Typographie in deutschen Skateboard-Magazinen – Rebellion am Zeitungsstand?
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Transcript of Typographie in deutschen Skateboard-Magazinen – Rebellion am Zeitungsstand?
Universität Siegen Philosophische Fakultät Germanistik Angewandte Sprachwissenschaft HS Sprache und Bild Dr. Erika Linz WS 2011/2012
Seminararbeit:
Rebellische Schrift? Soziale Relevanz von Typographie am Beispiel
Deutscher Skateboard-Magazine
Student: Artur Kiefel
Matrikelnummer: 1089863
Email: [email protected]
Studiengang: Angwandte Sprachwissenschaft KFB
Fachsemester: 1
Modul 2: Funktionale und soziale Sprachvariation
2.3: Fachkommunikation
Kreditpunkte: 7
Datum: 20.03.2012
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung ............................................................................................................................................ 1
2. Theoretischer Rahmen .................................................................................................................... 1
2.1 Funktionen von Typographie........................................................................................................ 1
2.2 Typographie und Stil ..................................................................................................................... 4
2.3 Subkultur Skateboarding .............................................................................................................. 6
3. Analyse .............................................................................................................................................. 9
3.1 Monster Skateboard Magazine .................................................................................................... 9
3.2 Limited Skateboarding Magazine .............................................................................................. 10
3.3 Place For Skateboard Culture.................................................................................................... 11
3.4 Kingpin Skateboarding ................................................................................................................ 12
3.5 Vergleich ....................................................................................................................................... 13
4. Fazit .................................................................................................................................................. 15
5. Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 16
1
1.Einleitung
Bei Subkulturen oder anderen Jugendszenen ist die Schriftwahl oft ein mitunter
identitätsstiftendes Stilelement. Die typographischen Selektionen auf beispielsweise CDs,
Postern, Flyern, Magazinen oder T-Shirts, die sich einer bestimmten Szene zuordnen lassen,
tragen soziale Relevanz: Schriftart, Schriftgröße, Schriftfarbe oder eine distinktive Anordnung
der Schrift auf dem jeweiligen Medium kommunizieren oftmals Aspekte des
Selbstverständnisses der Gruppe, wie z.B. gotische Schriftarten in der Metal-Szene, die auf
die Vorliebe der Subkultur für nordische Mythologie hinweisen.
Diese Arbeit geht der Frage nach, inwiefern die typographische Gestaltung in der
Subkultur oder Szene „Skateboarding“ soziale Relevanz trägt. Skateboarding ist eine
Subkultur, die von Beginn an rebellischen Charakter besaß: „[…] skateboarding provided an
outlet for challenging the forces of social conformity“ (Ryu 2005:305); dies gilt nun potentiell
nicht nur für die rein „sportliche“ Seite dieser Aktivität, die auf herkömmliche Trainingszeiten,
feste Regeln oder stringente Organisationsformen verzichtet, sondern für alle
Kommunikationsformen, die mit dieser Kultur einhergehen und damit das Wertesystem und
die Einstellungen reflektieren, wie beispielsweise Magazine, T-Shirts oder Kleidung.
Anhand einer Auswahl kontemporärer deutscher Skateboard-Magazine soll untersucht
werden, ob sich in dieser Subkultur Muster in der typographischen Gestaltung von
Titelseiten, oder „Covers“, ableiten lassen, die auf den non-konformen Charakter der Aktivität
hinweisen. Das theoretische Fundament soll aus drei Komponenten bestehen: 1. allgemeine
Funktionen der Typographie; 2. Typographie als Stilelement und 3. Subkulturen und
Skateboarding.
2. Theoretischer Rahmen
Im folgenden Teil werden die relevanten theoretischen Aspekte, die für eine fundierte
Analyse notwendig sind, aufgearbeitet. Zunächst sollen allgemeinere Gesichtspunkte zu
Typographie vorgestellt werden. Da die Typographie eines der Stilelemente von Subkulturen
oder Szenen ist, soll in 2.2 näher auf Stil und die Funktionen, die Typographie bei der
Stilkonstitution übernimmt, eingegangen werden. Bevor es an die konkrete Analyse der
Daten geht, werden in 2.3 notwendige Positionen zu Subkulturen und Skateboarding
präsentiert.
2.1 Funktionen von Typographie
Spitzmüller (2006:213) definiert Typographie, unter Bezugnahme auf Rautenberg, als die
„visuelle Darstellung von Schriftsprache im Druck“, wobei „Druck“ auch andere
Publikationsformen, wie z.B. elektronische, miteinschließt. Die Gestaltungsebenen umfassen
dabei u.a. die Schriftwahl, Textauszeichnung, Anordnung der Schriftzeichen auf der Fläche,
Einbindung von Abbildungen bis hin zur Wahl des Zeichenträgers und bei elektronischen
2
Dokumenten die Gestaltung des Hintergrunds. Die kommunikative Relevanz der
Typographie wurde in der Linguistik und Semiotik lange vernachlässigt: die typographische
Gestaltung sollte freie Sicht auf den „kostbaren Inhalt“ bieten und durfte nicht als „störende,
ablenkende Hülle“ fungieren, die eine reibungslose Kommunikation blockiert (Spitzmüller
2009:98).
Durch die Erkenntnis, dass es sich beim Lesen von Texten nicht um einen linearen
Prozess handelt, sondern um einen, der sich in Saccaden- und Fixationsphasen vollzieht,
kam vermehrt linguistisches Interesse an Typografie auf. Texte werden demnach als
mindestens zweidimensionale, räumliche, hierarchisch strukturierte Gebilde wahrgenommen,
in welchen sich schließlich die Wirkung von textgestalterischen Elementen entfalten kann
(vgl. Spitzmüller 2006:209f). Ein weiterer Grund ist mediengeschichtlicher Natur: durch die
Verbreitung des Personal-Computers erreichten Möglichkeiten und eine Sensibilisierung für
Textgestaltung die „Laien“ und war nicht länger eine Experten-Domäne. Es entstanden
vermehrt Texte verschiedener Arten, die von der Linguistik nicht weiter ignoriert werden
konnten (vgl. Spitzmüller 2006:211f).
