Tut euch mal was Gutes! · 2019. 6. 20. · Es wurde so spürbar, wie wohl eine ehr-liche...

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Mit Lerngeschichten kann man sehr gut kindliche Lernschrit- te begleiten, beschreiben und vertiefen und sie sind beson- ders wirkungsvoll, wenn sie leicht, spontan und emotional geschrieben werden. Das hat sich inzwischen in der päda- gogischen Praxis und in der Ausbildung herumgesprochen. Lerngeschichten können jedoch auch von Erwachsenen für Erwachsene geschrieben werden. Ein Beitrag von Sibylle Haas. Wer Lerngeschichten für sich selbst gelesen und gefühlt hat, kann ihre Wirkung viel besser verstehen und ist eher mo- tiviert, selbst welche zu schreiben. Die wohldurchdachte Methode für die Begleitung kindlichen Lernens wird durch den persönlich betroffenen Blick von der anderen Seite zu einem begehrenswerten Erlebnis, in das wir Erwachsene uns gut und gern auch hineinbegeben dürfen. Wenn es stimmt, dass die Basis von Lerngeschichten auf- merksame Beachtung ist, die wohlwollend und sachkundig beschrieben wird und zu wertschätzenden Dialogen führt, dann ist das ein Schatz, der für die Entwicklung von Team- arbeit, für Personalführung und die Ausbildung junger Kol- legInnen nur Gutes bewirken kann. Wer hätte nicht gern einmal eine wertschätzende Beschreibung geleisteter Arbeit? Ist es nicht so, dass mit Lob und Anerkennung in der Er- wachsenenwelt geradezu geizig umgegangen wird? Als ich früher einmal Lob und Anerkennung in einer Team- sitzung auf Trägerebene anmahnte, bekam ich zu hören: »Wir sind doch nicht im Kindergarten!« Ja schade, warum eigentlich nicht? Welche Chancen entgehen uns dabei? Ebenso wie für Kinder ist auch für die Älteren die Ermu- tigung zu weiterer Entwicklung und zum Ausschöpfen aller Potenziale damit verbunden. Geschichten können zu heraus- fordernden Aufgaben ermuntern und neue Perspektiven für uns entwickeln. In Lerngeschichten für Erwachsene spielt natürlich auch Respekt vor Individualität, Gefühl und Selbst- reflexion eine wichtige Rolle. Ich empfehle sie als Mittel zur Teamentwicklung und Personalführung. Ermutigen und bestärken In der von mir 2016 im verlag das netz herausgegebenen Publikation »Begeisterung teilen – Lerngeschichten in die Praxis tragen« haben einige Kita-LeiterInnen und Fachbera- terTnnen, wie z.B. Simone Wilhelm, über ihre Arbeit berichtet (S. 37): »Lerngeschichten nutze ich in drei verschiedenen Varianten. Ich schreibe sie zum Ersten aus der Fachberater- rolle heraus für Pädagogen, LeiterInnen oder Eltern. Dabei schreibe ich gern über Situationen, in denen mich die Hand- lungen der Erwachsenen emotional berührt haben. Über Lerngeschichten, die sich an den Stärken orientieren, kom- Betrifft KINDER 01-02|2019 Hauptsache 11 Tut euch mal was Gutes! Lerngeschichten für Erwachsene

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Page 1: Tut euch mal was Gutes! · 2019. 6. 20. · Es wurde so spürbar, wie wohl eine ehr-liche anerkennende Rückmeldung tut und dass es gar nicht so schwer ist, ins Schreiben zu kommen.

Mit Lerngeschichten kann man sehr gut kindliche Lernschrit-te begleiten, beschreiben und vertiefen und sie sind beson-ders wirkungsvoll, wenn sie leicht, spontan und emotionalgeschrieben werden. Das hat sich inzwischen in der päda-gogischen Praxis und in der Ausbildung herumgesprochen.Lerngeschichten können jedoch auch von Erwachsenen fürErwachsene geschrieben werden. Ein Beitrag von SibylleHaas.

Wer Lerngeschichten für sich selbst gelesen und gefühlt hat,kann ihre Wirkung viel besser verstehen und ist eher mo-tiviert, selbst welche zu schreiben. Die wohldurchdachteMethode für die Begleitung kindlichen Lernens wird durchden persönlich betroffenen Blick von der anderen Seite zueinem begehrenswerten Erlebnis, in das wir Erwachseneuns gut und gern auch hineinbegeben dürfen.

