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TÜBINGER VEREIN ZUR FÖRDERUNG DER UR- UND FRÜHGESCHICHTLICHEN ARCHÄOLOGIE Heft 11/2010 TÜVA MITTEILUNGEN

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TÜBINGER VEREINZUR FÖRDERUNG DERUR- UND FRÜHGESCHICHTLICHENARCHÄOLOGIE

Heft 11/2010

TÜVAMITTEILUNGEN

Impressum: Jahresschrift des Tübinger Vereins zur Förderung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie Herausgeber: Tübinger Verein zur Förderung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie c/o Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters Schloss Hohentübingen 72070 Tübingen Tel.: 07071/29 72 415 Fax.: 07071/29 39 96 Titelblattentwurf: Conny Meister Redaktion und Layout: Melanie Augstein M.A., Silja Meyer M.A., Conny Meister M.Sc., Dirk Seidensticker, Julian Spohn M.A. Titelbild: Motiv einer keltischen Silbermünze (Büschelquinar) aus dem Oppidum Altenburg © Tübingen 2010 Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. ISSN: 1436-9362

TÜVA Mitteilungen

Tübinger Verein zur Förderung der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie

11 – 2010

Inhalt

5 Vorwort

W. Schönleber

7 Das Phänomen „Raubgräberei” und die damit verbundenen Problemfelder der Ermittlungsbehörden

Ph. W. Stockhammer

23 Status und Performanz mykenischer Gelage: Neue Forschungen zum spätbronzezeitlichen Tiryns

G. Schöbel

43 Von Unteruhldingen bis Groß Raden – Konzepte zur Rekonstruktion ur- und frühgeschichtlicher Denkmäler im 20. Jahrhundert

N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann, J. Müller und K. Rassmann

67 Müllmanagement in einem spätneolithischen Tell Zentralbosniens

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Vorwort

Liebe Mitglieder des TüVA,

wir freuen uns, Ihnen das mittlerweile elfte Heft der TüVA-Mitteilungen prä-

sentieren zu können. Es enthält in gewohnter Weise die schriftliche Fassung

von diesmal vier Vorträgen, die auf Einladung des TüVA zwischen dem Win-

tersemester 2007/08 und dem Wintersemester 2008/09 am Tübinger Institut

für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters gehalten wur-

den. Der vorliegende Band zeigt erneut die große Bandbreite an Themen- und

Interessensgebieten der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie auf. Allen

Autoren gilt unser herzlicher Dank für die Bereitstellung ihrer Manuskripte.

Mit Heft 11 haben die TüVA-Mitteilungen ein neues ‚Gesicht’ erhalten und

liegen in professionell gedruckter Form vor. Das überarbeitete Erscheinungs-

bild soll in ansprechender Form die stetige Aktualität der Beiträge versinn-

bildlichen. Für den Entwurf des neuen Titelblattes sei Conny Meister M.Sc.

herzlich gedankt.

Die Mitteilungen des TüVA sind bereits seit langem unter einer ISSN-Nr. als

Publikation auch für ein breiteres Publikum erreichbar. Um die Zugriffsmög-

lichkeiten auf die einzelnen Ausgaben zu erleichtern und diese als Werbung

für den TüVA über den bestehenden Mitglieder- und Leserkreis hinaus ein-

zusetzen, sind die einzelnen Ausgaben der Mitteilungen – mit Ausnahme des

jeweils aktuellen Heftes – nun im Internet verfügbar und können als pdf her-

untergeladen werden (http://www.ufg.uni-tuebingen.de/index.php?id=578).

Das bewährte Redaktionsteam hat mit großem Engagement und in zahlrei-

chen Arbeitsstunden den vorliegenden Band der TüVA-Mitteilungen auf den

Weg gebracht.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen der neuen Beiträge!

Tübingen, Mai 2010

Der Vorstand

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Das Phänomen „Raubgräberei“ und diedamit verbundenen Problemfelder derErmittlungsbehörden

Wolfgang Schönleber

Weitgehend unbemerkt von der Öf-fentlichkeit hat sich im Bundes-gebiet eine Szene illegaler Schatz-sucher und Hobbyarchäologen her-ausgebildet, die mit Hilfe von Me-talldetektoren oder geophysikalischenSonden Flurbegehungen unterneh-men und illegale Ausgrabungen mitdem Ziel der persönlichen Bereiche-rung durchführen. Dabei können Par-allelen zur internationalen Raubgrä-berszene durchaus gesehen werden.1

Als Folge hiervon werden die Fun-de der wissenschaftlichen Bearbei-tung, der Auswertung sowie der Öf-fentlichkeit entzogen. Darüber hinauskönnen durch unkontrollierte Aus-grabungen außer Fundverlusten un-wiederbringliche Beschädigungen und

1 Es sei angemerkt, dass „Raub“ juris-tisch die gewaltsame Wegnahme fremder Sa-chen bedeutet, während der in den allgemei-nen Sprachgebrauch aufgenommene Begriff„Raubgräberei“ in Deutschland nicht den Tat-bestand des Raubes, sondern allenfalls derUnterschlagung oder des Diebstahls erfülltund häufig sogar nur eine Ordnungswidrig-keit darstellt.

Zerstörungen von Kulturdenkmälerneintreten. Die Thematik beanspruch-te in der Öffentlichkeit und in denMedien im Jahr 2002 eine beson-dere Aufmerksamkeit im Zusammen-hang mit der Sicherstellung der sogenannten „Himmelsscheibe von Ne-bra“ nach einem operativen Einsatzder Polizei in Basel: Zwei Männer su-chen im Juli 1999 im Schutz derNacht die Kuppe des Mittelbergs un-weit von Nebra bei Halle ab. Der Wall-graben hat schon viele seiner Schät-ze herausgerückt, soweit sie aus Me-tall waren. Aber so einen heftigenAusschlag haben die beiden noch nieerlebt. Trotz Nieselregens graben sieweiter – mit Erfolg: Sie stoßen auf ei-ne Bronzetafel, eine mit Goldplättchenbesetzte Scheibe, groß wie ein Sup-penteller und zwei Kilogramm schwer.Ein Jahrhundertfund, jubeln die Ar-chäologen über die Himmelsscheibevon Nebra, das weltweit älteste be-kannte Observatorium. Die Scheibeaus der Bronzezeit wird auf ein Al-

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ter von rund 3.600 Jahren geschätzt.Der einmalige Fund wäre der Öffent-lichkeit beinahe vorenthalten worden.Denn die Finder waren Raubgräber,die sich die feuchte Nacht ausgesuchthatten, um sicher zu sein, dass siebei ihrem illegalen Tun nicht ertapptwerden. Ähnliches passiert tausend-fach im Jahr überall in Deutschland.Knapp unter der Erdoberfläche har-ren noch Zehntausende archäologi-scher Schätze ihrer Entdeckung. DieHimmelsscheibe von Nebra wurde derÖffentlichkeit nur infolge der Dreis-tigkeit zweier Hehler bekannt, die siedem Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt für 358.000 Euro anboten. Derging zum Schein auf die Offerte ein.Im Gerichtsverfahren über diesen Fallvor dem Amtsgericht Naumburg imSeptember 2003 wurden die beidenSchatzgräber zu Bewährungsstrafenverurteilt. Ein 39jähriger erhielt we-gen der Unterschlagung des archäo-logischen Sensationsfundes vier Mo-nate Haft auf Bewährung und muss-te zudem 250 Stunden gemeinnützi-ge Arbeit leisten. Sein 32jähriger Kom-plize wurde wegen Hehlerei zu einerBewährungsstrafe von neun Mona-ten verurteilt und musste 2.000 Eu-ro Geldstrafe bezahlen. Ebenfalls vomAmtsgericht Naumburg wurden eineGastronomin und ein Studienrat we-gen Hehlerei zu einem Jahr Haft aufBewährung und 150 Stunden gemein-nütziger Arbeit sowie sechs Monaten

Haft und 5.000 Euro Geldstrafe ver-urteilt.

Nacht für Nacht ziehen sie los –Schatzsucher in Deutschland

Die Denkmalschutzbehörden und diePolizei gehen in der Bundesrepublikvon einem harten Kern von wenigs-tens 500 Raubgräbern aus, von Tau-senden Hobbyschatzsuchern ganz ab-gesehen. Was sie suchen, sind alteMünzen, Schmuck oder Gewandspan-gen.

Der Mythos Schatzsuche und derDrang, Spannung ins Alltagsleben zubringen, lässt die Zahl der Hobby-archäologen wachsen. Heimatliteraturund geschichtswissenschaftliche Pu-blikationen dienen ihnen als Wegwei-ser zu möglicherweise ertragreichenStätten. Nach der Wende konzentrier-ten sie sich auf den archäologisch un-erschlossenen Osten Deutschlands.Es herrschte Goldgräberstimmung inder Szene.

Kriminalistisch gesehen liegt dasmeist nächtliche Treiben von Fallzu Fall zwischen Ordnungswidrigkeitund Straftat. Diejenigen, die es wis-sen, legen sich Ausreden zu Rechtfür den Fall, dass sie erwischt wer-den, oder operieren gar mit Suchgerä-ten, die als Spazierstock getarnt sind.Die Antikenjäger geben derweil per In-ternet Tipps und Tricks weiter. AuchHandbücher sind schon erschienen,

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in denen Profi-Schatzsucher Einstei-gern Ratschläge geben, wie sie sich ineinem manches Mal sehr lukrativenMetier zurechtfinden. In einer Organi-sationscheckliste sollen die Schatzsu-cher beispielsweise abhaken:

„Wie weit muss ich zu Fuß gehen? (Wich-tig für evtl. Bergung). Wie weit ist die nächstePolizeistation entfernt?“ (Wichtig bei illegalerSuche). Habe ich eine gute Ausrede, falls manmich erwischt? (Wichtig bei illegaler Suche)“.

Der Autor gibt sich zuversichtlich.Wenn sich die Leser an diese Fragenund deren möglichen Antworten hiel-ten, könne sie so leicht nichts mehrüberraschen.

Stetig bagatellisiert die Szene im In-ternet die Bodeneingriffe. Einige Fo-renteilnehmer halten die Raubgräbe-rei gar für nutzbringend für die Wis-senschaft. So die Reaktion eines Teil-nehmers in einem Diskussionsforumzur Bedeutung der Himmelsscheibevon Nebra für das öffentliche Interes-se:

„Hallo, die Nachricht zeigt wieder einmal,welche enorme Bedeutung die Himmelsschei-be für das öffentliche Interesse an der deut-schen Archäologie und damit für die sowichtige Vergabe von Forschungsmitteln hat.Bronzezeitliche Stätten sind schon lange be-kannt und wurden auch in der Vergangenheit(ein bisschen) erforscht. Dennoch ist ein For-schungsprogramm für 24 frühbronzezeitlicheDenkmäler im Umfang von 3,3 Millionen Euroungewöhnlich und wäre ohne Himmelsschei-be wohl kaum zustande gekommen. Die achso schlimme Raubgrabung von Nebra hat sichalso wieder einmal als sehr nutzbringend fürdie Archäologen erwiesen. Und natürlich wis-sen sie das selber ganz genau. Im stillen Käm-merlein wird mancher geradezu um weite-re spektakuläre ‚Raubfunde’ dieser Art beten,fördern sie doch ungemein die Karriere desörtlich zuständigen Archäologen. Ohne Raub-gräber müssten sie spektakuläre Dinge sel-

ber finden, und darin sind deutsche Archäo-logen traditionell ziemlich schlecht. Nach au-ßen müssen Raubgräber auch in Zukunft öf-fentlich verdammt werden. Viele Grüße, R...“(www.explorate.de 2004).

Oft sind es gar nicht die archäo-logischen Fundstücke, deren Verlustdie Mitarbeiter der Landesdenkma-lämter am meisten schmerzt. Es istdie Zerstörung der Umgebung, diezur Deutung einer Lebenssituation inder Frühzeit entscheidend ist. Kul-turschichten werden zerstört, das Al-ter anderer Artefakte kann unter Um-ständen nicht mehr bestimmt werden.Es existieren römische, keltische, ale-mannische und merowingische Fund-plätze, die zu „Schweizer Käse“ verar-beitet wurden.

Die Grabräuber suchen zielsicherfundträchtige Orte auf und entwen-den relevante Kleinfunde aus ihremarchäologischen Kontext. Auch offizi-elle Grabungsstellen sind für sie nichttabu. Auf einem Gräberfeld im Ost-albkreis setzten die Diebe sogar einenKleinbagger ein. Die ihrem Kontextentrissenen Funde sind für die Wis-senschaft verloren, selbst wenn sieeinmal mit einer unqualifizierten oder„getürkten“ Fundortangabe auf demSchwarzmarkt oder beim Antiquitä-tenhändler wieder auftauchen. DerBesitz von Antiken wird nicht nurals soziales Statussymbol geschätzt,mancher Privatsammler rechnet essich gerade als Verdienst an, durchErwerbungen die Funde vor der Ab-wanderung ins Ausland bewahrt zu

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haben.Die Gleichgültigkeit der öffentlichen

Meinung und der Presse gegenüberdiesen Verstößen ist in den letztenJahren einer etwas aufmerksamerenHaltung gewichen. Dies ist zum eineneiner verschärften polizeilichen Fahn-dung und einem stärkeren Problem-bewusstsein der Justiz, zum ande-ren auch den Schutz- und Informati-onsmaßnahmen der archäologischenDenkmalpflege zu verdanken.

Es ist unstrittig, dass SchatzsucherSchäden am Kulturgut anrichten. Alskriminell dürfen jedoch nicht alle ein-gestuft werden. Viele betrachten dieSondengängerei als spannende Frei-zeitbeschäftigung. Dass in den meis-ten Bundesländern jede Suche, Nach-forschung, Schürfung und Messungmit Hilfe eines Metalldetektors eineOrdnungswidrigkeit ist, die ein Buß-geldverfahren nach sich zieht, wissenviele oftmals gar nicht.

Rechtshistorie und Rechtslage

Bereits im 16. Jahrhundert erließ derKirchenstaat im Vatikan Gesetze zumSchutz archäologischer Güter. Grundhierfür war die Abwanderung antikerKunstgegenstände, die in Rom undUmgebung gefunden worden waren,sowie die Zerstörung antiker Archi-tektur. Das 18. Jahrhundert brach-te eine Intensivierung des Antiken-handels mit sich, die Gesetze wurdenentsprechend angepasst. So kam es

zu einer Meldepflicht für Funde so-wie zu Lizenzregelungen und Geneh-migungspflichten für Ausfuhren. Mitdem besseren Schutz dehnte der Staataber gleichzeitig seinen Eigentums-anspruch aus, bis letztlich jede pri-vate Grabungstätigkeit verboten wur-de und alle Funde mit der Entde-ckung in staatlichen Besitz übergin-gen. Diese Rechtslage herrscht derzeitin allen archäologischen Quellenlän-dern des Mittelmeerraumes vor (vgl.Giuliani 1995).

In der Bundesrepublik Deutschlandist gemäß dem Grundgesetz die Kul-turhoheit den einzelnen Bundeslän-dern übertragen worden. So besitzt je-des Bundesland ein eigenes Denkmal-schutzgesetz, das die materiellen Hin-terlassenschaften unserer Vorfahrenschützen soll. Ein Schatz im Sinne desBürgerlichen Gesetzbuches (BGB) istein Gegenstand, der so lange im Erd-boden lag, dass sein Eigentümer nichtmehr ermittelt werden kann. § 984BGB regelt den so genannten Schatz-fund. Wird ein Schatz – egal auf wel-che Art und Weise – entdeckt, so er-werben der Entdecker und der Grund-stückseigentümer daran je zur Hälf-te Miteigentum. Ist der Entdecker zu-gleich der Grundeigentümer, so wirder Alleineigentümer. Abweichend vonden Ausführungen des § 984 BGBkann nach Art. 73 Einführungsge-setz zum Bürgerlichen Gesetzbuchdurch Landesgesetz bestimmt wer-

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den, dass Schatzfunde Eigentum desLandes werden. Von der Möglichkeit,ein solches „Schatzregal“ einzufüh-ren, haben alle deutschen Bundes-länder mit Ausnahme von Bayern,Hessen, Nordrhein-Westfalen und Nie-dersachsen Gebrauch gemacht, al-lerdings in unterschiedlichem Kon-text. Ein Raubgräber, der fremdes Ei-gentum des Grundstückseigentümersoder des Staates verletzt, begeht eineUnterschlagung gemäß § 246 Straf-gesetzbuch (StGB). Eine Unterschla-gung liegt nicht vor, wenn der Eigen-tümer einer Ausgrabung vorher zuge-stimmt hat. In der Folge kann Heh-lerei (§ 259 StGB) vorliegen. Dane-ben erfüllen Raubgräber meist auchden Tatbestand der einfachen oderder gemeinschädlichen Sachbeschä-digung (§ 303 StGB). In Baden-Württemberg ist die Rechtssituationeindeutig. Zur eigentumsrechtlichenSeite der Funde ist auf das „Schatz-regal“ des § 23 Denkmalschutzge-setz (DSchG) hinzuweisen. Demnachwerden bewegliche Kulturdenkmalemit ihrer Entdeckung Eigentum desLandes. Voraussetzung ist, dass derFund einen hervorragenden wissen-schaftlichen Wert hat oder bei staat-lichen Nachforschungen oder in Gra-bungsschutzgebieten entdeckt wurde.Wer sich einen derartigen Fund ohneFundanmeldung rechtswidrig aneig-net, begeht eine Unterschlagung zumNachteil des Landes.

