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www.betriebs-berater.de Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft Verlag Recht und Wirtschaft 47.2010 65. Jahrgang // 15.11.2010 // Seiten 2833 – 2896 // DIE ERSTE SEITE Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerɒberlassung: Dynamik auf dem Arbeitsmarkt durch Zeitarbeit I // WIRTSCHAFTSRECHT Prof. Dr. Dr. Jɒrgen Ensthaler und Vanessa Kluge „FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung? 2835 Dr. Lars F. Freytag, LL.M., RA Der Regierungsentwurf zur Ɛnderung des Umwandlungs- rechts 2839 Dr. Kai Hasselbach, RA Verfahrensfragen des ɒbernahmerechtlichen Squeeze out 2842 BGH: Kfz-Kauf – Beschaffenheitsangabe „Vorfɒhrwagen“ sichert kein bestimmtes Alter zu BB-Kommentar von Dr. Patrick Ayad, RA 2848 // STEUERRECHT Dr. Elmar Bindl, StB, und JɆrg Schrade Kapitalertragsteuer bei inlȨndischen offenen Immobilienfonds 2855 Dr. Friedrich Petry, RA/FAStR Die „Weimarer Bettensteuer“, Thɒringer Exportschlager fɒr leere Stadtkassen oder Irrweg? 2860 BFH: Vereinbarung der Verlustɒbernahme bei kɆrperschaft- steuerlicher Organschaft BB-Kommentar von Dr. Marc Scheunemann, LL.M., RA/FAStR/StB 2866 // BILANZRECHT & BETRIEBSWIRTSCHAFT Dr. Norbert Lɒdenbach, WP/StB, und Dr. Jens Freiberg Konsolidierungskreis, Mehr-Mɒtter-Beziehungen und formale Stimmrechtsmehrheiten nach E-DRS 26 2874 Dieter Gahlen, WP Konsolidierung von Leasingobjektgesellschaften nach BilMoG und E-DRS 26: nun Mehrfach- statt Nicht- konsolidierung? 2877 BFH: Zahlung fɒr die Ƞbernahme einer Zufahrtsbaulast als Anschaffungskosten des Grund und Bodens BB-Kommentar von Dr. Florian Kleinmanns, RA 2881 // ARBEITSRECHT Dr. Friedemann Berg, RA, und Dr. Ivo Natzel, RA Die Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht 2885 Dr. Christopher Jordan, Dr. Alexander Bissels und Dr. Christine LɆw Ist der Betriebsrat zur Speicherung von Arbeitnehmer- daten berechtigt? 2889 EuGH: Kein Ausschluss der Entlassungsabfindung wegen Altersrente BB-Kommentar von Dr. Christian Rolf, RA 2894 // BERUFSPRAXIS: WEITERBILDUNG Im Blickpunkt: MasterstudiengȨnge VI

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www.betriebs-berater.de

Zeitschrif t für Recht, Steuern und Wirtschaf t

Verlag Recht und Wirtschaft

47.201065. Jahrgang // 15.11.2010 // Seiten 2833 – 2896

// D I E E R S T E S E I T EProf. Dr. Jobst-Hubertus BauerGesetzentwurf der Bundesregierung zur Verhinderungvon Missbrauch der Arbeitnehmer�berlassung:Dynamik auf dem Arbeitsmarkt durch Zeitarbeit I

// W I R T S C H A F T S R E C H TProf. Dr. Dr. J�rgen Ensthaler und Vanessa Kluge„FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung? 2835

Dr. Lars F. Freytag, LL.M., RADer Regierungsentwurf zur �nderung des Umwandlungs-rechts 2839

Dr. Kai Hasselbach, RAVerfahrensfragen des �bernahmerechtlichen Squeeze out 2842

BGH: Kfz-Kauf – Beschaffenheitsangabe „Vorf�hrwagen“ sichertkein bestimmtes Alter zuBB-Kommentar von Dr. Patrick Ayad, RA 2848

// S T E U E R R E C H TDr. Elmar Bindl, StB, und J�rg SchradeKapitalertragsteuer bei inl�ndischen offenenImmobilienfonds 2855

Dr. Friedrich Petry, RA/FAStRDie „Weimarer Bettensteuer“, Th�ringer Exportschlagerf�r leere Stadtkassen oder Irrweg? 2860

BFH: Vereinbarung der Verlust�bernahme bei k�rperschaft-steuerlicher OrganschaftBB-Kommentar von Dr. Marc Scheunemann, LL.M., RA/FAStR/StB 2866

// B I L A N Z R E C H T & B E T R I E B S W I R T S C H A F TDr. Norbert L�denbach, WP/StB, und Dr. Jens FreibergKonsolidierungskreis, Mehr-M�tter-Beziehungen undformale Stimmrechtsmehrheiten nach E-DRS 26 2874

Dieter Gahlen, WPKonsolidierung von Leasingobjektgesellschaften nachBilMoG und E-DRS 26: nun Mehrfach- statt Nicht-konsolidierung? 2877

BFH: Zahlung f�r die �bernahme einer Zufahrtsbaulast alsAnschaffungskosten des Grund und BodensBB-Kommentar von Dr. Florian Kleinmanns, RA 2881

// A R B E I T S R E C H TDr. Friedemann Berg, RA, und Dr. Ivo Natzel, RADie Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht 2885

Dr. Christopher Jordan, Dr. Alexander Bissels und Dr. Christine L�wIst der Betriebsrat zur Speicherung von Arbeitnehmer-daten berechtigt? 2889

EuGH: Kein Ausschluss der Entlassungsabfindung wegenAltersrenteBB-Kommentar von Dr. Christian Rolf, RA 2894

// B E R U F S P R A X I S : W E I T E R B I L D U N GIm Blickpunkt: Masterstudieng�nge VI

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Wirtschaftsrecht

Prof. Dr. Dr. J�rgen Ensthaler und Vanessa Kluge

„FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung?