Das linguistische Interesse ist grundlegend in zwei Kategorien unterteilt: die
textorganisierende Funktion und die stilistische Funktion von Typographie. Die
textorganisierende Funktion wird u.a. in den Bereichen der Textverständlichkeitsforschung
oder Text- und Medienlinguistik untersucht und beschäftigt sich hauptsächlich mit der
„Lesbarkeit“ von Texten, die durch mikro-, meso-, makro-, und paratypographische
Gestaltungsmittel beeinflusst wird, also u.a. Schriftart, Schriftgröße (Mikrotypographie),
Wortabstand, Zeilenabstand (Mesotypographie), Fußnoten, Absätze (Makrotypographie)
aber auch Papierqualität und Herstellungsverfahren (Paratypographie). Der stilistische
Bereich beschäftigt sich mit Fragen, inwieweit spezifische Textgestaltungen den
Interpretationsrahmen mitprägen: wird eine Textsortenerwartung generiert, werden
Gruppenzugehörigkeiten signalisiert, wirken bestimmte Gestaltungsmittel expressiv oder
appellativ? Arbeiten auf diesem Gebiet finden sich u.a. in der Graphostilistik oder
Sozialstilistik (vgl. Spitzmüller 2009:103).
Unter Bezugnahme auf Gerd Antos beschreibt Spitzmüller (2006:222) fünf Funktionen
von Typographie:
1. die ästhetische Funktion (Formwirkung der Typographie)
2. die epistemische Funktion (Kennzeichnung verschiedener Hierarchieebenen im
Text z.B. durch Überschriften, Gliederungen und Textauszeichnungen; Visualisierung
des Aufbaus eines Textes)
3. die motivationelle Funktion (Aufmerksamkeit auf die Lektüre erzeugen und den
Leser „einfangen“)
4. die synoptische Funktion (die Funktion verschiedene Textelemente und Text-
Bildelemente auf einer Seite zu verknüpfen)
3
5. die rekontextualisierende Funktion (Einbettung von Elementen aus anderen
Kontexten, z.B. Gedichte auf T-Shirts)
Spitzmüller merkt dazu an, dass andere wichtige Funktionen nicht in Antos Liste auftauchen:
- die konnotative Funktion (Assoziationen hervorrufen)
- die expressive Funktion (Gruppenzugehörigkeit und Einstellungen des Schreibers
ausdrücken)
- die indizierende Funktion (Hinweise auf Entstehungszusammenhänge des Textes
oder der Textsorte)
- die emulative Funktion (in etwa: Schriftbildlichkeit; mit Typographie andere mediale
Repräsentationsformen imitieren, z.B. prosodische Merkmale einer Äußerung durch
typographische Gestaltung darstellen).
Die jeweilige Funktion hängt stark vom Verwendungszusammenhang ab; die jeweiligen
Aspekte schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können je nach Kontext auch
überlappen. Zudem entfalten typographische Mittel ihre Funktion immer erst in Abhängigkeit
oder Kontrast zum typographischen, medialen Umfeld und Textinhalt (vgl. Spitzmüller
2006:223).
Die sozialen Funktionen von Typographie in medialen Erzeugnissen einer Subkultur
stehen im Fokus dieser Arbeit, deswegen soll an dieser Stelle noch tiefer auf den
stilistischen Bereich eingegangen werden. Im Kontext von (musikalischen) Subkulturen
bezeichnet Androutsopoulos die Wahl von typographischen Gestaltungsmitteln, die einen
Text sozio-kulturell verorten als den „emblematic aspect“ von Typographie (vgl.
Androutsopoulos 2004:1). Dies lässt sich an Spitzmüllers (vgl. 2006:229ff.) Ausführungen zu
Typographie als Bedeutungsträger anknüpfen: bestimmte mikrotypographische
Gestaltungsmittel tragen konnotativen Gehalt, die die Bedeutung eines Textes für den
Rezipienten prägnant prägen können. So können etwa Fraktur-Schriftarten bestimmte
Assoziationen zu historischen Epochen, aber auch zu rechts-orientieren politischen Gruppen
oder anderen Genre hervorrufen. Auch die mesotypographische Gestaltung hat Einfluss auf
die Rezeption: im 18. Und 19. Jahrhundert beispielsweise galt ein „Anstandsrand“ in Briefen
als Indikator für den sozialen Rang des Verfassers. Auf diese Weise wird eine spezifische
Textgestaltung, unter Rückgriff auf Peirce (vgl. Spitzmüller 2006:232), zu einem Zeichen
oder zu einem semiotischen System. Es bietet sich hier die Unterscheidung zwischen Ikon,
Index und Symbol an - Objektreferenzen, die die Interpretationsmöglichkeiten
typographischer Gestaltung und seine jeweiligen Zuschreibungen verdeutlichen. Demnach
kann eine Schrift beispielsweise als Ikon fungieren, wenn eine Ähnlichkeitsbeziehung
zwischen Schrift und Kommunikat vorliegt, etwa klein in einer sehr kleinen Schriftgröße,
vorausgesetzt der umgebende Text ist einer größeren Schriftgröße verfasst. Weiter kann
Schrift als Index fungieren, in dem die jeweilige Schrift auf eine Sprechergruppe oder Epoche
verweist, die diese für gewöhnlich benutzt bzw. benutzt hat, etwa die Verwendung einer
Frakturschrift als Index oder Hinweis auf den Entstehungskontexts des Texts. Ein
4
symbolischer Charakter liegt dann vor, wenn eine bestimmte Textgestaltung durch
Zuschreibung bestimmte Assoziationen hervorruft, z.B. das oben genannte Beispiel der
Frakturschrift als Symbol für politisch rechte Gruppen. Hier gilt es allerdings zu beachten,
dass der Zeichencharakter nur dann vorliegt, wenn die typographischen Elemente vom
