe die sich 6ffnenden neuen groBen Betatigungsfelder

der freien Wirtschaft zu erschlieBen (SALJE 1994,50).

Der Ubergang von der totalitaren zur demokratischen Gesellschaft fiihrte, unerwartet fur

die Offentlichkeit, zu einem gewaltigen Aufschwung der Mafia in RuBland. Das soziale

Gebilde der Mafia ist in seiner Struktur nach den Reformen nahezu dasselbe geblieben

und breitete sich in neue EinfluBspharen aus. Der Sieg der demokratischen Freiheiten,

die damit verbundene Einschriinkung der absoluten Macht der Btirokratie und die Be-

106

Page 121: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

seitigung des Warendefizits lief en parallel mit der Stiirkung der Mafia. Nach Schiitzun­

gen des russischen Innenministeriums steht die Halfte der russischen Wirtschaft unter

dem EinfluB der Mafia (SANTOS 1995, 147). Die Liberalisierung der Wirtschaft verlief

viel schneller als die Bildung der erforderlichen Regulationsinstitutionen und Kontroll­

mechanismen.

Ein weiterer, fUr die Transformation entscheidender, Faktor ist das Defizit der freien

untemehmerischen Tatigkeit, die anstelle des Defizits der Waren einen neuen Macht­

faktor fUr die Biirokratie konstituiert: BLINOV, NIKITOV (1995, 48) erlautem, daB die

Biirokratie die Rahmenbedingungen fUr die Privatisierung derart gestaltet, daB die Un­

temehmer sich ihre wirtschaftliche Freiheit oft durch Korruption erkaufen mussen. Hier­

fUr steht eine Vielzahl an Quellen fUr eine korrupte Bereicherung zur Verfiigung: das

Genehmigungsverfahren bei der Untemehmensgriindung, die Erteilung der Lizenz und

der Qualifikationszertifikate, die Vergabe von Krediten und Subventionen sowie die Ge­

staltung eines weitgehend untemehmensfeindlichen Steuersystems: Ein Untemehmen ist

bei normalem Geschaftsverlauf selten in der Lage, alle geforderten Abgaben zu zahlen,

es muB folglich entweder direkt einen Steuerbeamten bestechen oder sich wegen steuer­

licher Tricks erpressbar machen. Nach BLINOV, NIKITOV (1995, 48) werden schatzungs­

weise 40% der falligen Steuem hinterzogen.

Der umfassende EinfluB der Mafia wird nach Untersuchungen von RUGE (1994, 14) von

den meisten russischen Managem ohne nutzlose Emotionen als gegebener Umweltfak­

tor hingenommen. Die Untemehmer wollen Arbeitsbedingungen haben, unter denen sie

ihr Geschaft aufbauen k6nnen und nehmen die Schutzleistungen der Mafia als notwen­

diges Dbel oder als ubliche Dienstleistung wie die einer Versicherung in Kauf. Bei dem

allgemeinen Rechtsnihilismus der russischen Gesellschaft schafft die Mafia anstelle der

Staatsgewalt eine "brauchbare Ordnung". RUGE (1994, 14) schreibt: "Eine Art Deutsch­

land oder Schweden wird RuBland noch lange nicht werden. Vielleicht eine Art riesiges

Italien, wo die Mafia alle Parteien finanziert, die Statistiken nicht besonders zuverlassig

sind, die Steuermoral zweifelhaft ist, die Rahmenbedingungen eigentlich anders sind als

auf dem Papier und man trotzdem mit ihnen arbeitet".

107

Page 122: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.3.2.4 Betriebliche Beziehungen

4.3.2.4.1 Vertikale Strukturen und Informationsmangel

Traditionell sind die innerbetrieblichen Beziehungsstrukturen in RuBland hierarchisch

gepragt (vgl. 4.3.1) und durch eine zentral auf die Person des Direktors zugeschnittene

Linienorganisation gekennzeichnet. Typisch fUr diese Strukturen ist die mangelnde hori­

zontale Kommunikation und Koordination und geringe dezentrale Informations-, Hand­

lungs- und Entscheidungskompetenzen. Entscheidungstransparenz und wechselseitiger

InformationsfluB sind selten. Information wird gem als Machtmittel zurUckgehalten.

Den oberen Fiihrungskraften kommt die Hauptlast der Verantwortung zu, ihnen werden

aber auch Moglichkeiten des MachtmiBbrauchs eroffnet. In diesem Klima bliihen die

Scheinaktivitaten.

4.3.2.4.2 Tradition von Scheinaktivitaten

Aufgrund der Unvollkommenheiten der planwirtschaftlichen Ressourcenzuteilung wa­

ren Betriebsleiter einerseits gezwungen, im Interesse ihres Betriebes und ihrer Mitar­

beiter an den offiziellen Planzahlen vorbei zu arbeiten. Gegeniiber den BehOrden wurde

jeodch zum Schein eine offizielle Kalkulation aufrechterhalten. Diese Tradition von

Scheinaktivitaten beeinfluBt bis heute das Geschehen in russischen Untemehmen.

Die historischen Wurzeln der Scheinaktivitaten sind in der Unerfiillbarkeit der ideolo­

gisch-normativen sowjetischen Richtlinien begriindet. Die unerreichbaren gesellschaft­

lichen Ziele, wie zum Beispiel "Das westliche Wohlstandsniveau in zwanzig Jahren er­

reichen" oder "Die sozialistische Marktwirtschaft aufbauen" fiihrten zu von vornherein

unerfiillbaren Planvorgaben. So entstanden parallel zwei verschiedene Welten: die nor­

mative Welt der Planwirtschaft und die reale Okonomie mit ganz anderen Spielregeln.

Die Steuerung des riesigen Landes von einem Zentrum aus war eine aussichtslose Auf­

gabe. Das Plansystem bekampfte die unvermeidbaren Abweichungen yom Plan mit im­

mer detaillierterer und strengerer, aber nutzloser Planung. Die standig wachsende Zahl

der einander widersprechender Betriebskennzahlen behinderte die normale Betriebsta­

tigkeit immer mehr. Die glatte Erstattung des Berichtes, die Falschung der Statistiken

und Schonfarberei trat anstelle der gewissenhaften Erfiillung der Planvorhaben als Er­

folgsmaB in den Vordergrund, denn auf dem Papier muBte alles stimmen (PRIGOSCHIN

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Page 123: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

1995, 76). Statt GegenmaBnahmen zur Abwendung von Planabweichungen wurden ein­

fach die Plane geandert ("Und ist der Plan auch gut gelungen, vetdigt er doch noch An­derungen").

Der Hohepunkt der Farce wurde am Ende der siebziger Jahre erreicht, als jedes Mitglied

der Gesellschaft gezwungen wurde, einen individuellen "Leninskij Plan" auszuarbeiten

und unter Aufsicht der Partei schriftlich festzulegen. Die SchUler muBten sich ver­

pflichten, einen bestimmten Notendurchschnitt zu erreichen und wochentlich vorge­

schriebene gemeinntitzige Tatigkeiten auszufiihren. Die Arbeiter verpflichteten sich,

ihre Produktivitat zu steigem und sich regelmaBig fachlich und ideologisch weiterzubil­

den. Obwohl die Plane selten erfiiIlt wurden, muBte man regelmaBig tiber ihre Ausfiih­

rung auf der Versarnmlung des Kollektivs Rechenschaft ablegen. Die verschiedenen

ideologischen Rituale galten in den Augen der Partei als sozial notwendig und wurden

urn ihrer selbst willen ausgetibt. Der staatliche Zwang, immer wieder Komodie zu spie­

len, entwickelte in jedem sowjetischen Menschen, die Kinder nicht ausgenommen, Ge­

schicklichkeit in der Vortauschung von Betriebsamkeit (LEWADA 1992, 34 ff.).

Spatestens in den sechziger Jahren wurde klar, daB die Realisierung der ideologischen

Normen unmoglich war. Die soziale Ordnung beruhte zunehmend auf folgender Ab­

machung: Gegen die geheuchelte, demonstrative Anerkennung der ideologischen Werte

raumte der Staat den Menschen eine Nische der privaten Existenz ein. Die Menschen

waren infolgedessen zu Scheinaktivitaten gezwungen, die ihre innere Grundhaltung gar

nicht beriihrten. Aus der Innenperspektive der Mitglieder der Gesellschaft hatte z.B.

"die kommunistische Arbeit" die Bedeutung von "wir tun so, als ob wir arbeiten, der

Staat tut so, als ob er dafiir bezahlt". Das Mitmachen auBerte sich in vorgetauscht begei­

sterter Beteiligung an staatlichen Angelegenheiten. Die scheinbar vaterliche Ftirsorge

des totalitaren Staates konnte die BUrger nicht betrugen, die Menschen brachten dem

Staat nur scheinbar dankbare Unterordnung entgegen (LEW ADA 1992,34 ff.).

Die von Gorbatschow erklarte Perestrojka (abgeleitet aus dem russischen Wort flir

"Umstellung") wurde zuerst wie aIle anderen politischen Kampagnen der Vergangenheit

auf Anordnung von oben durchgefiihrt und setzte die Tradition der Scheinaktivitaten

fort. Die Parteinomenklatura wechselte am schnellsten die Farbe und forderte die Men­

schen auf, sich urnzustellen. Die Leiter aller Ebenen muBten tiber die meist nur auf dem

Papier durchgefiihrten Veranderungen in der Organisationen berichten, urn nicht hinter

109

Page 124: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

der Entwicklung zuriickzubleiben. Der Sarkasmus der Arbeiter auBerte sich in dem in

dieser Zeit gebrauchlichen GruB "Hast du dich schon umgestellt?" Statt der angekiin­

digten Emeuerung der sozialistischen Gesellschaft wurden die finanziellen und materi­

ellen Ressourcen vor den Augen des Volkes in die Schattenwirtschaft umgeleitet. Nach

SCHULUS (1993, 252) ging schatzungsweise ein Drittel des BSP jahrlich durch Fal­

schungen von Produktionsziffem verloren.

Die Privatisierung der Staatsbetriebe wurde biirokratisch durchgefiihrt, die zustandigen

BehOrden wollten so schnell wie moglich die Erfiillung der Plane nach oben melden.

Der Wechsel der Eigentumsform wurde aus politischen Griinden zum Selbstzweck, oh­

ne Riicksicht auf die Qualitat der durchgefiihrten Veranderungen. Die Aufgaben der

Sanierung und Umstrukturierung der Betriebe, die den eigentlichen Sinn der Reformen

bildeten, wurden nicht gelOst (KOSCHKIN 1995, 9). Die Privatisierung erweckte die Be­

griffe AG und GmbH wieder zum Leben, sie anderte jedoch die Krafteverteilung in den

Untemehmen nicht. Die als das oberste Organ manifestierte Versammlung der Aktiona­

re wird in den meisten Fallen nur pro forma abgehalten; der Direktor behalt die uneinge­

schrankte Macht und bleibt eine patriarchische Fiihrungsgestalt. Der unter seinem Ein­

fluB stehende Vorstand ist oft Marionette seiner Geschafte (RADIGIN et al. 1995, 56).

Die Rechte der Belegschaft und der Aktionare werden miJ3achtet, obwohl auf dem Pa­

pier alles stimmt. Nach TORKANOVSKIJ (1994, 65) fiihlen sich in diesen Untemehmen

die Mitarbeiter hintergangen und glauben nicht mehr, daB ihre Vorgesetzten emsthaft

das betriebliche Leben verandem wollen.

BELJANOVA (1995, 20) wirft der russischen Regierung vor, die okonomischen Reformen

zu befiirworten, jedoch viele notwendige gesellschaftliche Institutionen nur auf dem

Papier entstehen zu lassen. Veranderungen werden in den meisten Fallen von der russi­

schen Machtelite nur vorgespiegelt. Die aus der sowjetischen Zeit fortgesetzte Tradition

der Scheinaktivitaten verursacht MiJ3trauen gegeniiber der gesellschaftlichen und be­

trieblichen Transformation (Lwov 1995,28). Das tatsachliche Ziel der fUr die Reformen

zustandigen Machtelite ist dernnach oft nicht die Reform, sondem die Bewahrung der

Machtstellung. Dieser Interessenkonflikt ist eines der Haupthindernisse der Transfor­

mation.

110

Page 125: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.3.3 Der russische Manager im Wandel

In der postsowjetisehen Zeit gegrtindete Untemehmen werden in aller Regel yom GrUn­

der se1bst ge1eitet. Der Begriff des Managers als eines angestellten Gesehiiftsfiihrers

trifft allenfalls fUr die Direktoren der staatliehen und privatisierten Untemehmen zu. Seit

1992 wurde die staatliehe Kontrolle tiber die Staatsbetriebe praktiseh aufgegeben. Die

Direktoren entsehieden seitdem selbstandig aIle wiehtigen Fragen der Gesehiiftsfiihrung,

verfiigten uneingesehriinkt tiber betriebliehe Ressoureen und finanzielle Mittel und nutz­

ten das Betriebsvermogen als Quelle der privaten Bereieherung (FODOROV, ZYGISCHKO

1995,75).

Die begrenzten offiziellen Verdienstmogliehkeiten in der sowjetisehen Wirtsehaft stell­

ten zum anderen. fUr Betriebsleiter eine Versuehung dar, sieh aufgrund Ihrer Position

personliehe V orteile zu versehaffen. Beides fiihrte in vie1en Hillen zu der Auffassung,

ein Manager konne nieht dureh Rationalisierung seines Untemehmens zu Wohlstand ge­

langen, sondem dureh gesehiekten MiBbraueh seiner Maehtposition.

Die marktwirtsehaftliehen Formen der Kontrolle tiber die Gesehaftsfiihrung, die ein

Gegengewieht zur abgesehafften staatliehen Kontrolle bilden sollten, sind noeh rudi­

mentar entwieke1t, der EinfluB der Banken und Aktionare ist relativ gering. Die Direkto­

ren haben infolgedessen gegenwiirtig groBere Freiheit als die Manager der westliehen

Marktwirtsehaften und geringere Verantwortung als die Leiter der planwirtsehaftliehen

Betriebe (BELJANOV A 1995, 18).

Naeh verbreiteter Auffassung sollte das Direktorengehalt in Abhangigkeit von der Un­

temehmensgroBe bis 150 mal hoher als der Mindestlohn liegen (KOMAROV 7/1995, 77).

BELJANOV A (1995, 21) sehreibt, die meisten Direktoren handelten aussehlieBlieh aus

privatem Nutzenkalklil und seien nieht hinreiehend motiviert und verantwortungsbe­

wuBt, urn ihre faktisehe Entseheidungsfreiheit zum Nutzen der Eigentlimer anzuwenden.

Daher stehe nieht die gewinnbringende Gesehaftsfiihrung, sondem der Erhalt ihrer

Maehtstellung im Mitte1punkt ihres Interesses.

Dies erkliirt aueh paradoxe Ergebnisse von Managementbefragungen tiber Zie1priorita­

ten: Naeh mehreren Jahren der Reform haben die Untemehmenszie1e "Waehsturn der

Produktion" und "Sieherung der Arbeitsplatze" immer noeh viel groBere Bedeutung als

I 11

Page 126: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Steigerung der Produktivitat und Gewinne. Fiir die Bewahrung der Machtstellung der

Direktoren und der damit verbundenen Moglichkeit der privaten Bereicherung ist das

Uberleben der Untemehmen ausreichend. Eine Konkursgefahr ist eher hypothetisch.

Das Uberleben der Untemehmen hangt nach BELJANOVA (1995, 20) immer noch nicht

von Gewinnen und finanzieller Kraft ab, sondem in erster Linie yom Gewicht in der

sozialen Struktur der Regionen: Ein grofieres Produktionsvolurnen und eine hOhere Be­

scbaftigtenzahl geben den Untemehmen ein grofieres Gewicht, urn Druck auf die zen­

trale und die regionale Regierung auszuiiben.

Der EinfluB der Direktoren auf die Regierung wachst mit dem wirtschaftlichen Abstieg.

Zusammen mit der regionalen Administration, die eine Ausbreitung der Arbeitslosigkeit

fUrchtet, iiben die Direktoren im Namen des Kollektivs massiven Druck auf die Regie­

rung aus, urn Privilegien und verbilligte staatliche Kredite zu erhalten (KOMAROV 1995,

79, DOLGOPJTOVA 1995, 20). Sie wollen die Verfiigungsgewalt iiber die betrieblichen

Ressourcen behalten, aber sich der Verantwortung unter Berufung auf die Rahmenbe­

dingungen und die Zahlungskrise im Land entziehen. Die gegenseitige Verschuldung

der Untemehmen ist z.B. nach STARDUBOSVSKAJA (1995, 140) eine Taktik, den Nach­

frageruckgang ohne wesentliche Anderung des Produktionsprogramms zu iiberwinden.

In der gegenwartigen Krisensituation ist die Rolle des Managers entscheidend: Er mUBte

Promotor des fundamentalen Wandlungspozesses sein. Die Fiihrungskrafte sollten fUr

die Aufgabe motiviert werden. Die besondere Rolle des Topmanagements in der Ausar­

beitung und der Realisierung des Marketingkonzepts sowie der Durchfiihrung der be­

trieblichen Transformation sollte durch einen gewichtigen Anteil am Gewinn belohnt

werden (KOSCHKIN 1995, 12).

1m Westen findet sich baufig die Vorstellung, daB es ein effizientes sowjetisches Mana­

gement nie gegeben batte. Tatsachlich entstand jedoch unter den Bedingungen der Man­

gelwirtschaft und der zentralen Kontrolle eine andere Art des Managements, das vor­

wiegend auf Uberwindung der Engpasse und die Durchsetzung der Interessen der Be­

triebe bei der zentralen und ortlichen Administration ausgerichtet war. Die Rande der

Direktoren waren mehrfach gebunden, trotzdem haben viele von ihnen wahre Wunder

vollbracht (LAWRENCE, VLACHOUTSICOS 1993, 10). An Fiihrungstalenten herrscht in

RuBland kein Mangel.

112

Page 127: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

In sowjetischer Zeit waren die Direktoren Staatsdiener, aber viele ihrer Funktionen ent­

sprachen den Aufgaben westlicher Manager. Die modeme Technologie erforderte tiefe

Fachkenntnisse, der iiberwiegende Teil der Direktoren hatte Ingenieurausbildung. Eine

vergleichende Untersuchung des russischen, deutschen und englischen Managements

stellte "verblUffende Gemeinsamkeiten" fest (EBERWEIN, THOLEN 1994, 138). Grundle­

gende, weitgehend systemunabhangige Gemeinsamkeiten der Menschenfiihrung erfor­

dem offenbar fast identische Kompetenzen, die sich russische Manager in der prakti­

schen Erfahrung ohne theoretische Ausbildung angeeignet haben.

FUr eine erfolgreiche Transformation sind Agieren unter Unsicherheit, Kreativitat und

Flexibilitat entscheidende Personlichkeitsmerkmale. In westlichen Marktwirtschaften

laBt sich die Entscheidung bei der Einstellung eines Geschaftsfiihrers durch folgende

Faktoren absichem: Nachpriifung des Werdegangs, AusbildungsabschluB, der ein Min­

destmaB an betriebswirtschaftlichen Sachkenntnissen sicherstellt und die Moglichkeit

einer Korrektur von Fehlentscheidungen (LAWRENCE, VLACHOUTSICOS 1993, 12). In

RuBland sind diese Faktoren nur selten gegeben, und es ist wegen geringer Kontroll­

moglichkeiten schwierig, Fehlentscheidungen zu revidieren.

4.3.4 Geschaftsbeziehungen

4.3.4.1 Geschaftsethik

In RuBland dominiert nach wie vor eine eher negative Einschatzung des Untemehmer­

turns. Die groBen russischen Finanzdienstleister erkannten als erste die Notwendigkeit,

in das Vertrauen der Kunden zu investieren, und legten Anfang der 90er Jahre ethische

Werte der Untemehmenstatigkeit in ihren Untemehmensleitlinien fest. Der Vorstand des

russischen Untemehmerverbandes rief seine Mitglieder zur Einhaltung der geschafts­

ethischen Grundsatze auf. In seiner Sitzung im Juni 1995 wurden einige Mitglieder we­

gen VerstOBen gegen die Richtlinien aus dem Verband ausgeschlossen (PoPov 1995, 85).

Ais moralisches Vorbild wird in den Medien der ehrenhafte russische Kaufmann aus

dem Anfang des 20. Jahrhunderts dargestellt, der sein Gewinnstreben mit auffalliger

Wohltatigkeit Offentlich rechtfertigt (SARUBINA 1995, 49). Institutionelle Koordinati­

onsmange1 lassen sich aber nicht durch ethische Normen heilen. Ethik kann grundle­

gende Fehlanreize im System nicht kompensieren, ansonsten verkommt sie zum Liik-

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Page 128: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

kenbiiJ3er fur den Ausgleich von Lenkungsdefiziten (HAX 1993, 776). Auch relativ ehr­

liche Untemehrner in RuBland sind nach BRAGINA (1995, 90) zumeist gezwungen, fur

legale Aktivit1iten korrupte Beamten zu bestechen und die Dienstleistungen der Mafia

zur Sicherung ihren Rechte in Anspruch zu nehrnen.

GroBe Anstrengungen und groBen Einfallsreichtum braucht man im Umgang mit dem

kontraproduktiv wirkenden Steuersystem, bei dem die Steuem inklusive ortlicher Abga­

ben bis zu 95% des Gewinns betragen (SCHMELJEV 1995, 29). Schiitzungsweise 40%

des gesamten russischen Geldumsatzes bilden unkontrollierte Barzahlungen (NESTE­

ROV, WAKURIN 1995, 137). Handler und Dienstleister, die mit Bargeld agieren, haben

viel bessere Chancen als das produzierende Gewerbe, dem Steuerdruck auszuweichen.

So flieBt das Kapital kaum in die Produktion.

4.3.4.2 Business-Schicht nnd Unternehmertum

Die relativ kleine Zahl der neugegrundeten Untemehrnen kann man nicht als Indiz fur

den unzureichenden Stand der Transformation auf der individuellen Ebene heranziehen,

sie spiegelt nicht die potentielle Bereitschaft der Menschen zu untemehrnerischen Akti­

vitiiten wider. So wollten laut einer Befragung der Moskauer Akademie fur Wirtschaft

und Soziales im Jahre 1993 unter Hunderten von Horem des Fachgebietes "Untemeh­

mensfuhrung" etwa 70% ein eigenes Geschiift griinden, im Jahre 1995 dagegen nur

noch 7%, der Rest bevorzugte ein Angestelltenposition. Der Grund der Einstellungsan­

derung war nach PoPov (1995, 82) nicht Mangel an Startkapital, sondem der wahrge­

nommene Druck in Richtung auf ein kriminelles Leben mit Steuerhinterziehung,

Schrnier- und Schutzgeldzahlungen und Abhangigkeit von der Willkfu der ortlichen und

der zentralen Machtelite.

In dem widerspruchlichen russischen okonomischen und sozialen Umfeld sucht der

Untemehrnergeist nach adiiquaten, zum Teil seltsamen Formen der Geschiiftstiitigkeit.

Die klassische Definition des Untemehrners als Eigentfuner und Geschiiftsfiihrer eines

Gewerbebetriebes kann das Phiinomen des Untemehrnertums in RuBland nicht vollstiin­

dig erfassen. Deshalb definiert die russische Akademie der Wissenschaften eine

"Business-Schicht" (SASLAVSKIJ 1995, 3) mit folgenden Merkmalen:

114

Page 129: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Gewinnstreben

• Relative okonomische Entscheidungsfreiheit

• Selbstandigkeit, Eigenrisiko und Eigenverantwortung.

Eine empirische Untersuchung der russischen Akademie der Wissenschaft ergab, daB

diese Business-Schicht ca. 12 % der okonomisch aktiven Bevolkerung (=75 Mio.) um­

faBt, was ein starkes Potential des Unternehmertums in RuBland verdeutlicht (SASLAV­

SKU 1995, 3).

Handwerker 11%

Direktoren 32%

'Business­men' 46%

Unterehmer 11%

Abb. 19: Business-Schicht in Ruilland (eigene Darstellung nach SASLAVSKlJ 1995,3)

Der Anteil des klassischen Unternehmers an der Business-Schicht macht jedoch nur

II % aus. Die Direktoren der Staatsbetriebe und der Privatunternehmen (32%) agieren

praktisch wie Unternehmer und realisieren private Gewinne, da der praktische EinfluB

der rechtmiilligen Eigentiimer gering ist (SASLAVSKIJ 1995,5, vgl. auch 4.3.2.4). In den

meisten der privatisierten Unternehmen konnen die verstreuten Aktionare keinen wirk­

samen EinfluB auf die Direktoren nehmen, zumal diese im groBen Umfang die im Rah­

men der Voucher-Privatisierung an die Belegschaft verteilten Anteilsscheine gekauft

haben und noch autkaufen.

Die offiziell registrierten Handwerker, die sich voll und ganz ihren Einmann­

Unternehmen zuwenden, machen ebenfalls nur 11 % an der Business-Schicht aus, die

groBte unternehmerische Gruppe (46%) kann man als "part-time-businessmen" bezeich­

nen, weil sie ihre Geschlifte zusatzlich zu ihrer offiziellen hauptberuflichen Tatigkeit

betreiben. In der Mehrheit gehen die Leistungen der "part-time-businessmen" an der

staatlichen Statistik vorbei. Sie reparieren Autos, bauen Hauser, kaufen im Ausland un-

115

Page 130: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

verzollte Waren und handeln damit auf Wochenmarkten, niihen und reparieren Klei­

dung. Einige beschaftigen sich damit nur abends und am Wochenende, andere wieder­

urn den ganzen Tag, obwohl hauptamtlich voll beschaftigt sind. Nach Schatzungen von

Regierungsexperten machten im Jahre 1993 die nicht registrierten Handler etwa 40%

des Warenurnsatzes im Land, in den darauffolgenden Jahren vergroBerte sich der Anteil

noch (BRAGINA 1995,91).

Trotz der deklarierten okonomischen Freiheiten hat sich die Lage der kleinen und mitt­

leren Unternehmen im Zuge der okonomischen Reformen im Land seit 1992 wesentlich

verschlechtert. Der monopolistische Druck der eng mit der ortlichen Biirokratie koope­

rierenden GroBunternehmen verstarkte sich, die Direktorenlobby bewirkt, daB die zen­

trale Macht mit ihrer Steuerpolitik und einer offenen Diskriminierung die Privatinitiati­

ve im Kleinhandel verdrangt. Die Ersparnisse der GrUnder waren durch die anfaglich

hohe Inflation schnell abgewertet, die Banken vergeben an Kleinunternehmen kaurn

Investitionskapital.

Die Ordnungsdefizite blockieren eine mogliche positive Wirtschaftsentwicklung. Nach

SCHMELJEV (1995, 29) begnugen sich Millionen dringend benotigter potentieller Mittel­

standler mit einem halblegalen Dasein, weil die Rahmenbedingungen fiir eine Unter­

nehmensgrundung nicht stimmen. Die "Business-Schicht", die ca. 12% der okonomisch

aktiven Bevolkerung urnfaBt, zeigt das unternehmerische Potential des Volkes, das auf

seine Realisation wartet. Die These yom "homo sovieticus", dem die unternehmerische

Begabung vollstandig fehle, erweist sich damit als falsch. Nach ZANKER (1995, 246) ist

der "kapitalistische Instinkt" auch nach 75 Jahren Sozialismus noch lebendig.

4.3.4.3 Der neue russische Unternehmer

Den Kern der heterogenen "Business-Schicht" bildet mit fast 50% der klassische Unter­

nehmer: Eigenrumer und Geschiiftsfiihrer eines offiziell registrierten Unternehmen. 1m

MassenbewuBtsein der Russen dominiert allerdings das kriminelle Bild des Unterneh­

mers, weil man den brutalen, ungebildeten, mit seinem Reichtum prahlenden Typ aus

dem Alltag kennt. Dabei handelt es sich aber vornehmlich urn kleine Ganoven, die

Mehrheit der russischen Unternehmer zeigt sich selten in der Offentlichkeit. 1m Gegen­

teil gehOrt der russische Unternehmer zu den joogsten und gebildetsten der Welt: Nach

Untersuchungen von PEREPELKIN (1995, 36) ubersteigt der Anteil an Akademikern

116

Page 131: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

80%, etwa 30% der Untemehmer sind jiinger als 30 Jahre, 40% haben ein Alter zwi­

schen 30 und 40, nur 30% sind alter als 40 Jahre. Mehr als 30% der GroBindustriellen

haben einen Doktortitel.

Ein verdeckter Privatsektor existierte als Schattenwirtschaft schon lange vor der Pere­

strojka und erreichte gegen Ende der 80er Jahre einen 30%igen Anteil an der gesarnt­

wirtschaftlichen Leistung der UdSSR (SAIZEV 1994, 185). Unter okonomischen und

sozialen Gesichtspunkten lassen sich vier groBe Griindungswellen unterscheiden:

1) Das im Jahre 1988 in Kraft getretene Gesetz "Uber das Genossenschaftswesen in der

UdSSR" ebnete trotz seiner ideologischen Kasuistik fUr untemehmerische Menschen

den legalen Weg in die Privatwirtschaft. Die ersten Griinder hatten wenig zu verlieren

waren risikobereit, weil sie mit ihrem sozialen Status unzufrieden waren und nach Un­

abhangigkeit und Selbstverwirklichung strebten. Die Rechtslage der Privatuntemehmen

war noch keineswegs sicher. 1m Jahre 1989 folgende Regierungsbeschliisse begrenzten

ihre okonomische Freiheit erheblich, nicht einmal ihr Eigentumsrecht war gesichert. Die

ersten Untemehmer hatten ungewohnliche Ideen, lemten schnell und schafften in einer

Welt ohne Konkurrenz aus dem Nichts heraus Konzeme. Nach PEREPELKIN (1995,

35ff.) stammen fast 50% der GroBuntemehmer (Business-Elite) aus dieser ersten Welle.

2) Die zweite Griinderwelle (Hohepunkt Anfang 1990) wurde von der offiziellen An­

kiindigung des Regierungskurses in Richtung Marktwirtschaft, den Erlassen tiber die

Griindung von AGs und GmbHs und der Vorbereitung der marktorientierten Rechtsak­

ten tiber Privateigentum an Boden, Kapital und Produktionsmittel ausgelOst. Die mei­

sten Untemehmer der zweiten Welle verfugten wie die der ersten tiber Geschatfsin­

stinkt, strebten aber weniger waghalsig nach Selbstverwirklichung, sondem zielten urn­

sichtig auf Erweiterung der Geschaftstatigkeit und der Gewinne. Dabei handelte es sich

nach SAIZEV (1994, 187) zumeist urn erfolgreiche Mitglieder der traditionellen Hierar­

chien, die nun die Chance sahen, als Untemehmer noch mehr zu erreichen: Schatten­

wirtschaftler, Hihige Funktionare der Partei, des Staatsapparats und des KGB. Die so­

wjetische Nomenklatura konnte sich durch ihre Verfugungsgewalt tiber das Staatseigen­

tum die besten Untemehmensanteile herausschalen, an Vertrauenspersonen tibertragen

und mit Parteigeldem finanzieren. Durch ihre Beteiligung an Untemehmensgriindungen

sicherte sich die "alte Garde" nach PEREPELKIN (1995, 35 ff.) ihre Altersversorgung und

tiberlieB es den ausgewahlten jiingeren Funktionaren, die Geschafte zu machen. Ihren

117

Page 132: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Erfolg verdanken die "Nomenklatura-Untemehmer" nicht nur der UnterstUtzung von

oben. Auch die organisatorische Kompetenz, personliche Beziehungen, Menschen­

kenntnisse, Zielstrebigkeit sowie juristisches und okonomisches Vorwissen der jungen

Nachwuchsmanager waren dafiir entscheidend. Nach PEREPELKIN (1995,35 ff.) gehOren

40% der russischen GroBuntemehmer zu den Griindem der zweiten Welle.

3) Die Ende 1991 ausgeloste dritte Griinderwelle brachte nur etwa 10% der GroBunter­

nehmer hervor und hatte Massencharakter. Nach der Zerschlagung des Putsches gegen

Jelzin im August 1991 war der Weg fiir radikale Wirtschaftsreformen frei.

4) Die Privatisierung der Staatsbetriebe 16ste 1993 die vierte, sehr bedeutende "Direk­

torenwelle" aus. Die Direktoren der Staatsbetriebe, die sich als Eigentiimer fiihlten und

verhielten, wollten nun ihre Stellung rechtlich absichem, obwohl sie in der Regel nicht

tiber das notwendige Kapital verfiigten (PoPov 2/1995, 94). Oft nutzten sie geschickt

die Angste und das KollektivbewuBtsein der Arbeitnehmer aus: In % der privatisierten

Untemehmen blieb nach BeschluB der Belegschaft die Mehrheit der Aktien im Unter­

nehmen. 1m AnschluB kauften die Direktoren hiiufig mittels Dberredung und Drohungen

die Aktien von der Belegschaft auf. Der EinfluB des Direktorencorps auf die Politik der

Regierung hat im Zuge der Privatisierung erheblich zugenommen.

In RuBland gab es Anfang der 90er Jahre zwei Wirtschaften, eine offizielle und nach

auBen tiberschuldete Rubelwirtschaft mit unkontrollierter Inflation und eine Devisen­

wirtschaft mit vollig anderer Mentalitat, wo an den Btichem vorbei produziert und ver­

kauft wurde. Das GroBkapital in RuBland befindet sich in den Handen der Banken;

Mitte der 90er Jahre schreibt IVANENKOV (1994, 21), daB die 20 groBten Banken des

Landes innerhalb kfuzester Zeit die gesamte russische Industrie aufkaufen konnten. Ins

Ausland sind schatzungsweise 70 Mrd. US$ abgewandert, die jahrliche Kapitalflucht

betrage bis zu 18 Mrd. US$. Das Geld wurde nicht untemehmerisch wertschopfend in­

vestiert, sondem vor allem in Immobilien und sicheren Wertpapieren angelegt. Diese

Investitionspolitik deutet daraufhin, daB die russischen Untemehmer das Ausland lange

nicht als ihr Betatigungsfeld betrachteten (HODOV 1995, 154).

Das russische Untemehmertum hat jedoch ein groBes Potential und wartet auf bessere

Investitionsbedingungen in RuBland. Die sinkende Inflationsrate und die Stabilisierung

der Zahlungsbedingungen wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten.

\18

Page 133: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.4 Privatisierung

Am Muster RuBlands werden bier die fur Ostreuropa spezifischen Ziele, Methoden,

Hindernisse und Fakten der Privatisierung ehemals sttalicher Betriebe beschrieben. Lan­

derspezifische Besonderheiten der anderen Transformationsgebiete dieser Untersuchung

werden in 4.4.6 dargestellt.

4.4.1 Privatisierungszieie

Abhangig von der Zielsetzung werden unterscbiedliche Definitionen von Privatisierung

verwendet. In einem weiteren Sinne wird Privatisierung als jeder Transfer von Staatsak­

tivitaten in private Hande bezeichnet. Enger gefaBte Definitionen beschreiben lediglich

die Umwandlung eines offentlichen in ein privates Untemehmen (KLENK et al. 1995, 7).

Die meisten Privatisierungsdefinitionen fokussieren hauptsachlich den rechtlichen Ver­

fiigungsbereich (Property rights). Bei vielen PrivatisierungsprozeBen ist die Verande­

rung der Rechtsform, bei gleichem Management und ohne Kapital- oder Know-how­

Zustrom, die einzige Variable. Derartige Fromen sind nicht geeignet, urn den Erfolg

oder MiBerfolg der Untemehmenstransformation hinreichend zu erklaren und werden

hier nicht berucksichtigt.

Bildung eines stabilen ~ makroOkonomischen Umfelds II' -Konstanz der Wlrtschaftspolitik \ Herausbildung von

WeHbewerb • flit. Preissystem - Offene Markte + Privatisierung von

staaHichen Betrieben

- Privateigentum

Aufbau effizienter Instilutionen - Primat der WlIhrungspolitik -Rechtsordnung

I -+ Untemehmens­

transformation

Abb. 20: Privatisierung als Bestandteil einer i1bergeordneten Reform (eigene Darstellung)

Die Privatisierung ist, neben weiteren ordnungspolitischen Kriterien, wie sie in 2.2.1

beschrieben wurden, ein notwendiges Element der Transformation. Abb. 20 verdeutlicht

die Zusanunenhange zwischen der Privatisierung, der Herausbildung von Wettbewerb,

1\9

Page 134: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

der Schaffung eines stabilen makrookonomischen Umfelds und dem Aufbau effizienter

Institutionen, auf denen eine erfolgreiche Untemehmenstransformation aufbauen kann.

Die Privatisierung ist somit ein Element einer Reform, deren Einzelteile allein noch

keinen gesamtwirtschaftlichen Transformationserfolg garantieren. Private okonomische

AktiviUiten bediirfen einer gewissen StabiliUit, Vertdige mussen bindend und Anspruche

durchsetzbar sein. Weitere flankierende staatliche MaBnahmen sind die Errichtung von

Karnmem und Verbanden sowie die Gewiihrleistung sozialer Mindeststandards (KLENK

et al. 1995, 9). Ohne diese extemen Bedingungen ist eine betriebliche Transformation

zum Scheitem verurteilt. Andererseits sind gute Rahmenbedingungen und eine gelunge­

ne Privatisierung noch kein Garant fUr eine erfolgreiche Untemehmenstransformation.

4.4.2 Privatisierungsmethoden

Ausgangspunkt osteuropaischer Privatisierungsprozesse waren Ubedegungen des Staa­

tes, welche Untemehmen fUr eine Privatisierung in Frage komrnen und welche Privati­

sierungsmethoden angewandt werden. Abb. 21 gibt einen Uberblick uber eine mogliche

Klassifikation von Transformationsuntemehmen.

slrategisch wichlig slrategisch weniger

wichlig

wettbewerbsf~hig Verbleib In

Staatsbesitz Prlvatisierung

Sanierungl nichl wettbewerbs- Verkauf Privatisierungl

f~hig Liquidation

Abb. 21: Klassifikation von Transformationsunternehmen (KLENK et al. 1995, 23)

DaB diese Klassifizierung nicht nur theoretischer Natur ist, sondem angewandt wurde,

zeigt das Gesetz der RSFSR "Uber die Privatisierung von staatlichen und komrnunalen

Untemehmen der RSFSR" yom 24.6.1992 und das "Staatsprograrnm der Privatisierung"

yom 11.6.1992. In dem Staatsprograrnm zur Untemehmensprivatisierung wird eine

Klassifizierung in unterschiedliche Privatisierungskategorien vorgenomrnen:

120

Page 135: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Privatisierung verboten (z.B. Bodenschatze und Naturressourcen),

• Entscheidung durch russische Regierung oder Regierung der Republiken erforderlich

(z.B. Unternehmen der Waffen- und Munitionsindustrie),

• Entscheidung der GKI (Staatliches Komitee zur Verwaitung des staatlichen Vermo­

gens RuBlands - Goskomimuschtschestwo) unter Hinzuziehung jeweiliger Fachmini­

sterien, urn bspw. marktbeherrschende Unternehmen zu erkennen,

• Ubereinstimmung mit ortlichen Privatisierungsprograrnmen erforderlich (z.B. staatli­

che Verkehrsbetriebe),

• Privatisierung nach Zustimmung der Belegschaft und

• Pflichtprivatisierung (z.B. GroB- und Einzelhandelsunternehmen).

Einige der interessantesten Unternehmen koomen nicht fur eine Privatisierung in Frage.

Es sind Unternehmen aus dem Rohstoffbereich oder militarisch-strategisch wichtige

Unternehmen mit vergleichsweise gOnstigen Transformationsvorausetzungen. Diese

Potentiale werden beim Verbleib im Staatsbesitz nur unzureichend genutzt.

Wettbewerbsfahige Unternehmen ermoglichen dem Staat Privatisierungserlose in Form

von Management-buy-outs und -buy-ins, auslandischen Kapitals in Form von Joint-ven­

tures oder Fonds. Bei der Vermietung staatlichen Eigenturns werden ebenfalls Erlose er­

Tab. 25: Privatisierungsarten (nach KLENK et al. 1995,25)

untemehmensintem untemehmensextem Management-buy-out Joint-ventures

Verkaufen Mitarbeiteraktien Management-buy-in Investmentfonds Coupons (vouchers)

Verschenken Coupons (vouchers) Volksaktien Fonds Leasing

Vermieten Management-Iease-out Franchising Vermietung Untervermietung

zielt, doch liegt das unterneh-

merische Risiko dann we iter­

hin beim Staat. Die in Osteuro­

pa populare Form der Vou­

cherprivatisierung (auch Ku­

pon- oder Gutscheinprivatisie­

rung) erbringt keine Erlose fur

den Staat. Gutscheine (Vou­

cher), die Aktienanteilen an zu

privatisierenden Unternehmen entsprechen, wurden an die Bevolkerung verteilt. Bei

dieser Variante werden Unternehmensstrukturen weitgehend beibehalten, externer Ein­

fluB in Form von Management- oder Kapitalzustrom findet nicht statt. Externes Interesse

beschrankt sich meist auf das Spekulationspotential und nicht auf "Going-concern", d.h.

die Fortfiihrung dieser Unternehmen, wie in der Fallstudie RAKONFI gezeigt. Eine Sy­

stematik der Privatisierungsarten zeigt Tab. 25.

121

Page 136: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

In Tab. 26 sind die im Jahre 1995 verwandten Privatisierungsmethoden und -hiiufig­

keiten aufgefiihrt. Die Struktur hat sich seit Beendigung der zweiten Privatisierungs­

welle in 1994 nicht wesentlich geandert. Die Volksprivatisierung mit Vouchers und das

Management-lease-out spielen eine dominante Rolle. Die fUr Staat und Unternehmen

Tab. 26: Privatisierungsmethoden 1995 (http://www.marketrussia.com/privat.htm)

wiinschenswerten Unterneh-

mensverkaufe, die sogenannte

"Cash privatization", spielen

noch eine untergeordnete Rol­

le, was nicht zuletzt mit der In­

transparenz der Unternehmen

aufgrund fehlender Anwen­

Methoden der Privatisierung 1995 in % Aus~abe von Aktien 44,8 Verkauf auf Auktionen 4,4 Tender 25,2 LiQu idierun~ 1,5 Pacht 21 ,1 Direktverkauf 3,0

dung internationaler Bilanzierungs- und Rechnungslegungsvorschriften zu tun hat. Die-

se Intransparenz wird vielfach von den Generaldirektoren aus Angst vor Machtverlust

noch gefordert, urn interressierte auslandische Investoren fernzuhalten.

4.4.3 Privatisierungshindernisse

Die gravierendsten Privatisierungshindernisse sind in Abb. 22 aufgefiihrt. Einige Priva­

tisierungshindernisse werden kurz erlautert, andere sind selbsterklarend.

Fehlende staatliche soziale Unterstiilzung

Erwartete negative \ Beschaftigungseffekte

~

Inkompatibilitat des sozio-kulturelien

Hintergrunds

,/ Schlechte makrookono­

mische und institutionelie Rahmenbedingungen

,Ausverkauf an _----t ... ~ Auslander

Privatisierung l' Ungenugende ....... r--__ Finanz. und

~ unzureichende administrative Hihigkeiten

t ungenugende Management·

fahigkeiten

Relativ ungiinstiges Investitionsklima

~italmarkte

Abb. 22: Privatisierungshindernisse (KLENK et al. 1995,34)

122

Page 137: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• "Ausverkauf an Auslander": Negative Spekulationserfahrungen der Anfangsphase

der Privatisierung, die in der osteuropiiischen Presse hochstilisiert wurden, schiiren

Angste vor dem Untemehmensverkauf. Eng damit verbunden ist die Befiirchtung vor

• "negativen Beschiiftigungseffekten": Diese Befiirchtung findet sich auf allen Hierar­

chieebenen der Untemehmen. Jede Veranderung der Eigentiimerstruktur kann fiir die

Generaldirektoren bedeuten, daB sie durch eine neue Fiihrung ersetzt werden. Fiir die

Mitarbeiter konnen Entlassungen in groBem Umfang anstehen, so daB in den Unter­

nehmen hiiufig ein Festhalten am Status Quo aller Beteiligten zu erkennen ist.

Das ausgepriigte Fiirsorgedenken vieler Direktoren und die sozialen Funktionen, die die

Betriebe unter sozialistischen Bedingungen inne hatten, fUhren vor dem Hintergrund der

• "feWenden staatlichen sozialen UnterstUtzung" und der

• "schlechten makrookonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen"

dazu, daB die Fiihrung vieler Transformationsuntemehmen an dem Mitarbeiterbestand

festhiilt und auf Kiindigungen weitgehend verzichtet. Oft ist ein privatisierungsfeindli­

ches Klima in gesellschaftlichen und innerbetrieblichen Bereichen vorhanden, da viele

der hochgesteckten Privatisierungshoffnungen nicht erfiilIt wurden.

4.4.4 Die russische Voucher-Privatisierung

1m Zeitraum zwischen Dezember 1992 und Februar 1994 wurden ca. 16.000 Untemeh­

men tiber Voucher privatisiert, was etwa 60% des BSP und 50% aller zu privatisieren­

den Aktiva entsprach. Nach Beendigung der zweiten Privatisierungswelle Ende Juni

1994 sah die Struktur der meisten voucherprivatisierten Untemehmen aus wie in Abb.

23 dargestellt (RADIGIN et al. 1995, 51).

Belegschafi 50%

Staat 20%

private Investoren

20%

Management 10%

Abb. 23: Typiscbe Struktur eines voucberprivatisierten Unternebmens (RADIGIN et at. 1995,51)

123

Page 138: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Das Problem des geringen extemen Privatisierungseinflusses in Fonn von Know-how­

und Finanztransfers wurde weiter verscharft, da Belegschaft und Management versuch­

ten, ihren 60%-igen Anteil an den Untemehmen weiter aufzustocken. Grund hierfiir war

die Furcht vor "unfreundlichen Ubemahmen" durch strategische Investoren, denen auf­

grund der nicht-stimmberechtigten Aktien von Teilen der Belegschaft ein 38%-iger

Anteil der Aktien gentigt, urn die Kontrolle zu erhalten. Von den im Untemehmen vor­

handenen 60-70% der Aktien halt das Management durchschnittlich 21%, der General­

direktor hiiufig allein zwischen 5% und 7% (BOYCKO et al. 1995, 175).

4.4.5 Stand der Privatisierung in Ru8land

Die Ubergabe der Eigentumsrechte wurde beim GroBteil der ehemaligen Staatsbetriebe

bis zum Ende der ersten Privatisierungsperiode 1994 abgeschlossen, wodurch tiber

32.000 Aktiengesellschaften entstanden. Der Staat behielt die Mehrheitsbeteiligung in

1976 Untemehmen, die fUr die Sicherheit oder Infrastruktur des Landes besondere Be­

deutung hatten. Der Anteil des Staates an den privatisierten Untemehmen lag Ende 1994

bei 13%.

Durch die Ubertragung des Eigentums war die betriebliche Sphiire von der staatlichen

fonnal getrennt. Die faktische Trennung fand jedoch viel friiher statt. Der Staat verlor

seit 1992, noch vor der fonnalen Ubertragung der Eigenturnsrechte, zunehmend seinen

direkten EinfluB auf die Untemehmen. Fast 90% der im Jahr 1993 befragten Direktoren

bestimmten nach eigenen Angaben vollig unabhangig yom Staat das Produktionspro­

gramm, die Entlohnung der Beschiiftigten und die Investitionen (BELJANOVA 1995, 16).

Trotz der zahlenmiiBigen Erfolge der Privatisierung ist ihre Wirkung auf die Wirtschaft

des Landes stark urnstritten (RESNIKOV 1995, 3). 1m Vordergrund stand die fonnale

quantitative Erfiillung der Privatisierungsplane ohne Rticksicht auf die Qualitiit der

durchgefiihrten Veranderungen. Der Wechsel der Eigentumsfonn wurde aus politisc.:hen

Griinden zum Selbstzweck (KOSCHKIN 1995, 9).

Insgesamt wurden im Zeitraurn 1991 bis 1995 Untemehmen im Wert von 2,5 Billionen

Rubel verkauft. Das entspricht einem auf die jiihrlichen Wechselkurse urngerechneten

Volumen von 4,5 Milliarden US-Dollar. Abb. 24 zeigt, wie die Verkaufserlose nach der

ersten groBen Privatisierungswelle abgenommen haben.

124

Page 139: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Milionen $ 3000 2514 2500

2000

1500

1000

500

0 1991 1992 1993 1994 1995

Abb. 24: Summe der Verkaufspreise privatisierter Unternehmen in Millionen US$ (http://www.marketrussia.com/privat.htm)

Insgesamt wurden bis ZUlU 1.1.1996 ca. 120.000 staatliche Untemehmen privatisiert.

Das entspricht ca. 58% des ehemaligen staatlichen Sektors. Hiervon entfielen auf die so­

genannte kleine Privatisierung ca. 100.000 Untemehmen mit weniger als 200 Beschaf-

Tab. 27: Summe der jiihrlich privatisierten Unternehmen (http://www.marketrussia.com/privat.htm)

Jahr 1991192 1993 1994 1995

verkaufle 48.295 40.519 23.811 6.172

Untemehmen

tigten (o.V., OP 1996/ 1997 II,

40). Bezieht man die Verkaufs­

erl6se nun noch auf die jiihrlich

verkauften Untemehmen, so er­

halt man den durchschnittlichen

Verkaufspreis eines Untemeh­

mens. Nach einer ersten euphorischen Privatisierungsphase (199111992) werden nun in

zunehmendem MaBe Untemehmen mit hOherer strategischer Bedeutung privatisiert, die,

wie oben in Abb. 21 gezeigt, meist gr6Bere Wettbewerbsfahigkeit besitzen.

Millionen $ 40000 33668 31756 30000

20000

10000

0 1991-1992 1993 1994 1995

Abb. 25: Durchschnittlicher Verkaufspreis auf Dollarbasis (eigene Darstellung)

125

Page 140: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Weitere Griinde fUr hOhere Privatisierungserlose sind Lemeffekte der Privatiseure tiber

den wirklichen Wert und das Potential der Untemehmen sowie die absolut geringere

Anzahl an zu privatisierenden Untemehmen, die eine groBere Transparenz des Privati­

sierungsmarktes zur Folge hat. Wichtigster Faktor bleibt allerdings, daB im Rahmen der

Gutscheinprivatisierung nur Verkaufserlose geUitigten werden, die tiber die kostenlose

Ausgabe der Vouchers an die Bevolkerung hinaus gehen. Aktien werden an exteme In­

vestoren oder gegen Bezahlung an die Mitarbeiter verkauft. Trotzdem bleiben die Pri­

vatisierungserfolge hinter den Erwartungen zuriick. In den ersten neun Monaten in 1996

wurden Untemehmen fUr 296 Millionen Dollar privatisiert. Obwohl dies fast 50% mehr

sind als im Vergleichszeitraum 1995, liegt diese Zahl nur bei 14% der erhofften insge­

samt 2,2 Milliarden Dollar fUr 1996 (o.V., RUSSIA TODAY 24.1 0.1996). Tab. 28 zeigt

die Branchenherkunft privatisierter Untemehmen.

Tab. 28: Branchenstruktur privatisierter Unternehmen (http://www.marketrussia.com/privat.htm)

Wirtschafissektor 1993 1994 1995

Verarbeitendes Gewerbe 29,3 26,9 20,S Landwirtschaft 11,9 3,0 1,8 Transport & Kommunikation . 5.4 3,0 Bau!lewerbe 10,2 11,0 9,3 Handel 33,1 28,8 32,2 DiensHeistung 67 5,4 5,8 Maschinenbau 10,2 12,3 12,2 Andere 8,6 19,5 27.4

RuBland plant die Summe der zu privatisierenden Untemehmen 1997 weiter zu kiirzen.

1996 wurden 3.068 Untemehmen privatisiert, 1997 werden es nur noch 1.643 Unter­

nehmen sein. Der PrivatisierungsprozeB solI in zunehmendem MaBe von den finanziell­

industriellen Gruppen (FIG) getragen werden (o.V., RUSSIA TODAY 1.11.1996).

Gleich welche Privatisierungsvarianten und -methoden in Osteuropa weiterhin favori­

siert werden, in den Transformationslandem ist eine vollig neue Aktionarskultur ent­

standen. Schon heute zahlen Tschechien und RuBland zu den Landem mit den hochsten

Anteilen an Aktienbesitzem (bezogen auf die Einwohnerzahlen). Ahnliches ist fUr die

anderen Transformationslander noch zu erwarten.

126

Page 141: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tschechien

Schweden

Ruf1land

Kanada

Norwegen

USA GroBbritanien

Schweiz

Taiwan

Finnland

Frankreich

Japan

Singapur

Niederlande

Deutschland

Belgien

Osterreich

8

0 10 20 30 40 50 60

Pozen! der Aktionare an der Bev61kerung

Abb. 26: Aktionarsanteile der Bevolkerung verschiedener Lander (o.V., WELT 9.11.1996, 21)

Trotz der hohen Anzahl russischer Aktionare hat sich das VersHindnis fur und das Ver­

trauen in Aktien noch nicht ausreichend entwickelt. Die 10.000 Rubel-Voucher, die an

jeden Biirger ausgehandigt wurden, muBten bis Mitte September 1996 in Privatisie­

rungszertifikate bei Banken umgetauscht werden. Jedes dieser Zertifikate konnte wie­

derum in 20 Aktien von in Moskau registrierten Firmen eingetauscht werden. Dieser

Vorgang begann im Juni 1995. Doch bis zu dem Stichtag wurde nur die Halfte, ca.

33.000 dieser Zertifikate, bei Banken deponiert. Die Frist wurde abermals verlangert.

Der Verfall ihrer Rechte an diesen Aktien ist einem Teil der Bevi:ilkerung nicht bewuBt,

einem anderen gleichgiiltig (o.V., RUSSIA TODAY 20.11.1996).

Die Entwicklung der Untemehmensneugriindungen zeigt, daB die Wirtschaft RuBlands

nicht nur auf ehemaligen Staatsbetrieben fuJ3t. Fiir viele in- und auslandische Investoren

hat ein Engagement auf der "griinen Wiese" an Attraktivitat gewonnen. Soziale, i:ikolo-

127

Page 142: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

gische und finanzielle Altlasten gibt es hier nicht. Insbesondere seit fUr Joint-ventures

keine speziellen Vergilnstigungen mehr existieren und diese einheimischen Unterneh­

men im Gesellschaftsrecht faktisch gleichgestellt sind, favorisieren auslandische Unter­

nehmen haufig Neugrilndungen in Osteuropa. Hinzu kommen zunehmende Auseinan­

dersetzungen zwischen Joint-venture-Partnern. Russische Unternehmer drangen ihre

westlichen Partner aus dem Joint-venture, nachdem sie das Entscheidende fUr Kapital

und Management beigetragen haben. Solche Auseinandersetzungen werden zunehmend

brutal ausgetragen, bis hin zu Extremfallen wie der Ermordung eines amerikanischen

Joint-venture-Partners (o.V., WELT 12.11.1996). Abb. 27 zeigt die Entwicklung der

Unternehmensneugrilndungen.

1000000 897000 940000

800000

600000

400000

200000

1991 1992 1993 1994 1995

Abb. 27: Wachstum der Unternehmensneugriindungen (http://www.marketrussia.com/privat.htm)

4.4.6 Privatisierungsspezifika andere Lander

Nachdem bisher allgemeine Prinzipien der Privatisierung am reprasentativen Fall RuJ3-

lands erortert wurden, sind hier noch Besonderheiten der Privatisierung in den anderen

untersuchten Landern nachzutragen.

4.4.6.1 Ukraine

Das "Gesetz der Ukraine tiber Privatisierung des Vermogens staatlicher Betrieb" yom 4.

Marz 1992 (bestatigt am 27.4.94 unter der Nr. 242) bildet den rechtlichen Rahmen, urn

in der Ukraine eine vielfaltige, sozial orientierte Marktwirtschaft zu schaff en (VIZ 1995,

128

Page 143: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

11). Urn den Untemehmen bei der Verbesserung ihres derzeitig schlechten technologi­

schen Niveaus und beim Einsatz des vorhandenen Humankapitals eine gewisse Unter­

smtzung zu gewiihren, ist beispielsweise vorgesehen, daB die durch Privatisierung er­

zielten Ertdige u.a. fur

• die Kreditierung der technischen Umriistung der privatisierten Betriebe und

• die Entwicklung des Untemehmertums sowie Schaffung neuer Arbeitsstellen

verwendet werden (Artikel 23 des Privatisierungsgesetzes). Die 400 wichtigsten, fur die

Privatisierung vorgesehenen, Staatsbetriebe wurden in einer nach Branchen unterteilten

Liste zusammengefaBt.

1m Rahmen der sogenannten "Kleinen Privatisierung" werden kleine Dienstleistungs­

und Handwerksbetriebe privatisiert. Voraussetzung ist, daB nur ein Kaufer auftreten

darf. Diese Untemehmen werden BetriebsangehOrigen zum Kauf angeboten, auf Auk­

tionen oder durch Ausschreibungen veraufiert. Verantwortlich fur den Verkauf ist das

Ministerium fur Entstaatlichung des Eigentums und Entmonopolisierung, welches eng

mit dem Fonds fur staatliches Eigentum zusammenarbeitet. Auslandische natiirliche und

juristische Personen und Joint-ventures, die auf dem Gebiet der Ukraine registriert sind,

konnen ebenfalls als Kaufer auftreten. Die Bezahlung erfolgt in frei konvertierbarer

Wahrung. Eigens dafur bestimmt die ukrainische Nationalbank einen "Privatisierungs­

umtauschkurs" .

FUr die sogenennte "GroBe Privatisierung" gibt der staatliche Vermogensfonds Zertifi­

kate mit einem Nennwert von 30.000 Karbowanzen (Oktober 1995) heraus, die zum

Erwerb von Aktien berechtigen. Diese Aktien, die BetriebsangehOrige zu Vorzugsbe­

dingungen erhalten haben, dUrfen bis zur Einfiihrung einer Nationalwahrung nicht ver­

kauft oder anderweitig verauBert werden. Der Erwerb von Anlagevermogen durch Aus­

lander und Inlander ist in dem am 5.3.1992 gebilligten allgemeinen Privatisierungsge­

setz geregelt worden. Es verfolgt das Konzept einer gemischten Wirtschaft. Urn den

"Ausverkauf' an kapitalstarke Auslander zu verhindem, miissen Auslander einen 20 %­

igen Aufschlag zahlen.

Nach Angaben des State Property Fund of Ukraine wurden bis 1995 90 ehemalige

Pachtbetriebe privatisiert, d.h. die Grundmittel wurden an die Pachtkollektive iiberge­

ben. Diese Form der Privatisierung wurde bis zu diesem Zeitpunkt vorrangig betrieben.

129

Page 144: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Es betrifft vor allem Verkaufsstellen, Dienstleistungsunternehmen und kommunale Ein­

richtungen. Der Verlauf dieser sogenannten kleinen Privatisierung wird jedoch als we­

nig erfolgreich eingescWitzt. AuBerdem wurden 40 % der groBen Betriebe privatisiert

(POLIAKOV 1995).

Die bereits privatisierten Betriebe weisen in der Regel eine hOhere Wirtschaftlichkeit

auf als Staatsbetriebe. 1m September 1995 begann die Phase der Massenprivatisierung.

DafUr hat die Regierung eine Liste mit 8000 GroBbetrieben veroffentlicht, die privati­

siert werden sollen. Ziel ist es, sie in offene Aktiengesellschaften umzuwandeln.

Einem erfolgreichen Verlauf des Privatisierungsprozesses stehen folgende Hemmnisse

entgegen:

• harter Widerstand im Parlament gegen den neuen Reformkurs von Prasident

Kutschman,

• Instabilitat des gesetzlichen Rahmens, da Gesetze nur kurze Gilltigkeitsdauer besit-

zen,

• Borsenhandel erst nach Einfiihrung einer neuen ukrainischen Wiihrung,

• PrivatisierungsprozeB dauert zu lange,

• Rolle eines GroBteils der Direktoren von ehemaligen Staatsbetrieben: Viele Direkto­

ren von Unternehmen mit mehr als 70 Mitarbeitern waren dagegen, ihr Unterneh­

men in eine Aktiengesellschaft offenen Typs urnzuwandeln. Ihr Ziel ist, moglichst

alle Aktien im Unternehmen zu behalten, sie schnell personlich von den Mitarbei­

tern zurUckzuholen, urn dann "Alleinherrscher" zu sein. Gleiche Tendenzen gelten

fur Ministerialbeamte, iihnliche Tendenzen wie in den Privatisierungsprozessen rus­

sischer Unternehmen festzustellen.

• Verabschiedung dringend erforderlicher neuer Gesetze wird durch "Direktoren­

lobby" immer wieder verhindert.

• Hohe Arbeitslosenquote wirkt negativ auf Privatisierungserfolge. Gegenwiirtig ge­

ben Arbeitslose ihre Anteilscheine an im Unternehmen verbleibende Mitarbeiter abo

KapitalzufluB wird somit unmoglich (POLIAKOV 1995).

130

Page 145: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.4.6.2 Baltischer Raum

Das Ziel der Privatisierung besteht, wie auch in den anderen Transfonnationslandern, in

der Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen. Dazu gehOren u. a. :

• Entstehung einer Gesellschaftsschicht von Privateigentiimern und -unternehmern,

die einen immer groBeren okonomischen und gesellschaftlichen EinfluB gewinnen

und in immer starkerem MaS die Entwicklung von Marktbeziehungen vorantreiben.

• Schaffung rechtlicher und vennogensrechtlicher Grundlagen fUr interne und externe

Investitionen. Privateigentiimer wirken aktivierend auf diesen ProzeB.

• Schaffung eines starken Mittelstandes.

• Entstehung neuer Motivationen bei der Bevolkerung. Mit der Etablierung privater

Unternehmen wachsen die Anforderungen an die Arbeitseinstellung, Produktivitat

und QualitatsbewuBtsein.

• ErhOhung der wirtschaftlichen, vor allem aber der industriellen Leistungskraft.

• Modernisierung der Unternehmen. Dazu ist auslandisches Kapital erforderlich

(MELNIKAS, MELNIKAS 1995,27).