Nach den Denkmalschutzgesetzender Länder ist für jede Ausgrabungeine behördliche Genehmigung erfor-derlich. Die Genehmigung muss, wiedie zivilrechtliche Zustimmung, vorder Aufnahme der Arbeiten erteiltwerden. Dadurch soll sichergestelltwerden, dass nicht durch fachlich un-genügende und unkontrollierte Aus-grabungen der für Wissenschaft undDenkmalpflege so wichtige archäologi-sche Kontext zerstört wird, als histori-sche Quelle verloren geht und wissen-schaftliche Erkenntnisse nicht mehrgewonnen werden können. Die be-gehrtesten Tatobjekte sind aufgrundihres zu erwartenden FundreichtumsWallanlagen, Gräberfelder, Kultstät-ten, Schlachtfelder und Siedlungs-plätze der Vor- und Frühgeschich-te, des Mittelalters und der Neu-zeit. Nicht nur Ausgrabungen unter-liegen der Genehmigungspflicht. Beider Mehrzahl der Länder ist auch dieNachforschung nach Bodendenkmä-lern genehmigungspflichtig, also auchdie Benutzung von Metallsonden. Ei-ne Genehmigung kann nur in Aus-nahmefällen und nur besonders fach-kundigen und zuverlässigen Personenerteilt werden. Die Zuständigkeitsre-gelungen für die Erteilung der Gra-bungsgenehmigung sind in den ein-zelnen Ländern unterschiedlich. Werohne behördliche Genehmigung nach-forscht und gräbt, begeht auch danneine Ordnungswidrigkeit, wenn er die

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erforderliche zivilrechtliche Zustim-mung des Eigentümers erhalten hat.Die angedrohten Geldbußen sind inEinzelfällen hoch. Sie reichen in ei-nigen Bundesländern bis zu 500.000Euro – in Mecklenburg-Vorpommernbei Vorsatz oder grober Fahrlässig-keit sogar bis zu 1,5 Millionen Eu-ro. Desweiteren ist in fast allen Bun-desländern die Einziehung der un-erlaubt ausgegrabenen Gegenständeund des Tatwerkzeuges (Metallsuch-geräte, Fahrzeug zum Bergen der Fun-de, Hacke, Schaufel usw.) ohne Ent-schädigung des Raubgräbers möglich.

Probleme der Strafverfolgung

Es ist Aufgabe der Polizei, nicht er-laubte Handlungen zu unterbindenund die Täter zu identifizieren. Da Bo-dendenkmäler meist in unwegsamemGelände außerhalb der Ortschaften,weitab von Straßen und befahrba-ren Wegen liegen, kann die Polizeiim Fall von Raubgrabungen nur inAusnahmefällen rechtzeitig zur Stel-le sein. Die Denkmalbehörden könnendie Überwachung nur bedingt über-nehmen. Einen wirksamen Schutz vorRaubgräbern wird es nicht geben. DiePolizei behilft sich derzeit damit – so-fern es die dienstlichen Aufgaben er-lauben – bei amtlichen GrabungenStreifen vorbeizuschicken.

Als probates Schutzmittel gilt des-halb die Geheimhaltung. Es gibt Gra-bungen, über die nur die örtliche Ge-

meindeverwaltung Bescheid weiß. DieBehörden besitzen genaue Karten, aufdenen noch nicht erschlossene Bo-dendenkmäler verzeichnet sind. Ausgutem Grund geben sie diese Informa-tionen nicht der Öffentlichkeit preis.

Trotzdem kursieren im InternetHinweise auf aktuelle Grabungsstel-len. Zudem ist das Landesdenkmal-amt gesetzlich verpflichtet, seine Ar-beit europaweit zu publizieren. Dasgeschieht über Fachblätter, die leichtzu beschaffen sind. Grabungskampa-gnen, die über mehrere Jahre dauern,lassen sich nicht verheimlichen. DasVersteckspiel mit den Raubgräbernwird leider oft verloren. Manch ar-chäologisch bedeutsamer Ort gleichtheute eher einer Mondlandschaft.

Maßnahmen bei Verdacht aufRaubgrabungen

Die Denkmalschutzbehörden und dasLandesdenkmalamt erstatten in al-len Fällen, in denen der Verdachtauf Raubgrabungen oder Fundun-terschlagungen besteht, Anzeige beider zuständigen Polizeidienststelle.Bei der Festsetzung von Bußgel-dern haben die unteren Denkmal-schutzbehörden in den Landratsäm-tern den wissenschaftlichen Schadendurch die Zerstörung des Kulturdenk-mals und den Kunsthandelswert dergemachten Funde zu berücksichtigen.

Vor dem Gesetz ist die Raubgrä-

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berei immer noch ein Kavaliersde-likt. Der Strafrahmen wird in den sel-tensten Fällen ausgeschöpft. Gemäߧ 27 (Abs. 1 und 2) Denkmalschutz-gesetz (DSchG) Baden-Württemberghandelt ordnungswidrig, wer vorsätz-lich oder fahrlässig ohne Genehmi-gung der Denkmalschutzbehörde un-erlaubte Handlungen vornimmt oderAuflagen zuwiderhandelt. Die Ord-nungswidrigkeit kann mit einer Geld-buße bis 50.000 Euro, in besondersschweren Fällen bis 250.000 Eurogeahndet werden. Die Realität siehtjedoch anders aus: Wiederholungs-tätern drohen im Regelfall Bußgel-der zwischen 2.500 und 5.000 Eu-ro. Einzelne Fundstücke, auf die sichdie Ordnungswidrigkeit des Raubgrä-bers bezieht, können eingezogen wer-den. Bei einer vorsätzlichen Fund-unterschlagung können unter gewis-sen Voraussetzungen des Strafgesetz-buchs (StGB) auch die zur Sucheeingesetzten Metallsonden eingezogenwerden.

Bodendenkmale können um so bes-ser gegen Raubgräber geschützt wer-den, je genauer die vor Ort tätigen Be-hörden und Dienststellen, aber auchdie der archäologischen Denkmalpfle-ge aufgeschlossene Bevölkerung überdas Vorhandensein geschützter Bo-dendenkmäler und ihre Gefährdungdurch Raubgräber unterrichtet sind.Die unteren Denkmalschutzbehördensind angehalten, in Abstimmung mit

dem Landesdenkmalamt die in Fragekommenden Behörden, Dienststellenund Personen (Polizeivollzugsdienst,Forst- und Landwirtschaftsämter, ge-meindlicher Feld- und Waldschutzund Jagdpächter) über gefährdete Bo-dendenkmäler in ihrem Bezirk zu un-terrichten. Sie sollen im Rahmen ih-rer Dienstaufgaben und Zuständigkei-ten bei der Beobachtung bestimmterFundorte sowie bei der Prävention ge-gen illegale Grabungen mitwirken.Gemäß § 152 Gerichtsverfassungsge-setz sowie der Verordnung über dieErmittlungspersonen der Staatsan-waltschaft können Polizei- oder Forst-beamte als Ermittlungspersonen derStaatsanwaltschaft die notwendigenFeststellungen treffen und die erfor-derlichen Amtshandlungen (Durchsu-chung von Personen und Fahrzeugen,Beschlagnahme der benutzten Werk-zeuge und geborgenen Bodenfunde)vornehmen (Abb. 1). Ermittlungsver-fahren können nur dann zum Er-folg führen, wenn die Sachverhalte be-weissicher festgestellt sind. Insofernwird es oft erst dann möglich sein,einem Sondengänger das rechtswidri-ge Nachforschen nach Bodendenkmä-lern zu beweisen, wenn er beim Gra-ben angetroffen wird.

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Abb. 1: Einsatz in Sachen Kulturgutschutz

Nationaler und internationalerKulturgutschutz

Zu Beginn der 70er Jahre wurde inder Öffentlichkeit das Bewusstsein fürdie einzigartigen Werte unserer Kulturmit seinen Bodendenkmälern und dieNotwendigkeit ihrer Rettung gestärkt.Das Europäische Denkmalschutzjahr1975 des Europarates fand breite Zu-stimmung bei den Bürgern sowie einlebhaftes und umfassendes Echo inden Medien. Es förderte in Politikund Öffentlichkeit eine positive Ein-stellung zum Denkmalschutz.

Doch die Gefährdungen für Bau-denkmale und archäologische Stät-ten wachsen wieder, weil Engagement,rechtliche oder finanzielle Möglichkei-ten fehlen. Öffentliche Informationenüber die Problematik der Raubgräbe-rei und ihre Rechtsverletzungen fin-den leider nur selten statt. Kampa-

gnen laufen häufig ins Leere. Der Sta-tus der Ordnungswidrigkeit stößt imVergleich zu den sonstigen Kriminali-tätslagebildern nicht selten auf ein re-lativ geringes Interesse.

Rechtswidrige Nachforschungenoder Grabungen werden dadurchnicht erkannt oder bloß als Kavaliers-delikte angesehen, da mit ihnen keinedirekte Schädigung der Allgemeinheitverbunden ist. Auch die Medien tra-gen nicht unwesentlich zum Bild der„buddelnden Archäologen“ bei, da sieteilweise unreflektiert über spektaku-läre Schatzfunde und Ausgrabungenberichten, die vielfältige Gefährdungder kulturhistorischen Denkmälerund ihre wissenschaftliche Bedeu-tung aber bewusst oder unbewusstweglassen.

Durch die konsequente Anwen-dung der bestehenden Vorschriftenkönnten die Denkmalschutzbehörden

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in Zusammenarbeit mit den örtli-chen Polizeidienststellen, den kom-munalen Feld- und Waldschützern,den Naturschutzbeauftragten sowieden Forstbeamten und Jagdpäch-tern Raubgrabungen gezielt bekämp-fen und zu einer Verringerung un-erlaubter Bodeneingriffe beitragen.Baden-Württemberg ist eines der we-nigen Bundesländer, das sich in Prä-vention und Repression zentral mitdem Phänomen „Raubgräberei“ aus-einandersetzt.

Eine homogene und gleichlauten-de Gesetzgebung innerhalb der Bun-desrepublik Deutschland wäre für al-le Beteiligten, die sich dem Kultur-gutschutz verpflichtet haben, wün-schenswert. Besser wäre noch, eineeinheitliche gesetzliche Regelung in-nerhalb der Europäischen Union, dadie heutigen politischen Grenzen mitdenen der Kelten und Römer nichtübereinstimmen.

Bei unseren Kulturgütern handeltes sich nicht um nachwachsende odergar vermehrbare Ressourcen. Deshalbist es durchaus angebracht zu hinter-fragen, ob nicht über gesetzliche Re-gelungen generell der Handel mit Kul-turgütern reglementiert werden sollte.Die Verantwortlichen im Bereich desKulturgutschutzes gehen davon aus,dass sich im Zuge der Erweiterung derEuropäischen Union ein transkonti-nentaler Kulturguttransfer wohl nichtverhindern lassen wird.

Der Schutz ihres Kulturgutes istbeispielsweise den Schweden undGriechen ein besonderes Anliegen.Ende der 90er Jahre wurden inSchweden zwei Bundesbürger festge-nommen, die auf Gotland illegale Gra-bungen durchgeführt hatten. Unter-suchungshaft war die Folge ihres un-rechten Schaffens. Noch drastischerist es in Griechenland. Der griechi-sche Staat scheut sich nicht, seinerBevölkerung lebenslange Haftstrafenfür den Fall anzudrohen, dass sie Kul-turgüter widerrechtlich außer Landesschaffen. Auch im geschichts- undkulturträchtigen Italien wird dem Kul-turgutschutz größere Bedeutung bei-gemessen. Hier kümmern sich über300 Beamte der Nuclei CarabinieriT.P.A. (Tutella Patrimonio Artistico) undder Carabinieri Beni Culturali in Rom,Monza, Venedig, Bologna, Florenz,Neapel, Bari und Palermo um dieKunst und das historische Erbe. DerKulturgutschutz erstreckt sich dabeinicht nur auf das Inventar in den mu-sealen Einrichtungen, sondern auchauf die klassischen Grabungsgebietein Apulien, auf Sardinien und Sizilien.

Internationaler Kunstmarkt undDeutschlands Rolle

Der Kunstmarkt boomt. Der Antiken-markt ist hungrig, und er zahlt her-vorragend. Deutschland ist ein Um-schlagplatz für Kunst aus Raubgra-

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bungen. Die letzten Jahre waren ge-prägt durch eine starke Zunahmedes internationalen Handels mit an-tiken Funden. Besonders zeigte sichdies an der Steigerung der Umsatz-zahlen der großen Auktionshäuser,aber auch bei den erzielten Preisenfür Einzelstücke (vgl. Graepler 1993,70). Die Nachfrage wurde besondersdurch Museen in den USA angefeuert,die dank spendenfreundlicher Steuer-gesetze über gigantische Ankaufetatsverfügen. Mittlerweile suchen selbstrussische oder koreanische Investo-ren nach gediegenen Anlageobjekten.

Die hohen Gewinnspannen in die-sem Geschäftszweig förderten zuneh-mend ein Aufkommen von organi-sierter Kriminalität. Neben Drogen-und Waffenhandel nimmt der illega-le Kunstmarkt mittlerweile einen Spit-zenplatz in den offiziellen Statistikender unrechtmäßigen Handelsgeschäf-te ein. Der Umstand, dass die Nach-frage stets größer war als das Ange-bot von Funden aus legaler Herkunft,führte zu stetig steigenden Preisen.Die Aussicht darauf, für bestimmteStücke hohe Preise zu erzielen, führtewiederum zur Ankurbelung der Raub-gräbertätigkeit an den Fundplätzen(vgl. Vortrag Hendrik Ludwig, o. J.).Diese Zusammenhänge wurden vonDaniel Graepler (1993/1995) am Bei-spiel von Raubgrabungen im südita-lienischen Apulien untersucht unddargestellt. In dieser Gegend erreich-

ten die Aktivitäten der Grabräuber na-hezu industrielle Ausmaße. In diesemZusammenhang kann durchaus be-hauptet werden, dass der Kunstmarktder „Motor“ der Raubgräberei ist.

Der Umsatz des legalen Kunsthan-dels wird auf weltweit 27 Milliar-den Euro geschätzt, der des illega-len auf fünf bis sieben Milliarden.Auf diesem Schwarzmarkt wird dasGeld leicht verdient, denn zu denEigenarten des Kulturbetriebs gehörtes, dass für spektakuläre AnkäufeMillionen ausgegeben werden. Nochin den achtziger Jahren waren Her-kunft und Fundort bedeutender Anti-ken bei der Ankaufspolitik zweitran-gig, teilweise wurden diese bei ver-muteter Illegalität bewusst verschlei-ert. Die prosperierende Raubgräbereiförderte schließlich ein Umdenken beiden führenden internationalen Anti-kenmuseen. So kam es 1998 zur Ver-abschiedung der so genannten „Berli-ner Erklärung“. Sie sieht vor, prinzipi-ell auf einen Ankauf von Objekten auszweifelhafter Herkunft zu verzichten.Um aber weiterhin attraktive Ausstel-lungen bieten zu können und Lückenim Sammlungsbestand zu schließen,werden nun langfristige internationa-le Leihgaben und der Austausch vonFundstücken vereinbart (vgl. Graepler1993, 78).

Für weniger werthaltige Boden-funde bietet das Internet vielfälti-ge Auktionsplattformen. Beim größ-

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ten Internet-Auktionshaus Ebay wirdin verschiedenen Kategorien von derSteinzeit bis zum Mittelalter in Hun-derten von Auktionen archäologischesKulturgut versteigert. Dort finden sichObjekte aus allen Epochen und Fund-stätten. Ein keltischer Bronzering istebenso zu erhalten wie römische Mün-zen „ungereinigt“ oder eine hallstatt-zeitliche Bügelfibel aus dem 7. Jahr-hundert vor Christus. Im Regelfallwird kein Fundort angegeben. Ge-legentlich stammen die Stücke auseiner Sammlungsauflösung oder ei-nem Nachlass. Die Wahrscheinlich-keit, dass diese Objekte aus unerlaub-ten Grabungen stammen, dürfte sehrhoch sein, zumal die Objekte meistvon Privatleuten bei Ebay eingestelltwerden. Das vielfältige Angebot lässtden Schluss zu, dass hier ein großerAbsatzmarkt entstanden ist, auf demin der Regel keine spektakulären Prei-se erzielt werden.

In diesem Zusammenhang ist esdem Autor Bedürfnis darauf hinzu-weisen: Wer archäologische Befun-de undokumentiert plündert, zer-stört Geschichte, nimmt uns Heuti-gen, vor allem aber den künftigen Ge-nerationen den unmittelbaren Zugangzur Geschichte. Zerstören wir diesesFenster, verlieren wir einen entschei-denden Aspekt dessen, was den Men-schen in seinem Wesen ausmacht.Wer aber ist für die Zerstörungen ver-antwortlich? Fest steht, dass es ohne

einen Markt für illegale Ausgrabungs-objekte keine illegalen Ausgrabungengäbe.

Internationale Konventionenzum Kulturgutschutz

Archäologische Bodenfunde befindensich in der Regel im Staatseigentum.Ein privater Eigentumserwerb ist nurmöglich, wenn nachgewiesen werdenkann, dass diese Bodenfunde nichtrechtswidrig ausgegraben und nichtdurch Verstoß gegen die Gesetze undBestimmungen des Landes verbrachtwurden. Dieser Nachweis kann nurdurch gültige Exportdokumente oderden Nachweis einer legalen Eigentü-merkette geführt werden. Wenn die er-forderlichen Nachweise nicht erbrachtwerden können, ist zumindest vomTatbestand der Unterschlagung oderHehlerei auszugehen.

Raubgrabungen sind überall verbo-ten. Konsequenterweise ist auch derHandel mit und der Besitz von Raub-grabungsgut in den meisten Ländernuntersagt. Mit dem ‚Übereinkommenüber Maßnahmen zum Verbot und zurVerhütung der unzulässigen Einfuhr,Ausfuhr und Übereignung von Kul-turgut’ der UNESCO aus dem Jahre1970 liegt eine Konvention vor, die zu-mindest den wichtigsten Forderungennach einem einheitlichen Kulturgut-schutz Rechnung trägt. Zugunsten li-beraler Handelsgepflogenheiten wur-

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de in Deutschland bis Anfang 2007auf eine Ratifizierung der Konventi-on verzichtet. Die Lobby der Kunst-und Antiquitätenhändler hängt ander Tradition, dass Kunstwerke auchschon mal ohne Papierkram verkauftwerden können. Trotz teilweise ener-gischer Einsprüche des Handels mitdem Hinweis auf einen unzumutba-ren Mehraufwand durch den verlang-ten Herkunftsnachweis wurde nach36 Jahren auch in Deutschland derKulturgutschutz in national geltendesRecht umgesetzt. Es war aber auchhöchste Zeit, denn solange das Inter-esse des Marktes über das der Bestoh-lenen oder das des Kulturgutschutzesgestellt wird, kann sich an der zuneh-menden Kunstkriminalität nichts än-dern.

