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nr. 2/2011 Jubiläum: Zehn Jahre Helder-Camara-Stiftung Katastrophe in Japan: Fragen zum Thema Spenden E10-Debatte: Entwicklung in die falsche Richtung Ein Jahr als „weltwärts“- Freiwillige

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nr. 2/2011

Jubiläum: Zehn Jahre Helder-Camara-Stiftung

Katastrophe in Japan: Fragen zum Thema Spenden

E10-Debatte: Entwicklung in die falsche Richtung

Ein Jahr

als „weltwärts“-

Freiwillige

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3 Editorial

4 Reportage Freiwilligendienst: Das einfache Leben

10 Portrait Freiwilligendienst: Im Prinzip wie Liebeskummer

11 Kolumne: Auf ein Wort

12 Nachrichten

13 Kommentar: Läuft alles wie geschmiert?

14 Reportage Nepal: Shangri-La war einmal

18 Interview Freiwilligendienst: Wer das Abenteuer sucht, ist bei uns falsch

20 Vor Ort: Ein Pionier im deutschen Weinbau

22 Stichwort Nordafrika: Mut zum Dissens

23 Fragen zum Thema Spenden: Mit den Menschen in Japan verbunden

24 Fastenaktion: Menschenwürdig leben. Überall!

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Gute Erfahrungenmit Lisa, Simon undTom – aber die Mittelwerden gekürzt.

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10 Jahre Helder-Camara-Stiftung –eine Erfolgsgeschich-te mit 180 Stiftern.

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E10: Sorge umseigene Auto oderum die Armen?Ein Kommentar.

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Herausgeber: Bischöfliches HilfswerkMISEREOR e.V.

Redaktion:Michael Mondry (verantw.)Dr. Kerstin BurmeisterDaniela SinghalRalph Allgaier

Grafische Gestaltung:Anja Hammers/MISEREOR

Druck und Vertrieb:MVG Medienproduktion undVertriebsgesellschaft, Aachen

Papier:MISEREOR aktuell80% Recycling-Papier

Erscheinungsweise:4 x jährlich

Redaktionsschluss:11. 4. 2011

ISSN 0942–2269

G 5256 F

Zuschriften an: MISEREOR aktuellMozartstraße 952064 [email protected]

Titelbild:Mondry/MISEREORSimon beim Computerkursin Sambia

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Lisa weiß jetzt wie gegrillte Raupen schme-cken, an das vertauschte L und R hat Simon sichbis heute nicht gewöhnt und für Tom ist Heimwehein wenig wie Liebeskummer. Die Freiwilligen, dieseit dem Sommer 2010 in den MISEREOR-Projek-ten in Sambia, Tansania, Ruanda, Mexiko, Indienund auf den Philippinen arbeiten, können viel er-zählen von kulturellen Grenzen und dem Weg siezu überwinden, von der Vielfalt und Kreativität derMenschen im Süden. Einige der Geschichten ha-ben wir in der neuen Ausgabe von MISEREOR ak-tuell gesammelt. Im Interview erfahren Sie zudem,wie es weitergeht mit dem „weltwärts“-Programm.

Vielfalt ist auch das Stichwort, das am besten diezahlreichen Ideen und Aktionen beschreibt, mitdenen in der Fastenzeit Gemeinden, Schulen undEine-Welt-Gruppen Spenden gesammelt haben.Von seinen Erfahrungen beim ersten Rollstuhl-So-lidaritätslauf in Recklinghausen berichtet derHauptgeschäftsführer in seiner Kolumne, aberauch das von Grundschülern selbstgemalte Hun-gertuch in Linnich, die nachgebaute Slumhütte inHanau und der Erzbischof mit den Topfdeckeln inHamburg haben ihren Platz im Heft gefunden.

Mit welchen aktuellen Fragestellungen MISERE-OR sich in der letzten Zeit beschäftigt hat, zeigenBerichte und Kommentare zum sogenannten„Bio“-Kraftstoff E10, zu den Revolutionen in Nord-afrika und zur Katastrophe in Japan. Wir wün-schen viel Freude und die ein oder andere neueErkenntnis beim Lesen!

Für die RedaktionMichael Mondry

Liebe Leserinnen und Leser,

Spendenkonto 10 10 10

Pax-BankBLZ 370 601 93

Wir unterstützendie Mutigen in Haiti,die ihr Land wiederaufbauen wollen.Ihre Spende hilft!www.misereor.de

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Lisa hat Arbeitsblätter für den Mathematik-Unterricht vorbereitet. Mit den Lehrmethodenaus Deutschland kommen die Abiturienten inSambia bei ihren Schülern gut an.

Kulinarische Erfahrungen der besonderen Art:

Auf dem lokalen Markt von Solwezi probieren

Simon und Lisa zusammen mit Bürokollegen

Edgar geröstete Raupen.

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Eine Reisereportage vonMichael Mondry

DaseinfacheLebenLisa und Simonarbeiten als Freiwilligein Sambia

Lisa und Simon müssen sich mit einfachen

Unterkünften zurechtfinden. Platz gibt es wenig.

Die Toilette ist auf dem Gang des Gästehauses.

Eine warme Dusche ist Luxus.

Simon unterrichtet in der St. Charles Academy

Englisch. Die meisten der Schülerinnen

und Schüler sind Waisen oder kommen aus

schwierigen familiären Verhältnissen.

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Am Kamwala „Inter-City Bus Terminal“ an derDedan Kimajhi Road im Herzen von SambiasHauptstadt Lusaka wimmelt es an diesem Mor-gen um halb sechs von Passagieren, Taxifahrernund Händlern. Der Lärm der laufenden Motorender großen Überlandbusse mischt sich mit denRufen der Busangestellten, die in ihren roten,blauen und gelben Overalls herumrennen und ver-suchen, unentschlossene Passagiere mit Nach-druck zu ihren Buslinien zu lotsen. „Where doyou want to go? Zamzaf Coaches is the best. Verycomfortable. I will show you.“ Wer jetzt noch wäh-

len muss zwischen BookersExpress, Red Heart Zoomund Mazhandu kann genau-so schnell verloren gehenwie sein Koffer, der viel-leicht bereits irgendwo ineinem Gepäckfach ver-schwunden ist zwischenSäcken mit Maismehl undPlastiktaschen voller Ana-nas und Mangos. „JuldanMotors“ erreiche ich glück-lich mit Gepäck. Die Busli-nie soll mich an diesem Tagvon Lusaka rund 600 Kilo-meter weiter in den Nordennach Solwezi bringen. Neun

Stunden wird der Express-Bus dafür brauchen.Genug Zeit also, um sich zurückzulehnen und vondem zugestiegenen Prediger auf die Reise ein-stimmen zu lassen. „The Lord will be with you,safe journey“, nehme ich aus dem englischen Teilder Predigt mit. Den Rest der Ansprache brüllt erin Bemba ins Busmikrofon. Mit dem Segen gehtes fast pünktlich los, schon dröhnen die erstensambischen Gospels durch die Lautsprecher di-rekt über meinem Kopf und hören für die näch-sten neun Stunden nicht mehr auf.

Vorbei an Rundhütten und Schutthalden

Es ist später Nachmittag. Mein Koffer steht im rot-braunen Matsch. Der afrikanische Platzregen hatden Busparkplatz von Solwezi in eine Schlamm-wüste verwandelt: Mitte Januar ist Regenzeit inSambia. „Wie war die Reise?“, Lisa Baumann undSimon Paulukat kennen die Antwort. Sie habendas Abenteuer der Fahrt von Lusaka nach Solwezi

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in den zurückliegenden Monaten bereits mehr-fach mitgemacht. Die mitreißende Musik, dieschwungvolle Fahrt über mehr oder weniger guteTeerstraßen, durch mehr oder weniger tiefe Schlag-löcher. Die zehnminütigen Stopps in Kabwe, Ka-piri Mposhi, Ndola und Chingola, gerade genugZeit, um die aus hygienischer Sicht grenzwertigenToiletten aufzusuchen oder sich von den Straßen-händlern mit Bananen, Erdnüssen und grellbun-ten Softdrinks versorgen zu lassen. Die kleinenDörfer mit traditionellen Rundhütten und offenenKohlefeuern und dann die mächtigen Schutthal-den und Industrieanlagen im Kupfergürtel hinterNdola, dem bedeutendsten KupferabbaugebietAfrikas. Für Lisa und Simon ist das alles zu ihrerzeitweiligen Heimat geworden, seit sie sich ent-schlossen haben, mit dem Freiwilligen-Programmvon MISEREOR für zehn Monate nach Sambia zugehen. Etwas mehr als die Hälfte der Zeit istschon vorbei und so haben sie eine Menge zu er-zählen: von der Schwierigkeit, Kaonde zu singenohne Sprachkenntnisse; von Maisbrei, geröstetenRaupen und gegrillten Hühnerfüßen; vom Einko-chen von Mango-Marmelade; vom Plätzchenba-cken im sambischen Advent; vom Wohnen ohneeigenem Bett; vom vertauschten L und R und denProblemen mit der Computermaus.

Mit Wickelrock und Körpereinsatz

„Everybody sings Hallelujah“ schallt es über denvon Mauern eingegrenzten Platz der Diözese her-über. Simon zieht sich schnell eine lange Hose anund Lisa wickelt einen bunten Chitenge um dieBeine. Dann geht es zur Probe des „St. Daniel Ca-thedral English Choir“. Chorleiter Norbert Muson-da wartet schon auf seinen neuen Bass und sei-nen neuen Sopran aus Deutschland. „One, two,three, go!“, zählt Norbert an und schlägt den Taktmit beiden Armen. „Glory be to God in the highest– Ehre sei Gott in der Höhe“ singen die Frauen mitihrem hohen, kräftigen Stimmen. Die Männer ant-worten mit einem langgezogenen „Hallelujah“und der ganze Chor beginnt im Rhythmus des Gos-pels hin und her zu schwingen. „Der Wickelrockgehört zu den Kleidervorschriften bei den Chor-proben“, grinst die 20-Jährige, die ansonsten inSolwezi die gleichen Sachen anziehen kann wiedaheim in Essen. Beim St. Daniel Chor der Diöze-se singen die Jugendlichen seit Beginn ihres Auf-

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„One, two, three, go!“: Chorleiter Norbert schlägt

den Takt im „St. Daniel English Choir“. Ein guter

Platz, um Freunde zu finden. Der traditionelle

Wickelrock von Lisa ist hier Pflicht.

