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TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Pat zelt BM ‚Politische Systeme‘ Wofür und wie gebraucht man ‚analytische Kategorien‘?

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BM ‚Politische Systeme‘

Wofür und wie gebraucht man ‚analytische Kategorien‘?

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A & O des Kurses !

Gliederung des Proseminars

I. Organisatorisches und GrundsätzlichesII. Wofür und wie gebraucht man ‚analytische Kategorien‘?III. Wie wendet man die analytischen Kategorien des Modells eines

‚politischen Systems‘ an?IV. Ergänzender Stoff zur Vorlesung I:

Analytische Kategorien und deren systemvergleichende Anwendung politische Kultur; politische Sozialisation; politische Eliten und deren

Rekrutierung; Föderalismus

V. Grundtypen politischer Systeme: systemvergleichende Anwendung analytischer Kategorien

totalitäre Diktatur, autoritäre Diktatur, zusammenbrechende und entstehende Systemstrukturen, demokratische Verfassungsstaaten mit unterschiedlichen Regierungssystemen, repräsentative und plebiszitäre Demokratie

VI. Ergänzender Stoff zur Vorlesung II:Analytische Kategorien und deren systemvergleichende Anwendung

Wahlsysteme, Wahlverhalten, Wahlkämpfe; Politikfeldanalyse

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Faust I (Der vermeidbaren Tragödie erster Teil)

Faust soll den letzten Bundestagswahlkampf analysieren.

Das scheint recht einfach zu sein: er trägt Zeitungsausschnitte oder Artikel aus dem

SPIEGEL zusammen er schreibt auf, wie der Wahlkampf ablief und wer wann

die Nase vorne hatte er fügt an, was andere vom Wahlkampf hielten und wie

sie dessen Ergebnis erklärten er setzt seine eigene Meinung hinzu.

Ist das eine Analyse? Nein!

sondern nur: eine kommentierte Beschreibung

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Was ist eine ‚Analyse‘?

‚analytische Distanz‘

Sie beantwortet mit Anspruch auf Wahrheit eine klare Frage, etwa: Warum hat X die Wahl verloren?

Sie ordnet den Stoff nach Gesichtspunkten oder Begriffen, die für eine Antwort auf jene Frage nützlich sind. Genau solche Gesichtspunkte oder

Begriffe sind ‚analytische Kategorien‘. Sie löst sich von ...

der Chronologie der Ereignisse (‚historische Beschreibung‘) der Selbstsicht der Akteure (‚Nachzeichnung der Sicht von innen‘) der für den Autor unverbindlichen Wiedergabe der Sichtweisen

anderer (‚Nachzeichnung des Diskussionsstandes‘)

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„Da steh ich nun ...“ (Faust) Faust erhält seine kommentierte Beschreibung des

letzten Bundestagswahlkampfs als ‚Themaverfehlung‘ mit der Note 5 (‚nicht bestanden‘) zurück.

Doch er sieht ein, daß er folgendes hätte haben sollen: eine klare Frage die Absicht, auf diese Frage eine persönliche Antwort mit

Wahrheitsanspruch zu geben ‚analytische Kategorien‘, anhand welcher er auf seinen

Gegenstand hätte blicken können ... ohne sich auf die Wiedergabe der Ereignisfolge zu beschränken ohne nur die Selbstsicht der Akteure nachzuformulieren ohne bloß nachzuerzählen, was andere bereits gesagt haben.

Wie aber kommt Faust zu nützlichen ‚analytischen Kategorien‘?

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Faust II (Der vermeidbaren Tragödie zweiter Teil)

keine analytische

Distanz!

Faust formuliert, weil es denn sein muß, eine Frage, ohne zuvor über seinen Gegenstand so richtig nachgedacht zu haben, etwa: „Was war eigentlich besonders interessant am letzten Bundestagswahlkampf?“

Nun versucht er, Gesichtspunkte und Begriffe zu finden, die es ihm erlauben, diese Frage zu beantworten. Er entnimmt dem Fragetext:

interessant / Interesse Bundestag Wahlkampf

Jetzt definiert er diese Begriffe – mit langen Zitaten aus einschlägigen Lexika.

Sodann bemüht er sich, anhand dieser Definitionen seine Frage zu beantworten.

Er stellt fest: Das geht nicht! Und darum gibt er keine überarbeitete Fassung seiner ‚Analyse‘ ab, erhält

keinen ‚Schein‘ – und macht den Einführungskurs noch einmal.