In allen drei baltischen Landern gibt es Bestrebungen, im Rahmen der Privatisierung mit

den Investoren Bedingungen zu vereinbaren wie z. B. die Sicherung einer bestimmten

Anzahl von Arbeitsplatzen, Investitionen und MarkterschlieBung. Damit bestehen zu­

mindest theoretisch gute V oraussetzungen, die Wirtschaft der einzelnen Lander anzu­

kurbeln. Beispielsweise werden in Lettland Verletzungen von Vereinbarungen finanziell

geahndet. So muB ein Unternehmen fUr jeden nicht gesicherten Arbeitsplatz Mittel fUr

Umschulung, Arbeitslosenvergutung und gesamtgesellschaftliche Zwecke zur Verfii­

gung stellen (NAGLIS 1995, 82). 1m Unterschied zu RuBland, WeiBruBland und der

Ukraine erhoffen sich die Lander des baltischen Raums durch westeuropaische Investo­

ren eine Reintegration in den westeuropaischen Wirtschaftsraum und eine schnelle, pro­

fessionelle V orbereitung des Managements auf die Marktwirtschaft.

In Estland wurde Ende 1995 der PrivatisierungsprozeB nahezu abgeschlossen, 98% der

Betriebe des Kleingewerbes befinden sich in privater Hand (o.V., OP 1995/96, 62).

Auch die 300 als privatisierungsfahig eingestuften Staatsbetriebe wurden verkauft,

knapp die Halfte an auslandische Investoren. Die Transaktionen erfolgten als Verkauf

und uberwiegend mittels offentlicher und geschlossener Ausschreibung nur an Unter-

131

Page 146: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

nehmen, die ein pIausibIes Unternehmenskonzept sowie Investitions- und Arbeitsplatz­

garantien boten (o.V., OP 1995/96,62).

In Lettland sind bis 1995 50% der Unternehmen privatisiert. Weitere 200 Betriebe soI­

len 1996 in private Hand gegeben werden. Dariiber hinaus fmdet eine wilde Privatisie­

rung durch Verpachtung von Unternehmensteilen und Joint-venture-Griindungen statt.

Die Zahl der Unternehmen, die sich noch in Staatshand befmden, liegt zwischen 1.200

und 1.500. Eines der groBten Vorhaben der nachsten Zeit wird die Privatisierung des

Iettischen Gasversorgers LATVIJAS GAZE sein. Wichtig ist, einen starken Investor zu

finden, urn gegenfiber der russischen GAZPROM autark zu werden (NAGLIS 1995, 82).

Innerhalb der drei baltischen Lander bildet Litauen, bezogen auf die bereits erreichten

qualitativen Privatisierungserfolge, das SchluBlicht (Interview MELNIKAS 1995). Die bis

zum 1.4.1995 privatisierten 6.194 Unternehmen aus dem staatlichen Privatisierungspro­

gramm haben nicht zu dem erhofften wirtschaftlichem Aufschwung gefiihrt.

Von diesen Unternehmen wurden

• 2.723 kleine und mittlere Untemehmen fiber inlandische Ausschreibungen,

• 2.670 kleinere Untemehmen fiber Auktionen,

• 12 Untemehmen fiber "Business plan tender" und nur

• 44 Unternehmen gegen Devisen

privatisiert (o.V., OP 1995/96,63).

Problematische Punkte sind:

• Standige Veranderung des gesetzlichen Rahmens: Beispielsweise gibt es bis heute

noch kein Gesetz, was den Verkauf des Staatsanteiles bei teilprivatisierten Unter­

nehmen regelt. Die litauischen Privatisierungsgesetze seien die schlechtesten aller

ehemaligen Lander der So\\jetunion (Interview VIESULAS 1995).

• Die erste Phase der Privatisierung erfolgt in der Hauptsache auf der Basis von soge­

nannten Investitionsschecks. Der Nachteil ist, daB die Schecks schnell zum Speku­

lationsobjekt wurden, keine zusatzlichen Finanzmittel in die Staatskasse flossen,

keine emsthaften Investitionen getatigt werden konnen und keine Eigentiimer fUr die

Industrie und andere Spharen der GroBproduktion hervorgebracht werden, sondem

nur Eigentiimer von Kleinbesitz wie z.B. Wohnungen.

132

Page 147: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Geringer Anteil westlicher Investoren: Damit stehen nicht genfigend Devisen zur

Verfiigung, urn die dringend erforderliche Modernisierung der Wirtschaft voran zu­

bringen. AuBerdem wurde in einigen Hillen nicht, wie vereinbart, fmanzieH inve­

stiert, sondem die Bezahlung erfolgte mit " ... alten, ausrangierten AusrUstungen des

auslandischen Investors" (Interview VIESULAS 1995).

• Die geplante Griindung eines staatlichen Privatisierungsfonds und einer Privatisie­

rungsagentur kam bisher nicht zustande, was sich negativ auf die Transparenz und

Effizienz der litauischen Privatisierungspolitik auswirkt. Lediglich die LITHUANIAN

INVESTMENT AGENCY (LIA) wurde gegrundet, wird aber kaurn wirksam.

• Destruktive Politik der Regierung bei der Unterstutzung von bereits privatisierten

Untemehmen: So erhalten fast bankrotte Betriebe giinstige Kredite, andere (eine be­

stimmte Lobby) seien bis zum Jahr 2000 von Steuem befreit (Interview VIESULAS

1995).

4.4.6.3 Belarus

Das Erreichte bleibt weit hinter den gesetzten Zielen zuriick. 1m Rahmen der kleinen

Privatisierung wurden bis 1994 900 von 10.400 Untemehmen privatisiert. Von den

mittleren und groBen Untemehmen konnten bis 1994 370 Untemehmen von 4.400 pri­

vatisiert werden. Die Ursachen fur diese schleppende Privatisierung sind:

• Unentschlossenheit der Privatisierungspolitik der Regierung,

• unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen, die vor aHem auslandische Investo-

ren abschrecken,

• geringe Akzeptanz der Privatisierung in WeiBruBland selbst,

• schleppend arbeitende Privatisierungsagentur,

• fehlende Informationen fiber die zu privatisierenden Untemehmen,

• fehlendes Restrukturierungs- und Privatisierungswissen,

• Intransparenz der Privatisierungsvorgange,

• Bremswirkung durch die entscheidenden Fachministerien,

• neues Privatisierungsgesetz vom 23.5.95 greift noch nicht,

• kaurn Privatisierung von Grund und Boden aufgrund der landwirtschaftlichen Lobby

im Parlament (o.V., OP 1995/1996,68).

133

Page 148: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.4.7 Betriebliche Aspekte der Privatisierung

4.4.7.1 Umverteilung des Staatseigentums

Die Privatisierung begann mit der Verteilung der "Voucher" an die BevOlkerung, die

das Recht eines BUrgers auf den ihm zustehenden Anteil am Staatsvermogen verbriefte.

Infolge der ungewohnlich breiten Streuung der Eigenturnsrechte sind tiber 40 Millionen

Aktionare formelle Eigentiirner russischer Untemehmen geworden (BURKOV 1994, 13).

Der Nennwert eines Vouchers von 10.000 Rubel entsprach dem Anteil eines BUrgers am

Stammkapital der sowjetischen Wirtschaft in den Preisen der 70er Jahre, d.h. die Ge­

samtsumme der an die BUrger ausgegebenen Voucher entsprach infolge der Inflation

nur wenigen Prozenten des Gesamtvermogens (JA WLINSKIJ 1995, 474).

Die Regierung erhoffte sich einen groBen ZufluB an extemem Kapital, weshalb die

zweite Variante der Privatisierung, bei der die Belegschaft 51% der Aktien des Unter­

nehmens erwerben konnte, ungtinstigere Bedingungen fUr die Arbeiter beinhaltete. Der

Wert der Aktien betragt hierbei 170% des Nominalwertes, die Zahlung auf Raten ist

ausgeschlossen. Mindestens zwei Drittel der Werktatigen mtissen dieser Variante zu­

stimmen (TORKANOVSKIJ 1994,60). Trotz der vielen Privilegien der ersten Variante, bei

der aber die Belegschaft die Mehrheitsbeteiligung nicht erwerben konnte, wurde sie nur

bei 24% der Untemehmen angewandt. Die Angst der Belegschaft vor extemem EinfluB

und eigenntitzigem Interesse der Direktoren, fiihrte dazu, daB bei 75% der Untemehmen

die zweite Variante Anwendung fand (KOMAROV 1995,79).

Die groBen Aktienbeteiligungen wurden zumeist nach vorheriger Absprache von den

Investmentfonds und Banken oft unter ihrem Marktwert erworben. Die neuen Eigentti­

mer kiirnmerten sich in der Regel nicht urn strukturelle Veranderungen in den Unter­

nehmen und warteten auf einen Anstieg der vollig unterbewerteten Anteile. Hieran hat

sich auch in der zweiten Periode der Privatisierung seit Mitte 1994 nichts geandert. Un­

temehmerisch denkende Investoren finden sich selten. Aktienpakete wurden zumeist

zum Zweck des spekulativen Weiterverkaufs erworben. Die schwierige Informationsla­

ge tiber die Kapitalstruktur der zu privatisierenden Untemehmen schreckte seriose Inve­

storen haufig abo Die Direktoren hatten vielfach kein Interesse an betrieblicher Transpa­

renz. Oft waren sie durch personliche Absprachen an bestimmte Kaufer gebunden. Ver-

134

Page 149: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

steigerungen wurden dadurch zur Farce, der Kaufer und der unterbewertete Kaufpreis

waren im voraus bekannt (MARTYNENKO 1995, 49).

Nachdem RuBland nun von der internationalen Kreditagentur Standard & Poor's ein

"BB minus"-Rating fur langfristige auslandische Schuldverschreibungen bekommen

hat, haben groBe, international agierende Unternehmen deutlich verbesserte Moglich­

keiten der Kreditfinanzierung. Hierzu gehoren Unternehmen der Telekommunikations-,

01- und Gasindustrie. Die f'Unffache Oberzeichnung der ersten, auf auslandischen

Markten handelbaren Aktien in Hohe von 374 Millionen Dollar von GAZPROM belegen

dies (o.V. RUSSIA TODAY, 14.11.1996).

4.4.7.2 Machtstellung der Direktoren

Seit Mitte 1994 steigt der Anteil der Manager und der privaten Investoren, der Beleg­

schaftsanteil sinkt (RADIGIN et al. 1995, 53). Die Belegschaft, die tiber den GroBteil der

Aktien verfiigt, sollte die einfluBreichste Kraft in den privatisierten Unternehmen sein.

In der Realitat begreifen sich die Mitarbeiter nicht als die rechtmaBigen Eigentfuner.

60 50

c 40 I!l 30 £. 20

10 O+-'-L..--....... ----r-

Apr 94 Dec 94 Mar 95 Jun 95 Jun 96 geschatzt

• Belegschaft

• Manager

Aulleninvestoren

Staat

Abb. 28: Entwicklung der Aktienanteile an privatisierten Unternehmen (RADIGIN et al. 1995,53)

Sie nehmen ihre Stimmrechte in den Aktionarsversammlungen nicht wahr. Ihre Gleich­

gtiltigkeit beruht auf der langen sowjetischen Tradition der Scheinaktivitaten und der

Uberzeugung, daB man sie sowieso betriigen wiirde (KOMAROV 1995, 75). Da fremden

Investoren aus Angst vor Massenentlassungen noch weniger vertraut wird, akzeptieren

die Arbeiter die de-facto-Eigentfunerstellung der Direktoren (RADIGIN et al. 1995, 57).

Der EinfluB der Direktoren umfaBt aIle Bereiche, z.B. bei der Festlegung der Lohne und

der Pramien, oder der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Fast 80% der Beschaftigten

135

Page 150: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

glauben daher, daB die Direktoren, unabhangig von der Eigentwnsform des Untemeh­

mens, die realen Eigentiimer mit uneingeschriinkter Verfiigungsgewalt sind (GURKOV,

AVRAAMOVA 1995,27).

Viele Direktoren haben diesen de-facto-Zustand durch den Kauf groBer Aktienpakete

von der Belegschaft auch rechtlich legitimiert. Mittel dazu sind beispielsweise vorsatz­

lich verzogerte Lohnzahlungen, Vemachlassigung des Arbeitsschutzes und unangemes­

sener Druck auf die Arbeitsdisziplin. Mitarbeiter-Aktionare sollten so zur Kiindigung

bewegt werden. Die Uberlegung der Direktoren hierbei war, daB bei der geschlossenen

AG die Aktien der Gekiindigten dem Gesetz zufolge im Untemehmen verbleiben mus­

sen und bei der offenen AG die Mitarbeiter wegen der Unterentwicklung des Wertpa­

piermarktes ihre Aktien meistens nur fUr einen symbolische Wert verkaufen konnen.

Diese Aktien kaufen Direktoren zu stark unterbewerteten Preisen auf Kredit, durch

Ausnutzung betrieblicher Mittel, auf eigenen Namen oder teilen sie mit ihren Stellver­

tretem (GURKOV, AVRAAMOVA 1995,28). Die gegenseitige Kontrolle des Direktoren­

rates und des V orstandes findet nicht statt, da in beiden Organen dieselben Personen

sitzen (RADIGIN et al. 1995,56).

4.4.7.3 Stellung der Aktionare

Typische Verletzungen der Aktionarsrechte in privatisierten Untemehmen sind:

• Einfiihrung diskriminierender Regeln in den Satzungen,

• Verbot des Verkaufs der Aktien an Exteme,

• Verletzung. der Informationspflicht des Vorstands bei Einberufung der Versarnmlung,

• Emission der Aktien ohne ausdrUckliche Einwilligung der extemen Aktionare,

• Lenkung der Beschlusse der Hauptversarnmlung durch Drohung oder WahWilschung

(RADIGIN et al. 1995,64).

Der praktische EinfluB der Minderheitsaktionare auf die Geschiiftsfiihrung ist gering,

ihre Rechte und strategischen Interessen werden unzureichend geschUtzt, die Dividende

ist nicht erwahnenswert. Aktivitaten auslandischer Investoren werden nicht durch den

gesetzlichen Rahmen beschriinkt, sondem durch "informelle Hindemisse" vor Ort und

fehlende Beziehungen zur ortlichen Biirokratie (RADIGIN et al. 1995, 64).

136

Page 151: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Krafteverteilung zwischen den Direktoren und dem Privatkapital anderte sich in den

letzten Jahren stark und durchlief drei charakteristische Hauptphasen:

• strikte Trennung der EinfluBbereiche,

• Kooperation der gegenseitigen Interessen und

• direkte Konfrontation bei der Umverteilung des staatlichen Eigentums

(STARODUBOVSKAJA 1995,137).

4.4.7.4 Banken und Holdings im PrivatisierungsprozeO

Private Banken haben meist die Rechtsform einer AG, die in der Regel aus Beteiligun­

gen groBer Untemehmen entstand, tiberwiegend zur Deckung des eigenen Bedarfs an

finanziellen Mitteln. 1m Laufe der Jahre haben zusatzliche Aktienemissionen allmiihlich

die Beteiligungen der Grtinderuntemehmen aus der Geschaftsfiihrung gedrangt und

zwangen sie in eine abhangige Stellung. Typisch ist die Lage bei einer der groBten und

einfluBreichsten Banken, der TWERUNIVERSALBANK mit 15.000 Aktionaren, darunter

von 200 Industrieuntemehmen. Die ftinf Untemehmen mit den groBten Aktienanteilen

halten ca. 21 % der Aktien, 32% liegen in Handen der Mitarbeiter der Bank. Analog den

Industrieuntemehmen wird dadurch in erster Linie die Machtstellung der Bankleitung

gestiirkt (RADIGIN et al. 1995, 62).

Die Investitionsattraktivitat der Industrieuntemehmen ist wegen ihres Krisenzustands

und der niedrigen Dividenden sehr niedrig. Die Sicherheit und der Ertragswert staatli­

cher Wertpapiere ist wesentlich hOher. Demzufolge wird diese Anlageform von der Be­

volkerung praferiert. Nur groBe institutionelle Investoren (Banken oder Fonds) konnen

sich die riskanten Industrie-Kapitalanlagen leisten (MELENTJEV 1995, 14).

Die Kreditwtirdigkeit von Transformationsuntemehmen ist gegenwiirtig sehr niedrig.

Motive und Fiihigkeiten des alten Managements werden negativ bewertet. Langfristige

Kredite werden nur vergeben, wenn auf die Geschiiftsfiihrung durch Mehrheitsbeteili­

gung EinfluB genommen werden kann. GroBbanken haben seit Jahren aufgrund der Ka­

pitalverflechtung langfristige Beziehungen zu vertrauten Untemehmen aufgebaut. Seit

Dezember 1993 existiert ein Rechtsrahmen fUr derartige Untemehmens-Bankverbindun­

gen, die industriellen und finanziellen Gruppen (FIG) (MELENTJEV 1995, 17).

137

Page 152: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Bedeutung innerhalb der russischen Wirtschaft und der hohe Kapitalbedarf bei der

Privatisierung ehemaliger GroBkombinate erfordem besondere Privatisierungs- und Fi­

nanzierungsformen. Die benotigten Ressourcen konnen durch Vereinigung mehrerer

industrieller Untemehmen und Banken in Form von FIG, ahnlich der japanischen Kei­

retsus, aufgebracht werden (BATCHIKOV, PETROV 1995,4)

Japanische Keiretsus sind nicht aufbestimmte Branchen oder Produkte beschr1inkt, son­

dem vereinigen groBe Hurnan-, Finanz-, Markt- und Produktpotentiale und setzen die

integrierten Ressourcen in innovative Technologien ein (SABEL, WEISER 1995, 296).

Die FIG URALSKlJE SAVODY, die seit 1994 aus zwei privaten Banken, einem Invest­

mentfonds, einer Versicherungsgesellschaft, zwei groBen Handelsuntemehmen, zehn

Elektronikuntemehmen, einem Forschungsinstitut und einem Bauuntemehmen in der

Ural-Region besteht, zeigt iihnliche Bestrebungen. Durch die Konzentration der Res­

sourcen und in Zusarnmenarbeit mit SIEMENS und PHILIPPS wurden mehrere bedeutende

Innovationen im Bereich der Elektronik hervorgebracht (BOTKIN, KOSLOV 1995, 151).

Ein weiteres Beispiel liefert die MENA TEP Bank, eine der bekanntesten russischen Ban­

ken. 1995 erwarb sie fUr 35 Mio. US$ 70% der Aktien des Moskauer Nahrungsmittel­

herstellers KOLOSS und gab sogleich fUr 34 Mio. US$ giinstige Investitionskredite an

das Untemehmen. Der Direktoremat, in dem die Bank tiber die absolute Mehrheit ver­

rugt, muB jetzt die profitable Geschaftsfiihrung des Untemehmens sicherstellen, urn die

Rtickzahlung der Kredite zu gewahrleisten (o.V., owe 1995, 18).

Anderseits sind die FIG eine Bedrohung fUr den sich entwickelnden russischen Mittel­

stand. Die horizontale Integration innerhalb der FIG ist weniger marktwirtschaftlich als

monopolistisch begriindet. Durch die Vereinigung industrieller GroBbetriebe, Handels­

untemehmen und Banken entsteht eine marktmachtige Stellung, die Schltisselpositionen

in einzelnen Regionen und Branchen besetzen kann. Konkurrenz wird ausgeschaltet,

und Druck auf die Regierung wird ausgetibt (RADIGIN et al. 1995, 65). Neben dies en

FIG gibt es eine zahlenmaBig kleinere Gruppe, die eine Effizienzsteigerung durch Kon­

zentration der Ressourcen in strategisch wichtigen Bereichen anstrebt. Sie betreibt akti­

ve, teilweise so gar aggressive Marktpolitik (STARODUBOVSKAJA 1995, 143). Tab. 29

zeigt die Anfang 1996 in RuBland im Register fUr finanziell-industrielle Gruppen ge­

meldeten FIG.

138

Page 153: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die russische Regierung plant, strategisch wichtige FIG zu unterstUtzen. Ziel dieser In­

dustriepolitik ist es, starke, wettbewerbsfaruge Unternehmen als Motor fUr die einheimi­

sche Wirtschaft zu f6rdern. International ausgerichtete Wirtschaftsbereiche wie die

Kraftwerkstechnologie, Raumfahrt und Atomindustrie erhalten ebenfalls Beihilfen fUr

den internationalen Wettbewerb. Hochprofitable Branchen wie die russische 01- und

Gasindustrie soIlen keine direkten Hilfen erhalten (0. V. , RUSSIA TODAY, 29.11.1996).

Tab. 29: Stand der FIG in RuBIand im Januar 1996 (http://www.marketrussia.com/nlfigs.htm)

Finanzjell-Industrielle Gruppen (FIG) Anzahl der Unlemehmen Zahl der Beschaftigten (in Tsd.)

Inlerros, Moskau 24 306 Magnitogorskaya Stahl, Magnitogorsk 27 264 Nizhegorodskiye Automobiles, N. Novgorod 40 241 Volzhsko-Kamskaya FIG, Moskau 3 231 Metalloindustriya, Woronesch 13 206 East-Siberian-Group, Irkutsk 26 107 Unified Mining and Metallurgical Company, RF 9 97 AtomRudMel, Moskau 13 90 Ruskhim, Moskau 21 86 Socci, Woronesch 22 81 Russian Aviation Consortium, Moskau 8 71 Nosta-Truby-Gas, Novotroizk, Orenburg Region 6 59 Exokhim, Moskau 22 54 Svyatogor, Chelyabinsk 14 49 Sibir,Novosibirsk 18 48 Uralskiye Zavody, Izhevsk 20 46 Tulsky Promyshlennik, Tula 18 39 Edinstvo, Perm 18 30 Skorostnoy Flot, Moskau 18 25 Prompribor, Moskau 22 25 Soyuzagroprom, Woronesch 40 24 Zhilische, Moskau 13 21 Primorye, W1adiwostok 21 19 Unified Industrial-Construction Company, RF 21 10 Doninvest, Rostovna-Donu 6 10 Jewels of Ural, Yekaterinburg 9 3 Eurozoloto, Moskau 7 3

4.4.7.5 Privatisierung und betriebliche Transformation

Obwohl die quantitativen PrivatisierungspHine erfiiIlt wurden, entstand kein besseres In­

vestitionsklima zur Effizienzsteigerung der Unternehmen (RADIGlN et al. 1995, 50).

Lediglich die Privatisierung der Handelsunternehmen brachte die erwarteten positiven

Effekte und bewirkte die ZerscWagung der Handelsmonopole und das Entstehen echter

Konkurrenz. Mit Handel lieJ3 sich ohne riskante Investitionen sofort Profit erwirtschaf­

ten (WELISCHENKOV 1995, 7).

139

Page 154: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die fonnal durchgefiihrte Privatisierung brachte kaurn KapitalzufluB mit sich, sondem

verschlechterte die finanzielle Lage der meisten Industriebetriebe. Aufgrund der fehlen­

den Kontrolle der rechtmaBigen Eigentiimer entzogen die Direktoren den Untemehmen

finanzielle und materielle Ressourcen, z.B. durch die Vennietung von Lagerhallen, Pro­

duktionsflachen und administrativen Gebauden (MARTYNENKO 1995, 46).

Neben den untemehmensintemen GrUnden gibt es eine Reihe objektiver Griinde, die die

gegenwartigen finanziellen Schwierigkeiten der Untemehmen erklaren. Die sinkende

Kaufkraft der Bevolkerung und die allgemeine Zahlungskrise beschleunigen den Nie­

dergang vieler Untemehmen. Die Inflation entwertete zusatzlich die noch verfiigbaren

betrieblichen Umlaufmittel (PLATJOSCHNYJ 1994, 24). Nach der ersten "Zahlungsun­

fahigkeitskrise" und dem von der Regierung verordneten gegenseitigen SchuldenerlaB

im Jahr 1992, ist die fonnelle "Nichtzahlung" der Schulden zur Strategie der Untemeh­

men geworden. Nur etwa 20% der offiziell gemeldeten Schulden der Untemehmen sind

real, der Rest wird vorbei an den offiziell gemeldeten Geschiiftskonten gezahlt. Kleinere

Rechnungen werden bar beglichen, groBere Betrage tiber Auslandskonten. Mit Hilfe der

kiinstlich erzeugten gegenseitigen "Verschuldung" werden Steuerzahlungen vennieden

und verbilligte staatliche Kredite eingefordert (WELISCHENKOV 1995, 7).

Waren werden ohne reale zahlungsfahige Nachfrage weiterhin produziert und auf Kredit

in der Hoffnung verkauft, daB der Staat letztendlich die wachsenden gegenseitigen

Schulden ausgleicht wie im Jahr 1992 (DOLGOPJTOVA 1995, 14). Die Gefahr des Kon­

kurses ist auch nach Verabschiebung des Konkursgesetzes sehr gering. Paradoxerweise

wachsen die verfugbaren liquiden Mittel der Untemehmen parallel mit der Verschul­

dung (BELJANOVA 1995, 19).

Mit der Ubergabe der Eigenturnsrechte wurde ein hOheres Engagement der Betriebsan­

gehorigen fur den UmgestaItungsprozeB angestrebt. Die Realitat der Privatisierung in

RuBland widerlegte die Vorstellung, daB das Miteigentum an Betriebsmitteln den Werk­

tatigen BewuBtsein fur Eigentum verleiht. Aktienbesitz steigerte die Arbeitsmotivation

und das Qualitats- und KostenbewuBtsein der Belegschaft nicht. Der Kampf urn das Be­

triebsvennogen beeintrachtigte den sozialen Frieden im Untemehmen. Auch in dieser

Hinsicht erwies sich die Privatisierung, wie sie in vielen Untemehmen in RuBland statt­

fand, als nachteilig fur die betriebliche Transfonnation (TORKANOVSKIJ 1994, 60).

140

Page 155: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die sozialen und wirtschaftlichen Ahnlichkeiten zwischen RuBland, WeiBruBland und

der Ukraine erlauben die Annahme, daB die mit vergleichbaren Methoden durchgefiihrte

Privatisierung in diesen Uindem iihnliche Ergebnisse bringt. Das bestatigen erste Re­

sultate der Privatisierung in der Ukraine. Da sich die bisherigen Ausfiihrungen exempla­

risch auf RuBland bezogen haben, finden sich in Anhang 4 Besonderheiten der nationa­

len Privatisierungsbestrebungen auch der anderen untersuchten Lander.

4.5 Business-Infrastruktur

Die Business-Infrastruktur bilden exteme Institutionen und Rahmenbedingungen, die

direkt fur die betriebliche Leistungserstellung ben6tigt werden. Die betrieblichen Funk­

tionen interagieren in unterschiedlichen MaBe mit extemen Institutionen: So werden

produkt- und preispolitische Entscheidungen fast ausschlieBlich untemehmensintem

getroffen und durchgesetzt, fur die Schaltung von Werbung dagegen benotigt ein Unter­

nehmen zumindest die Dienste einer Agentur.

Schnittstellen zur Untemehmensumwelt sind

• fur Informationen: Marktforschung und Kommunikationspolitik, die auf exteme In­

stitutionen wie Informationsanbieter, Werbeagenturen, Medien usw. angewiesen

sind,

• fUr Sachgiiter: Beschaffung und Distribution, die u.a. exteme Absatzmittler und -hel­

fer in Anspruch nehmen,

• fUr Geld und Finanzdienstleistungen: Finanzierung, hier werden Borsen, Banken

usw. ben6tigt.

1m planwirtschaftlichen System waren diese Institutionen teils gar nicht, teils in anderer

Form als in marktwirtschaftlichen Systemen vorhanden. Systemtransformation bedeutet

u.a., daB die fur marktwirtschaftlich agierende Untemehmen notwendige Infrastruktur

entsteht. Untemehmen konnen nicht 10sgelOst von ihrem Umfeld transformieren. 1m

folgenden werden die Rahmenbedingungen und Institutionen und deren Entwicklung im

TransformationsprozeB beschrieben.

141

Page 156: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.5.1 Kommunikation

4.5.1.1 KonsumentenverhaIten

Eine Studie der GfK vom Juli 1994 ergab, daB die meisten Haushalte mit ihrem Ein­

kommen nur die grundlegendsten Ausgaben decken konnen (Tab. 30). Nach Berech­

nungen des russischen Arbeitsrninisteriums lebten in RuBland 1992 5%, 1994 bereits

18% der Bevolkerung (26 Mio. Menschen) in extremer Armut, Tendenz steigend. 1996

lebte ein Drittel der Bevolkerung unter dem Existenzminimum (o.V., ST. PETERSBURG

TIMES, 9-15.1.1996).

Tab. 30: Ausgabenverteilung der russischen HaushaIte 1994 (o.V., VWD 1994, 7)

Einkommen .... Anteil der 8evolkerung ... niehl ausreiehend, urn noHge Nahrungsmittel einzukaufen 10% ... nur ausreiehend fUr Kauf von Nahrungsmitteln 31% ... ausreichend fUr Kauf von Nahrunllsmitteln und KJeidung 42% ... kann noch fUr andere Ausgaben verwendel werden 15% ... kann iiber das AIltagsbudgel hinaus noch zum Sparen verwendel werden 2%

In den anderen osteuropaischen Staaten ist die Situation iihnlich. Es kommt zu einer

Einkommenspolarisierung: 10% der russischen Haushalten verfugen tiber 75% des Ver­

mogens des Landes (SASLA VSKIJ 1995, 49). Belarus bildet hier eine Ausnahrne, hier ist

die Differenzierung zwischen den Einkommensgruppen noch nicht so weit fortgeschrit­

ten.

Der Binnenmarkt der osteuropaischen Lander war bisher ein Mangelmarkt, d.h. die

Nachfrage tiberstieg das Angebot deutlich. Dies hat anhaltende psychologische Folgen

fur das Kaufverhalten der Konsumenten (BARTA 1991, 64). Wegen der gesunkenen

Kautkraft und der Flut der importierten Waren kann der Eindruck entstehen, daB gegen-

Tab. 31: Motive fiir Vorratskiiufe in den GUS­Staaten 1992 (NARSIKULOW 1992, 13)

Furchl, Ware isl nichl vorhanden, wenn sie benotillt wird Ware ist gegenwiirtig billiger als zukOnffig Weiterverkauf der Ware mit Preisaufschlag keine DurchfOhrung von Vorratskaufen

47,7% 19,0% 1,3%

27,9%

wartig AngebotstiberschuB vor­

liegt, tatsachlich fehIt es jedoch

immer noch an bezahlbarer

Ware befriedigender Qualitat.

Produkte werden trotzdem

nach wie vor auf Vorrat gekauft .. Tab. 31 verdeutlicht den EinfluB der gelemten Anpas-

sungsmechanismen auf das Kaufverhalten. Die Nachfrage nach minderwertiger Ware ist

gesattigt: Die Bevolkerung praferiert eindeutig Qualitatsprodukte, insbesondere beim

142

Page 157: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Kauf langlebiger Gtiter (LAWRENCE, VLACHOUTSICOS 1993, 9). Nach einer Studie von

LEONIDOU wird die Qualitat bei der Kaufentscheidung immer wichtiger (Tab. 32).

Tab. 32: Faktoren der Kaufentscheidung russischer Konsumenten in Prozent (LEONIDOU 1992,81)

Lebensmiltel Kosmetika HH.-Reini- Kleidung und Eleklrische Elektroni-gungsmiltel Schuhe Gerale sche Gerale

Qualilal 90 63 69 70 78 73 Preis 52 41 33 44 44 48 Verfiigbarl<eil 52 37 51 26 45 36 DarslellungIPrasenlation 38 26 14 64 28 28 Herkunftsland 8 38 25 40 25 38 Verpackung 10 18 23 - 1 -Designvariationen 9 14 18 13 14 9 Marl<enname 6 29 19 16 22 27 Werbliche Unlersliilzung 1 3 5 1 2 3

Nur bei dem kleinen wohlhabenden Anteil der Bevolkerung spielen Markennamen, Pre­

stige und Luxus eine entscheidende Bedeutung bei der Kaufentscheidung, auf den Preis

wird dabei wenig geachtet (ETTERSON 1993, 29ff.). Vor der Perestroika gab es in osteu­

ropaischen Landem kaum Auswahl zwischen verschiedenen gleichwertigen Produkten.

Dadurch war eine Differenzierung durch symbolische oder psychologische Attribute

nicht notwendig. Produkte wurden vor aHem tiber ihre Funktionalitat definiert. Marken­

bewuBtsein konnte sich daher kaum entwickeln (SCHONEBERG 1993, 42). In bezug auf

Marken und Images wird das Markengedachtnis der meisten osteuropaischen Konsu­

menten, in Analogie zur EDV, als eine "fast noch leere Festplatte" beschrieben. Je frU­

her es den Untemehmen gelingt, Marken "auf dieser Festplatte zu speichem", desto we­

niger zeit- und kostenaufwendig ist dies und desto anhaltender ist die Wirkung

(SCHWEIGER, FRIEDERES 1994,512). Auch wenn gegenwmig die Nachfrage nach Mar­

kenartikeln noch gering ist, sichert der Autbau von Markenimages Iangfristig Wettbe­

werbsvorteile durch die Verankerung der Marken in der als kaufrelevant wahrgenom­

menen Altemativenmenge (Evoked set).

Eine Studie der GfK-Rus im III. Quartal 1994 ergab, daB russische Konsumenten be­

ginnen, Markenbilder zu entwickeln. Spontan konnten die Befragten sehr viele westli­

che Markenprodukte nennen (SCHULUS, DEMIDOV 1995, Illf.). Das Herkunftsland ist

jedoch aIs Qualitatsindikator wichtiger aIs die Marke. Bei westlichen Produkten wird

gute Qualitat angenommen (SCHULUS, DEMIDOV 1995, 112). Westliche Markenpro­

dukte werden aIs Statussymbole empfunden.

143

Page 158: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Da das Einkommen der meisten Konsumenten fUr den Kauf der originalen Markenarti­

kel nicht ausreicht, werden gem billige, gefalschte Produkte gekauft, die HuBere Eigen­

schaften der Markenprodukte aufweisen. Die meisten Fruschungen kommen aus dem

asiatischen Raum. SchHtzungsweise 50% der gehandelten Importwaren im Konsumgii­

terbereich sind illegal (WELISCHENKOV 1995, 13). Die Umgehung von Schutzzollen

fiihrt u.a. dazu, daB russische Untemehmen weitere Preisnachteile haben.

Die osteuroprusche Bekleidungsbranche reagierte auf die ausloodische Konkurrenz mit

Markenpiraterie. Die Verabschiedung des Verbrauchergesetzes in RuBland verbesserte

in dieser Hinsicht die Lage der Konsumenten, da der Handel seitdem die Verantwortung

fUr falsche Informationen trHgt. Die praktische Handhabung des Gesetzes erwies sich

infolge der Korruption jedoch als HuBerst schwierig, denn der Handel kann sich durch

den Kauf gefalschter QualitHtszertifikate weitgehend absichem. Nicht das Fehlen ge­

setzlicher Bestimmungen, sondem ihre mangelhafte praktische Durchsetzbarkeit fordert

die Markenpiraterie (KOSYREV, LOBATSCH 1995, 161). Die Bevolkerung deckt bis zu

70% des Bekleidungsbedarfs auf TOLKUTSCHKAS (WochenmHrkten), wo von Privatper­

sonen zur Aufbesserung des Einkommens groBtenteils unverzollte ausloodische Waren

billig verkauft werden (SCHENNIKOVA 1995, 5). Die TOLKUTSCHKAS werden formal von

staatIichen Organen beaufsichtigt, in Wirklichkeit stehen sie jedoch unter der Kontrolle

der Mafia. Das Risiko, Plagiate zu kaufen, wird allein von den Konsumenten getragen.

Neben der klassischen Markenpiraterie werden westlich klingende Namen als Waren­

zeichen verwendet, auch wenn die Marke gar nicht existiert. Russische Krawatten mit

dem Warenzeichen GANDSIN wurden z.B. von unerfahrenen osteuropHischen Verbrau­

chern mit der weltbekannten Marke CARDIN verwechselt, sie wurden zu Verkaufsschla­

gem. Gesetzliche Bestimmungen liber den Schutz von Warenzeichen werden z.B. da­

durch umgegangen, daB man eigene Warenzeichen, die eine verblliffende AhnIichkeit

mit den Marken westlicher Produzenten aufweisen, beim Patentamt anmeldet. Betroffe­

ne westliche Hersteller sind nicht selten gezwungen, den Markenpiraten das Recht auf

die "russische Variante" des eigenen Warenzeichens fUr viel Geld abzukaufen

(KOSYREV, LOBATSCH 1995, 167).

Es sind bereits erste Anzeichen fUr eine Rlickbesinnung der russischen Konsumenten

auf inIoodische Produkte festzustellen (SCHULUS, DEMIDOV 1995, 112). Ein GroBteil der

144

Page 159: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

in RuBland verkauften ausUindischen KonsumgUter sind billige, minderwertige Erzeug­

nisse, vorwiegend aus dem asiatischen Raum. Gewissenlose Handler fiihren mit Unter­

stiitzung korrupter Beamter unbrauchbare Lebensmittel mit um mehrere Monate fiber­

zogenen Haltbarkeitsfristen ein. SpektakuUire Medienberichte und eigene Erfahrungen

bewirkten bei Verbrauchem Enttauschungen beziiglich der Qualitat westlicher Waren.

Vor allem bei Lebensmitteln gibt es V orlieben fUr vertraute einheimische Produkte.

Obwohl z.B. ein Drittel der in RuBland verkauften SiiBwaren laut Zollstatistik aus dem

Ausland importiert wird, gewinnen traditionsreiche russische SiiBwarenhersteller all­

mahlich ihre Marktanteile wieder (o.V., owe 6/1995, 16). Prinzipiell besteht eine Pra­

ferenz fUr einheimische Produkte, wenn sie in der gewiinschten Qualitat verfiigbar sind

(GoOD, HUDDLESTON 1994, 13).

Die Einstellung gegenfiber Werbung war nach Erhebungen der GtK-Rus im III. Quartal

1994 bei 33% positiv, 26% neutral und 41% negativ (SCHULUS, DEMIDOV 1995, 112).

Die Einstellung russischer Konsumenten zur Werbung anderte sich von voller Ableh­

nung zu Beginn der 90er Jahre in Richtung zunehmender Akzeptanz. Qualitative Studi­

en zeigen, daB osteuropiiische Verbraucher werbliche Aktivitaten erwarten.

Ein wichtiger Grund fUr die geringere Wirksamkeit von Werbung in Osteuropa liegt

darin, daB in der Sowjetunion nur fUr allgemein erhiiltliche, d.h. schlecht verkaufliche

Produkte geworben wurde und diese Eigenschaft daher auch heute den beworbenen

Produkten unbewuBt zugeschrieben wird (PUES 1993, 45). Dazu kommen als Mangel

empfundene Eigenschaften von Werbung, vor allem

• Aufdringlichkeit und fehlende Professionalitat,

• Unterbrechungen von Femsehsendungen durch Werbeeinspielungen,

• unrichtige Informationen, da sich Preise sowie Liefer- und Zahlungsbedingungen

sehr schnell verandem,

• fehlende Informationen fiber den Tatigkeitsbereich des Werbungtreibenden, da oft

nur das Firmenlogo, ohne jede Botschaft, in der Werbung erscheint sowie

• die Unerschwinglichkeit der beworbenen Produkte, da zum Adressatenkreis der

Werbung nur die reicheren Konsumenten gehOren (WESSELOW 4/1992, 12f.,

SCHULUS 1993,35).

145

Page 160: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Diese Mangel resultieren daraus, daB Werber ohne professionelle Hilfe Werbekampa­

gnen entwerfen. Meist erstellen sie Spots und Anzeigen selbst. Auch wird von der V or­

stellung ausgegangen, daB die Werbung dann am erfolgreichsten ist, wenn sie in der

populiirsten Femsehsendung plaziert wird, unabhangig davon, welche Zielgruppe ange­

sprochen werden soli (TSCHEKALOVA 1992, 10).

4.5.1.2 KommunikationspoIitik

In osteuropaischen Untemehmen fehlen bislang oftmals die in marktwirtschaftlichen

Untemehmen typischen Marketingbereiche, wie Werbung oder Marktforschung. Die

Notwendigkeit zur Restrukturierung wird in vielen Fiillen unterschatzt. So erklaren Be­

triebsdirektoren bzw. Manager die Ursachen fUr die stellenweise extreme Verschlechte­

rung der Absatzbedingungen mit Faktoren wie dem Einbruch des AuBenhandels, dem

Ruckgang der Kautkraft und fehlender Funktionsfahigkeit des Handels. Unterbewertet

werden dagegen die Faktoren Ineffizienz der Produktion und des Vertriebs, fehlendes

Marketing und Managementweiterbildung (TIETZ 1993, 340-342). Nach einer Studie

von MUSIENKO findet jedoch allmiihlich ein Umdenken statt. Fiir Untemehmen der ver­

arbeitenden Industrie in RuBland treten beim Absatz ihrer Produkte folgende Probleme

auf:

• Die Zahl der GroBbetriebe ist rUcklaufig, der Anteil kleinerer, nichtstaatlicher Unter­

nehmen steigt. Die absolute Anzahl der Kunden steigt.

• Zahlungsprobleme mit Kaufem aus anderen GUS-Staaten fiihren dazu, daB neue Ni­

schen auf dem russischen Markt gesucht werden mussen.

• Datenerhebungsprobleme erschweren die Erstellung eigener Nachfrageanalysen.

Marktforschung wird als sehr kostenintensiv empfunden.

• Die Effektivitat der Werbung ist zu gering. Werbekampagnen sind in der Regel

schlecht vorbereitet, die eingesetzten Mittel entsprechen nicht den Zielen. Durch die

geltende Steuergesetzgebung sind die Werbekosten sehr hoch, da sie nur in geringem

Umfang steuerlich absetzbar sind (MUSIENKO 1994, 24-26).

Die Konkurrenz auslandischer Konsumguter, z.B. Pkw, Haushaltselektronik, Beklei­

dung, Zigaretten und Schokolade, fiihrte 1995 bei betroffenen Branchen zu einem Pro­

duktionsrUckgang von bis zu 60% (SCHENNIKOVA 1995,4). Viele Untemehmen begin­

nen deshalb mit dem Aufbau neuer Absatz- und Kommunikationssysteme. Dabei haben

146

Page 161: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

jedoch nur wenige Unternehmen eine klare Konzeption, die die Spezifik des Unterneh­

mens und die Besonderheit des russischen Marktes beriicksichtigt. Die Methodenwahl

reicht vom Kopieren westlicher Lehrbiicher bis zur Ubernahme von Erfahrungen erfolg­

reicher russischer Unternehmen (MuSIENKO 1994, 24ff.).

4.5.1.2.1 Medien

Femsehen

Das Fernsehen spielt in den osteuropaischen Landern eine groBe Rolle. 95% der russi­

schen Haushalte besitzen ein SchwarzweiB- oder Farbfernsehgerat. 68% der Russen

sehen regelmiiBig fern, im Durchschnitt drei Stunden pro Tag (LEONIDOU 1992, 77f.). In

der ehemaligen UdSSR sendete die zentrale Rundfunkanstalt GOSTELRADIO drei uni­

onsweite Programme, daneben wurden verschiedene Regionalprogramme und ein oder

zwei nationale Fernsehprogramme der einzelnen Republiken ausgestrahlt (KERP 1992,

22ff.). In den Grenzgebieten sind Programme aus den Nachbarlandern verfiigbar. Ge­

genwiirtig konnen fast alle Satellitenprogramme empfangen werden. In den GroBstadten

ist privates Kabelfernsehen zunehmend verfiigbar (MEFFERT, HENSMANN 1993, 82ff.).

Auch in den baltischen Staaten haben sich inzwischen private Fernsehsender etabliert.

Fernsehwerbung ist in RuBland seit 1988 zugelassen. Seitdem ist es auch den elektroni­

schen und Printrnedien gestattet, direkt mit den Werbeinteressenten zu verhandeln und

die Preise nach eigenem Ermessen festzulegen. Bei allen Fernsehsendern wird nach

Auftraggebern fUr Werbung gesucht. Die populare Fernseh- und Rundfunkgesellschaft

OSTANKINO erlieB eine Anordnung, nach der 15% der Sendezeit fUr Werbung genutzt

werden konnen. Der Anteil der Werbung an der Gesamtsendezeit betrug jedoch im

September 1992 nur 3,8%, Tendenz steigend. Bei den anderen Fernsehanstalten liegt

dieser Anteil auf iihnlichem Niveau (WESSELOW 10/1992, 11). Die Preise liegen deut­

lich unter Westniveau. Wiihrend in den USA eine nationale TV-Werbeminute durch­

schnittlich 100.000 US$ kostet, miissen fUr Werbung in den popularsten Sendungen des

Senders OSTANKINO bisher nur 15.000 US$ bezahlt werden.

Das Fernsehen wird besonders von auslandischen Firmen fUr Werbespots bevorzugt

(o.V., bfai-Info Osteuropa 4/96, 33). Der Werbedruck auslandischer Unternehmen ist

147

Page 162: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ungleich hOher als der einheimischer Untemehmen. Weder 1995 noch 1996 findet sich

ein inHindisches Untemehmen unter den zehn gr6fiten Werbetreibenden.

Tab. 33: Die zebn griiOten Werbetreibenden im russiscben Fernseben 1995, Ausgaben fiir Fernseb­werbung in US$ (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 22-28.7.1996)

Rang Untemehmen Produkte Ausgaben

1. Mars-RuBland Mars, Snickers, Uncle Ben's, Whiskas, Pedigree 3.153.133 2. Procter & Gamble TIde, Ariel, Clerasil. Head & Shoulders 2.287.792 3. Stimorol Direl, Stimorol, V6 939.242 4. Polaroid Polaroid 880,000 5. Unilever Lipton, Orno, Signal, Lux, Sun Silk, Brooke Bond, Club 868,600 6. Wrigley WriQley, Orbit 752,208 7, NesUe Nuts, Nesouik 561 ,633 8. l6real Eiseve, Volume up, Casting, Plenitude 424.736 9. Matsushita Electronoics Panasonic Produkte 423.475 10. Schweppes Schwepoes, Vimto 415,800

1995 betrug die Summe der Werbeausgaben der 15 gr6fiten Werbetreibenden ca. 31

Mio. US$, 1996 bereits. 61 Mio. US$. Dies zeigt, daB sich die Intensitat des Werbe­

wettbewerbs deutlich erhOht hat und es fur inlandische Untemehmen immer schwerer

wird, sich neben auslandischen Konkurrenten zu positionieren.

1994 betrugen die Werbeeinnahmen aller TV-Sender 394 Mio. US$, davon kamen 23

Mio. von (teilweise dubiosen) Anlageberatungsfirmen. Das Erste Programm OSTAN­

KINO fakturierte Werbekosten von 13 Mio. US$, aber nur die Halfte davon ging beim

Sender tatsachlich ein. Innerhalb der Femsehsender hat sich ein untibersichtliches Be­

ziehungsgeflecht zwischen Firmen und Kontaktleuten entwickelt. Werbespots k6nnen

zu jeder Tages- und Nachtzeit plaziert werden. Das Personal der Femsehanstalten ist

unterbezahlt, so daB Politik- und Sportredakteure auf eigene Faust Sendezeiten verkau­

fen. Nachrichtensprecher verdienen dazu, indem sie vor dem Wetterbericht Firmenan­

ktindigungen verlesen. Unterhaltungssendungen kaschieren ihren Werbecharakter nicht

(QUIRING 1995, 6).

Dieses undurchsichtige Werbegeschaft so lIte im Sender OSTANKINO, der im November

1994 in die Aktiengesellschaft GESELLSCHAFTLICHES RUSSISCHES FERNSEHEN urnge­

wandelt wurde, im eigenen Interesse geordnet werden. Ende 1994 wurde ein Konsorti­

urn, die REKLAMA-HoLDING, gegrundet, tiber das die Vertrage abgewickelt wurden.

Sogleich stiegen die Einnahmen des Senders auf das Siebenfache. 1m Februar 1995

148

Page 163: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

wurde angekiindigt, daB zeitweilig uberhaupt keine Werbung ausgestrahlt wiirde, urn

den Zugang zu den Sendeplatzen neu zu regeln und korrupte Strukturen innerhalb und

auBerhalb des Senders aufzu16sen. Doch der Kampf gegen die Werbemafia hatte emste

Folgen. Am 1. Miirz 1995 wurde der populiire Femsehjoumalist und zugleich Exekutiv­

Generaldirektor des Senders OST ANKINO, WLADISLA W LISTJEW erschossen. Die Polizei

meldete einen Auftragsmord. (QUIRING 1995,6; o.V., 1995b 152ff.).

Tab. 34: Die zehn gro8ten Werbetreibenden im russischen Fernsehen 1996, Ausgaben f"tir Fernseh­werbung in US$ (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 22-28.7.1996)

Rang Unternehmen Produkte Ausgaben 1. Procter & Gamble Camay, Old Spice, Alwavs, Pampers, Tide, Clearasil, Pantene Pro V 6.592.046 2, Mars·RuBland Lego, Pedigree, Whiskas, Mars, Snickers 2,641.042 3. Wriolev Wrigley, Orbit 1,795,875 4. Stimorol Direl, Stimorol 1.343.025 5. Nestle Nuts, Lion, Nescafe, Ma~mi, Nestl, Nesauik 1.322.688 6. Ferrero Nutelia, Raffaello, TIc-Tac, Kinder 1.222.226 7. Unilever Omo Liposyslem, Lux, Sun Silk, Brooke Bond, Timotei 1.208.517 8. Polaroid Polaroid 1.065.275 9. SamsunQ Electronics Samsung Produkte 1.043.025 10. C Pro Invite 1.040.000

Rundfunk

In der UdSSR war in fast allen Wohnungen ein Radiogerat mit ein oder zwei Program­

men installiert. Daneben gab es 14 nationale Rundfunkprogramme. Inzwischen existie­

ren auch viele private Radiosender. Rundfunk wird hauptsachlich im UKW-Bereich und

auf Mittelwelle gesende1. Der osteuropaische UKW-Bereich (65-76 MHz) stimmt mit

dem westlichen nicht uberein (84-108 MHz). So sind z.E. in RuBland Konkurrenzsender

entstanden, von denen einige im osteuropaischen UKW arbeiten, andere im westlichen

UKW -Bereich (OBOZREWATEL-AGENTUR 1993, 302). Die Privatisierung des ehemals

staatlichen Rundfunks trifft insbesondere die unteren Sozialschichten der Bevolkerung

und die Menschen in landlichen Gebieten, da flir den Radioempfang jetzt Gebiihren

gezahlt werden mussen (BECKER 1993, 709f.).

Die in RuBland weit verbreitete Meinung, daB zu den Rundfunkhorem vor allem Land­

frauen hOheren Alters gehOren, widerlegte eine 1992 durchgeflihrte Untersuchung des

franzosischen soziologischen Instituts MEDIAMETRIE in Moskau und St. Petersburg.

70% (7,7 Mio.) der BevOlkerung von Moskau und S1. Petersburg horen Radio. Manner

und Frauen sowie Menschen mit hohem, mittlerem und niedrigem Lebensstandard sind

149

Page 164: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

unter den standigen Horem anniihemd gleich verteilt. Der Anteil der BerufsHitigen be­

tragt rund 68%, zwei Drittel der Horer sind Entscheidungstrager. Durchschnittlich wer­

den taglich tiber 3~ Stunden Radio gehOrt. Menschen mit hohem Lebensstandard ver­

bringen tiberproportional viel Zeit mit dem Horen von Radioprograrnmen (DENISSOW

1992,13).

Printmedien

In Osteuropa existieren viele nationale und regionale Printmedien. In Litauen z.B. gibt

es etwa 1.300 Masseninformationsmittel. Die BevOlkerung Osteuropas verbringt viel

Zeit mit dem Lesen von Zeitungen und Zeitschriften. In RuBland betragt die Leserrate

90% bei Zeitungen und 73% bei Zeitschriften, der durchschnittliche russische Haushalt

hat sechs Zeitungen und Zeitschriften abonniert. Das Interesse besteht hauptsachlich an

in- und auslandischen Nachrichten sowie an sozialen und historischen Artikeln (LEONI­

DOU 1992, 77f.). Wahrend inlandische Untemehmen fur Werbung Printmedien bevor­

zugen, ist die Aktivitat auslandischer Werbungtreibender hier noch gering. Das liegt vor

allem daran, daB die Druckqualitat oft schlecht ist und die meisten Publikationen nur im

Einfarbendruck erscheinen, zudem herrscht zeitweise Papiermangel (o.V., OWR 1993,

475f.). 1995 entfielen 70% des Umsatzes der estnischen Werbebranche auf Printmedien

(60% Tageszeitungen und 10% Zeitschriften) (o.V., bfai-Info Osteuropa 4/96,33).

Russen nehmen sich die Zeit, Zeitungen vollstandig durchzulesen. Intelligente kultur­

spezifische Werbung in der Printmedien kann praktisch alle Zielgruppen wirksam errei­

chen. Auch ist eine regionenspezifische Ansprache der Konsumenten tiber Printmedien

mit weniger Streuverlusten verbunden als Femsehwerbung. AuBerhalb von Moskau und

St. Petersburg existieren ca. 1100 Zeitungen. Nach Angaben des Mediendirektors von

BBDO fur RuBland sollten Werbekampagnen die kulturellen Besonderheiten der ver­

schiedenen Religionen und Volksstfunme in RuBland beachten. So wird z.B. auf Wer­

bung fur Hygieneprodukte fur Frauen in moslemischen Gebieten vollig verzichtet.

Die Preise fur einen Quadratzentimeter Zeitungsflache liegen zwischen 2,20 DM in In­

formationszeitungen in Zentral-RuBland und sechs DM in politischen Zeitungen im

Femen Osten (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 4-10.11.1996).

150

Page 165: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zentral-RuBland 32

18 14 Nord-RuBland

Siid-RuBland

Ural Region 32

Wolga Region

Sibirien

8 16 FemerOslen

48

52 52

40

80 80

• Werbe-/lnfomations­Zeilungen Gesellschaftliche/PoliUsche Zeitungen

110 90

Abb_ 29: Zeitungen in grii8eren Stiidten der russischen Regionen (oS., ST. PETERSBURG TIMES, 4-10_11.1996)

MesseD uDd AusstelluDgeD

In der UdSSR war das Messewesen zentral geplant und riiumlich auf Moskau konzen­

triert. Nur das damalige Leningrad spielte als weiterer Messeplatz eine Rolle. Das Mes­

seprogramm wurde vom Fiinfjahresplan bestimmt. Die Zustiindigkeit fUr den Messebe­

such lag bei den Industrieministerien. Sie durften Mitglieder der zustiindigen Aul3en­

handelsorganisation einladen. Die Aul3enhandelsorganisationen (AHO) waren fUr siimt­

liche Aul3enhandelsgeschafte eiDer Branche und damit fUr die teilnehmenden Aussteller

zustiindig (BETIERMANN 1992, 41).

Organisiert und durchgefuhrt wurden die Messen vom W/O EXPOCENTR, das damals

kein staatliches, sondem ein sogenanntes gesellschaftliches Untemehmen der Industrie­

und Handelskammer war und lediglich das beschlossene Messeprogramm auszuruhren

hatte. 1991 wurde das W/O EXPOCENTR reorganisiert und in eine geschlossene Aktien­

gesellschaft umgewandelt. Die Monopolstellung des W 10 EXPOCENTR wurde erstmals

1989 gebrochen, als in Litauen die unabhiingige Messegesellschaft LITEXPO gegrundet

wurde. Ais Messepliitze haben sich vor allem solche Stiidte entwickelt, in denen bisher

kleinere Fachmessen abgehalten wurden, sowie ehemalige Messestiidte, wie z.B. Ni­

schnij Nowgorod (BETIERMANN 1992, 42).

151

Page 166: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

AIle Messeveranstalter sind in ihrer Themenwahl frei. In den letzten Jahren hat die Zahl

der Messen und Ausstellungen stark zugenommen (o.V., OWR 1994b, 221). Aufgrund

der wachsenden Konkurrenz werden immer wieder Messen mit ahnlicher Thematik

zeitnah am gleichen Veranstaltungsort angeboten. Kurzfristige Messeabsagen aufgrund

mangelnden Interesses sind die Folge (BETTERMANN 1992, 43f.). Um dem Messewild­

wuchs in den osteuropaischen Staaten ein Ende zu setzen, wurde 1991 mit fachlicher

Untersrutzung des Ausstellungs- und Messeausschusses der Deutschen Wirtschaft

(AUMA) ein Messeverband gegriindet, dem z.Zt. 15 Mitgliedsunternehmen aus den

GUS-Staaten sowie Estland und Lettland angehOren. Wichtigste Aufgaben des Verban­

des sind die Koordinierung der Themen und Termine sowie die Verbesserung des Servi­

ces (o.V., 1994a, 37f.). Auch die Besucherstruktur hat sich veriindert. Der potentielle

Besucherkreis hat sich urn ein Vielfaches erweitert und ist wesentlich heterogener zu­

sammengesetzt als vor dem wirtschaftlichen Umbruch. Die staatlichen Fachbesucher

haben als Zielgruppe stark an Attraktivitat verloren, so daB jetzt verstiirkt private Fach­

besucher angesprochen werden (KUNSTENAAR 1992, 17).

Messen bieten gute Gelegenheiten, Kontakt mit neuen Abnehmern, wie privaten Hiind­

lern, Jungunternehmern und Vertretern nichtstaatlicher Organisationen aufzunehmen

deren Anzahl stiindig wachst. Da sich das Informationssystem, z.B. tiber Handelskam­

mern, in den osteuropaischen Liindern erst im Autbau befindet, kommt Messen und

Ausstellungen auBerordentliche Bedeutung fUr die Informationsbeschaffung und Selbst­

darstellung zu. Messeveranstalter stellen Werbemittel zur Verfiigung, wie z.B. Kunden­

gutscheine f'iir einen Messebesuch, auf denen teilnehmende Unternehmen kostengiinstig

fUr ihre Produkte werben. Fach-, Wirtschafts- und Tagespresse veroffentlichen Sonder­

hefte oder -beilagen zu wichtigen Messen und bieten Unternehmen die Gelegenheit, sich

im Rahmen der Anzeigenwerbung darzustellen.

Sonstige Werbetriiger

Moglichkeiten fUr AuBenwerbung sind in den osteuropaischen Liindern meist nur in

Stadten gegeben. In RuBland gibt es bereits viele Formen der AuBenwerbung, die von

Plakatwerbung tiber Verkehrsmittelwerbung und Leuchtwerbung bis zu Werbung auf

dem Startgeliinde des Kosmodroms in Plessezk sowie auf der Tragerrakete des kosmi­

schen Dberseefluges "Europa-Amerika-500" reichen (WESSELOW 1111992, I Iff.). In

152

Page 167: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Kiew ist es seit 1994 schwieriger geworden, AuBenwerbung zu betreiben. Offiziell wur­

den zwar keine Restriktionen verfiigt, Genehmigungen werden aber selten erteilt und die

Moglichkeit zur Errichtung von Plakatwanden wurden eingeschriinkt. Vor allem im

Stadtzentrum will man auf auffallige Werbung verzichten (0. V., OWR 1994a, 143ff.).

In Litauen ist Plakatwerbung noch nicht verbreitet.

In der Moskauer Metro ist eine Werbeagentur mit Tonwerbung aktiv. Die Metro wurde

urspriinglich als Luftschutzraum errichtet und mit verzweigten Funknetzwerken ausge­

stattet. Seit 1988 wird diese Technik fur Tonwerbung genutzt. Diese Form der Werbung

ist sehr effektiv, da taglich acht bis neun Millionen Metrobesucher erfaBt werden. Etwas

ahnliches gibt es nur noch in Buenos Aires, wo allerdings ausschlieBlich Musik tibertra­

gen wird (WESSELOW 511992,12).

In RuBland werden einfache Formen der Direktwerbung angewandt, in der Regel Mai­

lings. Die Zuverlassigkeit der Postdienstleistungen ist nach Regionen unterschiedlich, in

Stadten ist sie i.d.R. zufriedenstellend. Die unmittelbare Verteilung von Werbeliteratur

tiber Boten, die von Haus zu Haus gehen, ist aufgrund der hohen Kriminalitatsrate nicht

realisierbar (o.V., OWR 1993, 475f.). Einwurf der Werbung in die Briefkasten bereitet

keine Schwierigkeiten, da die Eingangstiiren der groBen Wohnhauser unverschlossen

sind. Viele Firmen kommunizieren mit ihren Kunden oder Partnern tiberwiegend per

Fax. Daher stellt das Direct faxing im Moment die wirkungsvollste Art der Direktwer­

bung dar (o.V., OWR 1994a, 143ff.).

4.5.1.2.2 Werbeaktivitaten osteuropaischer Unternehmen

Auf dem Werbemarkt war der produzierende Sektor bisher kaum vertreten. Werbung ist

trotz der international vergleichsweise gtinstigen Konditionen fur osteuropaische Unter­

nehmen sehr teuer. 1992 entfielen bis zu 80% der Fernsehwerbung und bis zu 60% der

Zeitungswerbung auf Maklergeschafte, durch Borsen und Handelshauser sowie auf das

Finanzwesen durch Banken und Versicherungsgesellschaften, die sich diese Werbeform

leisten konnen (WESSELOW 4/1992, 12f.). Die meisten russischen Industriebetriebe ha­

ben keine Werbestrategie und keinen Werbeetat. Aus Kostengriindern werden vornehm­

lich lokale Medien genutzt. Die Disposition der knappen finanziellen Mittel kommt

meist weniger der Werbung zu, sondern dringend notwendigen Modernisierungen der

153

Page 168: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Produktion. Angesichts des Mangels an bezahlbaren hochwertigen Waren steht die Stei­

gerung der Produktqualitiit iiber Investitionen im V ordergrund. Der bekannte russische

Nahrungsmittelhersteller KOLOSS lehnte eine Werbekampagne in Hohe von 20 Mio.

US$ ab, urn fUr das Geld eine Kartoffelverarbeitunsanlage zu kaufen (o.V., OWC

6/1995, 18).

Ziel der russischen Werbung ist es oft, das Image des Werbungtreibenden aufzubauen.

Begriindet wird dies damit, daB die Untemehmen einander erst kennenlemen miissen. In

der Werbung wird daher meist die Firma vorgestellt, jedoch nicht ihre Leistungen oder

Produkte. Unbegriindetes Eigenlob und fehlende Professionalitat priigen die Kampagnen

(SCHULUS 1993,35).