Wie ein Ufo aus einer anderen Welt: Lisa erklärt

im Computerkurs die Laptops. Für viele Kinder

bleibt das die einzige Möglichkeit zur direkten

Begegnung mit moderner Technik.

Erste skeptische Gehversuche in der digitalen

Welt: „Das kleine runde Ding nennt man Maus“,

erklärt Simon. Da muss doch auch ein Geräusch

herauskommen!

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enthaltes mit und beherrschen inzwischen diemeisten der sambischen Gospels. Dass ein Teilder mit vollem Kehlen- und Körpereinsatz vorge-tragenen Lieder auch in der lokalen Sprache Ka-onde gesungen wird und es weder Noten nochTextblätter gibt, stört sie inzwischen nicht mehr.Wichtig sei es vor allem am Anfang gewesen, imChor Freunde kennenzulernen, mit denen man sichauch nach der Probe treffen könne, sind sich diebeiden einig. Auch Chorleiter Norbert Musondaist zufrieden mit seinen deutschen Hospitanten.Die Lieder für den Auftritt am kommenden Sonn-tag sitzen am Ende der Chorprobe auch bei ihnen.

Die Grillen lösen mit ihrem monotonen Zirpendas letzte „Hallelujah“ des St. Daniel Chor ab.Die Sonne geht unter über Solwezi und färbt denHimmel für kurze Zeit in Rot und Gelb. Der Abendbringt, wie so oft zu dieser Jahreszeit, den war-men afrikanischen Regen mit sich.

Geröstete Raupen und Hühnerbeine

Das Abendessen bereiten Lisa und Simon in derBischofsküche vor: Nshima mit Gemüse aus demangrenzenden Garten. Die Zubereitung des wei-ßen Maisbreis und der Kürbisblätter lernen dieDeutschen von Mama Theresa. In dem großenAluminiumtopf wird der Brei mehr geschlagen alsgerührt. Schnell werden Lisa und Simon die Armevon der ungewohnten Bewegung in der pappigenMasse lahm. Lächelnd übernimmt Mama Theresanach kurzer Zeit wieder den großen Holzlöffel.„Das sind meine beiden deutschen Kinder“, sagtdie warmherzige Mutter einer Schar eigener undangenommener Kinder. Auf sambische Art wirdmit den Händen gegessen. Bald kommt dasThema auf eigenwillige kulinarische Erfahrungen.„Unsere Freunde essen das Nationalgericht ein-bis zweimal am Tag und beschweren sich immer,wenn es bei uns mal kein Nshima gibt“, lachtLisa. An die übrigen sambischen Spezialitätenhaben sich die beiden schnell gewöhnt. „Wirhaben so ziemlich alles schon mal probiert, aberdie gerösteten Raupen auf dem lokalen Marktdann doch nur einmal. Auch bei den gegrilltenHühnerfüßen ist es beim ersten Versuch geblie-ben“, ergänzt Simon. Dann kochen sich die Frei-willigen schon lieber selbst Mango-Marmeladeein. Die Früchte ernten sie auf dem Gelände derDiözese oder kaufen sie auf dem Markt im Zen-

republik sambia

Sambia zählt zu den ärmsten Ländern der Welt: 2010 belegte esim Weltentwicklungsindex Platz 150 von 169. In dem südafrikani-schen Staat mit der Hauptstadt Lusaka leben heute etwa 13,8

Millionen Menschen, fast die Hälfte davon ist jünger als 14 Jahre.Eine der weltweit höchsten HIV-Infektionsraten lässt bis 2015

eine Millionen AIDS-Waisen befürchten. Bereits heute wachsencirca 750.000 Jungen und Mädchen ohne ihre Eltern auf. Ge-schätzte sechs bis zehn Prozent von ihnen leben auf der Straße.

Sambia exportiert Kupfer, Kobalt, Blei, Zink und Edelsteine. DieKupferindustrie konzentriert sich auf einer Hochebene, dem Kup-fergürtel. Dessen sambischer Teil liegt in der Provinz Copperbeltmit der Provinzhauptstadt Ndola. Auf 800 Kilometer Länge und250 Kilometer Breite verteilt sich ein gutes Zehntel der Weltkup-fervorkommen. Der Gürtel reicht bis in den Südosten der Demo-kratischen Republik Kongo. Der exzessive Kupferbergbau verur-sacht schwere Umweltprobleme: Landschaften werden zerstörtund das Raffinieren der Kupfererze setzt Arsen und Kohlenmono-xid frei. Beide bedrohen die Gesundheit der Minenarbeiter. Inmanchen Jahren erzielt Sambia 90 Prozent seiner Exporterlöseaus Kupfer. Dies zeigt die hohe Bedeutung der schwankendenPreise für das begehrte Edelmetall.

Sambisch Kochen unter Anleitung von Mama

Theresa: Der Topf mit Nshima steht bereit. Jetzt

müssen nur noch die Kürbisblätter für die Soße

gehackt werden.

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trum der Stadt. „Meistens essen wir einfache Ge-richte, damit wir mit unserem Verpflegungsgeldhinkommen“, berichtet Simon. „Nur Weihnachtenhaben wir uns ein Festmahl gegönnt.“ Schwer ge-fallen ist es den beiden Freiwilligen offensichtlichnicht, die festlichen Tage in Sambia fern von ihrenFamilien zu verbringen. Mit selbstgebackenenPlätzchen, einem improvisierten Adventskranz,Geschichten und Fo tos aus der Heimat haben siedie Zeit mit ihren neuen sambischen Freundenverbracht und gezeigt, wie in Deutschland Weih-nachten gefeiert wird.

Aus Lisa soll nicht Risa werden

Der Unterricht am nächsten Morgen beginnt umAcht. Auf dem kurzen Weg zur Schule erzählen Lisaund Simon mir von den ersten Tagen in Sambia.„Am Abend kam ich in meinem neuen Zuhause anund habe festgestellt: Da steht ja nur ein Bett.Ein Badezimmer gab es auch nicht, die Duschewar eine Abstellkammer mit einem Eimer und dieToilette draußen. Mit meiner sambischen Mitbe-wohnerin Beatrice so eng zusammenzuleben waram Anfang schon wirklich krass“, erzählt Lisa.Große Unterschiede zu ihrem Leben als Schülerinin Deutschland gibt es auch an der „St. CharlesAcademy“. Das Schulgebäude besteht aus zweiRäumen, in losen Reihen stehen die Schulbänkehintereinander oder liegen in einem wüsten Hau-fen unbenutzt in der Ecke. Hier unterrichten Lisaund Simon dreimal die Woche Englisch, Mathema-tik und geben Computerkurse. „Die Lehrer sindhier schon sehr unmotiviert, manchmal schlafensie sogar im Unterricht, während die Schüler vonder Tafel abschreiben. Gewöhnungsbedürftig istauch, dass in unserer fünften Klasse die Schülerzwischen elf und 18 Jahre alt sind, kaum Englischsprechen und nur wenige Mathekenntnisse ha-ben“, erzählt Simon. Die beiden Abiturienten ausEssen und Wuppertal lassen sich deshalb immerwieder etwas Neues einfallen, um ihren Schülernden Alltag zu erleichtern. Wie die Sache mit demL und dem R. „Die meisten Sambier verwechselnim Englischen das L und das R. So wird aus Readein Lead und statt cold sagen sie cord. Ich übemit den Schülern diesen Dreher zu vermeiden.“Rechts oben hat Simon als Beispiel den Vornamenseiner Mitreisenden geschrieben. Aus Lisa sollbald nicht mehr Risa werden.

Am Nachmittag ist Computerkurs mit der fünftenKlasse. Gespannt blicken die Schülerinnen undSchüler auf die schwarzen Laptops, die wie Ufosaus einer anderen Welt zum ersten Mal auf ihrenSchultischen gelandet sind. „Das kleine rundeDing nennt man Maus, mit der könnt ihr den klei-nen Zeiger auf dem Bildschirm bewegen“, erklärtLisa geduldig. Für die Acht- bis Zwölfjährigen sindes die ersten Versuche gehen zu lernen in einerdigitalen Welt, die den meisten Kindern in Solwe-zi verschlossen bleiben wird. „Was für uns inDeutschland selbstverständlich ist, das ist für dieMenschen in Sambia oft unerreichbar. Trotzdemsind die Leute hier oft glücklich mit ihrem einfa-chen Leben. Wenn ich zurück nach Hause gehe,werde ich vor allem die Offenheit und Freundlich-keit der Menschen vermissen“, glaubt Lisa Bau-mann. „In Deutschland herrscht Anonymität undStress im Alltag. Trotzdem lassen wir als Freiwilli-ge bei den Sambiern auch den Traum zurück, ein-mal nach Deutschland zu kommen. Wenn alle, dieuns besuchen wollen, auch kommen, werden wirdie nächsten Jahre nicht einsam sein“, schmun-zelt die 20-Jährige und Simon ergänzt: „Viele inSambia sind sehr kritisch gegenüber den Weißen,weil sie nur im Auto fahren und sehr viel Geldhaben. Wir als Freiwillige können ganz gut diesesBild ändern, dass wir nur die Reichsten von allensind, indem wir mit den Sambiern wohnen, dasGleiche essen und am Markt einkaufen.“

Geduld ist eine Tugend

Auf dem schlammigen Busparkplatz habe ichmich von Solwezi und den vielen Geschichten vonLisa und Simon verabschiedet. Auf der Rückfahrtstrandet der Bus wegen eines Getriebeschadensin Kapiri Mposhi. Drei Stunden lang sitzen diePassagiere am Straßenrand in der Mittagshitze.Als der nächste Bus mich auf einem der wenigenfreien Plätzen mitnimmt, ist das Warten für vielemeiner Mitreisenden noch lange nicht zu Ende.Geduld ist eine Tugend im sambischen Alltag. Zu-rück im Chaos des „Inter-City Bus Terminal“ in Lu-saka denke ich an die beiden Freiwilligen in Sol-wezi und lasse keinen Stress aufkommen. Ichschnappe mir meinen Koffer, der die Fahrt lehm-bespritzt aber unbeschädigt überstanden hat.Dann geht es zum Flughafen. Für mich ist der afri-kanische Teil der Reise hier zu Ende.