Es geht hier nicht um eine ge-nerelle Verhinderung des Handelsmit Sammlerobjekten. Die Forde-rung nach Transparenz, nach Ver-zeichnissen für schützenswertes Kul-turgut und nach Provenienzpässenfür Kunstwerke stärkt den seriösenKunstmarkt. Die bisherige noncha-lante Haltung des Gesetzgebers nütz-te zwar dem Handel, schadete im Ein-zelfall aber den Sammlern, denn siestanden bisher ohne den Schutz derinternationalen Abkommen da. Wiedas ausgehen kann, zeigt ein Fallaus London, dort wurden 1976 Holz-schnitte gestohlen und anschließendin Italien verkauft. Ein Jahr darauf

wurden diese in London vor den fas-sungslosen Augen des Bestohlenenversteigert – legal, nach dem Grund-satz „lex rei sitae“ ist der letzte Auf-enthaltsort ausschlaggebend, und dasitalienische Recht erlaubte den gut-gläubigen Erwerb von Hehlerware.2

Man darf sich von dieser schon bald40 Jahre alten Konvention nicht daserhoffen, wovon die Protektoren derKulturgüter ausgegangen sind, näm-lich die Kriminalisierung sämtlicherAktivitäten auf dem illegalen Kunst-markt. Inzwischen hat die Konven-tion auch einen verbesserten Nach-folger gefunden. Weil die UNESCO-Konvention nicht das Privatrecht be-trifft, also Rückgabeforderungen vonEinzelpersonen ausschließt, beauf-tragte die UNESCO das „Internatio-nale Institut für die Vereinheitlichungdes Privatrechts“ in Rom mit der Er-arbeitung eines ergänzenden Überein-kommens. Diese „Unidroit-Konventionüber gestohlene und illegal expor-tierte Kulturgüter“ wurde 1995 ver-abschiedet. Sie regelt die Rückgabevon Schmuggelgut und Raubfunden.Dass die Bundesrepublik Deutsch-land diesem Unidroit-Abkommen bis-lang nicht beigetreten ist, stimmt be-denklich. 2002 ratifizierte die Bundes-republik zwar die Valletta-Konventionvon 1992 zum Schutz des archäolo-

2 Der Begriff stammt aus dem interna-tionalen Sachenrecht und bezeichnet denEigentumsvor-behalt als Recht des Ortes, andem sich Sachen aktuell physisch befinden.

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gischen Erbes, aber die daraus ab-zuleitende Forderung nach einer Ver-einheitlichung der Denkmalschutzge-setze der Länder steht noch aus. DieBundesrepublik Deutschland ist ebenlangsamer als viele andere europäi-sche Staaten, wenn es um den Schutzvon Kulturgütern geht. Dabei geht eseinzig und allein darum, dass künftigmit Grabungsobjekten und einherge-henden Zerstörungen kein Geld mehrverdient werden kann. Kunsthändler-nationen wie Großbritannien und so-gar die Schweiz haben das Abkommenschon lange vor Deutschland unter-zeichnet und ratifiziert.

Trotz erheblicher Bedenken vonKunst- und Antiquitätenhändlern ha-ben die Eidgenossen der UNESCO-Konvention mit einem „Kulturgüter-transfergesetz“ Folge geleistet. Es istseit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Jetztverjährt Kunstraub in der Schweizerst nach 30 Jahren, und die Einfuhrvon Kulturgütern ist deklarations-pflichtig. Die Unterschrift der Schweizwar geradezu sensationell, denn beiallen großen in den letzten Jahrenaufgeflogenen Schiebereien war siedie Drehscheibe. Da Helvetien kei-nerlei Gesetze zu Ein- und Ausfuhrvon Kulturgut hatte, funktionierte dasso: Schöne, aber „unsaubere“ Dingewurden in eines der vier eidgenössi-schen Zollfreilager gebracht, dort auf-bewahrt und nach Ablauf der Schwei-zer Verjährungsfrist von fünf Jahren

frisch „gewaschen“ legal verkauft.

Da die genannten Konventionennicht rückwirkend gelten, betreffensie auch nicht die Rückgabe vonKostbarkeiten aus Ägypten, der Tür-kei, Syrien etc., die zu Kolonialzei-ten entwendet oder geplündert wur-den. Die Herkunftsländer haben nurmoralische Ansprüche. Das ZögernDeutschlands war insofern blama-bel, als weltweit längst ein andererWind wehte. Der Prozess in Rom ge-gen eine frühere Kuratorin des Getty-Museums wegen des Vorwurfs des An-tikenschmuggels ist derzeit nur derletzte spektakuläre Beweis dafür, dassder Jahrhunderte lange Umgang mitAntiken auf dem Prüfstand steht. Eskollidieren die Interessen der Muse-en mit den Eigentumsansprüchen derHerkunftsländer. Diese fordern zuse-hends die Offenlegung der Provenien-zen, während die Museen mit leerenRegalen drohen, falls sich Rückfüh-rungsforderungen ergeben sollten.

Den Ermittlungsbemühungen wirdbislang nicht die oberste Prioritätbeim globalen Kulturgutschutz einge-räumt. Interpol Lyon kann sich ge-rade zwei Beamte für seine „Antiqui-ties Tracking Task Force“ leisten –und die sind weltweit zuständig. Scot-land Yards Kunst- und Altertums-Abteilung besteht aus vier Beamten,das „Rapid Deployment National ArtCrime Team“ des FBI aus acht Be-amten. Der illegale Kunst- und An-

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tikenmarkt kann jedoch nur ausge-trocknet werden, wenn die geplün-derten Nationen ebenso wie die Län-der, in denen die Altertümer umge-schlagen werden, die Budgets für ih-re Task Forces in Sachen Kultur-gutschutz aufstocken. Die Interpol-Mitgliedstaaten sollten ein noch grö-ßeres Team von Analysten engagieren,die auf gestohlene Altertümer spezia-lisiert sind.

Es muss ein Klima geschaffen wer-den, in dem eine allgemeine Verur-teilung des Handels mit nicht do-kumentierten Kunstschätzen die der-zeit herrschende kultivierte Nachsichtersetzt. Museen, Archäologen undHändler sollten einen strikten Verhal-tenskodex einführen, der klarstellt,welches Dokument und welche Um-sicht erforderlich sind, um ein Arte-fakt legal zu kaufen. Mögliche Fort-schritte im Kampf gegen den illega-len Handel hängen aber weitgehendvon einem hoffentlich zunehmendenöffentlichen Bewusstsein für die Be-deutung kulturellen Eigentums ab.

Machen wir uns aber nichts vor,der illegale Handel mit archäolo-gischen Gegenständen und Antikenwird wahrscheinlich nie die gleicheAufmerksamkeit oder die gleichenRessourcen auf sich ziehen wie Ter-rorismus, Waffen-, Drogen- und Men-schenhandel. Dabei ‚verdient’ es die-ses illegale Tun, vorrangig behandeltzu werden.

Literatur

GIULIANI 1995: Luca Giuliani: Vonder braven Wissenschaft, dem bösenMarkt und der Zerstörung der ar-chäologischen Fundkontexte. Schrif-ten des Deutschen Archäologiever-bands e.V. 1995.

GRAEPLER/MAZZEI 1993: DanielGraepler und Marina Mazzei: Fund-ort unbekannt. Raub-Grabungen zer-stören das archäologische Erbe, Mün-chen 1993, Seite 70 und 78.

GRAEPLER 1995: Daniel Graep-ler: Raub-Grabung und Archäologie.Schriften des Deutschen Archäolo-genverbands e.V. 1995.

Wolfgang SchönleberLeonbergKriminalhauptkommissar i. R.Landeskriminalamt Baden-Württemberg

Inspektion 440, Arbeitsbereich Kunst

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Status und Performanz mykenischer Gelage:Neue Forschungen zum spätbronzezeitlichenTiryns

Philipp W. Stockhammer

Gegenstand meiner Untersuchungist ein diachroner Vergleich von Sta-tus und Performanz mykenischer Ge-lage in der Palastzeit (ca. 1400–1200v. Chr.) und der Nachpalastzeit (ca.1200–1050 v. Chr.), wobei mein zeit-licher Schwerpunkt auf der spätenNachpalastzeit zwischen 1250 und1200 v. Chr. (Keramikphase SH IIIB2) und der früheren und mittle-ren Phase der Nachpalastzeit (Kera-mikphasen SH III C Früh und Mitte)liegt. Meine Ausführungen basierenauf ausgewählten Ergebnissen mei-ner Dissertation über die Keramikder Nachpalastzeit aus der Unterstadtvon Tiryns und ihrem sozialen Kon-text (Stockhammer 2008). Die Fragenach der Form des Feierns und da-mit nach Formen von Gelagen wer-de ich für die mykenischen Elitender späten Palastzeit und der Nach-palastzeit stellen, um aus der Selbst-darstellung der Eliten Rückschlüsseauf gesellschaftliche und ideologischeWandlungsprozesse im 13. und 12.

Jh. v. Chr. zu ziehen. ‚Gelage’ defi-niere ich hier vereinfacht als perfor-mative Ereignisse, bei denen von ei-ner Personengruppe eine große Men-ge an Nahrungsmitteln in einem na-hen örtlichen, zeitlichen und situati-ven Zusammenhang verbraucht wird.Bei Gelagen handelt es sich vor allemauch um Ereignisse der sozialen Kom-munikation, um die Realisierung ge-sellschaftlicher Diskurse in sozialemHandeln. Die Teilnehmer eines Gela-ges werden im Rahmen der Perfor-manz integriert, während gegenüberden Außenstehenden eine klare Ab-grenzung stattfindet. Die mykenischePalastzeit bis 1200 v. Chr. verdanktihren Namen der Existenz mehrererpalatialer Zentren auf dem griechi-schen Festland, unter anderem in My-kene, Tiryns und Pylos auf der Pelo-ponnes. In diesen Palästen herrsch-te ein König mit profaner und sa-kraler Macht. Die mykenische Gesell-schaft war streng hierarchisch geglie-dert, starr und undurchlässig. Dem

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Abb. 1: Pylos, SH III B: Plan des Palastes.

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König unterstand ein komplexes Ver-waltungssystem, das große Teile derWirtschaft kontrollierte. Kreta war vonden mykenischen Palästen unterwor-fen worden und musste dem Fest-land Tribut zahlen, u. a. in Form vonÖl in genormten und in ihrer Her-kunft gekennzeichneten Transportge-fäßen. Die Paläste der mykenischenHerrscher bestanden aus einer kom-plexen Abfolge von Höfen, Torhal-len und Räumen, die allesamt reichmit Wandfresken ausgeschmückt wa-ren. Um 1250 v. Chr. erschütterteein schweres Erdbeben die nördlicheArgolis. Dieses Erdbeben führte imZentrum der Argolis, der Burg vonMykene, zu schweren Zerstörungen,während Tiryns offensichtlich glimpf-lich davon kam. Anstatt die Kräf-te für den Wiederaufbau auf Myke-ne zu konzentrieren, entschied sichder König der Argolis, nunmehr Ti-ryns zum neuen Repräsentationszen-trum auszubauen, während die Schä-den in Mykene nur notdürftig odergar nicht beseitigt wurden. Tirynsals Hafenzentrum und damit zentra-ler Warenumschlagplatz des mykeni-schen Griechenlands wurde nun zueinem überragenden, repräsentativenZentrum umgestaltet. Um den in Ti-ryns nach 1250 v. Chr. realisierten ar-chitektonischen Gesamtplan der Be-bauung hinsichtlich seiner sozialenFunktionen zu verstehen, ist es not-wendig, einen Blick nach Pylos zu

werfen. Der Palast von Pylos wurdezeitgleich mit dem in Tiryns im 13. Jh.v. Chr. genutzt und bestand wie die-ser aus einer Abfolge von repräsenta-tiven Höfen und Räumen bis hin zumzentralen Bau des Megarons, das inseiner architektonischen Gestaltungganz dem von Tiryns entsprach (Abb.1). Der Palast von Pylos ging um 1200v. Chr. im Zuge einer Brandkatastro-phe zu Grunde, welche zur hervorra-genden Überlieferung der Ausstattungdes Palastes beitrug. Aus der Vertei-lung von Keramik und Metallgefäßenim Palast lässt sich hier mit größ-ter Wahrscheinlichkeit die Form derin Pylos praktizierten Gelage rekon-struieren (Bendall 2004). Für die Ver-bindung von Architektur und Gela-ge in der mykenischen Palastzeit istPylos deshalb von besonderem Inter-esse, weil sich die gesamte Kerami-kausstattung des Palastes mit insge-samt ca. 8540 in Nutzung befindli-chen Gefäßen in situ erhalten hat (Ble-gen – Rawson 1966; Whitelaw 2001).Die Masse der Gefäße, bei denen essich vor allem um Gelagegeschirr han-delt, fand sich in einigen wenigen,so genannten Keramiklagern. Die Zu-sammensetzung und Qualität der Ke-ramik in den einzelnen Keramikla-gern ist sehr unterschiedlich, auchwenn das jeweilige funktionale Spek-trum der Gefäße sehr ähnlich ist. Res-te von Metallgefäßen waren auf denBereich des Megarons konzentriert.

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Aus der räumlichen Verteilung derKeramik und der Metallgefäße lässtsich der performative Charakter derGelage in Pylos erschließen (Bendall2004, 112–124; 126): Je nach Posi-tion in der sozialen Hierarchie besa-ßen die Untertanen unterschiedlicheZugangsmöglichkeiten zu verschiede-nen Palasthöfen bzw. -räumen. Wäh-rend die Masse der Untertanen aufdem Hof 58 vor dem Palast mit quali-tativ minderwertigem Tongeschirr ausRaum 60 versorgt wurde, durfte einenicht geringe Zahl an Teilnehmern inden großen Innenhof 63, wo sie ausqualitativ besserer Gelagekeramik ausden reich bestückten Keramiklagern(Räume 18–22) tranken. Andere Teil-nehmer feierten im Hof 3 vor dem Me-garon, wo man sie mit unbemaltenTrinkschalen aus Raum 9 und auf-wändig bemalten Mischgefäßen ausdem Raum 32 bewirtete. Aus derräumlichen Verteilung der Metallge-fäße zu schließen, wurden im Mega-ron selbst bronzene und silberne, viel-leicht auch goldene Trinkgefäße ver-wendet (Bendall 2004, 122 f.; vgl. be-reits Blegen – Rawson 1966, 350). WerZutritt zum innersten Raum der Pa-lastanlage hatte, gehörte zum unmit-telbaren Umfeld des Herrschers. DieWandfresken aus dem Zentralraumlassen den Schluss zu, dass die Eli-te in Zweiergruppen aufgeteilt an klei-nen Tischen im Megaron saß, der Kö-nig aber wohl ohne Gegenüber auf sei-

nem Thron an der Nordostwand desRaumes (Wright 2004, 163 Abb. 13).Auch die im Palast von Pylos gefun-denen Inventarlisten von Stühlen undTischen für ein Gelage lassen auf Paa-re von Trinkenden schließen (Palai-ma 2000, 237; 2004, 235). So nen-nen die Ta-Tafeln etwa 22 Stühle und11 Tische als Gelagemobiliar, das ent-sprechend dem Gelagefresko arran-giert gewesen sein dürfte. Architekturdes Palastes und die Verteilung derFunde sprechen für eine Gelagehier-archie, in der jedem Teilnehmer seinerPosition in der Gesellschaft entspre-chend ein Platz in bzw. vor der Palast-anlage zugewiesen wurde. Er bekamein eigenes Trinkgefäß, ihm wurdeseine Portion zugeteilt. Die räumlichePosition im Gelage war unmittelba-res Abbild der gesellschaftlichen Stel-lung. Das palastzeitliche Gelage istinsofern als Bekräftigung und Illus-tration einer bestehenden, festen undstark hierarchisierten Gesellschafts-ordnung anzusehen. Auch wenn ausder Palastanlage von Tiryns aufgrundder frühen Grabungen heute keineKeramik mehr erhalten ist, zeigt derenarchitektonische Konzeption so weit-gehende Übereinstimmungen mit dervon Pylos, dass die anhand von Py-los zu erschließenden Gelagekonzepteauch hier realisiert worden sein dürf-ten. Somit kann auch für Tiryns da-von ausgegangen werden, dass un-terschiedliche Bevölkerungsschichten

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bei den großen Gelagen unterschiedli-chen Zugang zu den drei großen Hö-fen im Palastareal erhielten.

Ihr plötzliches Ende fand die Palast-zeit um 1200 v. Chr., als das zuvorauf verschiedenste Weise geschwächteGesellschaftssystem zusammenbrach– entscheidend waren wohl mehre-re schwere Erdbeben, wirtschaftlicheProbleme und soziale Konflikte infol-ge der Ausbeutung der Untertanen so-wie kriegerische Auseinandersetzun-gen. Mykene, Pylos und Tiryns gingenin kurzer Zeit in gewaltigen Brand-katastrophen zugrunde. Mit der Pa-lastzeit endeten auch das starre hier-archisierte Gesellschaftssystem, diezentralisierte Verwaltung, die Schriftund die meisten spezialisierten Hand-werkszweige, nicht jedoch die myke-nische Kultur. In der Nachpalastzeiterlebte gerade Tiryns eine singuläreBlüte. Hierhin zog nach den Zerstö-rungen eine große Zahl von Flücht-lingen und legte um die in Trümmernliegende Burg eine 22 ha große stadt-artige Siedlung an. Auf dem Burgfel-sen selbst ließ man die so genannteOberburg, wo einst der Palast gestan-den hatte, in Ruinen liegen. Im Zen-trum der Palastruinen errichtete manlediglich ein einzeln stehendes Ge-bäude, das wohl als Versammlungs-raum der neuen Eliten diente (Ma-ran 2001, 118; Mühlenbruch 2005).Hier herrschte und opferte nicht mehrein allmächtiger König wie in der Pa-

lastzeit. Dafür trafen sich nun dieOberhäupter der einflussreichen Fa-milien, die ihre Wohnhäuser jedochnicht auf der Oberburg besaßen, dennum das neue Megaron lagen weiter-hin die Trümmer des zerstörten Pa-lastes als Mahnmal einer vergange-nen, überwundenen Herrschaftsform.Die Eliten der Nachpalastzeit legtenihre Häuser in der großen Stadt umden Burgfelsen an. Die wichtigstenEinblicke in die nachpalastzeitlicheUnterstadt von Tiryns vermitteln dieGrabungen des Jahres 1976 unterder Leitung von Klaus Kilian im Are-al ‚Stadt-Nordwest’ (Kilian 1978) unddie Grabungen in den Jahren 1999und 2000 im Areal ‚Stadt-Nordost’(Maran – Papadimitriou 2006), dievom Deutschen Archäologischen Insti-

tut und der Griechischen Denkmal-schutzbehörde unter der Leitung vonJoseph Maran vorgenommen wurden.Ihre besondere Bedeutung verdankendie Funde aus den beiden Grabun-gen im Norden des Tirynther Burg-berges der Tatsache, dass dieses Are-al seit dem Beginn von SH III B um1320/10 v. Chr. unbebaut blieb, weiles sich im Überschwemmungsbereicheines Flusses befand. Im Rahmen derplanmäßigen Neugestaltung von Ti-ryns nach 1250 v. Chr. wurde die-ser Fluss zwar mittels eines gewalti-gen Damm- und Kanalsystems um-geleitet, um hier Bauland zu schaf-fen, doch kam es anscheinend vor

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Abb. 2: Tiryns, Stadt-Nordost und -Nordwest, Phase 1, SH III C Früh 1/2:Bemalte Feinkeramik. Die Nummerierung der Gefäße entspricht denKatalognummern bei Stockhammer 2008.