Werbeageotureo uod Fachverbiiode

In RuBland, in der Ukraine und in den baItischen Staaten existieren bereits viele einhei­

mische Werbeagenturen. Vier von fiinf neugegriindeten Agenturen iiberlebten die erste

Kampagne nicht (DORNER 1993, 18). In RuBland lassen sich drei Arten von Werbe­

agenturen unterscheiden:

• unabhiingige Werbeagenturen, die mit allen Massenmedien zusammenarbeiten,

• Werbeagenturen bei Massenmedien, z.B. die Werbeabteilungen von OSTANKINO und

RADIO Rox,

• Werbeagenturen, die vorwiegend nur mit einem Massenmediurn zusammenarbeiten

(OBOZREWATEL-AGENTUR 1993,300).

Etwa 20 f'iihrende intemationale Werbeagenturen sind in Moskau vertreten. Seit Januar

1989 fungiert OGIL VY & MATHER als dritter Partner des Gemeinschaftsuntemehmens

TISZA, an dem auch die ehemalige sowjetische Staatsagentur SOJUSTORGREKLAMA und

eine ungarische Firma beteiligt sind. YOUNG & RUBICAM griindete ein Joint-venture mit

der ehemals staatlichen Agentur VNESCHTORGREKLAMA. Weiterhin sind z.B. Mc CANN­

ERICKSON, DMB & B, BBDO und SAATCHI & SAATCHI vertreten. Kunden der intema­

tionalen Agenturen sind groBe ausliindische Werbungtreibende, mit denen bereits eine

jahrelange Zusammenarbeit besteht. Es gibt jedoch auch Beispiele fUr die Zusammenar­

beit mit russischen Dienstleistem. SONY hat einen TV -Spot von einer russischen Agen-

154

Page 169: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

tur produzieren lassen, SHARP arbeitet mit einem russischen Design-Studio zusarnmen

(SCHULUS 1994, 27f.).

In RuBland existieren bereits drei grof3e Fachverbande, die in Tab. 30 dargestellt wer­

den.

Tab. 30: Fachverbiinde in RuBland (Schulus 1994, 27f.)

Verband der 1989 gegriindet; 80 Mitgliedsfirmen aus allen Bereichen (ehemalige staatiiche und hallJ. Werbefachleute staaUiche Strukturen, die inzwlschen in Aktiengesell-schaflen verwandelt wurden, privat

gefiihrte Agenturen, Messegesellschaften, Industriegesellschaflen bzw. ihre Werbeabtei-lungen, Handelshauser und Massenmedien); orientiert sich an den Vereinbarungen des .Intemationafen Kodex der Werba-praxis', an der Ausgestaltung des .Kodex der amerika-nischen Assoziation der Werbeagenturen' und der des ,Aligemeinen Slatuts der Weltfo. deration der Werbefachleute·.

Fonds zur Unterstiizung 1992 gegriindet; 100 verschiedene Agenturen vertreten;Durchfiihrung von Kongressen der Werbeproduzenten (seit Griindung zwei Kongresse) und Veranslaltung von Wettbewerben (bisher drei Vi-

deowettbewerbe). Assoziation der 1993 gegriindet; 18 Milglieder; wirtschafUich erheblich starker, da die Mitglieder iiber Werbe~enturen inlemationale Verbindungen sowie iiber umfassende Datenbanksysteme verfiigen

Rechtliche Bestimmungen in der Werbung

Die osteuropaischen Gesetzgeber regeln die Werbetatigkeit nor in geringem Maf3e. Mit

Ausnahme von Belarus besteht in allen untersuchten Landern ein mehr oder weniger

striktes Werbeverbot fur alkoholische Getriinke und Tabakwaren. In Lettland besteht

das Werbeverbot nor fur Tabakwaren, die Werbung fur Alkoholika ist in den Nacht­

stunden gestattet. Auch in Estland gibt es Ausnahmen vom Werbeverbot fur diese Wa­

ren: Die Bekanntgabe des Grof3handelsverkaufs sowie Werbung in den einschlagigen

Einzelhandelsgeschliften und auf Lieferwagen ist erlaubt. Einschriinkungen des Werbe­

anteils in den Medien bestehen in der Ukraine und in RuBland. Nach einem russischen

Gesetzentwurf diirfen Werbeeinschaltungen bei Printrnedien 25% der Gesamtflache, bei

Radio- und Fernsehprograrnmen 15% der Sendezeit nicht ubersteigen (o.V., OWR

1994c, 256). Werbung darf in elektronischen Medien nicht in Filmen, Unterhaltungs-,

Kinder- und religi6sen Sendungen gesendet werden sowie nicht in Prograrnmen, die

kiirzer als 45 Minuten dauern (o.V., OWR 1994d, 266).

In der Ukraine ist die Werbezeit auf maximal 10% der Sendezeit beschriinkt, und Sen­

dungen durfen nicht mehr als einmal in 30 Minuten fur Werbeeinschaltungen unterbro­

chen werden. Es gibt in der Ukraine Einschriinkungen der Werbung fur bestimmte Pro-

155

Page 170: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

dukte. FUr Arzneimittel, Kosmetika, Haushaltschemie sowie Lebensmittelprodukte und

-zusatze ist es nur gestattet zu werben, wenn fUr deren Anwendung und Verkauf eine

Erlaubnis der zustandigen GesundheitsbehOrde vorliegt (o.V., VWD 1995, 8). In RuB­

land sind seit Oktober 1992 die Kosten, die Werbungtreibende als Produktions- und

Dienstleistungskosten angeben konnen, auf 2% der Selbstkosten begrenzt, was sich

hemmend auf die Werbeaktivitaten der Untemehmen auswirkt. Zudem mussen Unter­

nehmen in Moskau seit November 1992 eine Werbesteuer in Hohe von 5% auf die Pro­

duktionskosten eigener sowie bestellter Werbeleistungen abfiihren (OBDZREWATEL­

AGENTUR 1993,304-305). Trotz der vielen gesetzlichen Einschrankungen der Werbeta­

tigkeit ist die grundsatzliche Frage der Verantwortung fUr die Verbreitung irrefiihrender

Informationen unzureichend geregelt. Die haufig betriigerische und aggressive Werbung

spiegelt den vorherrschenden Rechtsnihilismus wider (BLINDV, NIKITDV 1995,49).

4.5.1.2.3 Weitere Elemente der Kommunikationspolitik

Public Relations

Der Unterschied zwischen Public Relations (PR) und Werbung muB in Osteuropa noch

definiert werden, da "Reklama" in den slawischen Sprachen sowohl Werbung als auch

PR bezeichnet. PR entwickelt sich in den osteuropaischen Staaten allmahlich zu einem

Instrument der Imagebildung, obwohl dies oft noch spontan und unbewuBt geschieht

(PETER 1994, 58). In RuBland stellt die Praxis des Story-Kaufs die Glaubwfudigkeit der

PR in Frage. Wahrend das Pressewesen friiher staatlich subventioniert wurde, fallt es

den Verlagen und Redaktionen heute schwer, die hohen Kosten durch Einnahmen, z.B.

aus Werbung, zu decken. Viele Verlage haben daher ein "Hidden Advertising" entwik­

kelt: loumalisten werden beaufiragt, tiber ein lokales Untemehmen vorteilhafte Artikel

zu schreiben, die sie wiederum von dem betreffenden Untemehmen bezahlt bekommen.

Die Artikel erscheinen dann als regulare Nachrichtenmeldungen in der Zeitung oder

Zeitschrift. Gegenwartig sind diese positiven Pressemitteilungen eine populare und ko­

stengiinstige Werbealtemative (BABAKIAN 1993,4).

Verkaufsforderung und Sponsoring

MaBnahmen zur Verkaufsforderung gewinnen in Osteuropa zunehmend an Bedeutung.

Hervorzuheben sind dabei Schonheitswettbewerbe, Konzerte junger Sanger sowie po-

156

Page 171: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

puUire Femseh- und Glucksspiele. Auch SponsoringmaBnahmen werden in allen osteu­

ropaischen Uindem durchgefiihrt. Vor allem das Sportsponsoring, sowohl von fiihren­

den Sportmannschaften als auch von Volkssportfesten, und das Sponsoring innerhalb

von TV - und Rundfunksendungen wird eingesetzt. Von der Bevolkerung wird Spon­

sorentatigkeit sehr positiv wahrgenommen (TSCHEKALOV A 1992, 10).

4.5.2 Beschaffung und Distribution

Das wichtigste zentrale Organ der Wirtschaftsplanung der UdSSR, die staatliche Plan­

kommission GOSPLAN, steckte in Fiinfjahrespliinen den Rahmen ab, in dem sich die

Beschaffung und Distribution vollzog (DRZYMALLA 1991, 123 f.). Verhandlungen zwi­

schen Instanzen auf allen Ebenen der administrativen Hierarchie bestimmten den ProzeB

der zentralen Wirtschaftsplanung. Die Planvorgaben erhielten die Betriebe in Form von

Kennziffem (HOHMANN 1985, 15f.). Das Prinzip der zentralen Wirtschaftsplanung er­

forderte eine zentrale Verteilung der Produktionsfaktoren sowie feste Verrechnungsprei­

se, die yom staatlichen Preiskomitee der UdSSR GOSKOMCEM verbindlich festgesetzt

wurden. Alle notwendigen Investitionen wurden zentral vorgegeben (GUMPEL 1983,

2 If.).

Die Betriebe besaBen keine Verfiigungsrechte uber Produktionsmittel. Alle zur Produk­

tion notwendigen Materialien, Halb- bzw. Fertigfabrikate wurden durch das staatliche

Komitee fUr materiell-technische Versorgung GOSSNAB der UdSSR uber ein zentrales

Verteilungssystem vergeben (HOHMANN 1985, 13ff.). Die Bedarfsmengen ermittelten

die Betriebe auf der Grundlage der Produktionspliine und der vorgeschriebenen Ver­

brauchsnormen. Da das Angebot mit der Nachfrage in den seltensten FaIlen uberein­

stimmte, wurde der Ausgleich durch die Kiirzung der Produktionspliine oder die Zutei­

lung geringerer als der angeforderten Mengen erreicht. Deshalb stellten die Betriebslei­

ter haufig uberhOhte Inputanforderungen, was zu Informationsverzerrungen fiihrte (FINK

1972, 35ff.). Die Bestellung der Guter erfolgte entweder uber das verteilende Organ,

z.B. Ministerien, oder dem nachfragenden Betrieb wurde ein entsprechender Lieferant

zugewiesen (DIETZ 1985, 129ff.).

Die sowjetische Wirtschaft zeichnete sich durch einen hohen Grad vertikaler Integration

aus (WOHLMUTH 1991,4). Die Ineffizienz des Planungs- und Verwaltungssystems sollte

157

Page 172: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

so ausgeglichen werden. Kombinate vereinigten Betriebe verschiedener Industriezweige

in einem Untemehmen, entweder tiber aufeinanderfolgende Stufen der Verarbeitung

oder tiber Hilfsbetriebe zum eigentlichen ProduktionsprozeB, z.B. Hersteller von Ver­

packungsmaterial. Dadurch konnten die bestehenden Zulieferprobleme weitgehend ge­

lOst werden (GUMPEL 1983, 98). Die Kooperations- und Zulieferbeziehungen wurden

durch die Kombinatsleitung bzw. tibergeordnete PlanungsbehOrde vertragsmaBig ge­

staltet und kontrolliert, so daB die einzelnen Betriebe wenig EinfluB auf die Qualitat,

Termintreue und Lieferbedingungen austiben konnten. Die direkten zwischenbetriebli­

chen Beziehungen bestanden nur in der Aushandlung der Details der Zulieferung (DIETZ

1985, 129ff.). Die Lieferbetriebe hatten praktisch keine Absatzprobleme, ihre Leistun­

gen wurden von den PlanungsbehOrden, nicht von den Kunden, beurteilt. Um die Bezie­

hungen zu den Lieferanten nicht zu gefahrden, verzichteten die Abnehmer oft auf mog­

liche Sanktionen. Die formal verhiingten Geldstrafen wurden haufig von den staatlichen

Instanzen gedeckt (DIETZ 1985, 135f.). Die fehlende Konkurrenz unter den Lieferanten

zwang oft zur Abnahme minderwertiger Vorprodukte. Die Durchsetzung von Verbrau­

cher- und Abnehmerinteressen wurde nicht erreicht (HAFFNER 1978, 158).

Ministerium des Handels der UdSSR

Ministerien des Handels der Unionsrepubliken

Ministerien des Handers der autonomen SRen

Handelsleitung der stadtischen Gebiets·

und ExekuUvkomitees

stadtische und 6rt1iche Handelsorgane

Geschiifle

Abb. 31: Organisation des sowjetiscben Handels (SEITZ 1991, 15)

GH und EH· Vereinigungen

Der Handel war straff und ausschlieBlich von staatlicher Seite geregelt. Abb. 31 illu­

striert die damalige Organisation des Handels: In der UdSSR entfielen 1988 nur 6,9%

der volkswirtschaftlichen Gesamtbeschaftigung auf den Bereich des Handels (EU-

158

Page 173: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Durchschnitt zum gleichen Zeitpunkt: 15,4%). Der GroBhandel spielte eine untergeord­

nete Rolle. So war 1990 der durchschnittliche Lagerbestand im Einzelhandel dreimal so

groB wie im GroBhandel (KAMP 1990, 10). Zu Beginn des Transformationsprozesses

bestanden im Distributionssystem drei Spezialisierungsbereiche:

• ProduktionsgutergroBhandel,

• Landwirtschaftlicher und industrieller Investitionsguter GroB- und Einzelhandel,

• Konsumguter-GroB- und Einzelhandel.

Der Konsumguterhandel unterteilte sich wiederum in

• staatlichen Handel, mit relativ hohem Spezialisierungsgrad - zustandig fUr die Stadt­

bevolkerung (2000 Supermiirkte, 800 Warenhiiuser),

• genossenschaftlichen Handel, mit geringem Spezialisierungsgrad (5000 Warenhiiuser

mit kleiner Verkaufsfliiche) und

• privaten Kolchoshandel mit nur geringer Bedeutung.

Daneben existierte eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Schattenwirtschaft, die

ca. 25 bis 30% des Einzelhandelsumsatzes abdeckte und dabei fUr das Funktionieren des

Systems unerliiBlich war (AHRENS et al. 1993, 173 ff.).

In bezug auf den AuBenhandel hatte der Staat mit wenigen Ausnahmen das Monopol.

Die AuBenhandelsorganisationen entschieden uber Import und Export der Produkte,

wobei hiiufig dem Binnenmarkt zum Zwecke der Devisenerwirtschaftung dringend be­

notigte Guter entzogen wurden (GUMPEL 1983,22 ff.).

4.5.2.1 Infrastruktur

4.5.2.1.1 Verkehrsinfrastruktur

Bei der Betrachtung der Verkehrsinfrastruktur sind die sehr unterschiedlichen geogra­

phischen Ausdehnungen der osteuropiiischen Lander zu beachten. Die zu bewiiltigenden

Entfemungen sind vor allem in der Russischen Foderation gewaltig. So betriigt die

Luftlinie zwischen Brest (Belarus) und Wladiwostok (RuBland) 10.450 km. 1992 gab es

folgende Aufteilung nach Guterverkehrsarten in RuBland:

159

Page 174: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 35: Giitertransport nach Verkehrstriigern in RuBland 1992 (HOLT 1993,24)

Verkehrstrager Schiene StraBe Schiff (aile) Pipeline Gesamt

Mio. km 2250 263 653 1070 4236

Neben der Dominanz der Schiene flillt besonders der geringe Umfang des StraBentrans­

ports auf. Abgesehen yom Pipelinetransport sind die Relationen auf andere slawische

Lander Osteuropas anniihemd fibertragbar. Bei der Transportentscheidung gilt es, die

Vor- und Nachteile entsprechend den situativen Bedingungen abzuwagen. Branche,

FirmengroBe und Vorhandensein eines Fuhrparks beeinflussen die Entscheidung. All­

gemeine Kriterien sind Kosten, Zuveriassigkeit und Lieferradius. 1m folgenden soli auf

die Infrastruktur der Verkehrstrager StraBenverkehr, Bahnverkehr, Schiffahrt und Luft­

verkehr eingegangen werden.

Stra8enverkehr

Der GUtertransport auf der StraBe war in der UdSSR auf Zubringerdienste fUr die Bahn

und kurze Strecken beschrankt (BERNARD et al. 1991, 4). Die StraBen auBerhalb der

Umgebung der groBten Stadte und Industriezentren befinden sich in schlechtem Zu­

stand. Daher ist der Nachttransport auf den meisten Strecken der osteuropaischen Lan­

der gefahrlich. Dies veriangert die Beforderungszeiten (HOLT 1993,97). Die baltischen

Staaten verfiigen fiber ein relativ gutes StraBennetz. Eine gut ausgebaute Magistrale ist

z.B. die von Talinn fiber Vilnius und Kaunas fiihrende VIA BALTICA. Der Ausbau des

Tankstellennetzes entlang der Strecke wird von finnischen Investoren betrieben. Auch

in entlegeneren Teilen Estlands ist das StraBennetz ausreichend. In einzelnen Ortschaf­

ten gibt es Probleme, da in Estland die Kommunen fUr ihre Infrastruktur zustandig sind

(bfai-Info: Estland 1994,1, Lettland 1994,1, Litauen 1994, 1.

In den slawischen Landem Osteuropas ist die Situation ungOnstiger, die Qualitat der

Verkehrswege nimmt in Richtung Osten ab (SIEBURGER 1993,9). Selbst auf der wichti­

gen Verbindung MoskauiSt. Petersburg existieren keine Versorgungseinrichtungen wie

Ersatzteillager, Reparaturservices oder gut ausgebaute Raststatten.

Ein gut organisierter Werksverkehr, d.h. die Beforderung der Produkte mit dem eigenen

LKW-Fuhrpark, bietet den Vorteil, den Ablauf des Transportprozesses selbst in der

160

Page 175: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Hand zu haben. 1m Nahbereich gewahrleistet das groBere Flexibilitat. Die Anschaf­

fungskosten fUr einen russischen LKW entsprechen gegenwartig denen fUr einen impor­

tierten LKW, so daB die russische Regierung den inlandischen Kraftfahrzeugmarkt

durch ZollmaBnahmen schiitzt. FUr die unter Kapitalknappheit leidenden osteuropai­

schen Unternehmen stellen Kaufund Unterhalt eines Fahrzeugparks eine Kostenbarriere

dar. Sie sind deshalb nicht immer die betriebswirtschaftlich beste Option.

1m TransformationsprozeB sind in den osteuropaischen Landern viele kleine und mittle­

re Speditionen entstanden, deren Fahrzeugqualitat und Know-how sehr unterschiedlich

sind (HEIDTKE 1994,63). Die Qualitat der Speditionsleistung ist bei einheimischen Un­

ternehmen oft nieht befriedigend. Das Transportgewerbe ist ein von kriminellen Kraften

bevorzugtes Betatigungsfeld. Auslandische Speditionen stellen eine zwar zuverlassige,

jedoch fUr viele Unternehmen zu teure Alternative dar. Auf dem osteuropaischen

Wachstumsmarkt fUr logistische Dienstleistungen werden auch auslandische Anbieter

zunehmend tatig. Die spezifischen Probleme, z.B. mangelnde Sicherheit, verlangen von

den Anbietern logistischer Dienstleistungen neuartige Losungen. So ist z.B. KOHNE &

NAGEL in RuBland dazu ubergegangen, den Transport von der StraBe auf die Schiene zu

verlagern. Wegen der haufigen Oberfalle aufLKW chartert das Unternehmen komplette

Zuge, die es mit starken Sicherheitsvorkehrungen ausstattet. Auslandische Kurierdienste

bauen zum Teil eigene Transportwege, weil in den GUS-Staaten ein flachendeckendes

Netz fehlt (o.V., owe I11995, 66f.).

Bahnverkehr

Die Eisenbahn war der wichtigste Verkehrstrager in der UdSSR (JAEHNE et al. 1987,

55). 1m Februar 1992 wurden die Sowjetischen Eisenbahnen, deren Verkehrsdiehte zu

den hOchsten der Welt zahlte, auf die neuen Republiken aufgeteilt. Wegen Oberalterung

und unzureichender Wartung ist der Zustand der Schienen und Fahrzeuge mangelhaft.

In RuBland stieg die Zahl der Schienenkilometer, auf denen Geschwindigkeitsbegren­

zungen unabdingbar sind, von ca. 5000 im Jahr 1986 auf knapp 12.000 im Jahr 1992.

Auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR haben die Gleiskorper eine breitere Spurweite

(1.520 mm) als in Mitteleuropa (1.435 mm) (HEIDTKE 1994, 64). Wahrend es friiher

ublich war, die GUter an speziell dafiir ausgerichteten Grenzstationen umzuladen, wird

zunehmend mehr von der Moglichkeit des Fahrgestellwechsels Gebrauch gemacht.

161

Page 176: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Containerverladebahnhofe sind an den wichtigsten Knotenpunkten vorhanden (HOLT

1993, 68 ff.). Einen Uberblick uber das Bahnverkehrsprofil der osteuropaischen Lander

gibt Tab. 36.

Tab. 36: Tiigliche WaggoDladuDgeD iDter- UDd ex-GUS (HOLT 1993, 68)

nach: BaWscher Raum Belarus RuBland Ukraine Ex·GUS von:

Baltischer Raum 2664 180 1060 308 1771 Belarus 496 3429 1434 947 3412 RuBland 2608 1370 87776 7011 18199 Ukraine 674 1071 7387 36531 11435 Ex·GUS 3973 2831 17120 9136 .

1m Gegensatz zum LKW-Verkehr verzeichnet die Eisenbahn einen deutlichen Ruckgang

der Gutertransporte. Auch Unternehmen, die uber einen eigenen EisenbahnanschluB auf

dem Betriebsgelande verfiigen und mit Kiihlwaggons ausgestattet sind, wie die KIEWER

HAUSHALTSCHEMIE-FABRIK, nutzen diese immer weniger. Zum einen verlangt die Bahn

voll ausgelastete Container, was bei Absatzschwierigkeiten nicht immer moglich ist,

zum anderen ist die unklare Ermittlung der Frachtkosten Ursache dafiir, daB die Eisen­

bahn als Transportmittel weniger attraktiv geworden ist.

Die Zuverlassigkeit des Bahntransports ist besonders im Vergleich zum StraBentrans­

port hoch. Instandhaltungsprobleme und Verzogerungen, die durch die neuen Republik­

grenzen auftreten, wirken sich jedoch zunehmend negativ auf die Transportzeiten aus.

Wiihrend in den baltischen Staaten die Bahn im Inlandsverkehr eine immer geringere

Rolle spielt (bfai Est, Let, Lit, 1994), ist sie in den slawischen Landern Osteuropas

weiterhin ein wichtiger Verkehrstrager. In der Ukraine ist eine Generaluberholung von

1000 Schienenkilometern und die Modernisierung des rollenden Materials geplant

(o.V., OST-MARKT 511996, 5).

Schiffahrt

Die Wasserwege der Binnenschiffahrt sind zwar sehr gut ausgebaut und teilweise auch

fiir hochseegangige Schiffe geeignet, jedoch aufgrund der klimatischen Bedingungen

nur im Sommer befahrbar. Der Seetransport ist fiir osteuropaische Unternehmen insbe­

sondere im Zusammenhang mit dem Westexport ihrer Produkte interessant. Als Seeha­

fen mit Containerumschlagmoglichkeiten sind die Hafen Riga (Let), St. Petersburg

(Rus) und Klaipeda (Lit) hervorzuheben, von wo Verbindungen nach Mukran (Rugen)

162

Page 177: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

und Rostock bestehen, sowie der Schwarzmeerhafen Odessa (Ukr). Zwar wurde in diese

Hafen seit den siebziger Jahren stark investiert, aber durch den enormen Anstieg des

Ost-West-Verkehrs sind sie uberlastet. Da sich der GroBteil der Hafenstadte an der Peri­

pherie der ehemaligen UdSSR befindet, ergibt sich nach deren Auflosung in dieser Be­

ziehung eine fur RuBland ungtinstige Situation. Nur sieben der 18 wichtigsten Seehafen

befinden sich auf seinem Territorium (HOLT 1993 126).

Bedingt durch Kapazitatsprobleme ubersteigen die Umschlagkosten teilweise so gar das

westliche Niveau. Die Lagerraten betragen teilweise 0,50 US$ pro Tonne und Tag

(HEIDTKE 1994,65). 1m litauischen Hafen Klaipeda ist die Errichtung einer Sonderwirt­

schaftszone geplant. Eine lnitiativgruppe aus 14 litauischen Firmen und Joint-ventures

erwartet davon einen wirtschaftlichen Aufschwung (o.V., MARKTE DER WELT 10/1996,

22). Trotz langer Umschlagzeiten konnen Transporte aus den osteuropaischen Landern

ins westeuropaische Ausland relativ ztigig abgewickelt werden. So benotigt die Fahre

Klaipeda - Mukran ca. 20 Stunden. Auch unter Sicherheitsaspekten ist diese Variante

dem Landtransport uberlegen.

Luftverkehr

Obwohl einige neue, unabhangige Fluggesellschaften entstanden sind, besteht in diesem

Bereich ein Kapazitatsproblem. In RuBland entsprechen Gerat und Betriebsflachen nur

zu 69% dem Bedarf. Allerdings sollen die wichtigsten Flughafen, nach Planen der Luft­

fahrtabteilung des russischen Transportministeriums, in den nachsten Jahren saniert und

bis zum Jahr 2000 ausgebaut werden (o.V., owe 1194,44). Da die Finanzierung bis­

lang ungekllirt ist, bleibt der anvisierte Zeitrahrnen fraglich. Entsprechende Plane gibt es

auch in den baltischen Staaten. Der Lufitransport ist in Relation zum Gewicht der zu

befdrdernden Guter die teuerste Transportvariante. Verzogerungen aufgrund von Er­

satzteilmangel sind hliufig. Das Risiko beim Umschlag ist hoch, oft mussen Mitarbeiter

der Frachtgutadressaten zum Empfangsflughafen kommen (HEIDTKE 1994, 65). Osteu­

ropaische Geschliftsmetropolen wie Moskau und St. Petersburg werden intensiv von

auslandischen Fluggesellschaften angeflogen. So flog die LUFTHANSA im Jahr 1994 mit

42 wochentlichen Flugen nach Moskau haufiger als nach New York (o.V., owe 111995, 76).

163

Page 178: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Lagerung und Verpackung

Die Neubeschaffung von Lagerraumen ist aufgrund von Gebaudemangel und Leerstand

durch Spekulationen vor allem in grofieren Stadten schwierig. Da es fUr den Bau geeig­

neter Hallen an Finanzmitteln fehlt, wird Ware trotz des in den osteuropiiischen Landem

herrschenden harten Klimas oft im Freien gelagert. Die Verpackungsindustrie verfligt

noch nicht tiber das notwendige Know-how, vielfach werden z.B. Nahrungsmittel un­

verpackt angeboten oder es wird improvisiert. Die Bedeutung sachgerechter und attrak­

tiver Verpackung wird von den Untemehmen zunehmend erkannt. Umweltfreundliche

Verpackung entspricht aufgrund des bisherigen Mangels an F arbe und Form noch nicht

dem Geschmack der Verbraucher (o.V., ABSATZWIRTSCHAFT 711995, 29). Die Kombi­

nation der Probleme von Transport, Lagerung und Verpackung bedeutet fUr die Unter­

nehmen eine starke Behinderung im Bereich der physischen Beschaffung und Distribu­

tion.

4.5.2.1.2 Telekommunikation

Eine modeme Infrastruktur im Telekomrnunikationsbereich ist Voraussetzung fUr er­

folgreichen wirtschaftlichen Wandel. Der Versorgungsgrad mit Telefonanschltissen eig­

net sich flir einen Vergleich, da dieses Komrnunikationsmittel Basisvoraussetzung flir

den Geschiiftsverkehr ist.

Tab. 37: Versorgung mit Telefonhauptanschliissen pro 100 Einwohner, Stand 1991 (BERLAGE et al. 1992,4)

Land RuBland Belarus Ukraine EsUand LetUand

Anzahl 13 13 11 20 15

Litauen

14

Der OECD-Durchschnitt belauft sich zum Vergleich auf 43 Hauptanschltisse pro 100

Einwohner. Zwischen wichtigen Ballungszentren und dem Land bestehen deutliche

Unterschiede. Fast 90% der Moskauer Haushalte verfligen tiber einen TelefonanschluB.

Die Zahl der Hauptanschliisse pro 100 Einwohner in Kiew liegt mehr als doppelt so

hoch wie im ukrainischen Landesdurchschnitt (CLEMENT et al. 1994, 79).

Aufgrund der Wirtschaftskrise fehlen den Staaten die fUr die geplante Modernisierung

im Telekomrnunikationsbereich notwendigen Investitionsmittel. So ist die Telekomrnu­

nikations-Infrastruktur auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR mit Ausnahme der balti-

164

Page 179: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

schen Lander bis heute auf dem Niveau des Jahres 1992 geblieben. Der Rfickstand der

osteuropiiischen Lander ist so groB, daB er mit eigenen Mitteln nicht behoben werden

kann. Aufgrund rechtlicher und politischer Risiken erfolgt jedoch ein Engagement aus­

landischer Investoren eher zOgerlich. Die suboptimale Ausstattung beeintrachtigt die

Kommunikation der Unternehmen untereinander und den Export. So wurde ein inner­

halb der Stadt Tallinn an 30 Adressen per Telefax versandter Brief nur von einer voll­

standig emfangen (KALINOVA 1994, 72f.). Einen Ausweg bieten Mobiltelefone, die hau­

fig eingesetzt werden. LedigIich in den baltischen Staaten geht die Modernisierung der

Telekommunikationsinfrastruktur ziigig voran, z.B. mit der Digitalisierung des Telefon­

systems in Estland (o.V., bfai-info 211995, 19).

4.5.2.2 Beschaffung

4.5.2.2.1 Wahl der Lieferanten

In der Planwirtschaft war die Beschaffung trotz der formalen zentralen Mittelzuteilung

ein permanenter EngpaB. Die Konkurrenz urn knappe Giiter f'iihrte zum Berufsbild des

Beschaffungsmanagers (TOLKATSCH), der die Interessen des Unternehmens bei staatli­

chen Institutionen und Lieferanten durchsetzte. Die Einkaufsabteilungen schickten ihre

Vertreter auf oft wochenlange Reisen zu den Lieferanten, urn die termingerechte Liefe­

rung vor Ort zu fiberwachen. Gegenwartig steht eine flexible, marktorientierte Liefe­

rantenpolitik mit der Erhaltung bestehender und dem Aufbau neuer Kooperationen im

Vordergrund. Dafiir ist es unurnganglich, eine funktionsfahige Beschaffungsabteilung

aufzubauen, die mit entsprechend ausgebildetem Team eine konsequente Beschaf­

fungsmarktforschung betreibt und Beschaffungsmarktstrategien erarbeitet.

Mit der Einftihrung marktwirtschaftlicher Strukturen erhielten die Unternehmen die

Moglichkeit, Lieferanten selbst auszusuchen. In der Realitat laBt sich dies jedoch

schwer urnsetzen. In RuBland wurden die alten Ministerien in staatliche Aktiengesell­

schaften urngewandelt, die fiber ein Netz von GroBhandelsbetrieben nach wie vor Macht

fiber die Unternehmen ausfiben konnen. Diese GroBhandelsbetriebe sind noch der alten

GOSSNAB-Denkweise verhaftet und schreiben den Unternehmen vor, an wen sie ihre

Erzeugnisse zu liefern haben (ASLAMAZJAN 1993,252). Die Hersteller von Vorproduk­

ten, in der Regel groBe Kombinate, haben haufig eine Monopolstellung und diskriminie­

ren mittelstandische Unternehmen mit relativ kleinem Liefervolurnen. Nicht selten ge-

165

Page 180: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

stalten sie die Lieferbedingungen eigenmachtig urn und liefem von der Bestellung ab­

weichende Produkte, z.B. Stoffe in anderen als den bestellten Farben.

Nach der Freigabe der Preise in RuBland spielten anfangs die Waren- und Rohstoffbor­

sen eine bedeutende Rolle, konnten aber einen geordneten GroBhandel auf Dauer nicht

ersetzen. Inzwischen haben sie ihre Bedeutung verloren (PANKOV 1994, 82). Der Zerfall

der UdSSR und die Bildung einzelner unabhangiger Staaten wirkt sich negativ auf die

wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Untemehmen fast aller Republiken aus, wo­

bei die Folgen fUr russische Untemehmen wegen des Rohstoffreichtums des Landes am

wenigsten drastisch sind. Wiihrend friiher Rohstoffe und Vorprodukte aus allen Republi­

ken der UdSSR geliefert wurden, wird heute aufgrund der Zoll- und Zahlungsprobleme

verstiirkt nach Beschaffungsquellen im eigenen Land gesucht. Importwaren miissen mit

russischen Normen und Standards iibereinstimmen, was in der Wirkung einem prohibi­

tiven Schutzzoll gleichkommt (0. V., MARKTE DER WELT 2/1996, 21).

Das Angebot an Rohstoffen und Vorprodukten iibersteigt gegenwiirtig die zahlungsHihi­

ge Nachfrage, da die Preise auf Weltmarktniveau liegen. Messen und Ausstellungen

sind das wichtigste Kommunikationsmittel geworden, urn direkte Kontakte zu den Her­

stellem am GroBhandel vorbei aufzubauen. Allerdings werden branchenspezifische Lie­

ferantenmessen noch immer nicht in ausreichendem MaBe angeboten. IBM z.B. hat des­

halb ein Netz eigener Organisationen aufgebaut, die im jeweiligen Land Seminare und

Tagungen fUr ausgewiihlte Lieferanten organisieren. Viele neu aufgebaute Hersteller­

Lieferanten-Beziehungen sind wegen der sprunghaften Anderung der Preise kurzfristig,

woraus haufige Lieferantenwechsel resultieren. Die Untemehmen versuchen, die Bezie­

hungen zu ihren bisherigen Zulieferem aufrechtzuerhalten. Sie hoff en, die oft langjiihri­

gen Erfahrungen rur das Aushandeln gllnstiger Zahlungskonditionen nutzen zu konnen

und das Risiko des Vertragsbruchs zu reduzieren.

4.5.2.2.2 Qualitat und Zuverlassigkeit

Eine entscheidende Rolle bei der Qualitatssicherung der Endprodukte spielt die Giite der

V orprodukte. Bereits bei der Gestaltung von Liefervertragen miissen die fUr die Qualitat

relevanten Eigenschaften der Vorprodukte einbezogen werden. Hierzu gehOrt die Fest­

legung von Normen und Standards, von MaBnahmen zur Qualitatskontrolle und Fehler-

166

Page 181: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

vorbeugung. So gewinnt die gemeinsame Losung von Entwicklungsproblemen mit Lie­

feranten an Bedeutung, z.B. im Rahmen einer Qualitatskooperation (PENDER 1994, 48).

Dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu den Lieferanten kommt unter diesen Um­

standen eine hohe Bedeutung zu. 1m Faile einer Monopolstellung oder permanenter Un­

zuverlassigkeit der Lieferanten kann sich Eigenproduktion aIs vorteilhaft erweisen.

Aufgrund der in der Planwirtschaft ublichen hohen Fertigungstiefe haben viele Unter­

nehmen die besten Voraussetzungen zur Erstellung von Vorprodukten im eigenen Werk.

Daher wird im Gegensatz zur Entwicklung im Westen die Fertigungstiefe tendenziell

vergroBert. Auch viele in RuBland tatige auslandische Firmen bzw. Gemeinschaftsun­

ternehmen wie z.B. McDoNALD'S oder SALAMANDER erstellen die wichtigsten Vorpro­

dukte selbst, da die Erfahrung gezeigt hat, daB Qualitatsprobleme am besten durch Ei­

genproduktion zu lOsen sind (ROST 1992,11, GERLING 1992,306 f.).

Selbst bei Vorkasse, die in Osteuropa ublich ist, ist unsicher, ob die Ware nach Mengen

und Terminen vertragsgemaB geliefert wird (LEITNER 1994, 132). Nur wenigen Unter­

nehmen ist es finanziell moglich, die Zuverlassigkeit des Wareneingangs mit groBen

Lieferungs- und Zahlungsvolumina zu sichern. Der Grund fiir diese Schwierigkeit Iiegt

einerseits im unzureichend entwickelten Verkehrssystem, z.B. bei internationalen

Transporten (Wartezeiten an den Grenzen). Andererseits ist das BewuBtsein der Wich­

tigkeit termingerechter Lieferung bei den osteuropruschen Lieferanten noch nicht sehr

ausgepragt. Dariiber hinaus sind rechtIiche MaBnahmen bei Abweichungen hinsichtlich

der bestellten und gelieferten Mengen sowie bei Nichteinhaltung des Termins kaum

durchsetzbar. Der Aufbau eines lust-in-time-Systems, das in Polen und Ungarn bereits

funktioniert, wird in der GUS-Landern vorerst nicht reaIisierbar sein.

4.5.2.2.3 Preis- und Zahlungsproblematik

Preise konnen im Gegensatz zur Zeit vor der Perestroika frei ausgehandelt werden.

Fehlendes KostenbewuBtsein und unzureichende Kalkulationsgrundlagen behindern oft

eine zufriedenstellende Preisfindung (LEITNER 1994, 129). WestIiche Kunden erhalten

haufig einen Westmalus, d.h. die Lieferanten setzen die Preise hOher an als im Landes­

durchschnitt. Sie gehen dabei von der Annahme aus, daB das Geschaft fiir die westli­

chen Kunden trotzdem interessant sei, weil der Preis immer noch unter dem im Westen

liege.

167

Page 182: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Kennzeichnend ist der stfuldige Anstieg der Preise bei tendenziell sogar sinkender Qua­

litat der V orprodukte. In RuBland werden die Preise stark vom System der GroBhandels

Untemehmen beeinfluBt, die iiberproportional hohe Handelsspannen auf die Produkte

legen, was zu einer Preissteigerung am Markt fiihrt (ASLAMAZJAN 1993, 252).

Die jahrelang von den meisten Untemehmen geduldete Uneinbringlichkeit der Forde­

rungen aus Lieferungen und Leistungen hat bei einer angespannten Liquiditiit bei den

meisten Untemehmen Osteuropas zu permanenten Zahlungszieliiberschreitungen ge­

geniiber ihren Lieferanten und sonstigen Glaubigem gefiihrt (BRUNS-WOSTEFELD 1994,

16). Die erweiterte Selbstandigkeit der Untemehmen bei der Wahl ihrer Marktpartner

tragt dazu bei, daB die Lieferanten nur noch auf lukrative Auftrage zahlungskriiftiger

Kunden eingehen (KOROVKIN 1992, 53 f.). Hinzu kommt, daB die Lieferanten ihren

Kunden i.d.R. keinen Zielkauf gewiihren. Sie verlangen die Zahlung von mindestens

30% des Betrages bei der Bestellung. Westliche Kunden werden bevorzugt, weil von

ihnen eine hOhere Zahlungsfahigkeit erwartet wird. Obwohl Beschaffungshindernisse

wie z.B. der Ausfall von Lieferanten bei dem gegenwiirtig breiten Angebot operativ

behoben werden konnen, sind angesichts der Finanzierungsprobleme langfristige ver­

trauensvolle Beziehungen mit Lieferanten zu einem wichtigen strategischen Erfolgs­

faktor geworden (GURKOV, AVRAAMOVA 1995,23, Fallstudie RAKONFI).

Bei Liquiditiitsschwierigkeiten der Kunden schaffen Bartergeschiifte Abhilfe. Untemeh­

men, die einem Barter-Pool angeschlossenen sind, bieten ihre Waren und Dienstleistun­

gen gegen Gutschrift auf ihrem Barter-Konto an und konnen im Gegenwert Lieferungen

und Leistungen anderer Barter-Untemehmens beanspruchen (HUSEMANN 1994, 30).

Derartige Tauschgeschiifte verursachen jedoch hohe Transaktionskosten und behindem

die Entwicklung von normalen Lieferant-Hersteller-Beziehungen (GUTNIK 1994, 2ff.).

In der herrschenden makrookonomischen Instabilitat mildem viele russische Untemeh­

men ihre Probleme, z.B. Informationsbeschaffung, Auswahl der Lieferanten und Finan­

zierung, durch ZugehOrigkeit zu informellen Netzwerken (SERGIENKO 1995, 154). Die

zu Beginn der Transformation akuten Beschaffungsprobleme wurden von den meisten

osteuropaischen Untemehmen gelost. Die Auswertung einer Befragung von 200 russi­

schen Industrie Untemehmen aller Branchen zeigt eine zeitliche Verlagerung des Eng­

paBbereichs in den Jahren 1991-1994. Die Beschaffung, die im Dezember 1991 noch fUr

168

Page 183: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

88% der befragten Untemehmen einen Engpa/3 bildete, stellte im Januar 1994 nur noch

fUr 20% ein akutes Problem dar. Der Engpa/3 hat sich bei den meisten Untemehmen in

die Bereiche Absatz und Finanzierung verschoben (SAWAJALOW 1995,47).

90 ••••••...•.••.......•...............••.......•.. 80 • . •••...•.•••••...•••..............•••......... 70 60 50 40 30 20

1~~~~~~~==~~==~~==~ Dez 91 Jun 92 Dez92 Jun 93 Dez 93 Jun 94

~ Beschaffung

-Personal --Ir-Absalz

~ Finanzierung

Abb. 32: Verlagerung der Engpa6bereiche russischer Unternehmen (SAWAJALOW 1995,47).

4.5.2.3 Distribution im Transformationsproze8

4.5.2.3.1 Indirekter Absatz

Als Absatzmittler kommen in den osteuropaischen Landem hauptsachlich GroB- und

Einzelhande1 in Frage. Aufgrund der Profitabilitat des Handels war dies der erste Be­

reich, der privatisiert wurde. Die aktuelle Situation des Hande1s ist re1ativ intransparent,

da Privatisierung oft nur dem Namen nach stattfand und Schattenwirtschaft in diesem

Bereich eine bedeutende Rolle spie1t. Insgesamt wurde im Zuge der Privatisierung das

staatliche Handelsmonopol zerschlagen, eine marktwirtschaftlich orientierte Struktur

des GroB- und Einzelhandels entsteht (WELISCHENKOY 1995, 7).

Gro6handel

Nach der Auf10sung der planwirtschaftlichen Hande1sbeziehungen entstand Anfang der

90er Jahre eine Situation, in der erste private Untemehmer durch Handelsgeschafte be­

trachtliche Vermogen bildeten. 1991/92 gab es angesichts von Beschaffungsengpassen

Rohstoff- und WarenbOrsen. Sie ermoglichten eine kurze Periode des wirtschaftlichen

Aufschwunges, bis sie durch den GroBhandel abge10st wurden (PoPOY 2/1995, 94). In

den exportorientierten Branchen ist der GroBhandel finanziell und informell eng mit den

169

Page 184: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Produzenten verflochten. Handelsuntemehmen werden oft als Tochteruntemehmen ge­

griindet, urn die Verkaufsstatistik fUr die SteuerbehOrde intransparent zu machen. Der

GroBhandel arbeitet aufgrund seiner Monopolstellung nicht selten mit Handelspannen in

Hohe von 50 bis 100% (BOGATYCH 1995,23).

Das Institut zur Erforschung der organisierten Markte INIOR, Moskau, fiihrt bei etwa

120 bis 150 privaten Handelsvermittlungs- und GroBhandelsfirmen regelmiiBig Befra­

gungen durch. Ein GroBteil dieser Firmen ist nur wenig spezialisiert und bestreitet im

Durchschnitt 42% des Umsatzes in anderen Sektoren als dem Handel. Durchschnittlich

beschaftigen sie 20 bis 30 Mitarbeiter. 25% des Handelsurnsatzes wird mit Importwaren

erzielt. Der GroBhandel verzeichnet real steigende Umsatze. Die meisten befragten Un­

temehmen wollen sich nicht langfristig am GroBhandelsmarkt etablieren, sehen dort

aber momentan gute Gewinnchancen (TuSCHNOV 1994, 22ff.).

Beim Absatz fiber den GroBhandel sind folgende Probleme zu beobachten:

• Es gibt kaurn GroBhandler, die aufnationaler Ebene operieren. Bine einheitliche Ab­

satzstrategie und Preisstruktur wird erschwert.

• Neu entstandene Untemehmen sind oft sehr klein und haben geringe Verteilerkapa­

zitaten. Kostensenkende Skaleneffekte konnen nicht erzielt werden.

• Der GroBhandel ist in logistischer Hinsicht unterentwickelt, die Qualitat des Liefer­

service oft unzureichend.

Besonders negativ wirkt sich auch heute noch der Mangel an rationellen Umschlag­

moglichkeiten aus. Auch Diebstahl und Verderb fiihren zu empfindlichen Verlusten.

Der russische GroBhandel verfiigt fiber viel Kapital und wird bei der Vergabe von

Bankkrediten bevorzugt. Die finanzielle Macht wird oft fUr den Autbau einer regional en

Monopolstellung benutzt, urn den Herstellem der Region Preise und Konditionen zu

diktieren. So entstehen Absatzschwierigkeiten der russischen Hersteller nicht nur auf­

grund der Uberlegenheit des Angebotes der auslandischen Konkurrenz, sondem auch

wegen der starken Position des GroBhandels. Den GroBhandel interessieren Endver­

braucherwiinsch wenig, er ist nicht am Verkauf der in der Regel billigeren einheimi­

schen Produkte interessiert. Russische Produzenten sind deshalb gezwungen, fUr den

Absatz ihrer Produkte direkte Beziehungen zu den Einzelhandelsuntemehmen aufzu­

bauen (PLA TJOSCHNYJ 1994, 17). Obwohl in den meisten Regionen ausgebaute GroB-

170

Page 185: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

handelsstrukturen existieren, erfullt der GroBhandel die Rolle eines Absatzmittlers nur

unzureichend. Trotz der steigenden Transaktionskosten streben die Produktionsunter­

nehmen zunehmend direkte Beziehungen mit dem Einzelhandel an oder bauen eigene

Vertriebsnetze auf (GURKOV, AVRAAMOVA 1995,24).

Einzelhandel

In Osteuropa kann der Einzelhandel in drei Hauptgruppen gegliedert werden:

• Industriewareneinzelhandel,

• Gemischtwareneinzelhandel und

• Lebensmitteleinzelhandel.

Daneben kann der Einzelhandel mit und ohne eigene Verkaufsflache (Kioske, Tank­

stellen etc.) unterschieden werden (TIETZ 1992/1993, 131).

Einzelhandel mit eigener Verkaufsflache

Das Spektrurn reicht von kleinen Dorfgeschaften bis zu Kaufuausem. 1m Privatisie­

rungsprogramm yom Juni 1992 wurde festgelegt, daB eine Ausgliederung der genossen­

schaftlich organisierten Einzelhandelsgeschafte keiner Zustimmung der Mitarbeiter be­

darf und somit fur den Einzelhandel die Moglichkeit der rechtlichen Selbstandigkeit

besteht. Bisher zentrale Dienste wie Buchhaltung oder Lohnabrechnungen muBten von

den Geschaften selbst iibemommen werden (VINCENTZ 1993, 79ff.). Der russische Ein­

zelhandel wurde bis Mitte 1994 weitgehend privatisiert. GroBe Kaufuauser und Han­

delsketten wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt, kleine Einzelhandelsunter­

nehmen verpachtet oder durch Auktionen verkauft. Auch in der Ukraine und Belarus

iiberwiegt gegenwartig der private Einzelhandel.

Ein Beispiel fur eine erfolgreiche Anpassung ist das Kaufuaus GUM am Roten Platz in

Moskau. Es verfugt iiber 70.000 qm Verkaufsflache und konnte 1992 eine Umsatzrenta­

bilitat von nahezu 8% vorweisen. 1m September 1992 wurde das ehemals reine Devi­

sengeschaft auf Angebote in Rubel erweitert. Die Anteile des Kaufuauses befinden sich

zu 51 % in der Hand der Mitarbeiter, 24% werden von verschiedenen Untemehmen ge­

halten, die Stadt Moskau halt den Rest (AHRENS et al. 1993, 200). Schon frUh waren

westliche Firmen wie ESTEE LAUDER, NINA RICCI, YVES ROCHER und CHRISTIAN DIOR

vertreten (NOUZILLE 1992,47 ff.). Die Prasenz solch bekannter intemationaler Marken

171

Page 186: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

zeitigt Ausstrahlungseffekte fUr osteuropiiische Untemehmen im GUM. Die erstklassige

Lage tut ein Ubriges. Ein Ergebnis davon ist, daB der Aufsichtsrat von GUM im Miirz

1994 eine Dividende von 300% ankiindigen konnte (o.V., ECONOMIST 12.3.1994,93).

Dem osteuropiiischen Einzelhandel feWt es an eigenen Umlaufmitteln. Aufgrund der

anhaltenden Inflation verweigem die Hersteller grundsiitzlich die Moglichkeit des Ziel­

kaufs. Wenn Skonto eingeriiumt wird, betriigt die Zahlungsfrist hiiufig weniger als eine

Woche. Wegen der hohen finanziellen Unsicherheit konnen die Hersteller in der Regel

keine Vertriige mit festgelegten Lieferterminen und -mengen mit dem Einzelhandel ab­

scWieBen. Es bleibt bei Rahmenvertriigen, die die Jahresabsatzmenge nur grob festle­

gen, was zu Problemen bei der Absatz- und Finanzplanung fiihrt.

Ein weiteres Problem des Einzelhandels ist der Mangel an geeigneten Ladenriiumen.

Die Laden sind i.d.R. mit Waren iiberfiillt, iisthetische und funktionelle Warenpriisenta­

tion liiBt sich kaum realisieren (TiETZ 199211993, 133). Die baltischen Staaten haben

hier einen Vorsprung. Da sich seitdem die Lage nur wenig verandert hat, kann eine Sta­

tistik aus dem Jahr 1988 auch fUr die aktuelle Situation interessante Hinweise geben:

Tab. 38: Okonomische Kennziffern des HandeIs nach sowjetischen UnionsrepubIiken 1988 (Kamp 1990, 12)

Sowjetrepubliken Per-Capita·Umsatz Verkaufsfliiche je Umschlagszahl Personalstg (in 1000 Rubel) (SR) (RubeVJahr) 1000 Einw. (qm) (ohne Gastronomie) (ohne Gastronomie) Russ.Foo.SSR 1408 209 5.4 67,3 Ukrainische SR 1213 211 5,6 63,3 Belorussische SR 1414 222 5,9 72,4 Litauische SR 1609 175 6,3 80,1 Lettische SR 1851 199 6,1 75,7 Estnische SR 1965 194 7,1 87,3 UdSSRges. 1282 197 5,2 67,1

Der Vergleichswert fUr Verkaufsfliichen liegt in Westeuropa bei 1000 qmJ1000 Ein­

wohner und in Westdeutschland bei 1200 qmJI000 Einwohner (TIETZ 199211993, 133).

Einzelhandel ohoe eigeoe Verkaufsfliche

Aufgrund des Mangels an Verkaufsfliichen hat der ambulante Einzelhandel einen wich­

tigen Stellenwert in den osteuropiiischen Landem. Einfache Verkaufshiiuschen aus Holz

oder Aluminium (Kioske) offerieren ein breites Warenangebot. Sie sind in den osteuro-

172

Page 187: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

piiischen Uindem sehr verbreitet und gewahrleisten die Versorgung der Bevolkerung

mit Basiskonsumgutem. Das Erscheinungsbild ahnelt sich in allen Nachfolgestaaten der

UdSSR, ist aber in den baltischen Staaten weniger stark ausgeprligt. Brennpunkte sind

die StraBen des Zentrums, Pllitze vor Metrostationen oder Freifllichen in der Nahe von

Geschliften. Kioske und Verkaufsbuden sind zum Symbol des modemen Moskau ge­

worden Von den StadtbehOrden eingerichtete Verkaufspunkte innerhalb von Wohnge­

bieten wurden vielfaltig nicht angenommen.

In unmittelbarer Umgebung der Kioske fmdet StraBenhandel an dauerhaften Standen

statt. In Moskau konnen drei Hauptzonen des StraBenhandels unterschieden werden: In

der Zentralzone werden hOherwertige Produkte angeboten. In der diese umgebenden

Zone stellen Druckerzeugnisse das Gros des Angebots. In der liuBersten Zone gibt es nur

noch kleinere Markte neben Metrostationen, mit hauptslichlich niedrigpreisigem Sorti­

ment (VENDINA 1994, 15ff.). Folgende Warengruppen werden im StraBenhandel haupt­

slichlich angeboten:

• Fertigwaren der industriellen Produktion (Textilien, Schuhe, Kosmetik, etc.),

• auslandische Erzeugnisse in Originalverpackung,

• Bucher und andere Druckerzeugnisse,

• unverpackte Lebensmittel wie Brot, Butter, Fleisch, Klise und Wurst.

Ein ukrainischer Untemehmer erzielt per Kiosk Tagesumslitze von ca. 200 US$ (o.V.,

ECONOMIST 19.2.1994, 72). Der Vorteil dieser Absatzvariante besteht in den relativ ge­

ringen Kosten, der ublichen Barzahlung der Kliufe und der leichten Realisierbarkeit.

Selbst COCA-COLA errichtete Kioske als direkte Vertriebsstellen fUr seine Produkte

(TRAM, TURKS 1993,267). FUr hOherwertige Konsumguter ermoglicht der Kioskjedoch

keine angemessene Prlisentation.

Versandhandel

Da in den osteuropliischen Landem hliufig die Versorgungsstrukturen und Ladenfllichen

vor Ort fehlen, besteht starke potentielle Nachfrage nach Versandhandelsangeboten. Die

Voraussetzungen fUr den Versandhandel sind allerdings in der meisten Regionen man­

gelhaft. 1m Moskauer und St. Petersburger Raum gibt es Anslitze fUr Versandhandel

nach westlichem MaBstab. Auch in den baltischen Staaten befindet sich diese Form des

173

Page 188: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Vertriebs im Aufbau, wobei die Entwicldung in Estland und Litauen weiter gediehen ist

als in Lettland.

Der Versandhandel wird durch folgende Faktoren behindert:

• Inlandslogistik: ZuverUissiger Transport kann nicht garantiert werden. Der Versiche­

rungsschutz gegen Diebstiihle und BescMdigungen ist unzureichend.

• Postdienst: Die Versendezeiten sind lang, selbst Kataloge gehen oft verloren.

• Entge1t: Lieferungen per Nachnahme sind gegenwartig nicht durchzufUhren. Voraus­

zahlung ist gangige Praxis, wird jedoch durch das MiBtrauen der Verbraucher gegen­

fiber dem Versandhandelsunternehmen behindert (Befragung eines Experten der

QueUe Export Division).

4.5.2.3.2 Direktabsatz

Fabrikverkauf

Der Fabrikverkauf ist die fUr das Unternehmen einfachste Methode des Direktabsatzes.

Er bietet folgende Vorteile:

• Nutzung als Testmarkt mit sofortigem Feedback bei neuen Produkten,

• Direktkunden zahlen bar,

• kaum Verpackungs- und keine Versandkosten,

• geringer Verkaufspersonalbedarf und

• attraktive Preise durch Wegfall der Handelsspannen

(STRELLER 1993, 15).

Der Mehrzahl der osteuropaischen Produzenten betreibt Fabrikverkauf. Die Verbraucher

scheuen sich angesichts der niedrigen Einkommen nicht, stundenlange Fahrten zum

Fabrikgelande zu unternehmen und empfmden den Fabrikverkauf als attraktiv. Es be­

stehen allerdings zwei Restriktionen: Bei Produkten, die aus Statusgrunden erworben

werden, mag die Einkaufsatmosphare unpassend sein und die Imagebildung gefahrden.

Ferner ist aufgrund des niedrigen Motorisierungsgrads eine gute Anbindung an das of­

fentliche Personennahverkehrsnetz wichtig (WE SNITZER 1993, 123). Ein Beispiel fUr

erfolgreichen Fabrikverkaufist eine estnische Strickwarenfabrik, die ca. 10% ihres Um­

satzes auf diese Weise erzielt. Die verlangten Preise liegen unter denen des Einzelhan-

174

Page 189: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

dels, die PreisabschUige erreichen aber nicht die Hohe des Fabrikverkaufs von Marken­

artiklem in Deutschland.

Eigene Verkaufsstellen

Werkseigene wie werksgebundene Verkaufsstellen ermoglichen die Kontrolle des Ge­

samtsortiments und des Marktauftritts. Die Erweiterung des eigenen Sortiments durch

fremde Produkte, die oft durch Tauschgeschafte als Gegenleistung fUr eigene Produkten

erworben werden, ist vorteilhaft (AHRENS et al. 1993,245). So kann der Spielraum des

Untemehmens fUr Bartergeschafte erweitert werden.

Die Einrichtung von Filialen, die yom Untemehmen imagegerecht ausgestaltetwerden,

ist fUr anspruchsvollere Priisentation besser geeignet. Die Kosten dafUr sind allerdings

hOher als die fUr Kioske. Der Mangel an geeigneten Raumlichkeiten sowie steigende

Mieten und Betriebskosten stellen zunehmend ein Problem dar. Ein Franchising outlet

ist als werksgebundene Verkaufsstelle einzuordnen, da der Hersteller die eigene Marke­

tingkonzeption vertraglich durchsetzen kann. Ais Franchisegeber kann ein Untemehmen

mit verhiiltnismaBig geringen finanziellen Mitteln schnell Expansion betreiben (SPECHT

1992, 188). Dieser Vorteil relativiert sich jedoch in den osteuropaischen Landem, da die

potentiellen Franchisenehmer oft fiber zu wenig Kapital fUr Ladenausbau und Beschaf­

fung der Ware verfiigen (TRAM, TORKS 1993, 269).

Mobiler Verkauf

Besonders in diinnbesiedelten Landesteilen ist es schwierig, hinreichend prasent zu sein.

Oft erlaubt die in AuBenbezirken oder landlichen Gebieten vorhandene Kaufkraft nicht

die Einrichtung von Filialen. Urn von dieser Kaufkraft zu profitieren, bietet sich der

mobile Verkauf an. Dabei wird direkt yom LKW verkauft. Der Fahrer fungiert als Ver­

kaufer und Akquisiteur. In Estland werden zur Lebensmittelversorgung auf dem Land

umgebaute Reisebusse als fahrende Verkaufseinheiten eingesetzt. Die Nachfrage nach

Food-Artikeln halt sich aber wegen der verbreiteten Selbstversorgung in Grenzen. Der

Einsatz von Reisenden kann zur Akquisition von Neukunden sinnvoll sein, insbesonde­

re wenn die Produkte erklarungsbediirftig sind.

175

Page 190: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der mobile Verkauf auf Wochenmarkten bringt wegen der spezifischen Kaufgewohn­

heit der osteuropaischen Konsumenten gute Umsatze. Die russische Bevolkerung deckt

bis 70% des Bedarfes an Schuhen und Bekleidung auf Wochenmarkten (SCHENNIKOY A

1995,5). Allerdings lohnt sich die Teilnahme an Wochenmarkten wegen der notwendi­

gen Schutzgeldzahlungen an die Mafia in vielen Fallen nicht.

Vertriebskooperation

Vertiebskooperationen sind zwischen osteuropaischen Unternehmen trotz ihrer Vorteile

wenig verbreitet (W ASILJEW 1996). Die Absatzorganisation stellt eine gravierende

Schwachstelle osteuropaischer Unternehmen dar. Statt umfassender Konzepte dominie­

ren Einzelinitiativen und Improvisation. Eine entsprechende Ausbildung des zustandi­

gen Personals ist teuer und ohne Hilfe eines westlichen Kooperationspartners oft nicht

zu verwirklichen.

Neben der Erweiterung des eigenen Sortiments durch fremde Produkte kann eine Ge­

schaftsbeziehung zu einem westlichen Partner zum Absatz eigener Produkte genutzt

werden. Voraussetzung ist die Weltmarktfahigkeit der Erzeugnisse des osteuropaischen

Unternehmens. Die erforderliche Qualitat kann hiiufig nur mit Hilfe des auslandischen

Partners erreicht werden. Neben der Einnahme von dringend benotigten Devisen kann

vom Marketing-Know-how der Westfirmen profitiert werden. Ais Beispiel konnen die

mit SALAMANDER kooperierenden osteuropaischen Unternehmen genannt werden. 20%

der Produktion sind dabei fur den Export bestimmt (ROST 1992, 11). FUr westliche Un­

ternehmen hangt die Entscheidung fur eine Kooperation stark von der Attraktivitat der

jeweiligen osteuropaischen Markte abo Die baltischen Staaten profitieren von dem mit

der EU getroffenen Freihandelsabkommen (o.V., WiRO 12/1993, 446). Baltische Un­

ternehmen konnen dadurch leichter wieder an traditionelle Handelsbeziehungen, z.B. zu

den skandinavischen Landern, anknupfen.

176

Page 191: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.5.3 Marktforschung

4.5.3.1 Marktforschung in der zentralen Planwirtschaft

Die durch Fehlplanung verursachte Uberproduktion war der AnstoB fUr die Entwick­

lung der sogenannten Bedarfs- und Marktforschung. Darunter wurden Analyse und

Prognose der Bedarfsentwicklung im Inland, Untersuchung der Absatzmoglichkeiten

im sozialistischen Wirtschaftsgebiet sowie die Markt- und Konjunkturforschung im

nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet verstanden.

1964 harte der Anteil unverkiiuflicher Verbrauchsguter an der Produktion in der UdSSR

eine Hohe von 20% erreicht (DANKO 1974, 5). Mirte der 60er Jahre wurde in einem Ex­

periment nachgewiesen, daB von den Unternehmen eigenstandig ausgearbeitete Produk­

tionsplane auf der Grundlage von Bestellungen eine groBere Wirtschaftlichkeit erzielten

als die Produktionsvorgaben der Plankommissionen (PALUBINSKAS 1969,22). Deshalb

wurde 1965 das Allunions-Institut zur Erforschung der Nachfrage der Bevolkerung

nach Massenbedarfsartikeln und Konjunktur des Handels (WNIIKS) beim Handelsmi­

nisterium der UdSSR gegriindet (DANKO 1974,5).