Weitere Informationenzum Freiwilligen-dienst, Filme undaktuelle Blogs unterwww.misereor.de.

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Ein Portrait von Anne Welsing

Im Prinzipwie Liebeskummer

Zu Butterflies zu kommen, davon hatte Tomlange geschwärmt. Das Projekt kannte er schonvon seinem Engagement für die 2-Euro-Aktionvon MISEREOR, für die der leidenschaftliche Sa-xophon-Spieler ein Benefizkonzert mit seinerBand organisiert hatte. Dass Butterflies die Rech-te von Straßenkindern und ihre Mitbestimmungfördert, hat ihn fasziniert: „Für mich war auch ent-scheidend, dass die Kinder eine medizinische Ver-sorgung bekommen, lernen, wie sie Erste Hilfeleisten können und unabhängig werden.“

Indien war und ist für Tom immer noch jedenTag eine spannende Herausforderung. „Man kannso viel lesen, so viel hören, wie man will: Wennman dann hier ist, ist es eben doch eine ganz an-dere Erfahrung.“ Was ihn anfangs besonders nerv-te, war das ständige Autohupen und die enormeGeräuschkulisse: „Und überall wird gedrängelt!“

Für die Erlebnisse von Krankheit und Armut in In-diens Hauptstadt Delhi war er einigermaßen gerüs-tet: In seinem Beruf als Krankenpfleger war erschon oft mit Schicksalsschlägen konfrontiert undhat Schlimmes mit ansehen müssen. Aber andereDinge waren neu für ihn: Sein Englisch hatte er vorder Abreise noch ein wenig aufgefrischt, dochohne Hindi war es unmöglich, mit den Straßenkin-dern, die zum Gesundheitsbus kommen, zu kom-munizieren. So macht er einen Sprachkurs undkann sich schon einigermaßen verständigen.

Startschwierigkeiten hat er auch mit dem Essen:Anfangs war er sehr vorsichtig – und trotzdem er-wischte es ihn ein paar Mal heftig. Inzwischenkann er ohne Probleme mit den indischen Kolle-gen in den einfachen Straßenrestaurants essen.„Neben den gesundheitlichen Problemen hatteich an Anfang auch Heimweh. Die ersten zwei Mo-nate waren für mich ganz schlimm“, gibt er zu.„Das ist im Prinzip wie Liebeskummer, man nimmtanfangs einfach nur das negative Gefühl wahr.“Aber Tom gibt nicht auf, setzt sich selbst eineFrist bis Weihnachten. Dann liegt er auch noch ei-nige Tage mit Dengue-Fieber im Bett, hat Kopf-schmerzen und Schwindelanfälle, fühlt sich totalhilflos. Aber nach Hause zu fliegen wäre für ihnnur im medizinischen Notfall in Frage gekommen.Von Butterflies-Mitarbeitern wird er rührend um-sorgt. Heute ist er froh, dass er durchgehaltenhat und angekommen ist in Delhi. Er hat sogarseinen Aufenthalt bei Butterflies verlängert.Bevor er Mitte des Jahres zurückgeht, will er eini-ge Wochen durch Indien reisen und noch einmal„richtig in die andere Kultur eintauchen“. Aufjeden Fall hat sich seine Perspektive auf die Weltund sich selbst schon jetzt geändert: „Man er-kennt sich hier selbst nicht immer wieder!“

Thomas Heitz arbeitet als Freiwilliger in Indien

Anne Welsing arbeitet seit 1993

als freie Fernsehjournalistin undFilmemacherin unter anderemfür Magazinsendungen öffentlich-rechtlicher TV-Sender.

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dergruppen und der Jugend einer Diözese. Soli-läufe zu Fuß oder per Fahrrad. Zu diesen Aktionentreffen sich kleine Gruppen bis hin zu mehr als1.500 Personen, zum Beispiel im Emsland, diesich jährlich mit dem Fahrrad für MISEREOR-Pro-jekte auf den Weg machen.

Denn darum geht es ja: Menschen finden sichnicht einfach mit Armut und Not in der Welt ab.Durch ausgewählte MISEREOR-Projekte in Afrika,Asien und Lateinamerika wollen sie gezielt undeffektiv partnerschaftliche Hilfe zur Selbsthilfeleisten. Dafür nehmen sie auch Strapazen und Un-annehmlichkeiten auf sich und stecken dieSchmerzen so mancher Blase an den Füßen undähnliche Probleme weg.

Für mich gehört die Teilnahme an solchen Soli-daritätsläufen mit zu den schönsten Aufgaben beiMISEREOR. Denn dabei erlebe ich, wie Menschenunterwegs ins Gespräch kommen, sich öffnen, mitanderen lachen und teilen. Da sind Jugendlichedabei, Eltern mit Kindern, Kinderwägen werdengeschoben, Großeltern mit ihren Enkeln: Es isteine neue Art Kirche zu erleben! Kirche unterwegs.Kirche in Bewegung und Kirche, die etwas bewegt!

„Stark“ fand ich es, dass sich nun in Reckling-hausen Menschen zu einem „Krücken- und Rolla-toren-Solilauf“ formierten. Auch wenn sie nichtmehr wie die Jungen springen können und Gehhil-fen benötigen, sind sie Teil der Kirche, Teil der MI-SEREOR-Bewegung für eine menschlichere undgerechtere Welt. Durch eine solche manifest wer-dende Solidarität wird Hoffnung geschenkt.

Diese Solidaritätsläufe sind Ausdruck einerechten österlichen Gesinnung. Allen ein ganzherzliches Danke hierfür! Und – wer selbst schonmitgemacht hat, fühlte sich sicherlich innerlich be-reichert. So jedenfalls geht es mir jedes Mal…

Prof. Josef Sayer,Hauptgeschäftsführer von MISEREOR

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So etwas habe ich noch nicht erlebt: Alte Men-schen wollen nicht länger von Solidaritätsläufenausgeschlossen sein. Sie engagieren sich. Sie or-ganisieren sich zum ersten „Krücken- und Rollato-ren-Solilauf“. Bewundernswert!

Dazu ist es gekommen, als die Kirchengemein-den Recklinghausen und das Gymnasium Petri-num vereinbarten, am 20. März 2011 einen Ak-tionstag zu gestalten. Als Direktor von MISEREORhabe ich all die Jahre an so manchen Soliläufenteilgenommen: Läufen von Schulen, einzelnenPfarrgemeinden, Dekanaten, Städten oder Wan-

Ein Besuch beim ersten„Krücken- und Rollatoren-Solilauf“

Kolumne des Hauptgeschäftsführers

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kurznachrichten

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„Maibaum to go“ hieß es wiederEnde April vor der Geschäftsstelle desHilfswerks in Aachen. Statt sich irgend-wo im Wald oder am Wegesrand illegaleine Birke zu beschaffen, gab es dieGelegenheit, gegen eine Spende zertifi-zierte Maibäume zu erhalten. Der be-sondere Clou an der Sache: Sie wurdenvon ehrenamtlich tätigen Mitarbeiternvon MISEREOR selbst geschlagen und

geschmückt, bei Bedarf sogar in denLieblingsfarben der Angebeteten. DerErlös der Aktion kommt dem Projekt„Christen und Muslime: Gemeinsamgegen die Wüste“ im Norden BurkinaFasos zugute. Dort arbeiten Christenund Muslime seit 40 Jahren eng zusam-men, pflanzen Bäume und Sträucherund kämpfen gemeinsam gegen dieAusbreitung der Wüste.

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Ethische VerpflichtungEine Spende von 1.000 Euro über-

reichte der Vorsitzende des Bundes Ka-tholischer Rechtsanwälte (BKR), Rechts-anwalt Dieter Trimborn von Landenberg,seinem Berufskollegen MISEREOR-Jus-titiar Norbert Dreßen. Das Geld ist derErlös einer gemeinsamen Fortbildungs-veranstaltung für Rechtsanwälte zumThema Erbschaften für gemeinnützigeOrganisationen, bei der sich MISEREORund BKR nähergekommen waren. „Wirwollen zeigen, dass man die Werte undethischen Verpflichtungen des christ-lichen Glauben zum Maßstab seinesBerufsalltags machen kann“, erläuterteTrimborn von Landenberg (unten links)das gemeinsame Anliegen. „Gerade imsehr sensiblen Bereich von Erbschaftenist es wichtig, die Menschen ernst zunehmen und der Bedeutung ihres Let-zen Willens angemessen Rechnung zutragen. Hier gibt es mit MISEREOR einegute gemeinsame Basis.“ Aus Sicht vonMISEREOR konnte Norbert Dreßen dasbestätigen: „Wir haben im Rahmen derBeratung und Abwicklung von Nachläs-sen für unsere Projekte auch oft eineseelsorgliche Aufgabe.“ Eine weitereKooperation wurde von beiden Seitenausdrücklich begrüßt.

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Maibaum von MISEREOR

Slumhütte auf KirchplatzMit dem Nachbau einer Slumhütte im

Altarraum und auf dem Kirchplatz haben65 Messdienerinnen und Messdiener derKatholischen Pfarrgemeinde St. ElisabethHanau das Thema der Fastenaktion 2011

„Armut in der Stadt“ in ihre Gemeinde ge-holt. Die Fastenzeit nutzten die Ministran-

tengruppen, um in der Hütte aus Holzlat-ten, Pappkartons und Plastikbahnen Kaf-fee und Orangensaft auszuschenken, selbst-gemachte Osterkerzen zu verkaufen, aberauch über die Fastenaktion zu informieren.Der Erlös der Aktion, insgesamt 240 Euro,kam der MISEREOR-Kollekte zugute.