Wenn es stimmt, dass die Basis von Lerngeschichten auf-merksame Beachtung ist, die wohlwollend und sachkundigbeschrieben wird und zu wertschätzenden Dialogen führt,dann ist das ein Schatz, der für die Entwicklung von Team-arbeit, für Personalführung und die Ausbildung junger Kol-legInnen nur Gutes bewirken kann. Wer hätte nicht gerneinmal eine wertschätzende Beschreibung geleisteter Arbeit?Ist es nicht so, dass mit Lob und Anerkennung in der Er-wachsenenwelt geradezu geizig umgegangen wird?

Als ich früher einmal Lob und Anerkennung in einer Team-sitzung auf Trägerebene anmahnte, bekam ich zu hören:»Wir sind doch nicht im Kindergarten!« Ja schade, warumeigentlich nicht? Welche Chancen entgehen uns dabei?

Ebenso wie für Kinder ist auch für die Älteren die Ermu-tigung zu weiterer Entwicklung und zum Ausschöpfen allerPotenziale damit verbunden. Geschichten können zu heraus-fordernden Aufgaben ermuntern und neue Perspektiven füruns entwickeln. In Lerngeschichten für Erwachsene spieltnatürlich auch Respekt vor Individualität, Gefühl und Selbst-reflexion eine wichtige Rolle. Ich empfehle sie als Mittelzur Teamentwicklung und Personalführung.

Ermutigen und bestärken

In der von mir 2016 im verlag das netz herausgegebenenPublikation »Begeisterung teilen – Lerngeschichten in diePraxis tragen« haben einige Kita-LeiterInnen und Fachbera-terTnnen, wie z.B. Simone Wilhelm, über ihre Arbeit berichtet(S. 37): »Lerngeschichten nutze ich in drei verschiedenenVarianten. Ich schreibe sie zum Ersten aus der Fachberater-rolle heraus für Pädagogen, LeiterInnen oder Eltern. Dabeischreibe ich gern über Situationen, in denen mich die Hand-lungen der Erwachsenen emotional berührt haben. ÜberLerngeschichten, die sich an den Stärken orientieren, kom-

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Hauptsache 11

Tut euch mal was Gutes! Lerngeschichten für Erwachsene

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men wir ins Gespräch, mit dem Ziel zu ermutigen und zubestärken.« Dafür ein Beispiel:

Liebe Frau K.,ich bin noch sehr beeindruckt von meinem Besuch in IhrerKindertageseinrichtung! Ich erlebe ein großes, lebendigesHaus mit einer wohldurchdachten Struktur und einer sehrvertrauensvollen und Verantwortung teilenden Leiterin.

Etwa einhundertdreißig Kinder werden hier in 5 Gruppenbetreut und erhalten vielfältige Bildungsmöglichkeiten. Diepädagogischen Fachkräfte der Gruppen bilden die Kleinteams.Sie treffen interne Absprachen, haben ihre eigenen Gesprächs-runden. Und doch sind alle pädagogischen Fachkräfte eingroßes einheitliches Ganzes – ein Team. Es gibt gemeinsameZiele.

Ich habe gesehen, dass im Team und für das Team mitHilfe der Logopädin Vorbereitungsmaterialien für die Beob-achtung und Dokumentation erarbeitet wurden. Diese Ma-terialien können von den Fachkräften für die Vorbereitungder Entwicklungsgespräche genutzt werden. Inwieweit jedeFachkraft davon Gebrauch macht, wurde mir von Ihnen ge-sagt, liegt in ihrer eigenen Verantwortung. Schön dachteich, wie viel Vertrauen ist dazu notwendig! Nicht: »Dashaben wir ausgearbeitet, das nutzt ihr nun alle!«, sondern:»Du als Fachkraft hast die Wahl, das ganze Fachwissen,das wir als Team erarbeitet haben, zu nutzen. Ich als Lei-terin traue dir zu, Entwicklungsgespräche professionell inEigenverantwortung zu gestalten.« Sie belassen die Ver-antwortung bei den Fachkräften!

Auch bei einer anderen Situation war das Thema »Ver-trauen« noch einmal sehr präsent. Frau C. kam währendunseres Gespräches hinzu. Sie fragte, ob die neue Vitrinemit den so individuell gestalteten Basteleien aus Kastanienbestückt werden könnte. Das wäre eine gute Anregung fürdie Eltern. Hier antworteten Sie, dass es dazu Absprachen

im Team gab: Es sollte nicht nur das Material ausgestellt,sondern die Arbeit auch so gut dokumentiert werden, dassdas Ganze für die Eltern einen Aufforderungscharakter hat.Sie baten Frau C., sich mit den anderen KollegInnen abzu-sprechen und dann zu entscheiden.