Knapp zwei Jahre lang erwartete die Fachwelt das Urteil des EuGH in

Sachen „FRIZ“ (C-215/08; BB 2010, 1301), um Kl�rung der vom BGH (II ZR

292/06; BB 2008, 1364) vorgelegten Fragen zum Thema „Schrottimmobi-

lien“ im Spannungsfeld von Verbraucherschutz und Gesellschaftsrecht zu

bekommen. Der Beitrag analysiert das Urteil kritisch und zeigt auf, welche

(falschen) Signale durch „FRIZ“ gesetzt werden. Denn was im Mikrokos-

mos des gegenst�ndlichen Falles auf den ersten Blick noch als sach- und

interessengerecht erscheinen mag, entpuppt sich bei Lichte besehen in

der Gesamtschau mit anderen Anlagemodellen, zu denen Verbraucher

ebenfalls „an der Haust�r“ �berredet werden, jedoch als verbesserungs-

w�rdig und sollte Gesetzgeber wie auch Rechtsprechung zu einem Nach-,

wenn nicht sogar Umdenken bewegen. Dies wird anhand der Parallelen

zu dem Erwerb von Schuldverschreibungen bei der AG einschließlich der

gravierenden Folgen f�r bzw. in der Praxis aufgezeigt.

I. Einleitung

1. Der Vorlagebeschluss des BGHDem Vorlagebeschluss1 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Anfang der 90er Jahre erkl�rte der sp�tere Gesellschafter den Beitritt

zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Verhandlungen und

der Vertragsabschluss wurden in seiner Privatwohnung gef�hrt. Ge-

meinsamer Zweck der aus rund 50 Gesellschaftern bestehenden Publi-

kums-GbR war die Instandsetzung, Modernisierung und Verwaltung

eines Grundst�ckes.

Als die Gesch�ftsf�hrerin der GbR von dem beigetretenen Gesell-

schafter die vertraglich vereinbarte Zahlung von Nachsch�ssen ge-

richtlich einforderte, k�ndigte dieser einerseits seine Mitgliedschaft in

der GbR und widerrief andererseits seine Beitrittserkl�rung nach § 3

Haust�rwiderrufsgesetz (HWiG; Vorg�ngervorschrift zum heutigen

§ 312 BGB).

Die Klage der Gesch�ftsf�hrerin wurde zun�chst mit der Begr�ndung

abgewiesen, dass nach wirksamer K�ndigung des Gesellschaftsbeitritts

zwischen den Parteien nur noch Anspr�che nach den Grunds�tzen der

fehlerhaften Gesellschaft best�nden. Somit sei die Nachschussforde-

rung nicht mehr selbst�ndig einklagbar, sondern als unselbst�ndiger

Rechnungsposten in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen.

In der Folge erstellte die Gesch�ftsf�hrerin die Auseinandersetzungs-

rechnung; Resultat dieser Rechnung war ein negatives Auseinanderset-

zungsguthaben des beigetretenen Gesellschafters von ca. 15000 Euro.

W�hrend das LG der anschließenden Klage der Gesch�ftsf�hrerin auf

Zahlung des ausstehenden Betrages stattgab, wurde sie auf Berufung

des beigetretenen Gesellschafters hingegen abgewiesen.

Dagegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision

der Gesch�ftsf�hrerin.

2. Die „FRIZ“-Entscheidung des EuGHAuf Ersuchen des BGH hatte der EuGH2 – nach zust�ndigkeitsbe-

dingter Begrenzung der Vorlagefragen – noch dar�ber zu befinden,

ob die Richtlinie 85/577 EWG auf einen Vertrag anwendbar ist, der

den Beitritt eines Verbrauchers zu einem geschlossenen Immobilien-

fonds in Gestalt einer Personengesellschaft vorsieht, wenn der Zweck

eines solchen Beitritts nicht in erster Linie dem Erwerb der Mitglied-

schaft, sondern der Kapitalanlage dient. Mit der zweiten Vorlagefrage

sollte dar�ber hinaus gekl�rt werden, ob Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie

einer nationalen Regel entgegensteht, die besagt, dass im Falle eines

Widerrufs eines in einer Haust�rsituation erkl�rten Beitritts zu einem

geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft

der widerrufende Verbraucher gegen diese Gesellschaft einen An-

spruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben geltend machen kann,

der nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens

berechnet wird, und dass er dementsprechend m�glicherweise weni-

ger als den Wert seiner Einlage zur�ckerh�lt oder sich sogar an den

Verlusten des Fonds beteiligen muss.

a) Anwendbarkeit der RL 85/577 EWG auf FondsbeitritteOhne tiefer gehende Auseinandersetzung3 bejaht der EuGH4 die An-

wendbarkeit der Richtlinie auf den Haust�r-Beitritt zu einem in der

Rechtsform der BGB-Gesellschaft konzipierten Fonds.

Auch wenn der EuGH den objektiven5 Anwendungsbereich ohne

n�here Erl�uterung f�r er�ffnet erachtet, bedarf es vorliegend zum

umfassenden Verst�ndnis der Folgeausf�hrungen einer gr�ndlicheren

Auseinandersetzung.

W�hrend § 312 BGB6 (die Nachfolgevorschrift zu § 1 Abs. 1 HWiG)

im nationalen Recht lediglich „Entgeltlichkeit“ einfordert, kennt die

Richtlinie diese Voraussetzung – zumindest im Wortlaut – nicht und

stellt ihrerseits auf eine Vereinbarung �ber Warenlieferung bzw.