Die gesellschaftlich anerkannten Bediirfnisse nach Konsumgutern und Produktions­

mirteln bildeten den Bedarf. "Rationelle Verbrauchsnormen" spiegelten den gesell­

schaftlich angestrebten Bedarf der Zukunft wider (EHRLICH, WINKLER 1978, 19). Urn

z.B. eine Verbrauchsnorm fUr Fleisch zu entwickeln, wurden aus objektiven (z.B. Ei­

weiB- und Kalorienbedarf) und subjektiven (z.E. Gewohnheiten) MaBsmben der fUr den

Planungszeitraum angestrebte Pro-Kopf-Verbrauch bestimmt (EHRLICH, WINKLER

1978, 20-27). Zur planmiiBigen Bedarfsentwicklung diente eine entsprechende Preis-,

Angebots- und Einkommenspolitik. Waren, die nicht zu den anerkannten Grundbediirf­

nissen gehOrten, z.B. Delikatessen oder Autos, wurden nur in geringer Menge zu sehr

hohen Preisen oder mit langen Wartezeiten angeboten (EHRLICH 1975, 113f.).

Der sozialistische Staat plante Angebot und Nachfrage, indem die Nachfrager in zwei

Gruppen unterteilt wurden:

177

Page 192: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• sozialistische Produzenten, die staatlichen Planauflagen beziiglich Input und Output

unterlagen, und

• individuelle Konsurnenten, deren Nachfrageverhalten zwar schwerer geplant, dafiir

aber durch okonomische Hebel und ideologische Mittel beeinfluBt werden konnte

(WINKLER 1971,6).

Ende der 60er Jahre fanden demoskopische und psychografische Methoden westlicher

Provinienz Eingang in die sowjetische Wissenschaft (DEMIDOW 1992a, 11). Durch Be­

schluB des XXIV. Parteitages der KPdSU 1971 wurde der Bedarf zum Ausgangspunkt

der Planung bestimmt. Darauthin wurde eine Reihe zusiitzlicher Organe eingerichtet:

• Bei den meisten Ministerien der verschiedenen Industriezweige der Konsurngiiterin­

dustrie wurden im Laufe der niichsten Jahre Institute fUr Bedarfsforschung gegriin­

det,

• das Ministeriurn fUr Handel richtete einen interministeriellen Koordinationsrat mit

einem eigenen Publikationsorgan ein, der die von den Instituten errechneten Ver­

brauchsnormen bestiitigte,

• es wurde ein einheitliches System der Bedarfsforschung geschaffen, das ca. 3000

Einrichtungen von Handelsministerien bis Einzelhandelsverkaufsstellen urnfaBte

(SCHNEIDER et al. 1976, 99f.).

Die zustandigen Ministerien waren die einzigen Auftraggeber der Bedarfs- und Markt­

forschungsinstitute. Sie legten die Produktionsprogramme fest (SCHNEIDER et al. 1976,

99f). Neben den zentralen Planungsorganen dienten die Forschungsergebnisse auch der

Industrie und dem Handel. Die Produktionsuntemehmen verwendeten die Daten, urn

ihre Anspruche auf benotigte Ressourcen und Investitionen gegeniiber den Planungsor­

ganen zu begriinden, der Handel benotigte sie zur Untermauerung seiner Forderungen

nach Warenlieferungen (DEMIDOW 1992a, 9).

FUr die Bedarfs- und Marktforschung im Ausland war das dem Ministeriurn fUr AuBen­

handel untergeordnete Forschungsinstitut WNIKIS zustandig. Es untersuchte okonomi­

sche Entwicklungsprozesse auf intemationalen Warenmiirkten und in ausgewiihlten

Landem. 1m sozialistischen Wirtschaftsgebiet war die Bedarfs- und Marktforschung

yom Ziel der sozialistischen okonomischen Integration (SOl), d.h. der okonomischen

und wissenschaftlich-technischen Verflechtung der Volkswirtschaften der Lander des

178

Page 193: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

RGW gepragt. 1973174 wurde im RGW eine Arbeitsgruppe Bedarfsforschung des Se­

kretariats Handel gegrundet. Sie bestand aus den Direktoren der Marktforschungsinsti­

tute der beteiligten Lander und trat ein- bis zweimal jahrlich zusammen, urn tiber Fra­

gen der Methodik der Marktforschung und allgemeine Grundsatzprobleme zu beraten.

Die schlechte Ausstattung mit Hard- und Software zur Datenverarbeitung bewirkte je­

doch, daB in den meisten Fallen auf einfache Marktforschungsmethoden zurUckgegrif­

fen wurde, obwohl komplexere Methoden theoretisch bekannt waren.

Die Importnachfrage eines Landes nach Giitern aus dem sozialistischen Lager wurde

mit folgender Formel bestimmt:

Importnachfrage = geplanter Gesamtbedarf

.I. geplante Eigenproduktion

+ Export in RGW- und andere Lander

Aufgrund der fortschreitenden Spezialisierung der Lander entstanden langjahrige Han­

delsvertrage zwischen den Landern des RGW (ANYSAS 1983, 113ff.).

Marktforschung im westlichen Sinne wurde nur fUr kapitalistische Auslandsmarkte be­

trieben, da es notwendig war, das Angebot auf die dort herrschenden Bedingungen aus­

zurichten (ULTSCH, BRAUER 1982, 5). Aus finanziellen Grunden wurden vorwiegend

ohne groBen Erhebungsaufwand erhiiltliche Informationen verwendet (EHRLICH, SPRIN­

GER 1987,49). Die Hauptrichtungen in der Forschung sind in Tab. 39 zusammengefaBt.

Tab. 39: Inhalte der Lander-, Produkt- und Firmenmarktforschung (EHRLICH/SPRINGER 1987, 19-23)

Land • geographische Bedingungen und landesubliche Gepflogenheiten • Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsentwicklung • AuBenwirtschaftspolitik, AuBenwirtschaftsbeziehungen

Produkt • Anwender- und Verbraucherbedurfnisse • Exportfiihigkeit • Marktbewiihrung • Gebrauchswertparameter vergleichbarer Produkte • Produktbezogene kommerzielle Parameter (Preis, Zahlungsbedingungen)

Firma • Produktion, Investition, Forschung und Entwicklung • Finanzlage, okonomische Position • Absatz-, Beschaffungs-, AuBenhandelsbeziehungen • Aufbaustruktur und Leitung

179

Page 194: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

4.5.3.2 Marktforschung im TransformationsprozeB

1m Dezember 1988 wurde Untemehmen, Vereinigungen und Organisationen das Recht

eingeraumt, eigene Export- und Importoperationen sowie dazu notwendige Marktfor­

schung durchzufiihren (SKLENAR 1990, 8). Die beabsichtigte Dezentralisierung der Ent­

scheidungen trat jedoch nicht ein, da das notwendige Fachwissen bei einigen wenigen

Au13enhandelsexperten konzentrlert war und diese nicht gewillt waren, ihr Wissensmo­

nopol aufzugeben. So wurden trotz der offentlich glaubhaft wirkenden Liberalisierung

die meisten Au13enhandelsgeschlifte weiterhin tiber die jeweilig zustandigen Organisa­

tionen abgewickelt. Der Mangel an Weiterbildungsmoglichkeiten bewirkt, daB bis

heute viele Untemehmen auf teure exteme Informationsbeschaffung und zum Teil auf

dieselben alten Instanzen angewiesen sind (SOLODKOV 1994, 15).

Grundsatzlich fehlt in den Entscheidungsebenen der Industrie die Einsicht in die Not­

wendigkeit der Marktforschung. Mogliche Ursachen dafiir sind, daB

• viele Untemehmen von Ingenieuren gefUhrt werden, fur die die Produktentwicklung

im Vordergrund steht und Marktforschung wenig Bedeutung hat,

• Untemehmen, die gegenwlirtig keine Absatzprobleme haben, die Notwendigkeit ei­

ner langfristigen Absatzmarktsicherung nicht erkennen,

• theoretisches Wissen und praktische Erfahrung fehlen und

• die geringen finanziellen Moglichkeiten Marktforschung nicht erlauben.

4.5.3.2.1 Marktforschungsinstitute

Die in den osteuropaischen Landem existierenden Marktforschungsinstitute konnen

grob unterteilt werden in

• Institute, die aus fiiiheren Einrichtungen zur Bedarfs- und Marktforschung oder wis­

senschaftlichen Instituten hervorgegangen sind,

• neu gegriindete Institute und Vereinigungen,

• andere neu gegriindete Untemehmen, die u.a. auch Marktforschungsleistungen an-

bieten.

Eine weitere Unterteilung ist nach auslandischer Beteiligung bzw. der Kooperation mit

einem westlichen Marktforschungsinstitut, wodurch westliches Know-how eingebracht

wird, moglich.

180

Page 195: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zu den einheimischen Instituten zahlen insbesondere die ehemaligen Filialen von WNI­

IKS. Eines der Nachfolgeinstitute ist die Firma PROFINDEX in Tallinn. Weitere aus

staatlichen Forschungseinrichtungen hervorgegangene Institute sind NIMZ in St. Pe­

tersburg, das bis 1975 WNlIKS genannt wurde, NIMZ Moskau, das bis 1993 VNIIET

(Wissenschaftliches Forschungsinstitut fUr Okonomie, Organisation und Technologie

des Handels) hieB, das Ukrainische Institut fUr Marketing und auBenwirtschaftliche In­

formationen in Kiew, das ehemals das Ukrainische Forschungsinstitut fUr Handel und

Gaststattenwesen war, sowie WNIPRIM (Allunions-Forschungsinstitut fUr Marktfor­

schung und Marketing), das aus dem ehemaligen WNlIKS Moskau hervorgegangen ist

(DEMIDOW 1992b, 22).

Als Joint-venture von WNlPRIM Moskau und FINNSKI GALLUP in Helsinki griindete

sich das INFORMA TIONS- UND MARKETINGZENTRUM; aus einem Joint-venture eines

staatlichen Institutes des Ministeriums fUr Schwarzmetallurgie und einer niederlii.ndi­

schen Firma entstand INFOMARKET (DEMIDOW 1992a, 22). In Zusarnmenarbeit von

NIELSEN MARKETING RESEARCH und dem renommierten Institut EKI aus Tallinn wer­

den mehrere wiederkehrende Studien (Wirtschafts- und Handelsreport Baltikum, eine

Distributionsuntersuchung und eine Markenbekanntheitsstudie) angeboten. Aus wissen­

schaftlichen Instituten bildeten sich das dem Ministerium fUr Arbeit unterstellte

VCIOM in Moskau (Allunionszentrum fUr Sozialforschung) und das Institut fUr So­

ziologie ISAN Moskau (SCHONEBERG 1993, 43). VCIOM verfiigt tiber ca. 35 Regio­

nalabteilungen auf dem Gebiet der gesamten ehemaligen So\\jetunion, allerdings sind

diese Beziehungen teilweise abgebrochen. Auch VCIOM arbeitet mit einem westlichen

Institut (SINUS, MOOchen) zusarnmen (DEMIDOW 1992b, 22). Daneben existiert eine

Reihe von anderen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituten, die teilweise Unter­

suchungen mit Marktforschungscharakter durchfiihren. Eine Ubersicht findet sich bei

SEREGYI, TSCHEREDNITSCHENKO (1994, 130£.).

Zu den neu entstandenen Untemehmen gehOrt das von der GfK AG Niimberg gegriin­

dete Tochteruntemehmen GfK Moskau neben Niederlassungen der zypriotischen Insti­

tutsketten AMER und MEMRB. Als wichtigste private Full Service-Institute, die auch

mit intemationalen Partnem zusarnmenarbeiten, gelten das MIC (MARKETING IN­

FORMATION CENTER), Vox POPULI und ROMIR (RUSSIA PUBLIC OPINION & MARKET

RESEARCH) (SCHONEBERG 1993, 43). Eine Organisation zur F6rderung der Marktfor-

181

Page 196: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

schung wurde in Gestalt der Allunions Marketing Assoziation 1990 in Moskau gegriin­

det (DEMIDOW 1992b, 23).

Die Angebote der letztgenannten Untemehmensgruppe konnen nur bedingt der Markt­

forschung zugeordnet werden. Es handelt sich hierbei urn Consultingfinnen (z.B.

ERNST & YOUNG VNESHKONSULT oder BALTINCONSULT GmbH Kaliningrad), die In­

formationen tiber potentielle Partner, Preise, Infrastrukturen usw., aber auch Schulun­

gen oder Kooperationsvermittlungen anbieten (SCHULUS 1994, 26), und Brokerfirmen

an den Borsen, die auf marktspezifische Informationen zur Beschaffung und zum Ab­

satz bestimmter Gtiter spezialisiert sind (IOUDANOV 1992, 16). In- und auslandische

Industrie- und Handelskammem bieten den Untemehmen zunehmend Unterstlltzung.

So wurde z.B. im Herbst 1995 eine Vertretung der Deutschen Handelskammer in Minsk

erOffnet (RIETSCH 1995, 319).

Marktforschungsuntemehmen konzentrieren sich im Moskauer Gebiet. Zu Zeiten der

Planwirtschaft konzentrierte sich das Wissens tiber "Marktforschung" in Moskau und

bildete damit den gllnstigsten Ausgangspunkt fUr neue Aktivitaten. Der Entwicklungs­

stand der Marktforschung ist auBerhalb RuBlands deutlich niedriger (EVANS, TOM­

LINSON 1993, 121). Kleinere private Untemehmen, deren Leistungen hauptsachlich von

der mittelstandischen Industrie nachgefragt werden, zahlen zu ihrem angebotenen

Marktforschungsprogramm auch Messen, Werbung usw. Diese Gruppe ist sehr inho­

mogen, so daB bei der Auswahl des Beratungspartners besonders auf Seriositat geachtet

werdenmuB.

4.5.3.2.2 Hauptrichtungen der Marktforschung

Den groBten Teil der Forschungsarbeit nimmt neben der politischen Meinungsfor­

schung die sozialOkonomische und Verbraucherforschung ein (SCHONEBERG 1993,43).

Weitere Untersuchungen betreffen die Gesundheits- und Pharmamarktforschung sowie

die Medienforschung. Schon 1993 boten verschiedene Einrichtungen in Moskau, von

der Werbeabteilung einer Zeitung tiber ein Meinungsforschungszentrutn eines Femseh­

senders bis zur Werbeagentur selbst, Werbewirkungsanalysen an (RAu-RATGEBER

1993,300). Sie werden bislang vomehmlich von Borsen, Banken, Versicherungen, Jo­

int-ventures und auslandischen Firmen in Anspruch genommen (DEMIDOW 1992b,

182

Page 197: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

23f.). Staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen, die frtiher die Hauptauftragge­

ber fUr Projekte der Markt- und Sozialforschung waren, sowie osteuropaischen Unter­

nehmen fehlen entweder die Einsicht in die Notwendigkeit der Marktforschung oder

das dafiir nOtige Geld.

Die meisten produzierenden Unternehmen miBtrauen der Kompetenz der Marktforscher

und versuchen sich selbst an verschiedenen MarktforschungsaktiviUiten. Die Hauptin­

formationsquellen sind Messen, Befragungen der Handelskunden, Auswertung und

Analyse der Absatzzahlen aus dem Fabrikverkaufund dem VerkaufaufWochenmiirk­

ten. Diese AktiviUiten werden jedoch i.d.R. ohne Marktforschungsstrategien und Bud­

gets ad hoc betrieben. Der Meinung der Endverbraucher wird dabei geringe Bedeutung

beigemessen, entscheidend ist die Einschatzung der Handelskunden.

Marktforschung richtet sich dariiber hinaus auf KonkurrenzaktiviUlten, oft ausschlieB­

lich auf die Preispolitik. Die Kostenstruktur der Konkurrenzunternehmen, ihre Be­

schaffungsquellen, Produktionsmittel und Technologien sind in der Regel ausreichend

bekannt, denn die heutigen Konkurrenten gehOrten frtiher zu einem Fachministerium

und tauschten diese Informationen miteinander aus (GURKOV, A VRAAMOVA 1995, 24).

4.5.3.2.3 Methoden der Marktforschung

Bei der Datenerhebung werden im Prinzip die gleichen Methoden benutzt, die in west­

lichen Instituten ublich sind, allerdings unterscheiden sie sich haufig in ihrer Anwen­

dung sowie den verfiigbaren Hintergrundinformationen. So wurde bei der Befragung

der Institute NIMZ festgestellt, daB das westliche Marktforschungsvokabular nicht aus­

reichend bekannt war (Befragung NIMZ St. Petersburg und NIMZ Moskau). Sekundiir­

forschung wird hauptsachlich von auslandischen Firmen genutzt, die keinerlei Basis­

wissen uber die sie interessierenden Marktsegmente besitzen (DEMlDoW 1992b, 24).

Bei NIMZ St. Petersburg wird bei 25 Prozent der Auftrage Sekundiirforschung genutzt.

NIMZ Moskau, das den Anteil auslandischer Auftraggeber mit 3 Prozent angibt, wen­

det keine Sekundiirforschung an. Fiir osteuropaische Unternehmen ist die Notwendig­

keit, diese Aufgaben an Institute zu delegieren, nicht gegeben, da sie die gesuchten Se­

kundiirinformationen selbst mit geringen Kosten beschaffen konnen. Die amtliche Sta­

tistik hat als Datenquelle einen niedrigeren Stellenwert als z.B. in Deutschland. Die In-

183

Page 198: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

fonnationstiefe statistischer Daten ist aufgrund der wenig detaillierten Erfassung der

ZusHinde und der haufigen Manipulationen gering. Der offiziellen Statistik wie auch

der betrieblichen Statistik kann man nicht trauen, weil sie meistens zur Verschleierung

der wahren Zustande dient (ZENTZIS 1994,64). Unterschiede in der Zusammensetzung

und Berechnung statistischer Indikatoren sowie den Inhalten von Begriffen der Markt­

forschung treten erst bei der Interaktion zwischen in- und auslandischen Instituten und

Untemehmen zutage.

Die wichtigste Art der Befragung ist das Telefoninterview. Diese Methode laBt sich

allerdings nur in GroBstadten anwenden, die im Gegensatz zu landlichen Gebieten und

Kleinstadten eine sehr gute Ausstattung mit Telefonen aufweisen. Die Durchfiihrung

von Face-to-face-Interviews in Wohnungen wird durch die hohe Kriminalitat und dar­

aus resultierende Angst der Bevolkerung extrem erschwert. Schriftliche Befragungen

werden durch lange Postlaufzeiten behindert. Die Rucklaufquote betragt 5 bis 15%

(DEMIDOW 1992b, 24). Gruppendiskussionen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit

und bringen aufschluBreiche Ergebnisse hervor (EVANS, TOMLINSON 1993, 120).

Eine Ursache fur das kooperative Verhalten der befragten Konsurnenten kann darin lie­

gen, daB die osteuropaischen Verbraucher zum ersten Mal urn ihre Meinung gebeten

werden und ihre Ansichten gem kundtun. Nach bisherigen Erfahrungen wurden jedoch

die besten Resultate mit Verbrauchem niedrigeren Bildungsstandes erzielt. Bestimmte

soziale Schichten und Berufsgruppen, z.B. Beamte, verhalten sich auf Grund der jahre­

langen Angst vor offener MeinungsauBerung noch immer sehr zurUckhaltend

(DEMIDOW 1992b, 24). NIMZ St. Petersburg erwiihnt zusatzlich die Nachfrager- und

Expertenbefragung bei den angebotenen Leistungen, dort wird bei 35% der Erhebungen

auf die Befragung zurUckgegriffen, in Moskau sind es 20%. Eines der wenigen Ver­

braucherpanels wird als Familienverbrauchspanel von NIMZ St. Petersburg gefuhrt.

Obwohl Marketing und damit auch Marktforschung an Universitaten und Hochschulen

inzwischen gelehrt werden, besitzen die wenigsten Dozenten die entsprechende Ausbil­

dung. Nur wenige absolvierten ein Praktikum in westlichen Landem. Am Institut fur

Intemationale Bildung Berlin e.V., das sich auf Weiterbildung in den Gebieten Osteu­

ropas spezialisiert hat, ist bisher noch keine Nachfrage nach Seminaren in Marktfor­

schung verzeichnet worden. Erfahrene osteuropaische Untemehmer wiederum haben

184

Page 199: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

aus Zeitmangel und wegen niedriger Honorare kaum Interesse, ihr Wissen weiterzu­

vermitteln (SCHULUS 1994, 28). Auch die Angabe des Marktforschungsinstituts NIMZ

aus St. Petersburg, keinen Bedarf an WeiterbildungsmaBnahmen zu haben, besagt, daB

die Bedeutung des Fachwissens im Bereich der Marktforschung unterschatzt wird.

4.5.4 Finanzierung

4.5.4.1 Das Finanzsystem in der zentralen Planwirtschaft

In der UdSSR bestand ein Monobanksystem. Die Zentralbank GOSBANK als Kassen­

zentrum aller Volkswirtschaften der Union wie auch die AuBenhandelsbank gehOrten zu

den Finanzorganen des sozialistischen Staates, die fur die Durchsetzung der Finanzpoli­

tik verantwortlich waren (OKONOMISCHES LEXIKON 1996,281). Alle monetaren Strome

und BesHinde wurden durch die zentrale staatliche Planung dirigiert. Da die Zentralbank

tiber ein umfangreiches Filialnetz verfiigte, regelte sie auch den Zahlungsverkehr und

vergab Kredite. Neben der Zentralbank gab es noch einige Spezialbanken, z.B. Investi­

tionsbanken zur Finanzierung langfristiger Investitionen, Sparkassen als Sarnmelstelle

von privaten Erspamissen sowie Landwirtschaftsbanken.

Die jahrlich im Staatshaushaltsplan und im Volkswirtschaftsplan festgelegten finan­

ziellen Mittel bildeten den Finanzrahmen fur alle Glieder des volkswirtschaftlichen Pro­

duktionsprozesses. Verbindlich fur alle Betriebe wurden Zinsen und Volumina fur Kre­

dite, Umlauf mittel und langfristige Investitionskredite festgelegt. Die Eigenverantwor­

tung der Betriebe beschrankte sich auf eine effektive Nutzung der materiellen und fi­

nanziellen Ressourcen, ErschlieBung von Reserven und Verwirklichung des Sparsam­

keitsprinzips entsprechend staatlich festgelegten Normen. Das Gesetz fiber den

Staatsplan fur die okonomische und soziale Entwicklung der UdSSR, gfiltig ab

1.1.1988, verlangte u.a. bereits die "Durchsetzung der vollen wirtschaftlichen Rech­

nungsfiihrung und Eigenfinanzierung fur den GroBteil der Betriebe" sowie die "Senkung

der Selbstkosten durch Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts".

Die Untemehmen muBten 41 % der Nettoerlose an den Staat abfiihren, wobei Personal­

kosten nicht als Kosten eingingen, sondem der sozialistischen Auffassung gemaB aus

dem verbleibenden Gewinn zu bestreiten waren (VEB OFZ ARBEITSMATERIAL 1988).

FUr die Vergabe von Krediten waren die Vorgaben des zentralen Plans und das Ver­

handlungsgeschick der Untemehmensf'iihrer maBgeblich (BUCH 1993, 71). 1987 begann

185

Page 200: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

die schrittweise Einftihrung des zweistufigen Bankensystems. Aus der ehemaligen Mo­

nobank wurden Unterabteilungen ausgegliedert. Private Geschaftsbanken wurden zuge­

lassen, die tiber die Kreditvergabe und die Zinsen unabhfulgig entscheiden konnten. Let­

zere wurden meist von BehOrden und staatlichen Untemehmen gegriindet. Durch diese

Banken wurde der Zugang zu Krediten erleichtert (BUCH 1993, 72).

In den letzten Jahren vor dem Zerfall des Wirtschaftssystems gelang es den Lfuldem

Osteuropas nicht mehr, die Finanzierungssalden zwischen den Wirtschaftssubjekten zu

begrenzen. Sie waren jedoch nicht bereit, darauf mit marktwirtschaftlichen Reformen zu

reagieren und daraus resultierende Arbeitslosigkeit und ProduktionsrUckgang in Kauf zu

nehmen. Konkursreife Untemehmen wurden subventioniert. Die direkte Subvention der

Untemehmen tiber das Budget verstOBt i.d.R. gegen Ziele des Intemationalen Wah­

rungsfonds (IWF). Mit Rticksicht auf weitere oder angestrebte Unterstiitzung z.B. durch

IWF -Transformationsfaszilitaten wurden Subventionen verschleiert, indem sie in zins­

giinstige "Kredite" umgewandelt wurden. Mit dem Beginn der radikalen Reformen, der

Herstellung positiver Realzinsen und einer Verknappung von Staatskrediten wurde die

geringe Wahrscheinlichkeit der Rtickzahlung dieser Kredite offenkundig (RUHLE,

WINKLER 1994,23; DHAR, SELOWSKY 1994,44).

4.5.4.2 Finanzierung im Transformationsproze8

Die gesetzlichen Grundlagen fUr ein funktionsfahiges Finanzsystem aus Banken und

WertpapierbOrsen sind in den betrachteten Lfuldem inzwischen weitgehend gegeben.

Die Bankenlandschaft ist in den untersuchten Lfuldem Osteuropas sehr ahnlich. Neben

der Zentralbank, die aus der GOSBANK hervorgegangen ist, gibt es noch die groBen

staatlichen bzw. vom Staat kontrollierten Geschaftsbanken, Sparkassen und den groBen

Sektor der neu gegriindeten privaten Geschaftsbanken. Da in den baltischen Staaten bis

1991 keine eigenstfuldigen Kreditinstitute existierten, muBten sie hier erst gegriindet

werden (SCHWARZ, MOHME 1994, 668). Das geschah i.d.R. durch die Griindung von

Geschaftsbanken aus den ehemaligen Filialen der GOSBANK. Diese Banken wurden

als Spezialkreditinstitute oder Universalbanken gegriindet. In den Staaten RuBland,

Ukraine und WeiBruJ3land existierten Spezialbanken wie z.B. die AuBenhandelsbank

und die Landwirtschaftsbank noch aus der Zeit der UdSSR.

186

Page 201: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Es hat sich ein Universalbankensystem etabliert, das durch eine breite Palette an Ban­

kleistungen gekennzeichnet ist (KAPITALMARKTE IN MOE 1994, 160, 177; SCHWARZ,

MOHME 1994, 667). Neben den normalen Bankleistungen konnen die Banken auch bei

entsprechender Lizensierung an Wertpapierhandel und -emission und am Devisenge­

schaft teilnehmen (KAPITALMARKTE IN MOE 1994, 143-179). Private Geschiiftsbanken

mit einer soliden Kapitalstruktur und zunehmenden Marktanteilen gewinnen an Bedeu­

tung. In Litauen gibt es neben den Banken noch eine unbestimmte Anzahl an legalisier­

ten Untemehmen, die im Einlagen- und Kreditgeschiift tiitig sind (BOROCH, LOSCH,

1994, 28). In RuBland wird auslandischen Banken die Arbeit dadurch erschwert, dlill sie

nur eine Filiale errichten diirfen und dlill Privatkunden fur die Eroifnung eines Kontos

55.000 ECU einbringen mussen Co.V., OST-MARKT 5/96, 6).

Hier sollen drei Schwerpunkte der Finanzierung betrachtet werden: Zahlungsverkehr,

Kreditwesen in seiner Rolle als Fremdkapitalquelle wie auch fur kurzfristige Finanzie­

rung und Wertpapierhandel in seiner Bedeutung fur die Eigenkapitalbeschaffung der

Untemehmen.

4.5.4.2.1 Zahlungsverkehr

In RuBland ist die Zentralbank fur die Organisation des Zahlungsverkehrs Zllstandig.

Mit dem starken Anstieg der Zahlungen waren die Zentralbank und ihre Niederlassun­

gen uberfordert. Zahlungen dauerten oft Wochen, in Ausnahmen sogar Monate

(MOLLER 1994, 604). Ahnliche Bedingungen herrschten in der Ukraine aufgrund der

minderwertigen Telekommunikations- und Computemetze sowie schlecht ausgebildeter

Mitarbeiter (INVESTMENT GUIDE FOR THE UKRAINE 1993, 35). Seit 1994 erlebte RuBland

wegen der Lukrativitiit des Bankengeschiifts einen Bankenboom. Mitte 1995 konkur­

rierten 2.500 uberwiegend private Banken miteinander. Viele russische Banken bieten

derzeit einen guten Service und stehen in Geschaftsbeziehungen mit westlichen Banken.

Die groBten unter ihnen betreiben sogar Filialen im Ausland Co.V., OWC 6/1995, 19).

Die wichtigsten Zahlungsstrome des Landes laufen durch zwanzig bis dreiBig GroBban­

ken, die Uberweisungen erfolgen ohne Verz6gerung innerhalb weniger Tage. Die zah­

lenmaBig groBte Gruppe der mittleren und kleinen Banken ist auf regionaler Ebene tatig.

Nicht selten haben diese Banken Zahlungsschwierigkeiten, wodurch Verzogerungen im

Zahlungsverkehr auftreten (W ASILJEW 1996).

187

Page 202: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

WeiBruBland war das Testgebiet der UdSSR fUr die Erprobung vieler Innovationen im

Bankenbereich. Es verfiigt fiber ein voll automatisches Zahlungsvollzugssystem. Zah­

lungen innerhalb des Landes benotigen in der Regel zwei Tage. In den baltischen Staa­

ten sind Geldfiberweisungen unproblematisch; sie dauem in der Regel ebenfalls zwei

Tage. Settlementprozesse fUr groBe Interbankentransaktionen erfolgen zumindest in Est­

land und Lettland auf Tagesbasis. Zahlungsverzogerungen werden dadurch gef6rdert,

daB sich die Banken nicht nur billig aus dem Float, d.h. dem Geldbestand, der den Ban­

ken bei Oberweisungen und Schecks aus der Zeitdifferenz zwischen Gutschrift zugun­

sten des Zahlungsempfangers und Belastung des Zahlungsauftraggebers entsteht, refi­

nanzieren, sondem auch an den Zinsen verdienen, die aus der Kreditaufnahme von Un­

temehmen zur Oberbruckung von Liquiditiitslficken stammen (MOLLER 1994, 604).

AuffaIlig ist die rapide Verbesserung der technischen Ausstattung von privaten Ge­

schaftsbanken, die schnelle und transparente Transaktionen und verbesserte Dienstlei­

stungen ermoglichen (BOROCH, LOSCH, 1994,28). Das russische Bankensystem benutzt

fUr die Datenfibertragung versUirkt Satellitenkommunikationsnetze. In letzter Zeit

kommt auch der Bankwechsel als Zahlungsmittel im fiberregionalen Geschaft zu An­

wendung (W ASILJEW 1996). Trotz der verbesserten Moglichkeiten des Zahlungsver­

kehrs sind Bar- und Bartergeschafte weit verbreitet. Die Griinde fUr den steigenden un­

kontrollierbaren Umlauf der finanziellen Mittel sind mangelnde Zahlungsfahigkeit der

Untemehmen sowie Steuervermeidung und Intransparenz durch die Mafia

(WELISCHENKOV 1995, 4). Der GroBteil der Zahlungen zwischen den Rohstoffunter­

nehmen und ihren ausliindischen wie auch russischen Geschaftspartnem Hiuft fUr die

SteuerbehOrde unsichtbar fiber ausliindische Banken (BOGATYCH 1995, 22).

4.5.4.2.2 Fremdkapitalbeschaffung und Kreditwesen

Die Verfiigbarkeit und Ausgestaltung (Zinsen und Laufzeit) von Krediten wird von In­

flation, Kapitaldisposition, Risiken und Nachfrage beeinfluBt. 1m folgenden werden

zunachst die Auswirkungen der Inflation und der Kapitaldisposition fiber die Zinsen auf

die Einlagen- und Kreditstruktur betrachtet. AnschlieBend wird die fUr Osteuropa typi­

sche Problematik der Bad Loans dargestellt.

188

Page 203: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Inflation und Kapitaldisposition

Mangelnde institutioneHe Voraussetzungen und ein nur wenig liquider Geldmarkt fOh­

ren zu Schwierigkeiten bei der Geldmengensteuerung und vor aHem in WeiBruBland

und der Ukraine zu Inflation. Daraus resultierende negative Zinsen verhindem die Ent­

stehung von langfristigen Einlagen in einheimischer Wahrung (o.V., DIW-WOCHEN­

BERICHT 2511994, 423). In RuBland ist die Verzinsung der Bankeinlagen in Rubel nach

wie vor negativ. Bei fallenden Inflationsraten konnen je nach Anlagedauer bereits posi­

tive Zinsen erzielt werden. Der offizieHe Refinanzierungszins ist positiv (o.V., DIW­

WOCHENBERICHT 47-48/1994,816 ff.).

Die Kapitaldisposition ist ein entscheidender EinfluBfaktor fUr den Umfang der Kredit­

vergabe. Sie wird wiederum von der Inflationsrate und dem Zinsniveau beeinfluBt. Die

inHindische Kapitaldisposition besteht aus den Ersparnissen der Untemehmen, des

Staates und vor aHem der Haushalte. Die Entwicklung der Ersparnisse hangt besonders

yom Einkommen abo Neben der inlandischen Kapitaldisposition bestimmen vor aHem

der Kapitalimport tiber Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen und intemationale

Kredite, die Kapitaldisposition eines Landes.

Die Direktinvestitionen sind gering (o.V., DIW-WOCHENBERICHT 47-4811994, 820),

und bei bilateralen Regierungskrediten ist ein drastischer Rtickgang zu verzeichnen

(0. V., DIW -WOCHENBERICHT 1911994, 296). Bilaterale Regierungskredite sind i.d.R.

Handelskredite, die nicht investitionswirksam werden. Daneben erhalt RuBland noch

SystemtransformationsfasziliHiten yom IWF. Das hohe russische Budgetdefizit nimmt

einen weiteren Teil der Kapitaldisposition in Anspruch. Die Situation der baltischen

Staaten ist leicht positiv, die der Ukraine und WeiBruBland auf allen Dimensionen als

negativ zu bewerten.

Die Ersparnisse der Untemehmen werden in Anbetracht der fUr aHe osteuropaischen

Lander schlechten Konjunkturaussichten und der groBen Probleme der Untemehmen

beziiglich der Restrukturierung wenig Bedeutung haben. Dariiber hinaus steHt der Ka­

pitalabfluB aus Grunden der Steuervermeidung und Sicherung vor der Mafia insbeson­

dere in RuBland, der Ukraine und in WeiBruBland eine weitere betrachtliche Schmiile­

rung der inlandischen Kapitaldisposition dar. Schatzung tiber den bisherigen russischen

189

Page 204: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

KapitalabfluB ins Ausland belaufen sich auf tiber 100 Mrd. US$ (o.V., HB 28.12.1994).

Die jlihrliche Kapitalflucht betragt bis zu 18 Mrd. US$. Das Geld wird kaum industrieH

investiert, sondem vor aHem in Immobilien und sichere Kapitalanlagen umgewandelt

(HODOV 1995, 154).

1m Bereich der Ersparnisbildung des Staates spielt vor aHem das Steuersystem eine

Rolle. Standige Gesetzesanderungen, eine tiberforderte Verwaltung und Willktir fiihren

zu erheblichen Steuerwiderstanden seitens der Untemehmen und Haushalte.

Bad Loans, Kreditsicherheiten

Als Resultat und als Verstarker des Kapitalmangels ist die Problematik der Bad Loans,

d.h. der Kredite, deren Rtickzahlung unwahrscheinlich ist, zu betrachten. Bei den Bad

Loans der Gegenwart spielen die Altkredite, die die Nachfolgebanken nach der Auf­

spaltung der GOSBANK geerbt haben, keine Rolle. Die Realwerte dieser Kredite sind

nach den hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre fast aufgezehrt (o.V., DIW­

WOCHENBERICHT 19/1994, 310). Eine Ursache fUr den derzeitigen Bestand an Bad Lo­

ans liegt in subventionierten Zentralbankkrediten, die von der Zentralbank tiber die Ge­

schaftsbanken mit einem viel zu niedrigen Aufschlag und ohne jegliche Bonitatsprtifung

an die Untemehmen weitergegeben werden (o.V., DIW-WOCHENBERICHT 19/1994, 310-

311). Diese sogenannten weichen Kredite sind in RuBland, WeiBruBland, Ukraine und

im Landwirtschaftsbereich in Litauen tiblich.

Der Zinssatz fUr Zentralbankkredite ist weiterhin sehr niedrig, zum Teil im negativen

Bereich (DIW-Wochenbericht 47-48/1994, 818). Ein weiterer Grund fUr die Existenz

der Bad Loans ist die Kreditvergabepraxis der "Wildcat-Banken". Diese Banken, die in

ihrer tiberwiegenden Mehrheit in den Zeiten der Nichtregulierung entstanden sind, und

deren Aktionare haufig Untemehmen oder staatliche Institutionen sind, wurden mit dem

Ziel gegrtindet, den beteiligten oder befreundeten Untemehmen Kredite zu verschaffen.

Sie vergeben einen GroBteil ihrer Kredite an ihre Eigenttimer, ohne auf Kreditvergabe­

richtlinien zu achten. Der Anteil der "Wildcat-Banken" am Gesamtbestand der russi­

schen Banken betrug bis 1994, je nach Schatzung, bis zu 80 Prozent (JOHNSON 1994,

979). Ihre Grtindung ist nach der Einfilhrung von Bankengesetzen und -regelungen er­

schwert.

190

Page 205: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Eine weitere Ursache fUr den hohen Bestand an Bad Loans ist eine diskretionare Kredit­

politik seitens der Notenbanken in RuBland, WeiBruBland und der Ukraine. Die Zentral­

banken fungieren als Kreditquelle fUr den Notfall, und gleichen vor allem bei staatlich

kontrollierten Banken Verluste aus Kreditgeschafien aus. Dies nimmt den Unternehmen

und der Bevolkerung den Anreiz, Banken auf Seriositat zu priifen. Die Bankenaufsicht

wurde zwar verbessert, sie bleibt aber ohne glaubWOrdige Konkursdrohung wenig wirk­

sam. FUr RuBland gehen Schatzungen von bis zu 50 Prozent Bad Loans am Gesamtkre­

ditbestand der Banken aus (RUHLE, WINKLER 1994, 37). Konkursgesetze, die in allen

Landern Osteuropas existieren, werden jedoch bisher nur in Estland konsequent ange­

wendet (o.V., BALTIC NEWS, 1.-16.1.1995,5).

Eiolageo- ood Kreditstruktur

Kurzfristige Einiagen machen ca. 80 % der gesamten Bankeinlagen in heimischer Wah­

rung aus (o.V., HB 5.12.1994). Auf dem Interbankenmarkt betragen sie selten mehr als

vier Wochen, fUr den Unternehmenssektor sind Laufzeiten bis zu drei Monaten ublich

(o.V., OSTEUROPA AUF REFORMKURS 12/1994,35; DIW-WOCHENBERICHT2511994, 423).

Langfristige Investitionskredite sind im Rubelbereich fast ausschlieBlich Zentralbank­

kredite mit negativen Zinsen, deren Ausgabe jedoch eingeschriinkt werden solI. Unter­

nehmen, die diese subventionierten Kredite nicht erhalten, das sind i.d.R. Neugriindun­

gen, aber auch klein- und mittelstiindische Unternehmen, mussen sich uber die am

Markt angebotenen Kredite finanzieren. Dies hat zur Folge, daB Kredite fUr langfristige

Investitionen standig prolongiert werden mussen, falls sie uberhaupt erhiiltlich sind.

Langfristige Kredite, die nicht von der Zentralbank subventioniert sind, werden fast aus­

schlieBlich an Unternehmen der Telekommunikations- und Rohstoffbranche vergeben.

Der beziiglich der Ertrage in der Transformationswirtschaft dominierende Handelssektor

bzw. Arbitragehandel fragt in der Regel kurzfristige Handelskredite nach, in heimischer

Wiihrung oder in Devisen. Da der Handel relativ lukrativ ist, konnen sich diese Unter­

nehmen Kreditzinsen leisten, die andere Unternehmen nicht mehr bezahlen konnen

(BOLZ, POLKOWSKI 1994, 24, BOROCH, LOSCH 1994, 43). Der uberhOhte kurzfristige

Zins fiihrt dazu, daB viele durchaus rentable Unternehmen nicht in der Lage sind, kurz­

fristige Liquiditatskredite oder langfristige Investitionskredite aufzunehmen.

191

Page 206: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Bei Kreditvergabe zwischen Untemehmen spielten Lieferantenkredite in den ersten Jah­

ren des Transformationsprozesses eine wichtige Rolle. Die praktische Gefahr des Kon­

kurses ist auch nach der Verabschiebung des Konkursgesetzes sehr gering, deswegen

gehOrt die Schuldenbegleichung immer noch nicht zu der Prioritiiten der Geschaftsfiih­

rung (BELJANOVA 1995, 19). Schlechte Zahlungsmoral und seltene Anwendung der

Konkursgesetze fiihrten zu einem Rtickgang der Lieferantenkredite. Gegenwartig muB

die Ware sofort oder vorab bezahlt werden (o.V., DIW-WOCHENBERICHT 19/1994,313-

314). Leasing ist in den osteuropiiischen Staaten noch nicht weit verbreitet. 1m Sommer

1994 wurde in RuBland der Verband der Leasing-Gesellschaften gegrtindet, dem zu die­

sem Zeitpunkt ca. 15 Untemehmen angehOrten (o.V., CENTRAL EUROPEAN Oktober

1994, 23). Schwerpunkte des Leasing sind Schiffe und AutoslLKW sowie Flugzeuge.

4.5.4.2.3 Eigenkapitalbescbaffung und Wertpapierbiirsen

In den Jahren 1992/93 wurde der Finanzierungsbedarf der russischen Untemehmen zu

ca. 50 % tiber die im Untemehmen zurUckbehalten Gewinne gedeckt, 14 % tiber Bank­

kredite (BARD 1994, 157). In Estland wurden im Jahre 1993 ca. 70% der Investitionen

mit Eigenkapital finanziert, ca. 11 % tiber Bankkredite (BURGER, LENZNER 1994, 38).

Die Preissteigerungen in den folgenden Jahren fiihrten zur Entwertung der betrieblichen

Umlaufmittel. Bis zu 25% des Bilanzgewinns mtissen dafiir aufgewendet werden, die

inflationsbedingten Verluste an Umlaufmitteln zu kompensieren. Die Finanzierung

durch Abschreibung reicht wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Buchfiihrung nicht

aus, urn die Produktionsmittel auf gleichbleibendem Niveau zu amortisieren und erst

recht nicht, urn sie zu emeuem (MELENTJEV 1995, 14). Sehr hohe Steuerforderungen

machen in vielen Landem Osteuropas die Gewinne zunichte und schriinken so die Fi­

nanzierungsmoglichkeiten weiter ein bzw. bewirken Steuerhinterziehung. In RuBland

z.B. erreichen in vielen Regionen die Abgaben 95% der Gewinne (SCHMELEV 1995,29).

Privatisierungsbedingte Finanzierungsprobleme sind ausfiihrlich in Kap. 4 beschrieben.

Am finanzierungswirksamsten ist die Privatisierung in Estland. Die kleinen Untemeh­

men wurden tiber Auktionen verkauft, die groBen Untemehmen tiber Ausschreibungen

(BURGER, LENZNER 1994, 16). Die gegenwiirtige Unterbewertung der Aktien laBt lang­

fristig hohe Gewinne erwarten. FUr die an den Borsen gelisteten Untemehmen bedeutet

192

Page 207: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

dies, daB fiber den mittel- bis langftistigen Kursanstieg der Aktie eine bedeutende Basis

fUr KapitalerhOhungen entsteht (o.V., CENTRAL EUROPEAN, 1211994, 111995, 18).

Mittelstiindischen Untemehmen wird zunehmend Venture-capital von ausliindischen

Investmentfonds zur Verfiigung gestellt (o.V., CENTRAL EUROPEAN 1211994, 111995,

20). Auch inliindische, staatlich kontrollierte, regionale Privatisierungs- bzw. Invest­

mentfonds, die Beteiligungspakete jedoch fast ausschlieBlich ohne Kontrollmehrheit

erwerben sollen, stellen den Untemehmen damit Kapital fUr langftistige Investitionen

zur Verfiigung (o.V., DIW-WOCHENBERICHT 211995,60). Diese in Einzelfrulen wirksa­

me Finanzierungsquelle hat jedoch, gemessen am landesweiten Bedarf an Kapital, ge­

ringe Bedeutung.

Ein flir die Beteiligungsfmanzierung wichtiges Hindernis stellt die Kontrolle vieler Un­

temehmen durch Management und Belegschaft dar, so daB sogar groBe Aktionare mit

einem 20%-igen Anteil keinen Vertreter in den Vorstand einbringen konnen

(MELENTJEV 1995, 15). Rechte und strategische Interessen der Minderheitsaktioniire

werden grob verletzt. Da angenommen werden kann, daB die Untemehmensleitung Ein­

fluB nicht zugunsten von Eigenkapital aufgeben wird, werden viele bOrsenfahige Unter­

nehmen dem Wertpapiermarkt fembleiben.

Der Wertpapiermarkt und die erforderlichen Institutionen sind in den untersuchten Liin­

dem noch im Entstehen. RuBland verfiigt fiber ca. 60 Waren- und WertpapierbOrsen,

von denen jedoch nur 52 nennenswerte Wertpapierumsatze haben (KAPITALMARKTE IN

MOE, 1994 130). Fast jede der etablierten Borsen hat eigene Borsenzulassungsverfah­

ren (o.V., CENTRAL EUROPEAN EMERGING SECURITY MARKET 1994,21). Am Abrech­

nungstag mfissen Beauftragte von Kaufer und Verkaufer der Aktien der Aktieneintra­

gung beiwohnen, unabhangig davon, ob sich das Register in Moskau oder in Wladi­

wostock befindet (o.V., CENTRAL EUROPEAN EMERGING SECURITY MARKET 1994,20).

Dieser Aufwand macht den Aktienkauf fUr viele Interessenten unattraktiv. Fiir ausliindi­

sche Banken gilt bis zum Juni 1999 das Verbot, mit russischen Wertpapieren zu handeln

(o.V., OST-MARKT 5/96, 6).

193

Page 208: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

In allen osteuropaischen Landem werden schatzungsweise 80 Prozent der Aktienge­

schafte auBerbOrslich als Tafelgeschafte abgewickelt (OTC-Markt)(KApITALMARKTE IN

MOE, 1994, 129).

Heute ist der Wertpapierrnarkt in den Landem Osteuropas noch kein Instrument, urn

einer breiten Basis von Untemehmen Eigenkapital zu beschaffen. (o.V., CENTRAL

EUROPEAN EMERGING SECURITY MARKET 1994, 27). Bisher werden Aktien zumeist von

Banken und Investmentgesellschaften gehandelt. Industrieuntemehmen sind bis auf ei­

nige groBe Rohstoffuntemehmen und Untemehmen aus dem Kommunikations- und

Logistiksektor die Ausnahme (o.V., OSTEUROPA AUF REFORMKURS 1211994,38).

194

Page 209: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5 Empirische Untersuchung

Dieses Kapitel umfaBt die Erhebungsmethodik und die Ergebnisse der empirischen Un­

tersuchung. In 5.1 werden die spezifische Situation osteuropruscher Managementfor­

schung, die angepaBten Erhebungsmethoden und die zugrundeliegende Datenbasis dar­

gelegt. In 5.2 sind die Ergebnisse aus den Interviews mit verantwortlichen Managem in

Osteuropa 1994 und 1995 sowie aus den schriftlichen Befragungen 1994 dargestellt.

5.1 Methodik

Die hier berichtete empirische Untersuchung zur Ermittlung typischer Probleme und

subjektiver ErfolgsmaBstabe und Erfolgsfaktoreneinschatzungen durch das Transforma­

tions-Management folgt einern exploratorisch-deskriptiven Ansatz. Ebenfalls an diesem

Ansatz orientieren sich die Methodik der Datenerhebung und -auswertung sowie die

Sample-Auswahl fiir diesen Untersuchungsabschnitt. Die Methodik der ernpirischen

Untersuchung wird in drei Abschnitten dargestellt: Der erste Abschnitt beinhaltet die

Datenerhebung, hierbei vor allern deren Besonderheiten irn deutsch-osteuropaischen

Kontext. In einem zweiten Abschnitt werden die Datenbasis und die relevanten Charak­

teristika der untersuchten Untemehmen erlautert. In einem dritten Abschnitt wird auf die

spezifische Methodik der Auswertung eingegangen.

5.1.1 Datenerhebung

Die Datenerhebung fiir diese Studie folgt irn wesentlichen der Methodik der exploratori­

schen Erfolgsfaktorenforschung phasenbezogener Phanomene, wie sie von uns schon

fiiiher entwickelt und eingesetzt wurde (TROMMSDORFF, WILPERT 1991, 49ff.,

SCHUCHARDT 1994, 128ff.). Kemstiicke der Methodik sind ein (transformations­

spezifisches) Phasenmodell (Teil 2.1.4), ein verhaltenswissenschaftlich orientierter, in­

novationstheoretischer Ansatz (Teil 2.2.2), ein transformationsbezogener Erfolgsfak­

torenansatz (Teil2.3) und ein intemationaler Erhebungsansatz.

Nachfolgend werden die besonderen Erhebungsaspekte erortert. Ausgehend von der

inhaltlichen Zie1setzung wird zunachst auf die Besonderheiten des deutsch-osteuropa­

ischen Kontextes eingegangen und danach auf die einzelnen Erhebungsinstrumente.

195

Page 210: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.1.1 Inhaltliche Zielsetzung

Eine der exploratorischen Zielsetzungen dieser Untersuchung ist es, Transformations­

unternehmen fiber marketingrelevante Perspektiven zu erfassen, urn damit einen Fundus

fur die Ableitung weiterfiihrender Hypothesen zu erhalten.

Den Kern der Befragung bilden allgemeine Fragen nach Aufgaben und typischen Pro­

blemen jeder Transformationsphase. Sie werden durch die in Kapitel 2 aus der Literatur

erarbeiteten problemspezifischen Fragestellungen ergiinzt. Zur Einordnung und Analyse

der Befragungsergebnisse beruglich der unterschiedlichen Strukturen und Auspra­

gungen der Kooperationsvorhaben wurden damber hinaus Rahmendaten des lokalen

Umfeldes, der lokalen Institutionen und Verbande und der lander- und branchenspezifi­

schen Besonderheiten erhoben. Die Rahmendaten waren fiberwiegend in Deutschland

nicht verfugbar und muBten vor Ort erhoben werden, zusatzlich zu den aufgaben-, pro­

blem- und transformationsbezogenen Daten.

5.1.1.2 Deutsch-osteuropiiischer Forschungskontext

Die besonderen methodischen Schwierigkeiten liegen im interkulturellen Kontext be­

grfindet, der sich durch die groBe physische und kulturelle Distanz zu den Befragungs­

einheiten, die Unterschiedlichkeit der Lander und die eingeschrankte Zuganglichkeit der

ausgewahlten Transformationsunternehmen auszeichnet. Hinzu kommt die grundsatzli­

che Kulturbezogenheit der Managementforschung und der Mangel an adaquaten Kon­

zepten (SCHUCHARDT 1994,53 ff.).

FUr die Methodik der Datenerhebung identifiziert KUMAR (1988) mehrere StOrgr6Ben,

welche die Valididat internationaler, empirischer Studien beeintrachtigen k6nnen:

• kulturelle Vorurteile der Forscher,

• mangelnde kulturelle Anpassung der Erhebungsinstrumente,

• fehlende interkulturelle Vergleichbarkeit von Ergebnissen,

• mangelnde Zurechenbarkeit von Ergebnisbesonderheiten zu kulturellen Spezifika,

• problematische Stichprobenauswahl.

196

Page 211: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Gefahr, daB solche StorgroBen bei deutsch-osteuropaischer Empirie aufireten, ist

aufgrund der groBen interkulturellen Distanz grundsatzlich gegeben. Fiir die Wirt­

schafts- und Sozialforschung im Osten sind zusatzliche Restriktionen zu beachten

(TROMMSDORFF, WILPERT 1991, 51):

• abnehmendes Vertrauen der Befragten gegeniiber westlichen Fremden,

• politische Zuriickhaltung und Absicherung,

• hoher Zeit- und Kostenaufwand fUr die Feldforschung

• Erwartungshaltung bezltglich gewiinschter Kooperationskontakte.

Moglichen kulturellen Vorurteilen wurde durch die Einbeziehung osteuropaischer For­

scher, lokaler Partnerinstitute mit Feldforschungserfahrung sowie von russisch-stam­

migen Projektmitarbeitem Rechnung getragen. Damit wurde auch die kulturelle Eig­

nung der Erhebungsinstrumente sichergestellt. Die interkulturelle Vergleichbarkeit der

Daten wurde durch die gemeinsame Integration der Daten durch das deutsche und das

osteuropaische Forschungsteam gewahrleistet und durch russische Sprachkenntnisse der

Teammitglieder und ein ausfiihrliches zweisprachiges Glossar fUr die Verwendung in

Interviews untersrutzt.

Fiir die Erhebung wurde eine Kombination sich erganzender Methoden eingesetzt: Of­

fene Interviews unter Einbeziehung der Critical-Incidents-Methode (FLANAGAN 1954)

mit einer untersrutzenden Fragebogenbefragung.

In Russland, WeiBruBland und der Ukraine wurden die Interviews und Fragebogenbe­

fragungen in russischer Sprache abgehalten. In Estland, Lettland und Litauen wurden

bei den personlichen Interviews und den abschlieBenden Symposien Dolmetscher der

jewiligen Landessprachen eingesetzt. Die schriftliche Befragung erfolgte nach vorheri­

ger Absprache wahlweise in englischer oder russischer Sprache.

Mit Ausnahme der deutschen Botschaft in Estland zeigten sich die deutschen und loka­

len Institutionen hilfreich und kooperativ.

197

Page 212: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.1.3 Erbebungspbasen

Die Untersuchung wurde sowohl in Form von schriftlichen und telefonischen Befra­

gungen als auch durch pers6nliche Leitfadeninterviews bei ausgewiihlten Unternehmen

in den einbezogenen Landern durchgefiihrt. Die Erhebung erfolgte in vier Phasen.

Ziel der ersten Phase war die Kontaktaufnahme, Ermittlung erster Rahmendaten zur gro­

ben Einordnung der verfiigbaren Unternehmen und deren Partnergesellschaften sowie

der Auswahl der untersuchten Unternehmen. Diese Erhebung erfolgte mittels einer

schriftlichen Kontaktaufnahme mit Projektdarstellung und Bitte urn Mitwirkung. Es

wurden 104 Unternehmen einbezogen. Aus den zur Mitwirkung bereiten Unternehmen

wurden insgesamt 33 fUr eine vertiefte exploratorische Befragung ausgewiihlt.

In der zweiten Untersuchungsphase wurden den 33 einbezogenen Unternehmen gemein­

sam durch das deutsche und die osteuropliischen Teams vertiefende Fragen zu ausge­

wiihlten Problemschwerpunkten gestellt. Die Auswahl der Schwerpunkte erfolgte so­

wohl nach fachlichen (Marketing, Management) und transformationsrelevanten Kriteri­

en. Die Erhebung der Daten in dieser Phase erfolgte durch Leitfadeninterviews, Frage­

bOgen und Dokumentenanalysen.

Mit einer schriftlichen Nacherhebung in der dritten Phase wurde das Ziel verfolgt, feh­

lende Daten zu ermitteln und Veranderungen in den Umfeldbedingungen nach dem Ab­

schluB der ersten Interviews festzustellen. Aufgrund der teilweise dramatischen Trans­

formationsgeschwindigkeit waren hier in einigen Flillen bereits nach wenigen Monaten

einschneidende Veranderungen festzustellen. Diese Erhebung wurde durch Fax­

iibermittelte schriftliche FragebOgen sowie leitfadengestiitzte Telefoninterviews mit den

osteuropliischen Managern durchgefiihrt. Aus dieser Zwischenerhebung konnten insge­

samt 24 Datenslitze fUr die Analyse verarbeitet werden.

In der vierten Phase erfolgte die abschlieBende pers6nliche Befragung der verantwortli­

chen osteuropliischen Manager. Hierbei konnten aufgrund von Konkursen, Ar­

beitsiiberlastung und Desinteresse einige~ Samplemitglieder nur noch 22 Unternehmen

des urspriinglichen Samples einbezogen werden.

198

Page 213: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.1.4 Erhebungsinstrumente

Die genannten und im Rahmen der verschiedenen Untersuchungsphasen verwendeten

Erhebungsinstrumente waren

• FragebOgen (1 und 2) fUr die Vor- und Zwischenerhebung,

• LeiWiden fUr personliche Interviews und Telefoninterviews.

5.1.1.4.1 Fragebogen itir die schriftliche Befragung

Der Fragebogen (1) fUr die Kurzcharakteristik der Unternehmen (Vorerhebung 1993/94)

beinhaltete im wesentlichen erste Fragen zu den Rahmendaten der zu untersuchenden

Unternehmen. Ziel war die Identifikation fUr die Untersuchung geeigneter Transformati­

onsunternehmen.

Auf der Basis der personlichen Leitfadeninterviews worden fUr die Erhebung in der

zweiten Phase schriftliche FragebOgen erstellt. Die Daten dienten der Ermittlung von

Transformationsentwicklungen und von personlich nicht abgefragten Daten. Aus befra­

gungspsychologischen Griinden worde der Fragebogen in mehrere Abschnitte unterteilt,

und die komplexeren oder problematischeren Fragen, zum Beispiel zur Preisbildung,

ans Ende gestellt (Anhang 3).

5.1.1.4.2 Leitiaden itir personliche Interviews

Die Leitfaden fUr die zweite Phase (1994) dienten der ersten Ermittlung typischer Auf­

gabenstellungen und Probleme in bezug auf Transformation im Marketingbereich der

Unternehmen. Die Fragen waren fUr das bearbeitete Fachgebiet Marketing gegliedert in

allgemeine Rahmen- und Branchendaten sowie in transformationsspezifische Daten zu

Umfeld, Strategie, Informationsbeschaffung und den vier Marketinginstrumenten. Er­

ganzend worden kritische Problemfelder in fUr die Marketing-Transformation relevan­

ten Bereichen wie Controlling, Organisation, Beschaffung und Kooperation abgefragt.

Die einleitenden Fragen nach Umfeldentwicklungen erwiesen sich wabrend der Befra­

gung aufgrund der unterschiedlichen Denktradition der Manager als schwierig. Die ent­

sprechenden Daten muBten durch die Interviewer daher zumeist indirekt wahrend der

Befragung zu anderen Themenbereichen mit ermittelt werden.

199

Page 214: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Der exploratorischen Zielsetzung folgend waren die Fragen offen gehalten und wurden

durch die Verwendung der Critical-Incidents-Methode unterstiitzt (FLANAGAN 1954;

BLOHM 1989; TROMMSDOFF, WILPERT 1991; SCHUCHARDT 1994). Mit dieser Methode

teilt der Befragte durch gelenkte Assoziation subjektiv besonders kritische und typische

Problemstellungen und Beispiele mit. Einige der befragten Manager hatten mit der Be­

antwortung sehr ungelenkter Fragen Schwierigkeiten, was auf die eher reaktiv ausge­

pragte Denkweise osteuropruscher Manager (KNAPP 1992; SCHUCHARDT 1994,305)

zuriickgefiihrt werden kann.

5.1.1.4.3 Symposien

Ergiinzend wurden in Moskau, Kiew und Riga regionale Symposien mit den einbezoge­

nen Untemehmen und Vertretem lokaler Institutionen veranstaltet. Auf diesen Sympo­

sien wurden erste Ergebnisse diskutiert und in bezug auf die weitere Verarbeitung und

Interpretation bewertet und ergiinzt. Die Untersuchungen und Symposien wurden in

mehreren Landem durch die lokale Presse kommentiert.

5.1.2 Datenbasis

5.1.2.1 Anzahl nnd Answahl der befragten Unternehmen

Fiir die Auswahl geeigneter Untemehmen fUr die Zielsetzung dieser Untersuchung wur­

den mehrere Wege parallel beschritten. Zunachst wurden die lokalen Kooperationspart­

ner und Marktforschungsinstitute sowie die Botschaften und Handelsvertretungen urn

Nennung geeigneter Untemehmen gebeten. Hierzu wurden Vorauswahlkriterien hin­

sichtlich Branchenzugehorigkeit, GroBe und Transformationsstand gegeben. Ziel war,

pro Land funf bis sechs ehemalige Staatsuntemehmen im Anfangsstadium der Privati­

sierung zu finden, die nach westeuropaischen Kategorien beziiglich Umsatz und Perso­

nalstarke als Mittelstandsuntemehmen gelten wiirden. Produzierende Untemehmen des

Konsurnguterbreiches hatten die hOchste Prioritat. Es sollten jedoch nicht mehr als zwei

Untemehmen pro Land derselben Branche angehOren.

Einer ersten Auswahl geeigneter Untemehmen wurden dann in Phase 1 des Projektes

Pilotfragebogen zugesendet, urn auf der Basis der tatsachlichen Untemehmensdaten eine

fundierte Auswahlentscheidung treffen zu konnen. Hintergund fUr diesen Zwischen-

200

Page 215: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

schritt war die mangelnde Verfiigbarkeit und VerlaBlichkeit relevanter Untemehmens­

daten in den Ziellandem. Tab. 40: Befragte Sampleuntemehmenje Untersuchungsphase stellt die

Auswahl der befragten Untemehmen je Projektphase dar.

Die abnehmende Zahl der einbezogenen Untemehmen tiber die Erhebungsphasen ist

sowohl mit konkursbedingten Betriebsstillegungen als auch mit extrem positiven Ent­

wicklungen im Marketing zu erklaren (LAlMA 1994/5), die dem Management ein weite­

res Engagement in einem diesbeziiglichen Forschungsprojekt nicht mehr vordringlich

erscheinen lieB.

