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UM:DRUCK Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur Nummer 3 März 2007 ISSN 1991-5365 Einzelpreis 7.- Die künstlerischen Möglichkeiten des industriell für industriellen Einsatz hergestellten Materials werden seit den 1990er Jahren von KünstlerInnen und DruckerInnen experimentell erforscht und genutzt – oft gegen die Einschätzungen der Industrie, die ihrem Material nicht jene Qualitäten zutrauen, die Künstler- Innen darin entdecken. Der Masterprinter Kurt Zein erzählt, daß er einem Industrievertreter detailliert vor- geführt hat, was sein Material, von Zein mit ausge- feilten handwerklichen Techniken behandelt, zu lei- sten in der Lage ist. Ähnliche Diskussionen führte Mi- chael Schneider mit Herstellern in Japan. Denn die Anforderungen, die an den Polymerdruck seitens der Gebrauchsgrafik gestellt werden, sind offensichtlich nicht so hoch wie die Ansprüche der KünstlerInnen. Vom Ursprung her macht der Polymerdruck allerdings deutlich, daß Druckgraphik als Kunst nun wieder, je- denfalls in der Materialfrage, mit der Gebrauchsgrafik gemeinsame Sache macht. Werbeaufdruck und Kunst- werk entstehen vom selben Material – so wie Dürers Apokalypse und ein protestantisches Flugblatt vom Holz gedruckt wurden. Durch den Polymerdruck wer- den alle industriell entwickelten Drucktechniken wie- der der künstlerischen Verwendung geöffnet. Druck- graphikerInnen müssen die Chancen, die ihnen die In- dustrie bietet, erkennen und wahrnehmen. Das Polymer, informiert der neue Brockhaus, ist eine überwiegend organische Kunststoffverbindung, deren sehr große Moleküle nach einem einfachen Bauprin- zip aus ständig wiederkehrenden Struktureinheiten miteinander verzahnt sind. Verwendet werden Poly- mere als Kunststoffe, Synthesekautschuk, Chemiefa- KUNST VOM KUNSTSTOFF „Polymerdruck“ ist das neueste Zauberwort der Druckgraphik, geheimnisvoll und aufregend. Er eröffnet den alten und neuen Ausdrucksformen der Druckgraphik den Anschluß an moderne industrielle Standards. Er ist voll noch ungeahnter Möglichkeiten. Ist er die Zukunft der Druckgraphik? Eine erste Annäherung von Philipp Maurer. sern und in der Druckindustrie für Hochdrucke auf Plastiksackerln und Milchpackerln sowie im Rakeltief- druck. Die für den Druck verwendeten Polymere sind lichtempfindliches Material, das unbelichtet wasser- löslich ist, von UV-Licht aber zu einer höheren Poly- fluorkohlenwasserstoffkette geschmiedet wird, die wasser- und ölbeständig ist. Beim Auswaschen mit Wasser bleiben die gehärteten Stellen stehen, während die unbelichteten, weichen Teile entfernt werden, um die Druckfarbe für den Tiefdruck aufzunehmen. Säu- ren oder andere toxische chemische Verbindungen sind im Herstellungsprozeß nicht notwendig. Der Pionier des Polymerdrucks ist der Däne Eli Pon- saing, der in seiner 1995 in Kopenhagen erschiene- nen Einführung in die Technik bereits ankündigte, daß der Polymerdruck die Druckgraphik „aus ihrem derzeitigen Wellental zu der Anerkennung bringen (wird), die sie früher genossen hatte“. Weiterentwickelt wurde der Polymerdruck durch die Finnen Severi Parko und Kari Holopainen. Holopainen verwendet die auf Stahlbleche aufgebrachten Polymere zur Um- setzung von Fotografie in die zarten körnigen Grau- töne der Aquatinta und die haptischen und ästheti- schen Qualitäten des Druckes auf gutem Tiefdruckpa- pier. „Polymerfotogravüre ist eine außerordentlich anpassungsfähige Methode mit ungeahnten Möglich- keiten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Der Polymerdruck, eine umweltfreundliche, angeneh- me Methode, ist die Zukunft der Druckgraphik.“ (Ho- lopainen) Heute bietet der Däne Henrik Boegh mit seinem Eksperimentalen Grafics Studio umfassende Informationen über Materialien und Technik. In den USA wurde der Polymerdruck populär durch den fast missionarischen Feldzug von Keith Howard, der das „Non-toxic Intaglio Printmaking“ mit dem von ihm in Zusammenarbeit mit Du Pont entwickel- ten Photopolymerfilm ImagOnTM propagierte und an der Canadian School for Non-toxic Printmaking (CSNP) lehrte. Die dünne Folie, die für die Herstel- lung von Halbleitern verwendet wird und gemäß dem binären Code nur ein ja/nein kennt, wird von TIFF- Dateien belichtet, ermöglicht experimentelles Arbei- ten und ca. 70 Abzüge. Dieses Verfahren eignet sich am besten für den Tiefdruck, für Radierungen, Mez- zotinto, Aquatinta, Weichgrund, Fototransfertechni- ken, Halbtontechniken. Wenn nur von der Polymer- schicht gedruckt wird, ist der Farbauftrag sehr dünn. Auf die Kupferplatte aufgezogen, ermöglicht das Ma- terial das Durchbelichten auf die Kupferplatte, die dann wie eine Radierung geätzt und als Tiefdruck ge- druckt werden kann, sodaß die Farbe wie bei einer Radierung im und auf dem Papier sitzt, da ja tatsäch- lich vom Kupfer gedruckt ist. Kurt Zein, der den Polymerdruck intensiv erforscht hat und ihn gerne verwendet, betont, daß die Materi- alien, die Holopainen verwendet, sich entscheidend vom ImagOnTm unterscheiden: sie sind qualitätvoller und bieten noch mehr Möglichkeiten. Von der Entste- hung und den verwendeten Materialien her haben wir es, so Kurt Zein, mit zwei Welten zu tun! Heute umschreibt Polymerdruck ein sehr weites äs- thetisches und drucktechnisches Feld: Das Material Michael SCHNEIDER: rekonstrukt lithographie. 2004, Polymer-Radierung und Holzdruck auf Japanpapier, 84 x 51 cm (Detail) Fortsetzung Seite 3