Dienstleistung ab.

aa) Ware oder Dienstleistung?Ob sich der Beitritt zur Fonds-GbR als Ware oder Dienstleistung be-

greifen l�ßt, kann den Urteilsgr�nden des EuGH nicht eindeutig ent-

nommen werden. F�r beide Standpunkte lassen sich Argumente fin-

den. Generalanw�ltin Trstenjak spricht sich in den Schlussantr�gen7

f�r eine Vergleichbarkeit des Erwerbs einer Beteiligung an einem

Fonds mit einer Warenlieferung aus. Waren definiert man indes als

Erzeugnisse bzw. k�rperliche Sachen, die einen Geldwert haben und

Gegenstand von Handelsgesch�ften sein k�nnen8. Der Beitritt zu

einer Personengesellschaft – selbst wenn diese nur als Kapitalanlage

begriffen wird – ist mit dieser gegenst�ndlich umrissenen Begrifflich-

keit allerdings nicht in Einklang zu bringen. Die Mitgliedschaft kann

Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010 2835

1 BGH, 5.5.2008 – II ZR 292/06, BB 2008, 1364.2 EuGH, 15.4.2010 – C-215/08, BB 2010, 1301.3 Diese „l�ckenhafte“ Begr�ndung wird z. B. auch von Mock, EwiR 2010, 281, 282 kritisiert.4 EuGH, 15.4.2010 – C-215/08, BB 2010, 1301 (Tenor).5 Zur Auseinandersetzung hinsichtlich des subjektiven Anwendungsbereichs, vgl. die Schlussantr�ge der

Generalanw�ltin Trstenjak (EuGH, Schlussantr�ge, 8.9.2009 – C-215/08, Rn. 53 ff.) sowie Habersack, ZIP2010, 775.

6 Zur richtlinienkonformen Auslegung des § 312 BGB vgl. auch Fischer/Miedl, EuZW 2009, 526.7 EuGH, Schlussantr�ge, 8.9.2009 – C-215/08, Rn. 58.8 EuGH, 10.12.1968 – C-7/68.

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WirtschaftsrechtEnsthaler/Kluge · „FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung?

aber auch als Dienstleistung betrachtet werden, wenn der Verbraucher

einer Publikumsgesellschaft in Gestalt eines geschlossenen Immobili-

enfonds beitritt, um sein Kapital anzulegen und – bestenfalls – zu ver-

mehren. Indem nun die Anwendung der Richtlinie auf Kauf- und

Dienstvertr�ge beschr�nkt ist, wird damit auch die Entgeltlichkeit

bestimmt. Der Begriff „Dienstleistung“ nach europ�ischem Verst�nd-

nis sprengt somit die engen Ketten des auf nationaler Ebene existie-

renden Dienstvertragsrechts (§§ 611ff. BGB); dies belegt schon die

„Auffangfunktion“9, die Art. 57 AEUV (ehemals: Art. 50 EG) inner-

halb der Binnenmarktordnung hat; insofern w�re die Richtlinie auch

dahin auszulegen, dass entgeltliche Gesch�fte gemeint sind. Somit

w�re auch der situative Anwendungsbereich des § 312 Abs. 1 BGB er-

�ffnet.

bb) EntgeltlichkeitDer pauschale Hinweis des Einhergehens des weiter gefassten Anwen-

dungsbereichs des HWiG mit einer St�rkung des Verbraucherschutzes

entbindet aber nicht von einer detaillierten Pr�fung, ob ein Fondsbei-

tritt tats�chlich unter „Entgeltlichkeit“ zu subsumieren ist.

Hinsichtlich des Begriffes „Entgeltlichkeit“ stellen Literatur10 und

Rechtsprechung11 zum Teil fest, dass ein Vereins- bzw. Kooperations-

beitritt schon wegen der regelm�ßig zu entrichtenden Mitgliederbei-

tr�ge grunds�tzlich eine entgeltliche Vereinbarung i.S. d. § 312 Abs. 1

BGB ist. Nach anderer Auffassung12 ist der Anwendungsbereich erst

dann er�ffnet, wenn zwischen dem Verein bzw. der Kooperation und

seinen Mitgliedern Vertr�ge �ber Leistungen geschlossen werden, die

nicht schon aufgrund der Mitgliedschaft beansprucht werden k�n-

nen.

Mit anderen Worten: Ein Vertrag �ber eine entgeltliche Leistung soll

danach nicht vorliegen, wenn die entgeltlichen Vorteile nur mit den

�blichen Mitgliedervorteilen einhergehen13. Diese Auffassung ent-

spricht auch der bisherigen h�chstrichterlichen Rechtsprechung14,

die den § 312 Abs. 1 BGB auch dann anwendet, wenn die

vereinsrechtliche Gestaltung lediglich verdeckt, dass die Erbringung

entgeltlicher Leistungen vereinbart wird. Die Leistung muss dem-

nach f�r konkrete Ziele, die mit der Gesellschaft verfolgt werden, er-

bracht werden.

Bei einer Publikumsgesellschaft – in Auspr�gung eines geschlossenen

Immobilienfonds – werden regelm�ßig eine unbestimmte Zahl von

Gesellschaftern eingeworben, die dann auf rein kapitalistischer Basis

miteinander verbunden und zuf�llig zusammengef�hrt sind. Zwi-

schen den Kapitalanlegern untereinander sowie im Verh�ltnis zu den

Gr�nder-Gesellschaftern mangelt es typischerweise an pers�nlichen

oder sonstigen sozialen Beziehungen. Es gibt keinen Beitrag, den sie

f�r mehr oder minder (un)bestimmte gesellschaftliche Zwecke leisten.

Eine bestimmte Art und Weise der Gewinnerzielung ist einziger

Beweggrund f�r die Leistung der Gesellschaftsbeitr�ge. In dieser spe-

ziellen Konstellation, ist es gerechtfertigt, den Vertrag als Vertrag �ber

eine entgeltliche Leistung einzuordnen15. Inzwischen hat der BGH16

auch zutreffend klargestellt, dass sogar der mittelbare Beitritt in eine

Publikumsgesellschaft �ber einen Treuh�nder in den sachlichen

Anwendungsbereich des § 312 Abs. 1 BGB f�llt.