Tab. 40: Befragte Sampleunternehmen je Untersuchungsphase

Land I Branche Vorbefragung Personliche SchriftJiche Personliche Interviews Nacherhebung Interviews

RuBland 11 11 7 7 Food 3 3 2 2 Nonfood 6 6 4 4 IndustriegQter 2 2 1 1

Belarus 5 5 3 3 Food 1 1 - -Nonfood 1 1 1 1 IndustriegQter 3 3 2 2

Ukraine 6 6 5 3 Food 3 3 2 -Nonfood 2 2 2 2 IndustrieQiiter 1 1 1 1

EsUand 4 4 4 3 Food 2 2 2 1 Nonfood 2 2 2 2 Industriegiiter - - - -

Lettland 4 4 3 3 Food 2 2 1 1 Nonfood 2 2 2 2 IndustrieQiiter - - - -

Litauen 3 3 2 3 Food 1 1 - 1 Nonfood 1 1 1 1 Industriegiiter 1 1 1 1

5.1.2.2 Struktur der Stichprobeo

Entsprechend den Auswahlkriterien ergab sich, verteilt tiber die betrachteten Lander,

eine gewollt heterogene Stichprobe.

201

Page 216: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.2.2.1 GroBe der Unternehmen

Die Samplebetriebe hatten zu Beginn der Untersuchung zwischen 100 und 5600 Mitar­

beiter, im Durchschnitt waren es ca. 1000 (Abb. 33).

, o 1000 2000 3000

Milarbeiler

4000

Abb.33: GroBe der Unternehmen nach Anzahl der Mitarbeiter

5.1.2.2.2 Gesellschaftsform

5000 6000

13 der 22 Betriebe waren zu Beginn der Untersuchung bereits als Aktiengesellschaften

offenen (AGoT) und geschlossenen Typs (AGgT) bzw. GmbH privatisiert (Abb. 34).

AGgT(6)

Abb. 34: Rechtsformen der Unternehmen wiihrend der zweiten Erhebungsphase

202

Page 217: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Abb. 34 stellt die Rechtsformen der untersuchten Untemehmen wahrend der zweiten Er­

hebungsphase dar. Bis zur dritten Phase wurden insgesamt 5 Untemehmen in privat­

wirtschaftliche Rechts- und Eigentumsformen uberf'iihrt (3 in Estland, 1 in Lettland, 1 in

RuBland). Dabei handelte es sich ausnahmslos urn Aktiengesellschaften in Staatsbesitz,

die ganz oder teilweise in Privateigentum uberf'iihrt wurden.

5.1.2.2.3 Branchenbezug

Entsprechend dem exploratorischen Anspruch der Untersuchung wurden Betriebe aus

unterschiedlichen Branchen untersucht. Bei der Auswahl wurde Wert darauf gelegt, daB

vor all em Konsumguterhersteller (Food und Non-Food), jedoch auch einige Investiti­

onsguterhersteller vertreten waren (Abb. 35).

Food (5)

Invest (5)

Abb. 35: Branchen der Sample-Unternehmen

Non Food (12)

Die Untemehmen waren in folgenden Branchen tlitig: Kunststoffverarbeitung, Maschi­

nenbau, Elektronik, MeBtechnik, Medizintechnik, Textil- und Lederwaren, Kosmetik

und Nahrungsmittel und sonstige.

5.1.2.2.4 Kontakt mit westIichen Beratern

Sechs Untemehmen unterhielten Kontakte zu westlichen Untemehmensberatem, bei

fiinf von ihnen entstand dieser Kontakt erst wahrend der Projektlaufzeit. Diese Unter­

nehmen befanden sich in RuBland, Lettland und der Ukraine.

203

Page 218: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.2.3 QuaIitit der Datenbasis

Neben den traditionell politisch bedingten Informationsschranken in Osteuropa behin­

derten auch die herkommliche Zuruckhaltung (bis zum Verschleierungsverhalten) und

die nach wie vor hiiufig anzutreffenden Scheinaktivitiiten der osteuropiiischen Manager

die Gewinnung realistischer, korrekter Daten. Durch unterschiedliche Landerbedingun­

gen, Branchen, Transformationsphasen, UntemehmensgroBen und -strukturen sowie

Untemehmenskulturen gibt es Unterschiede in der Datenqualitat. Diese konnten teilwei­

se durch die schriftliche Zwischenerhebung geheilt werden. Trotzdem blieb die Daten­

basis zu einigen Bereichen luckenhaft und inhomogen, was deren Auswertung er­

schwerte. Auf die geplante marketingbezogene Analyse ausgewiihlter Aufbau- und Ab­

lauforgansiationsmerkmale muBte deshalb verzichtet werden.

Die Ergebnisse der Vorerhebung und der Fragebogenumfrage Ende 1994 liegen in Form

von ausgefiillten FragebOgen vor. Die Daten bestehen aus betriebswirtschaftlichen Un­

temehmensdaten, Ratings von subjektiven Einschiitzungen und verbalen Erliiuterungen.

Je nach Kooperationsphase und Grad der Vertraulichkeit variiert die Beantwortungsrate.

Die Datenbasis der Fragebogenbefragung eignet sich daher bei manchen Fragen nur zu

qualitativen Analysen, was jedoch mit der der explorativen Zielsetzung vereinbar ist.

Die Ergebnisse der fallbezogenen Leitfadeninterviews sind in handschriftlichen und

getippten Befragungs- und Beobachtungsprotokollen sowie in Form von aggregierten

Fallstudien (vgl. Kap. 3) dokumentiert. Die ausgewiihlten Einzelfallstudien wurden im

Rahmen mehrtiigiger Aufenthalte vor Ort erhoben und durch individuelle Ruckfragen

korrigiert. Ihre Qualitiit ist gut. Die Querschnittsdaten aus der Leitfadenbefragung wur­

den nach den Interviews in eine ubersichtliche Form ubertragen und durch Beobachtun­

gen und Eindriicke der F orscher ergiinzt.

Prinzipiell kann man Erfolgsmessungen durch Insider oder durch Outsider durchfiihren

lassen. Das Untersuchungsdesign legt nahe, daB die Personen, die die Befragungen bei

den Untemehmen durchgefiihrt haben, auch die Erfolgsbewertung vomehmen. Durch

den Einsatz von Interviewerteams, standardisierten FragebOgen und einheitlichen Er­

folgskriterien wurde dabei groBtmogliche Objektivitiit erreicht.

204

Page 219: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.1.2.4 Datenauswertung

Die Untemehmen im Sample sind nach nach Branchen, Transformationsstand, GroBe,

Struktur und Strategie heterogen, was statistischen Parameteriesierungen vieler Varia­

bIen des Datensatzes von vornherein widerspricht. Aufgrund der exploratorischen Ziel­

setzung standen qualitative Auswertungsmethoden im Vordergrund. Zu einigen Frage­

stellungen erwies sich jedoch die Anwendung einfacher quantitativer Verfahren als

sinnvoll und methodisch moglich. Die Methodik der Auswertung wird weiter unten,

nach den Erhebungsinstrumenten geordnet, dargestellt.

Die schriftliche Befragung beinhaltete deskriptive, offene und geschlossene Fakten­

oder Einschatzungsfragen. Die geschlossen Fragen waren teils mit ,ja" oder ,,nein", teils

durch Ratings ("Schulnoten", Zustimmungsgrade etc.) zu beantworten. Sie waren in ei­

nigen Hillen durch eine offene Zusatzfrage ergiinzt. Die Antworten in den Fragebogen 1

und 2 wurden ebeso wie die vergleichbaren quantitativen Daten aus den Leitfadeninter­

views mit Hilfe eines Tabellenkalulationsprogramms (Excel) in Antworttableaus einge­

geben. Die einzelnen Untemehmen waren den Zeilen zugeordnet, die Spalten den Fra­

gen. Antworten auf geschlossene Fragen wurden mit 0 (Nein) und 1 (Ja) kodiert, Ra­

tings mit den Zahlenwerten ,,1" bis ,,5". Umfangreichere Anworten auf offene Fragen

wurden in gesonderte Tabellen eingetragen, verglichen und moglichst gruppiert und

zusammengefaBt.

Die Auswertung der Antworttableaus erfolgte in den meisten FaIlen durch einfache

Ausziihlung, zum Beispiel: "Acht von 34 Untemehmen hatten keine Kontakte zu westli­

chen Beratungsuntemehmen". Eine Gruppierung der Untemehmen nach Strategien oder

anderen betriebswirtschaftlichen Merkmalen war aufgrund der GroBe und Heterogenitat

des Samples nur in AusnahmefaIlen sinnvoll. Aus demselben Grund war die Anwen­

dung statistischer Auswertungsverfahren wie Korrelations-, Kontingenz-, Cluster- und

Varianzanalysen ausgeschlossen.

Aufgrund der gegeniiber den Untemehmen zugesicherten vertraulichen Behandlung der

erhobenen Daten diirfen die untemehmensbezogenen Auswertungstableaus nicht publi­

ziert werden. Die untemehmensbezogenen Daten der schriftlichen Befragungen wurden

als ergiinzende Grundlage fUr die Erstellung der vertieften Einzelfallstudien herange-

205

Page 220: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

zogen, die als qualitatives Instrument fUr die Transformationsanalyse diente. Hauptin­

formationsqueUe fUr diese Fallstudien waren jedoeh die vertieften Leitfadeninterviews

und die erganzenden Reeherehen wiihrend der mehrtiitigen Interviewbesuehe.

5.1.3 Transformationserfolg

5.1.3.1 Uberblick: Erfolgskriterien und Messung

5.1.3.1.1 MeObereich und MeOdimensionen

Die volkswirtsehaftliehe Transformationsforsehung befaBt sieh mit der Makroebene,

also dem Transformationserfolg der Gesamtheit aller Unternehmen. Da der Untersu­

ehungsgegenstand der vorliegenden Untersuehung einzelne Unternehmen sind, ist

Transformationserfolg hier aufbetrieblieher Ebene zu messen, es geht also urn die Ziel­

erfiiUung bei den Aufgaben der Wandlung des Betriebes aus dem alten System in ein

marktwirtsehaftliehes Unternehmen. Zur Besehreibung untersehiedlieher Transformati­

onstypen soU dariiber hinaus der marktliehe Erfolg der Transformationsunternehmen

festgestellt werden, ohne den die Transformation nieht dauerhaft fortgesetzt werden

kann. Diese MeBdimensionen werden zu Beginn des t'iinften Kapitels ausfiihrlieh darge­

stellt.

5.1.3.1.2 Me8zeitpunkt

Inwieweit ein Unternehmen eine erfolgreiehe Transformation durehlaufen hat, hangt

stark von dem Zeitpunkt der Erfolgsbewertung abo Hier findet sieh das oben besehrieben

Effizienz-Effektivitatsdilemma wider. Kurzfristiger monetarer Erfolg kann zu Lasten

des Aufbaus von iiberlebensnotwendigen Wettbewerbsvorteilen gehen. In der vorlie­

genden Untersuehung wird versueht, eine ganzheitliehe, langssehnittorientierte Erfolgs­

bewertung vorzunehmen.

5.1.3.1.3 Referenzgro8en

Ausgangszustand aller Untersuehungseinheiten war ein planwirtsehaftlieher Betrieb

osteuropaiseher Pragung. Der Zielzustand ist nieht zwingend ein marktwirtsehaftliehes

Unternehmen westlieher Vorstellung. Die Diskussion urn die mogliehe Herausbildung

einer eigenstiindigen, osteuropaisehen Marktwirtsehaft ist noeh nieht beendet. Dennoeh

206

Page 221: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ist es berechtigt, westliche Untemehmenszielsysteme heranzuziehen, urn ein ErfolgsmaB

fUr die Transformation zu gewinnen. Fiir die Erfolgsaussagen bieten sich weiterhin Zeit­

und Betriebsvergleiche an.

5.2 Problemfelder der betrieblichen Transformation

1m folgenden werden die in den Befragungen ermittelten typischen Problemfelder und

kritischen Erfolgsfaktoren der Transformation im Oberblick dargestellt. Fiir weiterge­

hende Ergebnisse aus der Befragung wird auf den Anhang verwiesen.

5.2.1 Veranderungen des betrieblichen Umfelds

5.2.1.1 Crititical Incidents

In einem transformierenden Wirtschaftssystem bedingt die Veranderung des Untemeh­

mensurnfelds die Untemehmensstrategie entscheidend. Der Begriff "Umfeld" muBte

den befragten Managem i.d.R. erlautert werden: Faktoren, auf die man direkt keinen

EinfluB hat, die das Untemehmensgeschehen aber beeinflussen. Ungestiitzte Critical­

Incident-Aussagen auf die Frage nach den wichtigsten Veranderungen (Abb. 36) geben

AufschluB uber Umfeldelemente, deren Einflusse als virulent empfunden werden. Diese

Art der Begragung fokussiert wahrgenommene Transformationsprobleme, die unmittel­

bar spezifische Managementaktivitaten erwarten lassen.

Auf die Frage nach der Entwicklung der Branchensituation wahrend der Projektlaufzeit

antworteten elf Betriebe, die Lage habe sich verschlechtert, nur vier sahen eine Verbes­

serung, davon drei aus Estland. Als wichtigste Veranderung wurde der Zusammenbruch

der friiheren Abnehmerstrukturen genannt. Zwolf Betriebe beklagten eine quantitative

und qualitative Verschlechterung der Nachfrage, insbesondere begriindet durch Kauf­

kraftschwund der Bevolkerung. Vor all em Betriebe im Food-Sektor gaben an, daB sich

die Nachfrage zunachst auf Produkte mit niedrigem Preisniveau richtete, die in vielen

Fallen durch importierte Billigprodukte abgedeckt wurde (vgl. Fallstudie RAKONFI).

Diese Tendenz ist wahrend der Projektlaufzeit bereits rUcklaufig, die Bev61kerung fragt

wieder vermehrt einheimische Produkte nacho Ahnlich den Erfahrungen in Ostdeutsch­

land findet eine Ruckbesinnung auf heimische Geschmacksrichtungen statt. Fur Moskau

und St. Petersburg gilt dies nur eingeschriinkt, da die Versorgungslage hier auch zu

207

Page 222: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

planwirtschaftlichen Zeiten besser war als in der Provinz. Bei Verpackungen und Dar­

reichungsformen orientieren sich die Konsurnenten allerdings an westlichen Standards.

1m Nonfood-Bereich, speziell bei Textilien, TeppichbOden, Mobeln, Unterhaltungse­

lektronik und elektrischen Haushaltsgeraten, praferiert die einheimische Bevolkerung

Importe, die "besser", modischer und oft nur geringfUgig teurer sind als Inlandsproduk­

teo Hinzu kommen die Attraktivitat bislang unbekannter Produkte und der Sortiment­

seinfluB der Mafia auf den Handel, den sieben befragte Untemehmen beklagen. Die

verschlechterte Lage fiihrt zu Konkursen wie dem des lettischen Elektrogerate- und

Haushaltswarenherstellers STRAUME, der Nachfrage nach importierten Waren nicht be­

gegnen konnte. In RuBland sank die Konsurngiiterproduktion 1995 im Vergleich zu

1994 urn 12%, die Textilproduktion urn 25% und die Bekleidungsbranche sogar urn

41% (o.V., bfai-Info Osteuropa 7/96, 9f.).

Mehr als die Halfte der Untemehmen, die das Problem des Kautkraftschwunds unge­

stUtzt nicht nannten, gaben an, sie batten zumindest fUr Teilbereiche ihres Produktions­

programms eine Monopolstellung. Obwohl acht Untemehmen die steigende Anzahl von

Konkurrenten als Grund fUr eine schlechtere Branchensituation anfiihren, war fUr diese

Untemehmen die neue Konkurrenz kein kritisches Problem.

Insgesamt behaupteten elf Untemehmen, Monopolisten zu sein. Zurnindest in fiinf Fal­

len muB diese Einscbatzung bezweifelt werden, zumal zwei dieser Untemehmen iiber

Konkurrenten klagen. Der Begriff "Monopol" muB differenziert betrachtet werden.

Zwar gibt es Untemehmen, die eine marktbeherrschende Position haben, aber auch

vermeintlich monopolistische Untemehmen, die ihre Konkurrenz nicht wahrnehmen.

Beispielhaft hierfUr sind Aussagen von Generaldirektoren wie "wir haben keine Kon­

kurrenz, wir sind die einzigen Produzenten hier in RuBland, aber die Leute kaufen lieber

auslandische Waren". So behauptet das Kiewer Untemehmen ALTSTOFFE auf die Frage

nach der Qualitat und dem technologischen Know-how, es habe keine Konkurrenz. Bei

der Frage nach der Preispolitik jedoch klagt es iiber billige Importe, die von den Kau­

fern bevorzugt werden.

Drei der vier Untemehmen, die zumindest fUr Teilbereiche ihres Produktionsprogramms

faktisch ein Monopol besitzen, sind Investitionsgiiterhersteller in Markten mit hohen

Eintrittsbarrieren, z.B. Telekommunikation oder Kommunaltechnik. Das landesspezifi-

208

Page 223: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

sche Know-how schiltzt in diesen Fallen vor Konkurrenz. So ist das russische Tele­

kommunikationsuntemehmen ELEKTROPRIBOR das aufgrund landesspezifischer Stan­

dards mittelfristig gegen auslandische Wettbewerber geschiitzt.

Ein Drittel der Sample-Untemehmen, mit einer Ausnahme alle aus dem Nonfood­

Bereich, nannten als wichtigste Umfeldveranderungen unsichere Rahmenbedingungen

im rechtlichen, steuerlichen und politischen Bereich, z.B. Inflation, Quotenregelungen

und Zollschranken.

Konkurrenlen

Unsicherheil

Selbslandigkeil f.:ii1iWii.iW~~~3

Lieferanlen

Abb. 36: Verlinderungen des betrieblichen Umfelds (ungestlitzt, Mehrfachnennungen moglich)

Die Notwendigkeit, selbstandige Entscheidungen zu treffen, d.h. ohne Anleitung und

Vorgaben durch die Fachministerien, wurde ungestiitzt von sechs Gesprachspartnem als

wichtiges Problem genannt. Dabei handelte es sich ausschlieBlich urn kleine Be­

triebseinheiten, die vor der Perestroika in groBe Kombinate eingebunden waren wie z.B.

der russische Krawattenhersteller GALSTUTSCHNAJA. Die selbstandige Kundensuche war

fUr neun der befragten Untemehmen eine gravierende Veranderung. Der Wegfall der zu

planwirtschaftlichen Zeiten iiblichen Abnahmegarantien wurde i.d.R. bedauert. Damals

wurden die Waren an ein Zentrallager geliefert, der eigentliche Kunde blieb fUr den

Produzenten anonym. Die ungewohnte Situation, auf eigene Initiative Kunden zu fin­

den, ist ein groBes Problem. Oft wird auf alte personliche Kontakte zurUckgegriffen. Die

Verantwortung fUr die Akquisition neuer Aufirage lag in den meisten Fallen bei der

Betriebsleitung undloder der Vertriebsabteilung. In neun Fallen gab es entweder spezi­

elle Mitarbeiter, die offenbar iiber gute Beziehungen zu potentiellen Auftraggebem ver­

fiigten ("Ingenieur fUr Marketing", "Agent") oder Fabrikverkauf an die Bevolkerung

und an Mitarbeiter. Insgesamt wird die Kundensuche in den meisten Fallen unprofes­

sionell und ad hoc betreiben - vom Generaldirektor bis zum LKW-Fahrer ist jeder

"verantwortlich" .

209

Page 224: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Direktor

Vertriebsabteilung

AuBendienst •• 0 10

sonstiges

Abb. 37: Auftragsakquisition (ungestiitzt, Mehrfachnennungen moglich)

5.2.1.2 Zusammenarbeit mit Institutionen

Die ungestiitze Frage nach der Zusamrnenarbeit mit betriebsextemen Institutionen er­

gab, daB mehr als die Halfte der Untemehmen mit Handels- und Industriekamrnem zu­

samrnenarbeiten, davon neun bereits bei Projektbeginn und weitere vier wahrend der

Projektlaufzeit. Dabei wurde allerdings in vielen Fallen Kritik an der Arbeitsweise der

Kamrnem geaufiert. Da die Kamrnem oft aus ehemaligen Fachministerien hervorgegan­

gen sind, verfiigen sie tiber wichtige Kontakte und Informationen. Diese werden nicht

jedem in gleichem MaBe zuganglich gemacht und auJ3erdem von Mitarbeitem der

Kamrnem fur eigene Geschaftstatigkeiten genutzt. In einem Fall wurde der Vorwurf

laut, die zustandige HIK arbeite de facto als Exporteur und mache den angeschlossenen

einheimischen Untemehmen Konkurrenz.

HIKs 14

Branchenverbande

Werbeagenturen

Berater

Abb. 38: Zusammenarbeit mit externen Institutionen (ungestiitzt, Mehrfachnennungen moglich)

210

Page 225: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Als weitere wichtige Institutionen wurden Branchenverbiinde genannt, gefolgt von

Werbeagenturen und Beratem. Tatsiichlich hatten mehr Untemehmen Kontakte zu Be­

ratungsuntemehmen, nannten sie aber nicht ungestiitzt. Diese Kontakte wurden vorwie­

gend wahrend der Projektlaufzeit aufgebaut (Berater fiinf von sechs, Branchenverbiinde

sieben von elf, Werbeagenturen alle neun). Die relativ hohe Anzahl der Nennung von

Werbeagenturen ergibt sich daraus, daB Anzeigenschaltungen, auch fUr Kleinanzeigen,

nur iiber entsprechende Agenturen moglich sind. Die Zusammenarbeit bedeutet also

nicht, daB eine Werbekonzeption erarbeitet und umgesetzt wird.

Dariiber hinaus gab es, branchenabhiingig, vielfaltige Kontakte. Dazu gehOren z.B.

Arztevereinigung als Konsultationspartner bei Produktneuentwicklungen von medizini­

schen Geriiten (OPTIMED), Lebensmittellabor als Qualitatskontrolleur fUr Gefliigel und

Gefliigelprodukte (VILNIUS POULTRY), Patentamt (RAKONFI), Banken und Botschaften.

Eines extemen Marktforschungsinstituts bedient sich lediglich ein Untemehmen -

NEWSKAJA KOSMETlKA, St. Petersburg. Fiir dieses Untemehmen fiihrt das Forschungs­

institut NIMZ in St. Petersburg Kundenbefragungen zur Akzeptanz ihrer Produkte

.durch, vorwiegend zu Neuentwicklungen.

5.2.2 Strate~e

Die strategische Planung und das Marketingmanagement war in den untersuchten Un­

temehmen nicht nach westlichen MaBstiiben zu messen. Die Gespriichspartner wurden

aufgefordert, die entscheidenden Faktoren zu nennen, die ihre Situation beschreiben.

Auf diese Frage nach den Chancen und Risiken, Stiirken und Schwiichen wurde in kei­

nem Fall das Ergebnis einer systematischen Situationsanalyse priisentiert, auch wenn

vereinzelt das Instrumentarium durchaus bekannt war (z.B. ELEKTROPRIBOR, KA­

MERTON). Die Einschiitzungen erfolgten ad hoc und waren sehr allgemein gehalten.

Immerhin zeichnen die angesprochenen Aspekte und die Anzahl der Nennungen ein

Bild der Selbsteinschiitzung der Untemehmen.

Bei der Einschiitzung der Lage iiberwogen die Risiken, Chancen wurden nur wenige

gesehen. Mit zehn Nennungen war die Instabilitiit des politischen und rechtlichen Um­

felds das grofite Risiko, gefolgt yom Auftreten von Wettbewerbem und Kaufkraft-

2Il

Page 226: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

schwund. Diese Einschatzung deckt sich mit jenen der Umfeldveranderungen (vgl.

5.2.1). 1m Zusammenhang mit der wirtschaftspolitischen Instabilitat werden Argumente

wie z.B. Angst vor der Regierung, stiindige Anderung von Gesetzen und steigende Steu­

erbelastungen angefiihrt, fast ausschlieBlich von russischen, weiBrussischen und ukrai­

nischen Untemehmen genannt - von den baltischen Untemehmen klagte nur BAL TEX

2000 tiber dieses Problem. Als weitere Risikofaktoren mit vereinzelter Nennung wurden

Rohstoffmangel bzw. starker Preisanstieg bei Rohstoffen, Verzogerungen bei der Priva­

tisierung und Zahlungsprobleme genannt.

Chancen sahen nur sehr wenige Untemehmen. Knapp ein Viertel nannte das groBe

Nachfragepotential in der ehemaligen Sowjetunion, dreimal wurde ein westlicher Ko­

operationspartner als Chance gesehen. Exportchancen in intemationale Miirkte wurde in

keinem Fall genannt, die Untemehmen konzentrieren sich auf die heimischen Miirkte

und schatzen ihr geringes Potential im intemationalen Vergleich realistisch ein.

Dies wird auch durch die genannten Starken und Schwachen bestatigt. Am meisten ge­

nannte Stiirken waren der Kosten- und daraus folgende Preisvorteil gegentiber Importen,

die Bekanntheit der Produkte im eigenen Land und eine relativ hohe Qualitat. Weiterhin

wurden je dreimal eine Monopolstellung, ein guter Mitarbeiterstamm und Flexibilitat in

der Produktion genannt. Vereinzelte Untemehmen sahen ihre Starke im Standort, in

bestehenden Westkooperationen, gutem technischem Know-how und guten Bezie­

hungsnetzwerken.

Ais groBte Schwachen wurden veraltete Technologie und fehlende Liquiditat am haufig­

sten genannt. Es folgten Organisations- und Personalfaktoren. Vereinzelt wurden

Schwachen an Qualitat, Gemeinkosten und abgebrochenen Geschaftskontakten genannt.

Schlechtes Management, fehlende Marktkenntnis und fehlendes Marketingwissen wur­

den jeweils nur einmal genannt.

Eine schriftlich fixierte und umfassend ausgearbeitete Untemehmensstrategie lag nur in

einem Fall vor (ELEKTROPRIBOR), die Aussagen zu diesem Thema wurden von den Ge­

sprachspartnem frei entwickelt. Zum Zeitpunkt der ersten Befragung dominierten bei 20

Untemehmen im strategischen Untemehmenskonzept

212

Page 227: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Veranderungen des Produktionsprogrammes hinsichtlich Diversifikation, Qualitat,

Design, Flexibilitat und Saisongerechtheit,

• Erhalt des Untemehmens und seiner Mitarbeiter und

• Autbau von Kooperationsbeziehungen, urn sich damit den erforderlichen Technolo­

gietransfer und KapitalzufluB zu sichem.

Nur zwei Untemehmen waren tiber die Projektlaufzeit hinweg beziiglich ihrer Zukunft

vollig ratlos. Bei der zweiten Befragung waren vereinzelt erstmals Ansatze eines

marktwirtschaftlich orientierten untemehmerischen Denkens festzusteIlen, z.B. plante

dann ein Konversionsbetrieb, dessen Schwerpunkt bei der ersten Befragung noch auf

dem Erhalt von Arbeitsplatzen gelegen hatte, die Flexibilisierung der Produktion, die

Entwicklung neuer, modemer Produkte mit Hilfe eines amerikanischen Kooperations­

partners, die Einfiihrung einer Teilkostenrechnung und die Bildung von Profit centers.

Trotz dieser ersten positiven Ansatze in Richtung Marktwirtschaft fehlte eine langfristi­

ge, auf den Markt ausgerichtete Untemehmensphilosophie.

Am Ende der dritten Befragung wurden aIle Gesprachspartner gebeten, ihre drei groBten

. Wiinsche zu nennen. Die durch die entspannte und informelle Atmosphare am Ge­

sprachsende geschaffene Offenheit sollte genutzt werden, urn bislang nicht geauBerte

Probleme oder Bediirfnisse zu erfassen.

• FUr sechzehn Untemehmen bestand der groBte Wunsch nach Schaffung stabiler ge­

setzlicher Rahmenbedingungen. Dieser Wunsch wurde von fiinfUntemehmen an er­

ster Stelle und von sieben an zweiter Stelle genannt.

• Elf Untemehmen wUnschten sich den Erhalt ihres Betriebs, verbunden mit der Er­

haltung der Gesundheit ihrer Mitarbeiter und einer Qualifizierung, vor allem der

Mitarbeiter der ersten und zweiten Leitungsebene. Dieser Wunsch stand dreimal auf

Rang 1 und fiinfmal auf Rang 2.

• Ftinf Untemehmen wUnschten sich zahlungsfahige Kunden und steigende Kaufkraft

der Bevolkerung.

• Dariiber hinaus wUnschten sich die Untemehmen im einzelnen ehrlichere Ge­

schaftspartner, Kapital fUr dringend benotigte Investitionen, leistungsgerechte Ent­

lohnung, sinkende Rohstoffpreise, bessere Beziehungen zu staatlichen Institutionen,

hOhere gesellschaftliche Akzeptanz der untemehmerischen Tatigkeit.

213

Page 228: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.2.3 Organisation

Wichtig fUr einen erfolgreichen Weg von der Plan- zur Marktwirtschaft ist fUr die Un­

temehmen die Schaffung von effizienten Betriebsstrukturen. Gerade das scheint fUr die

Mehrzahl der Untemehmen problematisch zu sein. Traditionell waren sowjetische Un­

temehmen streng hierarchisch organisiert. Noch heute steht meistens ein Generaldirek­

torlPdisident als zentrale Machtfigur an der Spitze, der gemeinsam mit den jeweiligen

Fachdirektoren alle wichtigen Entscheidungen trifft. Typisch fUr diese Untemehmen ist

ausgepragtes Hierarchiedenken und die Besetzung aller Managementfunktionen mit

alten "Kadem", wodurch innovative Impulse aus dem "mittleren Management" unter­

driickt werden.

Von elf Untemehmen liegen Organigramme vor, davon sechs sowohl zur Be­

triebsstruktur zu planwirtschaftlichen Zeiten als auch nach der Privatisierung. Daraus

wird ersichtlich, daB

• sich die Bezeichnung der Untemehmensleitung verandert hat (von "Direktor/Gene­

raldirektor" auf "Rat der Direktoren der Aktiengesellschaft", "Prasident der Aktien­

gesellschaft"),

• kaum Veranderungen in der hierarchischen Struktur stattgefunden haben,

• wenig innerbetriebliche Rationalisierungen durch Reduzierung der Abteilungen und

Aufgabenkonzentration durchgefiihrt wurden und

• in drei Untemehmen Marketingabteilungen eingerichtet wurden.

Mehr als die Halfte der Untemehmen hat in der Zeit zwischen dem Beginn der Pere­

stroika bis zum Beginn der Untersuchung ihr Personal reduziert. Dieser Effekt kam je­

doch in einigen Fallen dadurch zustande, daB das jetzige Untemehmen aus einem friihe­

ren Kombinat ausgegriindet wurde (z.B. KAMERTON, OPTIMED, KUHLKOMBINAT). Die

BetriebsgroBe hat einen starkeren EinfluB auf den Personalabbau als der Privatisie­

rungszeitpunkt. Es gibt nicht privatisierte GroBUntemehmen, die den groBten Teil ihres

Personals abgebaut haben (z.B. RADIOTECHNIKA fiber 90%), ebenso gibt es privatisierte

und relativ kleine Untemehmen, die Personal eingestellt haben (z.B. NEWSKAJA

KOSMETIKA).

214

Page 229: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ALda 1-!I1,I!IIII~-