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Abb. 3: Tiryns, Stadt-Nordost, Phase 2, SH III C Früh 2: In situ gefundeneGefäße. Die Zahlen in den Gefäßen entsprechen den Katalognummernbei Stockhammer 2008.

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Abb. 4: Tiryns, Stadt-Nordost, Phase 2, SH III C Früh 2: In situ gefundene Ge-fäße. Bemalte Feinkeramik. Die Nummerierung der Gefäße entsprichtden Katalognummern bei Stockhammer 2008.

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Abb. 5: Tiryns, Stadt-Nordost, Phase 2, SH III C Früh 2: In situ gefundene Ge-fäße. Bemalte Feinkeramik (1186, 1197), Kochkeramik (1207) und mi-noische Transportbügelkanne (1218). Die Nummerierung der Gefäßeentspricht den Katalognummern bei Stockhammer 2008.

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der Palastzerstörung um 1200 v. Chr.noch zu keiner Bebauung in diesemAreal. Die Überlebenden der Zerstö-rungen und die nach Tiryns flüch-tenden Menschen aus den anderen,zerstörten Siedlungen der Argolis leg-ten auch im Norden des Burgbergesdie bereits erwähnte Großsiedlung an,hier allerdings auf dem relativ sterilenFlussschotter (Kilian 1980, 173; Ma-ran 2004, 283 f.). Für die Funde ausden Grabungen in Stadt-Nordost undStadt-Nordwest bedeutet dies, dasssie allesamt in der Nachpalastzeit indieses Areal gebracht wurden, sei esbewusst als Haushaltsgerät oder un-bewusst in Form kleiner Scherben,wie sie etwa in dem für die Lehmzie-gel verwendeten Erdreich eingeschlos-sen waren. Ich möchte mich in mei-nen Analysen jedoch auf einige auffal-lende und größtenteils erhaltene Ge-fäße konzentrieren, für die mit Sicher-heit angenommen werden kann, dasssie in der Nachpalastzeit bewusst indie dortige Wohnbebauung gebrachtwurden. Von der ersten Phase der Be-siedlung unmittelbar nach der Zerstö-rungskatastrophe (SH III C Früh) sindnur in Stadt-Nordwest aussagekräf-tige Architekturbefunde überliefert,während sich in Stadt-Nordost trotzgroßer Mengen an Keramik kaum Ar-chitektur erhalten hat. Trotz des Feh-lens von Fußbodenkontexten mit rei-chen, am Ort ihrer Nutzung überlie-ferten Objekten sind auch in Stadt-

Nordost einige, annähernd vollstän-dige Gefäße gefunden worden. Ausder Masse üblicher Keramik dieserZeit ragen drei Gefäße heraus, de-ren Anwesenheit man eigentlich nichtin einem nachpalastzeitlichen Kon-text vermutet hätte (zu den Fund-kontexten ausführlich: Stockhammer2008): Aus Stadt-Nordost stammt ei-ne Kanne mit ausgeschnittenem Hals(FS 136), auf den gestaffelte, vertika-le Schnecken (FM 23:9) sternförmigzustreben, zwischen denen sich unterdem Henkelansatz eine kleine Rosette(FM 27:23) befindet (Abb. 2, 120) so-wie der Großteil einer qualitativ her-ausragenden, geschweiften Bügelkan-ne (FS 166), die eine glänzend polierteOberfläche besitzt, auf der ein dicker,nach dem Brand orangefarbener Ton-schlicker aufgetragen wurde (Abb. 2,66). Die erneute Bearbeitung der Alt-funde aus Stadt-Nordwest im Herbst2005 brachte zahlreiche Fragmenteeiner großen geschweiften Amphore(FS 19) zu Tage, die auf ihrer Schultereinen Fries von Argonauten (FM 22)trägt, deren Fangarme zu Spiralen sti-lisiert sind (Abb. 2, 2435). Die Analy-se formaler, stilistischer und techno-logischer Merkmale zeigt, dass es sichbei diesen drei Gefäßen um Objek-te handelt, die lange vor der Nachpa-lastzeit hergestellt worden sein müs-sen. Für die Kanne mit ausgeschnit-tenem Hals ist eine Herstellung in SHIII B1, also im frühen 13. Jh., anzu-

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nehmen, die Bügelkanne findet ihrebesten Vergleiche im späten 14. Jh.in der Keramikphase SH III A2 in My-kene, etwa in den großen Bügelkan-nen aus Petsas’ Haus (Papadimitri-ou – Petsas 1950, bes. 208 Abb. 6).Die geschweifte Amphore aus Stadt-Nordwest ist aufgrund des Argonau-tenmotivs hingegen spätestens in SHIII A1 zu datieren, also an den Be-ginn des 14. Jhs. v. Chr. und war da-mit bereits 200 Jahre alt, bevor siebei ihrer Nutzung in Stadt-Nordwestzerbrach. Die drei relevanten Gefäßeaus der Unterstadt von Tiryns sind si-cher erst nach der Palastzerstörungdorthin gebracht worden. Man hat-te also auch in der Argolis unmittel-bar nach 1200 v. Chr. noch Zugriffauf Gefäße, die wohl über 100 Jahrealt waren. Es ist schwer vorstellbar,dass derartige Gefäße die Erdbeben-zerstörung der Siedlung unbeschadetüberstanden haben könnten. Bei ei-nem fluchtartigen Verlassen von Ge-bäuden dürften es zudem nicht gera-de die keramischen Großgefäße gewe-sen sein, die man in der Eile mitnahm.Eine Suche in den Trümmern nachder Zerstörung hätte nur Scherben er-bracht. Ich halte es aufgrund der ge-nannten Umstände für wahrschein-lich, dass am Beginn der Nachpa-lastzeit einige Familien gezielt auffäl-lige, repräsentative Gefäße aus altenKammergräbern der Umgebung ent-nahmen und in ihr Haushaltsgeschirr

integrierten. Insofern überrascht esnicht, dass sich die besten Verglei-che für zwei der drei Altstücke ausder Unterstadt in palatialen Kammer-gräbern der Argolis fanden (vgl. Frö-din – Persson 1938, 378; 379 Abb.248, 2. 3; 380). Die Bedeutung derGefäße für die damaligen Menschenist meines Erachtens im Kontext desWandels einer Vielzahl von Symbo-len von der Palast- zur Nachpalast-zeit zu sehen: Mit der Herrschaft deswanax brach am Ende der Palast-zeit auch seine Macht über die Bil-der zusammen. Einige der palatialenBildmedien gingen mit dem Palastsys-tem zugrunde bzw. traten nur noch insehr beschränktem Maße auf (z. B. El-fenbeinschnitzerei, Wandmalerei), seies aufgrund von Rohstoffmangel, demFehlen potenter Auftraggeber oder so-zialer Restriktionen (Rutter 1992, 62;65; 70; 72 Anm. 10). Die Befrei-ung des Bildmediums von den herr-scherlichen Restriktionen der Palast-zeit, verbunden mit dem Wegbrecheneiniger palatialer Bildträger, führte zueiner symbolischen Aufwertung derMedien, die nach der Zerstörung derPaläste den überlebenden alten Eli-ten und denen, die nun in diesenKreis strebten, noch zur Verfügungstanden, wie z. B. Keramik. Das En-de der Paläste hatte auch die Ablö-sung des wanax mitsamt dem pala-tialen Verwaltungssystem durch eineGruppe aristokratischer Familien zur

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Folge. An die Stelle starrer Hierarchi-en war ein dynamisches und durch-lässiges Gesellschaftssystem getreten,in dem diese Familien in einem stän-digen Wettbewerb um die Macht unddie Legitimation ihrer eigenen sozia-len Position standen (Deger-Jalkotzy1991, 57–59; Maran 2006, 125; 128;142–144). Ihre Position stützte sichvor allem auf ein Netz persönlicherBeziehungen. Aspekte wie familiäreTraditionen, Altersgruppe und Leis-tungsfähigkeit konnten nun eine zen-trale Rolle bei der Gewinnung vonMachtpositionen erlangen. Um die ei-gene Ausgangslage in diesem Wett-kampf zu optimieren, untermauerteman durch gezielte Manipulation sei-ner eigenen materiellen Umgebung dieRechtmäßigkeit der gesellschaftlichenStellung, die man innehatte oder an-strebte. Die Gelage in der Nachpalast-zeit fanden also vor einem völlig an-deren gesellschaftlichen Hintergrundstatt. Das Festmahl stellte nun einebesondere Möglichkeit dar, Respekt,Prestige und damit letztlich die mo-ralische Autorität zu gewinnen, diees in einer Gesellschaft mit durch-lässigen Hierarchien ermöglicht, po-litischen Einfluss auszuüben. Ange-sichts der wichtigen sozialen Bedeu-tung gemeinsamer Gelage dürfte esnahegelegen haben, sich zudem mög-lichst zügig ein Tischservice zuzule-gen, das den Geist der Blütezeit desPalastsystems ausströmte. Was lag

dabei näher, als sich im Kammer-grab der eigenen Familie zu bedie-nen, als man dieses für Bestattungenerneut öffnete? Möglicherweise ent-nahm man einzelne Gefäße auch ausKammergräbern der Familien, die diekatastrophalen Ereignisse am Endeder Palastzeit nicht überlebt hatten.Seinen Gästen konnte man jedenfallsmit dem bereits damals antiken Ge-schirr die alten familiären Traditio-nen und damit den Anspruch der Fa-milie auf eine herausragende Positionauch in der Nachpalastzeit deutlichvor Augen führen. Einen noch besse-ren Einblick in die Selbstdarstellungder nachpalastzeitlichen Elite vermit-teln die Befunde der Siedlungsphase2 von Stadt-Nordost. Bei den Grabun-gen traf man den in seiner Architek-tur und Ausstattung auffälligen Raum8/00 an, der sich aufgrund verschie-dener Merkmale als Wohn- und Re-präsentativbau einer elitären Familieder Nachpalastzeit ansprechen lässt(Maran 2004, 278; Maran – Papa-dimitriou 2006, 105). Von der übli-chen, zeitgleichen Architektur in Ti-ryns und anderen nachpalastzeitli-chen Siedlungen unterscheidet sichRaum 8/00 nicht nur in der schie-ren Größe und den somit notwendigenStützenreihen im Inneren, sondernauch durch die Verwendung unge-wöhnlich großer Steinquader im Mau-erwerk und die keramische Ausstat-tung. Den besten Vergleich findet die-

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ses repräsentative Gebäude im bereitsgezeigten, nachpalastzeitlichen Mega-ron, das inmitten der Ruinen aufder Oberburg errichtet worden war.Um 1150 v. Chr. am Ende der Ke-ramikphase SH III C Früh brann-te der Raum 8/00 in Stadt-Nordostplötzlich nieder. Dass hier eine Art‚Pompeii-Befund’ vorliegt, zeigen dieTöpfe auf der Herdstelle, in denen sichbei der Ausgrabung noch die zerteil-ten Knochenstücke der gerade in Zu-bereitung befindlichen Nahrung fan-den. Das Lehmdach des Hauses stürz-te auf die Innenausstattung, die Ost-wand verkippte jedoch auf den Hofund ver-schüttete die dort gerade ge-nutzten Gefäße. Wie aus der Vertei-lung der Gefäße in Raum und Hofzu erschließen ist, brach das Feueraus, als im Hof vor Raum 8/00 gera-de ein Gelage veranstaltet wurde. Inder exzeptionellen Befundsituation istsomit ein nachpalastzeitliches Gelageauf einmalige Weise in seiner räum-lichen und materiellen Inszenierungdokumentiert. Auf Abb. 3 sind sämt-liche Gefäße, für die ich eine in-situ-Fundlage annehme, in ihrer räumli-chen Position angegeben, wobei ver-sucht wurde, die unterschiedlichenGefäßgrößen zu berücksichtigen. DieZahlenangaben auf den Gefäßen ent-sprechen den Katalognummern, un-ter welchen die Gefäße in meiner Dis-sertation aufgeführt und besprochenwerden (Stockhammer 2008). Zu be-

achten ist, dass sich im Bereich derHoffläche nur dort Gefäße in situ er-hielten, wo sie von der Ostmauerdes Raumes verschüttet wurden. DieKonzentration der Gefäße im Hof vordem Eingang von Raum 8/00 könn-te somit wesentlich überlieferungsbe-dingt sein. Wie bereits erwähnt, zei-gen die Position einiger Kochgefäßesowie deren Inhalt, dass das Feu-er plötzlich während der Nahrungs-zubereitung ausbrach. Von den ins-gesamt zehn fast identisch geformtenKochtöpfen befanden sich nur vier anbzw. auf der Herdstelle (Abb. 5, 1207;ohne Abbildung: 1206, 1208–1209),einer im Eingangsbereich und einweiterer auf der Hoffläche. Offenbarwar man zum Zeitpunkt der Brand-katastrophe mit dem Kochen größe-rer Nahrungsmengen beschäftigt undtrug das bereits fertig zubereitete Es-sen nach außen. Auf den Hof hat-te man auch das einzige keramischeEssgefäß, einen so genannten Sky-phos (Abb. 4, 1198), gebracht und ne-ben den Kochtopf platziert. Das Feh-len der sonst zahlreich überliefer-ten flachen und tiefen Keramikscha-len des Ess- und Serviergeschirrs legtnahe, dass die Bewohner des Raum-es Metallschalen für diesen Zweckverwendeten, die sie beim Ausbruchdes Feuers noch retten konnten. ZumZwecke des Gelages hatte man fastalle Trinkgefäße aus Raum 8/00 inden Hof getragen und dort paarwei-

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se platziert. Nördlich und südlich desEingangs stellte man jeweils zwei fastidentisch bemalte Trinkschalen auf(Abb. 4, 1194 und 1195 bzw. ohneAbbildung: 1201E und 1201F). Je-weils eine der beiden Trinkschalen be-saß ein etwas größeres Volumen. Esbleibt zu fragen, ob sich in den un-terschiedlichen Volumina ein sozia-les Ungleichgewicht der beiden Trin-kenden widerspiegelt. Zu denken istetwa an hierarchische Unterschiedeoder an Geschlechterdifferenzen. Ne-ben dem einen Trinkschalenpaar setz-te man zudem ein Paar kleiner Tas-sen auf den Boden (Abb. 4, 1201C und1201D), die man entweder zum Trin-ken, wahrscheinlich aber zum Füllender Trinkschalen verwendete. Mit derpaarweisen Platzierung von Trinkge-fäßen nahmen die Veranstalter diesesnachpalastzeitlichen Gelages auf diepalastzeitlichen Festmähler Bezug. Inden Fresken aus den Palästen vonKnossos und Pylos sind solche Paa-re Trinkender dargestellt, weshalb zuvermuten ist, dass mit der paarweisenPlatzierung der Trinkgefäße an pa-lastzeitliche Gelage angeknüpft wer-den sollte.