Der Einwand, dass der Beitritt zu einem geschlossenen Immobilien-

fonds in Gestalt einer GbR nicht ohne Einbeziehung der Fremdfinan-

zierung entschieden werden kann und auch deshalb „Entgeltlichkeit“

nicht gegeben sei17, vermag nicht zu �berzeugen und geht auch h�u-

fig am eigentlichen Problem vorbei, da es eine Vielzahl von F�llen

gibt, in denen der Verbraucher sein Anlagekapital – zumindest zum

Teil – selbst finanziert hat.

Die „Entgeltlichkeit“ wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass

die Anleger bei einem geschlossenen Immobilienfonds am Fonds und

nicht an der Immobilie beteiligt sind18. Sicher ist die Begr�ndung der

Mitgliedschaft ein organisationsrechtliches Gesch�ft und die Einlage

fließt in das Gesellschaftsverm�gen, welches letztlich allen Gesell-

schaftern gemeinsam zusteht19. Jede am Normzweck von § 312 Abs. 1

BGB orientierte Auslegung hat aber die wirtschaftliche Situation bei

der Fonds- bzw. Gesellschaftsbeteiligung zu beachten. Durch den Ge-

sellschaftsvertrag wird die Einlage zweckdienlich eingesetzt; sie dem

Verm�genserwerb. Die Gesellschaft dient als rechtstechnisches Instru-

ment des Verm�genserwerbs. W�rde in der gegebenen Situation

§ 312 BGB wegen der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten nicht

angewandt werden, so w�re der Umgehungstatbestand einschl�gig.

cc) ZwischenergebnisVon Begr�ndungsdefiziten abgesehen, ist dem EuGH daher der Sache

nach beizupflichten. Die Richtlinie 85/577 EWG ist auf den Beitritt

eines Verbrauchers zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form

einer GbR anwendbar.

b) Grunds�tze der fehlerhaften Gesellschaft alsRechtsfolge beim Widerruf

Der EuGH20 gelangt zu dem Ergebnis, dass Art. 5 Abs. 2 der Richt-

linie einer R�ckabwicklung eines wirksam widerrufenen Gesell-

schaftsbeitritts nach den Grunds�tzen der im nationalen Recht21 an-

erkannten Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen

steht, selbst wenn dadurch der Verbraucher sich nur mit Ex-nunc-

Wirkung von der Gesellschaft l�sen kann und er m�glicherweise we-

niger als den Wert seiner Einlage zur�ckerh�lt, und dies sogar dazu

f�hren kann, dass er zum Verlustausgleich herangezogen wird.

aa) Rezeption in der LiteraturAls Reaktion ergibt sich derzeit ein konsistentes Bild der Zustim-

mung.

Die uneingeschr�nkte Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Ge-

sellschaft unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung22 wird po-

sitiv bewertet, der Gedanke eines „vern�nftigen Ausgleichs und einer

gerechten Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten“23,

begr�ßt24. Mehrheitlich wird die Klarheit25 der Entscheidung gelobt

und es wird Erleichterung26 dar�ber ge�ußert, dass der EuGH es un-

terlassen habe, den Verbraucherschutz generell am besonderen

Schutzbed�rfnis der Minderj�hrigen zu orientieren.

2836 Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010

9 Armbr�ster, ZIP 2006, 406, 409.10 Fischer/Machunsky, HwiG, 2. Aufl. 1995, § 1, Rn. 48; Brox, Allgemeines Schuldrecht, 32. Aufl. 2007, § 19,

Rn. 6.11 OLG M�nchen, 18.5.1995 – 29 U 6014/94, BB 1995, 2550.12 Masuch, in: M�nchener Kommentar, 5. Aufl., § 312, Rn. 30; Voigt, Non Profit Law Yearbook, 2004, S. 223.13 OLG Karlsruhe, 27.6.1990 – 6 U 2/90, NJW 1991, 433.14 BGH, 20.1.1997 – II ZR 105/96, BB 1997, 596.15 OLG Rostock, 1.3 2001 – 1 U 122/99, BB 2001, 904.16 BGH, 2.7.2001 – II ZR 304/00, BB 2001, 1652.17 Sch�fer, ZIP 2008, 1018, 1023.18 Wagner, WM 2008, 1053.19 Schnauder, Zur R�ckabwicklung der finanzierten Beteiligung an einem Immobilienfonds, http://www.olg-

report.de/media/komm03_02.RTF (Stand: 24.8.2010).20 EuGH, 15.4.2010 – C-215/08, BB 2010, 1301 (Tenor).21 Art. 7 der RL verweist auf einzelstaatliches Recht zur Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs.22 Sch�fer, DStR 2010, 1138, 1139.23 EuGH, 15.4.2010 – C-215/08, Rn. 48, BB 2010, 1301.24 Habersack, ZIP 2010, 775.25 Langen/M�hle, BB 2010, 1304.26 Habersack, ZIP 2010, 775.

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WirtschaftsrechtEnsthaler/Kluge · „FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung?

bb) KritikTrotz offensichtlicher Eintracht im Schrifttum wird hier kritisiert,

dass der EuGH bei der Begr�ndung zur Anwendung der Richtlinie

85/577 EWG die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts ausblendet

und diese aber bei der sich aus der Anwendung der Richtlinie 85/577

EWG ergebenden Folgen – zumindest mittelbar durch den R�ck-

griff27 �ber die Auslegung des Art. 7 der Richtlinie – wieder mit ein-

bezieht.