SlranTe ~!!!!jpllll!lll--

~~o~~~"~-~-~-------­Baltex =~i-~ Juveel

Tallinn Mlat ~!!!~~­Poultry

KuroApcratura~~~~~~~~ Audejas 1-

Budrrasch ,.. ••

t-laushatscherre

Altstoffe

Belsbez

l<arerton ~~~~ L.Jtxlnilia

KDhlkorrtlinat

~~~---------------­NeY.skaja

Galstut&:hnaja

Rarrenskoje

TAO'J

8ektrop1bor +---~----~--~----~--~r---~-~-,

o 1(00 12000

.va1900

. 1993 1995

Milarbeileranzahl

Abb. 39: Veriinderungen der Mitarbeiterzahlen von 1990-1995

Wahrend, mit Ausnahme von KAMERTON, aBe befragten Untemehmen mit mehr als

1.000 Beschaftigten bereits zu Beginn des Projektes ihre Mitarbeiterzahl stark reduziert

hatten, liegt der Personalabbau bei kleinen und mittleren Untemehmen durchschnittlich

bei 15%. Sechs dieser Untemehmen haben sogar wahrend der Projektlaufzeit die Mitar­

beiterzahl erhOht bzw. Strukturveranderungen vorgenommen. Ein eindeutiger Zusam­

menhang zwischen Personalabbau und Branche, Region, Transformations- und Markter­

folg wurde nicht festgesteBt.

215

Page 230: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Hauptgrund fUr den Personalabbau ist der starke Umsatzriickgang. Zurn Beispiel hat die

TALLINN MEAT COMPANY (Tallinn, Estland) zwischen 1993 und 1995 die Mitarbeiter­

zahl von 935 auf 380 reduziert; im gleichen Zeitraurn sank der Umsatz von 373 Mio.

EK auf 120 Mio. EK. Ein weiterer Arbeitsplatzabbau wurde in diesem Unternehmen

durch die Privatisierungsvereinbarung zum Arbeitsplatzerhalt verhindert.

Weitere Griinde sind Ausgliederung (Outsourcing) von einzelnen Betriebsteilen (z.B.

landwirtschaftliche Einheiten, einzelne Schifisbesatzungen, einer Handelsstufe, ... ),

Strukturveranderungen (Automatisierung), durch vorzeitige Pensionierung und Verrin­

gerung des Verwaltungspersonals zugunsten produzierender Bereiche. Die meisten Un­

ternehmen verfiigen noch tiber soziale Einrichtungen wie Kindergarten, Erholungshei­

me, Betrlebsktichen usw., wodurch der Anteil des nichtproduktiven Personals sogar ge­

stiegen ist.

Problematisch ist fUr einzelne Unternehmen (z.B. BUOMASCH und ELEKTROPRIBOR) die

Abwanderung von hochqualifizierten Fachleuten. Das niedrige Lohnniveau in den Un­

ternehmen veranlaBt einen Teil dieser Mitarbeiter, entweder zu besser zahlenden aus­

landischen Konkurrenzfirmen tiberzuwechseln oder sich als selbstiindige Handler mit

einem hOheren Einkommen als in den Unternehmen zu betatigen.

Der Personalabbau hat sich im Laufe der Untersuchung verlangsamt. Wiihrend bei Pro­

jektbeginn zw61f Unternehmen im Vergleich zur Planwirtschaft ihr Personal urn 40%

und mehr reduziert hatten, nahmen am Ende des Projekts nur noch zwei Unternehmen in

gr6Berem MaBe Personalabbau vor. Einer davon wurde erst 1995 privatisiert (TALLINN

MEAT), beim zweiten (KURO ApPARATURA) entschloB sich das Management durch den

EinfluB eines westlichen Kooperationspartner zu einem rigorosen Personalabbau. Sechs

Unternehmen planten weitere Entlassungen.

216

Page 231: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

>40%

20% - 40%

<20% 14

Abb. 40: Personalabbau von 1990-1995

Typisch fUr die befragten Untemehmen ist, daB der Personalabbau ausgesprochen zo­

gerlich betrieben wird, wobei zumindest vordergriindig versucht wird, soziale Harten zu

vermeiden. So kaschieren Untemehmen durch Betriebsferien oder verlangerten Urlaub

fUr einen Teil des Personals eigentlich notwendige Entlassungen (z.B. OPTIMED). Sie

zahlen in diesen Hillen etwa zwei Drittel des bisherigen Lohnes, wenn es die finanzielle

Situation des Betriebs erlaubt. Allerdings gibt es auch personliche Griinde der Direkto­

ren, einen hohen Personalstand zu halten: Sie haben damit ein Druckmittel gegentiber

Behorden, urn Transferzahlungen oder Steuererleichterungen zu erhalten. AuBerdem

halten sie in vielen Hillen am Status Quo fest und verhindem eine effektive und mark­

torientierte Untemehmensfiihrung, weil sie von in ihren Positionen privat profitieren

konnen.

Die Frage nach der Anzahl der in einer Marketingabteilung Beschaftigten wurde unter­

schiedlich beantwortet. Sechzehn Untemehmen verfugen nach eigenen Angaben tiber

eine Marketingabteilung. Bei der Bewertung dieser Aussagen muB allerdings eine Ten­

denz zur Beantwortung nach sozialer Erwtinschtheit beriicksichtigt werden. In den vor­

liegenden Organigrarnmen ist nur in einem Fall das Vorhandensein einer Marketingab­

teilung festgehalten (NEWSKAJA KOSMETIKA). Das Spektrum reicht von einem Marke­

tingingenieur als Alleinvertreter bis hin zu komplexeren Strukturen mit z.B. Marketing,

Marktforschung, Kundenakquisition und Vertrieb. Feststellbar ist, daB die Untemeh­

men, die mit ihren Produkten aufwestlichen Markten prlisent sind, auch tiber eine funk­

tionsfahige Marketingabteilung verfugen.

217

Page 232: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.2.4 Marktforschung

AIle befragten Untemehmen gaben an, Marktforschung zu betreiben, wobei sich die

Anzahl der angegebenen Aktivitiiten wahrend der Projektlaufzeit verdoppelt hat - von

19 Aktivitiiten auf 38. Unter Marktbeobachtungen fallen vor allem Sortimentsbeobach­

tungen auf Messen und Miirkten. Hier holen sich die Untemehmen von den ausUindi­

schen Anbietem Anregungen zum Modetrend, zu verarbeiteten Materialien und zur

Verpackung. Gleichzeitig erhalten sie auf den Wochenmiirkten und durch Handelsbe­

fragungen Informationen tiber das Kaufverhalten der einheimischen Bevolkerung.

Das Hauptinteresse bei der Konkurrenzbeobachtung richtet sich auf den Preis. Teilweise

erkundigen sich Untemehmen telefonisch nach den Produktpreisen beim Mitbewerber.

Die bestehenden, langjahrigen guten, personlichen Kontakte sind dabei sehr hilfreich

(z.B. RAKONFI). AuBerdem werden Tageszeitungen fUr die Preisanalyse und Fachzeit­

schriften fUr Produkt- und Verpackungsideen ausgewertet.

Kundenbefragungen werden selten, wenn dann vor allem bei Produktneuentwicklungen

durchgefiihrt. Das betrim einmal die Privatkunden. Zurn Beispiel haben NEWSKAJA

KOSMETIKA und HAUSHALTSCHEMIE Befragungen von Privatpersonen zu neuentwik­

kelten Zahncremes und Kosmetika durchgefiihrt. Zurn anderen werden auch Industrie­

betriebe oder gesellschaftliche Einrichtungen tiber Qualitat, Handhabbarkeit usw. der

Produkte befragt, z.B. befragt OPTIMED Arzte zur Handhabbarkeit von Endoskopen.

Marktforschung wird mit einer Ausnahme (NEWSKAJA KOSMETIKA) von den Untemeh­

men selbst betrieben. Die genannten Griinde hierfiir sind:

• Untemehmen meinen, den Markt genau zu kennen,

• zu wenig Marktforschungsinstitute,

• fehlende fachliche Kompetenz,

• kein Geld, urn exteme Institute zu bezahlen.

Die Qualitiit der Befragungsmethoden muB vorsichtig beurteilt werden. Es ist anzuneh­

men, daB eher unsystematische und unstrukturierte Gesprache als geplante und standar­

disierte Interviews durchgefiihrt werden. Uber StichprobengroBen und -bildung konnte

keiner der befragten Manager Angaben machen.

218

Page 233: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

'Mark!­beobachtung'

Konkurrenz­beobachtung

Kunden­befragung

Abb. 41: Marktforschungsaktivitliten

15

ers\e Befragung

• dritte Befragung

Bei den Infonnationsquellen flir das Beschaffen der notigen Marktdaten iiberwiegen

Messen, gefolgt von Publikationen (Fachzeitschriften), AuBendienst und eigene Markt­

forschung. Gestiitzt abgefragt, wurden diese vier Quellen von mehr als 50% der Unter­

nehmen auf Rang eins oder zwei gesetzt. Bei der Nennung "AuBendienst" als drittwich­

tigster Infonnationsquelle (zwolfNennungen) ist der Begriffin einem weiteren Sinn zu

verstehen, da an anderer Stelle nUT vier Untemehmen angaben, einen eigenen AuBen­

dienst zu haben. Verbande und HIKs spielen eine unbedeutende Rolle (fiinfNennungen

auf den Rangen vier und fiinf).

Messen

Publikationen

Aul1endiens\

eigene Erhebungen

pers6nliche Beziehungen

sonstiges

Abb. 42: Genutzte Informationsquellen (Mehrfachnennungen moglich)

19

219

Page 234: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.2.5 Marketing-Mix

5.2.5.1 Produktpolitik

5.2.5.1.1 Produktionsprogramm

Die Vedinderungen des Produktionsprogramms werden in zwei Phasen betrachtet: Zu

Beginn der Untersuchung wurde abgefragt, welche Veranderungen es seit dem Ende der

Planwirtschaft und wwend des Befragungszeitraums gegeben habe. Die meisten Un­

temehmen haben Ihr Produktionsprogramm erweitert. AuffaIlig ist, daB die Anzahl der

Strukturveranderungen, also gleichzeitige Erweiterung und Verringerung in unter­

schiedlichen Sparten, stark zugenommen hat. Daraus ist zu schlieBen, daB die Produkti­

onsanpassung im Laufe des Transformationsprozesses differenzierter erfolgt, nachdem

in der Anfangsphase, kurz nach dem Ende der Planwirtschaft, zunachst eine einseitige

Ausweitung der Produktionsprogramme vorgenommen wurde.

Erweiterung

Struktur-veranderung

Verringerung 0

2

keine Anderung 0

Abb. 43: Veranderung des Produktionsprogramms

Die Hautgrtinde, die fur die Veranderungen genannt wurden, waren

• Anpassung der Produktion an Kundenbediirfnisse,

• Verbreiterung der Produktpalette und kleinere LosgroBen (Flexibilisierung) und

• saisonale Anpassungen.

Als Beispiel fur die Anpassung des Produktionsprogrammes an die Kundenwiinsche soli

AUDEJAS, Mobelstoffproduzent aus Vilnius, genannt werden. Die Mobel- und Dekostof­

fe werden fur westliche und ostliche Kunden getrennt produziert. Sie unterscheiden sich

in Struktur, Material, Farbe und Design.

220

Page 235: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Weiterhin wurden erste Ansatze fUr einen hOheren Verarbeitungsgrad der Produkte im

Vergleich zwn Projektbeginn festgestellt, z.B. bei POULTRY FACTORY (Vilnius), die

ausschlieBlich frische und geraucherte Hiihnchen herstellten und heute insgesamt 20

verschiedene Verarbeitungsvarianten anbieten. Das Angebot an verarbeiteten Food­

Produkten setzt bei den Verbrauchem ein geandertes Konsumtionsverhalten voraus. Als

Relilct der Mangelsituation zu planwirtschaftlichen Zeiten wird in privaten Haushalten

noch vielfach Rohware aufwendig verarbeitet und haltbar gemacht. So hat beispielswei­

se das lettische Untemehmen AUDA den heimischen Markt bei Fischmarinaden tiber­

schatzt. Die Kunden marinieren nach Einschatzung des Betriebs den Fisch noch selbst.

Es gibt jedoch auch Aussagen, wonach die einheimischen Konsumenten bei verarbeite­

ten Foodprodukten Importe bevorzugen, da diese eine hOhere Qualitat besitzen,

schmackhafter und haltbarer sind.

Das sozialistische Wirtschaftssystem war durch eine hohe Fertigungstiefe der Unter­

nehmen gekennzeichnet. Dies war eine Folge von Mangelsituationen, die aus planwirt­

schaftlichen Unzulanglichkeiten der Versorgung vor allem mit Halbfabrikaten resul­

tierte. Make-or-buy-Entscheidungen waren unbekannt. Entgegen der Erwartung, daB im

TransformationsprozeB durch zunehmende Arbeitsteilung und die freie Wahlbarkeit von

Zulieferem eine Tendenz zur Verringerung der Fertigungstiefe bestehe, haben sieben

Untemehmen die Fertigungstiefe erhOht und nur drei verringert. Die Zulieferstrukturen

sind in bezug auf mengenmaBige und zeitliche Zuverlassigkeit nicht ausreichend, Zulie­

ferbetriebe haben ein geringes Interesse an vertraglicher Bindung. So hat z.B. der Kra­

wattenhersteller GALSTUTSCHNAJA begonnen, auf sehr alten und bereits stillgelegten

Webstlihlen Jaquardstoffe zu produzieren, da die alten Beschaffungsstrukturen nicht

mehr bestehen und der Zukauf geeigneter Stoffe auf dem Weltmarkt zu teuer ist. Insge­

samt ist aber zu erwarten, daB im Laufe des gesamtwirtschaftlichen Transformations­

prozesses die Arbeitsteilung zunehmen wird.

Die Umstrukturierung des militarischen Sektors trifft besonders die Konversionsunter­

nehmen (ELEKTROPRIBOR, KAMERTON) hart. Hier ist teilweise ein Totalausfall der bis­

herigen Produktionsprogramme zu verzeichnen. Der Transformationsdruck ist in diesen

Untemehmen sehr hoch, so daB eine relativ schnelle Ausrichtung auf zivile Produkte

erfolgt. Da das technologische Know-how hier sehr hoch ist und diese Untemehmen

tiber hochqualifiziertes Personal verfiigen, wird i.d.R. angestrebt, weltmarktfahige Stan-

221

Page 236: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

dards zu erreichen. Deshalb haben sich die befragten Unternehmen darauf konzentriert,

eine Marktnische zu tinden. So hat z.B. ELEKTROPRIBOR (Wladimir, RuBland), ein frU­

herer Rustungsbetrieb fiir Luft- und Raumfahrt, die Produktion von Telefonnetzen zur

Verbesserung der Telekommunikationsinfrastruktur aufgenommen, vor allem in Hindli­

chen Gebieten. Die Firma KAMERTON (Pinsk, WeiBruBland) stellt jetzt Siliciumschei­

ben, Blutdruckmesser und elektronische Spiele her.

Sieben Unternehmen haben Service und Dienstleistungen eingefiihrt, wie z.B. Wartung

und Instandhaltung von Anlagen, Garantieleistungen oder Autbau eines fliichendecken­

den Servicenetzes. NaturgemiiB ist hierbei kein Food-Hersteller vertreten, vier der Un­

ternehmen sind Investitionsguterhersteller. Ein Beispiel fiir den Servicenetzautbau ist

KURO ApPARATURA, Vilnius. Der Hersteller von Einspritzpumpen fiir Dieselmotoren

hat wiihrend der Projektlaufzeit 16 Servicestationen im Gebiet der ehemaligen Sowjet­

union aufgebaut. Dies ist allerdings ein Ausnahmefall, in der Regel werden Servicelei­

stungen vom Betriebssitz aus vorgenommen. Bis auf eine Ausnahme legen die serviceo­

rientierten Unternehmen Wert auf eine Qualitiitsstrategie.

5.2.5.1.2 Qualitat

National und GUS-intern hielten die meisten Unternehmen ihre eigenen Produkte flir

besser, nur fiinf Unternehmen meinten, ihre Produkte seien gleich bzw. schlechter. Drei

dieser Unternehmen waren noch nicht privatisiert. Allerdings uberschiitzen die Unter­

nehmen die Qualitiit ihrer Produkte, da sie falsche VergleichsmaBstiibe (Billigprodukte)

oder willkiirliche, technologisch orientierte Kriterien anlegen. Ais Griinde fiir die quali­

tative Ubedegenheit wurden wenig uberzeugende Faktoren genannt, wie z.B. eine Mo­

nopolstellung, die Verarbeitung von Naturrohstoffen oder eine erhOhte Haltbarkeitsdau­

er. Wiihrend der Projektlaufzeit gaben elf Unternehmen an, ihre Produktqualitiit weiter

verbessert zu haben. Vor allem den Foodproduzenten gelang es, Zertitizierungen gemiiB

einheimischem Lebensmittelgesetz, ISO 9000 bzw. EU-Hygienenorm fiir ihre Produkte

zu erhalten. Diese sind jedoch auch auf informellem Wege zu bekommen, so daB diese

Aussagen differenziert bewertet werden mussen.

International, d.h. im Vergleich zum Weltrnarkt, wurde die Qualitiit fast durchgangig als

schlecht eingeschiitzt. Nur vier Unternehmen hielten ihre Produkte fiir besser als impor-

222

Page 237: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

tierte Ware, wobei in einem Fall (GALSTUTSCHNAJA) ostasiatische Textilimporte ge­

meint waren, in zwei anderen Fallen (POULTRY FACTORY und KOHLKOMBINAT) ausliin­

dische Tiefkiihlprodukte, die aufgrund unzureichender Lagerung an Frische eingebiillt

hatten. Diese Unternehmen zeichneten sich nicht durch hohes technologisches Know­

how aus, so daB die Selbsteinschiitzung relativiert werden muB.

15 national 4

18 GUS-intern 2

0 besser

4 . gleich

international

10 • schlechter

Abb_ 44: Vergleichende Bewertung der Qualitlit der eigenen Produkte

Ais Griinde fUr die schlechtere Qualitat im internationalen Vergleich nannten die Unter­

nehmen:

• unzureichende Qualitat der Rohstoffe, besonders aus RuBland (sechs Unternehmen),

• unzureichende Verpackung/Design (acht Unternehmen),

• Weggang von Fachkraften (ein Unternehmen).

5.2.5.1.3 Know-how

National und GUS-intern sind neun Unternehmen der Meinung, im Vergleich zu ihren

Mitbewerbern ein hoheres technologisches Know-how zu haben. Dabei handelt es sich

urn

• Unternehmen, die vermeintlich eine Monopolstellung besitzen(sechs Unternehmen),

• Investitionsgiiterproduzenten (drei Unternehmen),

• Unternehmen, die zwischen 1985 bis 1993 investiert haben (fiinfUnternehmen),

• Unternehmen mit westlichen Kooperationspartnern (drei Unternehmen).

223

Page 238: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

national

GUS-intern

international

Abb. 45: Vergleichende Bewertung des Know-hows

9

9

••••• 11

besser

. gleich

• schlechter

1m intemationalen Vergleich sind selbst Konversionsuntemehmen schlechter mit

Know-how ausgestattet als ihre Wettbewerber. Hinzu kommt oft der unzureichende

Zustand der Gebaude. Fehlende Investitionsmittel veranlassen die Untemehmen, nach

finanzkrafiigen Investoren, moglichst aus dem westlichen Ausland, zu suchen. Immer­

hin kniipfen elf Untemehmen ihre Kooperationsabsichten an die Hoffnung auf westli­

chen Technologietransfer.

5.2.5.2 Preispolitik

Die Preislage wurde im Vergleich zur nationalen, zur GUS-weiten und zur intematio­

nalen, d.h. westlichen oder femostlichen Konkurrenz, abgefragt. 15 Gesprachspartner

konnten differenzierte Angaben iiber die Preislage ihrer Produkte machen.

National schiitzten etwa gleich viele Untemehmen ihre Preislage hOher, gleich und nied­

riger als die Konkurrenz ein. Aufgrund der erhobenen Merkmale konnen diese Gruppen

nicht unterschieden werden, so daB kein RiickschluB auf die isolierte Erfolgswirksam­

keit der Preislage gezogen werden kann.

Sieben Untemehmen schiitzten ihre Produkte im GUS-Vergleich teurer em. Davon hat­

ten fiinf keine konkurrenzorientierte Preiskalkulation. 1m Gegensatz dazu berucksich­

tigten aIle acht Untemehmen, die ihre Preise nicht iiber denen der GUS-weiten Wettbe-

224

Page 239: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

werber ansiedelten, die Konkurrenzpreise. Die beiden Gruppen unterscheiden sich be­

ziiglich ihres Markterfolgs nicht nennenswert.

Elf Unternehmen siedelten ihre Preislage unter der der internationalen Konkurrenz an,

nur eines dariiber. Zwei Unternehmen (GALSTUTSCHNAJA und KAMERTON) differen­

zierten nach ostasiatischem und westlichem Ausland. Ihre Preise lagen in Teilbereichen

fiber denen ostasiatischer Importe; es handelte sich dabei urn Textilien und elektronische

Uhren, also traditionelle ostasiatische Massenexportartikel.

national

GUS·intern

international

Abb. 46: Vergleichende Bewertung des eigenen Preisniveaus

11

h6her

_ gleich

I- niedriger

Die Mehrzahl der befragten Unternehmen praktiziert eine konkurrenzorientierte Preis­

kalkulation, wobei jedoch in den meisten Fallen komplizierte kostenorientierte Kalkula­

tionen angegeben wurde. Diese wurden jedoch nur fur externe Adressaten wie Aktiona­

re und Steuerbehorden angefertigt. Das interne Rechnungswesen als Grundlage fur rea­

listische Preisuntergrenzen ist in fast allen Fallen mangelhaft. Eine kundenorientierte

Preisgestaltung mit bewuBtem Einsatz der preispolitischen Instrumente, wie Preisdif­

fernzierung oder Rabattstaffeln, gab es in keinem Fall.

Typisch fur die meisten der befragten Unternehmen ist, daB sie sehr hohe Materialko­

sten, aber relativ niedrige Lohnkosten haben. Dieses zu planwirtschaftlichen Zeiten Gb­

liche Verhliltnis ist weitgehend erhalten geblieben, Arbeitskraft ist nach wie vor billig.

Dieser komparative Lohnkostenvorteil, vor allem im internationalen Vergleich, ist je­

doch zu relativieren, da die Arbeitsproduktivitat noch sehr niedrig ist. Die von den Un-

225

Page 240: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

temehmen teilweise praktizierte variable Preisgestaltung bzw. Mischkalkulation (z.B.

POULTRY FACTORY) basiert weniger auf einer kostenorientierten Kalkulation als auf

einer gefiihlsmaBigen Anpassung der Preise an die aktuelle Marktsituation.Dabei wer­

den zwei Preisstrategien deutlich. Zum einen wollen die Untemehmen moglichst unter

den Konkurrenzpreisen liegen, zum anderen werden bei steigender Nachfrage die Preise

erhoht. Die Gewlihrung von Rabatten wird nur von wenigen Firmen angewandt, bei­

spielsweise von AUDEJAS bei Bestellungen von mehr als 10.000 qm Mobelstoff. Ein

Untemehmen (BAL TEX 2000) hat sofort nach der Privatisierung die Preise um 25% er­

hOht. Mit den alten Kunden wurden "Transformationspreise" ausgehandelt. Insgesamt

ftihrt der Anstieg der Rohstoffpreise auch zur ErhOhung der Produktpreise in den Unter­

nehmen.

Tab. 41: Anteile der Material- und Lohnkosten an den Gesamtkosten

Untemehmen Materialkostenanteil Lohnkostenanteil Branche

RAKONFJ 74% 7% Food

AUDEJAS 63% 25% Non Food

BUDMASCH 55% 23% Invest

5.2.5.3 Kommunikationspolitik

Die Notwendigkeit, absatzfordemde Kommunikation durchzufiihren, wird von den be­

fragten Untemehmen sehr unterschiedlich gesehen. Untemehmen, deren Produkte zu

planwirtschaftlichen Zeiten bei den Verbrauchem sehr bekannt waren, glauben, daB

dieses Firmen- und Produktimage auch heute noch ausreicht (z.B. KOHLKOMBINAT,

AUDEJAS, AUDA). Sie halten nationale absatzfordemde Kommunikation und andere

MarketingmaBnahmen fur unnotig. Sie fiihren sie nur dann durch, wenn sie neue Pro­

dukte vorstellen bzw. die Eroffnung eines firmeneigenen Geschliftes ankiindigen wol­

len. In der Regel ist die Kommunikationspolitik eher handels- als verbraucherorientiert.

Die in Abb. 47 genannten KommunikationsmaBnahmen wurden nicht nach Qualitlit und

Intensitlit analysiert. Es wird lediglich ein Uberblick tiber das bekannte und benutzte

Instrumentarium gegeben. So ist z.B. die hohe Anzahl der Nennungen von "Medienwer­

bung" vorsichtig zu interpretieren. In der Regel handelt es sich hier um regionale Print­

werbung, meist textorientierte Kleinanzeigen, oder Horfunkwerbung. Die Resonanz

wird durchweg positiv beurteilt.

226

Page 241: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Beim Gros der Unternehmen hat sich allerdings wiihrend der Projektlaufzeit ein Wandel

vollzogen. Zu Beginn des Projektes dominierte unter den genannten absatzfdrdernden

MaBnahmen die Messebeteiligung, sowohl als Aussteller als auch als Besucher. Heute

kommen regionale Medienwerbung und kleine Werbetrager (z.B. Kalender, Trageta­

schen, Kugelschreiber) hinzu. Damit sollen vor allem die GroBhandler angesprochen

werden. Der Endverbraucher als Zielgruppe spielt noch eine unbedeutende Rolle. Es

herrscht vielfach die Meinung, daB sich Werbung als Investition nicht auszahlt. Langfri­

stige, imagebildende Wirkungsmechanismen werden nicht gesehen, Werbung wird al­

lenfalls als Mittel zur kurzfristigen Abverkaufstimulation angesehen.

Medienwerbung 16

Messen

CD

POS·Promotion

persenliche Kontakte

Sponsoring

Direct Mail

Abb. 47: Kommunikation (Mehrfachnennungen mogJich)

Diejenigen Unternehmen, die ihre Produkte auf dem international en Markt absetzen

bzw. absetzen wollen, arbeiten mit differenzierten Werbebotschaften. Zum Beispiel

vermittelt RADIOTECHNIKA auf dem lettischen Markt die Werbebotschaft "Qualitat und

Service", im Ausland dagegen "Niedrige Preise und Naturholz". Daruber hinaus gibt es

eine Reihe von EinzelmaBnahmen, wie z.B. Vorstellung der neuen Kollektion durch

Modenschauen (z.B. LJUDMILLA, Sponsoring (z.B. KAMERTON: Herstellung von Uhren

mit speziellem Design fliT den "Rat der Kriegsveteranen" zum 50. Jahrestag des Sieges

tiber den Hitler-Faschismus, Mai 1995).

227

Page 242: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Verantwortung fiir die Marktkommunikation lag in vier Fallen von kleineren Unter­

nehmen direkt beim Direktor, in immerhin zw6lf Fallen bei der Marketingabteilung und

in fiinf Fallen bei anderen Abteilungen wie z.B. der "Kommerzabteilung," "Ab­

satzabteilung" oder "Verkaufsabteilung". Nur sieben Untemehmen gaben an, tiber eine

ausgearbeitete Werbekonzeption zu verfiigen. Immerhin 13 Untemehmen hatten ein

festgelegtes Werbebudget, das in drei Fallen gewinn-, in zwei Fallen kosten- und in acht

Fallen umsatzorientiert bestimmt wurde. Eine Ableitung des Budgets aus Marketinger­

fordemissen gab es in keinem der untersuchten Falle.

Zum Zeitpunkt der ersten Befragung arbeitete kein Untemehmen mit Werbeagenturen

zusammen, bei der dritten Befragung neun. Zwei Untemehmen haben eine eigene Wer­

beabteilung. Diese Untemehmen gaben an, Markenaufbau zu betreiben, unter den zw6lf

Untemehmen, die nicht mit Werbeagenturen, nur eines. Das BewuBtsein fiir die Not­

wendigkeit von Markenaufbau und -fiihrung ist also vorhanden, auch wenn die Umset­

zung nicht konsequent genug erfolgt. Dies liegt zum Teil auch in mangelhafter Aus­

stattung und mangelndem Know-how der Agenturen begriindet. Sie sind vorwiegend fiir

das Entwerfen der Werbetexte im Rahmen der Medienwerbung sowie fiir die Schaltung

verantwortlich. FUr umfangreichere Arbeiten fehlt den Untemehmen das Geld.

Insgesamt: Professionelle Marktkommunikation ist langsam im Kommen, aber noch die

Ausnahme.

5.2.5.4 Distributionspolitik

Auf dem Gebiet der Distribution fanden fiir die Untemehmen seit dem Wegfall der

staatlichen Planwirtschaft gravierende Veranderungen statt. Es gibt keine Abnahmega­

rantie durch Zentrallager des GroBhandels oder staatliche AuBenhandelsuntemehmen

mehr. Die Untemehmen sahen sich p16tzlich mit der bis dahin unbekannten Notwendig­

keit konfrontiert, die Ware dem Kunden direkt anbieten zu mtissen. Zusatzlich wurde

das zusammenhangende Absatzgebiet der Sowjetunion in souverane Staaten mit Zoll­

grenzen und eigenen Wahrungen aufgespalten. Aus diesem Grund wurden im Projekt

die Absatzgebiete nach heimischen, GUS-intemen und intemationalen Markten getrennt

betrachtet (Abb. 48). Die meisten Untemehmen belief em hauptsachlich heimische

Markte, wobei in den baltischen Staaten eine starkere Exportabhangigkeit, zusammen

228

Page 243: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

mit der eher westlichen Orientierung der Wirtschaft, fUr eine sHirkere intemationale

Ausrichtung sorgt.

Diese Tendenz trifft fUr aIle Branchen zu. Allerdings bemiihen sich die baltischen, aber

auch die ukrainischen und weiBrussischen, Untemehmen urn die Riickgewinnung des

russischen bzw. GUS-Marktes. Sie sehen hierin langfristig gute Absatzchancen auf

Grund der GroBe des Marktes und des Nachfragepotentials. Allerdings ist der tatsachli­

che Absatz noch weit von dieser Zielsetzung entfemt. Zurn Beispiel hat slch der Absatz

innerhalb der GUS bei AUOEJAS (Vilnius, Litauen) zwischen 1994 und 1995 von 70%

auf 45% verringert, bei TALLINN MEAT (Tallinn, Estland) von 30% auf 10%.

3

<20% 10

7 national

20-70% 5 . GUS • intemational

10

>70% 2

2

Abb. 48: Absatzgebiete

Mit Ausnahme von BUDMASCH (Kiew) und KAMERTON (Pinsk) exportiert bisher keiner

der befragten Untemehmen aus RuBland, WeiBruBland und der Ukraine Produkte in das

westliche Ausland. Die meisten von ihnen sehen realistisch, daB sie Absatzchancen

vorlaufig nur auf dem heirnischen Markt haben. Der Aufwand, ihre Produkte weltmarkt­

fahig zu machen, ware unverhaltnismaBig hoch. Man erkennt, daB ein Verdrangungs­

wettbewerb nicht gewonnen werden kann.

1m Vergleich zur Planwirtschaft hat sich die Anzahl der Kunden stark erhOht. Zurn Bei­

spiel harte das Leningrader KOHLKOMBINA T (St. Petersburg) friiher pro Stadtbezirk ei-

229

Page 244: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

nen Vertrag mit einem TORG (staatliche Handelsvereinigung), jetzt werden etwa 400

Kunden, uberwiegend kleine Geschafte, direkt beliefert.

Die Abnehmerstrukturen sind diffus und noch in der Entwicklung. Es gibt keine ein­

deutige strukturelle und aufgabenbezogene Trennung zwischen GroB- und Einzelhandel.

Der Anteil des Absatzes an den GroB- und Einzelhandel versus an andere Abnehmer ist

branchenabhangig, teilweise sogar betriebsspezifisch, so daB allgemeingiiltige Angaben

wenig sinnvoll erscheinen. Ziel der meisten Untemehmen ist es, moglichst viel uber

direkte Kundenbelieferungen unter Umgehung von Zwischenhandlem und Agenten ab­

zusetzen - die Distributionsfunktion des Handels wird aufgrund uberhOhter Handels­

spannen als uberflussig bzw. zu teuer angesehen. Daher ist die Anzahl der Transaktio­

nen fUr die einzelnen Untemehmen sehr hoch, oft mit jedem Kunden einzeln.

Neun Untemehmen verfiigen uber ein firmeneigenes Vertriebsgeschaft, in dem sie einen

Umsatz von "wenig" bis etwa 15% tatigen. Die Investitionsgiiterhersteller belief em mit

einem Anteil von 90 bis 100% die weiterverarbeitende Industrie bzw. kommunale Repa­

raturstiitzpunkte. Der Mobelstotlproduzent Audejas liefert etwa 35 bis 45% seiner Pro­

dukte an die Mobelindustrie. Zwei Untemehmen (OPTIMED und Kiihlkombinat) lief em

80 bzw. 40% ihrer Produkte an staatliche Einrichtungen wie z.B. medizinische Einrich­

tungen, Armee, Kindergarten.

Der Einsatz von AuBendienstmitarbeitem ist noch relativ wenig verbreitet. Es ist

schwierig, vetrauenswfudige und verkaufsgewandte Mitarbeiter fUr den AuBendienst zu

bekommen. AuBerdem scheinen Begriff und Inhalt der Aufgaben von Mitarbeitem im

AuBendienst nicht eindeutig klar zu sein. So werden auch regionale GroBhandler als

AuBendienstler bezeichnet.

Die Transport- und Telekommunikationsinfrastruktur wird von den Untemehmen in der

Regel als ausreichend angesehen. Vier Untemehmen haben Probleme mit dem Trans­

port, nur drei mit der Telekommunikation. Die logistischen Probleme bei der Distributi­

on in Osteuropa werden von westlichen Untemehmen haufig uberschiitzt, da sie die in­

formellen Verbindungen der ortsansiissigen Untemehmen nicht kennen bzw. Nutzen

konnen.

230

Page 245: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.2.6 Beschaffung

Eine sehr bedeutende Veranderung fUr die Unternehmen seit dem Wegfall der zentralen

staatlichen Planung auf dem Gebiet der Beschaffung war die Notwendigkeit der eigen­

standigen Suche nach Lieferanten. Bis dahin wurden fUr jeden Betrieb im Rahmen der

festgelegten Planaufgaben auch die ben6tigten Lieferungen an Rohstoffen und Halbfer­

tigerzeugnissen staatlich zugeteilt, unabhangig von der Herkunft der Vorprodukte. Die

Unternehmen muBten sich jedoch auch damals pers6nlich mit den Lieferanten uber

Termine und Mengen einigen.

national 9

4 gestiegen GUS-intem 6 • gleichgeblieben

.gesunken

intemational 4

Abb. 49: Beschaffung

Das Gros der Unternehmen bezieht den uberwiegenden Teil seiner Vorprodukte von

nationalen Lieferanten (Abb. 49). Mit Ausnahme zweier estnischer Unternehmen und

einer russischen Firma, die mehr als 80% ihrer Vorprodukte importieren, liegt der An­

teil von internationalen Zulieferungen unter 20%. Wahrend der Projektlaufzeit gab es

nur geringe Verschiebungen zwischen dem nationalen, GUS-internen und internationa­

len Beschaffungsmarkt, wobei aber eine leichte Tendenz zu westlichen Lieferanten be­

steht, da Qualitat, Mengen und Termine i.d.R. zuverlassiger eingehalten werden und

sich die inlandischen Preise dem international en Niveau angleichen. Allerdings gibt es

auch Ausnahmen: TALLINN MEAT bezog z.B. 1994 noch 100% seiner Vorprodukte von

internationalen Markten, 1995 nur noch 10%. Staatliche Beschaffungsgarantien gibt es

nicht mehr. Dadurch mussen diverse Roh- und Betriebsstoffe aus dem Ausland durch

inlandische Produkte ersetzt werden, da die n6tigen Devisen feWen. So fiihrt z.B. bei

231

Page 246: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

der Vilnius POULTRY FACTORY (Vilnius, Litauen) der Wegfall eiweiBreichen Futtermit­

tels (Mais) aus Amerika zu Ernaluungsproblemen bei der Kiickenmast Infolgedessen

gab es Ubedegungen, gemeinsam mit einem ortsansassigen Unternehrnen eine eigene

Futtermittelproduktion aufzubauen, da in Litauen kein Mais angebaut wird.

Das zu Projektbeginn noch mehrfach genannte Problem des Rohstoffmangels gehOrt

weitgehend der Vergangenheit an. Heute belastet es z.T. nur noch drei Unternehrnen

(AL TSTOFFE, Kiew; AUDEJAS, Vilnius und KAMERTON, Pinsk).

Die wesentlichsten Zulieferprobleme lassen sich wie folgt zusammenfassen:

• schlechte Qualitat der Rohstoffe, vor aHem aus RuBland (sechs Nennungen),

• schlechte Liefertreue, besonders der russischen Lieferanten (drei Nennungen),

• ErhOhung der Rohstoffpreise, fur Produkte aus dem Ausland (einschlieBlich GUS­

Lander) (vier Nennungen),

• geringe finanzieHe Mittel, besonders fehlende Devisen, aber Kauf fast ausschlieBlich

durch Vorkasse bzw. Barzahlung (sieben Nennungen).

Daruber hinaus wurden hohe Importz6He (international und friihere Sowjetunion) bzw.

mangelnde PaBfahigkeit von bestimmten Zulieferteilen aus RuBland beklagt, deren

Verwendung fur Exportartikel in das westliche Ausland vorgesehen ist.

Abb. 50 und Abb. 51 zeigen abschlieBend die Chancen und Risiken fur die weitere

Entwicklung aus Unternehrnenssicht.

Firmenpotential

Flexibilila! der Produktion

Kooperationen

Monopols!ellung

Abb. 50: Chancen fiir osteuropiiische Transformationsunternehmen

232

16

Page 247: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die sehr gute Bewertung des eigenen Finnenpotentials griindet meist auf der Vorstel­

lung, Lohnkostenvorteile gegeniiber auslandischen Konkurrenten zu haben und, wie in

Abb. 44 und Abb. 45 gesehen, Qualitats- und Technologievorteile (verglichen mit ein­

heimischen Konkurrenten), bei vergleichbaren Preisen (vgl. Abb. 46). Diese meist un­

zutreffenden Einschatzungen beruhen auf nicht oder mangelhaft durchgefiihrten Analy­

sen der Wettbewerbssituation.

politische Instabililiit

steigender Wettbewerb

Organisationsstruktur

verallele Technologien

Abb. 51: Risiken fiir osteuropiiische Transformationsunternehmen

8

8

Die Risiken fur die Untemehrnen werden hauptsachlich auBerhalb des Untemehrnens

gesucht und gefunden. Tatsachlich stellt die politische Instabilitat mit turbulenten Rah­

menbedingungen groBe Anforderungen an die Reagibilitat der Untemehrnen. Dies und

der steigende Wettbewerb konnte bei Antizipation dieser Entwicklungen allerdings auch

als Chance fur die Untemehrnen verstanden werden.

5.3 Erfolgsfaktoren der Transformation

5.3.1 Erfolgsmessung

Urn die erfolgskritischen Faktoren des Transfonnationsprozesses zu erkennen, wurden

die Untemehrnen nach dem Kontrastgruppenansatz in erfolgreiche und nicht erfolgrei­

che unterteilt. Gangige pagatorische ErfolgsmeBgroBen wie ROI, Gewinn, Umsatz usw.

konnten nicht verwendet werden, da sie nicht durchgangig erhoben werden, denn viele

Untemehrnen konnten undloder wollten keine zuverlassigen und differenzierten Anga-

233

Page 248: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ben fiber ihre Umsatz- und Gewinnsituation machen. Ansonsten sind die Daten u.a.

durch hohe Inflationsraten in der Aussagekraft eingeschrankt. Dies lag zum einen an

unzureichenden Buchhaltungs- und Kostenrechnungsverfahren, zum anderen an man­

gelnder Auskunftsbereitschaft einiger Gesprachspartner, die aus privatisierungstechni­

schen GrUnden die "wahre" Umsatz- und Kostenstruktur im Dunkeln lassen wollten.

Urn dennoch eine Erfolgsbestimmung vomehmen zu konnen, wurden eigene Erfolgsin­

dizes entwickelt. Dabei wurden Transformationserfolg und Markterfolg unterschieden.

Zwar war ein positiver Zusammenhang zwischen Transformationsgrad und Markterfolg

zu vermuten, es konnen aber auch Untemehmen am Markt erfolgreich sein, ohne zu

transformieren, z.B. wenD. sie sich in einer Monopolsituation befinden. Andererseits

konnen Untemehmen, die bei der Ausrichtung auf die Marktwirtschaft relativ weit fort­

geschritten sind, durch das turbulente Umfeld (z.B. Mafia-EinfluB, spontane rechtliche

Veranderungen, usw.) an der Realisierung von Markterfolg gehindert werden. Daher ist

es sinnvoIl, den EinfluB der potentiellen Erfolgsfaktoren aufbeide Erfolgsarten getrennt

zu betrachten.

Der Transformationserfolg wurde durch Indexbildung auf der Basis folgender dichoto­

mer Variablen (JalNein) bestimmt, so daB aIle Untemehmen einen Transformationser­

folgsindex zwischen Null und Eins erhielten:

• Sinnvolle Anpassung der Mitarbeiterzahlen,

• Konkurrenzorientierung,

• Marktorientierung der Neuprodukte und Produktmodifikationen,

• Aufnahme von Service und Dienstleistungen,

• Keine ausschlieBliche Marktbearbeitung durch den Generaldirektor,

• Sinnvolle Anpassung der Absatzgebiete,

• Abbau von Transformationswiderstanden und

• Existenz von Promotoren der Transformation.

FUr den Markterfolg wurden analog folgende Variablen zu einem Index zusammenge­

faBt:

234

Page 249: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Umsatz im Untersuchungszeitraum nicht gesunken,

• Ausreichende LiquidiUit bei Eigen:6nanzierung aus Umsatzen,

• Investitionslage,

• Summe der Abnehmer im Vergleichszeitraum nicht gesunken,

• Keine Probleme, Produkte abzusetzen,

• Keine Probleme, Produkte abzusetzen und Preise zumindest gleich hoch wie die der

Konkurrenz,

• Chancen und Risiken werden optimistisch eingeschatzt uod hoher Planungskonsi­

stenzindikator (PKI) und

• Kooperationsinteresse eines westlichen Partners.

Die Berechnung des Markterfolgsindex findet sich in Anhang 4.

Der im Markterfolgsindikator enthaltene Planungskonsistenzindikator (PKI) driickt aus,

in welchem MaBe im Untersuchungszeitraum geplante untemehmerische MaBnahmen

tatsachlich umgesetzt wurden. Der Grund fUr die Bildung dieses Indikators war die

Feststellung, daB bei der ersten Befragung nahezu aIle Untemehmen recht optimistische

strategische Ziele fUr die weitere Entwicklung ihrer Untemehmen angaben, aber nur bei

wenigen Untemehmen die Hoffnungen auf westliche Investoren, Absatz auf westlichen

Markten, Umsatzwachstum oder Nichtentlassungen wirklich gerechtfertigt schienen.

Mit Hilfe des Indikators solI die Realitatsnahe und Konsistenz der Planung ausgedriickt

werden. Die Fragen fUr den Index beriicksichtigten geplante Veranderungen beziiglich

der

• Mitarbeiterzahlen,

• Produkte,

• Fertigungstiefe,

• Zuliefererstrukturen,

• Absatzgebiete und Vertriebssysteme,

• Marktforschung und

• Investitionen.

Untemehmen mit einem hohen PKI planen demnach konsistenter, was auf eine realisti­

schere Einschatzung der Umweltbedingungen und des eigenen Potentials hindeutet.

Wenn Untemehmen mit hohem PKI ihre Chancen und Risiken positiv beurteilten, wur-

235

Page 250: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

de dies als Indikator fUr zu erwartenden Markterfolg angesehen. Auf diese Weise konnte

das schwer operationalisierbare strategische Erfolgspotential (opportunity window) als

Erfolgsdimension beriicksichtigt wurde.

5.3.2 Transformationstypen

Uber die ErfolgsmaBe fUr Transformations- und Markterfolg konnen aIle untersuchten

Untemehmen zweidimensional abgebildet werden. Trotz der HeterogeniUit nach Unter­

nehmensgroBen, Branche und Herkunft wird so ein Vergleich der Untemehmen und

damit die Kontrastgruppenbildung zur Identifizierung von Erfolgsfaktoren moglich. Es

ergeben sich vier Transformationstypen:

niedrig niedrig

Abb. 52: Transformationstypen (eigene Darstellung)

5.3.2.1 Prospect-Unternehmen

hoch

Diese Firmen verzeichnen beim Durchlaufen des Transformationsprozesses Erfolg, und

es gelingt ihnen, diesen in Markterfolg urnzusetzen. In diesem Quadranten finden sich

acht der 22 untersuchten Untemehmen. Ein Beispiel ist der SiiBwarenproduzent

RAKONFI (vgl. Fallstudie 3.1). Unter der Leitung eines gegeniiber der Marktwirtschaft

aufgeschlossenen Managements wird behutsamer Markenaufbau betrieben, die Beleg­

schaft ist motiviert, und die zunehmende westliche Konkurrenz zwingt das Manage­

ment, sich an Kundenwiinschen zu orientieren und die Produktion kostenorientiert um­

zugestalten. Ein groBer Teil der Gewinne wird fUr transformationsfordemde Investitio­

nen genutzt. Neben diesen Faktoren wird der Markterfolg durch den hohen Bekannt-

236

Page 251: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

heitsgrad der konsumnahen Produkte und die einsetzende Riickbesinnung der Verbrau­

cher auf heimische Lebensmittel begiinstigt.

Typ1: Prospect-Unternehmen

Fallbeispiel: RAKONFI

- Land: - Branche: - Produkte: - Struktur:

RuBland, Ramenskoje, Oblast Moskau S(JBwarenproduktion Bonbons, Schokolade, Pralinen AGoT, 240 MA

EinfluBgroBen des Transformationserfolgs: - Marketingaufgeschlossener Direktor - Verhaltener Markenaufbau - Hohe Motivation der Belegschaft

.,.

--

- Hoher Transformationsdruck durch auslandische Konkurrenz (Mars, .. )

EinfluBgroBen des Markterfolgs: - Hoher Bekanntheitsgrad - R(Jckbesinnung der Verbraucher - Preisvorteil

Abb. 53: Prospect-Unternebmen

5.3.2.2 Prisoner-Unternehmen

....

Diese Firmen sind wenig markterfolgreich, aber transformationserfolgreich im Sample

fiinf von 22 Untemehrnen. Ihre Bezeichnung verdanken sie der Tatsache, daB sie durch

starke strukturelle undloder urnweltbedingte Einfliisse daran gehindert werden, sich aus

ihrer Situation zu befreien. Es gelingt ihnen nicht, den Teufelskreis aus nicht marktfahi­

gen Produkten, fehlenden Gewinnen und mangelnden Investitionsmitteln fUr Produkti­

onsveranderungen zu durchbrechen.

Ein typisches Beispiel ist der weiBrussische Konversionsbetrieb KAMERTON. Obwohl

das technologische Know-how sehr gut ist, die Untemehrnensleitung marktwirtschaftli­

cher Betriebsfiihrung positiv gegeniibersteht, iiber gute betriebswirtschaftliche Kennt­

nisse verfiigt, eine funktionsfahige Marketingabteilung eingerichtet hat und ein Joint­

venture mit einem amerikanischen Partner betreibt, kann insgesamt nicht von Markter-

237

Page 252: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

folg gesprochen werden. Die Elektronikprodukte, z.B. Uhren und Computerspiele, kon­

nen trotz ihrer relativ hohen technologischen Standards mit den sehr preiswerten

femostlichen Importen nicht konkurrieren. Da friiher unter militiirischer Geheirnhaltung

produziert wurde, sind das Untemehmen und seine Produkte in der Bevolkerung nicht

bekannt. Zudem genieBen technische Produkte aus dem Ausland groBeres Vertrauen bei

den Verbrauchem als heimische Produkte. Die Produktivitat ist aufgrund der heteroge­

nen Produktionsstruktur des ehemaligen Rustungsbetriebs, verbunden mit sehr hoher

Fertigungstiefe, hohem Personalstand und nichtproduktiven Betriebsteilen (Kranken­

haus, Wohnungen usw.), gering. Notwendige strukturelle Anpassungen schreiten, vor

allem aus sozialpolitischen Griinden, nur langsam voran.

Typ 2: Prisoner-Unternehmen

Fallbeispiel: KAMERTON

- Land: Pinsk. Weir..rur..land - Branche: Elektronik - Produkte: Siliziumscheiben. Uhren. elektronische Spiele - Struktur: staatlich. 2500 MA. Konversionsbetrieb

EinfluBgroBen des Transformationserfolgs: - Sehr marktorientiertes Management - Gute Marketingabteilung - Joint-venture mit einem amerikanischen Partner

EinfluBgroBen des Markterfolgs: - Sehr starke auslandische Konkurrenz (Fernost) - Produktivitats- und Preisnachteil - Niedriger Bekanntheitsgrad

Abb. 54: Prisoner-Unternehmen

5.3.2.3 Ignorant-Unternehmen

...... ffiR2 1 4 3 - ... - ....

Dazu gehoren zwei der 22 untersuchten Untemehmen. Ihre Transformation ist nicht sehr

weit fortgeschritten. Dennoch sind sie relativ markterfolgreich, da sie eine starke Stel­

lung auf lokalen Versorgungsmarkten bekleiden. Hier herrscht geringer Transformati­

onsdruck, so daB man sich nicht zu tiefgreifenden Strukturveriinderungen genotigt sieht.

Als Beispiel sei der litauische Geflugelproduzent POULTRY FARM angefiihrt: Aufgrund

der Separation der baltischen Staaten und dem Zerfall des sowjetischen Wirtschaftssy-

238

Page 253: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

stems haben sich fiir Litauen viele VersorgungskaniUe geschlossen. Waren des taglichen

Bedarfs mussen nun importiert werden. Eine nennenswerte Rind- und Schweinefleisch­

produktion gibt es in Litauen nicht, da diese Bereiche in der sowjetischen Monostruk­

turwirtschaft in landwirtschaftlich effektiveren Gebiete angesiedelt wurden. Der Ver­

brauch von Geflugel ist deshalb stark gestiegen. Fiir tiefgefrorene Importware, z.B. aus

Holland, sind keine ausreichenden Lagermoglichkeiten vorhanden. Da es bereits Le­

bensmittelvergiftungen infolge der unterbrochenen Tiefkiihlkette gab, sind die Verbrau­

cher Importware gegenuber miBtrauisch und bevorzugen einheimische Frischprodukte,

obwohl diese teurer sind. Aus dieser Position heraus werden nur zogerlich MaBnahmen

zur Implementierung von Marketing-Know-how oder zur Beseitigung alter, ineffektiver

Strukturen untemommen.

Typ 3: IGNORANT-UNTERNEHMEN

Fallbeispiel: POULTRY FARM - Land: Vilnius, Litauen - Branche: GefiOgelproduktion - Produkte: GefiOgelproduke (Hahnchen, Wurst) - Struktur: AGoT, 528 MA

EinfluBgroBen des Transformationserfolgs: - Geringer Transformationsdruck - Probleme bei der Privatisierung, keine Strukturveranderungen - Unzureichendes Marketing - Trages Management

EinfluBgroBen des Markterfolgs: - Lokale Versorgungsfunktion - Starke Marktposition als Relikt sowjetischer Monostruktur - Vertrauensvorsprung gegenOber auslandischer Konkurrenz

Abb. 55: Ignorant-Unternehmen

5.3.2.4 Loser-Unternehmen

... 2 1 I

- 4 Gl .. -

Hier kommen ungiinstige Rahmenbedingungen und ein trages und gegen marktwirt­

schaftliche Strukturen eingestelltes Management zusammen. Dieser Typ ist im Sample

sieben Mal (von 22) vertreten.

239

Page 254: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Exemplarisch sei der russische Textilproduzent T AON vorgestelIt: Ein patriarchalischer

Direktor, der seit Jahrzehnten unangefochten an der Spitze des mit 220 Mitarbeitem

kleinen Untemehrnens steht, hat sich auf Kosten der Belegschaft den Mehrheitsanteil an

den Aktien beschafft und halt an den iiberkommenen Organisations- und Produkti­

onsstrukturen fest. Ideologisch verbramt, beklagt er das Ende der Planwirtschaft. Die

Produkte sind nicht an Kundenwiinschen orientiert, Materialien sind nicht in ausrei­

chender Menge und Qualitat zu beschaffen. Auslandische Wettbewerber, vor alIem aus

femostlichen Billiglohnlandem, treffen den Geschrnack der Verbraucher besser und sind

preiswerter. Der ausbleibende Markterfolg wird fremdattribuiert: Nicht die eigene Un­

tatigkeit, sondem die veranderten Rahrnenbedigungen sind aus Sicht des Direktors

Schuld an der Misere.

Typ 4: Loser-Unternehmen

Fallbeispiel: TAON - Land: - Branche: - Produkte: - Struktur:

RuBland, Oblast Moskau Textil Trikotagen AGgT, 220 MA

EinfluBgroBen des Transformationserfolgs: - Alter patriarchalischer Direktor - Widerstand gegen Marktorientierung - Schlechte Produkte (Design)

EinfluBgroBen des Markterfolgs: - Starke Konkurrenz aus Fernost und TOrkei - Preisnachteil

Abb. 56: Loser-Unternehmen

5.3.3 Entwicklung eines Erfolgswirkungs-Modells

."

3 I WI - -

1m AnschluB an die Entwicklung der beiden zentralen Erfolgsindizes wird nun unter­

sucht, wie Erfolg und MiBerfolg (auf beiden Dimensionen: Markt- und Transformati­

onserfolg) zu erklaren sind. Dieser Anspruch stOBt auf ein methodologisches Dilemma:

Einerseits enthalt er die Forderung nach "sauberer", isolierter Wirkungsbeschreibung al­

ler einzelnen Erfolgsfaktoren der betrieblichen Transformation in Osteuropa. Das solI es

240

Page 255: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ermoglichen abzuschatzen, wie eine ManagementmaBnahme bei dem betreffenden Fak­

tor den Erfolg beeinfluBt. Die Forderung entspricht dem naturwissenschaftlich-kartesia­

nischen Denken und der (auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vorherr­

schenden) Philo sophie des kritischen Rationalismus. Andererseits enthiilt der Anspruch

nach ErkHirung von Erfolg und MiBerfolg von betrieblicher Transformation in Osteuro­

pa auch die Notwendigkeit, die Komplexitiit und Dynamik des transformierenden Sy­

stems zu berucksichtigen, seine Ganzheitlichkeit und Systemik zu wahren, das interde­

pendente Zusammenwirken vieler Faktoren nicht durch Partialanalyse zu ignorieren.

Bei einem Untersuchungsgegenstand wie diesem ist kaurn eine ManagementmaBnahme

isoliert vorstellbar, sie ist (wenn auch vielleicht unbewuBt) Bestandteil einer - ihrerseits

komplexen - Strategie, denn die einzelne MaBnahme wirkt mit anderen MaBnahmen und

AuBeneinflussen parallel und sequentiell zusammen. Es ware wirklichkeitsfremd, die

MaBnahme isoliert nur als PartialeinfluB zu betrachten. DaB in komplexen Manage­

mentsituationen nichtlineare Wirkungsbeziehungen, Fem- und Nebenwirkungen beach­

tet werden mussen, kommt schon in popularen Metaphem zum Ausdruck: "kleine Ursa­

che - groBe Wirkung", "steter Tropfen hOhlt den Stein", "richtige MaBnahme zur fal­

schen Zeit", "sieht den Wald vor Biiurnen nicht" usw.

In der empirischen Erfolgsfaktorenforschung (vgl. CAPON, FARLEY, HOENIG 1990;

FRITZ 1992) wurden Komplexitiit, Systemik und Dynamik bisher selten konsequent be­

achtet. Neben formalwissenschaftlichen Ansiitzen wie der Chaosforschung (TURNHEIM

1991; SERVATIUS 1994a, b) und der Katastrophentheorie sind vor allem zwei empirisch­

methodologische Ansiitze zur Uberwindung dieses Mangels heranzuziehen, urn das Di­

lemma zu uberwinden:

• fur die konfirmatorische (hypothesentestende) Forschung die Methodik zur quantita­

tiven Schiitzung von Kausalstrukturen (JORESKOG 1977; BAGOZZI 1980; HIL­

DEBRANDT 1983; HOMBURG 1995)

• fur die exploratorische (hypothesenfindende) Forschung die Methodik zur Formulie­

rung, Abschatzung, Abbildung und Simulation vemetzter Systeme (VESTER 1993;

PROBST, GOMEZ 1991).

FUr die vorliegende Studie ist letzteres angezeigt. FUr eine angepaBte Anwendung dieser

Methodik wird folgendermaBen vorgegangen: AIle vorhandenen Informationen wurden

zu den oben eingefiihrten ErfolgsmaBen in Beziehung gesetzt. Das wichtigste Zwischen-

241

Page 256: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zwischenergebnis ist eine Matrix (22 Untemehmen X 26 Variablen), in der alle Unter­

nehmen mit allen verfiigbaren Variablen gegenubergestellt wurden. Anbang 5 zeigt die­

se Matrix absteigend sortiert nach der Variablen "Transformationserfolg" (vorletzte

Spalte). Die in den Spalten dargestellten UntersuchungsgegensUinde ("Variablen") wur­

den mit Hilfe von Unterkriterien gewichtet. Je hoher die Anzahl der Kreuze bzw. je na­

her der Wert bei eins liegt, urn so starker ausgepragt ist die Variable.

Fur jede Variable wurde diese Matrix zun1ichst absteigend sortiert. Dann wurde mit

Kreuzvergieichen geprtift, welche Faktoren andere signifikant beeinflussen (cross im­

pact analysis). Auf diese Weise konnten direkte Einflusse einzelner Variablen auf ande­

re Variablen festgestellt werden, insbesondere auf den Transformations- und den Mark­

terfolg. Es wurden nur die unabhangigen Variablen in ihren Wirkungen untersucht.

Wiederkehrende Wirkungsketten werden nur einmalig beschrieben. Abb. 57 zeigt das

durch Verknupfung aller untersuchten Variablen entstandene Wirkungsgeruge.

Privalisierung

Belegschafts­anteil > 50%

Rechtsform

Management \

OItenheit fOr MaJlrtwirtschaH

Interne Schulung

Stralegien

Exlemer EinfluB .. .. . - . . .. . . - .. - -- ... .. -Mangelnde

~ Kooperation +--+<6enge~---~

Absatzor- ' ganisation ~

,

• ,

Abb. 57: Wirkungsgertige der untersuchten Variablen

242

~

,

Page 257: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

In dem Wirkungsgefiige werden die im Rahmen der Cross impact analysis festgestellten

Einfliisse visualisiert. Die Pfeile zeigen Einfliisse von Variablen auf andere Variablen.

Dies konnen sowohl einseitige als auch wechselseitige Beeinflussungen sein. Die dicken

grauen Pfeile zeigen jene Variablen, die direkt auf den Transformationserfolg

(durchgezogene Linie) oder den Markterfolg (gestrichelte Linie) wirken. Funktionale

Bereiche sind der Ubersicht halber in Gruppen zusammengefaBt (graue Ellipsen).

Ein GroBteil der Einfliisse, die nicht direkt darstellbar waren, werden iiber die Variable

"Management" beschrieben. So haben Messen an sich noch keinen positiven EinfluB auf

den Transformations- oder Markterfolg, sondern erst die sinnvolle Nutzung durch das

Management. Andererseits hat das Management keinen EinfluB auf die Inflationsent­

wicklung und den damit einhergehenden Mangel an langfristigen Investitionskrediten.

Dieser hat aber einen direkten EinfluB auf den Transformations- und Markterfolg.

Anhand dieses empirisch explorierten Wirkungsstruktur-Modells werden nun einzelne

fUr das Transformationsmanagement besonders relevante Wirkungspfade und Teilgefii­

ge herausgehoben und diskutiert. Transformations- und markterfolgskritische und -un­

kritische Variablen werden eingehender beschrieben.

Die strenge KausaliUit der untersuchten Einfliisse ist nicht gesichert, dazu fehlen die

grundsatzlichen kausalmethodologischen Voraussetzungen (vgl. HILDEBRANDT 1983,

HOMBURG 1995). So bleibt die Diskussion strenggenommen auf wissenschaftlich ge­

srutzte Plausibiliutt beschrankt. Bei widerspriichlichen Auswirkungen der Variablen in

unterschiedlichen Unternehmen sind vorsichtige, ggf. differenzierte Schliisse geboten.

Hier geschieht das u.a. durch Unterscheidung von Variablen in ,,notwendig" und

"notwendig und hinreichend" fUr den Transformations- und Markterfolg.

Grundlage aller nachfolgenden Analysen und Bewertungen waren die FragebOgen aus

drei Befragungswellen, externe Branchenuntersuchungen, Werbematerial der Unter­

nehmen, von den Unternehmen erstellte Businessplane sowie die Interviewereinschat­

zungen.

243

Page 258: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.3.4 Erfolgsfaktor Marketing

Die zentralen Weehselwirkungen der Variablen "effektive Marketingabteilung" zeigt Abb.58.

Extemer EinfluB ~ --- -. - ---- ~ -. - -

Management

Abb. 58: Wecbselwirkung der "effektiven Marketingabteilung" mit weiteren TransformatioDSvariablen

.. •

Nachfolgenden Erlauterungen liegt die Untersuehungshypothese HeffM zugrunde, daB

"das Vorhandensein einer effektiven Marketingabteilung positiv auf den Transfonnati­

ons- und Markterfolg wirkt".

Das Marketing als eine der zentralen Variablen der Transfonnation kann nieht dureh

einen Indikator allein operationalisiert werden. Neben obiger Hypothese existieren wei­

tere, die den Marketingbereieh eines Transfonnationsuntemehmens besehreiben.

Gemessen wurde die Effektivitat der Marketingabteilung tiber die Indikatoren

"angemessene Mitarbeiterzahl", "zugeordnete Funktionen (Distributions-, Preis-, Kom­

munikations-, Marktforsehungs-, Produkt- und Strategiefunktion)" und einer Bewertung

ihrer Aktivitaten (Kompetenz).

Eine effektive Marketingabteilung begiinstigt das Vorhandensein einer funktionsflihigen

Absatzorganisation. Eine Organisation des Absatzes war in planwirtsehaftliehen Zeiten

nieht erforderlieh. Die AbsatzkanaIe endeten am Torausgang der Betriebe. Der Vertrieb

war haufig eine reine Verpaekungsabteilung. Mit der Einfiihrung einer Marketingabtei-

244

Page 259: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

lung und der Notwendigkeit der eigenverantwortlichen Distribution muBte auch eine

entsprechende Absatzorganisation geschaffen werden. Ais Indikatoren wurden das Be­

stehen einer effektiven Absatzstruktur, eine Anpassung der Absatzgebiete an die veran­

derten Umfeldbedingungen sowie das Vorhandensein eines eigenen Vertriebsnetzes

benutzt.

Die acht Untemehmen mit den besten Bewertungen der Marketingabteilung haben aIle

auch eine gute bis sehr gute Absatzorganisation. Organisatorisch besteht haufig eine

sehr enge Verbindung beider Abteilungen, was sich auch in den Verantwortlichkeiten

widerspiegelt. Andererseits gibt es keine Belege fur eine sehr guten Absatzorganisation

ohne eine effektive Marketingabteilung, daher konnte die These

H'''MI; Eine effektive Marketingabteilung bat einen wesentliehen EinOuB auf das Bestehen einer funktionsfahigen Absatzorganisation

erhartet werden.

Die absolut markterfolgreichsten Untemehmen erhielten die besten Bewertungen ihrer

Absatzorganisation. Allerdings waren auch drei Untemehmen mit einer sehr guten Be­

wertung der Absatzorganisation nicht markterfolgreich. Lediglich ein monopolistisches

Untemehmen mit einer schlechten Absatzorganisation war sehr markterfolgreich. Damit

wird deutlich, daB es sich bei der Absatzorganisation zwar um eine notwendige, jedoch

nicht hinreichende Voraussetzung des Markterfolges handelt.

HAb$a .. : Eine funktionsfiihige Absafzorganisation und -gebietsanpassung ist notwendig, aber nieht hinreiehend fUr den Markterfolg.

Es besteht ein Zusarnmenhang zwischen einer effektiven Marketingabteilung und der

Anzahl und Giite von Messeteilnahmen. Da Messen schon zu planwirtschaftlichen Zei­

ten der wichtigste und oftmals einzige Kontakt der Betriebe zu Lieferanten, Konkurren­

ten und Abnehmem waren, spielen sie nach wie vor eine zentrale Rolle fur die Markt­

kommunikation der Untemehmen. Als Indikatoren wurden die Anzahl der genutzten

Messen sowie deren Zweck (Informationsbeschaffung, Absatzf6rderung, Partnerkon­

takte) herangezogen.

245

Page 260: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

FUr Partnerkontakte und Konkurrenzanalysen sind Messeteilnahmen erfolgskritisch.

Zwar nutzen sieben der neun Untemehrnen mit den besten Marketingabteilungen Mes­

sen intensiv, doch gibt es einige Untemehrnen, die dies trotz einer schlechten Marketin­

gabteilung ebenfalls tun, vennutlich aus den erwiihnten historischen GrUnden. Messe­

teilnahmen sind somit nicht ausschlieBlich das Resultat effektiver Marketingabteilun­

gen. Eine effektive Marketingabteilung ist somit fUr die Nutzung von Messen im osteu­

ropaischen Kontext weder notwendig noch hinreichend. Entscheidend wird die Funktion

der Marketingabteilung erst wieder bei der Betrachtung des Erfolges solcher Messeteil­

nahmen. Die Art der Messeteilnahmen hat einen EinfluB auf den Markterfolg. Die ef­

fektive Nutzung von Messeteilnahmen ist ein Indiz fUr die Effektivitat der Marketin­

gabteilung. Die reine Messeprasenz hat keinerlei positive Wirkung auf Transfonnati­

onsuntemehrnen, ein Unterschied zu planwirtschaftlichen Bedingungen. Mit der Bedin­

gung einer intelligenten Vor- und Nachbereitung laBt sich die Hypothese fonnulieren:

HM .... : Mes eteilnahmen sind notwendig, aber nicht hinreichend f"tir den Markterfolg.

Ein weiterer Zusammenbang konnte zwischen einer effektiven Marketingabteilung und

Kooperationen mit westlichen Partnem festgestellt werden. Das Problem der Ursach­

lichkeitsfeststellung bei Kreuzvergleichen wird hier deutlich. 1st es nun die effektive

Marketingabteilung und die daraus resultierende AuBenwirkung des Untemehrnens, die

das Untemehrnen als Kooperationspartner attraktiv erscheinen laBt, oder ist es der posi­

tive EinfluB des westlichen Partners auf die Umgestaltung des Marketingbereichs? Auf­

grund der mangelnden Auskunftsbereitschaft und -fahigkeit sind diese Fragen in dieser

Untersuchung nicht immer eindeutig zu beantworten, aber wir haben Anhaltspunkte fiir

eine dynamische Wechselwirkung zwischen "Ursache" und "Wirkung".

Die Intensitat der Kooperationen wurde mit Hilfe von vier Indikatoren gemessen. Das

emstgemeinte Interesse eines westlichen Untemehrnens an einer Zusammenarbeit ist ein

erstes Indiz fUr das Kooperationspotential der untersuchten Untemehrnen. Die Art der

Zusammenarbeit wurde durch den Umfang des Know-how-Transfers, der Kapitalzufuhr

seitens des westlichen Untemehrnens und der Untemehrnensverflechtung beschrieben.

Die Bildung eines Joint-ventures stellt die engste Fonn der Zusammenarbeit dar.

246

Page 261: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Von den :fiinf Untemehmen, die ein Joint-venture mit einem westlichen Partner einge­

gangen sind, hatten vier eine sehr gute Bewertung ihrer Marketingabteilung, die Marke­

tingaktivitaten des fiinften Untemehmens waren zumindest noch durchschnittlich. Es

handelt sich hierbei urn ein lokal sehr bekanntes Untemehmen, welches einen begrenz­

ten Wettbewerbs- und Werbevorteil vor anderen Anbietem inne hat. Auf Dauer ist diese

Position allerdings iihnlich gefahrdet wie die der Ignorant-Untemehmen (vgl. Abb. 55).

Auch wenn der positive EinfluB eines westlichen Partners auf den Marketingbereich der

untersuchten Transformationsuntemehmen unstrittig ist, fiihren i.d.R. Anstrengungen

der osteuropiiischen Seite zu ersten Kontakten mit potentiellen westlichen Partnem.

Diese Feststellung wird auch von Forschungsergebnissen zu deutsch-osteuropaischen

Joint-ventures gestiitzt (TROMMSDORFF et al. 1995, 85ff.). Die Selektion des richtigen

Ortes (z.B. Messen, KooperationsbOrsen, Branchenpublikationen im Westen) und der

Art der Ansprache (personliche Interviews, Firmenbroschiiren) gewiinschter Gesprachs­

partner ist daher Aufgabe des Marketing.

HdIIlU: Effektive Marketingabteilungen sind notwendig, aber nicht hinreichend fUr das Zustandekommen von Joint-ventures (vice versa).

Der EinfluB einer effektiven Marketingabteilung auf den Transformations- und Markter­

folg konnte somit indirekt tiber die Zusammenhange mit einer westlichen Absatz- und

Gebietsanpassung, Messeteilnahmen und Kooperationen mit westlichen Partner belegt

werden. Weitere, hier nicht diskutierte, erfolgsrelevante Zusammenhange zwischen ei­

ner effektiven Marketingabteilung und dem Transformationsverlauf existieren. Die

Multikausalitat des Transformationsphanomens erOffuet viele Variationen.

Die markt- und transformationserfolgreichsten Untemehmen weisen die besten Marke­

tingaktivitaten auf. Ausnahmen bilden zwei Prisoner-Untemehmen, die sehr gute Mar­

ketingaktivitaten entwickelt haben, wobei jedoch der Markterfolg ausgeblieben ist. So­

mit kann die Untersuchungshypothese bestatigt werden, mit der Ausnahme der Prisoner­

Untemehmen, bei denen speziellere Erfolgsfaktoren interveniert haben.

".fIlIl: Das Vorhandensein einer effektiven Marketingabteilung ist ootwendig, aber oieht hinreichend fUr Transformations- uod Markterfolg.

247

Page 262: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

AIle Ergebnisse noch einmal im Uberblick:

Bine Abhangigkeit zwischen einer effektiven Marketingabteilung und ...

• einer aktiven Kommunikationpolitik • Messeteilnahmen • einer Anpassung der Absatzorganisation und -gebiete • Nutzung von Markenpotentialen • einer Qualitatsstrategie • Planungskonsistenz • Kooperationen

... konnte festgestellt werden.

5.3.5 Erfolgsfaktor Technologisches Know-how

Abb. 59 zeigt zu Beginn der Diskussion die Wirkungszusarnmenhange des technologi­

schen Know-hows mit den relevanten Transformationsvariablen.

Ex1emer EinfluB

Abb. 59: Wechselwirkung des "technologischen Know-hows" mit weiteren Transformationsvariablen

---

-- ..

• • •

• , #

• , • •

Die Ausgangsiiberlegung zur Untersuchung des technologischen Know-hows war die

Vermutung eines Zusarnmenhangs zwischen dem technologischen Know-how und einer

sozialistisch monopolistischen Situation. Das heiBt, je h6her das technologische Know­

how ist, desto eher war dieses Unternehmen unter planwirtschaftlichen Bedingungen

Monopolbetrieb. Die Transformationsnotwendigkeit und -willigkeit der Unternehmen

248

Page 263: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

wird von ihrem technologischen Potential beeinfluI3t. Ergebnis dieser Uberlegung ist die

Untersuchungshypothese HTKH, "ein hohes technologisches Know-how wirkt positiv auf

den Markterfolg, aber negativ auf den Transformationserfolg".

Das technologische Know-how wird gemessen fiber einen Vergleich mit einheimischen

und auslandischen Konkurrenten und durch Interviewereinschatzung. Gute Bewertun­

gen des technologischen Know-hows bedeuten nicht zwangslaufig eine positive Be­

wertung nach westlichen Standards, sondem nur Relationen zu den wichtigsten Konkur­

renten. Untemehmen, die fiber ein hohes technologisches Know-how verfiigen, konnen

qualitativ gute Produlcte herstellen, was sie im Vergleich zu anderen Untemehmen wett­

bewerbsfahiger macht. FUr eine gewisse Zeit laBt sich hiermit ein Erfolg am Markt er­

zielen, was den Druck zur Umstrukturierung vergleichsweise gering halt. Der Transfor­

mationserfolg ist entsprechend niedriger.

Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem technologischen Know-how und

einer qualitatsorientierten Strategie. Nur ein Untemehmen von neun, das nicht fiber ein

hohes technologisches Know-how verfiigt, versucht eine qualitatsorientierte Strategie

urnzusetzen. Die Qualitat wurde durch die Untemehmen und die Interviewer beurteilt.

HTKHI : Ein hohes technologisches Know-how ist Voraussetzung fUr die Wahl einer qualitatsorientierten Strategie.

Analog sind das Markenpotential und die vorhandenen Marken zu beurteilen. Lediglich