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Wie gewinnt man ‚analytische Distanz‘?

gute Nachricht: Für sehr viele Aufgaben politischer Analyse gibt es bereits

analytische Kategorien, Gesichtspunkte, Betrachtungsweisen, Begriffe,

deren Verwendung genau die erforderliche analytische Distanz herstellt.

schlechte Nachricht: Diese analytischen Kategorien muß man erst kennen- und

verwenden lernen! vorzügliche Nachricht:

Genau das kann – und soll – in diesem Basismodul geschehen, und zwar ...

anhand von bewährten ‚Katalogen‘ analytischer Kategorien!

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Die Rolleanalytischer Kategorien

zu analysierender Gegenstand

Analytikermit seiner Fragestellung

verschiedene Perspektiven

verschiedene Wahrnehmungen des gleichen Gegenstands!

= analytische Kategorien

nützlichere und wenigernützliche Analysen!

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Leistungen‚analytischer Kategorien‘

Sie sind ‚Aussichtspunkte‘, von denen aus ein Gegenstand in einer bestimmten Perspektive betrachtet werden kann – während zugleich eine andere Betrachtungsweise verstellt ist. Ein ‚Aussichtspunkt‘ und der Weg dorthin = THEORIE

Sie wirken wie Scheinwerfer, die einen bestimmten Bereich eines zu analysierenden Gegenstandsfeldes ausleuchten – und andere im Dunkeln lassen. Ein ‚Scheinwerfer‘ und sein Licht = BEGRIFF

Eine Theorie besteht aus einer Reihe

von ...- Begriffen

- anhand dieser Begriffe formulierten Aussagen

sich ‚analytische Kategorien‘ zunutze machen heißt:Theorien kennen und anwenden lernen!( politische Theorie, politikwissenschaftliche Theorie)

= Begriffe, Denkfiguren

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Welche ganz unterschiedlichen Dinge fallen einem auf, wenn man ...

unsere Gesellschaft auffaßt als ... (post-) industrielle Gesellschaft Spätkapitalismus?

den Gegenstandsbereich des § 218 StGB auffaßt als ... Schwangerschaftsunterbrechung Tötung ungeborener Menschen?

die geplanten Reformen im Gesundheits-, Renten- und sozialen Sicherungssystem auffaßt als ...

Abbau des Sozialstaates Anpassung des Sozialstaates an veränderte demographische und

wettbewerbliche Rahmenbedingungen? die politikwissenschaftliche Fachsprache auffaßt als ...

akademischen Jargon Vielzahl von Begriffen, die neue Perspektiven auf bislang aus ganz anderem

Blickwinkel betrachtete Sachverhalte erlauben?

Beispiele für analytische Kategorien als ‚Aussichtspunkte‘ oder ‚Scheinwerfer‘

Perspektive / Scheinwerfer A

Perspektive / Scheinwerfer B

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Theoriewahl

Wie geht man mit analytischen Kategorien um?

lernt man die Wege zu verschiedenen Aussichtspunkten kennen

betrachtet man seinen Gegenstand schon vor der Analyse probeweise von verschiedenen Aussichtspunkten aus

kombiniert man bei einer Analyse jene Bilder, die man von verschiedenen Aussichtspunkten aus erhielt.

beschafft man sich eine Vielzahl verschiedener Scheinwerfer

betrachtet man seinen Gegenstand schon vor der Analyse probeweise im Licht verschiedener Scheinwerfer

kombiniert man bei einer Analyse so viele Scheinwerfer wie (unbedingt) nötig zu einer bestmöglichen Ausleuchtung des Gegenstandsbereichs

Am besten ...Begriffswahl

... zunächst bildlich ausgedrückt

Beispiel

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Welche ganz unterschiedlichen Dinge fallen einem auf, wenn man ...

unsere Gesellschaft auffaßt als ... (post-) industrielle Gesellschaft Spätkapitalismus?

den Gegenstandsbereich des § 218 StGB auffaßt als ... Schwangerschaftsunterbrechung Tötung ungeborener Menschen?

die geplanten Reformen im Gesundheits-, Renten- und sozialen Sicherungssystem auffaßt als ...

Abbau des Sozialstaates Anpassung des Sozialstaates an veränderte demographische und

wettbewerbliche Rahmenbedingungen? die politikwissenschaftliche Fachsprache auffaßt als ...

akademischen Jargon Vielzahl von Begriffen, die neue Perspektiven auf bislang aus ganz anderem

Blickwinkel betrachtete Sachverhalte erlauben?