Die Entscheidung des EuGH wird in der Literatur mehrheitlich

begr�ßt. Es wird darauf hingewiesen, dass ein gegenteiliges Ergebnis

angeblich den „Todesstoß“28 f�r die am Markt agierenden Fonds-Ge-

sellschaften zur Folge gehabt h�tte. Bei aller Zustimmung ist jedoch

anzumerken, dass es hier auch zum Austausch von „T�ter“ und „Op-

fer“ gekommen sein k�nnte. Ist es nicht vielmehr so, dass das

„FRIZ“-Urteil den Anlageberatern mit auf den Weg gibt, sich als

Personengesellschaft zu konstituieren, um im Falle des Haust�rwider-

rufs eines Verbrauchers dessen Einlagen nicht zur�ckgew�hren zu

m�ssen?

Hier soll nicht einem absoluten Verbraucherschutz das Wort geredet

und der Verbraucher zum unm�ndigen Wesen herabgestuft werden.

Die Argumente des EuGH weitergedacht, k�nnen diese durchaus zu

unbilligen Ergebnissen f�hren. Das soll im Folgenden aufgezeigt wer-

den.

II. Die Problemstellung

1. Anlagemodell: SchuldverschreibungStellvertretend f�r einen Katalog von Anlagemodellen – fernab vom

Fonds in Form der GbR – wird hier beispielhaft die Anlageform

Schuldverschreibung (= verbrieftes Forderungsrecht) n�her unter-

sucht.

Die Schuldverschreibung ist eine Wertpapierform, bei der der Inhaber

der Schuldverschreibung, also der Anleger, Anspruch auf R�ckzah-

lung eines bestimmten Geldbetrages hat29. In der Regel wird dieses

(festverzinsliche) Wertpapier – Inhaberpapier – seitens einer nicht

b�rsennotierten Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt ausgegeben

(emittiert), um sich auf diese Weise Fremdkapital zu beschaffen30. Im

Allgemeinen wird dabei das Gesamtvolumen des Kredites in mehrere

Tranchen zerlegt, in Urkunden verbrieft und schlussendlich dem

Anleger verkauft. Der Kauf eines solchen Zertifikats �hnelt damit –

vereinfacht gesagt – einem Kredit, und kommt ganz ohne Beitritt des

K�ufers zur jeweiligen Gesellschaft aus.

�blicherweise unterteilt man Schuldverschreibungen in folgende

Gruppen:

a) IndustrieobligationenUnter Industrieobligationen31 subsumiert man gemeinhin die Inha-

ber- und Orderschuldverschreibungen im Sinne der §§ 793ff. BGB.

Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es neben dem konstitutiven Akt der Er-

richtung einer Urkunde auch des Abschlusses eines sog. Begebungs-

vertrages32. Die Industrieobligationen bilden das Ger�st f�r die Va-

rianten des § 221 AktG.

b) GewinnschuldverschreibungNach § 221 Abs. 1 AktG sind Gewinnschuldverschreibungen Schuld-

verschreibungen, bei denen die Rechte der Gl�ubiger mit Gewinnan-

teilen von Aktion�ren in Verbindung gebracht werden. Meist ist die

Gewinnschuldverschreibung als Anleihe mit niedriger Festverzinsung

plus dividendenabh�ngige Zusatzverzinsung ausgestaltet33.

c) Wandelschuldverschreibungen§ 221 Abs. 1 AktG definiert Wandelschuldverschreibungen als Schuld-

verschreibungen, bei denen den Gl�ubigern ein Umtausch- oder Be-

zugsrecht auf Aktien einger�umt wird. Der deutsche Gesetzgeber

schielte bei deren Schaffung auf die sog. convertible bonds aus dem

anglo-amerikanischen Rechtskreis. Die Umtauschvariante bezeichnet

man auch als Wandelanleihe im engeren Sinne, die Bezugsrechtalter-

native hingegen als Wandel- bzw. Optionsanleihe im weiteren

Sinne34.

2. Vertrieb einer SchuldverschreibungDie Fremdkapitalbeschaffung mittels Schuldverschreibung verlangt

von AG zun�chst einen Hauptversammlungsbeschluss (§ 221 Abs. 1

AktG) sowie die Bereitstellung von Kapital. Letzteres wird durch die

Schaffung von bedingtem Kapital (§ 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG), geneh-

migtem Kapital (§§ 202ff. AktG) oder durch den Erwerb eigener

Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) vollzogen. Sind die beiden erstge-

nannten Voraussetzungen erf�llt, steht dem Rechtsgesch�ft zwischen

Gesellschaft und außenstehendem Dritten nichts mehr entgegen.

Beim Vertrieb dieser Schuldverschreibungen ist es nicht untypisch,

dass ein Anlagevermittler potenzielle Privatkunden im heimischen

Umfeld – ohne Vorank�ndigung – aufsucht, von einem lukrativen

Gesch�fts- und Steuersparmodell berichtet und den kapitalmarkt-

rechtlichen Laien zu dem Kauf einer Schuldverschreibung motiviert.

Da die Auswirkungen der Finanzkrise gerade auch an den Fremdkapi-

tal suchenden Aktiengesellschaften nicht spurlos vor�bergezogen

sind, kam und kommt es noch immer zu einer H�ufung von Insol-

venzen. Um das „sinkende Schiff“ rechtzeitig verlassen zu k�nnen,

nutzen viele Anleger dann auch das Hilfsmittel des Widerrufs nach

§ 312 BGB.