Rezipienten auch als Zeichen wahrgenommen und interpretiert werden - „typographisches
Wissen“ ist die Voraussetzung (vgl. Spitzmüller 2006:232f.). Dieses Wissen ist sehr stark
zeit-, kultur-, und rezipientenabhängig und bestimmt die Lesart eines Textes, weshalb
bestimmte typographische Gestaltungsmittel als Stilelemente bestimmter Gruppen und
Szenen verwendet werden, wie Androutsopolous (2004:2) anführt: „[…] all music-related
subcultures use typography as a resource for the creation and propagation of an aesthetic
identity“. Dabei ist aber auch zu beachten, dass Typographie allein nicht genügt um einen
Text einem (subkulturellem) Genre zuzuordnen, es handelt sich vielmehr um einen „genre
cue“, der zusammen mit anderen Ausdrucksformen einen Hinweis auf die sozio-kulturelle
Verortung liefert: „[…] type is only one among several resources for the expression of social
identity in media discourse, alongside e.g. lexical choices“ (Androutsopolous 2004:2). Ein
Beispiel hierfür ist die Verwendung von „gotischen“ Schriftarten zum einen im oben schon
erwähnten Bereich der rechts-orientierten Gruppen und damit auch der szenennahen Musik,
aber auch im „Hard-Core“ Hip-Hop, zwei Stilrichtungen, die sich ideologisch sehr stark
voneinander unterscheiden. Dabei liefert die Schriftart allein nicht genug Evidenz um eine
eindeutige Zuschreibung vorzunehmen.
In diesem Abschnitt wurde auf allgemeine Aspekte und Funktionen von Typographie
eingegangen. Der folgende Abschnitt behandelt Thema Stil und Typographie noch etwas
eingehender.
2.2 Typographie und Stil
Auch wenn es für den Stilbegriff, ähnlich dem Kulturbegriff, unzählige Definitionen und
Beschreibungsansätze gibt (vgl. Crsytal 2010:68), lässt sich hier allgemein aus
sprachwissenschaftlicher Perspektive festhalten, dass Stil die Art und Weise ist, in der
linguistische Elemente verwendet werden und dabei distinktiven Charakter haben. Anders
ausgedrückt ist er die bewusste Wahl spezifischer semiotischer Ressourcen oder anderer
kommunikativer Mittel, die einen Sprecher oder Sprechergruppe von anderen unterscheidet
oder auch abhebt1. Stil ist eine sozial relevante Zeichenwahl, mit der sich ein Sprecher im
sozialen Gefüge situiert - der oben genannte „Anstandsrand“ wäre ein Beispiel hierfür (vgl.
Spitzmüller 2206:234). Jede sprachliche Ebene ist relevant für einen spezifischen Stil:
Phonologie und Phonetik, Graphologie (was die Typographie miteinschließt), Morphologie,
1 Man kann hier einen evaluativen oder deskriptiven Beschreibungsansatz von Stil vorbringen. Deskriptiv meint einen Stil, der sich ohne Wertung von anderen Stilen unterscheidet, etwa „gotischer“ oder „romanischer“ Stil, während evaluativ wertend gemeint ist: jemandem Stil zusprechen wird als Kompliment aufgefasst, und ist in seinen Eigenschaften eher vage, außer der positiven Abhebung von einem undefinierten Hintergrund.
5
Syntax und Grammatik, Lexik und Semantik und Pragmatik. Hinzu kommen nonverbale und
alle anderen Zeichen bzw. Formen, denen wir Bedeutung zusprechen (vgl. ebda.): Gestik,
Mimik, Kleidung, Musik, Architektur etc.
Besonders bei Subkulturen und Jugendszenen übernimmt die Textgestaltung, wie oben
schon angedeutet, eine stilprägende Funktion, dabei spielt die Lesbarkeit oft nur eine
sekundäre Rolle. In der Graffiti-Szene etwa, geht es den sogenannten „Writern“ vor allem
darum Buchstaben zu „verschlüsseln“ und sich damit von Szenefremden abzugrenzen. Der
Writer erzeugt so Aufmerksamkeit und macht szeneinhärent Werbung für sich selbst –
„guter“ Stil bei Writern ist geprägt von der gekonnten Kombination gewisser Buchstaben, die
in der Szene einen sehr starken konnotativen Gehalt tragen und bestimmte
Charakterattribute zugeschrieben werden, die es zu kennen gilt. Was für Außenstehende wie
„Gekritzel“ aussieht, ist oftmals ein sehr durchdachtes und vielen Regeln folgendes
Arrangement von typografischen Gestaltungsmitteln, welches letztendlich eine
identitätsstiftende Funktion besitzt. Der Graffiti-Künstler signalisiert zum einen den Bruch mit
bürgerlichen Konventionen und Wertvorstellungen, handelt es sich beim „Sprühen“ prinzipiell
um einen illegalen Akt, und grenzt sich nach außen ab, zum anderen erlangt er durch guten
Stil innerhalb der Szene Prestige, was seine soziale Stellung innerhalb der Szene aufwertet
(vgl. van Treeck 2003:102ff.).
Oft bildet sich der Stil einer Gruppe oder Szene durch die „Destandardisierung“
kommunikativer Mittel aus dem Bestand der Standardsprache. Sprachliche Mittel werden in
spezifischer Weise umgewandelt und zu einem Stilmuster zusammen gefügt, was als
„Bricolage“ bezeichnet wird:
„Dies bedeutet, dass sprachliche Elemente aus verschiedenen Kulturen und medialen Bereichen (z.B. Werbung, Fernsehen, Öffentlichkeit) aus der Matrix bestehenden der bestehenden Kontexte herausgelöst und in einen neuen sprachlichen und jugendkulturellen Kontext überführt werden“ (Neuland 2008: 140).