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kommentar

Zuckerrüben aus der EU hergestellt. Dochzehn Prozent des Bioethanols stammenvon Zuckerrohrplantagen, insbesondereaus Brasilien. Zukünftig ist mit weit höhe-ren Importen zu rechnen. Und diese Pro-duktion wird vor allem aus den Entwik-klungsländern kommen.

Aus Sicht von MISEREOR geht dieseEntwicklung in die falsche Richtung:

Der Einsatz von Agrotreibstoffen ist keingroßer Beitrag zur CO2-Reduktion, insbe-sondere dann nicht, wenn dafür Regenwäl-der gerodet werden. Um dies in Zukunft zuverhindern, wurde 2010 die „Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung“ in Kraft ge-setzt. Danach gelten „Bio“-Kraftstoffe nurdann als nachhaltig hergestellt, wenn sieim Vergleich zu fossilen Kraftstoffen min-destens 35 Prozent an Treibhausgasen ein-sparen. Doch selbst dieses Ziel wird nachneuesten Studien nicht erreicht.

Die Förderung sparsamer Autos anstattder steuerlichen Absetzbarkeit von Dreck-schleudern als Dienstwagen, ein Tempoli-mit auf Autobahnen, die Förderung des öf-

Ein Kommentar von Bernd Bornhorst

Vor allem dieSorge um dasAuto und des-sen Motor hat

dazu geführt, dass nach Einführung derBenzinsorte E10 heftig um „Bio“-Kraft-stoffe gestritten wird. Viel wichtiger istallerdings die Frage, ob die Armen dieserWelt es verkraften können, wenn wir unse-re Autos mit immer mehr Agrotreibstoffen(denn so müssten die „Bio“-Kraftstofferichtigerweise heißen) betanken. InDeutschland soll der Anteil erneuerbarerEnergien im Verkehrsbereich bis 2020 aufzehn Prozent erhöht werden. Umgesetztwird dies unter anderem durch die Verord-nung, dem herkömmlichen KraftstoffAgrotreibstoff beizumischen. Dabei gehtes nicht nur um Benzin wie E10, demEthanol aus Zuckerrohr, Getreide oderMais hinzugefügt wird, sondern es gehtauch um „Bio“-Diesel, der aus ölhaltigenPflanzen wie Raps, Soja oder Ölpalmengewonnen wird. Derzeit wird das Bioetha-nol für E10 zu 90 Prozent aus Getreide und

fentlichen Nahverkehrs oder die Verlage-rung von Gütern auf die Bahn würden sehrschnell mehr CO2-Reduktionen bringen alsalle Agrotreibstoffe zusammen.

Die zunehmende Nutzung von Land fürden Anbau von Agrotreibstoffen ist auchein Problem der Ernährungssicherheit. Diesgilt vor allem in den Entwicklungsländern,wo das Land dann nicht mehr für denAnbau von Grundnahrungsmitteln zur Ver-fügung steht.

Die Nutzung von Mais, Palmöl, Sojaund Getreide als Grundnahrungsmitteloder Treibstoff führt tendenziell zu stei-gender Nachfrage und steigenden Nah-rungsmittelpreisen, die die Armen nichtauffangen können.

Es geht nicht darum, Autofahrer gegendie Armen auszuspielen. Private Fahrtenmit dem Pkw sind oft unvermeidbar. Doches darf keine Scheinlösungen auf Kostender Ärmsten der Armen geben.

Dr. Bernd Bornhorstleitet die Abteilung Entwicklungspolitikbei MISEREOR

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Die ersten „weltwärts“-Freiwilligen,die in MISEREOR-Projekte entsandt

wurden, sind im Juni zurückgekehrt.Welche Erfahrungen haben Sie in denvergangenen zehn Monaten mit denjungen Leuten gemacht?

Das Engagement und die Motivation unse-rer Freiwilligen sind eindrucksvoll und wirk-lich bewundernswert. Die meisten habenwährend des Einsatzes Höhen, aber auchTiefen erlebt. Vor allem in der Anfangs-phase. Von jetzt auf gleich muss man sichin einer ganz anderen, für viele ganzneuen Welt zurechtfinden. Aber nach derEingewöhnungsphase konnten sich unse-re Freiwilligen ziemlich gut auf die Bedin-gungen vor Ort einlassen. Es ist vor allemschön zu sehen, dass viele von ihnen in-tensive Freundschaften vor Ort knüpfen.

„Wer nur das

Und welche Rückmeldungen habenSie von Ihren Partnerorganisationen

bekommen?

Der Austausch über die Arbeit und dasWohlergehen der Freiwilligen ist sehr in-tensiv. Und wir freuen uns, dass auch 2011

alle Partner wieder Freiwillige aufnehmenmöchten. Das ist für uns ein Zeichen dafür,dass sie mit der Zusammenarbeit und derKommunikation mit den Freiwilligen undmit uns zufrieden sind. Das freut uns sehr,da der Partnerschaftsgedanke einen hohenStellenwert in unserer Arbeit hat.

Was wird sich auf Grund der bis datogemachten Erfahrungen ändern?

Wo werden neue Prioritäten gesetzt?

Aufgrund der Erfahrungen mit den Freiwil-ligen in diesem Jahr werden wir zukünftigmehr Wert auf Eigeninitiative und Selbst-ständigkeit legen. Das fängt schon bei derVorbereitung hier in Deutschland an. Wirerwarten von den Freiwilligen, dass siesich über die wichtigsten Sachen selberinformieren und Dinge wie Visumsantragund Gesundheitschecks selber in die Handnehmen. Das gehört zu einem Auslands-aufenthalt dazu. Und Eigeninitiative istauch für die Arbeit im Projekt sehr wichtig. Das haben uns die Partnerorganisationensehr deutlich zurückgemeldet.

Kritiker sehen das „weltwärts“-Pro-gramm als „organisiertes Abenteuer“

und „Entwicklungshilfe in eigene Sache“,von der die Organisationen in denEntwicklungsländern nicht profitieren.Was antworten Sie auf diese Kritik?

Der MISEREOR-Freiwilligendienst, der durchdas „weltwärts“-Programm finanziell un-terstützt wird, ist in erster Linie ein Lern-dienst. Alle Beteiligten lernen Neues. DieFreiwilligen und auch die Organisationen,mit denen wir auf den Südkontinenten ar-beiten. Die Jugendlichen sind Lernendeund Träger ihrer Kultur. Die Organisatio-nen unserer Partner profitieren auch durchdie Freiwilligen. Sie können den Projekteneinen Mehrwert bringen, indem sie Kin-dern und Jugendlichen Zeit schenken, sichmit ihnen beschäftigen und als Trägerihrer Kultur Neues, Unbekanntes vermit-teln – diesen Austausch empfinden auchunsere Partner als sehr bereichernd. Wirbieten einen solidarischen Dienst an, dersich an junge Erwachsene mit entwick-lungspolitischen Interesse richtet. Wer nurAbenteuer sucht oder Entwicklungshilfein eigener Sache leisten möchte, ist beiuns falsch!

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Abenteuer sucht,

Was ist der Grund für MISEREOR,auch weiterhin einen Freiwilligendienst

anzubieten? Wie profitiert MISEREOR vondiesem Dienst?

An erster Stelle ist es uns natürlich wich-tig, dass wir Jugendliche und junge Er-wachsene für entwicklungspolitische Fra-gen sensibilisieren und für die MISEREOR-Idee gewinnen. Außerdem möchten wir zueinem interkulturellen Austausch beitra-gen und junge Menschen für die Idee derWeltkirche begeistern. Es wäre schön,wenn die Rückkehrer weiterhin mit MISE-REOR in Kontakt stünden und unsere Ar-beit unterstützten. Unsere Partner sind vorallem dankbar für die Kreativität und denIdeenreichtum der Freiwilligen. Sie schät-zen insbesondere das „Voneinander-Ler-nen“ und den Kulturaustausch.

Mitte März 2011 hat der Haushalts-ausschuss eine Kürzung des „welt-

wärts“-Budgets um elf Millionen Euro auf29 Millionen Euro durchgesetzt. WelcheFolgen hat diese sogenannte „Konsolidie-rung und Qualitätssicherung“ des Pro-gramms für „weltwärts“ im Allgemeinenund speziell für MISEREOR?

Durch die Kürzung des Budgets muss dieZahl der Einsatzplätze heruntergefahrenwerden. Für uns heißt das in der Konse-quenz, wenn wir alle Plätze halten wollen:Wir müssen mehr Eigenmittel einsetzenund dafür neue Finanzierungsformen fin-den. Es gibt momentan eine Evaluierungdes Förderprogramms. Und ich hoffe, dasssie zu guten Erkenntnissen führt, die einesinnvolle Weiterentwicklung ermöglichen.Finanziell stabile Rahmenbedingungen

sind für den Freiwilligendienst uner-lässlich.

Sie haben selber zurzeit eine Tochterim Freiwilligendienst, die für Salesia-

ner Don Bosco in Indien arbeitet. Wiehaben Sie persönlich die letzten Monateerlebt?

Es ist schon ein sonderbares Gefühl, einKind in so großer Entfernung, in unbe-kannten Lebenszusammenhängen und beiunbekannten Menschen zu wissen. Wir er-leben aber auch, welch‘ große Chance indem Dienst liegt, der vielfältige Erfahrun-gen möglich macht. Jede Tochter, jederSohn wird als eine andere oder ein ande-rer und enorm bereichert heimkehren. Un-sere Tochter schreibt einen Blog über ihreArbeit bei den Salesianern im Internet undes freut mich, dass wir durch das Internetin Kontakt bleiben können. Die Blog-Be-richte geben oft mehr her als ein Telefonatoder „Skypen“. So ist der Freiwilligen-dienst eben nicht nur ein Lerndienst für diejungen Leute, sondern auch für ihre Eltern.