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UM:DRUCKZeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur

Nummer 3 März 2007ISSN 1991-5365 Einzelpreis € 7.-

Die künstlerischen Möglichkeiten des industriell fürindustriellen Einsatz hergestellten Materials werdenseit den 1990er Jahren von KünstlerInnen undDruckerInnen experimentell erforscht und genutzt –oft gegen die Einschätzungen der Industrie, die ihremMaterial nicht jene Qualitäten zutrauen, die Künstler-Innen darin entdecken. Der Masterprinter Kurt Zeinerzählt, daß er einem Industrievertreter detailliert vor-geführt hat, was sein Material, von Zein mit ausge-feilten handwerklichen Techniken behandelt, zu lei-sten in der Lage ist. Ähnliche Diskussionen führte Mi-chael Schneider mit Herstellern in Japan. Denn dieAnforderungen, die an den Polymerdruck seitens derGebrauchsgrafik gestellt werden, sind offensichtlichnicht so hoch wie die Ansprüche der KünstlerInnen.Vom Ursprung her macht der Polymerdruck allerdingsdeutlich, daß Druckgraphik als Kunst nun wieder, je-denfalls in der Materialfrage, mit der Gebrauchsgrafikgemeinsame Sache macht. Werbeaufdruck und Kunst-werk entstehen vom selben Material – so wie DürersApokalypse und ein protestantisches Flugblatt vomHolz gedruckt wurden. Durch den Polymerdruck wer-den alle industriell entwickelten Drucktechniken wie-der der künstlerischen Verwendung geöffnet. Druck-graphikerInnen müssen die Chancen, die ihnen die In-dustrie bietet, erkennen und wahrnehmen.

Das Polymer, informiert der neue Brockhaus, ist eineüberwiegend organische Kunststoffverbindung, derensehr große Moleküle nach einem einfachen Bauprin-zip aus ständig wiederkehrenden Struktureinheitenmiteinander verzahnt sind. Verwendet werden Poly-mere als Kunststoffe, Synthesekautschuk, Chemiefa-

KUNST VOM KUNSTSTOFF„Polymerdruck“ ist das neueste Zauberwort der Druckgraphik, geheimnisvoll und aufregend. Er eröffnet den alten undneuen Ausdrucksformen der Druckgraphik den Anschluß an moderne industrielle Standards. Er ist voll noch ungeahnterMöglichkeiten. Ist er die Zukunft der Druckgraphik? Eine erste Annäherung von Philipp Maurer.

sern und in der Druckindustrie für Hochdrucke aufPlastiksackerln und Milchpackerln sowie im Rakeltief-druck. Die für den Druck verwendeten Polymere sindlichtempfindliches Material, das unbelichtet wasser-löslich ist, von UV-Licht aber zu einer höheren Poly-fluorkohlenwasserstoffkette geschmiedet wird, diewasser- und ölbeständig ist. Beim Auswaschen mitWasser bleiben die gehärteten Stellen stehen, währenddie unbelichteten, weichen Teile entfernt werden, umdie Druckfarbe für den Tiefdruck aufzunehmen. Säu-ren oder andere toxische chemische Verbindungensind im Herstellungsprozeß nicht notwendig.

Der Pionier des Polymerdrucks ist der Däne Eli Pon-saing, der in seiner 1995 in Kopenhagen erschiene-nen Einführung in die Technik bereits ankündigte,daß der Polymerdruck die Druckgraphik „aus ihremderzeitigen Wellental zu der Anerkennung bringen(wird), die sie früher genossen hatte“. Weiterentwickeltwurde der Polymerdruck durch die Finnen SeveriParko und Kari Holopainen. Holopainen verwendetdie auf Stahlbleche aufgebrachten Polymere zur Um-setzung von Fotografie in die zarten körnigen Grau-töne der Aquatinta und die haptischen und ästheti-schen Qualitäten des Druckes auf gutem Tiefdruckpa-pier. „Polymerfotogravüre ist eine außerordentlichanpassungsfähige Methode mit ungeahnten Möglich-keiten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.Der Polymerdruck, eine umweltfreundliche, angeneh-me Methode, ist die Zukunft der Druckgraphik.“ (Ho-lopainen) Heute bietet der Däne Henrik Boegh mitseinem Eksperimentalen Grafics Studio umfassendeInformationen über Materialien und Technik.

In den USA wurde der Polymerdruck populär durchden fast missionarischen Feldzug von Keith Howard,der das „Non-toxic Intaglio Printmaking“ mit demvon ihm in Zusammenarbeit mit Du Pont entwickel-ten Photopolymerfilm ImagOnTM propagierte und ander Canadian School for Non-toxic Printmaking(CSNP) lehrte. Die dünne Folie, die für die Herstel-lung von Halbleitern verwendet wird und gemäß dembinären Code nur ein ja/nein kennt, wird von TIFF-Dateien belichtet, ermöglicht experimentelles Arbei-ten und ca. 70 Abzüge. Dieses Verfahren eignet sicham besten für den Tiefdruck, für Radierungen, Mez-zotinto, Aquatinta, Weichgrund, Fototransfertechni-ken, Halbtontechniken. Wenn nur von der Polymer-schicht gedruckt wird, ist der Farbauftrag sehr dünn.Auf die Kupferplatte aufgezogen, ermöglicht das Ma-terial das Durchbelichten auf die Kupferplatte, diedann wie eine Radierung geätzt und als Tiefdruck ge-druckt werden kann, sodaß die Farbe wie bei einerRadierung im und auf dem Papier sitzt, da ja tatsäch-lich vom Kupfer gedruckt ist.

Kurt Zein, der den Polymerdruck intensiv erforschthat und ihn gerne verwendet, betont, daß die Materi-alien, die Holopainen verwendet, sich entscheidendvom ImagOnTm unterscheiden: sie sind qualitätvollerund bieten noch mehr Möglichkeiten. Von der Entste-hung und den verwendeten Materialien her habenwir es, so Kurt Zein, mit zwei Welten zu tun!

Heute umschreibt Polymerdruck ein sehr weites äs-thetisches und drucktechnisches Feld: Das Material

Michael SCHNEIDER: rekonstrukt lithographie. 2004, Polymer-Radierung und Holzdruck auf Japanpapier, 84 x 51 cm (Detail)

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März 2007 Nummer 3 UM:DRUCK Seite 3

Ausstellung

Juan Miró auf Mallorca und die Webster Universityin St.Louis, Missouri. In Österreich gehören heute derWiener Masterprinter Kurt Zein, der in Wien lebendeSpanier Javier Pérez Gil, Henriette Leinfellner undMichael Schneider zu den führenden AnwenderInnender neuen Technik.

Der Betrachter, Sammler muß sich ebenfalls in dieneue Technik „einsehen“, muß die Feinheiten derGraustufen erkennen und schätzen lernen, muß sichan den rezeptiven Umgang mit der neuen Technikgewöhnen. Unangetastet bleibt das Primat der ästhe-tischen Qualität. Das drucktechnisch beste Blatt kannkünstlerisch ein Schmarrn sein, aber das künstlerischbeste Blatt ist ohne beste Drucktechnik ebenfalls einSchmarrn. So wie beim Kupferdruck kommt es auchbeim Polymerdruck auf das Zusammenwirken undIneinandergreifen der ästhetischen und handwerk-lichen Qualität an.

Alle traditionellen Druckmethoden können auf einerPlatte gemeinsam ausgeführt werden, alle verfügba-ren Bilder von der Handzeichnung bis zum Videostillaus dem Internet herangezogen werden, die ganze

Michael Schneider klopft seine Holzplatten nun nichtmehr mit einem Stein, sondern mit einem Stück Gra-phit. Die Eindrücke werden dadurch flacher, aberrund um die Einschläge sammeln sich kleine Graphit-reste, die Schneider nun, ohne die Platte weiter prä-parieren oder einfärben zu müssen, auf das Papierdruckt. Das Schlag-Werkzeug ist gleichzeitig dasFarbmaterial. Sogar die kleinen Graphitsplitter, diewährend des Schlagens abspringen, werden einge-sammelt und im Werk verwendet. Den Graphitblockfotografiert Schneider digital, bearbeitet das Fotound druckt es als Polymerdruck mit Graphit vom sel-ben Block. Die Erstellung der Folien, mit denen diePolymerplatte belichtet wird, am Computer ist bereitsein wysiwyg-Prozeß, der allerdings durch den hand-werklich-optischen Prozeß der Belichtung und deshändischen Drucks beeinflußt wird. Diese Einflüsseentsprechen den Veränderungen, die am Computerdurch verschiedene Farbabstimmungen und Farbräu-me im Drucker möglich sind.

Präsentiert wird das alles in kleinen Holzboxen mitGlasscheiben, quasi Minivitrinen, auf die außen dermit Graphit gedruckte Holzdruck aufkaschiert ist unddarinnen der mit Graphit gedruckte Polymerdruck

MICHAEL SCHNEIDERS WYSIWYG„Wysiwyg“, „What you see is what you get“, sagen die Computergrafiker, wenndie Darstellung am Schirm mit der Ausgabe am Endgerät ident sein wird, wenntechnische Zwischenschritte inhaltlich und formal nichts mehr verändern. „Wysiwyg“ titelt Michael Schneider seine neueste Arbeit. Von Philipp Maurer

vom digital aufgenommenen und digital bearbeitetenFoto des Grafitblockes samt dem Graphitsplitter aus-gestellt werden.

Die Auflage könnte so weit erhöht werden, daß vondem Grafitblock nichts mehr übrig bleibt, sodaß derBlock, das Ding nur mehr in seiner Abbildung existie-ren und seine eigene Geschichte bebildern würde. Dar-in liegt der springende Punkt, der dann scheinbar denTitel der Arbeit konterkariert – allerdings: tatsächlichist das Material als Druckfarbe da. Das Objekt Graphithebt die Kluft zwischen Objekt und Abbildung auf.Selbst wenn die Auflage so weit erhöht ist, daß der ur-sprüngliche Graphitblock nicht mehr existiert, ist ereben als Druckfarbe da – wenn auch in völlig verän-derter Form. Er ist nur mehr molekular derselbe, quasitranszendiert. Aber trotzdem: wysiwyg.

Der Polymerdruck, entstanden vom Foto des Blockszeigt seine Form, der Druck ist das Material selbst, dieAußenform der Box trägt den Abdruck vom Graphit-block als Holzdruck, innen ist er selbst als Splitter.

Drei neue Formen des Ausgangsmaterials ergeben einneues Objekt. Anfang und Ende ist der Graphit.

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Michael SCHNEIDER: WYSIWYG. 2007, Holzdruck, Polymertiefdruck, Graphitsplitter, Pappelsperrholz, Glas, 14,4 x 19,3 x 8 cm

Welt der Bilder von der Gebrauchsgrafik bis zur ho-hen Kunst stehen den DruckgraphikerInnen zur Ver-fügung. Polymerdruck ist die friedliche Globalisie-rung der Druckgraphik.

Und das Neueste: Von Polyester, das heute im Offsetverwendet wird, haben Michael Schneider und TomLang in St. Louis, Missouri, ihre erste Polyesterlitho-graphie geschaffen.

Literatur:Taneli Eskola, Kari Holopainen: Polymer Photogravure. ANew Method for Photographers and Graphic Artists. Uni-versity of Art and Design, Helsinki 1996Eli Ponsaing: Fotogravure. En ny metode. Borgens Forlag,Kopenhagen 1995 (dänisch, englisch)Keith Howard: Non-toxic Intaglio Printmaking. Printmak-ing resources, Alberta 1998

Polymerdrucke von Helga Hofer, Henriette Leinfell-ner, Elisabeth Melkonyan, Javier Pérez Gil, GottfriedPrenninger und Michael Schneider zeigt die Offizinfür Druckgraphik vom 18. Mai bis 29. Juni 2007 (Ver-anstaltungskalender S.14).

verbindet Fotografie, Computer und Druck, mankann als Hoch- oder als Tiefdruck drucken oder bei-des von einer Platte kombinieren. Deswegen habensich Kurt Zein und Michael Schneider auf den um-fassenden Begriff Polymerdruck ohne Angabe vonHoch- oder Tiefdruck oder eines bestimmten Produk-tes geeinigt. An den Begriff kann die spezielle Druck-technik, z.B. Polymerradierung oder Polymerfotogra-vüre, angefügt werden.

Polymerdruck kann viele andere Drucktechniken imi-tieren. Er kann als Hochdruck wie ein Holzschnitt ge-druckt werden, wobei er wie ein Linolschnitt wirkt,wenn man nicht die charakteristische Holzstruktur indie Platte hineinbelichtet; er kann für die Ausgabevon Computerschriftsatz im klassischen Buchdruckverwendet werden. Man kann ihn wie eine Radierung,wie eine Fotoradierung oder eine Heliogravüre druk-ken, ihn auch wie eine Zeichnung, eine Kreidelitho-graphie, eine vernis mou erscheinen lassen, man kannunendliche Halbtöne wie bei einem guten Foto erzeu-gen, und man kann Computerausdrucke übernehmen.Wenn es jemand darauf anlegt, die Tatsache des Poly-merdrucks zu verschleiern, wird man den Druckträgermit freiem Auge nicht leicht feststellen können. Ambesten ist der Polymerdruck daran zu erkennen, daßmehrere traditionelle und neue Drucktechniken aufeinem Blatt vereint zu stehen scheinen. Auch Farb-drucke sind möglich, indem man die vier Farbauszü-ge, die der Computer für den Offsetdruck liefert, aus-belichtet. Hier werden die Methoden der traditionellenDruckgraphiken mit dem Stand der neuesten Technikverbunden, wodurch auch DruckgraphikerInnen, dietraditionelle Techniken schätzen, den Anschluß an dietechnische Avantgarde finden.

Der Polymerdruck ist allen Interessierten zugänglich.Voraussetzung für die Herstellung ist die Vertrautheitmit phototechnischen Vorgängen wie Belichten undEntwickeln. Die von Michael Schneider geleiteten Se-minare auf der art didacta in Innsbruck und die vonden TeilnehmerInnen erzielten Ergebnisse bestätigendies eindrucksvoll. Polymerplatten kann jeder zuHause belichten, bearbeiten, drucken. Polymer bietetim Zusammenspiel mit dem PC und den bildbearbei-tenden Programmen für jeden die Möglichkeit, indi-viduelle Bilder mit neuester Technik zu produzieren.Damit ist Polymerdruck geeignet, die künstlerischeDruckgraphik wieder in den allgemeinen Prozess derBildverbreitung einzuklinken. Kurt Zein allerdingsbetont, daß im Polymerdruck wie in allen anderendruckgraphischen Techniken die wahre Meisterschafterst durch langes Studium und Experimentieren er-reicht werden kann und umfassender technischerKenntnisse und Erfahrungen bedarf.

Heutige Zentren des Polymerdrucks, in denen an sei-ner Weiterentwicklung intensiv gearbeitet wird, sindin Finnland, in Kanada, in Dänemark, die Fondacio

Helga HOFER: Konstruktion. 2004, Polymer-Radierung, 49 x 35 cm

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