Androutsopolous führt als Beispiel für diese Übernahme sprachlicher Mittel oder
semiotischer Ressourcen in einen neuen Kontext die Typografie verschiedener Musik-
Subkulturen an: so verwenden viele Heavy-Metal Bands „gotische“ Schriftarten, die
gewissermaßen aus der nordischen Mythologie und mittelalterlichen Symbolik herausgelöst
werden und in den Kontext dieser musikalischen Stilrichtung eingebettet werden. Auf diese
Weise wird der konnotative Gehalt bestimmter Schriftarten oder Zeichen erweitert oder auch
verändert (vgl. Androutsopolous 2004:3).
Auf der anderen Seite können auch andere Gruppen auf diese Ressourcen zugreifen,
etwa um sich in ironischer Weise von dieser Gruppe abzugrenzen oder aber auch vom
Prestige der jeweiligen Gruppe zu profitieren. Abbildung (1) zeigt ein Beispiel hierfür: die
Skateboard-Marke Anti Hero übernimmt die Typographie der Marke Coca-Cola auf einem
Getränkekühler – aufgrund des Namen und des Images der Skateboard-Marke, dient die
Imitation der Typographie m.E. als ironische Abgrenzung von diesem weltweit operierendem
Konzern:
6
(1) Links der Getränkekühler der Marke Anti Hero; rechts der Schriftzug der Marke Coca- Cola. In diesem Fall grenzt sich die Skateboard-Marke vom Weltkonzern durch die ironische Zweckentfremdung der typographischen Gestaltung ab.
So greifen Werbung und Medien oft auf typographische Ressourcen einer Gruppe zurück,
um diese Gruppe für ihr Produkt zu gewinnen oder durch die mit der jeweiligen Ressource
verbundenen positiven oder kreativen Konnotationen von deren Prestige zu profitieren bzw.
wie in (1) ein ideologisches Statement abzugeben. Auf diese Weise werden bestimmte
semiotische Ressourcen verbreitet und semiotisches und typographisches Wissen
aufgestockt. Dies kann wiederum dazu führen, dass die Exklusivität gewisser
sozialsymbolisch besetzter Zeichen verringert wird und letztendlich zu einer Veränderung
des typographischen Stils führen kann (vgl. Spitzmüller 2006:237f.).
In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass typografische Gestaltung bei bestimmten
Gruppen oft eine identitätsstiftende und mitunter stildefinierende Funktion übernimmt.
Gerade bei Gruppen, die sich am Rande der Legalität, wie etwa die Graffiti-Szene, bewegen,
dient Typographie als Abgrenzungswerkzeug. Andere Stile übernehmen oft typographische
Mittel aus der Standardsprache und setzen diese bewusst rekontextualisierend ein. Das
semiotische Wissen um bestimmte typografische Gestaltungsmerkmale oder andere
Elemente des jeweiligen kommunikativen Stils, etwa der Jargon der Szene, ist ein wichtiger
Indikator für Gruppenzugehörigkeit.
Im Folgenden werden Eigenschaften von Subkulturen im Allgemeinen und Charakteristika
der Subkultur Skateboarding im Besonderen beleuchtet.
2.3 Subkultur Skateboarding
Eine Subkultur ist ein Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen,
Bräuchen, Präferenzen, Normen, Werten etc. in einem wesentlichen Ausmaß von den
herrschenden Institutionen, Bräuchen, Präferenzen usw. der Gesamtgesellschaft
unterscheidet (vgl. Farin 2008:65). Aufgrund der komplexen Beziehungsgeflechte und
unterschiedlichen „Normen- und Wertekataloge“ in einer konkreten Gesellschaft, ist es
jedoch schwierig verbindliche Gemeinsamkeiten der Mehrheitsgesellschaft festzumachen
und somit eindeutig abweichende Gruppen zu definieren: Menschen können gleichzeitig
mehreren Kulturen oder auch Subkulturen angehören, weshalb eine eindeutige Definition
einer spezifischen Subkultur schwierig wird – Werte von Individuen in einer Gruppe
7
überlappen oder lassen sich nicht strikt voneinander trennen. Heute wird deshalb oft auch
der Begriff „Szene“ verwendet, der eine nicht so strenge Separation von Lebensstilen
nahelegt: „Szene meint ein loses Netzwerk von Menschen mit ähnlichen Orientierungen
und/oder Interessenlagen, vor allem zur Freizeitgestaltung. Szenen sind freiwillige
Gemeinschaften oftmals Gleichaltriger, in der Regel überregionale Phänomene mit lokalen
Anbindungen“ (ebda.). Ob nun Subkultur oder Szene, es handelt sich um Netzwerke von
Individuen, die bestimmte Werte teilen und sich dabei potentiell von einer Haupt- oder
„Mainstream“-Kultur unterscheiden. Dabei spielt der Stil einer Szene eine tragende Rolle:
Stil ist das Kernsegment der gemeinsamen kulturellen Praxis jeglicher Jugendkulturen, denn Stil erzählt von ihren spezifischen Ideen und Inhalten, vom Selbstbewusstsein und Wissen seiner Träger. Erst Stil konstituiert die Identität der Kultur und schließt diejenigen aus, die über notwendige Stil-Sicherheit nicht verfügen (Farin 2008:71).