3. Zul�ssigkeit und Folgen des Widerrufs beierworbener Schuldverschreibung

Konnte (und musste) man bei dem Beitritt zu einer Fonds-GbR noch

trefflich dar�ber streiten, ob der sachliche Anwendungsbereich der

Haut�rwiderrufsrichtlinie er�ffnet ist, ob es sich also um eine Ware

oder eine Dienstleistung handelt, kann die Frage beim Abschluss eines

Kaufvertrages �ber eine Schuldverschreibung im Sinne eines Erst-

recht-Schlusses beantwortet werden. Wenn schon die Anlageform

Fonds gekleidet in das Korsett einer Personengesellschaft den Anfor-

derungen f�r die Er�ffnung des Anwendungsbereiches entspricht,

kann f�r den bloßen Erwerb eines Wertpapiers logischerweise nichts

anderes gelten. Es entf�llt mithin die diffizile Abgrenzungsfrage, die

sich f�r die Situation des Beitritts zu einer Fonds-GbR nicht von der

Hand weisen l�sst, wann im Einzelnen der Erwerb der Mitgliedschaft

Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010 2837

27 Begreift man den Begriff „Recht“ in Art. 7 der RL als geschriebenes Recht (so z. B. Kliebisch, ZJS 2010, 10,14), w�rde man schon gar nicht zur Anwendung der Grunds�tze �ber die fehlerhafte Gesellschaft gelan-gen, da diese durch Richterrecht unter Einfluss der Literatur und nicht durch Kodifizierung ihre Gestalterhalten haben (umfassend hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 6 I 3).

28 Westermann, DZWIR 2010, 265.29 http://www.kredit.de/kredit-ratgeber/schuldverschreibung/ (Stand: 24.8.2010).30 Die Schuldverschreibung ist somit neben der Aktie die zweitwichtigste Gruppe der Effekte, siehe hierzu

Roth, in: Assmann/Sch�tze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 11, Rn. 27.31 Vgl. zur Begrifflichkeit auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 17 Rn. 9 ff.32 Sprau, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 793, Rn. 8.33 Radlmayr, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007, § 221, Rn. 5.34 Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 255.

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WirtschaftsrechtEnsthaler/Kluge · „FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung?

nur ein anderer Weg der Kapitalanlage ist und wann nicht. Bei der

Ver�ußerung von Schuldverschreibungen handelt es sich um reine

Austauschvertr�ge. Sie tangieren die Binnenstruktur einer Gesellschaft

nicht und gew�hren keine direkten Mitgliedschaftsrechte35.

Da es sich bei dem Kauf einer Schuldverschreibung unzweifelhaft um

einen synallagmatischen Vertrag mit Entgeltcharakter zwischen Ver-

braucher und Unternehmer handelt, ist die Richtlinie ohne Weiteres

anwendbar.

Die Folgen sind hierbei: �ber die §§ 312 Abs. 1, 355, 346ff. BGB wan-

delt sich der urspr�ngliche Kaufvertrag nunmehr in ein R�ckgew�hr-

schuldverh�ltnis, bei dem die jeweils empfangenen Leistungen Zug-

um-Zug ausgetauscht werden, d.h. der Verbraucher erh�lt den einge-

brachten Kaufpreis gegen R�ckgabe der Schuldverschreibung zur�ck.

Etwaige Nachschussverpflichtungen, wie sie sich im Zusammenhang

mit den Grunds�tzen �ber die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

zutragen, kommen bei dieser Anlagevariante – mangels Gesellschaf-

terstellung – gar nicht erst in Betracht.36

4. ZwischenergebnisBei der Diskussion um die Frage der Anwendbarkeit wurde festge-

stellt, dass zwischen dem Beitritt zu einer Fondsgesellschaft und dem

Ankauf einer Kapitalbeteiligung in Form der Schuldverschreibung

aus Gr�nden des Verkehrsschutzes nicht zu differenzieren ist.

Es ist dann jedoch schwer erkl�rbar, eine Differenzierung37 auf der

Rechtsfolgenseite zu begr�nden. F�r den Verbraucher wird es rational

nicht nachvollziehbar sein, warum er unter dem gegebenen Sachver-

halt Erwerb von Verm�genswerten im Falle eines Gesellschaftsbeitritts

seine Einlage verlieren und im Falle des direkten Erwerbs ihm der An-

spruch auf vollst�ndige Erstattung des Kaufpreises zusteht.

Dies nachzuvollziehen, f�llt – wie bereits angedeutet – insbesondere

deshalb schwer, weil der EuGH in seiner Entscheidung f�r die Be-

gr�ndung der Anwendung der Richtlinie das Gesellschaftsverh�ltnis

ausklammert und seinen Blick auf den Ankauf des entsprechenden

Verm�genswertes richtet.

Somit besteht – durch die Brille des Anlegers gesehen ein signifikanter

Unterschied – rechtlicher, nicht tats�chlicher Natur – darin, ob er sich

im eigenen Wohnzimmer einer Fonds-GbR mit der m�glichen Folge

der Nachschussverpflichtung anschließt oder eine (Wandel- bzw.

Gewinn-)Schuldverschreibung einer AG erwirbt, f�r die er bei Schief-

lage der Gesellschaft durch Widerruf sein Geld zur�ckerh�lt ohne zu-

s�tzlichen Gefahren ausgesetzt zu sein.

Es gilt daher zu untersuchen, welche Impulse durch die „FRIZ“-Ent-

scheidung gesetzt werden und wie Anleger und (Fonds-)Gesellschaf-

ten darauf reagieren.

III. Ausblick

1. Zweckentfremdung der fehlerhaften GesellschaftMit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft l�st man Konstellatio-

nen, in denen der Gesellschaftsvertrag nach allgemeinen Regeln nich-

tig oder anfechtbar w�re. Aufgrund der R�ckabwicklungsschwierig-

keiten nach Bereicherungsrecht sieht man jedoch von dem �blichen

Procedere ab, so dass die Gesellschaft unter bestimmten Vorausset-

zungen als wirksam zu behandeln ist und nur noch mit Ex-nunc-Wir-

kung wieder aufgel�st und liquidiert werden kann. Neben der Ge-

samtnichtigkeit des Vertrages umfasst die Lehre von der fehlerhaften

Gesellschaft auch die einzelne Beitrittserkl�rung38. Genau diese

Beitritterkl�rung wird von Anlegern der Fonds-Gesellschaften bei

Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Anlage widerrufen und

f�hrt – wie man seit „FRIZ“ weiß – eventuell zu Nachschussverpflich-

tungen. Dass dieses Instrument nun zum Handlanger unseri�ser

Anlagevermittler umfunktioniert oder geradezu instrumentalisiert

wird, ist schwer zu begreifen.

Als Folge der „FRIZ“-Entscheidung sollten bei den potenziellen Anle-

gern, die in ihrer Privatwohnung zu einem Verkaufsgespr�ch �berre-

det werden, die Alarmglocken l�uten. Dem Verbraucher ist durch die

EuGH-Entscheidung nunmehr die B�rde der Differenzierung zwi-

schen dem „normalen“ Erwerb einer Schuldverschreibung und dem

Beitritt zu einem geschlossenen Fonds – in Form einer GbR – aufge-

laden worden.

Es geht nicht darum, den Verbraucher komplett vor allen nur erdenk-

lichen Risiken zu sch�tzen, die gemeinhin aus Anlagen und (ver-

meintlichen) Steuersparmodellen erwachsen. Es mutet nur geradezu

ungerecht an, dass der juristische Laie im Rahmen der „Beratung“

durchdringen muss, welche enormen Unterschiede sich in den Folgen

der Entscheidung f�r die eine und gegen die andere Anlageform erge-

ben.

2. Folgen f�r EmittentenVersetzt man sich in die Rolle des Emittenten, ist evident wohin die

Reise geht. Sollte man bislang noch seine Schuldverschreibungen als

Mittel zur Kapitalbeschaffung nach der tradierten Methode ausgege-

ben haben, wird man zuk�nftig eine Tochter-GbR gr�nden, zu der

der Verbraucher zwingend beitreten muss, um die besagten Wertpa-

piere zu erhalten. Konsequenz davon ist, dass die die Schuldverschrei-

bungen ausgebende Mutter-AG nun bei Widerruf nach § 312 BGB

sich bei einem negativen Auseinandersetzungsguthaben auf die

Grunds�tze �ber die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft berufen,

Verlustausgleich einfordern und den f�r sie belastenderen Rechtsfol-

gen der §§ 312 Abs. 1, 355, 346ff. BGB entgehen kann.

IV. FazitDas Urteil in Sachen „FRIZ“ mag, wenn man nur den konkret zu ent-

scheidenden Sachverhalt beurteilt, vertretbar gewesen sein. Setzt man

es jedoch in einen globalen Kontext und hinterfragt die Folgen, die

sich – wenn auch vom EuGH nicht beabsichtigt – aus der Entschei-

dung ableiten lassen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild.

Verbrauchern kann man deshalb nur dringend anraten, sich noch vor

Abschluss eines Vertrages �ber eine Anlage juristisch beraten zu las-

sen39, da die vom Gesetz einger�umte Widerrufsm�glichkeit – als

„stumpfes Schwert“ – nicht das avisierte Schutzniveau bietet, das

man sich erhofft40.

2838 Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010

35 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 17, Rn. 9.36 Auch die §§ 275 ff. AktG (als kapitalgesellschaftsrechtliches Vorbild der sp�ter entwickelten Lehre von

der fehlerhaften Gesellschaft) w�ren an dieser Stelle nicht einschl�gig.37 Obwohl es sich bei dem Eintritt zu einem Immobilienfonds in Form einer GbR und dem Erwerb einer

Schuldverschreibung mit bloß schuld-, sachen- und/oder wertpapierrechtlicher Natur um zwei grundle-gend verschiedene Anlagemodelle handelt, eint sie doch die Verbraucherwahrnehmung und -motiva-tion. Zum einen stellt sich das Verkaufsgespr�ch im Privatbereich aus Sicht des Verbrauchers vom Ablaufher nicht g�nzlich verschieden dar, zum anderen ist Beweggrund f�r den Vertragsschluss zumeist dieerhoffte Steuersparm�glichkeit. So z�hlen beispielsweise die Zinsen aus Schuldverschreibungen zu denErtr�gen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Birk, Steuerrecht, 12. Aufl. 2009,§ 6 D V 1, Rn. 693) und �ber den Beitritt zur Immobilienfonds-GbR k�nnen dem Anleger unter anderemVorteile aus der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz a Nr. 2 EStG erwachsen.

38 Sch�fer, Gesellschaftsrecht, 2010, § 5, Rn. 24.39 Auch Armbr�ster, EuZW 2010, 614, 616, widmet sich der Problematik, dass Anlegerinteressenten oft kei-

ne hinreichende Klarheit �ber die mit der Einlage verbundenen Risiken haben.40 Es wird derzeit eine Vielzahl von Schadensersatzanspr�chen (z. B. aus Prospekthaftung, wegen Aufkl�-

rungsm�ngeln und fehlerhafter Widerrufsbelehrung) diskutiert (vgl. hierzu nur Sch�fer, DStR 2010, 1138,

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WirtschaftsrechtFreytag · Der Regierungsentwurf zur �nderung des Umwandlungsrechts

Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010 2839

Nun ist wohl der Gesetzgeber ist gefordert, eine ganzheitliche L�-

sung bei der Konfliktbew�ltigung zwischen den sich tangierenden

Rechtskreisen von Verbraucherschutz und Gesellschaftsrecht herzu-

stellen.

Ein m�gliches Konzept w�re das Bekenntnis zum Vorrang des Ver-

braucherschutzes mit der Ausformulierung einer Ausnahme (in den

§§ 312ff. BGB) zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft in F�llen

wie jenem, der dem Vorlagebeschluss zugrunde lag. Insoweit w�rde

man auch die kritischen Stimmen41 zufrieden stellen, die bislang eine

un�berbr�ckbare Diskrepanz zwischen dem „FRIZ“-Urteil und der

„Schulte“-Entscheidung42 sahen.

// AutorenhProfessor Dr. jur. Dr. rer. pol. J�rgen Ensthaler istProfessor f�r Wirtschafts-, Unternehmens- und Technik-recht an der Technischen Universit�t Berlin und Richteram Bundespatentgericht. Der Autor ist Herausgeber desGemeinschaftskommentars zum HGB sowie St�ndigerMitarbeiter des „Betriebs-Berater“.

Ass. iur. Vanessa Kluge ist als Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Lehrstuhl des Erstautors t�tig. Sie doziertim Gesellschaftsrecht und promoviert auf dem Gebietdes Aktienkonzernrechts.

Dr. Lars F. Freytag, LL.M. (Cantab.), RA

Der Regierungsentwurf zur �nderungdes Umwandlungsrechts�nderungen im Recht der Konzernverschmelzung und des Squeeze out

Auf Basis des im M�rz 2010 vorgestellten Referentenentwurfs („RefE“)

hat das Bundeskabinett am 7.7.2010 den Regierungsentwurf des Dritten

Gesetzes zur �nderung des Umwandlungsgesetzes („RegE“) verabschie-

det. Der Bundesrat hat am 24.9.2010 beschlossen, gegen den Entwurf

keine Einwendungen zu erheben. Im Zentrum auch des RegE stehen

Erleichterungen bei „Upstream“-Verschmelzungen von Kapitalgesell-

schaften auf eine aufnehmende AG sowie die Absenkungen der f�r

einen Ausschluss von Minderheitsaktion�ren („Squeeze out“) erforderli-

chen Mindestbeteiligungsquote auf 90 %. Nach einem einleitenden

�berblick �ber den RegE stellt der nachfolgende Beitrag die �nderun-

gen des RegE gegen�ber dem RefE vor, der im Heft 27, S. 1611 ff., n�her

analysiert wurde.

I. Der RegE im �berblick

Ziel des Dritten Gesetzes zur �nderung des Umwandlungsgesetzes ist

es unter anderem, k�nftig Konzernverschmelzungen von Tochter-Ka-

pitalgesellschaften auf ihre Mutter-AG weiter zu erleichtern. Nach gel-

tendem Umwandlungsrecht bedarf eine Verschmelzung grunds�tzlich

der zustimmenden Beschl�sse der Gesellschafterversammlungen aller

beteiligter Rechtstr�ger (§ 13 Abs. 1 UmwG). Eine Ausnahme bildet

§ 62 UmwG: Ein Verschmelzungsbeschluss ist (nur) bei einer aufneh-

menden AG entbehrlich, wenn sie mindestens 90% des Stamm- oder

Grundkapitals der �bertragenden Kapitalgesellschaft h�lt. Die Aktio-

n�re der �bernehmenden AG sind nach Maßgabe von § 62 Abs. 3

UmwG �ber die geplante Verschmelzung zu informieren und k�nnen

nach § 62 Abs. 2 UmwG gegebenenfalls die Notwendigkeit eines Ver-

schmelzungsbeschlusses herbeif�hren. Basierend auf Art. 25 der Ver-

schmelzungsrichtlinie1 soll in Zukunft nun auch auf Ebene der �ber-

tragenden Kapitalgesellschaft kein Verschmelzungsbeschluss mehr

erforderlich sein, wenn es sich um eine 100%ige Tochtergesellschaft

der �bernehmenden AG handelt (§ 62 Abs. 4 UmwG in der Fassung

des RegE („UmwG-RegE“)). �ber § 125 S. 1 UmwG entf�llt das Be-

schlusserfordernis damit auch bei Spaltung einer Kapitalgesellschaft

zur Aufnahme, wenn die �bernehmende AG alle Anteile an der �ber-

tragenden Gesellschaft h�lt.2 Bei dieser Gelegenheit sollte zugleich in

§ 125 S. 1 UmwG klargestellt werden, dass in solchen F�llen der dem

Wortlaut nach bisher ausgeschlossene § 9 Abs. 2 UmwG anwendbar

ist, es hier also keiner Spaltungspr�fung bedarf.

F�r die Praxis interessant wird vor allem die beabsichtigte Absenkung

der f�r einen Squeeze out außen stehender Aktion�re erforderlichen

Mindestbeteiligungsquote der Hauptaktion�rin sein. Nach geltendem

Recht steht ein Squeeze out nur ab einer Beteiligung von mindestens

95% offen (§ 327a AktG, § 39a Wp�G). Mit Blick auf Art. 28 der

Verschmelzungsrichtlinie3 soll die erforderliche Mindestquote nun

1140, sowie Podewils, EWiR 2010, 561, 562). Diese Anspr�che sind der gegenst�ndlichen Frage allerdingsnachgelagert und kommen erst zum Zuge, „wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“, wennalso der Verbraucher bereits zur Nachzahlung verpflichtet wurde.

41 So wohl Habersack, ZIP 2010, 775.42 EuGH, 25.10.2005 – C-350/03, BB 2005, 2706.

1 Richtlinie 78/855/EWG („Verschmelzungsrichtlinie“) in der Fassung der Richtlinie 2009/109/EG des Euro-p�ischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 �ber die �nderung der Richtlinien 77/91/EWG, 78/855/EWG und 82/891/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2005/56/EG hinsichtlich der Berichts- und Do-kumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen („�nderungsrichtlinie“).

2 RegBegr., S. 14.3 Zum (fehlenden) Umsetzungsbedarf s. Freytag, BB 2010, 1611, 1615 f.