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bei uns falsch!“ Tom in Indien, Lisa in Sambia, Ronja in Ruanda: 2010 schickte MISEREORzum ersten Mal Jugendliche und junge Erwachsene über das „weltwärts“-Programmder Bundesregierung als Freiwillige in MISEREOR- Projekte. Die ersten sind von ihrem Einsatz zurückgekehrt.Im Interview spricht MISEREOR-Geschäftsführer Thomas Antkowiak über die Erfolge und Schwierigkeitendes Programms. Und darüber, wie es mit dem Freiwilligendienst bei MISEREOR weitergeht.

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Erhebt die Stimmefür seine Rechte:

Yogya Prasad Thakalin Kathmandu.

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Die Stadt wird dominiert von einem Geräusch.Ein Geräusch, das sich durch alle Gassen zieht,neben den buddhistischen Stupas nicht Haltmacht und auch nicht an den alten Königspaläs-ten. Kathmandu, die Hauptstadt des Himalaya-staates Nepal ist dieser Tage gefangen im sono-ren Geräusch von Elektrogeneratoren. Manchmalso laut, dass man das eigene Wort nicht mehr ver-steht. Die Zeiten des Stromausfalls haben einneues Rekordhoch erreicht: 16 Stunden am Taggibt es keinen Strom in der nepalesischen Haupt-stadt. Wer es sich leisten kann, besitzt dahereinen Generator. Wer es sich nicht leisten kann,muss erfinderisch sein im Umgang mit dem nichtvorhandenen Strom.

Yogya Prasad Thakal hat sich wie die meistenBewohner an den Zustand und das Gedröhne derGeneratoren gewöhnt. „Ich versuche mal ein bis-schen lauter zu sprechen, ja?“, sagt der alteMann, der auf einem Holzstuhl in der Mitte seinesZuhauses thront, umgeben von Frau, Kindern undEnkelkindern. Durch zwei Löcher im Wellblech-dach fallen helle Lichtkegel in die Hütte. Ansons-ten ist es dunkel. Glühbirne und Fernseher funk-tionieren nicht. Gemütlich sitzt Herr Thakal da, erwirkt gelassen. Eigentlich spricht er gerne leise,doch er hat gelernt, dass es manchmal auch not-

wendig ist, die Stimme zu erheben: gegen das Ge-töse von Generatoren oder für die eigenen Rech-te. „Mir und auch den anderen hier war langenicht bewusst, dass wir überhaupt irgendwelcheRechte haben“, sagt Herr Thakal. „Dass wir alsBürger dieser Stadt ein Recht darauf haben, ge-hört zu werden und ein Recht auf Veränderung.“

Hütten am Hang

Thakal und seine Familie wohnen in einem derzahlreichen Armenviertel, die in den letzten Jah-ren an allen Ecken und Enden der Stadt entste-hen. Viertel, in denen die Menschen unter ein-fachsten Verhältnissen dicht an dicht leben, oftohne einen Zugang zu fließendem Wasser undStrom. Die Siedlung in der Herr Thakal und seineFamilie leben, liegt an einem Hang. Hütten ausBambus, Plastikplanen, manchmal auch aus Ze-ment gebaut, Ziegel liegen auf den Wellblechdä-chern. Am Fuße des Hangs fließt der Bhagmati-Fluss. Er ist voller Müll und stinkt. Plastiktütenschwimmen träge in der braunen Brühe. Am Uferdes Flusses waschen die Bewohner der Siedlungihre Wäsche, bauen ihr Gemüse an. Während derRegenzeit schwillt der Bhagmati bedrohlich an,steigt über die Ufer und fließt nicht selten in dieanliegenden Hütten. „Wir helfen dann alle, Barri-

Es gab Zeiten, da war Kathmandu, das Shangri-La am Fuße des Himalayas, wegen

seiner Unberührtheit das Mekka der Hippies. Diese Zeiten sind vorbei. Die gro-

ßen Städte des kleinen Landes platzen aus allen Nähten. Die Zahl der Armenvier-

tel nimmt zu. Das kümmert nur wenige. Zum Beispiel die Organisation Lumanti.

WAR EINMALEine Reportage von Daniela Singhal

Slums in Kathmandu:Immer mehr Menschenleben in Armenvierteln

am Rande der Stadt.

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kaden zu bauen“, sagt Thakal. „Aber das Wasserkommt während des Monsuns oft so schnell,dass wir keine Chance haben.“

Das Haus von Herrn Thakal und seiner Familieist in der Regenzeit nicht gefährdet. Es liegt etwasweiter oben am Hang. Die Familie ist sehr stolzdarauf, obwohl das Dach aus Wellblech ist undLöcher hat. Obwohl es düster ist in ihren vier Wän-den und sie jedes Wort der Nachbarn hören. Ob-wohl es lange kein fließendes Wasser für die Fami-lie gab. Und obwohl sie hier auch eigentlich nichterwünscht sind. „Wo hätten wir denn sonst lebenkönnen?“, sagt Thakal. „Es gibt in Kathmandunichts, was wir uns hätten leisten können. Die Mie-ten sind viel zu teuer. An ein Grundstück war garnicht erst zu denken.“ Yogya Thakal und seine Fa-milie kamen vor über 20 Jahren nach Kathmandu.Auf dem Land arbeitete er als Tagelöhner in derLandwirtschaft und konnte seine Familie nur mitMühe und Not über die Runden bringen. „Wirhaben auf dem Land gerade so überlebt. Ich habegehofft, dass es uns in der Stadt besser gehenwird“, erzählt Herr Thakal. Er hoffte auf eineschnelle Verbesserung, dann dauerte es Jahre, bisdas Leben für ihn und seine Familie in der nepale-sischen Hauptstadt einigermaßen sicher wurde.

Enttäuschte Hoffnungen

So wie der Familie Thakal ergeht es vielen inNepal, weiß Lajana Manandhar vom MISEREOR-Partner Lumanti. Sie arbeitet seit über 20 Jahrenin den städtischen Armutsvierteln des Landesund kennt die Probleme der Bevölkerung sehrgut. „Auf dem Land herrscht vielerorts bittere

obenLeben im Armenviertel:Yogya Prasad Thakalund seine Familie.

rechtsVerdreckt: Der Bhagmati-Fluss in Kathmandu.

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kann für die Arbeitvon Lumanti in Nepalgespendet werden.

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Armut. Die Menschen denken, dass sie keine an-dere Wahl haben, als in die Stadt zu gehen“, sagtLajana. Die Bevölkerung in Nepal ist bis heuteüberwiegend bäuerlich geprägt: 80 Prozent derNepalesen arbeiten in der Landwirtschaft, in deraber relativ wenig verdient wird. Die Not der Land-bevölkerung führt dazu, dass die Menschen inder Hoffnung auf ein besseres Leben in die Städ-te gehen. Eine Hoffnung, die allzu oft enttäuschtwird. Die Immobilienpreise und Mieten in denStädten Nepals sind in den letzten Jahren immerweiter gestiegen, Bauland ist schier unbezahlbar.Also lassen sich die Menschen dort nieder, woPlatz ist und bauen sich ihre Hütten selber. DieRegierung Nepals kümmert sich nur sehr wenigum die Armenviertel in den Städten. Nach Jahrendes Bürgerkrieges und einer apathischen Über-gangsregierung gibt es wichtigere Baustellen.Außerdem sind die Insignien der alten Macht inNepal, die Herrschaft des Königshauses und derhohen Kasten noch immer nicht ganz verschwun-den. Sie haben die Bewohner des kleinen Landeslange Jahre eingeschüchtert. „Es gibt Pläne zurStadtentwicklung in Nepal“, berichtet Lajana Ma-nandhar. „Sie werden nur einfach nicht umge-setzt. Den Menschen in den Armenvierteln wer-den ihre Rechte verwehrt, sie müssen oft in abso-lut untragbaren Verhältnissen leben.“

Wer jung ist, verlässt das Land

Dabei müsste dringend etwas getan werden. DieBevölkerungszahl Kathmandus sich in den letz-ten 20 Jahren verdoppelt. Man merkt es vor allemam Verkehr in der Stadt: Behäbig schieben sichdie Blechlawinen durch die Straßen. Autos hupenund bahnen sich den Weg nach nicht erkennba-ren Gesetzen durch die Gassen, Riksha-Fahrerstrampeln, offene Minibusse geben Gas, Motorrä-der kurven kreuz und quer. Überall Staub, Abgaseund Staus. „Die Städte Nepals sind dem stetigenZustrom an Menschen nicht gewachsen“, sagt La-jana Manandhar von Lumanti. Ihre Organisationarbeitet in 60 Vierteln im Kathmandutal, in denenfast 20.000 Menschen leben. Auch in den großenStädten an der Grenze zu Indien unterstützt Lum-anti die Bewohner von Armenvierteln dabei, sichzu organisieren und für ihre Rechte stark zu ma-chen. „Viele wissen ja nicht einmal, dass sie über-haupt Rechte haben“, erzählt Lajana. Sie weiß,

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demokratische bundesrepublik nepal

Nepal grenzt im Norden an China und dessen autonome RegionTibet, im Osten und Südwesten an Indien. 40 Prozent des Landesliegen mehr als 3.000 Meter über dem Meeresspiegel. Der Gipfeldes Mount Everest als Teil des Himalayas stellt mit 8.848 Meternden höchsten Punkt der Erde dar. Der südasiatische Vielvölker-staat erstreckt sich über 147.181 Quadratkilometer und ist damitungefähr doppelt so groß wie Irland. Etwa 29,4 Millionen Men-schen leben 2011 in Nepal. Nur knapp die Hälfte von ihnen kannlesen und schreiben, die Arbeitslosigkeit liegt bei 46 Prozent.Knapp ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.In der Hauptstadt Kathmandu und Umgebung leben etwas mehrals 1,5 Millionen Menschen; immer mehr informelle Siedlungenentstehen im Kathmandu-Tal. Viele Menschen hier leiden unterärmlichen Lebensbedingungen und der Angst vor Vertreibung.