Ein weiterer wichtiger Aspekt solcher Szenen oder Subkulturen sind ökonomische oder
kommerzielle Aspekte: durch ihren spezifischen Stil werden sie vor allem auch für
Außenstehende oder Werbung und Medien interessant, die, wie oben schon angedeutet, oft
vom Prestige einer Szene durch die Imitation bestimmter Stilelemente profitieren wollen. Es
wird großer Wert darauf gelegt unter sich zu bleiben und sich vom Mainstream abzuschotten,
doch damit wird dem Kommerz die Tür geöffnet: auch Underground-Musik benötigt das
nötige Equipment um produziert zu werden, die Musik wird zunächst szenenintern
vermarktet, was zu einer steigenden Popularität führt, die letztendlich auch Szenefremde
erreichen kann. Sogenannte „Fanzines“ entwickeln sich zu professionell-gestalteten Medien,
in denen Werbung geschaltet wird, oder berühmte Writer oder Sprayer bekommen Angebote
ihre Werke in Galerien auszustellen. Es kommt zu einem „lukrativen Transfer eines
subkulturellen Stils in Konfektionsware für (fast) alle“ (Farin 2008:75) auf Kosten von
Modifikationen des ursprünglichen Stils und Verlust von Exklusivität (vgl. ebda.:74f.).
Viele dieser Aspekte von Subkulturen oder Szenen treffen auf Skateboarding zu. Aus der
kalifornischen Surfkultur der 1950er Jahre entstanden, bewegt sich Skateboarding
mittlerweile in einem Rahmen von Kommerzialisierung und individuellem Ausdruck eines
Lebensstils (vgl. Krosigk &Tscharn 2000:19). Auf der einen Seite steht ein unumstrittener
athletischer Aspekt, denn Skateboarding verlangt viel Übung, Praxis und filigrane bis
kräftezehrende körperliche Bewegungsabläufe. Auf der anderen Seite geht mit dieser
Aktivität das Wissen um bestimmte identitätsstiftende, kulturelle Praktiken einher, etwa das
Kennen des Szene-Jargons, ungeschriebene Verhaltensvorschriften an Skateplätzen und
Mode- und Musikselektion (vgl. Ryu 2005:305). Ferner spielte seit jeher eine Position der
Rebellion und Unangepasstheit eine wichtige Rolle: „From ist beginnings in the late 1950s,
skateboarding provided an outlet for challenging the forces of social conformity“ (ebda.).
Ryus Studie liefert eine semiotische Analyse eines amerikanischen Skateboard-Magazins,
dem Transworld Skateboarding Magazine. Durch die Wahl von umgangssprachlicher
Sprache und spektakulären Abbildungen von Skateboardern, soll das Magazin vor allem
Jugendliche ansprechen. Unter Bezugnahme auf Danesi argumentiert Ryu (vgl. 2005:306),
8
dass alle Merkmale einer Subkultur, wie der Szene-Jargon oder Bekleidung, Codes sind um
die grundlegende Unterscheidung zwischen ihnen selbst und älteren Menschen zu
etablieren. Überschriften wirken oft informell und visuell expressiv,
aufmerksamkeitserzeugende Elemente wie fett-gedruckte Wörter und Sätze treten in den
Vordergrund gegenüber informativen Elementen. Die Präsentation von Bildern von
Skateboardtricks steht im Transworld im Mittelpunkt. Text übernimmt dabei nur eine
komplementäre Funktion. Laut Ryu fördert das Magazin durch seinen visuellen Fokus, seine
Simplizität und spezifischen „jugendlichen“ Charakter den Widerstand gegen die
Mainstream-Kultur. Jedoch reflektiert das Heft gleichzeitig die Wechselwirkungen des
subkulturellen Stils von Skateboardern und den Einfluss der Popkultur auf Mitglieder der
Skater-Szene, was wiederum verdeutlicht, dass sich bei Skateboarding nicht mehr eindeutig
um eine rein „rebellische“ Bewegung handelt:
Every aspect of this magazine corresponds to a characteristic of the skateboard movement, in which they focus on creating distinctions from the mainstream culture. However, along with expressing the resistance against homogeneity, the magazine also reflects the influence of popular culture on adolescent skateboarders (Ryu 2005:310).
Beim Skateboarding handelt es sich also um eine Szene, die in vielerlei Hinsicht Opposition
gegen bürgerliche, „normale“ Wertvorstellungen und kommunikative Mittel propagiert. Im
oberen Teil wurde gezeigt, dass Typographie oftmals einen wichtigen Indikator für das
Selbstverständnis von bestimmten Szenen oder Subkulturen und damit ein signifikantes
Element des Kommunikationsstils darstellt.
Die typische Punk-Typographie z.B. spielt in seiner Form auf Erpresserbriefe an und
impliziert dabei Aspekte der „Illegalität“ und „Gegengesetzlichkeit“ (vgl. Spitzmüller
2006:237). An dieser Stelle macht es Sinn anzuführen, dass es sich bei Punk und
Skateboarding um zwei Szenen handelt, die in vielen Aspekten miteinander verwoben sind.
Es existiert beispielsweise das Genre „Skate-Punk“ 2 , was impliziert, dass gewisse
ästhetische und stilistische Elemente potentiell geteilt werden. Ein Beispiel für die
Verbundenheit beider Szenen ist in Abbildung (2) zu sehen, in dem die Punk-Band Rotting
Out den typographischen Stil des amerikanischen Skateboard-Magazin Thrasher auf einem
ihrer T-Shirts übernommen hat:
(2) Links das T-Shirt der Band Rotting Out, rechts das T-Shirt des Magazins Thrasher. Die typographische Ähnlichkeit weist auf eine gewisse Gleichgesinntheit beider Szenen hin.
2 Mehr Informationen zu dieser Musikrichtung hier: http://www.allmusic.com/explore/style/d7227.
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Aufgrund dieser Beobachtungen, zusammen mit den Ausführungen Ryus, liegt die
Vermutung nahe, dass in der Skateboard-Szene die typographische Gestaltung potentiell
ebenfalls eine „rebellische“ Funktion gegenüber der „Mainstream“-Kultur übernimmt. Im
folgenden Analyseteil soll dieser Frage anhand einer Auswahl deutscher Skateboard-
Magazine nachgegangen werden.