Von besonderem Interesse ist nun,dass nur in Phase 1 echte, aus Kam-mergräbern entnommene Altstückezum Gelage verwendet wurden, ob-wohl dies auch noch zu einem spä-teren Zeitpunkt möglich gewesen wä-re. In der elitären Selbstdarstellung

in Phase 2 vermischte sich nun inForm der verwendeten Objekte undim Rahmen der Handlungen beim Ge-lage ein Vergangenheitsbezug mit ei-nem Gegenwartsbezug durch die Be-tonung der weiträumigen Interakti-onsnetze sowie durch die Verwendunghistoristisch-eklektizistischer Gelage-keramik (dazu ausführlich: Stock-hammer 2008, 168–170; 307 f.).Als Erklärung sind zwei völlig un-terschiedliche Prozesse denkbar, diesich aber nicht gegenseitig ausschlie-ßen müssen: Die Ablösung des rei-nen Vergangenheitsbezugs durch denkombinierten Bezug auf Gegenwartund Vergangenheit kann darauf be-ruhen, dass einigen jungen Aristokra-ten schlichtweg das eigene Erlebnisder Palastzeit fehlte, weil sie zu die-ser Zeit noch zu jung bzw. noch nichteinmal geboren waren. Geht man da-von aus, dass in prähistorischen Ver-hältnissen Männer bereits mit 20 Jah-ren wichtige politische Positionen ein-nehmen konnten, war diese Situationvielleicht schon 10 Jahre nach demUntergang der Paläste erreicht. Natür-lich war die Erinnerung an die Pa-läste in der Gesellschaft noch sehrpräsent, weil wohl auch noch 20 bis30 Jahre nach der Katastrophe genü-gend Zeitzeugen lebten, die aus eige-ner Hand von der großen Vergangen-heit zu berichten wussten. Das Auf-kommen des Gegenwartsbezugs imPrestigegeschirr wäre also mit der be-

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ginnenden Transformation des Erin-nerns an die Palastzeit vom eigenenErlebnis hin zur erzählten Geschich-te zu erklären. Eine andere Erklä-rung für diese Entwicklung und diedahinter stehende Motivation vermit-teln die ethnoarchäologischen Unter-suchungen zur Produktion und Be-deutung von Keramik durch DanielMiller (1982; 1985) im indischen DorfDangwara. Die Mitglieder dieser Dorf-gemeinschaft setzen Keramik gezieltein, um damit ihre Position in derKastenhierarchie darzustellen (Miller1982, 91–94; 1985, 154–160). Sehraufschlussreich ist die von Miller auf-gezeigte dynamische Entwicklung indiesem System symbolischer Kommu-nikation: Obwohl die Zugehörigkeitzu einer Kaste durch die Geburt be-stimmt wird, verwenden aufstreben-de Mitglieder einer Kaste gezielt sol-che Keramikgefäße, die Zeichen dernächsthöheren Kaste sind. Deren Ver-treter wiederum verlangen deshalbimmer wieder neue Gefäße von denTöpfern, um sich wieder im materi-ellen Habitus von Angehörigen nied-rigerer Kasten distanzieren zu kön-nen. Dieser Prozess – im Englischenspricht man von ‚Emulation’ – hat dieErschaffung immer wieder neuer For-men der materiellen Statusrepräsen-tation zur Folge (Miller 1982, 89 f.;94–96; 1985, 185–187). Eine ähnli-che Dynamik könnte auch die Eli-ten der beginnenden Nachpalastzeit

schnell zum Verzicht auf Altstückeaus Gräbern bewegt haben, da dieseauch für nicht-elitäre Bevölkerungs-gruppen relativ einfach zugänglich ge-wesen sein dürften. In dem Gelage,das die Brandzerstörung von Raum8/00 so hervorragend konserviert hat,zeigt sich jedoch auch eine zweiteBezugsebene, die die hier wohnen-de, elitäre Familie offensichtlich zumZweck der Selbstdarstellung für sichnutzte: den räumlichen Bezug in dieFerne. Einen noch deutlicheren Hin-weis auf überregionale Interaktionenund deren Darstellung im Gelage ge-ben gleich mehrere der Gelagegefäße.Um die bereits beschriebenen Trink-schalen zu füllen, bedurfte es einesKraters als Mischgefäß. Dementspre-chend hatte man einen kleinen Krater(Abb. 5, 1197) mit 7 l Fassungsvermö-gen aufgestellt, mit dessen Inhalt dievier Trinkschalen im Hof etwa drei-mal zu füllen waren. In diesem Kra-ter vermischte man wohl Wasser, Weinund Gewürze. Die Gewürze befandensich wahrscheinlich in einem Minia-turgefäß (Abb. 4, 1201B), der Wein inder Amphore 1186 (Abb. 5, 1186), diebeide direkt neben dem Krater stan-den. Das Wasser trug man vielleichtgerade in der im Eingangsbereich ge-fundenen Kanne 1191 nach außen.Von besonderem Interesse ist nun dieAmphore 1186, die in Form und Be-malung ihre nächsten Parallelen aufKreta in Kommos und auf Zypern

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z. B. in Enkomi besitzt. Das Gefäßweist darauf hin, dass die Veranstalterdes Gelages im Keramikgeschirr dieWeitläufigkeit ihres Kommunikations-netzes zur Schau stellten. Den deut-lichsten Hinweis auf die Inszenierungfamiliärer Fernbeziehungen im Gela-ge zeigt jedoch die Positionierung ei-ner kretischen Transportbügelkannedirekt an der Türschwelle außerhalbdes repräsentativen Raumes. Wäh-rend der Palastzeit wurden in diesenGefäßen der Tribut aus dem unter-worfenen Kreta an die mykenischenPaläste geliefert und die Bügelkan-nen in den Palästen in besonders da-für vorgesehenen Räumlichkeiten un-ter Verschluss gehalten. Es wider-spricht jedweder praktischen Überle-gung, ein großformatiges Transport-gefäß mit relativ kleiner Standflächeund damit eher unsicherem Stand di-rekt an einem Ort maximaler Aktivi-tät – dem Türdurchlass – aufzustel-len. M. E. ist diese Platzierung des Ge-fäßes als bewusster kommunikativerAkt zu verstehen. Mit der aufwändigenArchitektur von Raum 8/00 als Büh-ne, den exotisch anmutenden Gelage-gefäßen und dem großformatigen Im-portgefäß inszenierte die elitäre Fami-lie ihre weitläufigen Kommunikations-netze im Gelage. Die Zurschaustel-lung familiärer Kommunikationsnetzebei gleichzeitigem Rückbezug auf dieBlüte der Paläste mit den paarweiseaufgestellten Kylikes machte das Ge-

lage vor Raum 8/00 zu einem Akt eli-tärer Selbstdarstellung, die den An-spruch auf eine herausragende Posi-tion der Familie im nachpalastzeitli-chen Tiryns untermauerte.

Hält man sich abschließend nocheinmal die angeführten Funde undBefunde aus dem Palast von Py-los und aus Tiryns Stadt-Nordostvor Augen, wird deutlich, dass einBlick eines jeden Teilnehmers aufeine mykenische Gelagegemeinschaftder Palast- oder Nachpalastzeit wohlschnell zu klären vermochte, welchenStatus die Feiernden besaßen bzw.gerne besessen hätten. Der Wandelder mykenischen Gelage von der Pa-lastzeit in die Nachpalastzeit und in-nerhalb der Nachpalastzeit war stetseng mit dem Wandel des Gesell-schaftssystems und seinen ideologi-schen Vorstellungen verbunden undist vor diesem Hintergrund erst zu er-klären.

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Abbildungsnachweis

Abb. 1: Blegen – Rawson 2001, Um-schlag hinten innen (Courtesy of theTrustees of the American School ofClassical Studies at Athens).Abb. 2: Stockhammer 2008, Taf. 3. 8.111.Abb. 3: Stockhammer 2008, Abb. 90.Abb. 4: Stockhammer 2008, Taf. 49.51.Abb. 5: Stockhammer 2008, Taf. 47.50. 53. 57.

Dr. Philipp W. Stockhammer

Institut für Ur- und Frühgeschichte

und Vorderasiatische Archäologie

Marstallhof 4

69117 Heidelberg

[email protected]

www.philipp-stockhammer.de

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Von Unteruhldingen bis Groß Raden –Konzepte zur Rekonstruktion ur- undfrühgeschichtlicher Denkmäler im20. Jahrhundert

Gunter Schöbel

Das Denkmal ist oft ein Fragmentund somit Rest eines ehemals Gan-zen. Ziel der Archäologie ist es, mög-lichst viel davon mit wissenschaft-licher Methode wieder kenntlich zumachen und erklären zu können.Dafür gibt es unterschiedliche We-ge und eine zunehmende Zahl anMethoden. Das Original, die „in-situ-Präsentation“, die Teil- oder Komplett-rekonstruktion, die Translozierung,die Inszenierung, das Science- undExperimentiermuseum, das Internet,das virtuelle Museum. Einwirkungendes Zeitgeistes oder „Mainstreams“ beiden Darstellungen sind an vielen Bei-spielen der letzten 100 Jahre präsent,da jede Generation anders erläutertund lernt (Schöbel 2008, 93f., 2006a,69 f. und 2006b, 98 f.; Waldemer2006, 9 f.; Paardekooper 2007, 24 f.).

Freilichtmuseen erleben zurzeiteinen Boom, weil sie gut sichtbar undgut erfahrbar sind. Museumsbetrei-

ber haben erkannt, dass mit demMittel der breiten Bespielung mehrzu erreichen ist als mit der reinenBefund- und Fundausstellung. Oftbesteht auch die Hoffnung auf eingutes Geschäft mit Unterstützungder EU, was allerdings nur selten,wenn nach einigen Jahren zusam-mengezählt wird, glückt. In einerFreizeitgesellschaft, die zunehmendan Geschichten und abnehmend anGeschichte interessiert ist, kann dieseEntwicklung zum Problem werden,weil eine zunehmende Distanz zuden Quellen schnell auch zu einerManipulation der Information füh-ren kann. Die Kommerzialisierungder Inhalte im Europapark Rust beiFreiburg und im Däniken-Park beiInterlaken muss insofern als jüngsteEntwicklung nachdenklich stimmen(David 2005, 26 f.; Schöbel 2005,284 f.). Das Denkmal als Fragmentim Hotel im Vergnügungspark? Wann

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folgen dem Kolosseum in Rust undder Pyramide in Interlaken die Groß-steingräber, Wachtürme, Grabhügeloder Pfahlbauten und wie sieht esdann mit der Deutungshoheit überdie Kulturdenkmale aus? Wird dasOriginal verzichtbar? Überlassenwir die Übermittlung denen, diedie Inhalte klar – wenn auch nichtimmer korrekt – transformieren?Aber es gibt auch positive Beispieleder Kooperation zwischen Museumund Unterhaltungsformaten wie ei-ne SWR/ARD-Steinzeitproduktionmit Erlebnis- und Wissenschafts-charakter, die 2007 in kurzer Zeitein zweistelliges Millionenpublikumerreichte (www.swr.de/steinzeit;Schlenker und Bick 2007).

Welche Rolle spielen hierbeivor- und frühgeschichtlicheFreilichtmuseen und wie bindensie sich in diese Aufgabe ein?

Nach den Definitionen des Weltmu-seumsverbandes ICOM (InternationalCouncil of Museums), und demVerband der europäischen Freilicht-museen ist auch ein archäologischesFreilichtmuseum dann eine aner-kannte Einrichtung, wenn es nebender Erfüllung des allgemeinen Muse-umskanons: „Bewahren, Sammeln,Erforschen, Vermitteln“ 1. wissen-schaftlich geleitet oder beaufsichtigt

wird 2. ganzheitlich und nichtkom-merziell orientiert ist und 3. Original-funde besitzt oder seine Haus-, Grab-,Festungs-, Siedlungsrekonstruktio-nen, wenn keine Originalsubstanzmehr auszustellen ist, wie etwa beiHolzbauten der Fall, wissenschaftlichsorgfältigst auf der Basis von Ori-ginalbefunden erstellt hat (Schöbel2004b, 156; Waldemer 2006, Anhang173 f.). Ihre Stellung unter den bäu-erlichen Freilichtmuseen, für die dieRegelung ohne Einschränkungen gilt,ist allerdings noch nicht gefestigt,was insbesondere die Neufassungder ICOM-Deklaration von 1982 imAbsatz I, 3 zum Ausdruck bringt.„. . . Daneben sind Freilichtmuseenauch für die ganzheitliche Darstellunganderer Bereiche der Kulturgeschich-te geeignet, z. B. des Gewerbes, desVerkehrs oder der Industrie. Ar-chäologische Museen im Freien, indenen Zeugnisse der Ur- und Früh-geschichte präsentiert werden, etwaals Rekonstruktionen, können nurausnahmsweise als Freilichtmuseenanerkannt werden“ (Waldemer 2006,Anhang ICOM-Deklaration 1982,181). Nicht festgelegt ist bislang, werdiese Anerkennung ausspricht.

Originalfunde sind inzwischen beiarchäologischen Freilichtmuseen sel-ten geworden. Viele kommen ohnediese aus, was sich in einer Vielfaltan Bezeichnungen widerspiegelt wie„Archäozentrum“, „Archäopark“, „Ar-

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chäologischer Themenpark“, „Archäo-logisches Freilichtmuseum“, „Mittel-alterlicher Freizeitpark“, „Living His-tory Museum“. Wir zählen in Eu-ropa bereits 40 verschiedene Begrif-fe für diese „Museumsgattung“. DieVielfalt der Bezeichnungen dokumen-tiert das Bemühen, sich im Einzelfallvom traditionellen Museum abzugren-zen. Die Szenerie ist bunt und erhältam kommerziell orientierten Rand –laut ICOM-Statuten sollten Museennicht wirtschaftlich ausgerichtet sein– auch ungewollten Zuwachs. Eine en-gere Auslegung des Museumsbegrif-fes auf den Stand von vor der jüngs-ten ICOM-Fassung von 1989 wäredort wieder wünschenswert. Was dieoben genannten Einrichtungen eint,ist – bei gutem Standort und gutemZuspruch – eine einigermaßen aus-reichende Teil- bis Eigenfinanzierungund viele engagierte freiwillige Helfer.Dies macht sie auch für die Politik in-teressant. Der staatliche Bildungsauf-trag kann kostengünstig erfüllt wer-den. Viele werden durch Gesellschaf-ten und Vereine getragen, die we-nigsten sind staatlich finanziert. Dieshat Auswirkungen auf die Popularisie-rung der Inhalte (Korff 2001, 16). Eswird kritisiert, dass das Denkmal oderdas Fragment zwar wissenschaftlicheAnkerfunktion besitzt, nicht aber wieim traditionellen Museum Ausgangs-punkt aller Erläuterung ist. Ihre wis-senschaftliche Qualität ist dabei un-

terschiedlich. Abseits der Kritik an Po-pularisierungstendenzen bei den Frei-lichtmuseen besteht ihre Stärke in dererfolgreichen Geschichts- und Kultur-vermittlung für weite Teile der Bevöl-kerung.

Seit 2001 ist ein Teil der archäo-logischen Freilichtmuseen in Europain der Vereinigung EXARC (EuropeanXchange on Archaeological Researchand Communication) nach wissen-schaftlichen Standards organisiert(www.exarc.eu; Schöbel 2002). Den-noch ist es bis heute nicht gelungen,die rund 400 Freilichtmuseen archäo-logischer Prägung in Europa einerklaren Definition oder einem General-konzept zu unterstellen. Weit gefassterscheint der „Code of Ethics forMuseums“ (USA) (www.aam-us.org/museumresources/ethics/coe.cfm).Im Gesetzesrang sind erfreulicherwei-se seit 2002 die „musées de France“(www.culture.gouv.fr/culture/min/index-dmf.htm). Neue Konzep-te liegen seitens der Autono-men Provinz Bozen - Südtirol(www.provinz.bz.it/kulturabteilung)und der Museumsverbände Nieder-sachsen und Bremen ([email protected]) vor. Eine eng-lische Studie im Auftrag des Councilfor Museums, Archives and Libraries(Mason u. Weeks 2002) erfasste vorkurzem die nationalen Museumsstan-dards von „Australia to Zanzibar“.Ein solcher in eine Zertifizierung

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mündender Prozess wäre auch beiden deutschen archäologischen Frei-lichtmuseen (www.museumsbund.de)wünschenswert.

Wie viele Freilichtmuseen gibtes in Deutschland und imbenachbartendeutschsprachigen Raum?

Gegenwärtig zählen wir mit den ab-gegangenen in Deutschland 80 Frei-lichtanlagen einschließlich der römi-schen, von Unteruhldingen im Sü-den bis nach Haithabu bei Schles-wig im Norden (Abb. 1). In Öster-reich und der Schweiz sind 26 zunotieren (Stand 2009). Räumlich fälltauf, dass sie sich auf dem Lan-de und entlang der siedlungsgeogra-phischen Hauptachsen entlang Do-nau und Rhein konzentrieren unddort vorkommen, wo hervorragendearchäologische Fundstellen vom Pa-läolithikum bis ins Hochmittelalter inunmittelbarer Nähe gute Vorausset-zungen für eine Präsentation boten.

Die nach Ahrens (1990) undSchmidt (2000) sowie eigenen Er-hebungen dargestellte chronologischeEntwicklung (Abb. 2) zeigt den Be-ginn der Rekonstruktionen schonim 19. Jahrhundert. Erste Ansätzegab es um 1910 und 1920, eineGruppe ab 1936, sowie eine durch-gängige Entwicklung ab etwa 1970in Deutschland und einen Boom

ab 1988/90, der bis heute anhält.Von der zeitlichen Zuordnung sindin Deutschland einschließlich derabgegangenen Einrichtungen die vor-und frühgeschichtlichen mit 46 amhäufigsten, gefolgt von römischenVertretern mit 18 und von den An-lagen des Frühmittelalters und desMittelalters, gleichfalls 18. Nach einerersten Prüfung sind als Freilichtmu-seen nach ICOM-Standard etwa 80Prozent einzuordnen.

Wer betreibt Freilichtmuseen,und was waren dieGründungsmotive?

Es ist festzuhalten, dass die meis-ten Anlagen von Einzelpersonen undVereinen initiiert wurden, denen esnicht genug war, etwas gefunden zuhaben, sondern deren Vorstellungs-kraft mehr verlangte. Der Unteruhl-dinger Pfahlbauforscher, Bürgermeis-ter und Museumsgründer Georg Sul-ger zum Beispiel wollte seinen Fundeneine erfahrbare Dimension in einemFreilichtmuseum geben und gründe-te hierzu einen Verein (Sulger 1940,3). Der örtliche Landrat Hermann Le-vinger, der Präsident des Bodensee-geschichtsvereins Victor Mezger undder Tübinger Professor Robert RudolfSchmidt mit seinen Assistenten HansReinerth und Georg Krafft halfenbereits 1922, den Plan umzusetzen(Schöbel 2002, 169f.). Der Prähisto-

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Abb. 1: Verbreitungskarte der archäologischen Freilichtmuseen (Deutsch-land/Österreich/Schweiz, Stand 2007).

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Abb. 2: Überblick zu den Gründungen von Freilichtmuseen seit dem 19. Jahr-hundert (Stand 2007).

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riker Ewald Schuldt in Mecklenburg-Vorpommern krönte seine Ausgra-bungstätigkeit in Groß Raden mit demAufbau eines archäologischen Frei-lichtmuseums, das 1987 eröffnet wer-den konnte (Schuldt 1990). Wichtigbei Anlagen dieser Art war oft der Fi-nanzierungsaspekt, der die Gründerdazu zwang, wirtschaftlich zu konzi-pieren, Tourismus und Pädagogik miteinzubeziehen und kreative Lösungenzu suchen, da oft keine Staatsgelderzu Verfügung standen und manchmalauch Gegenwind seitens der Kultur-verantwortlichen – das trifft den Os-ten wie den Westen – bestand. Dieshat sich in den letzten 15 Jahren mitdem verstärkten Einsatz von ABM-Mitteln, Europageldern und Drittmit-teln für den Strukturaufbau auf demLande geändert.