Beispiele für analytische Kategorien als ‚Aussichtspunkte‘ oder ‚Scheinwerfer‘

Perspektive / Scheinwerfer A

Perspektive / Scheinwerfer B

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Wie lernt und findet man ‚analytische Kategorien‘?

analytische Kategorien lernt man ...durch Erlernen der politikwissenschaftlichen

Fachsprache, d.h. ihrer zentralen Begriffe und deren Verwendung

= Stoff dieses Basismodulsdurch (Kennen-) Lernen politischer und

politikwissenschaftlicher Theorien aus Ideengeschichte und Gegenwart

= Stoff des Teilfachs ‚Politische Theorie‘

analytische Kategorien findet man ...mittels Topik: Erlernen von Topoi und Topoi-

Katalogen

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Topoi = Findeorte (von analytischen Kategorien)

Problem:Wie finde ich solche analytischen Kategorien, die es mir erlauben, bei der Analyse von Politik Dinge zu sehen, die ich ohne solche analytischen Kategorien leicht übersehen würde? Folge solchen Übersehens: Man verfaßt eine ‚kommentierte

Beschreibung‘ anstatt einer Analyse! Lösung des Problems: Man merkt sich Zusammenstellungen

solcher analytischer Kategorien, die erfahrungsgemäß bei der Analyse von Politik nützlich sind! Name für eine einzelne analytische Kategorie, die

erfahrungsgemäß bei der Analyse von Politik nützlich ist: Topos (von griech. tópos = Ort)

Name für eine Zusammenstellung mehrerer derartiger analytischer Kategorien: Topoi-Katalog

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Beispiele für Topoi-Kataloge

komplexer Politikbegriff Aspekte von Politik Dimensionen von Politik: MINK-Schema allgemeine Aufgaben eines sozialen bzw. politischen

Systems: AGIL-Schema Modell des politischen Systems Katalog der Fragestellungen der (vergleichenden)

Systemanalyse Typologien, etwa: politischer Systeme Kataloge der Funktionen von Elementen eines

politischen Systems Modell des ‚Schichtenbaus‘ politischer Wirklichkeit

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Politik ist ...

menschliches Handeln,das ...

in und zwischen Gruppen von Menschen

abzielt auf die Herstellung und

Durchsetzung allgemein verbindlicher

Regeln und/oder Entscheidungen, d.h. von

‚allgemeiner Verbindlichkeit‘

Werte, Interessen, Leidenschaft, Irrationalität

Innenpolitik vs. Außenpolitik; ‚Ubiquität‘ von Politik

Grenzen von Politik

Absicht und Wirkung

Machtfrage gelten ‚für alle‘ einzelfallbezogen

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Bei Politik geht es um die Frage:

Inhalte

Prozesse Strukturen

Was soll wie in welchem Rahmen allgemein verbindlich gemacht werden?

policy

politics

polity

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Dimensionen von Politik

Macht

Normen

Ideologie

Kommunikation

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Aufrechterhaltung der

Wertgrundlagen, Sinnstrukturen

und handlungsleitenden

Selbstverständlichkeiten des

Systems

Aufrechterhaltung der ‚Passung‘

zwischen dem System und seiner

Umwelt

Allgemeine Aufgabeneines sozialen Systems: AGIL

Adaptation

IntegrationLatent pattern maintenance

Goal attainment

Hinarbeiten auf die

vomSystem verfolgten

Ziele

Sicherung des

Zusammenhalts des

Systems

Analyseschema vonTalcott Parsons

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Aufrechterhaltung gemeinsamer

Wertgrundlagen und handlungsleitender Selbstverständlichkeiten

Schaffung und nachhaltige

Sicherung problemlösender

Ressourcen

Politik im Zusammenhang von Gesellschaftsgestaltung

Wirtschaft

GesellschaftKultur

Politik

Erkennen und Lösen von Problemen durch allgemein verbindliche Entscheidungen

Sicherung ihrer

Reproduktion und ihres

Zusammenhalts

alles hängt mit allem zusammen!

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Das politische System

Massenmedien

Gesellschaft

Verwaltung

Ford

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Unt

erst

ützu

n

g

Entscheidungen /

Regeln

zentrales politisches

Entscheidungs-system

Auswirk

unge

n

Rückkoppelung

Legitimität

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zentrale Fragestellungen politikwissenschaftlicher Systemanalyse

Wie ausdifferenziert ist das jeweilige politische System? Wie (gut) funktionieren die Systemelemente für sich? Wie (gut) ist das Zusammenwirken der

Systemelemente? ( ‚funktionslogische Stimmigkeit‘) Wie effizient sind Input und Output, Transformation und

Adaptabilität? Wie groß sind Responsivität und Lernfähigkeit? Wie umfangreich ist der Steuerungsanspruch, wie

verläßlich die Führungsleistung? Verhältnis zwischen der Steuerungseffizienz des

Systems und der persönlichen Freiheit der Regierten? Art und Belastbarkeit der Legitimitätsgrundlage?

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Arten politischer Systeme

Herrschaftsstruktur

Willensbildung

• monistisch

• gewaltenteilend

politischerGestaltungsanspruch

• begrenzt• unbegrenzt

• konkurrierend

• monopolisiert

totalitäre Diktatur

liberaler demokratische

r Verfassungssta

atautoritäre

Diktatur

Beispiel einer Typologie:

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(politische) Funktionen von Masssenmedien

Information über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur

Hilfestellung für persönliche Meinungs- und Urteilsbildung

Kontrolle politischer Akteure

Unterhaltung (‚Infotainment‘)

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Außenfunktionen von Interessengruppen

Entdecken und Bewußtmachen von Mitgliederinteressen Widerspiegelung gesellschaftlicher Interessenheterogenität

Interessenselektion Setzung von Prioritäten für den politischen Streit

Interessenaggregation Bündelung von Interessen zu plausiblen

Handlungsprogrammen und entscheidbaren Alternativen Interessenartikulation

Gang an die Öffentlichkeit, Herantreten an Entscheidungsträger

Ringen um die Durchsetzung von Interessen Herbeiführen und Durchstehen von Konflikten

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Funktionen von Parteien

Bindeglied- bzw. NetzwerkfunktionResponsivitätsfunktionFührungsfunktionPersonalmarktsfunktion

RekrutierungsfunktionSozialisationsfunktionKandidatenpräsentationsfunktion

Parteien leisten viel mehr als die

‚Mitwirkung an der politischen

Willensbildung‘ des Volkes!

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Parlamentsfunktionen

Repräsentationsfunktion (4)VernetzungsfunktionResponsivitätsfunktionDarstellungsfunktion (‚Öffentlichkeitsfunktion‘)kommunikative Führungsfunktion

Kontrollfunktion (2)Gesetzgebungsfunktion (3)Wahlfunktion (1)

im parlamentarischen Regierungssystem zentral und systemprägend: Regierungsbildungsfunktion

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Aufgaben einer Regierung

Steuerungsfunktion = Regierung als Ausübung allgemeiner politischer Führunghier insbesondere: Pflicht zur Prärogative, d.h.:

zum staatlichen Handeln wann immer solches Handeln nötig ist

Durchführungsfunktion = Anwendung und Durchsetzung jener allgemein verbindlichen Regelungen und Entscheidungen, die ein politisches System hervorgebracht hathier: Regierung als ‚Verwaltungsführung‘

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Schichtenbau der Wirklichkeit

kulturspezifische Wissensbestände,Deutungsroutinen, Normen

internationales System

supranationale Systeme

‚nationalstaatliche‘ politische Systeme

Organisationen / Institutionen

Rollen, Rollengefüge, Kleingruppen

‚hier und jetzt‘ lebende Einzelmenschen

genetisch verankerte Repertoires von Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Empfindung und Verhalten

Mesoebene

Mikroebene

Makroebene

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Wirtschaft Politik

Gesellschaft

Kulturlok

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Wirtschaft Politik

Gesellschaft

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Politik im Mehr-Schichten-Gefüge der Wirklichkeit

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Wie arbeitet man ganz allgemein mit Topoi?

Festlegung des Gegenstandsbereichs, den man analysieren will Wahl gegenstandserschließender Topoi-Kataloge Nutzung jedes Topos als Frage an den Gegenstand: „Wie

verhält es sich hier mit ...?“ Abrufung und Zusammenstellung aller persönlich verfügbaren

Wissensbestände zu jenen ‚Fragen an den Gegenstand‘ Entdeckung und Abschätzung von Lücken im persönlichen

Wissen und Verständnis Nachlesen, um diese Lücken zu schließen! Formulierung einer präzisen analyseleitenden Fragestellung

und deren Beantwortung – wie in ‚Faust III‘!

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Faust III (‚Happy end‘ ohne Gretchen und Helena)

Um den letzten Bundestagswahlkampf zu analysieren, liest Faust sich in sein Thema ein, durchdenkt er sein Thema anhand einschlägiger Topoi-Kataloge, deren

Kenntnis er in seinem Studium erworben hat, etwa: Dimensionen von Macht, Aufgaben eines wahlkämpfenden sozialen

Systems wie einer Partei, Funktionen von Parteien, Kriterien wirkungsvoller Wahlkampfführung

formuliert er aufgrund der Ergebnisse solchen Nachdenkens eine präzise Frage, die dann seine Analyse anleitet,

wählt er aus den ihm nützlich gewesenen Topoi-Katalogen jene analytischen Kategorien aus, anhand welcher er nun seinen Stoff ordnet,

arbeitet er den Stoff (‚Bundestagswahlkampf‘) anhand dieser analytischer Kategorien durch,

findet er eine Antwort auf seine Frage und formuliert siein gutem Deutsch.

Note: 1 – sehr gut!

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Arbeitsschritte bei der Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit

erste – später oft veränderte – Formulierung der Fragestellung Einlesen anhand von Lexika, Lehrbüchern, Übersichtsartikeln Klärung des größeren thematischen Zusammenhangs der Fragestellung Feststellung der zentralen analytischen Kategorien Materialsammlung: Bibliographieren, Literatur beschaffen Materialauswertung: sichten, sortieren, selektieren, studieren,

dokumentieren Erstellung eines Argumentations- und Darstellungskonzepts

(‚vorläufige Gliederung‘) Zuordnung des gesammelten / ausgewerteten Materials zu den

einzelnen Gliederungspunkten; ggf. Veränderung der Gliederung Niederschrift (am besten am PC):

zügig formulierte Erstversion Einarbeitung von Literatur und sonstigem Material sprachliche Überarbeitung Formatierung und Ausdruck

ausführlich dazu: Patzelt, E

inführung

in die Politikwissenschaft, S

. 506-511

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Damit sollte klar sein,

warum man ‚analytische Kategorien‘ braucht

was ‚analytische Kategorien‘ sind und leisten

wie man geeignete ‚analytische Kategorien‘ findet

wie man anhand ‚analytischer Kategorien‘ wissenschaftlich arbeitet

Achtung:

Wissenschaft ist kein Sport, den man durch Zusehen

erlernt!

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„Warum schnitt die Union bei der Bundestagswahl im September 2005

um so viel schlechter ab, als sie das zur Zeit der Auflösung des Bundestages im

Juni erwartete? “

Fallbeispiel

Welche wichtigen Dinge würde man ohne die Nutzung von MINK- und AGIL-

Schema übersehen?

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konkrete Aufgabe des Referenten

Jedes Referat dient dazu, anhand einer klaren, im Seminarplan vorgegebenen Frage zwei oder drei politische Systeme miteinander zu vergleichen, und zwar anhand der in jeweiligen Sitzung vorzustellenden

oder einzuübenden analytischen Kategoriensowie einen solchen Vergleich jene Frage zu beantworten.

Nicht vom Referenten dargestellt müssen werden ... die vergleichsanleitenden Kategorien (= Aufgabe des

Dozenten) die verglichenen Tatbestände selbst (= Aufgabe gelöst durch

Vorbereitung der Teilnehmer anhand der vorab zu studierenden Texte)

Ein erfolgreich erprobtes Beispiel findet sich im Foliensatz zur ersten Proseminarsitzung.

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Aufgaben von ...Referent und Diskutant

trägt den zu vermittelnden Stoff vor oder präsentiert die einzuübenden Fertigkeiten anhand einer klaren

Fragestellung in zielführender Gliederung mündend in eine begründete

Antwort auf seine Frage; zeigt auf ...

weiterführende Fragestellungen

erkenntnisträchtige weitere Richtungen der Gedanken- und Argumentationsführung.

freundlic

her

Wett

stre

it

erörtert, ob das vom Referenten an den Tag gelegte Verständnis des Stoffes wohl das bestmögliche war legt ggf. eine Alternative vor

hinterfragt den Gedankengang des Referenten legt ggf. eine Alternative vor

bringt Sachverhalte, Sichtweisen und Gedanken vor, die der Referent überging, obwohl sie nach Ansicht des Diskutanten wichtig sind.

• lobt• kritisiert• bringt Eigenes

... aber niemals ein ‚Koreferat!‘