3. Analyse
Für die Analyse wurde ein Querschnitt aus Titelseiten, oder „Covers“, kontemporärer
deutschsprachiger Skateboard-Magazine gewählt. Im theoretischen Teil wurden die
Funktionen von Typographie, Stilbildung und wichtige Aspekte von Subkulturen und
Skateboarding aufgezeigt. Im Folgenden wird untersucht inwieweit diese Funktionen und
Eigenschaften der Szene in der typographischen Gestaltung medialer Repräsentanten der
Skateboard-Kultur zum Tragen kommen. Zunächst wird jedes Medium einzeln untersucht,
danach folgt ein kurzer Vergleich, der die gefundenen Aspekte nochmals kurz aufarbeitet.
3.1 Monster Skateboard Magazine
Den ersten Untersuchungsgegenstand bildet die Ausgabe 283 des Monster Skateboard
Magazine (siehe Abbildung (3)). Hierbei handelt es sich um das älteste deutsche
Skateboard-Magazin. Es wird durchgehend seit 1982 monatlich publiziert und kann als eine
Art „Anker“ in der deutschen Skateboard-Medienlandschaft betrachtet werden. Ähnlich den
Ausführungen Androutsopolous (2001) bezüglich HipHop-Magazinen, konstituiert sich das
Medienprofil eines Skateboard-Magazins hauptsächlich aus Interviews, Tourberichten, Foto-
Seiten, Werbeanzeigen, Porträts von Skateboardern oder Tipps und Tricks rund um die
Skateboard-Kultur.
(3) Monster Skateboard Magazin (Ausgabe März, 2010)
10
Auffällig an der Gestaltung dieses Covers ist die marginale Position der textgestalterischen
Mittel, die sich aus dem Arrangement der Fotografie des Skateboarders ergibt: die Sicht auf
den Trick soll frei bleiben, mikro- und mesotypographische Gestaltung rücken in den
Hintergrund. Der blaue Schriftzug skateboard übernimmt eine Art „eye-catcher“ Funktion,
somit die motivationelle Funktion, aufgrund des fetten Drucks und der Farbgebung, die einen
Kontrast zum weißen, neutralen Hintergrund bietet. Dabei wird der Rezipient auf den Titel
des Magazins gelenkt, welcher durch seine Schriftgröße eher unauffällig wirkt, was impliziert,
dass die mikrotypographische Gestaltung des hellblauen Schriftzug skateboard mit dem
Sternsymbol im Buchstaben o hier als eine Art Index für den Titel fungiert.
Die Schriftart im oberen „Titel-Bereich“ lässt sich einer Serifenlosen Schrift oder Frutiger
(vgl. Spitzmüller 2006:208) zuordnen, während die Schriftarten im „Foto-Bereich“ sowohl
serifenlosen als auch Serifenschriften zugeordnet werden können. So übernimmt die
Typographie auf diesem Cover vor allem auch eine epistemische Funktion, da sie die
verschiedenen inhaltlichen Themenbereiche bzw. die „Highlights“, die auf dem Cover
angepriesen werden, sowie Titel und produktionstechnische Aspekte des Magazins
(Ausgabe, Datum, Preis) visualisiert. Die Farbwahl der verschiedenen typographischen
Elemente beschränkt sich auf drei Farben, schwarz, weiß und hellblau, welches vermutlich
als Ergänzung zu den farblichen Komponenten auf der Fotografie dient. Aus all diesen
Faktoren ergibt sich ein relativ harmonisch wirkendes Cover; die typographischen
Gestaltungselemente neigen dazu in den Hintergrund zu rücken, die Fotografie des
Skateboarders bildet die gruppenidentifizierende Komponente. Der obere Titelbereich ist
Stilelement der Zeitschrift und etabliert in seiner typographischen Gestaltung den „Brand“
Monster Skateboard Magazine.
3.2 Limited Skateboarding Magazine
Das Limited Skateboarding Magazine wurde 1993 gegründet und erscheint seit 1994 alle
zwei Monate. Es ist das zweitälteste kontemporäre deutsche Skateboard-Magazin und
besitzt ein ähnliches Medienprofil wie das oben vorgestellte Monster Skateboard Magazine.
11
(4) Limited Skateboarding Magazine (Ausgabe März/April, 2011)
Ähnlich der Abbildung (3) rückt auch bei diesem Untersuchungsgegenstand die
typographische Gestaltung eher in den Hintergrund, womit die Sicht auf die Fotografie relativ
frei bleibt. Für den Titel wurde eine an Elegant-Script anmutende Schriftart gewählt, die auf
einer konnotativen Ebene, Assoziationen von Individualität und Einzigartigkeit hervorruft.
Zusammen mit den umgangssprachlichen, teilweise vulgären, Textelementen im Fotobereich
des Covers übernimmt die Schriftart dabei auch eine expressive Funktion: das Magazin
kommuniziert so eine offensichtliche Unseriösität, die für eine non-konforme Aktivität wie
Skateboarding typisch ist. Der Titel des Magazins ist auch hier abgesondert im oberen
Bereich des Covers zu finden, wobei für das Schlagwort Skateboarding ebenfalls andere
mikrotypographische Gestaltungsmittel eingesetzt wurden als für den Rest des Titels, d.h. es
ist größer und übernimmt auch hier eine motivationelle Funktion. Die restlichen Textelemente
sind in einer Serifenschrift gestaltet, womit sich eine epistemische Funktion ergibt, die
Unterscheidung des Titels des Magazins von den redaktionellen Inhalten wird durch die
typographische Gestaltung gekennzeichnet. Die Farbe der Schriften ist wie in (3) auch hier
so gewählt, dass sie komplementär zu den Farben auf der Fotografie wirkt. Insgesamt wirkt a
die Typographie eher unauffällig und strebt durch seine mikro-, meso- und
makrotypographische Gestaltung visuelle Harmonie an; die Fotografie bildet einen wichtigen
Index auf die Subkultur Skateboarding.