Derzeit fördert MISEREOR 28 Projekte mit etwa 3,3 Millionen Euro.

obenEngagiert:

Lajana Manandharvom MISEREOR-Partner Lumanti.

Daniela Singhal vertrittMISEREOR zurzeit als Presse-

sprecherin in Berlin. Nach demStudium der Sozialwissenschaften

hat sie als Volontärin des Hilfs-werks in Aachen begonnen.

dass sich die Bewohner der Hüttensiedlungenisoliert von den restlichen Bewohnern der Stadtfühlen. Dass die hygienischen Verhältnisse vorallem in der Regenzeit schlecht sind. „Trotzdemwollen die Leute meist nicht weg“, sagt sie. HerrThakal kann dem nur zustimmen: „Wir haben abund an darüber nachgedacht uns etwas andereszu suchen“, sagt er. „Aber in all den Jahren istdas hier zu unserem Zuhause geworden. MeineKinder sind hier aufgewachsen.“ Herr Thakal hatzwei Söhne. Sie leben mittlerweile im Ausland.Jahrelang hat ihr Vater Geld von seinem spär-lichen Gehalt abgespart, um seinen Söhnen dieAusbildung im Ausland zu ermöglichen. „Wer jungist und das Geld hat, der verlässt das Land.“

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An manchen Tagen im Jahr magRichard Grünewald ein wenig be-sorgt zum Himmel blicken. „Die Aus-wirkungen des Klimawandels spü-ren wir in unserer Region bereitsdeutlich“, sagt der Inhaber des Wein-guts Grünewald & Schnell in Worms-Horchheim. „Wir stellen beispiels-weise fest, dass es häufiger Starkre-

gen gibt. Da prasseln dann schon einmal 25 bis30 Liter Wasser pro Quadratmeter nieder.“ Für je-den Winzer birgt eine solche Wetterlage Gefah-ren. Leicht kann es passieren, dass wertvoller Bo-den – die Grundlage für die individuelle Qualitätder Trauben – von den Wassermassen wegge-schwemmt wird. Deshalb ist Grünewald seit län-gerer Zeit klar, dass er seine Ländereien nicht ge-nauso bestellen kann, wie es einmal seine Elterngemacht haben. Nicht zuletzt, weil höhere Durch-schnittstemperaturen auch sein Weinsortimentverändern könnten. „In 50 Jahren ist es hier viel-leicht nicht mehr möglich, Riesling zu produzieren.

Es ist ein sonniger Frühlingstag, als der stu-dierte Theologe mit uns durch seine Weinberge

im von sanft geschwungenen Hügeln geprägtenWeinbaugebiet Rheinhessen spaziert. Zwischenden langen Reihen von Weinstöcken zeigt unsGrünewald üppig bewachsene Grünflächen, dieer mit viel Bedacht angelegt hat. Hier sät er eineMischung aus Roggen, Wicke und Rettich, dienicht nur eine Erosion des Bodens verhindert,sondern auch dessen Qualität aufwertet: Legumi-nosen wie etwa besagte Wicken binden den inder Luft enthaltenen Stickstoff und können somitsynthetischen Dünger ersetzen. Nur eine von zahl-reichen Methoden, die für Grünewald zu einermöglichst ökologischen und nachhaltigen Wirt-schaftsweise gehören. Dass dies auch mit mehrAufwand verbunden sein kann, schreckt ihn nicht.Deshalb werden die Weinstöcke von ihm auch re-gelmäßig von Hand entblättert. Die Trauben sinddamit stärker der Luft ausgesetzt und werden ab-gehärtet, Regentropfen trocknen schneller ab, dieAnfälligkeit für Pilzbefall sinkt.

Theologe, Personalentwickler, Winzer

Mit der Nachhaltigkeit ist es Grünewald ernst. Sieprägt als Grundhaltung sein Leben. Der Mann,der mit einer Winzerlehre seine berufliche Lauf-bahn begann, dann Priester und eine Zeitlangauch Pastoralreferent werden wollte und nach ei-nigen Jahren als Personalentwickler bei der Luft-hansa den elterlichen Landwirtschaftsbetriebübernahm, macht sich viele Gedanken über eineLebens- und Wirtschaftsweise, die zukunftsfähigund gerecht ist und sorgsam mit der Schöpfungumgeht. Und dieses Denken spiegelt sich auch inseinem privaten Engagement wider, nicht zuletztals Zustifter bei der Dom-Helder-Camara-Stiftungvon MISEREOR.

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Ein Pionierim deutschen WeinbauMISEREOR-Zustifter Richard Grünewaldmacht Nachhaltigkeit zur Grundhaltung

Die Helder-Camara-Stiftung von MISEREOR feiert in diesem Jahr ihr zehn-jähriges Bestehen. Sie wurde 2001 gegründet, nachdem das Interesse aneiner solchen Institution immer größer geworden war. Mittlerweile haben180 Zustifter und sieben Treuhand-Stiftungen unter dem Dach der Helder-Camara-Stiftung ein Kapital von etwa 6,6 Millionen Euro aufgebracht. Damitstehen für Ausbildungsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika durch-

schnittlich 170.000 Euro jährlichzur Verfügung. MISEREOR-Pres-sesprecher Ralph Allgaier hateinen der Zustifter besucht.

Auch der Klima-wandel verändertdas Weinsortiment.

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Richard Grünewald ist im deutschen Weinbau mitFug und Recht als Pionier zu bezeichnen. Als ers-ter Vertreter der Branche hat er im vergangenenJahr von einem unabhängigen Experten einenNachhaltigkeitsbericht über seinen Betrieb er-stellen lassen. Der von Christian Hiß von der Frei-burger Regionalwert AG vorgelegte Bericht gibtGrünewald, der sein Unternehmen gemeinsammit Ehefrau Eva führt, viele gute Noten, er be-mängelt aber, dass in den Weinbergen noch klei-nere Mengen Pflanzenschutzmittel und Herbizideeingesetzt werden. Und auch das wird für dieKunden transparent gemacht.

Verantwortungsvolles Lebenund Arbeiten

Grünewald lässt sich nicht gerne in eine be-stimmte Kategorie einordnen. Er sieht sich selbstals Weinbauer, der nach hohen ökologischen Stan-dards arbeitet. Ein zertifizierter Bio-Winzer ist eraber nicht. „Ich habe mich mit den Bio-Kriterienintensiv auseinandergesetzt. Die meisten vonihnen sind sinnvoll, und die setze ich auch um.Manches ist aber auch nicht mehr zeitgemäß.“

Richard und Eva Grünewald fühlen sich mit ihrendrei Kindern auf vielen Gebieten motiviert, für einethisch verantwortbares Leben und Arbeiten ein-zutreten. Das fängt bei der Kooperation mit einerBehindertenwerkstatt aus der eigenen Region an,die die Holzkisten für ihre Weinhandlung liefert,und reicht bis zum Sponsoring von Vereinen undJugendverbänden und vor allem der Unterstüt-zung der MISEREOR-Stiftung. „Wir gehören einerGeneration der Erben an, von denen so manchermehr finanzielle Sicherheit hat, als er es sichselbst hätte erarbeiten können“, sagt RichardGrünewald. „Uns tut es nicht weh, einen Teil un-seres Geldes für Not leidende Menschen abzuge-ben.“ Auf MISEREOR war das Ehepaar Grünewaldschon in jungen Jahren durch die Fastenaktionendes Hilfswerks aufmerksam geworden; eine pri-vate Reise nach Brasilien, die die beiden damalsnoch studierenden Theologen auch zu MISERE-OR-Projektpartnern führte, hinterließ bleibendeEindrücke. „Uns hat der Ansatz der Hilfe zurSelbsthilfe überzeugt, ebenso wie professionell,aber auch kritisch MISEREOR mit sehr komplexenProjekten umgegangen ist“, sagt Grünewald.

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Transparenz undNachhaltigkeit alsGeschäftsprinzip.

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lichen Partnern in Japan in Kontakt undstehen auch in enger Verbindung mit un-serem langjährigen Partner ACHR, ei-nemasienweiten Netzwerk von städtischenSelbsthilfegruppen, deren japanische Mit-glieder sich aktiv um die Vorbereitung vonselbsthilfegestützten Wiederaufbaumaß-nahmen auf kommunaler Ebene, aber auchum kleinere Hilfen für obdachlose Erdbe-benopfer, kümmern.

Bis in die 80er Jahre hat sichdas Hilfswerk in Japan engagiert.Wie sah die Arbeit aus? Von 1959 bis Anfang der 80er Jahre habenwir insbesondere kirchliche Partner inJapan unterstützt – insgesamt in mehr als140 Projekten. Schwerpunkte waren dabeider Bildungs- und Gesundheitsbereich,aber auch Hilfe für Obdachlose, städtischeArme und behinderte Menschen. Bereits1964 hatten wir übrigens auch eine Erdbe-benhilfe für die Diözese Niigata. Da Japanimmer wohlhabender wurde, ist in denletzten Jahrzehnten kein Antrag mehr vondort gekommen.