Die Entwicklung von 1900 bis2000

Die Wurzeln der Freilichtmuseen lie-gen in den Ausgrabungsstätten her-vorragender Wichtigkeit, aber auch inden Weltausstellungen des 19. Jahr-hunderts, in der Volkskunde und inden Anfängen der Museumspädagogik(Müller-Scheeßel 1998, 22 f.; Schöbel2004a, 223 f.; Comis 2006). So hattedie Schweizer Regierung schon 1878Sammlungsfunde aus den Pfahlbau-ten, Modelle und Gemälde in ihremPavillon auf der Weltausstellung in Pa-

ris präsentiert. Die Prototypen im Bal-ly Park bei Schönenwerd im Aargau(1890), Kammer am Attersee (1909),Lindau am Bodensee (1910), Rössenbei Merseburg (1918), Schussenriedin Oberschwaben (1919) oder Unte-ruhldingen I (Schöbel 1997, 116 f.;Leineweber 2001, 11) zeigen Bezugs-punkte zu den ethnografischen Dör-fern der Expositionen in Paris 1878und 1889 des Architekten Clau-de Garnier, wo Dioramen prähisto-rischer Zeiten, 1:1-Rekonstruktionenund eingerichtete Wohnstuben gezeigtwurden. Die ersten volkskundlichenMuseen des Museumsdirektors OskarHazelius vor den Toren Stockholmsetwa in Skansen (1891), inspiriert voneiner schwedischen Bauernstube aufder Weltausstellung Paris (1878), sinddie inhaltlichen Vorbilder nachfolgen-der Museumspräsentationen.

Die Darstellungspraxis umfassteschon früh die Originalfundausstel-lung wie etwa in Kammer am Atterseeoder in Unteruhldingen am Bodensee,weiter den Modellbau in Miniaturwel-ten für Museen und Lehrmittelverla-ge (Abb. 3) und 1:1-Rekonstruktionenetwa im Wilden Ried am Federseeund bereits die Experimentelle Ar-chäologie (Schöbel 2005, 294; Keefer2006, 12 f.). In der Weimarer Zeit tra-ten hinzu die Einbindung der Natur-wissenschaften, die Landschaftsinsze-nierung, das begehbare Stubenprin-zip, die Fotografie, Illustration, Re-

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Abb. 3: Arbeiten in der Modellwerkstatt Tübingen, Schloss Hohentübingen1919.

klame, Werbung, populäre Museums-schriften und ab Mitte der zwanzigerJahre die ersten Stummfilme. DieseModernität der zwanziger Jahre im re-publikanischen Deutschland im Be-reich der Vermittlung historischer In-halte ist erstaunlich.

Tief greifende Veränderungen ka-men ab 1936 nach Erlassen desReichserziehungsministers BernhardRust, wonach die Museen von autori-sierten Museumspflegern zu kontrol-lieren waren (Roth 1990, 98 f.). Feder-führend unter dem Berliner Profes-sor Hans Reinerth (Schmidt 2001, 147f.; Schöbel 2001, 353 f.) und seinerModellwerkstatt des Reichsbundes fürdeutsche Vorgeschichte entstanden1936 die germanischen Neubauten

Oerlinghausen I und Lübeck, dane-ben Hamburg-Harburg, 1938 Unte-ruhldingen II und Radolfzell-Mettnau.Weitere Planungen verhinderte derAusbruch des Zweiten Weltkriegs1939. Beabsichtigt war, in jedemdeutschen Gau ein vorgeschichtlichesFreilichtmuseum zu schaffen (Mai-er 1936, 652), um „. . . jedem deut-schen Volksgenossen das vieltausend-jährige bodenständige Kulturgut sei-ner Heimat lebendig vor Augen zuführen“ (Reinerth 1942, 2; Ströbel1939, 42 f., Schöbel 2007, 45 f.). Kon-zeptionell sollte die archaische Mo-numentalität der Denkmale wie etwaauch im Volkskundemuseum Hein-rich Ottenjanns in Cloppenburg oderim Haus der Rheinischen Heimat in

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Köln mit seinen bäuerlichen Haus-modellen eindrücklich herausgestelltwerden (Roth 1990). Großzügige undwohl gefügte Befundinterpretationenergaben eine übertriebene Repräsen-tationsarchitektur mit dem Ziel, Ein-druck zu machen und die geforder-te germanische Kulturhöhe zu illus-trieren und diese über andere zu set-zen. Steinzeitliche Dorfhallen in Stab-bauweise, mesolithische „Führerhüt-ten“ und „cheruskische Germanenge-höfte“, die es so groß sicher nichtgegeben hatte, wurden in kürzesterZeit errichtet. Germanische Kontinui-täten und eine manipulative Darstel-lung von Geschichte wurden mit Hilfeder bereits aus der vorangegangenenZeit bekannten Vermittlungswerkzeu-ge erzeugt. Das Repertoire reichtevom Modellbau über populäre Schrif-ten, Illustrationen, bis hin zu Gips-figuren und Abzeichen für das Win-terhilfswerk. Die Einführung neuerSchrift, die Nutzung von Licht, Ra-dio, Film, Tagespresse, die Einbin-dung der Lehrmittelverlage, regelmä-ßige Führungen für Parteigliederun-gen und ab 1934 etwa Kraft-durch-Freude-Führungen an allen BerlinerMuseen und später auch auf demLande werden als neue Vermittlungs-strategien üblich (Roth 1990, 105). Zuerwähnen sind die sehr gut besuch-ten Ausstellungen „Lebendige Vorzeit“oder „Deutsche Größe“ in Ulm (1936),Berlin (1937), Hannover (1938), Bre-

Abb. 4: Cheruskischer Krieger zurZeit der Varusschlacht, Oer-linghausen 1936.

men (1939), Halle, aber auch Straß-burg (1942) und Brüssel (1942) mitpädagogisch modernstem, aber zu-gleich auch politisch schaurigem In-strumentarium (Schnitzler, Bardies,Legendre 2001, 105 f.; Gob 2007,337 f.). Die funktionale Sachlichkeitder Weimarer Zeit und die verstärk-te Diskussion um die Pädagogik imMuseum hatte dennoch dadurch ver-stärkt Eingang in das Museum gefun-den. Eine reduzierte Exponatfülle, ei-ne Ordnung nach Werkstoffen und ei-ne Trennung in Schau- und Studi-ensammlung setzte sich ab Mitte derdreißiger Jahre immer stärker in allenMuseen durch (Abb. 4).

Nach 1945 gab es eine Auszeit.

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Die Politisierung hatte im Westen ei-ne schockhafte Auswirkung hinter-lassen. Auf Betreiben der örtlichenVereine wurden zwar Unteruhldingenund Oerlinghausen nach Renovierungund Auswechslung der Über- bezie-hungsweise Unterschriften als Regio-nalmuseen für Touristen und Schülerweiter betrieben, es fanden aber bisin die siebziger Jahre des 20. Jahr-hunderts hinein keine Neugründun-gen mehr statt und Freilichtmuseenwaren als Mittel der Darstellung ei-ne Generation lang nicht mehr akzep-tiert. Die Popularisierung der Inhaltewich einer verstärkt wissenschaftlich-ästhetischen Darstellung, die sich insehr sachlichen Ausstellungskonzep-tionen in den Traditionsmuseen inden städtischen Zentren ausdrück-te. Dennoch sind erläuternde Bilderaus den zwanziger und dreißiger Jah-ren heute noch mangels neuer Illus-trationen vereinzelt in wissenschaftli-chen Publikationen und Lehrmittelnzu finden. In Ausstellungen wie „Tech-nik durch Fortschritt“ 1949 bis 1951in Halle etwa erscheinen zu Zeitender DDR in leicht geänderter Schriftund Anordnung museumsdidaktischeMittel einer politisch intendierten Pa-noramaschau weiter, nun aber sozia-listisch geprägt (Müller 1984, 190 f.;Kaufmann 1984, 144 f.).

Im Osten Deutschlands ist 1954in Halle die Erstellung eines neoli-thischen Hauses belegt (Leineweber

2001, 15), ein weiteres im WeimarerMuseum für Ur- und Frühgeschich-te. Beachtenswert war das Haus inHalle vor allem deshalb, da Adel-hard Zippelius das Flechtwerk An-fang der fünfziger Jahre in Koope-ration mit einer Blindenschule an-fertigen ließ, wodurch im Wortsinneein begreifbarer Zugang zur Steinzeitgeschaffen wurde. Beachtenswert istauch die in-situ-Rekonstruktion einesslawischen Ringwalls in Groß Radendurch Ewaldt Schuldt 1987 (Keiling1989b, 10 f., Voss o. J.). Sie grün-det auf einer intensiven Ausgrabungs-tätigkeit in den dortigen Feuchtge-bieten mit hervorragenden Holzfun-den, die Ende der achtziger Jahre des20. Jahrhunderts zusammen mit ei-nem klassischen Museum eingerich-tet werden konnte.

Im Westen entsteht zuerst Rö-misches wie der in den siebzigerJahren entstehende Park in Xanten(H. Schmidt 2000, 11 f.). Bei denfrühgeschichtlichen Anlagen machendas österreichische Asparn (1970),das Museumsdorf Düppel bei Ber-lin (1972/75) und Oerlinghausen III(1979) den Neuanfang. Streng an denGrabungsbefunden orientiert, wird inAsparn um das Fachmuseum einFreilichtbereich erbaut. Ebenso be-fundgetreu wurde die Siedlung inDüppel rekonstruiert, die ein Dorf imZeitschnitt um 1200 n. Chr. nachbil-det. Alle drei Anlagen gehen mit ho-

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Abb. 5: Das Freilichtmuseum Leijre (DK).

her Genauigkeit bei den Rekonstruk-tionen vor und versuchen, die päd-agogische Bespielung auf verschiede-nen Ebenen vorzunehmen, die sie ausder Fortsetzung des Freilichtmuse-umsgedankens in Skandinavien, Eng-land oder Polen beziehen konnten,die keine Unterbrechung zu bewälti-gen hatte. Die Experimente Harm OleHansens ab 1964 in Leijre (Abb. 5)standen wie die Hausbauten auf But-ser Farm, Sussex, 1966 durch Pe-ter J. Reynolds (Ahrens 1990, 46 f.),Pate. Impuls gebend war auch diefranzösische Écomusée-Bewegung dersiebziger Jahre, die gezielt ökologi-sche Fragestellungen einbrachte. Sokam die Bewegung der Freilichtmuse-en aus den europäischen Nachbarlän-dern wieder dorthin zurück wo sie be-gonnen hatte – nach Deutschland.

Durch die Arbeiten von Adrian vonMüller für Düppel (1998), von Hel-mut Luley (1990), Frank Andrasch-ko (1991), Claus Ahrens für Oerling-hausen (1990), aber auch von Adel-hard Zippelius (1984) hinsichtlich derICOM waren rekonstruierte Anlagenim Maßstab 1:1 wieder salonfähig ge-worden und wurden durch ihr ver-stärktes pädagogisches Angebot wie-der vor allem für Schüler und für dasFamilienpublikum als Lern- und Er-lebnisort attraktiv gemacht. Die Ex-perimente von Jutta Meurers-Bahlkeund Jens Lüning (2005, 25 f.) zumAckerbau in Köln zwischen 1978 und1986, die Parkausstellung „Pfahlbau-land“ (1990) in Zürich, das Kelten-jahr 1980/81 in Österreich oder dievon Mamoun Fansa initiierte Aus-stellungsserie mit Begleitpublikation

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„Experimentelle Archäologie“ (Fansa1991) erzeugten eine neue Ebene derAuseinandersetzung mit dem Thema.Einen grenzüberschreitenden euro-päischen Ansatz verfolgt der Europäi-sche Kulturpark Bliesbruck-Reinheimim Saarland, der seit 1987 grenzüber-schreitend dem römisch-keltischenThemenbereich verpflichtet ist. DieAufgaben reichten in der Folge vonder Ausgrabung bis zur Rekonstruk-tion und der Pädagogik. Albersdorf inSchleswig-Holstein bemüht sich seit1997 mit dem Leitruf „Zurück indie Steinzeit“, Kulturlandschaften alsDenkmal zurückzubauen.

Herausragende Fundplätze wiedas Neanderthal (1996), Eberdingen-Hochdorf (1999), Bad Buchau (2000),die Heuneburg (2000), Kalkriese(2000) und Haithabu (2001) bekamen– wie auch der Glauberg (2004) undNebra (2006) – nach und nach einedreidimensionale Umsetzung unterarchäologischem, landschaftsbezoge-nem und verstärkt auch touristisch-wirtschaftlichem Blickwinkel, wiesie seit langem auch erfolgreich imPfahlbaumuseum Unteruhldingenin Baden-Württemberg als ältestemarchäologischen Freilichtmuseumumgesetzt wird (Abb. 6) (Keefer 2005,150 f.; Schöbel 2006a, 98 f.; Schultzeu. Zich 2007, 281 f.).

Der Versuch, neben der Darstellungder archäologischen Fakten auch Le-benswelten zu schaffen und prähis-

torische Lebenswirklichkeiten nach-zuahmen, kommt dann an seineGrenzen, wenn die inhaltliche undräumliche Distanz zum Denkmal zugroß wird. Dies kann bis zur be-fundlosen Beliebigkeit führen. Hiersind eingeführte Museen, Universitä-ten und Denkmalpflege zur Erarbei-tung und Erhaltung eines Qualitäts-standards gefragt. Eine ideale Kon-zeption ist dann gewährleistet, wennsich zu den Originalfunden auch dieMethodenpräsentation gesellt wie dieAusgrabungsdokumentation und dieVeranschaulichung des interdiszipli-nären Vorgehens bei der Interpretati-on der rekonstruierten Merkwelt. Da-bei wird die Qualität der kulturellenÜberlieferung reflektiert und dem Pu-blikum vor Augen geführt. Die klas-sische Begleit- und Dauerausstellungleistet die Erläuterung durch Objekt,Text, Modell und Illustration. Dazukommt für einen Besucher der per-sönliche Kontakt und die Interakti-on mit ausgebildetem Fachpersonal inständigen Führungen (Abb. 6).

Das „Experiment Steinzeit“, dasjüngste Projekt des Pfahlbaumuse-ums Unteruhldingen in Zusammen-arbeit mit dem SWR/ARD-Fernsehen,hatte ein wissenschaftlich fundiertesSetting mit authentisch nachgebilde-ten Werkzeugen und wissenschaftli-cher Betreuung als Grundlage. Im Zu-ge der Nachbereitung des Projekteswar es möglich, an die Lebensum-

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Abb. 6: Präsentation und Vermittlung durch Besucherführer im Pfahlbau-museum Unteruhldingen.

stände, die Erfahrungen und an dieGefühlswelten der Probanden anzu-knüpfen, um diese dem Besucher zuvermitteln. Ein wichtiger Multiplika-tor war die begleitende Internetprä-sentation mit der Einbindung von Me-dien, Wissensformaten und Sendun-gen für das Kinder- und Schulfern-sehen. Die Zusammenarbeit mit denneuen Medien ist dabei immer aucheine Gratwanderung. Sie ist aber auf-grund der veränderten Lernwege un-serer jungen Besucher kaum nochverzichtbar, worauf auch Peter Weibelvom Zentrum für Kunst- und Medien-technologie Karlsruhe vor kurzem ver-wies (Weibel 1999, 105).

So besteht die Zukunft in der Ver-mittlung des Fragments in einer mitBildern lebendig zu machenden Mu-

seumspräsentation mit verschiedenenAnsätzen der musealen Inszenierung,aber auch in einer vielfältig im Kon-text der Funde zu gestaltenden Merk-welt, die im Rahmenwerk eines pä-dagogisch arbeitenden Freilichtmuse-ums immer wieder einzubinden ist.Es wird für die Zukunft darauf an-kommen, nicht nur die Fragmente ge-funden zu haben, sondern auch denDialog darüber mit aller Transparenzzu führen und auf der Höhe der Zeitzu gestalten. In diesem Zusammen-hang ist es äußerst wichtig, die Stan-dards der archäologischen Freilicht-museen nach erfolgter Anerkennungund Zertifizierung auf der Grundlagedes Weltverbandes der ICOM eindeu-tig zu definieren.

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Katalog der archäologischenFreilichtmuseen in Deutschland,der Schweiz und Österreich Ur-und Frühgeschichte bisMittelalter (1492 n. Chr.)

1. Aalen/Rainau, Limesmusemwww.museen-aalen.de

2. Albersdorf, Archäologisch-ÖkologischesZentrum Albersdorf (AÖZA)www.aoeza.steinzeitpark-albersdorf.de

3. Bad Buchau, ArchäoPark Federseewww.federseemuseum.de

4. Bachritterburg Kanzachwww.bachritterburg.de

5. Bad Homburg, Archäologischer ParkRömerkastell Saalburgwww.saalburgmuseum.de

6. Bad Schussenried, Wildes Ried Literatur:Schöbel 2001, 5, Anm. 10.

7. Bad Windsheim www.freilandmuseum.de

8. Berlin-Düppel, Museumsdorf Düppelwww.dueppel.de

9. Berlin-Hermsdorf, Germanisches Gehöftwww.heimatmuseum-reinickendorf.de

10. Biebertal-Fellingshausen, Keltengehöftam Dünsbergwww.archaeologie-im-gleiberger-land.de

11. Blaubeuren, Urgeschichtliches Museumwww.urmu.de

12. Bleiberg www.bergstadt-bleiberg.de

13. Bliesbruck Reinheim, EuropäischerKulturparkwww.europaeischer-kulturpark.dewww.kulturpark-online.de

14. Bundenbach, Freilichtmuseum undKeltendorf Altburg-Bundenbachwww.keltendorf-bundenbach.de

15. Dietfurt an der Altmühl, Alcmonawww.alcmona.de

16. Eberdingen-Hochdorf, Museum mitKeltendorf www.keltenmuseum.de

17. Elbing (Polen) Literatur: Ehrlich 1936.

18. Engen www.engen.de

19. Glauburg-Glauberg, Glaubergwww.keltenwelt-glauberg.dewww.keltenfuerst.de

20. Greven, Freilichtmuseum Sachsenhofwww.heimatverein-greven.de/der-sachsenhof.html.

21. Groß-Raden, Archäologisches

Freilichtmuseum www.gross-raden.de

22. Haithabu www.haithabu.de

23. Halle (Saale), Rössener Haus Literatur:Hahne 1919.

24. Haltern, Römerlager WestfälischesRömermuseum Halternwww.lwl-roemermuseum-haltern.de

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25. Hamburg-Harburg, Totenhaus Literatur:Ahrens 1990, 189.

26. Hechingen-Stein, Römervillawww.villa-rustica.de

27. Herbertingen-Hundersingen,Freilichtmuseum Heuneburgwww.heuneburg.de

28. Herrsching www.ammersee-region.de

29. Hitzacker, Archäologisches ZentrumHitzacker www.wendland-net.de/AZHwww.archaeo-zentrum.de

30. Holzhausen/Haarhausen, Gelände fürExperimentelle Archäologie und kreativeFreizeitgestaltungwww.thueringen.de/denkmalpflege

31. Homburg Schwarzenacker, Vicus mitMuseumwww.roemermuseum-schwarzenacker.de

32. Hünfeld-Mackenzell, Keltenhof Literatur:www.mackenzell.de

33. Kalkriese, Museum und Park Kalkriesewww.kalkriese-varusschlacht.de

34. Kempten, Archäologischer ParkCAMBODUNUM www.apc-kempten.de

35. Kiel www.hansekogge.de

36. Kirchheim, Bajuwarenhofwww.bajuwarenhof.de

37. Klein-Köriswww.germanische-siedlung-klein.koeris.de

38. Kussow, Freilichtmuseum SteinzeitdorfKussow e.V. www.steinzeitdorf-kussow.de

39. Landersdorf-Thalmässing, Keltenhauswww.thalmaessing.de

40. Lauingen-Faimingen, ApolloGrannus/Phoebus-Tempel www.lauingen.de

41. Lindau (bei Villa Henneberg),Pfahlbauhaus Literatur: Schöbel 2004a.

42. Longuich, Römervilla www.longuich.de

43. Lübeck, Freilichtmuseum auf demStadtwall Literatur: Ahrens 1990, 190.

44. Lübeck, Bau- und GeschichtsspielplatzRoter Hahn e.V.www.bauspielplatz-roterhahn.de

45. Lütjenburg, Turmhügelburgwww.turmhuegelburg.de

46. Mallin/Mecklenburg, SlawendorfPassentin www.passentin.de

47. Mansfeld, Archäopark am MansfelderTeich/ZEAM www.archlsa.dewww.mansfeldsuedharz.de/media/pdf

48. Martberg, ArchäologieparkMartberg/Moselwww.martberg.webdesign-lohmann.de

49. Archäologiepark Karrenbergwww.dorfwiki.org

50. Mehring Literatur: H. Schmidt 2000,115 f.

51. Mettmann, Neanderthal Museumwww.neandertal.de

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52. Möckenlohewww.roemervilla-moeckenlohe.de

53. Morbach bei Wederath, ArchäologieparkBelginum www.belginum.de

54. Nebra, Arche Nebrawww.himmelsscheibe-erleben.de

55. Querfurt, Archäologieparkwww.archaeologiepark-querfurt.de

56. Nieder- und Oberdorla, Kultstätte„Opfermoor Vogtei“ www.opfermoor.de

57. Oerlinghausen, Achäologisches

Freilichtmuseum www.afm-oerlinghausen.de

58. Oldenburg, Wallmuseumwww.oldenburger-wallmuseum.de

59. Otzenhausen, Keltenpark „Hunnenring“www.keltenring-otzenhausen.dewww.hochwaldkelten.de

60. Penkun, Slawensiedlung Literatur:Schmidt H. 2000, 140.

61. Perl-Borg www.villa-borg.de

62. Pestenacker, Prähistorische SiedlungPestenacker www.pestenacker-online.dewww.kulturbox.de/museen/pestenackerwww.wikipedia (Stichwort Pestenacker)

63. Raddusch/Spreewald, Slawenburgwww.slawenburg-raddusch.de

64. Radolfzell-Mettnau, ArchäologischesFreilichtmuseum Literatur: Schöbel 2002.

65. Riewend, Slawenmuseumwww.bldam-brandenburg.de

66. Ringelai-Lichtenau, ArchäologischerErlebnispark Gabreta www.gabreta.de

67. Rodenkirchen, BronzezeitlichesLanghaus www.bronzezeithaus.de

68. Seebruck/Bedaium, Keltisches Gehöftwww.bedaium.de

69. Steinbach, Keltendorfwww.keltendorf-steinbach.de

70. Straubing, Bundesgartenschau 2005,Bandkeramisches Haus Literatur:www.gaeubodenmuseum.de

71. Tawern bei Trier, Gallo-römischerTempelbezirk (Merkurtempel)www.tawern.org

72. Tilleda, Freilichtmuseum Königspfalzwww.pfalz-tilleda.de

73. Torgelow, Ukranenlandwww.ukranenland.dewww.torgelow.de/ukran.htm

74. Uelsen, Bronzezeithofwww.bronzezeithof.de

75. Uhldingen-Mühlhofen, PfahlbaumuseumUnteruhldingen www.pfahlbauten.de

76. Unterankenreute Fuchsenloch Literatur:Schöbel 2007a.

77. Weimar, Neolithisches Haus im Museumfür Ur- und Frühgeschichte Literatur:Leineweber 2001, 15. Anm. 43.

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78. Westgreußen, FreilichtmuseumFunkenburg-Westgreußen/GermanischeHöhensiedlungwww.funkenburg-westgreussen.de

79. Xanten, Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten www.apx.de

80. Zethlingen, Langobarden Werkstattwww.langobarden-zethlingen.de

81. Augst, Augusta Rauricawww.augustaraurica.ch

82. Gletterens, Neuenburgersee,Pfahlbaudorfwww.gletterens.ch/lacustre/village.htmwww.village-lacustre.ch

83. Neuchâtel, Latenium www.latenium.ch

84. Pfyn, Filmdorfwww.pfahlbauervonpfyn.tg.ch

85. Schönenwerd, Pfahlbaudorf inLandschaftspark, Maßstab ca. 1:2 Literatur:Schöbel 2004a.

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88. Zürich, Pfahlbauland Literatur:Pfahlbauland 1990

89. Asparn an der Zaya, Museum fürUrgeschichte des Landes Niederösterreichwww.urgeschichte.com

90. Braunsberg, Oppidum Literatur:Urban/Ruprechtsberger 2005.

91. Elsarn, Freilichtmuseum GermanischesGehöft www.freilichtmuseum-elsarn.at

92. Hallein, Dürrnberg, Keltendorfwww.keltenmuseum.at www.kelten.co.at

93. Salzwelten Hallstatt www.salzwelten.at

94. Kammer am Attersee Literatur: Schöbel2004b, 151.

95. Keutschacher See, Pfahlbaudorfwww.pfahlbau.eu

96. Kleinklein, Hallstattzeitliches Gehöft amBurgstallkogelwww.archaeo-grossklein.com/gehoeft.htm

97. Kulmberg bei Welz, Keltendorf am Kulmwww.kulm-keltendorf.at

98. Mitterkirchen im Machland, KeltendorfMedionemetonwww.mitterkirchen.at/keltendorf

99. Mondsee, Pfahlbaudorfwww.cusoon.at/der-keltenberg-naturerlebnispark/hohentauern

100. Petronell-Carnuntum, ArchäologischerPark Carnuntum und FreilichtmuseumPetronell www.carnuntum.co.at

101. Pischeldorf, Archäologischer ParkMagdalensberg www.landesmuseum-ktn.at/Landesmuseen/landesmuseenfr.html

102. Poysdorf Weinstadtmuseumwww.museum-poysdorf.at

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103. Schwarzenbach, Keltenparkwww.schwarzenbach.gv.atwww.celtovation.at

104. Umhausen, Ötzidorf – ArchäologischerFreilichtpark www.oetzidorf.at

105. Uttendorf am Steinerbichl im Pinzgau,Keltendorf www.uttendorf.com/keltendorfwww.uttendorf.at

106. Wetzdorf/Heldenberg,Kreisgrabenanlage Literatur:www.heldenberg.gv/kreisgrabenanlage.html

Nachträge (Stand Juli 2009 – nicht kar-tiert)

Greven-Pentrum www.greven.net(Sächsischer Hof/Frühmittelalter)

Lorsch www.kloster-lorsch.de (in Planung:Frühmittelalterliche Hofanlage)

Oberhausen Wa-online.de (ArchäologischerPark Römerlager Oberhausen)

Otrang www.villa-otrang.de (Römisch)

Straubing www.gaeubodenmuseum (inPlanung: Archäologischer Park, römisch)

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Abbildungsnachweis

Abb. 1-2: Pfahlbaumuseum.Abb. 3: Pfahlbaumuseum/H. Dürr.Abb. 4: Germanenerbe 1936, Heft 2,33.Abb. 5: Museum Lejre.Abb. 6: Pfahlbaumuseum/F. Müller.

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 688690 Uhldingen-Mühlhofen

[email protected]

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Müllmanagement in einem spätneolithischen

Tell Zentralbosniens

Nils Müller-Scheeßel, Robert Hofmann, Johannes Müller

und Knut Rassmann

Was ist Müll?

Die Produktion von Müll oder Ab-fall – beide Begriffe werden im Fol-genden austauschbar gebraucht – istzweifelsohne eine menschliche Kon-stante, deren Allgemeingültigkeit sichnicht auf die Körperfunktionen be-schränkt. Gleichzeitig ist der Um-gang mit und das Verhältnis zu Müllin allen menschlichen Gesellschaf-ten höchst ambivalent und die De-finition dessen, was als Müll ange-sehen wird, höchst unterschiedlich(s. die Beispiele bei Fansa/Wolfram2003). Beide Aspekte sind auch histo-risch kontingent: So ist die Verschie-bung der Peinlichkeitsgrenze im Laufedes abendländischen Zivilisationspro-zesses evident (Sommer 1998), auchwenn Müll innerhalb der Zivilisations-theorie von N. Elias (1969) nur ei-ne untergeordnete Rolle spielt. We-gen seiner Omnipräsenz stellt Müll fürdie Archäologie eine der wichtigstenErkenntnisquellen dar. Dennoch soll-te man sie mit guten Gründen nicht

als Wissenschaft des Mülls bezeich-nen. Zum einen ist nicht alles Archäo-logische Müll; prähistorische Objektewurden auch häufig als Deponierun-gen oder Beigaben dem Umlauf tem-porär oder final entzogen. Zum an-deren bedeutete es eine Verkennungdes archäologischen Erkenntnisinter-esses, würde man die Archäologieauf den menschlichen Müll und sei-ne Erforschung reduzieren (dazu Veit2005/2006). Trotz seiner Bedeutungspielt Müll in der archäologischen Dis-kussion eine erstaunlich geringe Rol-le (zur bisher umfassendsten Behand-lung im deutschsprachigen Raum s.Fansa/Wolfram 2003). Die Gründedafür sind vielfältig (zu einigen s. Wolf-ram 2003), der gewichtigste ist abervermutlich epistemologischer Natur:Als Spuren vergangener Lebenswel-ten unterliegen die archäologischenObjekte einer Reihe komplexer In-terpretationsschritte, wobei der Aus-gangspunkt meist die ehemalige Pri-märfunktion eines Objektes ist. Die

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Identifizierung dieser Primärfunktionkann nur deshalb häufig überzeu-gend gelingen, weil das Objekt überseine Form und Gestalt die ehemali-ge funktionale Bedeutung kulturüber-greifend denotiert (Objekt „Löffel“ =„löffeln“; Objekt „Schwert“ = „kämp-fen“ etc., was Missverständnisse na-türlich nicht ausschließt). Jede weite-re Funktion, die ein Objekt möglicher-weise im Laufe seiner Artefaktbiogra-phie (Kopytoff 1986) durchläuft, ent-spricht seiner Form nicht in dersel-ben Weise, weshalb auch die Denota-tion notwendigerweise unvollständigbleibt. Aus diesem Grund sind dieEtappen, die ein Objekt bis zu seinerendgültigen Beseitigung durchläuft,nur selten vollständig zu rekonstru-ieren, und deshalb beschränkt mansich häufig auf die Eruierung der pri-mären Funktion. Was Müll genau ist,lässt sich erstaunlich schlecht fixie-ren. Es ist ja nicht nur so, dass Müllin verschiedenen Gesellschaften – egalob prähistorisch oder rezent – voll-kommen unterschiedliche Formen an-nehmen kann; das eigentliche Pro-blem wird deutlich, wenn wir etwadie Menge aller – im weitesten Sin-ne – funktionslos gewordenen Objek-te als Abfall definieren. Hier schließtsich nämlich automatisch die Fragean: Funktionslos für wen? Was der ei-ne wegwirft, kann der andere noch ge-brauchen. Was heute entsorgt wird,kann morgen wieder nützlich oder so-

gar wertvoll sein. Dies war in der Ver-gangenheit nicht anders als heutzuta-ge: Dass auch in der Vergangenheit äl-tere Gegenstände wieder an Wert ge-winnen konnten, zeigt sich beispiels-weise in der Beigabe von Archaica infrühmittelalterlichen Gräbern (Meh-ling 1998); ausführlich zu verschiede-nen Formen des Recyclings, mit be-sonderer Beachtung des Alten Ori-ents: Bernbeck 2003; s. a. für neoli-thische Beispiele Paulsen 1996). Müllbesitzt also einen inhärent relationa-len Charakter, der auch sehr deut-lich in der „Theorie des Abfalls“ vonM. Thompson (1979; s. a. Burmeis-ter 2003, 52 f.) zum Tragen kommt.Thompson unterscheidet drei Objekt-kategorien: 1. vergängliche Dinge mitabnehmendem Wert; 2. dauerhafteDinge mit zunehmendem Wert; 3. Din-ge ohne Wert (= Abfall). Entscheidendist in seiner Theorie, dass die Grenzenzwischen diesen Kategorien durchläs-sig sind. Das bedeutet, dass ein Ob-jekt der Kategorie 1 normalerweise ir-gendwann der Kategorie 3 angehört,aber später auch wieder den ‚Auf-stieg’ in Kategorie 2 schaffen kann.Was als Müll angesehen wird, ist al-so nicht nur kulturell determiniert (soBurmeister 2003, 52), sondern viel-mehr auch von Situation und Kon-text abhängig: „Abfall ist keine Sub-stanz, sondern ein Verhältnis“ (Grass-muck/Unverzagt 1991, zit. n. Wolf-ram 2003, 32). Diese Grundkonstella-

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tion macht eine generalisierende Defi-nition von Müll so schwierig. Archäo-logisch gesehen scheint die Sachlagedennoch einfach: Alle archäologischenObjekte, die nicht intentional depo-niert wurden, sind irgendwann wegge-worfen oder als nutzlos zurückgelas-sen, also zu Müll geworden. Aber auchhier ergeben sich methodische Fall-stricke, die vor allem quellenkritischerArt sind: Einerseits ist die Unter-scheidung zwischen intentional undnicht-intentional weniger offensicht-lich, als es zunächst den Anschein ha-ben mag, und andererseits sind dieProzesse, die schließlich zur Einlage-rung der Objekte in die archäologi-schen Schichten geführt haben, klä-rungsbedürftig (s. u.). Die Verteilungmenschlicher Hinterlassenschaften inSiedlungen ist innerhalb der interna-tionalen archäologischen Forschungvon zwei Richtungen angegangen wor-den, die von jeweils unterschiedlichentheoretischen Grundströmungen ge-tragen wurden. Die eine Richtungordnet sich innerhalb der Beschäfti-gung mit Haushalten und Siedlungs-strukturen ein. Ihr Augenmerk liegtim Wesentlichen auf Aktivitätszonenund ihren sozialhistorischen Implika-tionen (vgl. die Übersicht bei Cutting2006). Die andere Richtung nähertsich dem Problem von der methodo-logischen Seite: Ihr geht es vor allemum die verschiedenartigen Prozesse,die auf die materiellen Reste einwir-

ken und schließlich zur archäologischfeststellbaren Überlieferung führen.Das Anliegen dieser Richtung ist da-mit vor allem quellenkritischer Natur(z. B. Sommer 1991). Beide Richtun-gen schließen sich selbstverständlichkeineswegs aus, sondern sollten viel-mehr in gleicher Weise bei der Bear-beitung von Siedlungsüberresten Be-achtung finden. Ohne grundlegendequellenkritische Überlegungen müss-te sich jede sozio-kulturelle Interpre-tation der Verteilung archäologischerFunde den Vorwurf unzulänglichenVorgehens gefallen lassen; anderer-seits bliebe ein Ansatz, der sich aufbloße quellenkritische Betrachtungenbeschränkte, steril. Beide Ansätze sol-len dementsprechend in gleichem Ma-ße in die folgenden Überlegungen ein-fließen.

Der Tell von Okolište

Die Siedlung von Okolište liegt immittelgebirgsartigen Zentralteil Bosni-ens, ca. 40 km nordwestlich von Sa-rajevo. Nachdem es von jugoslawi-scher Seite kleinere Aufschlüsse vorallem in den 1960er Jahren gab,wird die Siedlung seit 2002 in ei-nem bosnisch-deutschen Grabungs-projekt untersucht, seit 2005 mitFörderung durch die Deutsche For-schungsgemeinschaft. In den bishe-rigen Grabungskampagnen wurdenrund 1100 m2 aufgedeckt (Hofmannet al. 2007). Die Siedlung wurde von

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Abb. 1: Geomagnetischer Plan der Siedlung von Okolište. Eingetragen sindferner die Grabungsflächen der Jahre 2002–2008. Oberhalb von „Flä-che 4“ befindet sich die bisher einzige nachgewiesene Öffnung im Wall-Grabensystem.

ca. 5200 bis 4500 calBC besiedeltund gehört nach der örtlichen ar-chäologischen Terminologie der spät-neolithischen Butmir-Gruppe an. DieSubsistenz der dort siedelnden Men-schen basierte praktisch vollständigauf Ackerbau und Viehzucht, wobeibei der Viehzucht das Rind dominier-te. Jagd spielte zu keiner Zeit derExistenz der Siedlung eine signifikan-te Rolle. Die ökonomischen Grundla-gen entsprechen damit vollumfänglichjenen, die wir von benachbarten zeit-gleichen Siedlungen kennen. Okolišteerreichte offenbar bereits zu Beginnseiner Entwicklung, d. h. gegen 5200calBC, die größte Ausdehnung von ca.7,5 ha. In den folgenden Jahrhunder-

ten schrumpfte die Siedlung, bis siegegen Ende der Besiedlung des Tellsgegen 4500/4400 calBC nur noch ei-ne Größe von vielleicht 1,2 ha besaß.Die Außengrenze der Siedlung wurdedurch ein mehrfaches Wall-Graben-System markiert, das mehrmals demschrumpfenden Siedlungskörper an-gepasst wurde. Während der unge-fähr siebenhundert Jahre währendenExistenz der Siedlung wuchs sie inden bis zur Aufgabe besiedelten Be-reichen ca. 2,5 - 3 m in die Höhe.Es handelt sich demnach bei Oko-lište um einen eindeutigen Tell, auchwenn er nicht die Ausmaße nahöstli-cher Siedlungshügel erreicht (Rosen-stock 2005). In den jüngeren Phasen

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der Ansiedlung dominierten ebenerdi-ge Gebäude, die eine Größe von imMittel 10 × 4 m aufwiesen. Bereitsim Geomagnetikplan sind diese alsdunkle rechteckige Anomalien deut-lich zu erkennen (Abb. 1); sie schlie-ßen sich zu einer zeilenweise Be-bauung zusammen, die zwischen denLängsseiten der Häuser nur enge Gas-sen freilässt, während an den Schmal-seiten breitere Wege das Innere derSiedlung erschließen. Im Gesamtbildergibt sich der deutliche Eindruck von‚Reihenhäusern‘, die allerdings nichtalle derselben Phase angehören. Sosind die als Anomalien erkennbarenHäuser im Nordosten des Tells we-gen der Siedlungsverkleinerung meh-rere hundert Jahre jünger als die-jenigen im Südwesten. Die ungefähr40 m2 großen Häuser sind in Holz-Lehm-Bauweise errichtet und wurdenvermutlich von einer Kleinfamilie be-wohnt, wenn man nach ethnographi-schen Parallelen von einem Platzbe-darf von durchschnittlich 10 m2 proBewohner ausgeht (Naroll 1962). InGröße, Form, Ausrichtung und Aus-stattung wirken die Häuser sehr uni-form; dies gilt nicht nur für die Ge-bäude aus Okolište, sondern erstrecktsich auch auf die in Nachbarsied-lungen aufgedeckten Häuser. Gene-rell sind die Häuser Südwest–Nordostausgerichtet. Im Umkreis der Häu-ser fanden sich große Mengen anÜberresten der materiellen Kultur ih-

rer Bewohner, so dass sich die Fra-ge nach dem Müllmanagement derBewohner von Okolište stellt. Dabeisoll allerdings der sicherlich bedeu-tendste Müll produzierende Faktor –die Häuser mit ihrer Mischung ausorganischen und anorganischen Be-standteilen, die nach allem, was wirwissen, nach ihrem Verfall weitge-hend an Ort und Stelle verblieben undhöchstens planiert wurden – ausge-klammert bleiben. Im Folgenden ste-hen vielmehr die beweglichen Güterim Vordergrund, wobei sich die Aus-wahl aufgrund der ungünstigen Er-haltungsbedingungen weitgehend aufanorganische Materialien beschränkt.

Müllentsorgungsplätze

Insbesondere amerikanische Autorenhaben sich intensiv mit archäolo-gischen Deponierungsprozessen aus-einandergesetzt. Sie konnten zeigen,dass bei der Formierung archäologi-scher Schichten zahlreiche Ein- undUmlagerungsvorgänge zu unterschei-den sind (Tab. 1). Ein detaillier-ter Nachweis zu den auf dem Tellvon Okolište und seinen Nachbar-siedlungen wirkenden Depositionsab-läufen ist im Zuge der Gesamtaus-wertung noch in Arbeit. Er erfor-dert vor allem umfangreiche Fragm-entzusammensetzungen. Bereits jetztlässt sich aber konstatieren, dass einTeil des Mülls mit hoher Wahrschein-lichkeit de-facto-Abfall darstellt, also

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Tab. 1: Formationsprozesse in archäologischen Schichten von Hausfußböden(nach LaMotta/Schiffer 1999, 20 Abb. 2.1).

Müll, der an ein und derselben Stel-le entsorgt und dort verblieben ist.Dies zeigt schlaglichtartig die Zusam-mensetzung alt gebrochener Silexge-räte: Mehrfach wurden bereits in neo-lithischer Zeit gebrochene Fragmen-te derselben Stücke nahe beieinandergefunden, d. h. dass sie nicht überweite Strecken verlagert sein können.Nach einschlägigen ethnographischenund ethnoarchäologischen Forschun-gen zum menschlichen Umgang mitMüll sind verschiedene Möglichkei-ten denkbar, wie sich die Menschenvon Okolište ihrer endgültig funkti-onslos gewordenen Objekten entledigthaben. Sie lassen sich nach abneh-mender Entfernung vom Lebensmit-telpunkt – dem Haus – wie folgt klassi-fizieren: 1. der Fluss Bosna 2. Müllde-ponie 3. Randbereich der Siedlung 4.unmittelbare Nachbarschaft der Häu-ser. Alternative 1 ist nur schwer nach-

zuweisen. In der unmittelbaren Um-gebung der Bosna existieren mehre-re längst verlandete Altarme des Flus-ses, von denen einer möglicherwei-se zu spätneolithischer Zeit Wasserführte. Allerdings steht zu befürch-ten, dass die Bosna eventuell ins Was-ser entsorgte Gegenstände zu weitenTeilen oder vielleicht sogar zur Gän-ze fortgeschwemmt hätte (vgl. hier-zu ein mexikanisches Fallbeispiel: Su-tro 1991). Alternative 2 böte dage-gen gute Nachweismöglichkeiten, so-fern eine solche Deponie nicht imNiederungsbereich der Bosna ange-legt worden ist. Dann nämlich wäresie vermutlich den Flusslaufverlage-rungen der Bosna zum Opfer gefal-len. Zumindest sind bisher keinerleiHinweise auf eine solche Deponie au-ßerhalb der eigentlichen Siedlung ent-deckt worden. Dagegen lässt sich zwi-schen den Alternativen 3 und 4 rela-

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0 2 4 6 8 10Keramikgewicht in kg/m3

0

100

200

300

Sile

xgew

icht

in g

/m3

5/35/4

5/5-65/7-9

6/2

6/3

6/4

6/5-6

3/2

4/2

GrabenPeripherieSiedlung

Abb. 2: Okolište. Keramik- und Silexgewicht pro Kubikmeter in ausgewähltenSchichtenformationen.

tiv sicher entscheiden, da in beidenBereichen umfangreiche Ausgrabun-gen vorgenommen wurden, die eineGegenüberstellung des Fundeintragserlauben. Die Ergebnisse sind aller-dings bei den beiden häufigsten Fund-gattungen – Keramik und Silex – un-einheitlich (Abb. 2): Während beim Si-lexgewicht pro Kubikmeter eine relativklare Differenzierung zwischen Sied-lungsbereichen und Grabenbereichendeutlich wird – die Lage der Schich-tenformationen 6/4 und 6/5 - 6 lässtsich mit den speziellen Befunden dorterklären – scheint beim Keramikge-wicht eher ein gleitender Übergangzwischen den übergeordneten Bef-

undeinheiten vorzuliegen. Zwar liegendie Grabenbefunde alle im keramikär-meren Bereich, während die mit Ab-stand keramikreichste Befundeinheitaus dem Siedlungsbereich stammt,die Differenzierung ist jedoch weit we-niger klar. Das liegt vor allem ander Schichtenformation 3/2, die zwarviel Silex, relativ gesehen jedoch we-nig Keramik enthalten hat. Vermut-lich rührt der Unterschied zwischenSilex und Keramik von unterschiedli-chen Verwendungszusammenhängenher: Im Umfeld der Befundeinhei-ten mit hohem Silexaufkommen lie-gen mit großer Wahrscheinlichkeit Si-lexschlagplätze; im Falle von 3/2 be-

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findet sich ein größerer auch direktin der Grabungsfläche (Hofmann etal. 2007, 134 f. 137 ff.). Für Ke-ramik kann eine solche Erklärungselbstverständlich nicht bemüht wer-den. Offensichtlich funktionierten dieGräben als Sediment- bzw. Müllfal-len so effektiv, dass sie ähnlich ho-he Werte wie Befunde aus Siedlungs-kontexten erreichen. Eine regelrechteDeponierung unbrauchbar geworde-ner Keramik in den Gräben lässt sichjedoch nicht feststellen. Aufschluss-reich ist die große Keramikmenge inSchichtenformation 6/2. Sie stellt einSchichtenpaket aus einer der jünge-ren Siedlungsphasen dar, das über ei-nem der inzwischen verfüllten Grä-ben und damit definitiv am Rand derSiedlung der zugehörigen Phase lag.Dies deutet darauf hin, dass zumin-dest während einer jüngeren Sied-lungsphase ein großer Prozentsatz desMülls am Rande der Siedlung abge-lagert wurde. Als Ergebnis des Ver-gleichs von Siedlungsperipherie undSiedlungszentrum lässt sich festhal-ten, dass offensichtlich ein substan-tieller Teil des anfallenden Mülls imBereich der Häuser verblieb, ein an-derer Teil – vielleicht der Rest undeventuell im Zuge sekundärer Umla-gerungsprozesse – wurde an der Sied-lungsperipherie deponiert. Regelrech-te Mülldeponien, die einen Hinweisauf ein Müllmanagementsystem dar-stellen könnten, wurden jedoch nicht

entdeckt.

Müllmenge

Im vorhergehenden Kapitel zeigte sichbei einem Vergleich der nachweis-baren Möglichkeiten der Müllentsor-gung, dass offenbar ein großer Teildes Mülls in der unmittelbaren Hau-sumgebung verblieb. Jetzt muss aller-dings noch geklärt werden, wie großdieser Anteil war, um ausschließenzu können, dass der Müll in ar-chäologisch nicht nachweisbarer Wei-se entsorgt wurde. Dies scheint an-hand der Keramik am ehesten mög-lich, wenn man einige ethnoarchäo-logisch ermittelte Parameter zugrun-de legt und auf ihrer Basis die jähr-lich anfallende Menge an Keramik-bruch modelliert. Aus einer Zusam-menstellung älterer ethnoarchäologi-scher Forschungen zur Lebensdauervon Keramik von M. D. Varien und B.J. Mills (1997, 145 ff. bes. 152 mitTab. II) lässt sich ein Durchschnitts-wert von 3 Jahren ermitteln (Median),wobei die Schwankungen allerdingserheblich sind: Thermischen Prozes-sen ausgesetzte, häufig benutzte Ke-ramikgefäße wie Kochtöpfe (die amhäufigsten untersuchte Gattung) ha-ben im Median lediglich eine Lebens-dauer von 1,7 Jahren, während ritu-ell genutzte Gefäße im Durchschnitterst nach 11,6 Jahren brechen. Wirgehen von dem obigen Durchschnitts-wert von 3 Jahren aus. Der zwei-

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te wichtige Faktor ist die Gefäßan-zahl pro Haus. Aus dem während derBenutzung vollständig abgebranntenHaus 1 ließen sich 28 Gefäße rekon-struieren. Deshalb gehen wir davonaus, dass in einem Haushalt ca. 28Gefäße gleichzeitig in Benutzung wa-ren. Der dritte Faktor ist das Gewichtder Gefäße. Vollständig erhaltene klei-nere Gefäße bringen weniger als 1 kgauf die Waage, während die größe-ren, von denen keines vollständig er-halten ist, deutlich mehr gewogen ha-ben dürften. Im Folgenden rechnenwir mit einem Keramikgewicht von1 kg. Aus diesen Zahlenangaben er-gibt sich, dass je Hausstelle ein An-fall zerbrochener Keramik in der Grö-ßenordnung von 930 kg pro 100 Jah-re angenommen werden kann (28 Ge-fäße * 1 kg * 100 Jahre / 3 Jah-re). Geht man ferner von einem Vo-lumen von 76,5 m3 aus, das für jedeHausstelle in 100 Jahren anfällt (153m2 Fläche * 0,5 m Schichtakkumula-tion pro 100 Jahre), so gelangt manzu einer zu erwartenden Keramikmen-ge von ungefähr 12,2 kg/m3. Für dieinnerhalb der Siedlungen gelegenenSchichtenformationen 3/2 und 4/2ließ sich ein tatsächlicher Keramikan-fall von 3,47 bzw. sogar 7,44 kg/m3

errechnen (s. o.). Die Gegenüberstel-lung der obigen, zugegebenermaßenmit zahlreichen Unsicherheiten behaf-teten Modellrechnung mit den tat-sächlichen Fundmengen zeigt ein er-

staunliches Ergebnis: Danach ver-blieb ein großer Teil des Keramik-bruchs im unmittelbaren Bereich derHäuser. Angesichts der dort eben-falls geborgenen großen Fundmengenbei anderen Fundkategorien – Silexund Felsgesteinwerkzeuge – scheintes statthaft, diesen Befund auch aufdiese Materialgattungen zu übertra-gen. In der Konsequenz würde diesein Müllverhalten der Bewohner vonOkolište nahe legen, dass unsereneuropäisch-westlichen Gepflogenhei-ten und Empfindlichkeiten diametralentgegenläuft: Die Menschen wohn-ten zwar nicht im wörtlichen Sinneauf und in ihrem Müll, da das Inne-re der Häuser relativ sauber gehaltenworden zu sein scheint, aber doch inseiner unmittelbaren Nachbarschaft,was massive olfaktorische und visuel-le Konsequenzen gehabt haben dürfte.Vor dem Hintergrund des tagtäglichenUmgangs mit Müll in verschiedenenStadien des Vergehens erscheint einfür uns ebenso unverständliches Ver-halten – nämlich die Deponierung vonmenschlichen Leichen in einem derumlaufenden Gräben, die dort offen-sichtlich verwesten (Müller-Scheeßelet al. 2009) – zumindest unter demAspekt der visuellen und Geruchsbe-lästigung weniger erstaunlich. Da dasVergehen organischer Materialien fürdie Menschen von Okolište offensicht-lich keine Zumutung darstellte, warauch der Anblick verwesender Leichen

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für sie eventuell nicht so unerträglichwie für uns heutzutage. Dies erklärtselbstverständlich nicht die ursprüng-liche Motivation, die Leichen im Gra-ben zu deponieren, aber das Belas-sen der Leichen dort muss zumindestnicht auf eine Erklärung ausweichen,die von einem zeitweiligen Verlassender Siedlung ausgeht, da die verwe-senden Leichen mit einer gleichzeiti-gen Besiedlung nicht vereinbar schei-nen.

Schluss

Es gibt wohl kaum einen ande-ren menschlichen Siedlungstyp, derseine Erscheinungsform so eindeu-tig dem Müll von Generationen ver-dankt wie den Tell. Gerade deshalbist die von J. Chapman (2000) fürdie Tells Südosteuropas aufgeworfe-ne Frage „‚Rubbish-dumps‘ or ‚Pla-ces of Deposition‘?“ zweifelsohne vongroßer Relevanz. Sie impliziert näm-lich, dass man Tells wie Okolište nichtnur als ‚Müllberge’ sehen kann odersollte, sondern auch als Orte gezielterDeposition und Aneignung vergange-ner Objekte. Die offensichtliche Praxisder Menschen im zentralbosnischenNeolithikum, unbrauchbar gewordeneGegenstände in der Nähe ihrer Häu-ser zu entsorgen, illustriert das en-ge Verhältnis der Menschen zu ih-ren Objekten recht gut. Möglicherwei-se ein beabsichtigter Nebeneffekt die-ser Art des Müllmanagement war es,

dass geeignete Objekte zum Recyclingjederzeit in ausreichender Zahl undgroßer Vielfalt zur Verfügung standen.Der Umgang mit und die Einstellungzu Müll ist ein wichtiger Bestandteildes Zivilisationsprozesses der abend-ländischen Gesellschaft, wie ihn Elias(1969) eindringlich aufgezeigt hat. DieBedeutung des Zivilisationsprozesses– und der seiner Entzauberung durchElias – liegt darin begründet, dass eruns vieles selbstverständlich erschei-nen lässt, was in Wirklichkeit keines-wegs selbstverständlich ist. Die Emo-tionen und Reaktionen, die Müll her-vorruft, gehören unzweifelhaft dazu.Dass dem so ist, zeigt ein Fallbeispielwie Okolište schlaglichtartig, da dieBewohner offenbar einen Umgang mitihrem Müll pflegten, der uns fremd,wenn nicht sogar abartig vorkommt.Wir sollten nicht den Fehler begehen,unsere Einstellungen auf andere Kul-turen – worunter hier auch die prähis-torischen gezählt seien – zu übertra-gen und deshalb die Indizien für einenandersartigen Umgang mit Müll ent-weder abzulehnen oder als Belege fürdie Rückständigkeit der neolithischenMenschen anzusehen. Die Balance zuhalten zwischen Faszination und Ab-scheu, zwischen einer Eingemeindungdes Fremden und dem Abgestoßen-sein davon (Veit 1998) ist auch undgerade in Hinsicht auf das Müllver-halten prähistorischer Gesellschaftennotwendig.

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Dr. Nils Müller-Scheeßel

Dr. Knut Rassmann

Römisch-Germanische Kommission

des Deutschen Archäologischen Instituts

Palmengartenstr. 10-12

60325 Frankfurt am Main

[email protected]

[email protected]

Robert Hofmann M. A.

Prof. Dr. Johannes Müller

Institut für Ur- und Frühgeschichte

Christian-Albrechts-Universität

24098 Kiel

[email protected]

[email protected]

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3 Vorwort

W. Schönleber 7 Das Phänomen „Raubgräberei” und die damit verbundenen Problemfelder der Ermittlungsbehörden

Ph. Stockhammer23 Status und Performanz mykenischer Gelage: Neue Forschungen zum spätbronzezeitlichen Tiryns

G. Schöbel43 Von Unteruhldingen bis Groß Raden – Konzepte zur Rekonstruktion ur- und frühgeschichtlicher Denkmäler im 20. Jahrhundert

N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann, J. Müller und K. Rassmann67 Müllmanagement in einem spätneolithischen Tell Zentralbosniens