3.3 Place For Skateboard Culture
Das Place For Skateboard Culture Magazin erscheint monatlich seit dem Jahr 2008. Im
Gegensatz zu den oben genannten Magazinen, publiziert das Magazin auch regelmäßig
DVDs und Webinhalte, womit es sich nicht nur um ein klassisches Printmedium sondern um
eine intermediale Publikationsform handelt.
12
(5) Place For Skateboard Culture (Ausgabe Januar, 2009)
Hier lässt sich wieder festhalten, dass die Sicht auf die Fotografie des Skateboarders nicht
durch die typographische Gestaltung getrübt wird. Alle Textelemente treten in marginalen
Positionen auf und greifen in ihrer mikrotypographischen Farbgestaltung, den Inhalt der
Fotografie auf, d.h. auch hier ist die Farbwahl der Schrift auf die Farben im Foto abgestimmt.
Die Schriftarten lassen sich zum einen einer serifenlosen Schrift zuordnen, zum anderen
kann die Schriftart des Titels einer Displayschrift (vgl. Spitzmüller 2006:208) zugeordnet
werden. So wird eine epistemische Funktion der Typographie erreicht: die Trennung von
Titel und Inhalten wird visualisiert. Die Wahl der Displayschrift hat konnotativen Charakter, in
dem sie auf „Technologie“ oder auch „Moderne Publikation“ verweist, was sich mit dem
Medienprofil der Zeitschrift deckt und somit auch eine expressive Funktion zum Tragen
kommt: das Selbstverständnis der Zeitschrift in allen gängigen Publikationsformen Inhalte zu
produzieren wird durch die Wahl dieser Schriftart reflektiert.
3.4 Kingpin Skateboarding
Den letzten Untersuchungsgegenstand bildet das Kingpin Skateboarding Magazin, welches
seit 2002 monatlich auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch publiziert wird. Es
versteht sich also vor allem als Europäisches Skateboard-Magazin, dessen Medienprofil vor
allem aus Inhalten und Themen der oben genannten Länder konstituiert wird.
13
(6) Kingpin Skateboarding (Ausgabe August, 2011)
In diesem Beispiel übernimmt die typographische Gestaltung, neben der oben schon immer
wiederkehrenden Funktion der „Freimachung“ der Sicht auf die Fotografie, vor allem durch
die Farbwahl eine motivationelle Funktion: der Pink-Ton in zwei der Textelemente bildet
einen starken Kontrast zur schwarz/weiß Fotografie des Skateboarders. Wieder kommt der
Typographie eine epistemische Funktion zu, Titel und Inhalte werden abgegrenzt, wobei
sogar eine Hierarchieebene bei den Inhalten manifestiert wird: für das scheinbare „Highlight“
im redaktionellen Inhalt wurden andere mikro-, meso- und makrotypographische
Gestaltungselemente gewählt (größer, fetter, Farbakzente), wobei die restlichen
Inhaltsangaben in ihrer Gestaltung durch ihre Schriftart ikonischen Charakter bezüglich der
Gitterstäbe haben und dabei unscheinbar wirken. Für den Titel wurde eine Egyptienne-
Schriftart gewählt, wobei die visuelle Betonung durch mikrotypographische Gestaltung auf
Kingpin, weniger auf skateboarding, liegt. Teile der Schrift werden sogar vom Skater in der
Fotografie verdeckt, während skateboarding beinahe mit dem Hintergrund aufgrund von
Schriftfarbe und Größe „verschmilzt“. Durch die Gestaltung des Titels und eines inhaltlichen
Highlight durch kontrastierende Farbgebung werden „eye-catcher“ erzeugt, die jedoch letzten
Endes nur eine sekundäre Rolle spielen: die Fotografie des Skateboarders dient als Index
auf die Subkultur Skateboarding, womit ein Kaufanreiz für dieses Magazin geschaffen wird.
3.5 Vergleich Im Folgenden werden wichtige Aspekte der typographischen Gestaltungsmerkmale der
verschiedenen Medien noch einmal stichwortartig tabellarisch dargestellt:
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Medium Mikrotypographie Mesotypographie Makrotypographie Paratypographie
Monster Serifenlos und
Serifenschrift; Titel
und „Highlight“
farbig (hellblau) als
Referenz zum Foto;
Skateboard im Titel
hervorgehoben
ca. 44 Worte,
marginale Position
des Textes; links-
und rechtsbündig
Trennung von Titel,
Inhalt, Produktion
eindeutig;
Fotografie von
Skateboarder
Hochglanzpapier
Limited Elegant-Script für
Titel; Serifen für
Rest; Farbe als
Referenz zum Foto;
Skateboarding im
Titel hervorgehoben
ca. 31 Worte;
marginale Position;
linksbündig und
Blocksatz oben
Trennung von Titel,
Inhalten und
Produktion weniger
strikt; Fotografie von
Skateboarder
Hochglanzpapier
Place Displayschrift für
Titel; Rest:
Serifenlos; Farbe als
Referenz zum Foto
ca. 33 Worte;
marginale Position;
rechts- und
linksbündig,
Blocksatz
Trennung Titel, Inhalt
und Produktion
eindeutig; Fotografie
von Skateboarder
Hochglanzpapier
Kingpin Egyptienne für Titel,
Serifenlos für Rest;
Farbe als Kontrast
zum schwarz/weiß
Foto
ca. 24 Worte;
marginale Position;
Blocksatz und
linksbündig
Trennung von Titel,
Inhalt und Produktion
eindeutig; Fotografie
von Skateboarder
Hochglanzpapier
(7) Übersicht wichtiger typographischer Merkmale
Auf jedem Cover steht die Fotografie des Skateboarders im Vordergrund, eine Schriftart, die
man als typisch für die Subkultur Skateboarding bezeichnen könnte, wird aus diesem
Vergleich nicht ersichtlich. Jedes der Magazine besitzt zumindest eine typische
typographische Gestaltung was den Titel angeht, dies erhöht den Wiedererkennungswert
des Mediums, fungiert aber nicht zwangsweise als ein Hinweis auf die Subkultur
Skateboarding. Die Textmenge auf den Covers ist relativ gering, die typographische
Gestaltung der Inhalte der Magazine wirkt unauffällig bis unscheinbar. Farbe in der
mikrotypograhischen Gestaltung wird an Farbelemente der Fotografie angepasst, was
ebenfalls verdeutlicht, dass die Typographie auf Skateboard-Magazinen eine sekundäre
Rolle einnimmt, die sich dem Index auf die Skater-Szene, dem Cover-Foto, unterordnet.
Auffällig ist die Papierqualität: erwartet man bei einer Szene, die dazu neigt sich dem
Mainstream zu entziehen, doch eher eine „bescheidenere“ Herstellungsmethode. Allerdings
würde bei „raueren“ Papiersorten, der ästhetische Anspruch der zahlreichen Skateboarder-
Fotografien, die das Medienprofil dieser Magazine mit konstituieren, verdrängt werden.
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4. Fazit
Typographische Gestaltungsmittel fungieren als ein Ausdrucksmittel von Identität, sei es bei
Individuen oder Gruppen. Das Wissen um diese Funktionen setzt typographisches bzw.
semiotisches Wissen beim Rezipienten voraus. Der distinktive Stil, welcher die
typographischen Ausdrucksmittel miteinschließt, einer Gruppe, Szene oder Subkultur ist das
Kernsegment der jeweiligen kulturellen Praxis: die Abgrenzung von Normen und Werten
einer „Mainstream“-Kultur ist eine essentielle Eigenschaft von Szenen.
Bei Skateboarding-Magazinen lässt sich keine eindeutige mikrotypographische
Gestaltung als „genre cue“ festmachen, wie das bei Musik-Subkulturen der Fall ist, etwa die
„Erpresserbrief-Schriftart“ im Punk Genre oder die psychodelisch-anmutenden Schriftarten in
der Hippie-Kultur (vgl. Androutsopoulus 2004). Allerdings lässt sich unter Bezug auf Ryu
(2005) festhalten, dass eine informelle, visuell expressive und kaum informative Gestaltung
der Magazine durch andere meso- und makrotypographische Gestaltungsmittel erreicht wird.
Abbildungen von Skateboardern mit einer individuellen typographischen Betonung von
Schlagworten wie skateboard oder skateboarding, marginale angeordnete Textelemente
sowie eine geringe Anzahl von informativen Textelementen konstituieren den distinktiven
Charakter der jeweiligen Medien.
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5.Literaturverzeichnis Androutsopoulus, Jannis K. (2001): Textsorten und Fankulturen. In Fix, Ulla (Hg.), S. 33-51. Androutsopoulus, Jannis K. (2004): Typography as a resource of medial style: cases from music youth culture. In: Mastoridis, Klimis (Hg.), S. 381-392. Crystal, David (2010): The Cambridge Encyclopedia of Language. Cambridge: Cambridge University Press Farin, Klaus (2008): Jugend(sub)kulturen heute. In Neuland, Eva (Hg.), S.63-80. Krosigk, Holger & Tscharn, Helge (2000): Absolute Beginners. Skateboard Streetstyle Book. Köln: Tropen Verlag. Neuland, Eva (2008): Subkulturelle Sprachstile Jugendlicher heute. Tendenzen der Substandardisierung in der deutschen Gegenwartssprache. In: Neuland, Eva (Hg.), S.131- 148. Ryu, Won Hyung A. (2005): A semiotic study on the Transworld Skateboarding Magazine. In: Semiotica 157, S. 305-313. Simpson, Paul (2004): Stylistics. London: Routledge. Spitzmüller, Jürgen (2006): Typographie. In: Dürscheid, Christa (Hg.), S. 207‐238. Spitzmüller, Jürgen (2007): Graphisches Crossing. Eine soziolinguistische Analyse graphostilistischer Variation. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 35, S. 397‐418. Spitzmüller, Jürgen (2009): Typographische Variation und (Inter‐)Medialität. Zur kommunikativen Relevanz skripturaler Sichtbarkeit. In: Deppermann, Arnulf/Linke, Angelika (Hg.), S. 97‐126. Van Treeck, Bernhard (2003): Styles – Typographie als Mittel zur Identitätsbildung. In Androutsopoulus, Jannis (Hg.), S. 102-111. Verdonk, Peter (2002): Stylistics. Oxford: Oxford University Press.
Abbildungen
(1) Getränkekühler: http://www.antiheroskateboards.com/ [Zugriff am 03.03.2012] Coca-Cola Logo: http://www.mach-bar-tour.de/wp-content/uploads/2011/11/coca-cola- 300x104.gif [Zugriff am 03.03.2012] (2) Rotting Out Shirt: https://hellfishfamily.com/products/details/rotting-out-skate-goat-shirt [Zugriff am 04.03.2012] Thrasher Shirt: https://shop.thrashermagazine.com/detail.php?id=14 [Zugriff am 04.03.2012] (3) Monster Skateboard Magazin 283. Hamburg: b&d Verlag GmbH. [Scan: A.Kiefel] (4) Limited Skateboarding Magazine 101. Wiesbaden: Urban Supplies. [Scan: A.Kiefel] (5) Place For Skateboard Culture 13. Köln: Monday Publishing GmbH. [Scan: A.Kiefel] (6) Kingpin Skateboarding 92. London: Factory Media. [Scan: A.Kiefel]