Was empfehlen Sie den Menschenangesichts der zunehmenden Zahlvon Katastrophen? Die großen, die spektakulären Katastro-phen nehmen unsere Aufmerksamkeit ge-fangen, und zugleich haben wir die schlei-chende und weniger bilderreiche Not ver-

Nach der Katastrophe in Japan gibt eseine große Spendenbereitschaft. Warumruft MISEREOR nicht zu Spenden auf? Japan ist in den vergangenen Jahrzehntenzu einer der wichtigsten Industrienationenherangewachsen. Im Wohlstandsindex derVereinten Nationen liegt es auf Rang elf,direkt hinter Deutschland. Es ist alsolängst kein Entwicklungsland mehr wiefrüher, als auch wir in Japan geholfenhaben. Dass die Not trotzdem so riesigeAusmaße haben könnte, ist natürlichschockierend. Bei aller Bestürzung undSorge darüber und bei allem Mitgefühl fürdie Opfer müssen wir aber dennoch unse-ren Prinzipien treu bleiben. Erstens prüfenwir die Bedürftigkeit und die tatsächlicheNotwendigkeit einer Hilfe von außen.Zweitens werden wir nur über bewährtePartnerstrukturen tätig. Drittens muss un-sere Hilfe den Armen nutzen. Und viertenskann nur dann geholfen werden, wenn ver-nünftige Konzepte und Ansatzmöglichkei-ten für weitreichende zivilgesellschaftli-che Hilfe vorliegen. Zum jetzigen Zeit-punkt scheinen uns diese Kriterien inJapan nicht umfassend erfüllt. Ein groß an-gelegter Spendenaufruf würde vorausset-zen, dass wir auch in großem Maßstabsinnvolle Verwendung für die dann zwek-kgebunden eingehenden Zuwendungenhätten. Dies ist derzeit nicht der Fall. Wirsind allerdings mit unseren früheren kirch-

gessen. So gibt es sehr viel Ungerechtig-keit in der Aufmerksamkeit und auch beider Hilfsbereitschaft – wohlgemerkt beialler Bestürzung und Betroffenheit überdas, was derzeit in Japan geschieht. Werhelfen will, sollte daher für die allgemeineHilfe spenden, ohne Zweckbindung. Füreine Organisation, der man vertrauenkann, dass sie das Geld nach Notwendig-keit und nach Maßgabe ihrer Qualitäts-kriterien verwenden wird und darüber an-gemessen Rechenschaft ablegt. Wichtigbleibt für uns auch, unsere Solidarität inimmaterieller Hilfe auszudrücken. Dahersind wir auch im Gebet mit den Menschenin Japan verbunden. Dies gehört zumChristsein notwendig dazu.

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Mit den Menschen in Japanverbunden

Dr. Martin Bröckelmann-Simon leitet als Geschäfts-führer die Hauptabteilung Internationale Zusammen-arbeit. Er ist Vorstandsmitglied der Katholischen Zen-tralstelle für Entwicklungshilfe, Mitglied der DeutschenKommission Justitia et Pax, der Delegiertenversamm-lung des Deutschen Caritasverbands und des ZdK.

Am Morgen des 11. März 2011 wurde die Küste von

Japan von einem Erdbeben der Stärke 9,0 auf der Rich-

terskala erschüttert. Die anschließende Welle des

Tsunami überflutete große Teile des Landes. Die Solida-

rität mit den Opfern und die Spendenbereitschaft in

Deutschland sind groß, aber MISEREOR hat bis heute

nicht zu Spenden aufgerufen. MISEREOR-Geschäftsfüh-

rer Martin Bröckelmann-Simon erklärt, warum.

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stichwort nordafrika

den. ECHR hat sich aktiv in die Diskussion um densogenannten Kairo-Masterplan eingeschaltet undvertritt dabei auch offensiv die Interessen der Be -wohner der Nil-Insel Dahab, die zugunsten einerintensiven Bebauung verdrängt werden sollen.

Dieses Beispiel zeigt, dass die jetzige Wider-standskultur in den arabisch-sprachigen Länderneine lange Geschichte hat. Trotz der Repressalienkönnen inzwischen bescheidene Erfolge verzeich-net werden. Jetzt kommt es entscheidend daraufan, die Dynamik unter den Jugendlichen aufrecht-zuerhalten. Dazu braucht es Unterstützung undwirtschaftliche Hilfe für die weitere Ausbildung undBeteiligung an den gesellschaftlichen Dialogenfür die neuen Verfassungen. Durch die Fortsetzungder Menschenrechtsarbeit wird MISEREOR auchin Zukunft einen wichtigen Beitrag für die gesell-schaftliche Veränderung in Nordafrika leisten.

Gegenwärtig werden die Region Nordafrikasowie andere arabische Länder im Nahen Ostendurch eine Welle von Demonstrationen überwie-gend junger Menschen geprägt, die für mehr De-mokratie und Menschenrechte eintreten und dieAblösung der bisherigen autokratischen und kor-rupten Regimes fordern. Getragen ist diese Wellevon dem Wunsch nach besseren Lebensperspek-tiven der überwiegend arbeitslosen, inadäquatbeschäftigten oder in prekären Arbeitsverhältnis-sen lebenden Jugendlichen und jungen Erwachse-nen. Die ersten Erfolge der Proteste in Tunesienund Ägypten haben Menschen in den Nachbarge-bieten dazu ermutigt, ebenfalls ihre Ängste vorRepressalien zurückzustellen und auf die Straßezu gehen. Dadurch ergibt sich ein andauernderProzess der Proteste gegen die seit Jahrzehntenherrschenden Regimes.

MISEREOR arbeitet seit vielen Jahren mit sei-nen nordafrikanischen Partnern daran, das Be-wusstsein für Frieden und Menschenrechte zustärken, blinde Autoritätsgläubigkeit abzubauenund Menschen zum Dissens, zum eigenen Den-

ken und zur Eigeninitiative zu ermutigen. Be-sonders in Bildungsprojekten und bei der Unter-stützung neuer Unterrichtsmethoden im formalenBildungswesen hat MISEREOR mit seinen Part-nern Tausenden Jugendlichen und Erwachsenen,besonders Frauen, ein Wachsen in kritischerMündigkeit ermöglicht und damit einen langfristi-gen Beitrag zum jetzigen Aufbruch geleistet.

Ein Beispiel: Das „Egyptian Center for HousingRights“ (ECHR) konzentriert sich auf das Rechtauf angemessenen Wohnraum als Einstieg in dieMenschenrechtsarbeit in Ägypten. Mitarbeitervon ECHR wurden in den letzten Jahren mehrfachverhaftet, so auch anlässlich der jüngsten De-monstrationen. Trotz der Beschränkungen durchden Staat konnte die Arbeit zum Schutze der vonVertreibung bedrohten Menschen in den Groß-städten Ägyptens erfolgreich durchgeführt wer-

Mut zum Dissens

Michael Hipplerleitet die AbteilungAfrika und Naher Ostenbei MISEREOR.

In Nordafrika unterstützt MISEREOR Initiativen für mehrDemokratie und Menschenrechtev Von Michael Hippler

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MISEREOR aktuell 2/2011

Die Eröffnung der MISEREOR-Fastenaktion 2011

fand in diesem Jahr stellvertretend für alle Gemein-den und Diözesen in Deutschland in Regensburgstatt. Während der anschließenden Fastenzeit such-te das Hilfswerk wie in jedem Jahr vermehrt denKontakt zu Gemeinden, Eine-Welt-Gruppen und Schu-len. Bei zahlreichen Veranstaltungen wurde infor-miert, diskutiert, gebastelt, gesungen und Geld ge-sammelt. Zwei Beispiele: Joyce Mwikali hat als Gastvon MISEREOR das kleine bayerische Dorf Beratz-hausen besucht. In der katholischen GrundschuleLinnich gestalteten Kinder ein eigenes Hungertuch.

Menschenwürdigleben.

Überall!

Weitere Aktionenund Bilder zur Fasten-aktion 2011 auf:www.misereor.de.

Rückblick auf die MISEREOR-

Der Künstler des Hunger-tuchs Sokey Edorh begleitetdie Hungertuchwallfahrerein Stück auf ihrem Wegnach Regensburg.

Weltkirche im Dom: Derfeierliche Eröffnungsgottes-dienst mit Bischof GerhardLudwig Müller, MISEREOR-Hauptgeschäftsführer JosefSayer und Gästen aus allerWelt.

Internationale Gäste ausKambodscha und Indien,Togo und Kenia, Venezuelaund Peru sowie die Leitungvon MISEREOR sind zu Gastin der Diözese Regensburg.

„Egal, ob arm oder reich, wir sindalle ein Teil der Stadt“: Fasten-aktionsgast Meas Kimseng ausKambodscha berichtet von derArbeit mit den Bewohnern vonArmensiedlungen in Phnom Penh.

Der Vorsitzende derIndischen Bischofs-konferenz KardinalOswald Gracias,kennt die Situationder Armen in Bom-bay aus eigenerAnschauung.

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Ein Bericht von Daniela Singhal

Frieden für Korogocho

Joyce Mwikali hat heute eine Premiere. Die Gemeinde in demkleinen bayerischen Dorf Beratzhausen lädt zu einem Frauen-frühstück. 50 Frauen sind gekommen und Joyce wird von ihremLeben und ihrer Arbeit im Slum berichten. Es ist der erste voneiner Reihe von Vorträgen, die sie in den kommenden Wochenhalten wird. Die Tische sind liebevoll mit Blumen, bunt bedruck-ten Servierten und Schokoladenkäfern dekoriert. Bald sitzt dieKenianerin zusammen mit einer Gruppe älterer Frauen. Nichtalle können Englisch, aber das macht nichts. Joyce erzählt, dasssie zum ersten Mal in Deutschland ist, zum ersten Mal in Euro-pa. Sie wirkt fröhlich, bester Dinge – ein Kontrast zu den er-schütternden Bildern aus Nairobi, die ihren Vortrag begleiten:Frauen und Kinder, die in Müllmassen wühlen, Abfall essen. Re-alität im Leben so vieler Menschen in Nairobi und anderen Städ-ten der Welt. „Viele kommen aus den Dörfern in die Stadt. Siehoffen auf ein besseres Leben, aber die meisten landen erst ein-mal in einem Slum“, berichtet Joyce, die selber seit Jahren ineiner einfachen Hütte aus Wellblech wohnt.