eins von 13 Untemehmen mit hohem technologischen Know-how hat kein Markenpo­

tential bzw. besitzt keine Marken. Nur ein regionales monopolistisches Untemehmen

ohne eine positive Beurteilung des technologischen Know-hows verfiigt fiber Marken.

Der Markencharakter der Produkte laBt sich somit eher als eine Alleinstellung der Pro­

dukte im BewuI3tsein der Konsumenten erklaren.

HTlcm: Ein bohes tecbnologiscbes Know-how bat einen positiven Einflu6 auf das Vorhandensein von Marken oder Markenpotentialen.

Die Nutzung von Markenpotentialen oder Marken und die strategische Entscheidung

beziiglich der Qualitat sind eng verbunden mit dem Vorhandensein einer funktionieren­

den Marketingabteilung. Die Untemehmen mit schlechtem technologischem Know-how

249

Page 264: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

verfilgen tiber die schlechtesten Marketingabteilungen und vice versa. Das Problem der

Ursachlichkeitsbestimmung tritt hier nicht auf, da fast alle Unternehmen im Laufe der

Untersuchung keine fundamentalen Investitionen in technologisches Know-how tiitig­

ten. Es gibt also einen ursachlichen EinfluB des technologischen Know-hows auf eine

funktionierende Marketingabteilung.

Das tecbnologiscbe Know-how beeinflu8t die Existenz einer effektiven Marketingabteilung positiv.

Ahnliches gilt fiir Kooperationen mit westlichen Unternehmen. Alle Kooperationen sind

erst im Laufe des Transformationsprozesses zustande gekommen. Die Unternehmen mit

Kooperationen erhielten eine positive Bewertung ihres technologischen Know-hows.

Ein hohes technologisches Know-how ist also attraktiv fiir einen potentiellen Investor

oder Kooperationspartner. In fiinf Fallen hat im Laufe der Kooperation auch ein tech­

nologischer Know-how-Transfer stattgefunden.

HTlolJ : Ein bobes tecbnologiscbes Know-how ist vielfacb Voraussetzung fUr eioe Kooperation mit westlicben Unteroehmeo.

Die Planungskonsistenz der Unternehmen wird von dem vorhandenen technologischen

Know-how positiv beeinfluBt. Verstandlich wird dieses Phanomen bei Beachtung der

Struktur der Wirtschaft der ehemaligen UdSSR. Das technologische und menschliche

Kapital war in einigen Kernbereichen konzentriert, so daB die Unternehmen, denen un­

ter sozialistischen Bedingungen keine zentrale Rolle zukam, noch heute unter der ver­

gleichsweise schlechten Ausstattung an Technologie und Humankapital leiden. So hat

zwar das technologische Know-how selbst keinen EinfluB auf die Planungskonsistenz

der Unternehmen, dieser Effekt wird aber tiber das bessere Humankapital der Unter­

nehmen mit hohem technologischen Know-how erklarlich.

Lediglich bei einem Unternehmen traf diese Annahme nicht zu. Bei diesem Unterneh­

men ist die hohe Planungskonsistenz bei niedrigem technologischen Know-how damit

zu erklaren, daB die nach der ersten Befragungswelle negative Entwicklung der Ge­

schaftstatigkeit und die daraus resultierenden Handlungen treffend eingeschatzt wurden.

Dies stand im Gegensatz zu vielen anderen Untemehmen, die bewuBt oder unbewuBt zu

positive Annahmen beziiglich der zukiinftigen Entwicklung gemacht haben.

250

Page 265: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

"no/4: Unternehmen mit einem hoben technologischen Know-how treffen realistischere Annahmen fiber ihre zukiinftige Entwicklung.

Der EinfluB einer effektiven Marketingabteilung auf eine adaquate Absatzorganisation

wurde schon beschrieben. Der positive Zusammenhang zwischen einem technologi­

schen Know-how und einer adaquaten Absatzorganisationen wird dadurch erklarlich.

Entgegen eingangs formulierter Untersuchungshypothese erhielten aile transformati­

onserfolgreichen Untemehmen eine positive Bewertung ihres technologischen Know­

hows. Gleiches gilt fur den Markterfolg, d.h. aIle Prospect-Untemehmen erhielten eine

positive Bewertung ihres technologischen Know-hows. Aufgrund dieser Erkenntnis

muB die Hypothese HTKH umformuliert werden in:

HTKH: Rohes technologisches Know-bow wirkt positiv auf den Markterfolg und positiv auf den Transformationserfolg.

Weitere indirekte Einfliisse werden in dem Wirkungsgefiige zu Beginn des Kapitels

deutlich. So hat ein hohes technologisches Know-how nicht automatisch einen EinfluB

auf das Vorhandensein einer effektiven Marketingabteilung, sondem es bedarf eines

verstandigen Managements zur deren Einrichtung. Gleiches gilt fur den Transformati­

onserfolg. Folgende Ubersicht faBt die erkannten Abhangigkeiten zusammen.

Eine Abhangigkeit zwischen einem hohen technologischen Know-how und ...

• Kooperationen mit westlichen Partnem • dem Vorhandensein von Marken • einer effektiven Marketingabteilung • einer Qualitatsstrategie • hoher Planungskonsistenz

... konnte festgestellt werden.

5.3.6 Erfolgsfaktor externer Einflu8

Bei der vorliegenden Untersuchung wurde der exteme EinfluB auf den Transformati­

onsprozeB zurn einen wiihrend der Privatisierungsperiode und zurn anderen wiihrend der

gewohnlichen Geschiiftstatigkeit untersucht. Die Indikatoren, mit denen der exteme

PrivatisierungseinfluB gemessen wurde, beziehen sich auf den Zeitpunkt der Hilfe, die

251

Page 266: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Art des Einflusses und das Privatisierungsergebnis. 1m einzelnen wurde der EinfluB von

extemem Kapital, extemem Management, extemen Beratem, Bankkrediten, Zeitpunkt

und Art der Privatisierung betrachtet. Wie oben angesprochen, wurde der EinfluB eines

Kooperationspartners mit Hilfe der Indikatoren "Kontakt zu westliehen Untemehmen",

"Know-how-Transfer", "Kapitalbeteiligung" sowie "Grtindung eines Gemeinschaftsun­

temehmens" operationalisiert. Die Unterteilung in zwei Arten des extemen Einflusses

beruht auf der Tatsache, daB einige Untemehmen zwar im Rahmen der Privatisierung

exteme Unterstiitzung fUr den operativen Privatisierungsvorgang hatten, nieht jedoch fUr

die eigentliche managementbezogene Untemehmensumstrukturierung. Beispiele hierftir

sind reine Rechtsberatungen im Rahmen groBerer Gebietsprivatisierungen, in denen

aber kein Management-Know-how verrnittelt wurde. Ein Hlngerfristiger, strategischer

EinfluB auf die Geschiiftsprozesse kam eher tiber Kooperationen mit westlichen Part­

neruntemehmen zustande. Grundtiberlegung beider Betrachtungen ist die Hypothese

HExt. daB "extemer EinfluB positiv auf den Transformations- und den Markterfolg

wirkt".

Privatisierung Extemer ElnfluB Beschaffung

Management

Abb. 60: Wechselwirkung des "externen EinOusses" mit weiteren Transformationsvariablen

252

Page 267: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5.3.6.1 Privatisierung

Die Erfolgswirksamkeit extemer Privatisierungseinfliisse ist nieht klar zu erkennen.

Zwar sind sieben von zehn Untemehrnen mit einem solchen EinfluB transformationser­

folgreieh, doeh sind dies aueh seehs von zwolf Untemehrnen ohne eine solche Hilfe.

AhnIieh verhalt es sieh beim Markterfolg. Ffulf von zehn Untemehrnen mit auBenste­

hender Hilfe sind markterfolgreieh, genauso wie fiinf von zwolf ohne solche Hilfe. Ein­

zig die vier Untemehrnen mit den absolut sehleehtesten Bewertungen beider Dimensio­

nen, die Loser-Untemehrnen, finden sieh in der Gruppe der Untemehrnen ohne jegliehe

Hilfe. Somit ist der exteme PrivatisierungseinfluB zwar eine intervenierende, jedoeh

nieht himeichende Bedingung fUr Transformations- und Markterfolg.

Hprivl : Externer EinfluB bei der Privatisierung interveniert ilber andere Einfliisse auf den Transformations- und Markterfolg.

5.3.6.2 Rechtsform

Die Reehtsform als Ergebnis der Privatisierung liefert eine weitere Erklarungsmoglieh­

keit des Transformations- und Markterfolgs. Man darf wohl annehrnen, daB eine friih­

zeitige Zuriiekfiihrung des staatliehen Einflusses positiv auf diese Ziele wirkt. Bei den

untersuehten Untemehrnen war der Zeitpunkt der Privatisierung jedoeh nicht so ent­

seheidend wie die neu gewlihlte Reehtsform des Untemehmens.

Die negativsten Bewertungen hatten Untemehrnen mit der Reehtsform der AktiengeseIl­

sehaft gesehlossenen Typs (AGgT), bei der aIle Aktien von Untemehmensmitgliedem

gehalten werden. Fast aile Loser-Untemehmen sind in dieser Gruppe. Relativ transfor­

mations-, jedoeh kaum markterfolgreieh waren die zum Zeitpunkt der letzten Befragung

noeh staatliehen Untemehmen. Am erfolgreiehsten sind die Untemehmen mit einer Ak­

tiengesellsehaft offenen Typs (AGoT), bei der aueh Publikumsaktien ausgegeben wer­

den. Kein Ignorant-Untemehrnen ist hier zu finden, aber bis auf zwei Ausnahrnen aIle

Prospeet-Untemehrnen. Die Mehrzahl der Prisoner-Untemehmen sind noch staatlieh.

Aufgrund fehlender Marktehaneen lassen sich hier kaum nationaIe oder intemationale

Kaufer oder Partner finden. Aueh scheint eine Umstrukturierung in eine AktiengeseIl­

sehaft mit der Aussicht auf Aktienverkaufe in dieser Situation wenig aussiehtsreich.

253

Page 268: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Frage, warum die Aktiengesellschaften offenen Typs erfolgreicher sind, ist schwie­

rig zu beantworten. Auf den Dimensionen "intemationale Beschaffung", "Existenz von

Promotoren" und "Marketing" werden sie zwar besser bewertet, sie heben sich jedoch

auf keinem der Indikatoren kIar hervor. Die aufschluBreichste ErkIiirung fmdet sich in

der Person der Generaldirektoren. Die besonders gut in das aIte Beziehungsnetz einge­

bundenen Direktoren haben erfolgreich versucht, sich in Form einer geschlossenen AG

von extemen Einflfissen abzuschotten, urn alleinige NutznieBer eines potentiellen oder

vorhandenen wirtschaftlichen Erfolgs zu sein (vgl. Kap. 4).

Die KausaIitat der Einflfisse ist aber nicht eindeutig. 1st es nun ein marketinggeschultes

Management, daB sich fur die Rechtsform der AGoT entschlieBt, oder ist es der fiber

den Aktienmarkt vergleichsweise groBere marktliche Druck, der ein marketingaufge­

schlosseneres Management zur Folge hat? Auch das FaIlbeispiel von Rakonfi (vgl. 3.1)

ermoglicht keine streng kausale Deutung. Die UntemehmensgroBe und landerspezifi­

sche Privatisierungsgesetze haben bedeutenden zusatzlichen EinfluB.

Hp,iv1: Die Rechtsform der Aktiengesellschaft offenen Typs (AGoT) zeigt den besten Transformations- und Markterfolg.

5.3.6.3 Kooperationen

Anhand des Indikators "Kooperation mit westlichen Untemehmen" lassen sich mehrere

transformations- und marktrelevante Erfolgsfaktoren erkennen. Die Ursachlichkeitsbe­

stimmung ist bier wiederum Problem, da aIle Kooperationen schon vor der ersten Be­

fragung bestanden. Es laBt sich also nicht fur aIle Indikatoren eindeutig sagen, wie die

Fakten aufeinander eingewirkt haben.

Bei "Kooperationen" und "Marketing-Know-how" ist die Ursachlichkeit einfacher zu

beurteilen. Ein Blick auf die Gesamtzahl von kooperationswilligen Firmen in Ost und

West zeigt, wer die groBere Wahlfreiheit beziiglich des Partners hat. Ausnahmslos aIle

befragten Untemehmen streben eine Kooperation mit Untemehmen aus dem Westen an.

Geht man nun davon aus, daB dies auf eine Vielzahl osteuropaischer Untemehmen zu­

trifft, so ergibt sich ein groBes Ungleichgewicht an kooperationswilligen osteuropai­

schen und westlichen Untemehmen: Vergleicht man die immense Zahl osteuropaischer

Untemehmen mit der Anzahl der Untemehmen im Westen, die emsthaft eine Koopera-

254

Page 269: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

tion in Osteuropa anstreben, so wird deutlich, daB nur die osteuropiiischen Unternehmen

mit dem besten Potential und der besten AuBenwirkung ernsthaft als Kooperationspart­

ner in Frage kommen. Gerade die AuBenwirkung eines Unternehmens wird maBgeblich

von den Marketinganstrengungen determiniert.

Zu Beginn der Transformationsprozesse mag dies noch anders gewesen sein, als koope­

rationsinteressierten Westunternehmen durch die zustandigen AuBenhandelsstellen po­

tentielle Partner vorgestellt wurden. Mit zunehmender Transparenz der Miirkte, zu de­

nen auch die Unternehmensmiirkte ziihlen, andert sich dies. Da die Initiative zur Griin­

dung eines Joint-venture meist von osteuropiiischer Seite ausging, erst von den AuBen­

handelsstellen und nun von den Unternehmen selbst, ist das Unternehmensmarketing

immer wichtiger geworden (TROMMSDORFF et al. 1995, 85ff.). Dies beginnt schon mit

der Kontaktaufnahme. 18 der 22 untersuchten Unternehmen hatten schon Kontakte zu

Westfirmen, doch nur fiinfkonnten daraus ein Kooperationsunternehmen griinden.

Werden die hiiufig iiberzogenen Vorstellungen an einen potentiellen Westpartner in be­

zug auf Kapital- und Managementtransfer nicht schon beim ersten Kontakt erfiillt, so

stellt sich schnell Enttiiuschung ein. Verstiirkte eigene Initiative bei der Partnerwahl, das

Einkalkulieren der Moglichkeit des Scheiterns von Gespriichen und eine realistischere

Einschiitzung der Potentiale der Westunternehmen sind nur einige der Faktoren, die die

Kooperationswahrscheinlichkeit der Unternehmen positiv beeinflussen wiirde. Hiiufig

werden diese Notwendigkeiten allerdings nicht gesehen. Der Verweis auf ein einmaliges

Nachfragen nach einem Kooperationspartner in auslandischen Konsulaten wird schon

aIs Bemiihung urn einen Kooperationspartner angefuhrt. Es verwundert nicht, daB die

vier Unternehmen ohne einen Westkontakt zu den sechs Loser-Unternehmen gehoren.

1m Zuge des Aufbaus einer Kooperation, sei es intern im osteuropiiischen Partnerunter­

nehmen oder extern in Form einer Neugriindung, ist das Marketing der Bereich, der von

westlicher Seite aIs erfolgsentscheidend angesehen wird. Er ist meist mit geringem fi­

nanziellen Einsatz umstrukturierbar. Ein positiver Effekt auf die Marketingbemiihungen

der osteuropiiischen Partner durch westliche Kooperationsunternehmen ist gegeben.

Kooperationen wirken positiv auf das Marketing-Know-how der osteuropiiischen Partner.

255

Page 270: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Weitere Zusammenhange lassen sich zwischen der Untemehmensgrofie und dem Ko­

operationserfolg finden. AIle groBen Untemehmen (mehr als 1000 Mitarbeiter) in dem

vorliegenden Sample haben mindestens einen Kapital- und Know-how-Transfer mit

westlichen Untemehmen, vier der :fiinf grofiten betreiben ein Joint-venture. Wegen der

traditioneIlen Partnerselektion durch die AHK (AuBenhandelskommission) und durch

die meist intensiveren Messeteilnahmen der GroBuntemehmen scheinen GroBe und fi­

nanzieIles Potential fUr das Zustandekommen der Kooperationen ursachlich zu sein.

"KOOPI: GroOe Transformationsunternehmen haben eher die Moglicbkeit, sicb an einem Joint-venture zu beteiligen, als klein ere.

Andererseits bieten sich den kleineren Untemehmen aufgrund der Spezialisierungsvor­

teile, der zunehmenden Transparenz der Untemehmensmarkte und dem freien Zugang

zu den relevanten Informationsmarkten verbesserte Kooperationsmoglichkeiten. Somit

entfaIlt das historisch wichtige Joint-venture-Griindungsmotiv Informationszugang, das

friiher hauptsachlich GroBuntemehmen bieten konnten (TROMMSDORFF et al. 1995, 86).

Kleinere Untemehmen bringen meist geringere soziale Belastungen in eine Kooperation

ein. Kindertagesstatten, eigene Krankenhauser, Kantinen und Sporteinrichtungen sind

oft im Besitz groBer Untemehmen und steIlen finanzieIle Belastungen dar, die nicht

ohne Weiteres abgestoBen werden konnen. Soziale Verpfiichtungen, die im Westen von

der offentlichen Hand getragen werden, waren iiberwiegend in den groBen Kombinaten

und Untemehmen angesiedelt. So hat etwa eine Gemeinde die Schenkung eines unter­

nehmenseigenen Krankenhauses wegen der Unterhaltskosten abgelehnt.

"KooP): Kleinere Unternebmen werden zukiinftig an Attraktivitiit als Kooperationspartner gewinnen.

Die Untemehmen des baltischen Raums haben geographisch und historisch in der An­

bahnung von Joint-ventures Vorteile. Sechs der neun Untemehmen mit Kontakten, Ka­

pital- und Managementtransfer kommen aus dieser Region. Umgekehrt laBt sich aIler­

dings keine Aussage treffen, d.h. auch unter vergleichsweise ungiinstigen Rahmenbe­

dingungen, wie z.B. in WeiBruBland, ergeben sich Kooperationsmoglichkeiten.

H KOO"': Unternehmen aus dem baItischen Raum besitzen geograpbische UDd historische Vorteile bei der Anbahnung von Joint-ventures.

256

Page 271: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die Untemehmen mit groBem extemen EinfluB bei ihrer Privatisierung haben die inten­

sivsten Kooperationsbeziehungen. Teilweise entstand aus dieser Zusammenarbeit ein

Kooperationverhaltnis oder ihre Publizitat hat sieh aufgrund dieses Einflusses so erhOht,

daB sie als Kooperationspartner von Westuntemehmen eher wahrgenommen wurden.

Umgekehrt hatten zu privatisierende Untemehmen mit einer Westkooperation per defi­

nitionem einen extemen EinfluB bei diesem PrivatisierungsprozeB.

H K •• PS: Externer Einflu8 bei der Privatisierung erhoht die Wahrscheinlichkeit einer Kooperation.

Auffallig ist, daB alle osteuropaisehen Kooperationspartner tiber sehr gute personliehe

Beziehungen (Zulieferanten, Abnehmer, Behorden) verfiigen - daher die naeh wie vor

groBe Bedeutung des Zugangs zu Informationen als Griindungsmotiv fur Joint-ventures.

Das Problem der Ursaehliehkeitsbestimmung stellt sieh hier nieht. Unter den fiinf Un­

temehmen ohne nennenswerte Beziehungen finden sieh die vier Untemehmen, die noeh

nieht einmal Kontakt mit einem westliehen Untemehmen hatten.

Per onliche Beziehungen erhohen die Kooperationswahrscheinlichkeit fUr 0 teuropaische Unternehmen.

Die in der osteuropaisehen Wirtsehaft bedeutenden Gegengesehiifte haben fur die

Sample-Untemehmen keine besondere Relevanz. Zwar betreiben elf der 22 Untemeh­

men Gegengeschafte, doeh werden sie nieht als lebensnotwendig eingestuft. Sie leisten

einen Beitrag zur Untemehmensfinanzierung und damit zum Fortbestand des Untemeh­

mens. Wiehtig sind Gegengesehafte nur fur Rohstoffliferanten und Anlagenbetreiber.

Kein Loser-Untemehmen hat West-Kooperationen. Nur zwei der Prospeet-Untemehmen

haben keine intensiveren Kontakte zu westliehen Untemehmen. Hierzu gehort aueh

RAKONFI. Das wurde in der einleitenden Fallstudie trotz der ansonsten sehr positiven

Entwieklung und den klugen Managemententseheidungen als negativ bewertet. AIle

Untemehmen mit einer intensiven Beziehung zu auslandisehen Untemehmen haben

Transformationserfolg, mit Ausnahme von drei Prisoner-Untemehmen.

"K.ap: Kooperationen wirken positiv auf den Transformations­und den Markterfolg.

257

Page 272: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zusammenfassend zu diesem Abschnitt:

Eine Abhangigkeit zwischen externem EinfluB bei der Privatisierung undloder Kooperationen und ...

• der UnternehmensgroBe • den personlichen Beziehungen • dem wechselseitigen EinfluB beider Variablen • dem Transformations- und Markterfolg

... konnte festgestellt werden.

5.4 Zusammenfassung

Nachfolgende Ubersicht faBt die Abhangigkeiten zwischen dem Transformationserfolg

und den untersuchten Variablen zusammen.

Transformationserfolgreiche Betriebe ...

... sind eher Investitionsgtiterhersteller,

... haben einen externen EinfluB bei der Privatisierung,

... haben eher Kooperationen mit westlichen Unternehmen,

... tiitigen mehr Gegengeschiifte,

... beschaffen mehr international,

... verfiigen tiber wesentlich bessere Beziehungen,

... haben funktionsfahigere Marketingabteilungen,

... bemiihen sich eher urn eine Qualitiitsstrategie,

... haben eine deutlich bessere Absatzorganisation,

... kalkulieren eher kosten- und konkurrenzorientiert,

... haben ein wesentlich hOheres technologisches Know-how und

... sind eher markterfolgreich.

Nicht transformationserfolgreiche Betriebe ...

... haben eher Fiihrungskriifte ohne Marketingkenntnisse,

... verfiigen nicht tiber Marken oder Markenpotential,

... nutzen Messen weniger,

... planen inkonsistent,

... kalkulieren nicht marktorientiert und

... sind weniger markterfolgreich.

258

Page 273: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6 Unterstiitzung der betrieblichen Transformation

6.1 Zusammenfassung kritischer Problemfelder der Transformation in Osteuropa

Die Analyse der Transformations-Rahmenbedingungen auf makrookonomischer, mi­

krookonomischer und personeller Ebene ermoglichte die systematische Erfassung von

EinfluBfaktoren auf den betrieblichen TransformationsprozeB. FUr eine problemorien­

tierte TransformationsunterstUtzung ist diese formale Gliederung jedoch zu starr. 1m

folgenden werden deshalb zunachst die fUr die betriebliche Transformation erfolgskriti-

Loser·Unlemelvnen IgllOllWlt-Vntemelmen

Prisoner-Untemehmen

Prosped-Vnteme/Vnen

Slrategie

Scostiges

Abb. 61: Gliederungsschema filr die Strategiediskussion

schen Komplexe kurz nach Pro­

blembereichen zusammengefaBt

(Tab. 42). "Problem" wird dabei

wertneutral verwendet. Manche

der gesammelten Problemfelder

beinhalten auch bereits kurzfristig

Chancen, langfristig urn so mehr.

AnschlieBend werden fUr jeden

Transformationstyp Empfehlun-

gen zur strategischen Ausrich­

tung, dem moglichst effizienten Einsatz des Marketinginstrumentariurns und anderer

ManagementrnaBnahmen zur UnterstUtzung des betrieblichen Transformationsprozesses

gegeben. Es entsteht eine dreidimensionale Matrix, die als Gliederungsschema fur 6.2

dient (Abb. 61). Die strategische Diskussion orientiert sich nicht primar an den iiberge­

ordneten Problemfeldern, sondern an relevanten Einzelphanomenen (Tab. 42).

Tab. 42: Problemfelder der Transformation in Osteuropa

Problemfeld Einzelphanomene Umfeld

UdSSR-A1Hasten • kleinere Lander haben uberproportionale Beschaffungs- und Absaizsatzwierigkeilen RechUicher Rahmen • Nichtdurchsetzbarkeit von rechUichen Anspnichen Privatisierung • Kein ZuftuB von extemem Kapital

• Kein Zugang zu extemem Know-how • Untemehmen wurden zu Spekulalionsobjeklen • Ungenugende Finanz- und Kapitalmarkte • Widerstande und MiBtrauen der Unlemehmensmitglieder (3 Ebenen) unlereinander

Institutionen • unzureichende Unterstiitzung von Verbanden und Kammem • unzureichende Inanspruchnahme der Funktionen der Verbande und Kammem • ungenugende Finanz- und Kapiialmarkte

259

Page 274: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Mark! Branchensiluation • Wegfall staatlicher I kommunaler Auftrage

• schwere Substituierbarkeit der bestehenden Produkte (bes. Investitionsgiiterbereich) • Kaufkraftschwund

Konsumentenl • Verfiihrung durch westliche Werbung Abnehmer • Einkommenspolarisierung

• Ruckbesinnung auf einheimische Geschmacker • Wandel von Verkaufer- zu Kaufermarkten • negative Einstellung gegenuber Werbun!l

Konkurrenten • intemationale Konkurrenz (Turkei, SUdostasien, Westeuropa) • haufig minderwertige Billigprodukte, schwarz importiert • hOherwertige Produkte sind beziiglich Design und Qualitat nicht erreichbar • Nichterkennen von Konkurrenz (Pseudo-Monopolisten)

OrganisationIFuhrung Struktur • Hierarchie

• neue, nicht funktionsfahi!le Abtellun!len Fehlendes marktwirt- • fehlende Management-Expertise schaftliches Know-how • Unterschied zwischen PR und Werbung nicht erkannt

• Qualitats- und Kostenbewu~lsein unterentwickelt • kein Denken in Wertschopfungsprozessen • Festhalten an Standardprodukten • Handelsfunktion nicht erkannt • Funktion des Handels nicht zufriedenstellend (Verderb, Diebstahl) • fehlende Verkaufsflachen des Handels • Marktforschung ohne Kunden • fehlende Innovativitat • negative Einstellung gegeniiber Werbung • Werbung nicht als Investition erkannt • einseitige Produktionsorientierung

Mitarbeiter • QualiUils- und Kostenbewu~tsein fehlen • Nolwendigkeit der Annahmen von Zweit- und Drit1jobs • psychologischer Druck der Umbruchsituatlon • fehlendes Au~endienst-Know-how • Brain drain zu auslandische Konkurrenten oder in die Selbstandigkeit • Brain lack (insbes. Loserl

Mana!lement Strategie • keine Ziel- und Strategieformulierung

• keine Siluationsanalyse • Untemehmen sind sich ihrer Starken und Schwachen nichl bewu~t • Fremdattribution (Politik)

Preispolitik • Preispotitische Spielraume werden nicht ausaenutzt Kommunikationspolitik • keine klaren Ziele und Konzepte vomanden

• kein CI-Denken Produktpolitik • undifferenzierte Ausweilung des Produktionsprogramms

• keine zielorientierte Differenzierung, im Laufe der Transformation verbessert • immenser Transformationsdruck im Bereich der Konversionsunternehmen, der in

Vorteil umschlagen kann lProsoect. Prisonerl Distributionspoltik • Infrastruktur

• Ausdehnung des Landes (Ru~land) • Marktabdeckung • Stra~ntransPOrte I Niederlassunaen: Mafia lKonkurrentenl oder aemeine Verbrecher

260

Page 275: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Marktforschung • Marktforschung ohne Konsumenten • Untemehmen glauben den Markt genau zu kennen • zu unspezifische Datenquellen, Sekundardaten die jedermann zuganglich sind • zu konkurrenzorientiert, nur Preise, nicht abnehmerorientiert • Ingenieursorientierung in den Fuhrungsebenen, Produktfokus, keine Abnehmer • keine langfristige Absatzsicherung durch Erkennen der zukunftigen Bedurfnisse • kein Know-how • Marktforschungs-Instituts-Konzentration in den Metropolen • Vorsicht bei der Institutsauswahl

Beschaffung • Planwirtschaftliche Abhangigkeit teilweise noch vorhanden • Lieferfristen, Zuverlassigkeit, Preise, Zolle • Verpackuno

Messen • Uberbewertung der Funktionen von Messen • Messen nicht nur als Verkaufsforderunosinstrument nutzen

Ungenugende Nutzung • Nichterkennen von Markenpotentialen der vorhandenen • Nichterkennen von eigenen Produktpotentialen Ressourcen Marken • Werbepreise sind noch verhaltnismal1ig gunstig

• ,Kopfe der Konsumenten sind noch leere Festplatte" • undifferenzierte Fokussierung auf den Aufbau von Unternehmensmarken • Ausgaben fOr Werbeagenturen werden oescheut

Verpackung • ungenugende Kapazitat • ungenugende Qualitat • ungenuoende werbliche Nutzung der Verpackung, Differenzierung

6.2 Strategische Empfehluugen f"tir Transformationsunternehmen

Nach einigen allgemeinen strategischen Uberlegungen werden ausfiihrlich Empfehlun­

gen fur Loser- und Prospect-Untemehmen vorgestellt. Dies geschieht teilweise durch

Gegeniiberstellung der beiden Untemehmenstypen, urn die unterschiedlichen Potentiale

und Handlungsspielraurne zu verdeutlichen. Da Prisoner- und Ignorant-Untemehmen

jeweils auf einer Dimension identisch mit den beiden anderen Untemehmenstypen sind,

werden nur abweichende Empfehlungen expliziert, ansonsten auf Entsprechungen bei

den Loser- und Prospect-Untemehmen verwiesen. Bei allen Empfehlungen ist der Cha­

raIder unserer Untersuchung zu beachten, die zwar einen zeitlichen Langsschnitt macht,

aber mitten im TransformationsprozeB stattfand. Langfristig werden Untemehmen ohne

Markterfolg verschwinden, und solche ohne Transformationserfolg, also insbesondere

die Ignorants, werden sich nur halten, wenn ihre zur Zeit giinstigen Rahmenbedingun­

gen erhalten bleiben oder sie sich an Anderungen anpassen kannen, also ebenfalls trans­

formieren. Damit laufen die Empfehlungen darauf hinaus, die Position der Prospects zu

starken und anderen Untemehmen Wege aufzuzeigen, wie sie noch zu Transformations­

und Markterfoig kommen kannen.

261

Page 276: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.1 Allgemeine Empfehlungen

Das in Kapitel 2 vorgestellte Transformationsphasenschema dient als Gliederungskrite­

rium fur die Entwicklung typenabhangiger Transformationsstrategien. Abb. 62 zeigt das

idealtypische Transformationsvorgehen, unabhangig vom Transformationstyp.

Analyseebene

Dispositionsebene

Bestimmung der Transformations­ausgangssituation

Ideen fij r die Proze!!­und Produktlransfor­

mation suchen

Abb. 62: Transformationsphasenvorgehen

Bewertung und Auswahl

der Ideen

Operationalisierung der Transfor­

mationsstrategie

T r an sformation So

stralegie

Inner- und aullerbelrieb­liche Umsetzung der

Transformationsstralegie

Konzepte und Methoden der ersten drei Transformationsphasen werden untemehmens­

iibergreifend osteuropaspezifisch untersucht. Unterschiedliche Potentiale der Untemeh­

menstypen, die eine idealtypische Umsetzung entsprechend des Schemas nicht erlauben,

werden herausgearbeitet. 1m Rahmen der anschlieBenden typenspezifischen Strate­

gieempfehlungen wird der Schwerpunkt auf die Bestimmung und Operationalisierung

der Marketing-Strategien und des operativen Marketing-Mix gelegt.

6.2.1.1 Bestimmung der Transformationsausgangssituation

Fast aile untersuchten Untemehmen gaben an, ihre Mfukte und Konkurrenten zu ken­

nen, ebenso die daraus abzuleitenden operativen und strategischen MaBnahmen. Auf­

grund der hierarchisch-vertikalen Wirtschaftsstruktur sozialistischer Wirtschaftssyste­

me, deren Wertschopfungskette sehr transparent war, ist diese Einschiitzung erklfulich,

doch meist nicht zutreffend. Erste und wichtigste Aufgabe fur ein Transformationsun­

temehmen ist daher, die veranderte Wettbewerbsposition mit Hilfe einer strategischen

Situationsanalyse zu erfassen. Diese umfaBt eine Untemehmens-, Konkurrenten-,

Markt- und Umweltanalyse. Jede dieser Analysen erfordert anderes Know-how, und

jede ist unterschiedlich relevant fur die einzelnen Transformationstypen. Die einzelnen

Analysen werden mit ihren Kriterien (BECKER 1993, 352ff.; MACHARZINA 1993, 227ff.)

262

Page 277: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

checklistenartig vorgestellt. Die Relevanz irn osteuropiiischen Umfeld und die Durch­

fiihrbarkeit der Analysen werden fUr Loser- und Prospect-Untemehmen skizziert.

Kaurn ein Loser-Untemehmen gesteht sich diese Position ein, fremdattribuierte Schuld­

zuweisungen sind die Regel (z.B. TAON, LJUDMILLA). Realistisches Erkennen der ei­

genen Schwiichen ist unverzichtbar. Die Analysen werden nach den gangigen Kriterien

differenziert, deren Relevanz fUr Transformationsuntemehmen bewertet wurde, und im

Vergleich der Loser- zu den Prospect-Untemehmen dargestellt, siehe Tab. 43. "Durch­

fiihrbarkeit" bedeutet dabei nicht die Moglichkeit, eine Verbesserung durchzufiihren,

sondem die Moglichkeit, die betreffenden Informationen zu gewinnen. Es geht hier urn

die Durchfiihrbarkeit der strategischen Analyse, nicht der Umsetzung ihrer Ergebnisse.

Besondere Aufmerksamkeit muG jeder Untemehmenstyp auf die Analysebereiche legen,

die eine hohe Relevanz im osteuropiiischen Umfeld haben und tiber die unsere Einschiit­

zungen Hinweise auf die tendenziellen Analysemoglichkeiten geben. Industrie- und

situationsabhangig konnen die tatsiichlichen Verhiiltnisse sehr verschieden sein.

Tab. 43: Kriterienbewertung der Unternehmensanalyse (Loser versus Prospect)

Unlemehmensanalyse Relevanz im osleu- DurchfUhrbarkeit DurchfUhrbarkell r~aischen Umfeld fUr Loser" fUr Prosoects"

Umsatzentwicldung + - 0

Cash-Flow-Entwicklung + - 0

Entwicklung Personalbestand 0 0 0

Entwicklung der fixen und variablen Koslen + - +

Markelingleistung (Sorlimenl, Breite, Tiefe, + - 0 Leistung, Zusatznutzen, ... )

Preis (Preisniveau. Rabatte. Konditionenj 0 - +

Produktion (Programm. Technologie) 0 + +

F & E (Akliviliiten, Potential) + - +

Finanzen (Kapitalvolumen, -slruktur, Reser- + 0 + ven, Uquiditat)

Personal (Wille, Kima, Entgeltpolitik, Sozial- + 0 0 leislungen

Fiihrung. Organisation (Know-how, Strate- + - 0 gie-Struklur-Fit. Qualital Fiihrungskrafte

Innovationsfahigkeit (EinfUhrung neuer MarkUeistungen. Erschlier!ung neuer Markle + - + und Absatzkanale

- - -Legende. + - gul, 0 - mittel. - - schlecht

263

Page 278: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Es gibt viele "Pseudo-Monopolisten", namlich Unternehmen, die nicht wissen (wollen),

daB ihre scheinbar monopolistische Position nicht existiert oder sehr gefahrdet ist (z.B.

STRAUME). Ahnliches gilt fUr die Ignorant-Unternehmen, die die Gefahr ihrer Lethargie

in einer vermeintlich gefestigten Position nicht erkennen. Auslandische Konkurrenten

oder Substitutionswettbewerb aus anderen Branchen wird nicht als solcher erkannt.

Die Analyse der Wettbewerber sollte auf denselben Dimensionen erfolgen wie die Un­

ternehmenspotentialanalyse, urn ein aussagekriiftiges Starken-/Schwachen-Profil zu

ermoglichen. Da die Datenerhebung im eigenen Unternehmen problematisch genug ist,

gilt dies fUr fremde Unternehmen urn so mehr. Eine vereinfachte Konkurrentenanalyse,

bei der die relativen Potentiale (Tab. 44) zum starksten Wettbewerber verglichen wer­

den, sollte jedoch moglich sein.

Tab. 44: Kriterienbewertung der Konkurrentenanalyse

Konkurrentenanalyse Relevanz 1m osteu- Durchruhrtlarkelt D.~rCl!runrtlarkelt ropaischen Umfeld fUr .Loser" fUr ,Prospects'

relative Marktposition (GroBe, Finanzkrafi, + Marketingpotential)

0 +

, relatives Produktionspotential (Standortvorteile, Flexibilitat der Anlagen, + 0 + Serviceleistungen, Innovationsfahigkeil)

relatives Forschung- und Entwicklungspo- 0 0 + tential (Innovationspotential, Forschung)

relative Qualifikation der Fiihrungskrafte und der Mitarbeiter (Fiihrungssystem, Klima, + - 0 Professionalitat der Urteilsfahigkeil)

- -Legende. + - gut. 0 - mittel, - - schlecht

Die Marktanalyse dient der Erkennung von interessanten strategischen Geschaftsfeldem

und der Elimination schwacher Sparten oder Produkte.

Tab. 45: Kriterienbewertung der Marktanalyse

Marktanalyse Relevanz 1m osteu- Durchfiihrbarkelt Durchfiihrbarkeit ropaischen Umfeld fUr ,Loser" fUr ,Prospects'

Ma.rktwachstum + - +

MarktgroBe 0 0 +

Wettbewerbssituation + - +

Branchenrentabililal + - +

Preispolitischer Spielraum 0 0 0

Eintrittsbarrieren + - 0

Konjunklurabhangigkeil + 0 +

Energie-, Rohsloffversorgung 0 + + Legende: + = gut, 0 = mittel, -= schlecht

264

Page 279: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Bei der Umweltanalyse (Tab. 46) werden die wirtschaftlichen, politisch-rechtlichen,

sozialen, technologischen, und geographischen Umweltfaktoren erfaBt und analysiert.

Diese Daten sind allgemein zuganglich und mussen nicht unternehmensindividuell er­

hoben werden.

Tab. 46: Kriterienbewertung der Umweltanalyse

Umweltanalyse Relevanz im osteu· Durchfl!hrbarkeit Dur~fijhrbarkeit ropaischen U mfeld liir .Loser' liir ,Prospects'

Okologie (Verfiigbarkeit Energie, Rohstoffe, - - 0 Trends Umweltbewuf!tsein

Technologie (Produktionstechnologie., Pro- + - 0 duktinnovationen, Substitutionstec., ... j

Wirtschaft (Einkommen, intern. Handel, + 0 + 0 Inflation, Kapital- und Beschaffungsmarkte, Konjunktur, relevante Wirtschaftssekloren)

Demographische und soziale Entwicklungen 0 0 0

Politik, Recht (global, parteipolitisch, Arbeits- + 0 + rech~ Gewerkschaften, Handlungsfreiheit)

- - -Legende. + - gut, 0 - mittel, - -schlecht

6.2.1.2 Ideen f"tir die ProzeB- und Produkttransformation

Die Veranderungsnotwendigkeit bei allen Transformationsunternehmen steht auBer Fra­

ge. Ebenso die Neuheit der Transformationsaufgabe. Normkonzepte stehen bisher nicht

zur Verfiigung. Dies und der vergleichsweise homogene Ausbildungsstand der Mitar­

beiter in osteuropaischen Transformationsunternehmen bedingt und erm6glicht die un­

ternehmensweite Mitarbeiterpartizipation an der Transformation. Beispiele wie

NEWSKAJA KOSMETIKA zeigen einen ausgeprochen zentralistischen Umgang mit opera­

tiven und strategischen Tatigkeiten - mit Konzentration auf die Person des Generaldi­

rektors.

Auch wenn die endgultige Entscheidung der Generaldirektor zu treffen hat, sollten zu­

mindest in der Friihphase der Produkt- und ProzeBtransformation die Mitarbeiter umfas­

send einbezogen werden. Eine breite Sammlung von ProzeB- und Produktideen auf allen

Hierarchieebenen ist anzuraten. Problematisch ist, daB Generaldirektoren fiirchten,

durch Mitarbeiterpartizipation Schwache zu zeigen. Sorgfaltige interne Kommunikation,

Etablierung von unterschiedlichen Promotoren und eine adaquate Mitarbeiterbeteili­

gung, insbesondere zur Ideengewinnung sind dringend anzuraten. Werden die Methoden

genau erkliirl und wird die gestiegene Verantwortung der Mitarbeiter richtig kommuni-

265

Page 280: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

ziert, so ist fiber die reine Ideengewinnung hinaus ein besseres Problemverstiindnis und

erhOhte Mitarbeitermotivation zu erreichen (siehe Fallbeispiel RAKONFI).

KreativiUitstechniken konnen auf allen Ebenen besonders fUr die ProzeBtransformation

eingesetzt werden. Wie in Kapitel 2 angedeutet, versagt das Modell einer hundertpro­

zentigen Kopie westlicher Untemehmensstrukturen und Managementphilosophien in

Osteuropa. Wertvolle Impulse konnen aus dem Untemehmen selbst kommen. Kreativi­

tat selbst ist schwer erlembar, die Techniken zur UnterstUtzung von latent vorhandener

Kreativitat sehr wohl.

Der Bereich der Produktvariation und -modifikation sollte im Transformationsunter­

nehmen eher systematisch-analytisch angegangen werden. Hierf'Ur spricht das stark in­

genieurwissenschaftlich gepragte Ausbildungssystem. In der Friihphase der Transfor­

mation haben viele Untemehmen ihr Produktprogramm wahllos ausgeweitet in der

Hoffnung, irgendwelche Abnehmer wiirden ihre Produkte schon finden. Dieses irratio­

nale Vorgehen kann mit systematisch-analytischen Kreativitatstechniken diszipliniert

werden. Oft ist der Kundenwunsch nicht weit von dem bestehenden Produkt entfemt

oder eine Marktentwicklung in andere Branchen hinein relativ einfach. Die Anwendung

der Methode des morphologischen Kastens kann licht zu Ideen fUr die Erweiterung des

Anwendungsbereichs fiihren. Zum Beispiel konnte OPTIMED, ein Hersteller flexibler

Endoskope fUr den Einsatz in Krankenhausem in RuBland, schnell zu weiteren Anwen­

dungsideen kommen. Flexible Endoskope werden z.B. in westlichen Landem bei der

Motordiagnose benutzt. Ein Einsatz in RuBland ist durchaus nicht abwegig.

Bei der Projektteambildung ist darauf zu achten, daB auf eine in westlichen Untemeh­

men durchaus wiinschenswerte Teambildung fiber hierarchische Grenzen hinweg ver­

zichtet wird. Das wahrgenommene Risiko, "falsche" Vorschlage zu machen, wiirde die

Effektivimt von hierarchiefibergreifenden Teams gefahrden. Erfolgversprechender ist

die Teambildung auf hierarchisch gleichen Ebenen, die von Teammanagem (General­

direktor, Marketingdirektor, etc.) gefiihrt werden.

266

Page 281: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.1.3 BewertuDg uDd Auswahl der IdeeD

Die Auswahl und Bewertung von Ideen stellt Transformationsunternehmen vor eine

vollig neue Aufgabe, obwohl "Rechen"-Know-how und -kapazitiiten hinreichend vor­

handen sind. Konzepte auf ihre Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu iiberpriifen

erfordert marktwirtschaftliches Know-how und marktorientiertes Denken, die jedenfalls

bei Loser- und Ignorant-Unternehmen nicht vorhanden sind. Die technische Realisation

(Feasibilitystudie), bei der die Umsetzung beziiglich der benotigten Ressourcen (Kom­

petenz, Kapital, Werkstoffe) gepriift wird, ist machbar. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung

ist wegen der schwierigen Datenlage problematisch. Eher zu realisieren ist die Wert­

analyse aus Kundensicht, niimlich in Form einer Produkt-Evaluation bei Zielkunden.

Fiir Loser- und Prisoner-Unternehmen ist dieser Schritt entscheidend, da ihr Entschei­

dungsspielraurn sehr eingeschriinkt ist, denn Fehler bei der Selektion sind fur sie bereits

existenzbedrohend. Prospect-Unternehmen konnen die Analyse und Bewertung der Ide­

en aufgrund ihrer besser gesicherten Marktstellung sehr griindlich vornehmen, notwen­

dige methodische Schulungen extern erhalten und die Verfahren implementieren. Die

Verteidigung ihrer Marktposition erfordert, daB sie ihren Konkurrenten immer einen

Schritt voraus sind. Eine sorgfaltige Situationsanalyse und ein institutionalisiertes Dis­

kontinuitatenmanagement mit der Ableitung zukunftstriichtiger Geschiiftsfelder sind

wichtige und fur Prospects machbare Voraussetzungen.

6.2.1.4 TransformatioDsstrategie

Mit Produktinnovationen gehen Anpassungen von Strukturen und Prozessen einher

(LEHMANN 1994, 39). Aufgrund beschriinkter finanzieller und hurnaner Ressourcen von

osteuropiiischen Transformationsunternehmen kann eine an sich wiinschenswerte

gleichzeitige Struktur-lProzeB- und Produktinnovation nicht immer erfolgen. Der Trans­

formationsmanager steht dann vor der strategischen Entscheidung, ob strukturelle Ver­

anderungen undloder Produktinnovationen undloder die Bearbeitung neuer Miirkte vor­

dringlich ist. Diese strategische Entscheidung sollte zu Beginn des Transformationspro­

zesses gefallt werden. ANSOFFS Klassifikationen von Produktinnovationen laBt sich urn

Struktur- und ProzeBinnovationen erweitern (vgl. Tab. 47). Die in 2.2.2. vorgestellte

Matrix wird hierzu urn eine Dimension erweitert.

267

Page 282: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Tab. 47: Erweiterte ANsOFF-Matrix (erweiterte Darstellung nach ANSOFF 1966)

alter Markl neuer Markl

alte Struktur alles Produkl Markldurchdringung Marklentwicklung

neue Struktur alles Produkl Strukturentwicklungl StrukturlMarkl-Markldurchdringung Entwicklung

aile Struktur neues Produkl Produklentwicklung produklorientierte Diversifikation

neue Struktur neues Produkl StruklurlProdukl- struktur/produklorientlerte EntwickJung Diversifikalion

Die grau hinterlegten Felder zeigen die Strategiefelder, in denen zumindest eine der

bisher bestehenden Dimensionen (Struktur, Produkt, Markt) verandert wird.

Entscheidungsuntersrutzung fur eine transformationsstrategische Unternehmenspositio­

nierung kann eine wettbewerbsorientierte mehrdimensionale Abbildung des Transfor­

mationsgeschehens geben. Sinnvoll ist diese Anwendung allerdings nur, wenn Quantitat

und QualiUit der strategischen Situationsanalyse eine Einordnung der eigenen Situation

(Unternehmen, Produkte) sowie die der Wettbewerber ermoglicht. Das ist eine hohe

Anforderung an das Transformationsunternehmen. Der Raum in Abb. 63 bildet die Si­

tuation einer Transformationswirtschaft oder -branche abo Je nach Fragestellung konnen

die Dimensionen ausgewechselt werden, z.B. kommt auch die Technologiedimension in

Betracht.

Produkleigenschaften (z.B. Innovaliviliil, Koslen der Produke, elc.)

Struklureigenschaften (z.B. hierarchischer Aufbau,

Milarbeilerpartizipalion, Offenheil, elc.)

Starksler inheimischer Konkurrenl

KundeQgruppen (z.B. Endverbraucher, GH, EH)

I

Abb. 63: Wettbewerbsorientierte StrukturlProduktpositionierung (eigene Darstellung)

268

Page 283: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Strategieoptionen fUr die Unternehmenstypen "Loser" und "Prospects" und deren mar­

ketingpolitische Umsetzung werden nachfolgend vorgestellt.

6.2.2 Marketingstrategische Empfehlungen fUr Loser-Unternehmen

Loser-Unternehmen sind weder markt- noch transformationserfolgreich. Sie haben unter

den vier Unternehmenstypen den geringsten Handlungsspielraum und den gr6fiten

Transformationsdruck von. So konnten sich Loser-Unternehmen theoretisch in jedem

der Problemfelder unseres Strategieschemas (Tab. 47) betatigen, aber praktisch kommen

wegen des kleinen Handlaungsspielraums nur Minimalaktivitaten in Frage, die nur in­

krementale Veranderungen bewirken.

Branchenprobleme waren vielfach der Grund fUr den ungeniigenden Erfolg der Loser­

Unternehmen. Zu den nationalen Transformationsproblemen kamen haufig noch ungiin­

stige internationale Entwicklungen hinzu. Zum Beispiel sab sich das estnische Fisch­

fangunternehmen OKEAN zusatzlichen Problemen im Weltfischfang (Uberfischung der

Meere, hohe Investititonskosten auf internationalem Niveau), einer unn6tig verschlepp­

ten Privatisierung und rechtlichen Konflikten mit RuBland gegeniiber. DaB unter den­

selben Bedingungen auch erfolgreich gehandelt werden kann, zeigt das lettische Unter­

nehmen AUDA. Intern durch konsequente Flottenreduktion (von 19 auf neun Schiffe)

und extern durch Branchenbereinigung (von ehemals zehn Anbietern existieren noch

drei) geh6rt AUDA nun zu den Prospect-Unternehmen.

6.2.2.1 Strategie

FOr die Strategieformulierung eines Loser-Unternehmens muB zunachst erkannt werden,

inwieweit die bisherigen Produkte den Marktanforderungen gerecht werden. Der zu

entwickelnde Wettbewerbsvorteil sollte nabe an dem bisherigen Leistungsangebot lie­

gen, eine v6llige Umpositionierung ist zumindest kurzfristig nicht machbar. Aufgrund

der einsetzenden Riickbesinnung osteuropaischer Verbraucher auf heimische Produkte

ist bei Konsumgiiterherstellern eine kostengiinstige "Nostalgie"-Positionierung emp­

fehlenswert. So k6nnte sich der Hut- und Miitzenproduzent LJUDMILLA auf die Produk­

tion klassischer Pelzmiitzen konzentrieren, statt aus Modemagazinen internationale

Kopfbedeckungen (schlecht) zu kopieren. Eine Kooperation mit westlichem Partner

wird an mangelnder Attraktivitat und iiberzogener Erwartungshaltung der Loser-Unter-

269

Page 284: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

nehmen scheitern. Statt mit geringer Erfolgsaussicht die hohen technologischen und ge­

stalterischen Standards ausHindischer Produkte anzustreben, sollte versucht werden, ein­

fache und robuste Produkte anzubieten, die den Grundnutzen sicher erfiiIlen. Als zusatz­

liches Verkaufsargument kann die Smrkung heirnischer Produzenten dienen (buy local).

Als vorrangige StoBrichtung der Loser-Unternehmen sollten durch begrenzte und selek­

tive Veranderungen gezielt Wettbewerbsvorteile geschaffen werden, urn eine urnfassen­

dere Umstrukturierung im weiteren TransformationsprozeB uber eine kurzfristige Un­

ternehmenssicherung anzugehen. Das kurzfristig hOchste Unternehmensziel der Erhalt

des Unternehmens. Erwirtschaftete Deckungsbeitrage sollten vorrangig in Management­

schulung, Qualitatssicherung und Kommunikation investiert werden. Insbesondere Lo­

ser-Unternehmen mussen auch kleine Chancen erkennen und nutzen. AIle Aktivitaten

sollten dazu genutzt werden, eine Veranderungs- und Aufbruchstimmung zu erzeugen.

Zwar ist gerade bei Loser-Unternehmen eine urnfassende Reorganisation der bestehen­

den Prozesse wiinschenswert, doch ubersteigen entsprechende Anforderungen ihre

Moglichkeiten. Haupthinderungsgrund ist das mangelnde analytische Know-how im

Unternehmen, das die Voraussetzung fUr eine prozeBorientierte Umgestaltung der be­

trieblichen Leistung ist. Insbesondere konnen Kundenwiinsche nicht ausreichend spezi­

fiziert werden. Bei mangelnder Analyse fehlt es letztlich an der gezielten Marktaus­

richtung der Prozesse. Ohne Ziele laBt sich ein Reengineering-Vorhaben nicht realisie­

reno Die Haltung eines amerikanisch gepragten Business Reengineering (HAMMER,

CHAMPY 1995) kommt sornit fUr Loser-Unternehmen nicht in Frage.

Erfolgversprechender ist ein evolutorisch gepragter Ansatz (SERVATIUS 1994b). Dieser

erfordert zwar auch ein Oberdenken der bestehenden Prozesse, aber gehandelt wird auf

Basis der bestehenden Strukturen und Potentiale. AhnJ.iches gilt fUr innovationstheoreti­

sche Konzepte: Eine radikale Neuproduktstrategie ist fUr Loser-Unternehmen ungeeig­

net, nur wettbewerbs- und kundenorientierte Modifikationen bestehender Produkte

kommen in Frage. Obwohl das evolutorische Konzept fUr Loser-Unternehmen adaquat

ist, gibt es dabei Probleme, die geforderte selbstorganisierende, offene und flexible Un­

ternehmenstruktur einzufiihren. Wird der MaBstab bisheriger Planwirtschaften zugrunde

gelegt, so haben MaBnahmen wie die Obertragung von Verantwortung auf untere Hier­

archieebenen, Job-rotation oder Team-Projektarbeit fUr Loser-Unternehmen schon ten-

270

Page 285: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

denziell selbstorganisierende Wirkung. Projektarbeit und Job-rotation sollten jedoch

nicht fiber zu groBe hierarchische und inhaltliche Grenzen hinweg gehen. Wichtiger als

die professionelle Durchfiihrung dieser MaBnahmen ist das Erreichen eines Transfor­

mations-Commitment im gesamten Untemehmen.

Notwendige Voraussetzung fUr den Beginn bzw. die Beschleunigung des Transformati­

onsprozesses ist die Bereitschaft beim Management, Eigeninitiative zu entwickeln und

untemehmerische Verantwortung zu fibemehmen. Die bei Loser-Untemehmen vorherr­

schende Fremdattribution der Griinde fUr die schlechte Untemehmenssituation muB auf­

gegeben werden. Die Untemehmensleitung muB bereit sein, bei Entscheidungen Risiko

zu akzeptieren, urn auch geringe Chancen fUr die Rettung des Untemehmens wahrzu­

nehmen. Da man fast nichts zu verlieren hat, muB passives Warten auf den Untergang

durch risikofreudige, zielgerichtete Aktivitaten ersetzt werden. FUr die Initiierung kann

schon ein einzelner Macht- und Fachpromotor, beispielsweise in der Person des Gene­

raldirektors, ausreichen. Dieser muB gezielt betriebswirtschaftlich informiert werden

und geschickt weitere Mitarbeiter einbinden und motivieren.

Mitarbeiter der Loser-Untemehmen haben vielfach mangelndes technologisches und

marktwirtschaftliches Know-how, obwohl das Hurnankapital in Osteuropa im Grunde

positiv zu bewerten ist. 1m Gegensatz zum Brain-drain bei Prospect-Untemehmen

(Abwanderung hoch qualifizierter Mitarbeiter) haben Loser-Untemehmen ein Brain­

-lack, d.h. sie verfiigten nie fiber entsprechendes Hurnankapital und vermissen es auch

nicht. Dies ist der eigentliche Grund fUr Ignoranz und Lethargie gegenfiber Mitarbeiter­

schulungen. Eine einfache Methode ohne den Einsatz von extemen Trainem ist das

Prinzip der Job-rotation, urn den Mitarbeitem ein ganzheitliches Bild des Untemehmens

und seiner Probleme zu geben. Ein Generaldirektor, der sich und seinen Mitarbeitem die

Probleme eingesteht (vgl. Fallbeispiel RAKONFI, 3.1), sollte das gesamte ProblemlO­

sungspotential im Untemehmen herausfordem. 1m selbstorganisierenden ProzeB ist ein

GroBteil der Verantwortung an mittlere und untere Untemehmensebenen abgegeben.

Auf diese Weise kann ein hOheres Engagement aller Untemehmensbeteiligten erzielt

werden. Voraussetzung ist ein einsichtiger Machtpromotor, der das Entstehen von Fach­

und Machtkompetenz in untergeordneten Positionen unterstUtzt und nicht als Bedro­

hung seiner Position ansieht - ein regelmiiBiges Ubel in Loser-Untemehmen.

271

Page 286: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.2.2 Marketing-Mix

6.2.2.2.1 Marktforschung

FUr die Marktforschung kommen aufgrund der begrenzten Mittel nor bescheidene MaB­

nahmen in Betracht. Breit angelegte, quantitative empirische Untersuchungen konnen

nicht finanziert werden; auf qualitative Explorationen sol1ten jedoch nicht verzichtet

werden. Die so gewonnen Erkenntnisse genugen zwar nicht statistischen Anforderungen

an Reprasentativitat und nor beschrlinkt an Validitat, konnen aber wertvo11e Eindriicke

von Motiven und Bediirfuissen der Verbraucher geben. Die Beobachtung der Konkur­

renz, insbesondere der Preisentwicklung, anhand von Sekundlirmaterial und Messen ist

moglich und ublich. Eine preisgiinstige Moglichkeit, urn die Akzeptanz von Produktde­

sign, Preisen und Werbeaussagen zu testen, bieten die freien Markte (Tolkutschkas), auf

denen wie bei einem Storetest direkt die Kundenreaktionen beobachtet werden konnen.

6.2.2.2.2 Produktpolitik

Die Produktpolitik moB auf Straffung des Produktionsprograrnms im Sinne einer Kon­

zentration auf Kernkompetenzen zielen. Oft machen Loser-Untemehmen das Gegenteil.

So hat die KIEWER EXPERIMENT ALF ABRIK FUR HAUSHAL TSCHEMIE mit dem Hauptpro­

dukt Haarpflegemittel das Produktprograrnm nach Kraften erweitert, urn der auslandi­

schen Konkurrenz auszuweichen und mehr Kaufersegmente zu erschlieBen. Ohne ge­

naue Definition der angesprochenen Segmente gezielte Produktpositionierung wurde

das Scharfschiitzenprinzip der Produktdifferenzierung in ein Schrotflintenprinzip mit

entsprechenden Streuverlusten verkehrt. Eine lihnliche Strategie verfolgt das lettische

Untemehmen STRAUME. Zu den Produkten gehOren u.a. Kaffeemuhlen, Schaurnschla­

ger, Bugeleisen, Spielzeug, SchlOsser und Leuchten. Empfehlenswert ware hier die

Konzentration auf wenige, einfache Produkte mit Orientierung an Grundnutzen, Funk­

tionalitat und aus Kundensicht akzeptabler Qualitat auf gegebenen Technologieniveau.

Aus Kostengriinden sind bei Losem korzfristig keine Produktinnovationen moglich,

sondema11enfa11sgeringfiigigeProduktmodifikationen.Beider Produktgestaltung sol1-

ten einheimische Designs verwendet werden, denn es ist erfolgsversprechender, sich auf

die eigene Tradition zu besinnen und diese weiterzuentwickeln, als die Kopie von uner­

reichbaren Standards anzustreben. 1st eine kostengiinstige, qualitativ akzeptable West­

kopie produzierbar, ist dies erfolgversprechend. Mittel- bis langfristig wird es keine

272

Page 287: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Unterscheidung zwischen "West- und Ost-Produkten" mehr geben, sondem nur bezOg­

lich des Preis-lLeistungsimages mehr oder weniger wettbewerbsfahige Produkte.

"Nostalgie-Positionierungen" sind daher nur zeitlich begrenzt anzuraten.

6.2.2.2.3 Preispolitik

Dem angestrebten Qualitatsniveau und den fehlenden Mitteln fur den Aufbau von Prafe­

renzen entsprechend empfiehlt sich die Niedrig-Preispolitik, deutlich unter dem Preisni­

veau von Markenprodukten. Allerdings sollten die Preise aus Imagegriinden hOher sein

als bei auslandischen Billiganbietem, mit deren Produkten die Verbraucher haufig ne­

gative Erfahrungen gemacht haben. Durch die empfohlene Sortimentsbereinigung wird

eine PreislMengenstrategie erleichtert. Auch ohne grundlegende organisatorische oder

kommunikationspolitische Aktivitaten entspannt sich so die finanzielle Situation.

6.2.2.2.4 Kommunikationspolitik

Kemaussage der Kommunikationspolitik so lite sein: "Wir verkaufen keine glitzemden

Versprechungen, sondem ehrliche und niitzliche Dinge aus heimischer Produktion - zu

vemiinftigen Preisen." Appelle an den Nationalstolz sind vielversprechend. Durch Fi-

nanzrestriktionen k6nnen nur begrenzte Kommunikationsanstrengungen untemommen

werden. Elektronische Mediawerbung von Konsumgiiterher­

Abb. 64: Firmenlogo KIEWER FABRIK FUR

HAUSHALTSCHEMIE

stell em kann allenfalls aus vereinzelten Rundfunkspots und

bestenfalls aus einfachen regionalen TV -Spots bestehen. Auch

bei der Printwerbung muB man sich auf einfache QuaIitat be­

schriinken. Voraussetzung fur effektive Kommunikation ist die

Gestaltung eines Markennamens und -logos. Auch hier liefert

die KIEWER FABRIK FOR HAUSHALTSCHEMIE ein Beispiel fur

ungeniigende Nutzung vorhandener Ressourcen. Das Unter­

nehmen ist seit 50 Jahren in der Kiewer Region gut bekannt.

Aus dieser Position heraus lie13e sich eine Untemehmens- oder Produktmarkierung ver­

gleichsweise einfach realisieren. Das vorhandene Logo des Untemehmens (vgl. Abb.

64) nutzt diesen Bekanntheitsgrad in keiner Weise. Weder ist ein Zusarnmenhang mit

der Region noch mit den hergestellten Produkten erkennbar. Auch wird eher Appell­

werbung im Sinne von "waschen Sie mehr Haare" mit entsprechenden Streuverlusten

durchgefiihrt als eine auf den eigenen Leistungsvorteil abgestimmte Werbung.

273

Page 288: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Das Logo sollte zusammen mit dem Kemgedanken in Zeitungsanzeigen und auf Klein­

plakaten fur POS-Werbung kommuniziert werden. Besondere Beachtung sollte die PR­

Arbeit finden: Aufgrund der Krisensituation schenken die Medien eigenstandigen und

mutigen Impulsen in der heimischen Wirtschaft erhOhte Aufmerksamkeit. Es sollte pro­

fessionelles Material fur Presseberichte erstellt werden, zudem sollte stets ein An­

sprechpartner mit entsprechendem Auftreten verfiigbar sein. Dazu gehOrt auch ein pra­

sentabler Zustand der Biiro- und Ausstellungsraurne, was bei den untersuchten Unter­

nehmen so gut wie nie gegeben war. Ein positives Beispiel fur gezielte, lokal orientierte

PR ist das Vorgehen des Prospect-Untemehmens RAKONFI (vgl. 3.1).

Ein weiteres Beispiel fur eine einfache, in Osteuropa jedoch neue Form der Verkaufs­

forderung ist die Vergabe von Rabatten mit Hilfe von Rabattgutscheinen in Zeitschrif­

ten, das Versprechen von Geschenken bei einem Kauf fiber einer bestimmten Surnme

oder ein erheblicher Preisnachla13 von bspw. 33% beim Kauf vor Ende des ablaufenden

Jahres (o.V., ST. PETERSBURG TiMES, 23-29.12. 1 996a, I).

6.2.2.2.5 Distributionspolitik

Die Distributionspolitik basiert meist noch auf der Lieferung ab Werk. Osteuropaische

Konsurnenten sind es gewohnt, sich zu Einkaufsgemeinschaften zusammenzuschlieBen

und Produkte direkt bei den Fabriken zu kaufen. Kurzfristig konnen so die Kosten fur

den Autbau eines eigenen Vertriebsnetzes gespart werden. Es ist jedoch sinnvoll, einige

groBe Handelsuntemehmen direkt anzusprechen. Wiinschenswert ist eine personliche

Ansprache der Handelspartner. Loser-Untemehmen konnen ersatzweise auch das billi­

gere Fax nutzen und z.B. Material fur POS-Werbung und Zeitungswerbung bereitstel­

len, urn die Attraktivitat der Produkte fur den Handel zu erhOhen. Die Absatzgebiete

sollten eher in der Provinz gesucht werden, da die Konkurrenz in den Metropolen deut­

lich hOher ist und die Bewohner in der Provinz weniger westorientiert sind als die GroB­

stadter.

274

Page 289: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.3 Marketingstrategische Empfehlungen itir Prospect-Unternehmen

6.2.3.1 Strategie

Prospect-Unternelunen sind auf den untersuchten Dimensionen am erfolgreichsten. Der

vergleichsweise geringe externe und interne Transformationsdruck er6ffnet die gr6Bten

operativen und strategischen Handlungsspielraume. 1m Gegensatz zu den Loser­

Unternelunen haben Prospect-Unternelunen die M6glichkeit, westliche Managementan­

satze in ihrer gesamten Breite fur sich nutzbar zu machen. Diverse Empfehlungen fur

Loser-Unternelunen sind auch fur Prospect-Unternelunen relevant, doch unterliegen sie

nicht deren Beschrlinkungen. So ist fur diese Unternelunen das gesamte Feld der Reen­

gineering-Ansatze beachtenswert. DaB diese Konzepte Anwendung tinden, zeigt das

Beispiel von ELEKTROPRIBOR, einem Konversionsbetrieb mit ehemals 10.000 Mitarbei­

tern. Das Unternelunen hat mit Hilfe ausllindischer Berater ein Umstruk­

turierungskonzept westlichen Zuschnitts erarbeitet. Es liegt ein ausformulierter Busi-

(bDlOPlUBOII.· 515) e o o .

Abb. 65: Outsourcing Illustration Elektropribor

nessplan vor, in dem Ziele

und Methoden der Umstruktu­

rierung beschrieben sind. Das

Ziel der Ausgliederung ver­

schiedener Unternelunensteile

aus dem "Kombinats-Dino­

saurier" ELEKTROPRIBOR ist

sogar bildlich festgehalten

worden (vgl. Abb. 65). DaB

der alleinige Einsatz ausllindi­

scher Berater noch keinen Erfolg garantiert, zeigt ein weiteres Beispiel eines Prospect­

Unternelunens. Auf die Frage, ob das Unternelunen Kontakt zu ausllindischen Beratern

hatte, antwortete der Generaldirektor mit "Ja" und legte zorn Beweis einen ca. 300 Sei­

ten starkes Projektbericht vor. Allerdings k0lU1te das Unternelunen die vorgeschlagenen

MaBnalunen aufgrund des fehlenden Know-hows nicht umsetzen.

Bei der Anwendung westlicher Managementansatze mUssen das vorhandene Know-how

und die Struktur, in die das Unternelunen eingebunden ist, beriicksichtigt werden. FUr

das Outsourcing als Kern eines Business-Reengineering bedeutet das beispielsweise,

daB genau Uberpriift werden moB, ob externe Zulieferer die gewiinschte Qualitat und

275

Page 290: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Zuverlassigkeit gewahrleisten kannen. ELEKTROPRIBOR als ehemaliges Riistungsunter­

nehmen hat in einigen Bereichen sogar vertikale Integration betrieben, da kein Unter­

nehmen mit vergleichbarer Technologie als extemer Zulieferer gefunden wurde. Bei

Konsurngiiterherstellem ist dieser Punkt weniger kritisch.

Der erste Schritt bei einem Business-Reengineering ist die ProzeBorientierung mit der

Identifikation der bisherigen Prozesse sowie der Schwachstellenanalyse, die auf der

strategischen Situationsanalyse aufbaut. Prospect-Untemehmen miissen ihr Analysever­

standnis und den vorhandenen Transformationserfolg an das prozeBausgerichtete Reen­

gineeing anpassen, die strategische Situationsanalyse also erweitem. Erfolgreiche Pro­

zeBidentifikation ist notwendig, urn kreative Ideen zu entwickeln, da die Prospect­

Untemehmen Vorreiter der Transformation sind und kaurn im Sinne eines Transforma­

tions-Benchmarking Prozesse von anderen Untemehmen kopieren kannen.

Transformationserfolgreiche Untemehmen haben eine funktionsfahige Marketingabtei­

lung. Diese ist wichtig fOr das Erkennen von Kundenwiinschen und -bediirfnissen. Die

Wiinsche der Kunden definieren den Soll-Ablauf, der bei Abweichung yom Ist-Ablauf

einer ProzeBurngestaltung bedarf. Diese Maglichkeit der realistischen Einschatzung von

Kundenwiinschen vereinfacht den Schritt der ProzeB- und Produktideen-Bewertung im

Sinne einer kundenorientierten Wertanalyse. Der vorhandene Markterfolg sichert das

notwendige Investitionskapital, das fur eine betriebsurnfassende Neustrukturierung und

die Entwicklung von Neuprodukten notwendig ist.

Die prinzipielle strategische StoBrichtung der Prospect-Untemehmen mull die einer ho­

hen Innovativitat der angebotenen Leistungen sein. Nur so laBt sich der Vorsprung vor

den nationalen Mitbewerbem halten und ein AufschlieBen zu intemationalen Konkur­

renten erzielen. Ziel mull es sein, die Einstellung und Philosophie der Mitarbeiter zu

verandem. Hierzu sollten individuelle Kreativitat und Innovationsfahigkeit gestarkt

werden (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 12-18.3.1996).

Wahrend Loser-Untemehmen zur Untemehmenssicherung eine Organisationsentwick­

lung innerhalb der momentanen Umwelt anstreben, sollten sich Prospect-Untemehmen

im Sinne einer Organisationstransformation auf zukiinftige Entwicklungen einstellen.

276

Page 291: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Prospect-Untemehmen sind der einzige Untemehmenstyp, der die Erfolgsbedingungen

einer innovativen Untemehmensorganisation (vgl. Tab. 6) erfiillen kann.

Delegation der Kompetenzen und Einbeziehung unterer Hierarchieebenen in Entschei­

dungsfindungsprozesse sind organisatorische Voraussetzungen zur Nutzung des ge­

samten Untemehmenspotentials. Das hierbei nicht alle Entwicklungsstufen westlichen

Management durchlaufen werden mussen, besUitigt die Aussage des Generaldirektors

von PETROSIB. Statt einer verbesserten Kontrolle im administrativen und produktiven

Bereich wurde (wie beim Leapfrogging) direkt eine Partizipation der Mitarbeiter im

ManagementprozeB angestrebt (o.V., ST. PETERSBURG TIMES 12-18.3.1996). Da beim

Management bereits die Bereitschaft und Fahigkeit zu marktwirtschaftlichem Handeln

besteht, kann ein gezielter Aufbau von betriebswirtschaftlichem Know-how betrieben

werden. Dazu mussen aufgeschlossene und lembereite Mitarbeiter in Schlusselpositio­

nen ausgewiihlt und zu Transformationspromotoren entwickelt werden, insbesondere zu

marktwirtschaftlichen Fachpromotoren in mittleren Ebenen. Da Prospect-Untemehmen

meist schon unter planwirtschaftlichen Bedingungen gute Fachleute hatten (z.B.

ELEKTROPRIBOR, BUOMASCH), finden sich engagierte, fachlich kompetente Mitarbeiter

in mittleren FUhrungsebenen. Diesen wurde in sozialistischen Untemehmen nicht die

Moglichkeit gegeben, durch Leistung mehr Verantwortung oder hahere Entlohnung zu

erlangen. Dieses Potential gilt es durch PersonalentwicklungsmaBnahmen sowie lei­

stungsgerechte und leistungsbezogene Entlohnung zu erschlieBen. Geeignet scheinen

Inhouse-Schulungen, wo untemehmensspezifische Probleme am besten berucksichtigt

werden und mehrere Mitarbeiter an den SchulungsmaBnahmen teilnehmen konnen.

Die Entsendung von Mitarbeitem zu Schulungen ins Ausland haben einen hohen Reiz

fUr die Betroffenen, sind aber aus Effektivimts- und Kostengrfinden kritisch. FUr gezielt

ausgewahlte Experten und Promotoren, inbesondere im Bereich des Qualimtsmanage­

ments, sind Anschauungsbeispiele in westlichen Firmen uberaus sinnvoll

(TROMMSDORFF et al. 1995, 85ff.). Derart geschulte Promotoren mussen die Diffusion

ihres neuen FUhrungskraftewissens im Untemehmen vorantreiben. 1m Sinne von HIN­

TERHUBER (1994) (vgl. Abb. 66) ubemehmen diese Personen die Funktion eines Change

Teams, das organisatorisch institutionalisiert werden muB, urn das an einzelne Personen

gebundene Wissen bei Mitarbeiterfluktuationen nicht zu verlieren.

277

Page 292: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