Sie haben die Verantwortung der Entscheidung bei denKollegInnen gelassen. Wie leicht wäre es gewesen, ihnen dieEntscheidung einfach abzunehmen? Gerade bei dem Perso-nalnotstand an diesem Tag sicher eine Verlockung. Frau C.wurde von Ihnen ermuntert, sich auf den Weg zu machen,ihren Gedanken mit den anderen zu besprechen. LiebeFrau K., in diesem Moment konnte ich ganz deutlich spü-ren: Sie wollen etwas bewegen. Hier soll sich jeder verant-wortlich fühlen. Sie vertrauen darauf, dass in ihrem Teamein guter Geist herrscht. Ich konnte die Begriffe Verantwor-tung und Vertrauen hier gar nicht auseinander halten. Ichdenke, das ist wohl ihre Leitungskunst, beides so sinnvollzu verbinden. Sie schenken Vertrauen und geben damitVerantwortung ab. Jeder ist selbst für sein Handeln verant-wortlich und es muss im Team, zu den Absprachen, zumKonzept der Einrichtung, zu den Leitgedanken passen. Ichhabe das Konzept ihrer Einrichtung noch nicht gelesen,aber aus diesen kurzen Erlebnissen am Vormittag wurdemir hier der hohe Wert der Verantwortung für jeden selbstund für das Haus bewusst. Habe ich das richtig verstan-den? Gerne würde ich mich mit Ihnen darüber austau-schen, welche Erlebnisse in ihrer Entwicklung als LeiterinSie darin so stark und klar gemacht haben.Ihre Simone Wilhelm

Die Autorin schreibt – in »Begeisterung teilen« – weiter:»Zum Zweiten ergänze ich – nachdem ich mir die ›Erlaub-nis‹ eingeholt habe – Lerngeschichten der PädagogInnendurch Antworten, Fragen und Beobachtungen. Es kommtauch vor, dass ich sie mit einer neuen Geschichte ergänze,

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um das Geschriebene wertzuschätzen und in den Dialog zukommen.

Als Drittes schreibe ich Lerngeschichten über Kinder. Da-durch lenke ich den Fokus auf die Stärken des Kindes oderder Gruppe. Fachkräfte, die noch keine oder schlechte Er-fahrungen mit Lerngeschichten gemacht haben, werden da-durch ermutigt und angeregt, selbst Lerngeschichten zuschreiben.«

Auch mal Beziehungsstifter sein

Die Wirkung von Lerngeschichten ist Simone Wilhelm wichtig:In Lerngeschichten »werden Haltungen, Einsichten, Prägun-gen, Vorlieben und momentane Stimmungen sichtbar undauch interpretierbar. Deshalb versuche ich transparent zusein, das heißt ich sage, worauf der Fokus meiner Beobach-tung gerichtet ist. Bei jeder Begegnung ist mir wichtig zuzeigen: Ich bin dir wohlgesonnen, ich schaue auf deine Stär-ken. Gerade in diesen Situationen setze ich gern Lernge-schichten als Beziehungsstifter ein.

Die Geschichten beginnen ja immer mit einer Beschreibungder wahrgenommenen Situation. Sie sind dadurch nachvoll-ziehbar. Die Beteiligten erkennen sich wieder. Im zweiten Teilkommt meine Deutung hinzu und ich mache sie auch alsmeine Interpretation erkennbar. Hier zeige ich mich auch mitmeinen Einstellungen, Haltungen und Erwartungen. Die Lern-geschichte ist dabei mein Angebot zum Gespräch, meineIdee davon, wie wir über ein beschriebenes Problem oderüber eine meiner Interpretationen ins Gespräch kommenkönnen.« (ebd.)

In ihrer Abschlussarbeit für den Lehrgang »Train the Trai-ner – Lerngeschichten für Multiplikatoren«1 beschreibt sie ineiner Fortbildungsskizze die Wirkung von Lerngeschichten,die direkt vor Ort während der Fortbildung geschrieben wur-den: »Auch das positive Wahrnehmen im Team, die kleinenGeschichten, die selbst innerhalb von 10 Minuten für dieKollegin geschrieben wurden, gingen ›runter wie Öl‹, wurdemir zurückgemeldet. Es wurde so spürbar, wie wohl eine ehr-liche anerkennende Rückmeldung tut und dass es gar nichtso schwer ist, ins Schreiben zu kommen. So war dann amEnde der Fortbildung bei allen Lust auf mehr zu spüren. Wirverabredeten Besuche in den Gruppen und einen nächstenTermin. Ich war nach der Fortbildung selber in einer Art Flow,es war richtig gut.«2

Den positiven Blick üben

Für manche MitarbeiterInnen ist es gar nicht so einfach, po-sitive Erfahrungen zu finden und angemessen zu beschrei-ben. Wir leben oft mit einem zu großen Geist der Kritik in

uns und können uns natürlich fragen, woher er kommt undwie er zu vertreiben wäre. Lob könnte uns ja zu Kopfe stei-gen und was Freude macht, kann ja nicht so viel wert sein?Ein »Umweg« zu wertschätzender Betrachtung ist die Übung»Eine Lerngeschichte für uns selbst« im folgenden Kasten.

Ein weiteres Beispiel für den positiven Blick trägt denTitel Lob macht stark und stammt aus einer Fortbildung inRemseck:

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Eine Lerngeschichte für uns selbst

Nehmen Sie sich für die Übung im Team ruhig einmal et-was Zeit. Es lohnt sich.

Schauen Sie sich ein Kinderbild von Ihnen selbst in Ruhean – oder stellen Sie es sich einfach vor – und erinnernSie sich an eine Anstrengung, die Sie damals leistenmussten und gut bewältigt haben.

Schreiben Sie für sich einen wohlwollenden, anerkennen-den, nicht zu langen Brief, der Ihre Leistung angemessenwürdigt und vielleicht auch einen Ausblick aufzeigt, etwa»das hat dir für die späteren ähnlichen Situationen xyzgenützt«.

Tauschen Sie sich mit einer KollegIn, die sie möglichstnoch nicht gut kennen, darüber aus, welche Eigenschaf-ten – von sich selbst oder von anderen Personen – dabeihilfreich waren.

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In Neuseeland werden diese Geschichten für Erwachsene,die von der Wechselwirkung zwischen Lehren und Lernenhandeln, auch Teaching Stories genannt. Wir übersetzen undübernehmen diesen Begriff nicht, da Lehrgeschichten imDeutschen mit Belehrungen in Philosophie und Religion inVerbindung gebracht werden. Die Bezeichnung »Lerngeschich-ten für Erwachsene« ist offen und neutral und deutlich ge-nug. Teaching Stories haben in Neuseeland aber auch dieFunktion, über die Pädagogik nachzudenken. Dann sindLerngeschichten für Kinder im Blick, mit der Absicht die ei-gene Arbeit zu reflektieren. Fünf Fragen aus der Sicht vonKindern werden als Richtlinie für die Reflexion verwendet:

1. Kennst du mich und meine Interessen?2. Kann ich dir vertrauen?3. Ermunterst du mich, über Neues nachzudenken und Un-

bekanntes auszuprobieren?4. Hörst du mir zu und reagierst auf mich?5. Unterstützt du mich dabei, ein Teil der Gruppe zu sein?Diese Fragen sind selbstverständlich auch interessant, wennes um Lerngeschichten von Erwachsenen für Erwachsenegeht. Lerngeschichten sind in jedem Bereich des pädagogi-schen Alltags nützlich. Sie können in der Anleitung von Prak-tikantInnen die Kommunikation zwischen Ausbildungsstätteund Praxisort beleben, in praktisch jedem Bereich der Aus-und Fortbildung sinnvoll eingesetzt werden oder auch inMitarbeiterInnengesprächen, wie das folgende Beispiel fürdie Einarbeitung einer neuen Mitarbeiterin zeigt:

Überraschender Schnellstart

Liebe B.,du bist neu bei uns in der Kita. Vor drei Monaten hast duangefangen und wir dachten du brauchst viel Zeit zum Be-obachten unserer Abläufe, um die Kinder kennenzulernenund ins Kollegium hineinzufinden. Erst später solltest dudie Verantwortung für 10 Kinder übernehmen, wir nennensie Bezugskinder, uns ist noch kein schöneres Wort dafüreingefallen. Du kamst aber schon nach 6 Wochen zu mirund sagtest, du wärest soweit, wenn nötig könne ich dichja unterstützen. Ich war darüber überrascht und habe michnatürlich gefreut. Ich will dein Angebot gern annehmen undtraue dir die Aufgabe auch zu. Das hilft mir sehr und sohabe ich mehr Zeit für meine Leitungsaufgaben. Ich dankedir sehr für dein schnelles Ankommen, für deinen Einsatz,für dein Einfühlungsvermögen den Kindern gegenüber unddeine schnelle Auffassungsgabe. Deine Freude an der Arbeitfreut mich besonders. Ich will gern für dich da sein, wenndu Fragen hast oder etwas brauchst.Liebe Grüße V.

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Stärken-Wichtel

In dieser Übung – sie eignet sich für Teamsitzungen alsauch für Fortbildungen – erinnern Sie sich an eine Situa-tion, in der Sie sich über das Verhalten einer Mitarbeite-rin oder eines Mitarbeiters gefreut haben und schreibenihm oder ihr einen wertschätzenden Brief, in dem diedrei Teile einer Lerngeschichte vorkommen:

1. Verhalten und Situation nachvollziehbar beschreiben 2. Die Bedeutung erkennen, für mich, für die Mitarbeite-

rin, für das Team3. Reflexion in Richtung zukünftiger Entwicklung

Man muss nicht auf das nächste Weihnachtsfest warten,um sich diese Aufgabe als »Stärken-Wichtel« im Team, mitAdressatInnen die per Los gezogen werden, vorzunehmen.Ob die Briefe oder Geschichten laut vorgelesen werden,muss je nach Situation entschieden werden, und nur dann,wenn die Empfängerin das auch möchte.

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In Teamsitzungen können LeiterInnen ihr Team für bewältigteAufgaben würdigen. Wie in der oben beschriebenen Übung»Stärken-Wichtel« ziehen alle Teilnehmenden per Los einenNamen und beschreiben für diese Person eine positive Ei-genschaft oder Begebenheit.

In »Begeisterung teilen – Lerngeschichten in die Praxis tra-gen«3 gibt es Beispiele auch dafür wie eine Lerngeschichtemit Fotos für Eltern ohne Deutschkenntnisse hilfreich zumBeziehungsaufbau dient und wie Lerngeschichten der be-sonderen Art Menschen mit Migrationshintergrund helfen,ihre Anstrengungen sichtbar zu machen, zu würdigen undsie zu bestärken.

1 Der Kurs »Train the Trainer« wird in »Begeisterung teilen« auf Seite 7und 47f beschrieben

2 19.11.2015, Fortbildungsskizze aus der Abschlussarbeit: »Theorie undPraxistransfer von Lerngeschichten nach dem Modell der neuseeländi-schen Learning Stories«

3 Haas S. (Hrsg.), verlag das netz 2016

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Sibylle Haas ist Diplom-Pädagogin, Kunsttherapeutin undsystemische Beraterin. Sie hat sich intensiv mit Lernwerk-stätten und Lerngeschichten beschäftigt, viele Jahre denfachlichen Austausch mit Kolleginnen aus Neuseeland ge-sucht und damit die neuseeländische Art Lerngeschichtenzu schreiben in Deutschland bekannter gemacht.

[email protected]

Mögliche Stolpersteine: Das Verfassen von Lerngeschichten,für Erwachsene ebenso wie für Kinder, bedarf Fingerspitzen-gefühl. Mit dem positiven Blick sind wir Erwachsenenmanchmal etwas ungeübt und scheu. Es geht immer darum,eine konkrete Tat, Handlung, Haltung genau und wertschät-zend zu beschreiben und sich nicht in globales Lob zuversteigen. Beim Verfassen von Lerngeschichten für Er-wachsene sollten wir auf der Hut sein, nicht »was ich dirschon immer mal sagen wollte« auszuteilen. Wir bleibenbeim Positiven und verlieren uns nicht in die Beschreibungvon Schwächen. Wir vermeiden es auf jeden Fall, jeman-den bloßzustellen. Am besten hilft der Blick: »Wie würdeich reagieren, wenn ich diese Geschichte für mich zuge-dacht hören würde?«

Mögliche Chancen: Wenn wir Lerngeschichten für Erwach-sene mit einer fragenden, forschenden Grundhaltung schrei-ben, unterstützen wir das Selbstbild der pädagogischenFachkraft als ForscherIn, die mehr über ihr Gegenüber undüber Zusammenhänge herausfinden will. Dann würden wirvielleicht, wie in Neuseeland, die Zeit, die wir nicht »amKind« verbringen, als Forschungszeit für PädagogInnen ver-stehen (teacher research time anstelle von non-contacttime) und wir würden unsere Fortbildungstage vielleichtauch wie sie »Tage zur Inspiration« nennen und mehr dasinnere Wachstum als die äußere Qualitätsentwicklung imBlick haben.