Mit anderen Frauen gründete Joyce eine Friedensgruppe, dietanzend und singend durch das Viertel zog, um die Menschenzu einem friedvollen Miteinander zu motivieren. Sie zeigt denBeratzhausener Frauen eine bunte Flagge auf der das steht,was ihr am wichtigsten ist: ‚Amani‘ ist Kisuaheli und heißt Frie-den. „Ich träume davon, dass alle Menschen in Korogocho ein-mal friedlich zusammenleben“, sagt sie. „Und dass ich irgend-wann mal selber eine Hausbesitzerin bin.“

Fastenaktion 2011

Ein Brief von Gemeindereferentin Marion Lahey

Kinder malen ein Hungertuch

Alle zehn Klassen der Katholischen Grundschule Linnichim Kreis Düren beteiligten sich in diesem Jahr an der Gestal-tung eines eigenen Hungertuchs. Dazu wurde in jeder Klas-se über das Projekt der Kinderfastenaktion in Peru gespro-chen. Die Kinder beschäftigten sich anhand der Schulmateri-alien von MISEREOR mit verschiedenen Themen wie Spiel-zeug in Peru, Unterschiede beim Essen, die Häuser in Peruund die Müllberge. Den Schwerpunkt des Unterrichts durftejede Lehrerin selbst bestimmen. Dann malten alle KinderVorentwürfe für das Klassenhungertuch mit Filzstiften odermit Wasserfarben oder Abtönfarbe. Jede Klasse entschiedsich dann, was auf den Keilrahmen gemalt werden sollte. Inden Klassen wurden Kinder etappenweise an diese Malereigesetzt. Der ganze Prozess dauerte zweieinhalb Wochen. ImWortgottesdienst haben wir die einzelnen Bilder der Kinderdann vorgestellt. Jede Klasse hat einige Sätze dazu gesagt,dann haben wir das große Bild als unser Hungertuch zusam-men gesetzt. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kinder so be-geistert mitgemacht haben und erinnere mich noch an denKommentar von ei-nem Kind: „Obwohldie Kinder dort we-nig zu essen haben,sind sie glücklich!“

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kurznachrichten

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Zum 18. Mal vergab der FachverbandAußenwerbung (FAW) die Trophäe Pla-kaDiva für gelungene und effiziente Pla-katkampagnen. Gleich drei Trophäen –Gold, Silber und Bronze – holte dieHamburger Agentur Kolle Rebbe. Goldund Silber in der Kategorie „Bestes Pla-kat“ gab es für Kampagnen der KundenRitter Sport und Bionade. Die neue MI-SEREOR-Kampagne „MUT zu Taten“zeichnete die Jury mit Bronze aus. Zumersten Mal gehörte damit ein „Non Pro-fit“-Plakat zu den Gewinnern. Mit sei-

nem diesjährigen Fastenbrevier hat daskatholische Hilfswerk zudem den Deut-schen Preis für Onlinekommunikation2011 in der Kategorie Online-Newslet-ter gewonnen. Mit dem Preis würdigtedas Magazin „Pressesprecher“ das vonMISEREOR gestaltete virtuelle Fasten-brevier, das über drei miteinander ver-netzte Online-Kanäle tägliche Fasten-impulse bietet. So konnten Nutzer E-Mails abonnieren, das Angebot aufTwitter verfolgen oder die Mikro-Web-site www.fastenbrevier.de besuchen.

Bronzene PlakatDivaund Preis für Onlinekommunikation

In der letzten Ausgabe von MISERE-OR aktuell, dem Magazin „Mut zuTaten“, wurden mutige Denker gesucht,um das Preisrätsel zu lösen. Das Lö-sungswort lautete: „Hoffnungsträger –Mut zu Taten“. Für alle Zuschriften einherzliches Dankeschön der Redaktion!Unter Anwesenheit des MISEREOR-Jus-titiars wurden die Gewinner gezogen.

Mutige DenkerSie erhalten Schüsseln und Taschen,die in Indien und Vietnam aus Müll her-gestellt wurden. Gewonnen haben: Ger-trud Moosmann aus Esslingen, HartmutKrause aus Großalmerode, Beate Bak-kenköhler aus Oldenburg, Freia Leon-hardt aus Kumhausen, Johanna Warmuthaus Augsburg, Teresa Müller aus Königs-brunn und G. Petz aus Regensburg.

1.131 Kilometer, eine Gesamtstrecke soweit wie von Flensburg nach München, er-liefen 58 Kinder, Jugendliche und Erwach-sene beim Spendenlauf in Norderstedt undHamburg. Damit schafften es die Läuferaus den katholischen Gemeinden HeiligeFamilie Langenhorn, St. Annen Ochsen-zoll, St. Hedwig Norderstedt sowie derevangelischen Emmaus-Gemeinde, die be-achtliche Summe von 20.844 Euro zugun-sten eines MISEREOR-Projekts in Äthio-pien zu sammeln. Nach einer halbstündi-gen Andacht in der St. Annen-Kirche amOchsenzoll hatte der Hamburger Erzbi-schof und Vorsitzender der MISEREOR-Kommission Werner Thissen mit zwei Topf-deckeln selbst das Startsignal für denSpendenlauf gegeben. Erzbischof Thissenließ es sich auch nicht nehmen, bei idea-len Wetterbedingungen 20 Kilometer mit-

Startsignalmit Topfdeckeln

zuwandern. Eine der Läuferinnen schafftesogar ganze 56 Kilometer. Das Geld fließtin das katholische Attat-Hospital, das Erz-bischof von Hamburg im Jahr 2009 mit MI-SEREOR besucht hat.

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Die nepalesische Küche ist vielfältig, ge-sund und eignet sich wegen der einfachenZubereitung auch hervorragend für Koch-anfänger. Ganz wichtige Zutaten der lan-destypischen Gerichte bilden viele frischeGewürze und Kräuter. Zerstoßen oder ge-mahlen werden sie in der asiatischen Pfef-

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Ergibt etwa 24 Stück.

Zutaten Teig500 g Weizenmehl, 1 EL Öl, 1 Tasse Wasser, 1 Messerspitze Salz.

Zutaten Füllung500 g Hackfleisch (Sorte nach persönlicher Vorliebe), 100 g fein gehackteZwiebel, 40 g frisch geriebene Ingwerwurzel, 4 fein gehackte Knob-lauchzehen, je 1 TL Koriander und Gelbwurz, 1/2 TL Kreuzkümmel, 1 feingehackte Chili, 2 EL Olivenöl oder Ghee, 1 EL Salz.

Zubereitung:Teig: Zutaten in einer großen Schüssel mischen und in 10 Minuten zumTeig kneten. 30 Minuten stehen lassen, dann nochmals durchkneten.

Füllung: Alle Zutaten in einer Schüssel gut durchkneten. Den Teig etwazwei Millimeter dick ausrollen, eventuell etwas Wasser zugeben, um ihngeschmeidiger zu machen. Mit einer kleinen Schale 10 cm große Kreiseausstechen. In diese je circa einen Esslöffel der Füllung geben. Kreisezusammenklappen oder über der Füllung zusammenschlagen. Die Rän-der gut zusammendrücken; mit etwas Wasser angefeuchtet hält es bes-ser. Am einfachsten gart man die Momos in einem Topf oder Wok mitDämpfeinsatz: Den unteren Teil mit Wasser füllen und dann die Momosin etwa 12 Minuten dampfgaren. Die Behelfslösung: Eine umgestülptefeuerfeste Schale oder Auflaufform in einen Kochtopf stellen. Daraufkommt der Teller mit den Momos. Den Topf bis zur Hälfte der Form mitWasser füllen. Wenn das Wasser kocht, den Deckel auf den Kessel set-zen und – ganz wichtig: Die Neugier bekämpfen und zwischendurchnicht nachschauen! Ansonsten verdampft die Hitze. Die Füllung ist übri-gens auch solo lecker als scharf angebratene Hackfleischbällchen!

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quartalsrezeptlesetipp

Petra Kilian aus der AbteilungÖffentlichkeitsarbeit liest:

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Nepalesische Teigtaschenfermühle: dem Mörser. Gefüllte Teigtaschenheißen in Nepal Momos. Unser Rezeptschlägt eine Variante mit Hackfleisch vor, esgibt jedoch auch vegetarische Formen. InNepal werden die Momos gern zu einerSuppe verzehrt, auch Brot, Chutney oder ei-ne pikante Tomatensoße passen sehr gut.

Mathias Ullmann

Ottos BergSklavenhandel an der Westküste

Afrikas: Mit Hilfe des jungen Komman-danten Otto Friedrich von der Groebenwill das Fürstentum Brandenburg mitmi-schen beim lukrativen Handel mit Goldund Menschen. Ohne Wissen über denafrikanischen Kontinent, aber ausge-stattet mit rassistischer Überheblich-keit gründet von der Groeben 1683 dieFestung Großfriedrichsburg. Der zweiteProtagonist des Buches ist der Hollän-der Willem Bosman, ein grausam-kalku-lierender Händler, den die brandenbur-gische Konkurrenz mehr ärgert als einpaar tote Eingeborene. Der Afrikaner JanConny, der mit dem Blut seiner Lands-leute gutes Geld verdient, erzählt die Ge-schichte von Großfriedrichsburg zu Ende.

Auch wenn Mathias Ullmann nichtganz ohne Liebesgeschichte auskommt,ist „Ottos Berg“ kein klassischer Histo-rienschinken. Schonungslos direkt zeigter das Leben und Leiden der Sklavenauf ihrer ersten Etappe zu den Planta-gen Amerikas und die menschenverach-tende Geldgier ihrer Händler.

VAT Verlag André Tiele, 2010, 284 Seiten, Taschenbuch 14,90 Euro

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Spendenkonto 10 10 10

Pax-Bank

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Ihre Spende anMISEREOR erreichtMenschen in Notsicher und nachweis-bar. Mit dem Spenden-siegel bescheinigtdas Deutsche Zentral-institut für sozialeFragen/DZI den spar-samen und verant-wortungsvollen Ein-satz aller gespende-ten Mittel.

BischöflichesHilfswerkMISEREOR e.V.Mozartstraße 952064 Aachen

www.misereor.de

„Der Mangel an Erfahrung

veranlasst die Jugend zu Leistungen,

die ein erfahrener Mensch

niemals vollbringen würde.“

Jean Duché