! ! Change T earn a1s organisatortscher Keil unci treibende

Kraft

! Brain-drain, das Abwandern hOchstqualifizier­

ter Mitarbeiter, findet sich am hiiufigsten bei

Prospect-Unternehrnen. Der Si.iJ3warenhersteller

MARS beispielsweise meint, daB weltweit nir­

gendwo so qualifiziertes Personal vorhanden ist

wie in der neuen Fabrik in Stupino, einer ehe­

maligen geschlossenen Riistungsstadt (o.V., ST.

PETERSBURG TIMES, 10-16.6.1996). Personal­

entwicklungsmaBnahrnen verringern den Brain­

drain. Aufgrund der groBten Zukunftspotentiale

konnen sich Prospect-Unternehrnen nach aus­

Abb. 66: Change Team (eigene DarsteIIung landischen Unternehrnen als die attraktivsten nach Hinterhuber 1994, 128)

Arbeitgeber darstellen.

Der Aufbau einer firmenspezifischen Corporate Identity (CI) ist ein weiteres Mittel, urn

Mitarbeiter starker an sich zu binden und zu motivieren. Neben kommunikationspoliti­

schen Effekten hat ein einheitliches Erscheinungsbild f'iir die in Gruppenverbanden den­

kenden Arbeiter einen psychologischen Anreiz. Die CI muB extern und intern gut kom­

muniziert werden. Oft reichen schon einfache MaBnahrnen wie einheitliche Bekleidung

oder positive Verhaltensnormen, urn eine Aufbruch- und Veranderungsstimmung zu

erzeugen. MARS hat mit seiner neuen Fabrik in Stupino positive Erfahrungen mit Unter­

nehrnens-Leitlinien gemacht, obwohl darunter so unpopulare MaBnahrnen wie das AI­

koholverbot wahrend der Arbeit oder harte Sanktionen f'iir Verspatungen oder Nichter­

scheinen bei der Arbeit waren (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 10-16.6.1996).

Es ist darauf zu achten, daB sich die ausgewahlten Promotoren durch hohes Verantwor­

tungsgefiihl und Umsicht auszeichnen. Urn vorhandene Potentiale nicht durch uniiber­

legte Aktionen zu verspielen, muB das untemehrnerische Risiko bei jeder Entscheidung

genau abgewogen werden, da Prospect-Unternehrnen im Gegensatz zu den Loser­

Unternehrnen Potentiale zu verlieren haben.

Oberste Unternehrnensziele sind die Festigung der stabilen Marktposition und die

Schaffung neuer Marktpotentiale. Gewinne sollten vollstandig reinvestiert werden. Ais

278

Page 293: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Investitionsobjekte mussen Infonnationsbeschaffung, Markenautbau, Qualitatssiche­

rung und Organisationsumstrukturierung im Vordergrund stehen.

Vor der Fonnulierung von Strategien mussen Geschaftsfelder definiert und abgegrenzt

werden. Urn das Risiko und die Umsatzerwartungen einschatzen zu konnen, empfiehlt

es sich, eine Portfolioanalyse durchzufiihren. Von zentraler Bedeutung ist die Fonnulie­

rung von komparativen Konkurrenzvorteilen (KKV) fUr jede Geschaftseinheit und die

angebotenen Leistungen. Negativbeispiel ist der Automobilproduzent AUTO V AZ, Her­

steller des auch im Westen bekannten LADA, der die Einfiihrung eines neuen Modells zu

einem Preis von 12.000 Dollar plant. Abgesehen davon, daB das Modell schon jetzt

technisch uberholt ist, liegt der Preis uber dem vergleichbarer westlicher und asiatischer

Modelle (o.V., RUSSIA TODAY, 7.11.1996). Es gibt keinen erkennbaren KKV, keine

Marketingaussage, auf welcher Wettbewerbsdimension AUTOV AZ mit den auslandi­

schen Anbietem konkurrieren will.

Die zunehmende Einkommenspolarisierung zwingt Untemehmen in Osteuropa, sich fUr

eine PreislMengen- oder Praferenzstrategie zu entscheiden. Die Prospect-Untemehmen

sind wohl der einzige Untemehmenstyp, der versuchen konnte, beide Strategieoptionen

zu einer Outpacing-Strategie zu vereinigen, wie sie sich in westlichen Industrielandem

durchzusetzen scheint (vgl. GILBERT, STREBEL 1985). Die relativ gunstige Marktpositi­

on der Prospect-Untemehmen deutet darauf hin, daB zumindest eine "Cash-cow" im

Untemehmen vorhanden ist. Die oben eingeforderte hohe Innovativitat muB die Gene­

rierung neuer Geschaftsfelder oder Produkte, sogenannte Fragezeichen (Boston­

Portfolio), zur Folge haben. Zu erwarten ist, daB eine Qualitatsorientierung eher langfri­

stige Potentiale erschlieBt als eine angreitbarere PreislMengenstrategie. Die Gefahr bei

einer PreislMengenstrategie ist, daB der Lohnkostenvorteil von den Produktivitatsnach­

teilen eingeholt wird und ein Preiswettbewerb mit auslandischen Anbietem nicht ge­

wonnen wird.

Auf der Qualitatsdimension allein ist der Wettbewerb mit auslandischen Konkurrenten

noch nicht zu gewinnen. Daher so lIte analog den Empfehlungen fUr Loser-Untemehmen

eine Buy-Iocal-Botschaft nicht fehlen. Der Kem der Qualitatsstrategie der Prospect­

Untemehmen ist ein hoher Produktgrundnutzen, eventuell erganzt durch einen explizit

fonnulierten, russisch gepragten Produktzusatznutzen und einen Buy-local-Appell. Bei-

279

Page 294: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

spiele fUr mogliche Priiferenzstrategien fmden sich im Food-Bereich bei Kaviar und

Wodka. Es ist nicht einzusehen, warum die einheimische Wodkaindustrie immer mehr

Marktanteile gegen auslandische, insbesondere finnische Anbieter verliert, obwohl

RuBland hier weltweit herausragende Kompetenz und Bekanntheit besitzt. Qualitatssta­

bilisierende MaBnahmen sind die Voraussetzung einer Praferenzstrategie. Bei stark

imagetrachtigen Produkten werden die Konsurnenten allerdings nach wie vor bereit

sein, eine Preisdifferenz fUr auslandische Produkte zu bezahlen.

Die beschriebene Positionierung der Prospect-Untemehmen liillt erwarten, daB sie sich

im Vergleich zu den anderen Untemehmenstypen am starksten auf Wettbewerb mit

auslandischen Untemehmen einlassen. Konsurntrends werden in Moskau oder St. Pe­

tersburg generiert. Eine ausgesprochene Provinzorientierung verbietet sich daher. Ent­

weder auf der Preisdimension (preislMengenstrategie) oder der Qualitatsdimension

(Praferenzstrategie), am besten auf beiden Dimensionen, mUssen sie den Wettbewerb

mit auslandischen Konkurrenten bestehen. Dabei mUssen sie den Vorteil ausnutzen, ein

einheimisches Untemehmen zu sein.

Die Wettbewerbsdimension, die aufgrund der niedrigen Faktorkosten und der lokalen

Marktkenntnis am erfolgversprechensten von einheimischen Untemehmen besetzt wer­

den sollte, ist das Service- und Dienstieistungsangebot. Unabdingbar ist eine intensive

Schulung, urn diese unter sozialistischen Bedingungen unbekannte Untemehmensfunk­

tion in den Kopfen der Mitarbeiter zu verankem. Kundenniihe, hohe VerfUgbarkeit und

niedrige Lohnkosten gewiihren hier V orteile. Aber wie fUr alle anderen Strategieoptio­

nen auch, gilt: Mittel- bis langfristig wird es nur noch PreislLeistungs-Image­

Wettbewerb urn das beste Angebot geben, unabhangig von der Produzentenherkunft.

6.2.3.2 Marketing-Mix

6.2.3.2.1 Marktforschung

Zu Beginn der Formulierung einer Marketing-Strategie muB eine griindliche und profes­

sionelle Situationsanalyse durchgefiihrt werden. Deshalb nimmt die Marktforschung

einen sehr hohen Stellenwert ein. Professionelle Hilfe durch Institute oder Berater wird

bei der Erstellung einer Starken-/Schwachenanalyse und einer Chancen-lRisikenanalyse

meist unverzichtbar sein und muB als Zukunftsinvestition akzeptiert werden. Ein wich-

280

Page 295: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

tiger V orteil gegenuber ausHindischen Konkurrenten ist die bessere Marktkenntnis. So

treffen sich z.B. die GroBhandler von NEWSKAJA KOSMETIKA regelmaBig zu Bespre­

chungen, die fUr aIle Beteiligten wertvolle Informationen bringen. Dieser Vorteil muB

mit Hilfe innovativer Marktforschung gehalten werden, die an den Bediirfnissen der

Konsurnenten orientiert ist. Deshalb ist anzuraten, nicht nur allgemein zugangliche

Quellen auszuwerten, sondern auch Primiirforschung zu betreiben. Idealerweise sollte

das kooperativ mit einem einheimischen oder auslandischen Marktforschungsinstitut

geschehen, urn den Zugang zu elaborierten Marktforschungsmethoden zu erhalten.

6.2.3.2.2 Produktpolitik

Die Markteintrittsbarrieren bei einer PreislMengenstrategie sind vergleichsweise nied­

rig, aber implizieren hohen Wettbewerbsdruck. FUr die Produktpolitik von Prospect­

Unternehmen ergibt sich aus der empfohlenen Praferenz- oder Outpacingstrategie, daB

ein hoher Grundnutzen anzustreben ist, der durch ein Qualitatsmanagement gleichblei­

bend gewiihrleistet werden muB. Jeder Buy-local-Appell greift ins Leere, wenn die

Qualitatsunterschiede zwischen in- und auslandischen Produkten zu groB sind. Zu Be­

ginn der Transformationsprozesse stand rur viele westliche Unternehmen eine moglichst

kostensparende, testende Bearbeitung der osteuropaischen Markte mit Waren minderer

Qualitat im V ordergrund. Aus Enttauschungen der Konsurnenten von diesen Produkten

konnen einheimische Unternehmen profitieren. Strategisch bedeutet dies, daB die den

Konsumenten bekannten Grundprodukte eher modifiziert als neu entwickelt werden

sollten. Zentral dabei ist, neben der Produktqualitat auch die Anmutungsqualitat zu ver­

bessern.

Technische Produktinnovationen sind dort erfolgversprechend, wo in- und auslandische

Standards oder Konsumgewohnheiten verschieden sind. An solchen Schnittstellen kon­

nen einheimische Produzenten ihre Marktkenntnisse ausspielen. Voraussetzung ist al­

lerdings die Kenntnis westlicher Produkte und deren voraussichtliches Eindringen in die

osteuropaischen Markte. Zurn Beispiel hat ELEKTROPRIBOR als Kenner des einheimi­

schen Telekommunikationsmarktes ein Modem entwickelt, mit dem auslandische Mo­

bilfunkteilnehmer das einheimische Netz nutzen konnen, das mit auslandischen Mo­

dems nicht genutzt werden kann.

281

Page 296: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Wiinschenswert ist eine Orientierung an westlichen Standards. Einige Untemehmen

haben ihre Produkte nach ISO-9000 zertifizieren lassen - oder auch das Zertifikat gegen

eine "Sondergebiihr" von den einheimischen BehOrden gekauft. Andere haben Waren­

zeichen europaweit schutzen lassen, wie das litauische Untemehmen AUDEJAS. In sol­

chen MaBnahmen sind erste Ans~tze einer Intemationalisierung osteuropruscher Marken

zu erkennen.

6.2.3.2.3 Preispolitik

Sowohl im PreisIMengen- als auch Qualimtssegment muJ3 sich die Preispolitik an der

ausl~dischen Konkurrenz orentieren. Ein hOheres Preisniveau ist unrealistisch. In bei­

den Segmenten muJ3 das osteuroprusche Produkt bei konstant vergleichbarer Qualit~t

geringfiigig billiger sein als die Westkonkurrenz. Da eine nur konkurrenzorientierte Ko­

stenkalkulation bei Unkenntnis der eigenen Kostenlage unsinnig ist, ist der Aufbau einer

effizienten Kostenrechnung zwingend erforderlich.

Preisdifferenzierungen zwischen wettbewerbsunterschiedlichen Regionen oder Produkt­

gruppen und zwischen unterschiedlich zahlungsbereiten Zielkundengruppen mussen

genutzt werden. DaB ein Produkt an zwei verschiedenen Orten oder Zeitpunkten unter­

schiedlich teuer sein kann, ist auch in Osteuropa aus mangelwirtschaftlichen Zeiten be­

kannt. Dennoch wird Preisdifferenzierung als aktives Marketinginstrument noch selten

angewendet.

6.2.3.2.4 Kommunikationspolitik

Unabh~gig von der strategischen Grundausrichtung steht bei der Kommunikationspo­

litik der Prospect-Untemehmen der Buy-local-Appell im Vordergrund. Unter Nutzung

des Nationalstolzes den Konsumenten sollen Altemativen zu den ausl~dischen Pro­

dukten angeboten werden, die "genauso preiswert, aber russisch" sind, denn "niemand

ubertrifft russische Qualit~t". Das erfordert eine Symbiose aus der Attraktivimt (Preis,

Qualit~t) ausl~discher Produkte und dem Vorteil, einheimische Produkte zu kaufen. In

Verbindung damit kann auch die von mehreren Untemehmen (z.B. RAKONFI,

NEWSKAJA KOSMETIKA, HAUSHALTSCHEMIE) herausgestellte Verwendung ausschlieB­

lich natiirlicher Rohstoffe werblich kommuniziert werden.

282

Page 297: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Wie in Abb. 32 und 33 gezeigt, findet sich kein einheimisches Unternehmen unter den

15 groBten Werbungtreibenden im russischen Fernsehen. Da die Intensitat des Werbe­

marktes weiter zunimmt, wird TV-Werbung fUr einheimische Produzenten sehr teuer.

Die markentechnisch "leeren Festplatten" der russischen Konsumenten werden uber­

wiegend mit auslandischen Produkten belegt, besonders in dem fUr Prospect­

Unternehmen interessantem hOherpreisigen Qualitatssegment. Daher mussen die Kosten

fUr Werbung und der Aufbau von Marken als gleichberechtigt neben produktionstechni­

schen Investitionen stehen. Wo es hohe Reichweiten der Fernsehwerbung sinnvoll er­

scheinen laBt, sollte nicht vor den subjektiv hohen, international aber immer noch nied­

rigen, TV -Werbepreisen zurUckgeschreckt werden.

Die Empfehlungen fUr Loser-Unternehmen beziiglich der Printmedien und der Nutzung

von PR gelten uneingeschriinkt auch fUr Prospect-Unternehmen. Ihre Moglichkeiten,

lokale und uberregionale Medien in ihrem Interesse zu nutzen, sind besser, zumal sie

aufgrund ihrer positiven Zukunftsaussichten als fUr die Regionen bedeutend angesehen

werden. Beispiele fUr bereitwillige Kooperationen zwischen Medien und Unternehmen

finden sich bei ELEKTROPRIBOR lind RAKONFI.

Die Entwicklung einer Corporate Identity stellt hohe Anforderungen an das Erschei­

nungsbild des Unternehmens, nicht nur beziiglich der baulichen Gestaltung und der Pro­

fessionalitat von gedrucktem Material, sondern auch bei Gesprachen mit bestehenden

oder potentiellen Abnehmern, moglichen Kooperationsverhandlungen mit auslandischen

Gesprachspartnern und bei Messeauftritten. Auch kleine Veranderungen wie die Ver­

pflichtung der Mitarbeiter, ihre Arbeitsplatze in Produktion und Administration eigen­

verantwortlich zu reinigen, bis hin zur Modemisierung der Buro- und Ausstellungsrau­

me, bewirken viel. Auslandische Kooperationsinteressenten zeigen sich immer wieder

uberrascht uber den schlechten Ordnungs- und Sauberkeitszustand der Produktions- und

Ausstellungsraume, der eher auf mangelndes Verantwortungsgefiihl der Mitarbeiter als

auf fehlende Mittel zurUckzufiihren ist.

283

Page 298: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Ein einfaches Beispiel fUr die Verbesserung der AuBenwirkung des Untemehrnens ist

die Emeuerung der Visitenkarten von NEWSKAJA KOSMETIKA. Der eigentliche, unbe­

kannte Firrnenname ARKONA ist verschwunden. 1m Vordergrund steht die Ansprache

der nationalen Kultur (Newskaja) und des Leistungsangebotes (Cosmetika) .

.., I : ,'11

" IIICrOll N KONONOY

l(OHOHOB

Abb. 67: Visitenkarten von NEWSKAJA COSMETIKA

6.2.3.2.5 Distributionspolitik

Die Distributionspolitik ist ein wei teres wettbewerbsentscheidendes Betatigungsfeld der

Prospect-Untemehrnen. Fiir den (weniger zu empfehlenden) Fall einer PreislMengen­

strategie ist eine flachendeckende Verfiigbarkeit in dem angestrebten Segment unab­

dingbar. Hierzu gehOrt der Aufbau eines liickenlosen Vertriebsnetzes, mit entsprechen­

der Schulung (exzellentes Aufireten, gute Produktkenntnisse) und leistungsgerechter

Entlohnung der AuBendienstmitarbeiter.

Fiir die altemativ empfohlene Praferenzstrategie treten Marktkenntnisse und gute Han­

delsbeziehungen in den Vordergrund. Hier haben einheimische Untemehrnen einen

Vorteil, auf dem sich Service- und Dienstleistungsvorteile aufbauen lassen. "Unser

Hiindlemetz ist der halbe Wert des Untemehrnens", so der Generaldirektor von KAMAZ,

der weltgroBten LKW-Fabrik im Ural (o.V., ST. PETERSBURG TIMES, 14-20.10.1996).

Diese Netzwerke geben den einheimischen Produzenten noch einen Vorteil gegeniiber

ausliindischen Anbietem. Bestehende Beziehungen sollten mit Hilfe langfristiger Ver­

trage intensiviert und abgebrochene Verbindungen neu aufgenommen werden. Pflege

und Akquisition neuer Handelspartner sollten durch den AuBendienst erfolgen, wichtige

Partner im Sinne eines Key-Account-Management von zentralen Firrnenreprasentanten

betreut werden. In jedem Fall ist die vorherrschende Variante des Werkverkaufs III

Konkurrenz zu bestehenden Handelsstrukturen kritisch zu iiberpriifen.

284

Page 299: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Innovationen mussen auch im Servicebereich stattfinden. Das ukrainische Maschinen­

bauunternehmen BUDMASCH schickt bei Bedarf ein Serviceteam in das gesamte Gebiet

der GUS und nach West-Europa. Kleinere Reklamationen werden auf dem KuIanzweg

behoben.

6.2.4 Marketingstrategische Empfehlungen f"lir Prisoner-Unternehmen

Prisoner-Unternehmen haben aufgrund ihres Transformationserfolgs Potential fUr

Markterfolg, konnen diesen aber aufgrund unternehmensexterner Umstande nicht reali­

sieren. Die Empfehlungen fUr Prospect-Unternehmen gelten grundsatzlich auch fUr Pri­

soner-Unternehmen, der Handlungsspielraum ist wegen der geringeren finanziellen

Moglichkeitenjedoch eingeschrankt. Verglichen mit den Loser-Unternehmen sind diffe­

renziertere MaBnahmen moglich.

Zwei Strategioptionen konnen alternativ oder kombiniert verfolgt werden: Innovation

oder Konzentration.

Ausgangspunkt der Innovations-Alternative ist die Suche nach neuen strategischen Ge­

schaftsfeldern. Da mit den vorhandenen Ressourcen in den angestarnmten Geschaftsfel­

dern kaum Gewinne erwirtschaftet werden, bietet eine radikale Umorientierung der Ge­

schaftsprozesse und des Produktionsprograrnms einen Ausweg aus der Gefangenensi­

tuation. Dies ist aufgrund fehlender Mittel undloder fehlenden Know-hows kaum ohne

Hilfe eines Kooperationspartners zu realisieren. Urn fUr diesen attraktiv zu sein, muB

sich das Prisoner-Unternehmen sowohl seiner langfristigen Chancen und Risiken sowie

seiner Starken und Schwachen bewuBt sein als auch uber die Anforderungen potentieller

Partner.

Sinn dieses Vorgehens ist es, einem auslandischen Interessenten als kompetenter und

realitatsnaher Gesprachspartner gegenuber zu treten, was bei Kooperationsverhandlun­

gen bislang eher die Ausnahme ist (TROMMSDORFF 1995, 85ff.). Ein professioneller

Businessplan sollte erarbeitet werden. Dabei kommt der strategischen Situationsanalyse

hOchste Bedeutung zu. 1m Rahmen einer Starken-/Schwachen-Analyse mussen Unter­

nehmenspotentiale erkannt werden, die fUr den Autbau erfolgsverprechender neuer Ge­

schaftsfelder genutzt werden konnen. Dabei dUrfen technologische Ausstattungsmerk-

285

Page 300: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

male nicht uberbewertet werden. Hurnankapital, geographische Gegebenheiten, vorhan­

dene Netzwerke usw. mussen aufihre innovative Verwendungsfahigkeit auch in bislang

unbekannten Prozessen uberpriift werden. Dazu ist eine genaue Kenntnis der internen

Kosten- und Organisationsstruktur erforderlich. Konkurrenzvorteile mussen erkannt

werden. Heimische Mfu"kte mit Entwicklungspotential und Markteintrittsbarrieren fUr

ausliindische Konkurrenten miissen identifiziert und erschlossen werden. Die vorhande­

nen Kenntnisse heimischer Miirkte und die ZugehOrigkeit zu informellen Netzwerken

mussen genutzt werden, urn Chancen und Risiken abzuschatzen. Auch dieses Know­

how kann als Argurnentationshilfe gegenuber potentiellen Partnern eingesetzt werden,

wobei Wert auf konkrete und fUr den Geschliftserfolg relevante Informationen gelegt

werden muB. Aussichtlose Geschliftsfelder sollten aufgegeben bzw. ausgegliedert wer­

den. Freiwerdende Arbeitskrlifte konnen an Schulungen teilnehmen oder fUr die Um­

strukturierung bzw. Renovierung des Unternehmens eingesetzt werden. Ein negatives

Besipiel: Der litauische Hersteller von Dieseleinspritzpurnpen KURO ApPARATURA hat

sich nicht auf neue Geschliftsfelder urngestellt. Ais ehemaliger Monopolist

(Alleinausriister der sowjetischen Traktorenindustrie) hochspezialisert, halt das Mana­

gement am technologischen Know-how und an den vorhandenen, relativ modernen,

Produktionsanlagen fest. Es wird versucht, mit Hilfe eines westlichen Kooperations­

partners internationale Mfu"kte zu erschlieBen. Moglichkeiten, die im Herzen der Haupt­

stadt Vilnius gelegene Immobilie zumindest teilweise fUr innovative Konzepte (z.B. als

Einkaufszentrum) zu nutzen, werden nicht in Betracht gezogen.

Alternativ oder ergiinzend zu dieser Strategie ist die den Loser-Unternehmen empfohle­

ne Konzentration auf Kernkompetenzen und mit den gegebenen Mitteln urnsetzbare

Produktanpassung auch flir Prisoner-Unternehmen sinnvoll. 1m Rahmen der Produktion

konnen QualitatsbewuBtsein, Teamarbeit, und neuartige Produktionsprozesse trainiert

werden, die als Investitionen in das Hurnankapital angesehen werden konnen.

6.2.5 Marketingstrategische Empfehlungen idr Ignorant-Unternehmen

Ignorant-Unternehmen sind erfolgreich am Markt, obwohl sie bei der betrieblichen

Transformation wenig fortgeschritten sind. Sie haben aufgrund geringen Konkurrenz­

drucks und einer starken lokalen Marktstellung zwar einen relativ groBen Handlungs-

286

Page 301: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

spielraurn fur untemehmerische Entscheidungen, ihnen fehlenjedoch der Wille bzw. das

Know-how fur eine Ausrichtung auf marktwirtschaftliche Systembedingungen.

Zu iiberpriifen ist, ob es sich urn eine temporare oder langfristige begiinstigte Markt­

stellung handelt. Ein lokaler Energielieferant in St. Petersburg beispielsweise muB kurz­

bis mittelfristig nicht mit Konkurrenz rechnen. POULTRY FACTORY in Vilnius wird da­

gegen nur noch kurzfristig von einer monopolistisch begiinstigten Situation ausgehen

konnen. Spatestens wenn neue auslandische Konkurrenten die infrastrukturellen Pro­

bleme beherrschen, scheint ihr Weg zu einem Loser-Untemehmen sicher. Mittel- bis

langfristig ist in allen Branchen und Regionen Wettbewerb zu erwarten, trotz aller pro­

tektionistischer Forderungen der Untemehmen.

FUr Ignorant-Untemehmen gelten grundsatzlich die Empfehlungen fur Prospect-Unter­

nehmen, fur die Umsetzung muB vor allem im Top-Management das BewuBtsein ge­

schaff en werden, daB auch bei relativ guter wirtschaftlicher Lage eine Untemehmensan­

passung an die veranderten Rahmenbedingungen strategisch notwendig ist.

. Notwendige Voraussetzung fur die Implementation marktwirtschaftlichen Denkens ist

die Existenz eines Transformationspromotors. Wie im Fallbeispiel RAKONFI (vgl. 3.1.)

gezeigt, kann schon ein einzelner Machtpromotor als Initialziindung fur untemeh­

mensinteme Umwandlungsprozesse wirken. Das zentrale Problem der Ignorant-Unter­

nehmen ist, daB nicht nur diese Promotoren fehlen, sondem auch daB im Falle ihres

Auftretens und Wirkens Widerstand autkommt. Eine Chance fur das Einsetzen des

Transformationsprozesses besteht dann nur, wenn durch Fiihrungswechsel das NachrUk­

ken marktwirtschaftsorientierter Mitarbeiter, sofem iiberhaupt welche vorhanden sind,

ermoglicht wird oder dieses Hurnankapital extem eingekauft wird. Falls dies nicht ge­

schieht, bevor sich die Marktsituation fur das Untemehmen verschlechtert, wird das

Ignorant- zum Loser-Untemehmen und muB sich auf die dort gegebenen minimalen

strategischen MaBnahmen beschranken.

Das LENINGRADER KUHLKOMBINA T in St. Petersburg nutzt seine starke Marktstellung

als Angebotsoligopolist nicht fur die Modernisierung von Anlagen, die Erarbeitung ei­

ner Untemehmenskonzeption und die ErschlieBung neuer Geschaftsfelder, sondem

schOpft Gewinne abo Sobald die Kiihlraurnkapazitaten in der Region z.B. durch auslan-

287

Page 302: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

dische Investoren steigen, werden die veralteten Anlagen des Unternehmens nicht mehr

wettbewerbsfahig sein.

Die Entwicklung der Ignorant-Unternehmen ist entscheidend vom Verhalten des Gene­

raldirektors abhangig. Meist hat jedoch weder er noch die Belegschaft aufgrund der ver­

gleichsweise giinstigen Situation aller Unternehmensbeteiligten einen Anreiz, Verande­

rungen zu initiieren, am wenigsten seine eigene Ablosung. Setzt sich die Einsicht zur

Notwendigkeit der Umstrukturierung jedoch durch, solange noch Markterfolg erzielt

wird, muB zunachst das notwendige Transformations-Know-how erworben werden. Es

ist also verstarkt in Schulung und Weiterbildung einzelner Fiihrungskrafte zu investie­

reno AnschlieBend gelten die strategischen MaBnahmen fiir Prospect-Unternehmen.

Neben der zu befiirchtenden Veranderung der Ignorant-Unternehmen zu Loser­

Unternehmen ist die Ubernahme durch einen auslandischen strategischen Investor mog­

lich, der sich in einen lukrativen Markt einkaufen will. Dem stehen zwei Probleme ent­

gegen. Zurn einen versuchen Generaldirektoren ertragskraftiger Unternehmen, sich ge­

gen externen EinfluB abzuschotten, urn sich selbst und Teile der Belegschaft zu berei­

chern. Zurn anderen verstarken sich nationalistische Bestrebungen, die den EinfluB aus­

landischer Investoren an strategisch interessanten einheimischen Unternehmen gesetz­

lich beschranken wollen, wie dies bei dem GAZPROM geschehen ist. Auslander diirfen

nur noch insgesamt maximal neun Prozent der Anteile halten (RUSSIA TODAY,

6.3.1997).

6.2.6 Kooperationsstrategien fUr aile Transformationsunternehmen

6.2.6.1 Situation

Westliche Unternehmen investieren nur z6gernd in Osteuropa. Seit Beginn der Pere­

stroika flossen elf Milliarden Dollar auslandisches Kapital in ca. 20.000 russische Un­

ternehmen; in China wurden im gleichen Zeitraum 300 Milliarden Dollar investiert.

Zwei Drittel sind Portfolio-Investitionen, die im FaIle von politischen oder wirtschaftli­

chen Problemen schnell abgezogen werden konnen. 1m produzierenden Bereich zeigt

sich eine abnehmende Tendenz (o.V., RUSSIA TODAY, 12.11.1996).

288

Page 303: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Die mangelnde Attraktivitat osteuropaischer Untemehmen fUr auslandische Investoren

ist nicht aIlein in den oft zitierten unsicheren Rahmenbedingungen begriindet. Wie in

4.2 gesagt, sperren sich insbesondere manche Prospect-Untemehmen gegen extemen

EinfluB, urn personliche Bereicherungen zu wahren. Zwar haben aile Sample-Unter­

nehmen den Wunsch nach einem Kooperationspartner geauBert, doch verbinden sie da­

mit i.d.R. den einseitigen Zustrom von Kapital und Marketing-Know-how und erhoffen

sich teilweise den Zugang zu westlichen Miirkten. Die Abgabe von Geschafts:filhrungs­

kompetenzen sowie die Ubemahme von Geschaftsanteilen durch exteme Personen ist

unerwiinscht. Diese Abwehr findet sich auch bei Loser-Untemehmen wie TAON, wo aile

Aktienanteile in der Hand des Generaldirektors, seiner Frau und seines Stellvertreters

liegen. Dieselbe Abwehrhaltung zeigen auch renommierte Untemehmen, dann jedoch

eher aus Angst vor dem Verlust des GeneraIdirektorpostens. Ein Beispiel ist der russi­

sche Automobilproduzent AUTOV AZ in Togliatti, der ebenfaIls keinen strategischen

Investor sucht (o.V., ST. PETERSBURG TIMES 1996b, 2).

6.2.6.2 Voraussetzungen

Die meisten Sampleuntemehmen hatten bereits Kontakt zu auslandischen Interessenten.

NaturgemiiB sind Prospect-Untemehmen die attraktiveren Kooperationspartner. Dies

liegt allerdings nicht nur an der objektiv besseren Situation dieser Untemehmen, son­

dem auch an iiberzogenen und unrealistischen Vorstellungen der Loser-Untemehmen.

Moglichkeiten und Ziele potentieller Partner werden meist falsch eingeschiitzt. Auf

Ablehnung der eigenen Forderungen wird hiiufig arrogant reagiert. So eine Aussage des

Generaidirektors von T AON verdeutlicht dies: "Westfirmen wollen nur bei uns produzie­

ren lassen, aber nicht unsere Produkte im Westen verkaufen". Diese HaItung ist verein­

zeIt auch bei Prospect-Untemehmen anzutreffen: Beim Iitauischen Untemehmen

AUDEJAS wurde bemangelt, daB die reinen Lohnkostenvorteile fUr westliche Kooperati­

onsinteressenten im V ordergrund stehen - entgegen den V orstellungen des Manage­

ments, litauische Produkte in Westeuropa abzusetzen und im Gegenzug deutsche Pro­

dukte in Litauen zu vertreiben.

Kooperationen miissen zum beiderseitigen strategischen Nutzen angesehen werden und

nicht nur aIs Mittel zur Uberbriickung der gegenwartigen Krisensituation. Die Kenntnis

der Anforderungen westlicher Investoren reduziert MiBtrauen und Vorurteile und korri-

289

Page 304: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

giert falsche Erwartungen, so daB dann weniger Kooperationsanbahnungen scheitern.

Au13erdem haben Unternehmen, die sich auf potentielle Investoren einstellen konnen, als

Kooperationspartner bessere Chancen.

Eine empirische Studie uber Erfolgsfaktoren von deutsch-osteuropaischen Joint­

ventures (TROMMSDORFF et al. 1995) zeigte, daB bei den Griindungsmotiven der westli­

chen Partner ErscWieBung und Sicherung neuer Absatzmarkte im Vordergrund standen.

Umsatz- und Gewinnziele wurden zurUckgestellt, ebenso die Nutzung komparativer

Kostenvorteile durch niedrige Lohne und Materialkosten. Weitere Motive waren die

Nutzung positiver Imagewirkungen und von administrativer UnterstUtzung eines Joint­

venture im Stammland, die Minderung von Kosten und Risiken sowie personliche Mo­

tive wie verwandtschaftliche Bindungen.

6.2.6.3 Feasibility

Vor allem bei Produktions-Joint-ventures legen westliche Unternehmen Wert auf die

Anfertigung einer Feasibilitystudie. Bei Dienstleistungs- und Handels-Joint-ventures

wird sie aufgrund der geringeren Kapitalbindung in vielen Fallen fUr verzichtbar gehal­

ten. Ein Problem stellt dabei die interne Datenlage in den osteuropaischen Betrieben

dar, da das Rechnungswesen und das Controlling westlichen Anspruchen nicht genugen

und viele Daten nicht oder nicht zuverlassig verfiigbar sind. Externe Daten feWen auf­

grund unzureichender Statistiken und der schwachen Marktforschungsinfrastruktur. Au­

Berdem werden Informationen zurUckgehalten (vgl. 4.2) und die eigene betriebswirt­

schaftliche Situation wird ubertrieben positiv dargestellt (o.V., ST. PETERSBURG TiMES,

9-15.12.1996).

Bei der Standortentscheidung ergibt sich die Wahl zwischen der besseren Infrastruktur

der Metropolen, fUr die jedoch andere Erschwernisse wie hohe Kriminalitat und hohe

Mieten in Kauf genommen werden mussen, und der Abgeschiedenheit der Provinz, in

der die bessere Zusammenarbeit mit der Administration als wesentliche Vorteil gilt.

Branchenabhangig kann der osteuropaische Partner Garant fUr die Lieferung von Roh­

stoff en in ausreichender Menge und Qualitat sein, insbesondere wenn er sie selbst pro­

duziert. Da Neubauten zeitraubend, kostenintensiv und risikobehaftet sind, werden Jo­

int-ventures i.d.R. mit bestehenden Gebauden des osteuropaischen Partners errichtet.

290

Page 305: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.6.4 Vertragsverhandlung

Anders als einmalige Markttransaktionen zielen Joint-ventures auf langfristige Zusam­

menarbeit dar. 1m GrUndungsprozeB bilden daher die Vertagsverhandlungen eine wich­

tige Grundlage der spateren Zusammenarbeit. 1m Joint-venture-Vertrag sollten vor al­

lem Zielsetzung und Dauer der Zusammenarbeit, die Rechtsform des Untemehmens, die

Verantwortlichkeiten im Management und die Aufteilung von Gewinnen und Verlusten

festgelegt werden. Versaumnisse und Ungenauigkeiten bei der Vertragsgestaltung wir­

ken sich in der Betriebsphase negativ aus. Insbesondere bei der Kooperation von Unter­

nehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftssystemen sind divergierende Auffassungen

von Grundsatzen der Geschaftsfiihrung ein Problem. Westliche Partner verlangen im

Gegensatz zu ostlichen Partnem die genaue vertragliche Regelung der Geschaftsablaufe,

der Kompetenzverteilung, der Einlagenbewertung usw. Der Joint-venture-Vertrag soll

die gegenseitige Kontrolle und den Schutz des einen Partners vor einseitiger Interes­

sensverfolgung des anderen Partners gewahrleisten. Da die rechtliche Lage in den Nach­

folgestaaten der UdSSR von westlichen Partnem als unzureichend empfunden wird,

legen sie Wert auf die Formulierung exakter und detaillierter Vertrage. Sie werden zwei­

sprachig verfaBt, wobei unterschiedliche Auslegungen moglichst ausgeschlossen sein

sollen. Es empfiehlt sich die Hin- und RuckUbersetzung der Vertrage von unterschiedli­

chen Ubersetzem, urn sprachliche MiBverstandnisse aufzudecken und gegebenenfalls zu

berichtigen. Dieses Verfahren scheint zwar umstandlich und erhoht die Ubersetzungs­

kosten; angesichts der unterschiedlichen kulturellen HintergrUnde und Wirtschafts­

systeme der beteiligten Parteien beschranken sich sprachliche Hurden jedoch nicht nur

auf die Ubertragung stehender Begriffe in eine andere Sprache, sondem reflektieren

grundsatzlich unterschiedliche Denk- und Verstandnismuster, deren Tucken auch sehr

gute Ubersetzer nicht immer gewachsen sind.

Verhandlungen zur GrUndung von Joint-ventures erstrecken sich in der Regel uber meh­

rere Sitzungen. Durch die raumliche Distanz zwischen den Partnem kann der Verhand­

lungsprozeB langwierig und kostspielig werden. Je groBer das Projekt, desto mehr Ent­

scheidungen sind vertraglich zu regeln. Produktions-Joint-ventures stellen mit der Er­

richtung, der Wartung und dem Betrieb der Anlagen sowie mit Beschaffung und Ver­

trieb hOhere Anforderungen an die vertragliche Gestaltung als reine Dienstleistungs­

oder Handels-Joint-ventures. Urn eventuelle Begehungen oder Kontakte zu ortsansassi-

291

Page 306: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

gen Dritten zu erleiehtem, sollte man den Ort der geplanten Betriebsstiitte als Verhand­

lungsort wahlen. Westliehe Partner legen in manehen Fiillenjedoeh Wert darauf, daB die

osteuropaisehen Delegationen in das Heimatland des Partners eingeladen werden, urn

ihnen ein Bild von der eigenen Arbeitsweise vermitteln zu konnen und die Mogliehkeit

zu angesehlossenen Sehulungen zu nutzen.

Kritisehe Verhandlungspunkte sind haufig die Verankerung von Vetriebs- und Marke­

tingfunktionen im Vertrag. Die Notwendigkeit zur Einriehtung solcher marktorientierter

Funktionen wird von osteuroprusehen Untemehmen oft nieht eingesehen. Ihre Interessen

sind eher an der Verbesserung teehnologiseher und kapazitarer Aspekte orientiert als am

Markt. Aueh bei der Bewertung der von Seiten des osteuroprusehen Partners einge­

braehten Anlagen, Grundsrueke und Gebaude gibt es oft untersehiedliehe Auffassungen.

Bei Betrieben mit groBen Belegsehaften kann die personelle Ausstattung des Joint­

ventures strittig sein. Westliehe Partner sind i.d.R. bestrebt, den Personalbestand mog­

liehst gering zu halten, urn eine hohe Produktivitat zu erreiehen, wiihrend ostliehe Part­

ner Arbeitsplatze siehem wollen.

Wiehtigster Erfolgsfaktor bei Joint-venture-Verhandlungen ist der Aufbau einer Ver­

trauensbasis. Die Grundvoraussetzung dafiir ist das gegenseitige Verstandnis fUr die

Kultur und Denkweise des Verhandlungspartners. Dazu gehOren aueh gemeinsame

Mahlzeiten und der Besueh kultureller Veranstaltungen. Ein wiehtiger Erfolgsfaktor ist

die Zeit bzw. Intensitiit, die man dafiir aufbringt, sich miteinander zu besehiiftigen. Vor

allem wird westliehen Managem viel Geduld bei der Erlauterung fUr sie selbstverstand­

lieher Forderungen abverlangt, wenn die Verhandlungspartner die Notwendigkeit des

jeweiligen Verhandlungspunktes nieht einsehen. Aus westlieher Sieht verhandeln Ost­

europaer, urn zu gewinnen, wobei der Verhandlungspartner verlieren muB. Die General­

direktoren wollen Geld und Teehnologie erhalten, fUrehten aber, ihren EinfluB zu verlie­

reno AuBerdem haben ihre Zielvorstellungen oft unrealistisehe Dimensionen. So haben

GENERAL MOTORS und DAEWOO dem russisehen Automobilproduzenten AUTOV AZ

angeboten, eine Produktionslinie mit 50.000 Einheiten pro Jahr zu installieren.

AUTOV AZ wollte sieh allerdings nur auf eine Zwei-Milliarden-Dollar Investition mit

einer jiihrliehen Kapazitiit von 300.000 Einheiten einlassen. Eine "test the waters"­

Strategie westlieher Interessenten wird von osteuropruseher Seite ungem akzeptiert

(o.V., ST. PETERSBUROTIMES, 14-20.10.1996).

292

Page 307: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

6.2.6.5 Technologietransfer

Beim Transfer von westlicher Technologie ergeben sich zwei Alternativen:

• Entweder werden abgeschriebene, altere Anlagen transferiert, urn Standardprodukte

mit fortgeschrittenem Produktlebenszyklus fUr den osteuropiiischen Markt zu produ­

zieren. Der Schulungsbedarf fUr osteuropiiische Mitarbeiter ist in diesem Fall gering,

der Kapitaleinsatz minimal. GroBere Probleme bei Installation und Wartung entfal­

len. Von prominenten Beratern wird diese Alternative als geeignetster Weg zur

'Oberbruckung der Versorgungsengpasse in Osteuropa angesehen. Nachteilig ist, daB

die Produkte dann nicht exportfahig und damit nicht devisenbringend sind.

• Bei der Implementation moderner Technologie entfallt dieser Nachteil. Die Produk­

tivitat und Mitarbeitermotivation sind bOher, da Interesse an westlicher Hochtechno­

logie besteht. Allerdings ist eine Einarbeitung des Personals, z.B. an CNC­

Maschinen, aufwendig, ebenso Installation und Wartung. Einheimische Installateure

sind oft nicht ausreichend ausgebildet, auBerdem gentigen die Rohstoffe den Anfor­

derungen moderner Maschinen nicht immer.

6.2.6.6 Personal und Marketing

Die Personalbeschaffung erfolgt i.d.R. durch den osteuropaischen Partner, entweder aus

der eigenen Belegschaft oder tiber informelle personliche Beziehungen. Westliche Joint­

venture-Partner legen dabei Wert auf Mitspracherecht. Sie sehen das Risiko der Stellen­

besetzung nach personlichen Gesichtspunkten unter Ausschaltung fachlicher Kriterien,

wobei allgemein der Ausbildungsstand und die Motivation hoch bis sehr hoch einge­

schatzt werden. Bei der Personalfiihrung und -entwicklung werden oft hierarchische

Organisations- und Entscheidungsstrukturen bemangelt. Die Entscheidungen osteuro­

piiischer Manager werden oft als schleppend beschrieben.

Das Marketing-Management ist fUr westliche Partner bei Joint-ventures mit osteuropiii­

schen Unternehmen aus verschiedenen Griinden problembehaftet (vgl. 4.5):

• Marktdaten fUr Planungszwecke sind nur schwer erhaltlich.

• Die Qualitatssicherung ist in vielen Fallen schwierig.

293

Page 308: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

• Die Preispolitik ist durch die steigende internationale Konkurrenz, vor all em aus Fer­

nost, gekennzeichnet. Es gibt kaum eingefiihrte Marken, so daB eine hochpreisige

Praferenzstrategie schlecht moglich ist.

• Die Werbelandschaft zeichnet sich durch hohe Dynamik aus. Medien sind im inter­

nationalen Vergleich preisgllnstig, allerdings ist die Infrastruktur noch unzureichend.

• Die Distribution wird durch unzureichende GroB- und Einzelhandelsstrukturen be­

hindert.

6.2.7 Zusammenfassung

Die vorstehenden Transformationsempfehlungen basieren auf der Integration theoreti­

scher Uberlegungen und empirischer ermittelter Erfolgsfaktoren. Die empirischen Er­

gebnisse haben gezeigt, daB die Auswahl der theoretischen Ansatze zur Ableitung von

Transformationsempfehlungen relevant war, wenngleich von einer direkten Ubertragung

dieser Konzepte abgeraten werden muB. Der kulturelle und planwirtschaftliche Hinter­

grund der untersuchten Unternehmen erfordert eine sensible Anpassung der im westli­

chen Kontext gebrauchlichen Managementansatze. Es zeigt sich, daB es keine Standard­

strategie fur betriebliche Transformation gibt, sondern daB eine differenzierte Betrach­

tung der Umfeld- und Unternehmenssituation notwendig ist. Dennoch kann man einige

zentrale Erkenntnisse herausstellen:

• FUr alle Transformationsprozesse gilt die Aussage: "Es ist wichtiger, daB etwas getan

wird, als wie es getan wird." Eine ausgepragte Handlungsorientierung zur Uberwin­

dung der haufig angetroffenen lethargischen Grundhaltung ist entscheidend fur den

Transformationserfolg.

• Die Bedeutung des Generaldirektors ist hierbei erfolgsentscheidend, da nur er als

Machtpromoter in der Lage ist, die notwendigen Aktivitaten zu entfalten.

• Das hohe technisch-ingenieurwissenschaftliche Ausbildungsniveau in osteuropai­

schen Transformationsunternehmen eroffnet groBe Chancen, auch im international en

Wettbewerb AnschluB zu finden, behindert aber auch oft marktorientierte Unterneh­

mensfiihrung, weil das Verstandnis fur Investitionen in nicht kurzfristig wirksame

MarketingmaBnahmen nicht eingesehen wird.

294

Page 309: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

7 Ausblick

Wir haben versucht, die Transformation osteuropiiischer planwirtschaftlicher Betriebe in

marktwirtschaftliche Untemehmen systematisch zu beschreiben, sie anhand makrooko­

nomischer und betriebswirtschaftlicher Theorieansiitze sowie der landerspezifischen

Rahmenbedingungen zu erkliiren, ihre Erfolgsbedingungen, insbesondere Marketing­

Erfolgsfaktoren, durch eine groBenteils qualitativ-explorative Langsschnittuntersuchung

zu bestimmen und schlieBlich Handlungsempfehlungen fUr die Gestaltung des Trans­

formationsprozesses abzuleiten. Diese sind weitgehend unabhangig von Landes-, Bran­

chen- und BetriebsgroBenspezifika, aber in starkem MaBe abhangig yom Transformati­

onstyp des betreffenden Unterenhmens entsprechend einer empirisch gewonnenen Klas­

sifikation. Schon die Erkenntnis der ZugehOrigkeit eines Untemehmens zu einer der vier

Klassen ist wertvoll fUr das Transformationsmanagement, aber auch fUr das Kooperati­

onsmanagement westlicher Partner.

Obwohl der Untersuchung ein 2Y2-jiihriger Langsschnitt der Transformationsprozesse

zugrunde liegt, konnen die Ergebnisse keine zeitinvariante Gultigkeit beanspruchen,

denn die Transformationserfahrungen (und hoffentlich auch unsere Erkenntnisse) wer­

den auf die weitere Entwicklung dieser Prozesse einwirken. Dennoch konnen viele Be­

funde vorsichtig vera1lgemeinert werden, teilweise auch auf Transformationslander mit

anderen Rahmenbedingungen. So ist zu hoffen, daB bevorstehende Transformationsfalle

wie in Kuba oder Nordkorea von diesen Erkenntnissen profitieren werden.

Die betriebswirtschaftliche Transformationsforschung steht erst am Anfang. Die vorlie­

gende Untersuchung konzentriert sich auf den primiiren EngpaB des Transformations­

management, das Marketingmanagement. Vertiefungen in anderen betriebswirtschaftli­

chen Funktionsbereichen wie Produktion und Logistik, Organisation, Controlling,

Rechnungslegung, Investition und Finanzierung sind wUnschenswert.

Die vorliegenden Erkenntnisse mussen als Hypothesen verstanden werden, die anhand

neuer empirischer Untersuchungen unter anderen Rahmenbedingungen und aufbreiterer

Basis zu prtifen sind. Der Weg zu einer in sich geschlossenen betriebswirtschaftlichen

Theorie der Transformation ist noch weit.

295

Page 310: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

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Page 333: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Anhang

Anhang 1: Liste der interviewten Experten ................................................................... 323

Anhang 2: Liste der untersuchten Untemehmen ........................................................... 324

Anhang 3: Interviewleitfaden der ersten Befragung ..................................................... 326

Anhang 4: Berechnung des Markterfolgsindex ............................................................. 330

Anhang 5: Untemehmens-Variablen-Matrix ................................................................. 331

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Page 334: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Anhang 1: Liste der interviewten Experten

Name Institution Interview Datum

Herr Bauer Bundesministeriums fiir Wirtschaft persiinlich 5.12.94

Herr Borodan ABB Kraftwerksleitlechnik GmbH persiinlich 10.3.95

Herr Borrrnann Borrmann, Masing und Partner GmbH, Berlin persiinlich 6.1.95

Herr Caprano Quelle Export Division schriftlich 1.12.94

Herr Dr. Andrejew Handelsvertretung der Russischen Fiideration persiinlich 15.12.94

Herr Dr. Baronius TOB, SI. Petersburg telefonisch 2.12.94

Herr Dr. Danylow OstausschuB der deutschen. Wirtschaft telefonisch 2.12.94

Herr Dr. Desch Deutsche Genossenschaftsbank, Kreditabteilung RuBland persiinlich 27.11.94

Herr Dr. Eckert GETAS Consult, Berlin persiinlich 9.5.95

Frau Freyer Bundesstelle fiir AuBenhandelsinforrnation, AuBenstelle Berlin persiinlich 10.2.95

Herr Gaier Referat fiir Osteuropa beim BAO-Berlin-Marketing Service GmbH persiinlich 28.11.94

Herr Dr. Gartig Fa. UTEKON, Osteuropa-Institut FU Berlin persiinlich 14.11.94

Frau Helmstadter IHK Ges. z. Fiirderg. d. AuBenwirtschaft u. Untemehmensfiihrg. persiinlich 2.12.94

Herr Dr. Henkel Deutsch-Baltischer Verein e.v. persiinlich 23.2.95

Herr Dr. Kapzow Handelsvertretung der Russischen FOderation, Berlin persiinlich 15.11.94

Herr Prof. Dr. Kredisow Lehrstuhl fiir intemationale Beziehungen, Universitat Kiew persiinlich 5.12.94

Herr Dr. Lassig WEMEX Handel GmbH schriftlich 1/95

Herr Massek IBM Deutschland Informationssysteme GmbH persiinlich 17.1.95

Herr Prof. Dr. Melnikas Universitat von Vilnius persiinlich 2.9.95

Frau Mielilz Doktorandin, FU Berlin persiinlich 23.11.94

Herr Scholz ehem. Institut fiir Marktforschung (1M), Leipzig persiinlich 29.5.95

Herr Dr. Selge Estnische Akademie der Wissenschaften persiinlich 30.11.94

Herr Dr. Spark Kooperationsbiiro der deutschen Wirtschaft telefonisch 28.11.94

Herr Tschorz Fa. Pfister, Augsburg telefonisch 29.11.94

Herr Viesulas Association of Lithuanian Entrepreneurs, Litauen persiinlich 5.9.95

Herr Volk FRASER Gesellschaft fiir Untemehmensberatung mbH, Berlin persiinlich 15.12.94

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Page 335: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Anhang 2: Liste der untersuchten Unternehmen

I Firma I Gesprachspartner

Rul!land

Joint Stock Company T AON Naro-Fominsk A. P. Nikolayev (Prasident) V. I. Shevechkov (Vize-Priisident)

Joint Stock Company TECHNlKA Wladimir V. E. Alyakrinsky (Generaldirektor) Wladimir Plant ELEKTROPRIBOR H. I. August (Oirektor)

Bytikov (Produktion und Vertrieb) Oischov(Personal und Ausbildung)

Lebensmiltelkombinat Ramenskij (RAKONFI) A. I. Schinkarew (Generaldirektor) Firma KULON Boischewo J. W. Kulechin (Generaldirektor)

J. A. Zygankow (Stellvertreter) Moskowskaja GALSTUTSCHNAJA Fabrika W. I. Tarrassow (Oirektor) Unternehmen zur Lebensmittelverarbeitun!l Omitrow N. V. A!libalow (Oirektor) OPTIMED SI. Petersburg Miljajew (Generaldirektor)

Kudarow Jershanowa (Marketin!labteilun!l)

LENIN GRADER KUHLKOMBINAT AOOT 4/5 SI. Petersburg Babodej (Generaldirektor) Buckowikova

AOOT WITEX SI. Petersburg A. A. Sedow (Stellv. d. Generaldirektors, Handel) B. N. Molischanow (Stellv. d. Generaldirektors, Technik)

Arkona NEWSKAJA KOSMETlKA SI. Petersburg V. N. Kononow (Stellvertreter des Generaldirektors, Oirektor Marketing)

Ukraine

Betrieb der Ge!lGgelverarbeitung Kiew Kalaschnikow (Oirektor) Kostrikyn (Leiter der Kaderabteilung)

Kiewer Fischkombinat Miropolski (Chelingenieur) Nezenko (Haupttechnologe) Kondraqenko (Abteilungsleiter Gkonomie) Samodina (Leiter der juristischen Abteilung)

Kiewer Werk fiir die Produktion von Milchsaure Strishak (Oirektor) BUDMASCH, Kiewer Betrieb fiir die Herstellung von Bau- Tscherbinin (Oirektor) maschinen Kiewer Experimentierfabrik fiir HAUSHAL TSCHEMIE K~atschko (Oirektor)

Musika (Chefingenieur)

Belarus

BELSPEZKOMMUNMASCH Minsk Mazulewitsch (Oirektor) A. S. Stultschikow (Chefingenieur) Fjodorow Koqak

Wissenschaftliche Produktionsgemeinschaft INTEGRAL O. W. Wetscher (Oirektor fiir Marketing und Absatz) Minsk LJUDMILLA Minsk V. A. Ansolis (Chefingenieur)

Orusjewitsch (Leiter Beschaffung und Absatz) S. E. Plawinskaja (Planungsleiter)

Kombinat Brotprodukte Minsk N. A. Orinenko (Generaldirektor) K. I. Kaschdanowa (Haupt6konomin)

KAMERTON Pinsk Talamai, J.V. (Marketingleiter)

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Page 336: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

EsUand

TALLINN MEAT COI11QClI}}' Lembit KivisildJDirektoJi Riigiettevote ,JuvEEL" Tallinn Indrek Kirss (Verwaltungsdirektor)

Aleksei Zahnarov -.lCommercial Direkto!l OOKEAN Ltd. Tallinn Olav Traks

Aksel Siemer (Berater des Untemehmens) BALTI Manufaktuur Tallinn H. Konts (Marketing & Vertriebs-Direktor)

Lettland

LAIMARiga Silius (Einkaufsleiter) Bluma (Sortimentsmanagerin)

RADIOTECHNIKA Riga Ossi Igorem Pucius (Prasident)

AUDA Riga Purins (Stellvertreter des Vorstandsvorsitzendelll STRAUME Riga Guntis Ved~s lStelivertreter des Direktor~

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Joint Stock Company ,KUROAPARATURA" Vilnius R. Zaikauskas (Direktor Marketing)

AUDEJAS, Vilnius A. Nutautiene (Direktor Okonomie) A. Zorgevicius (Direktor Marketing)

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Page 337: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Anhang 3: Interviewleitfaden der ersten Befragung

0) Strukturdaten (soviel wie maglich vorab ausffillen) Zunachst machten wir Sie bitten, uns einige Fragen zu Ihrer Person und Ihrem Betrieb zu beantworten.

• Namen der Gesprachspartner • Welche Stellung bzw. Funktion bekleiden Sie im Betrieb (Fur jeden Teilnehmer)? • Welchen beruflichen Werdegang haben Sie (Marketingerfahrung eruieren)? • Bitte geben Sie uns einen kurzen AbriB der Historie Ihres Betriebs. • Wieviele Mitarbeiter hat Ihr Betrieb? • Wieviele Mitarbeiter hatten Sie vor der Einffihrung von Glasnost und Perestroika? • Welche Veranderungen bei der Mitarbeiterzahl sind fUr die Zukunft geplan! (Zeitraum)? • Welche Rechtsform hat Ihr Betrieb? Wurde er schon privatisiert? Wann? Wie? • Wie wird Ihr Betrieb finanziert (Eigen- Fremdfinanzierung, staaH. Programme)? • Wie beurteilen Sie die Liquidita! Ihres Betriebs? • Welche Investitionen wurden seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika vorgenommen? Wann genau?

1) Umfeld Nun machten wir einige Fragen zur Veranderung des Umfelds Ihres Betriebs stellen. Darunter verstehen wir die Bereiche, die nicht zum direkten EinfluBbereich Ihres Betriebs gehoren, die aber fUr die Leistungserstellung relevant sind, also Marktpartner (Konkurrenten, Handler), staaUiche Institutionen etc.

• Was waren fUr Ihren Betrieb die wichtigsten Veranderungen im Umfeld ihres Betriebs seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika?

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen in den Beziehungen zu Ihren Kunden? • Gibt es andere Betriebe, die fUr Sie Konkurrenten darstellen? Hat sich in diesem Bereich seit der EinfUhrung von

Glasnost und Perestroika etwas verandert? • Mit welchen Institutionen auBerhalb des Betriebs arbeiten Sie zusammen (Kammem, Berater, Agenturen usw.)? • Wie bewerten Sie die Transport-Infrastruktur (Probleme Beschaffungs-/Absatzlogistik)? Planen Sie in diesem

Bereich Anderungen (z.B. eigener Fuhrpark)? • Wie bewerten Sie die Telekommmunikations-infraslruktur?

2) Planung Die nachsten Fragen beziehen sich auf die Planung Ihres Betriebs. Wir verstehen darunter die Prozesse der Ent­scheidungsfindung iiber das Produktpogramm, die Preise, Investitionen usw. und die daran beteiligten Institutionen.

• Wie hat sich Ihre Planung seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika verandert? • Existieren Reglementierungen beziiglich der Planung (staatlich, andere)? • Wer ist fUr die Erarbeitung Ihrer Betriebsplane verantwortlich (Eigenverantwortung, staaHiche Vorgaben, Ablauf

der Planerstellung, Kennziffem)? • Sind Veranderungen im Bereich der Planung beabsichtigt? Welche? • Welche Personen sind in Ihrem Betrieb an der Erarbeitung der Plane beteiligt? Wurden dazu seit der EinfUhrung

von Glasnost und Perestroika Personalstellen eingerichtet? • Welche Instrumentarien werden zur Planung verwendet? • Wie hat sich das betriebliche Berichtswesen (intem/extem) verandert?

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Page 338: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

3) Produkte/Leistungen Bitte geben Sie uns nun Auskunft iiber Ihr Produktionsprogramm.

• Welches waren die wichtigsten Veriinderungen im Rahmen Ihres Produktionprogramms seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika (Art der Veriinderungen, Zeitpunkte, exteme oder interne Griinde, Umsetzung)? Wel­che Veriinderungen sind fUr die Zukunft geplant?

• Existieren Reglementierungen beziiglich der Gestaltung Ihrer Produktpalette (staaUich, andere)? • Welches waren und sind Ihre Haupt- und Nebenprodukte (%-Aufteilung)? • Wie erfolgt die Entwicklung und Gestaltung der Produkte in Ihrem Betrieb? War das vor der EinfUhrung von

Glasnost und Perestroika anders? Welche Veriinderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Haben Sie die Fertigungstiefe seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika veriindert? Wie? • Welche Veriinderungen sind fUr die Zukunft geplant (Make or buy)? • Bieten Sie fUr Ihre Produkte Service- und DiensUeistungen an (Systemlosungen, Kundendienst)? Welche Veran­

derungen sind fUr die Zukunft geplant? • Wie bewerten Sie die Qualitat Ihrer Produkte im Vergleich zu Ihren Konkurrenten (National, GUS-intern, interna­

tional)? Probleme mit Qualitatssicherung? • Wie bewerten Sie das technologische KnOW-how im Vergleich zu Ihren Konkurrenten (National, GUS-intern,

international, Veranderungen)?

4) Absatzmarkte/Distribution Die folgenden Fragen beziehen sich auf den Absatz Ihrer Produkte. Wir mCichten uns ein Bild von Ihren Absatz­markten und den Problemen, die deren Veranderungen fUr Ihren Betrieb mit sich bringen, machen.

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen in den Beziehungen zu Ihren Abnehmem seit der EinfOhrung von Glasnost und Perestroika (Kunden, Handler, Art der Veriinderungen, exteme oder interne Griinde)?

• Existieren Reglementierungen beziiglich Ihrer Absatzmarkte (staatlich, andere)? • Welches waren/sind Ihre Absatzgebiete (national, GUS-intern, international, falls mCiglich %-Einteilung)? Welche

Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Wie sah/sieht Ihre Kundenstruktur aus? (GroBkunden- und Kleinkundenaufteilung, abs. Anzahl). Welche Veran­

derungen sind fOr die Zukunft geplant? • Hat Ihr Betrieb ein eigenes Vertriebsnetz (AuBendienstrnitarbeiter, Verkaufsniederlassungen)? Welche Verande­

rungen sind fUr die Zukunft geplant? • Haben Sie Probleme, Ihre Produkte abzusetzen? • Wer ist in Ihrem Betrieb fUr die Akquisition verantwortlich? Wer war vor der EinfUhrung von Glasnost und Pere­

stroika dafUr verantwortlich? Welche Veranderungen sind im Akquisitionsbereich fUr die Zukunft geplant? • Gibt es Zahlungprobleme (Zahlungsmoral, Zahlungsmodalitaten)?

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Page 339: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

5) Preis Bille beantworten Sie uns einige Fragen zur Gestaltung der Preise fUr Ihre Produkte.

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen im Rahmen der Preispolitik seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika (Art der Veranderungen, Zeitpunkte, exteme oder inteme Griinde)?

• Existieren Reglementierungen bezGglich der Gestaltung Ihrer Preise (staaUich, andere)? • Wie stufen Sie die Preise Ihrer Produkte im Vergleich zu Ihren Konkurrenten ein (Preislage im Vergleich zur GUS

und international)? Welche Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Wie fandlfindet die Preisbildung in Ihrem Bebieb stall (exteme oder inteme Institutionen, Methoden)? Welche

Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Gibt es Preisempfehlungen an Ihre Abnehmer (Handel, strategische Option)?

6) Informationsbeschaffung Wir mochten hier einige Fragen zur Inforrnationsbeschaffung in Ihrem Bebieb stellen. Oabei geht es um Inforrnatio­nen Gber Markte, Kunden, Konkurrenten usw. Auch Marktforschung fallt in diesen Bereich.

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen im Rahmen der Inforrnationsbeschaffung seit der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika (Art der Veranderungen, Zeitpunkte, exteme oder inteme Griinde)?

• Haben Sie vor der EinfUhrung von Glasnost und Perestroika Marktforschung bebieben? • Betreiben Sie jetzt Mafo (Art der Mafo, eigene Abteilung, Fremdvergabe, Mitarbeiteranzahl)? • Plan en Sie die EinfUhrung von MaFo? • Welche Inforrnationsquellen haben Sie genutzt'nulzen Sie? Welche Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant

(Ungestiitzt fragen, Nennungen notieren, danach Liste vorlegen)?

7) Kommunikation Wir mochten an dieser Stelle einige Fragen Gber die Kommunikation zwischen Ihrem Bebieb und Ihren Kunden stellen, also z.B. Gber Anzeigen- oder Fernsehwerbung, Messen u.a.

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen im Rahmen der absatzfordernden Kommunikation seit der Ein­fUhrung von Glasnost und Perestroika (Art der Veranderungen, Zeitpunkte, externe oder interne GrGnde)?

• Existieren Reglementierungen bezGglich Messebeteiligungen, speziell Auslandmessen betreffend (staatlich, andere)?

• Existieren Reglementierungen bezGglich Werbung (staatlich, andere)? • Welche MaBnahmen der Verkaufsforderungen existiertenfexistieren in Ihrem Bebieb (Messen, national, GUS-

intern, international)? Welche Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Welche WerbemaBnahmen fUhren Sie durch? Welche Veranderungen sind fUr die Zukunft geplant? • Gab esfgibt es eine ausgearbeitete WerbekonzeptionfWerbebudgetierung? Wer hat sie erarbeitet? • Wer ist fUr die Marktkommunikation verantworllich? Gibt es eine Abteilung im Bebieb? • Arbeiten Sie mit Werbeagenturen? Plan en Sie eine Zusammenarbeit?

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Page 340: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

8) Strategischer Ausblick AbschlieBend gestalten Sie uns bilte einige Fragen Ober die langfristigen, d.h. fiir die nachsten Jahre geltenden, Planungen Ihrer Geschaftstatigkei!.

• Welche zukOnftigen Chancen und Risiken sehen Sie fiir Ihren Betrieb? • Welche strategische Konsequenzen leiten Sie daraus ab? • Welche Investitionen sind miltel- bis langfristig (innerhalb der nachsten fiinf Jahre) geplant?

9) Beschaffung Hier beniitigen wir Informationen zur Beschaffung der nolwendigen Produktionsmiltel.

• Welches waren die wichtigsten Veranderungen in den Beziehungen zu Ihren Lieferanten seit der Einfiihrung von Glasnost und Perestroika (Art der Veranderungen, ext. oder in!. GrOnde)?

• Existieren Reglementierungen bezOglich der Beschaffung Ihrer Vorprodukte (staaUich, andere)? • Wieviele Zuliefererbetriebe gab es unter planwirtschaftiichen Bedingungen? Wieviele gibt es jetzt? • Gab es/gibt es Kooperationen im Beschaffungsbereich? Sind welche geplant? • Wie sah/sieht die Herkunft Ihrer Zulieferer aus? (national, GUS-intem, intemational) • Welche Veranderungen sind fiir die Zukunft geplant?

10) Organisation/Personal In diesem Abschnilt beniitigen wir Informationen Ober die Enlwicklung Ihrer betrieblichen Organisation und die damit verbundenen personellen Enlwicklungen.

• Welches waren die wichtigsten organisatorischen Veranderungen seit der Einfiihrung von Glasnost und Pere-stroika (Zeitpunkte und Iypischen Verlauf eruieren)?

• Existieren Reglementierungen bezOglich Organisation und Personal (staaUich, andere)? • Existiert eine eigene Markelingabteilung in ihrem Betrieb (Mitarbeiteranzahl, Aufgaben und Konzepte)? • Welche QualifizierungsmaBnahmen wurden in Ihrem Betrieb durchgefiihrt (verschiedene Ebenen, Art, Dauer)?

Welche sind fOr die Zukunft geplant? • Welche Anreizsysteme bestehen in Ihrem Betrieb fOr untemehmerisches Engagement (Motivation, Sanktionen)? • Welche Arten der Entlohnung existierten/existieren in Ihrem Betrieb (Grundlohn, leistungsorientiert, staatl. Vor­

gaben)? Welche Veranderungen sind fOr die Zukunft geplant?

11) Zusammenarbeit

• Beniitigen Sie UnterstGtzung durch wesUiche Inslitutionen? In welchen Bereichen? • Was sind die dringendsten Probleme? • Haben Sie Erfahrungen mit der GrOndung und dem Betrieb von Joint-ventures mit einem wesUichen Partner? • Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile und die Nachteile eines Joint-ventures? • Sind sie interessiert an der GrOndung eines Joint-ventures? • Welche Informationsmiiglichkeiten Ober wesUiche Partner kennen Sie? • Was sind fOr Sie die griiBten Probleme bei der Zusammenarbeit mit einem westlichen Partner?

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Page 343: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Johann Engelhard (Hrsg.)

Ungarn im neuen Europa Integration - Transformation - Markteintrittsstrategien

1993, IX, 276 Seiten, Broschur, DM 78,-ISBN 3-409-13869-2

Die europaische Frage hat mit dem Zerfall der zentralplanwirtschaftlichen Systeme in Osteuropa eine neue Di­mension bekommen. Die ausschliemi­che Orientierung an Notwendigkeiten der westeuropaischen Integration er­weist sich als unzureichend. Das Stre­ben nach verstarkter Integration der EG-Staaten sowie die Transformation des Wirtschafts- und Gesdlschaftssy­stems der osteuropaischen Lander in Verbindung mit deren beschleunigter Anbindung an die EG gewinnt zuneh­mend an Bedeutung.

Die Position Ungarns zur und in der EG war Gegenstand eines Gemein­schaftssymposiums der Wirtschafts­universitat Budapest und der Otto-

Friedrich-Universitat Bamberg. Dabei wurden wesentliche Apekte der west­europaischen Integration herausgear­beitet, Konzepte und Gefahrdungen der EG-Fahigkeit der ungarischen Wirtschaft offengelegt sowie Chan­cen und strategische Verhaltensweisen deutscher Unternehmen auf dem ungarischen Markt kritisch gewiirdigt.

Die Diskussionsbeitrage bieten sowohl Fiihrungskraften in Unternehmen mit wirtschaftlichem Engagement in Ost­europa als auch Studenten und Dozenten der Wutschaftswissenschaf­ten, insbesondere mit dem Schwer­punkt Internationales Management, einen guten Einblick in den gesamt­europaischen EntwicklungspozeK

Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Abraham-Uncoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden

Page 344: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Benkenstein/Richter/ROland/SchrOder (Hrsg.)

Osteuropa im Umbruch Perspektiven fUr die neuen Bundeslander

1995, X& 214 Seiten, Broschur, OM 68,­ISBN 3-409-13239-2

Die Offimng Osteuropas und ins­besondere der ehemaligen DDR ist mit politischen, wirtschaftli­chen und strukturellen Verande­rungen verbunden, die, bezogen auf die ehemaligen RGW-Lander, durch strategische Diskontinuita­ten gekennzeichnet sind. Eine gezielte und differenzierte Analyse der Situation ist somit nur bedingt moglich.

Die Beitrage renommierter Auto­ren aus Politik, Wissenschaft und Untemehmenspraxis zeigen das

Bild der politischen und wirt­schaftlichen Entwicklungen m Osteuropa und gehen auf die Konsequenzen fur die Bundesre­publik Deutschland und insbeson­dere die neuen Bundeslander ein.

Das Buch wendet sich an Dozen­ten und Studenten der Wirt­schaftswissenschaften, der Politik­und Sozialwissenschaften sowie an Fachleute in Untemehmen, die in den osteuropaischen Markten engagiert sind bzw. dort m Zukunft vertreten sein werden.

Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Abraham-Uncoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden

Page 345: Transformation osteurop¤ischer Unternehmen: Grundlagen — Rahmenbedingungen — Strategien

Manfred Borchert

AuDenwirtschaftslehre Theorie und Politik

5., Oberarbeitete und erweiterte Auflage 1997, XV, 538 Seiten, Broschur, DM 78,­

ISBN 3-409-63905-5

Dieses Standardlehrbuch zur Au­genwirtschaftslehre fuhrt in die grundlegenden Probleme der Theo­rie und Politik internationaler Wirt­schaftsbeziehungen ein. 1m ersten Teil stellt der Autor den theore­tischen Gesamtkomplex der inter­nationalen Wirtschaftsbeziehungen vor:

- Augenhandelsverflechtung und Zahlungsbilanz,

- Mikrookonomisch fundierte Theorie,

- Monetiire Augenwirtschafts-theorie,

- Devisenmarkt und Wechselkurse.

1m zweiten Teil beschreibt Professor Borchert die Anwendung der Theo-

rie in der Politik sowie deren Institu­tionen:

- Augenwirtschafts- und Augenhandelspolitik,

- Internationale Wiihrungsord -nung,

- Europiiische Wiihrungsunion, - Integrations- und Entwicklungs-

politik.

Fur die 5. Auflage wurden aile Kapi­tel griindlich uberarbeitet und auf den neuesten Stand von Forschung und Praxis gebracht. Insbesondere die Einflusse der Neuen Wachstums­theorie und der Strategischen Handels­politik wurden fur die aktuellen wirt­schaftspolitischen Entwicklungen be­rUcksichtigt.

8etriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Abraham-Uncoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden