Über das Kräftespiel an den Otolithen

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Archiv Ohr- usw. Heiik. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 160, S. 377--387 (1951). Aus der Univ.-Hals-Nasen-Ohrenklinik Graz (Vorstand: Prof. Dr. GVSTAV HOFER). Uber das Kr~iftespiel an den Otolithen. Von ~T[AX KRAUS. Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 11. September 1951.) Trotz seiner einfachen, fast primitiv zu nennenden ,technischen" Grundlagen bildet das Otolithenorgan noch immer eines der schwierigsten und dunkelsten Prob]eme der Ohrphysiologie. Die Grfinde dafiir sind wohl in erster Linie der st/indige entwieklungsgeschichtliche Wechsel seiner Funktionen, der den Wert der Tierexperimente ffir die mensehliche Physiologie dieses Organs ganz wesentlich herabsetzt, und dann die groBe Sehwierigkeit der experimentellen Trennung yore Bogengangsapparat. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen h/~lt, dab die beiden Teilsinnesorgane unter physiologischen Bedingungen weitgehend zusammenarbeiten. Bei Kopfdrehungen, dem eigentlichen Bogengangs- reiz, mu6 ja zwangsl~ufig auch der Otolithenappara~ in Erregung gesetzt werden und andererseits ist nach 01~STEI~ und BURGER und verschiede- nen anderen Autoren anzunehmen, da$ der Bogengangsapparat seiner- seits auch auf reine Progressivreize ansprechen kann. Um eine Obersicht fiber die verwirrende Ffille yon ]V[Sglichkeiten der Reize und Reizbeantwortungen des Otolithenorgans zu erlangen, soll es Aufgabe der folgenden Untersuchungen sein, die Kr~fte zu analysieren, die auf die Otolithen einwirken kSnnen und die theoretisehen Ergebnisse dann mit den als Otolithenreaktionen bekannten Erscheinungen in Paral]ele zu setzen. Es soll ein Bild darfiber gewonnen werden, welche Einzelfaktoren am Zustandekommen der verschiedenen Reaktionen be- teiligt sind. Die hervorstechendste Besonderheit in der Bauart der Maeulae bildet die Einlagerung yon spezifisch schwereren KSrnchen, den sogenannten Oto]ithen, in die Gallertsehichte, die den Angriffspunkt ffir eine Reihe yon Krs bilden. Die Frage, ob Druek oder Verschiebung dieser Otolithen (,,Gleittheorie" yon ~AcH-BREuER) den ad~quaten Reiz bildet, konnte an anderer Stelle im Sinne der zweiten MSglichkeit entschieden werden. Die Hauptgriinde ffir dig Bevorzugung der alten Gleittheorie waren neben Argumenten STEI~C~AVS]~S die Analogie zu dem eindeutig als ,,Bewegungsempf~nger" arbeitenden Bogengangsystem, Besonder-

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Archiv Ohr- usw. Heiik. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 160, S. 377--387 (1951).

Aus der Univ.-Hals-Nasen-Ohrenklinik Graz (Vorstand: Prof. Dr. GVSTAV HOFER).

Uber das Kr~iftespiel a n den Otolithen. Von

~T[AX KRAUS.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 11. September 1951.)

Trotz seiner einfachen, fast primit iv zu nennenden , technischen" Grundlagen bildet das Otolithenorgan noch immer eines der schwierigsten und dunkelsten Prob]eme der Ohrphysiologie. Die Grfinde dafiir sind wohl in erster Linie der st/indige entwieklungsgeschichtliche Wechsel seiner Funktionen, der den Wert der Tierexperimente ffir die mensehliche Physiologie dieses Organs ganz wesentlich herabsetzt, und dann die groBe Sehwierigkeit der experimentellen Trennung yore Bogengangsapparat. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen h/~lt, dab die beiden Teilsinnesorgane unter physiologischen Bedingungen weitgehend zusammenarbeiten. Bei Kopfdrehungen, dem eigentlichen Bogengangs- reiz, mu6 ja zwangsl~ufig auch der Otolithenappara~ in Erregung gesetzt werden und andererseits ist nach 01~STEI~ und BURGER und verschiede- nen anderen Autoren anzunehmen, da$ der Bogengangsapparat seiner- seits auch auf reine Progressivreize ansprechen kann.

U m eine Obersicht fiber die verwirrende Ffille yon ]V[Sglichkeiten der Reize und Reizbeantwortungen des Otolithenorgans zu erlangen, soll es Aufgabe der folgenden Untersuchungen sein, die Kr~fte zu analysieren, die auf die Otolithen einwirken kSnnen und die theoretisehen Ergebnisse dann mit den als Otolithenreaktionen bekannten Erscheinungen in Paral]ele zu setzen. Es soll ein Bild darfiber gewonnen werden, welche Einzelfaktoren am Zustandekommen der verschiedenen Reaktionen be- teiligt sind.

Die hervorstechendste Besonderheit in der Bauar t der Maeulae bildet die Einlagerung yon spezifisch schwereren KSrnchen, den sogenannten Oto]ithen, in die Gallertsehichte, die den Angriffspunkt ffir eine Reihe yon Krs bilden. Die Frage, ob Druek oder Verschiebung dieser Otolithen (,,Gleittheorie" yon ~AcH-BREuER) den ad~quaten Reiz bildet, konnte an anderer Stelle im Sinne der zweiten MSglichkeit entschieden werden. Die Hauptgri inde ffir dig Bevorzugung der alten Gleittheorie waren neben Argumenten STEI~C~AVS]~S die Analogie zu dem eindeutig als ,,Bewegungsempf~nger" arbeitenden Bogengangsystem, Besonder-

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heiten im histologischen Aufbau der Maculae und die (Jberlegung, dab bei Annahme einer reinen Druekfunktion nut zwei Dimensionen im Raum erkannt werden kSnnten.

Bei Annahme einer Gleittheorie und Beiseitelassen inadgquater und in ihrer Wirkung nicht analysierbarer Krgfte, wie elektrischer Strom , Entzfindungsreiz usw., gibt es nun 5 versehiedene mechanische Krgfte, die die Otoli thenmembranen ablenken k6nnen und die sieh hinsiehtlieh Bedingungen und Zeitpunkt des Auftretens, Wirkungsdauer, Intensitgt und l~ichtung voneinander unterscheiden: 1. Gravitation, 2. Trggheits- wirkung bei Progressivbesehleunigung in gradliniger Bewegungsrichtung; in Anlehnung an WITTMAAeKS Terminologie soil daffir der k/irzere Aus- druek , ,Linearremanenz" gewghlt werden, zum Untersehied yon der 3. Trggheitswirkung bei Winkelbeschleunigung (,,Drehremanenz"), 4. Zentrifugalkraft und 5. EndolymphstrSmUngen. Die theoretisehe Ana- lyse dieser Kr/ifte ergibt ein sehr buntes Bild.

1. Die Gravi ta t ion/ ib t als stgndig vorhandene Kraf t einen Dauerreiz auf die Otolithen aus, die sich dureh diese physiologische Besonderheit yon den meisten anderen Sinnesorganen unterscheiden, vergleiehbar nur etwa den Zellen der Retina (IVIAGN~S und D~ KLEIa_~). Da sich das Gewicht der Otolithen kaum sicher angeben i/iBt, hat eine Schgtzung des absoluten 1V[aBes dieser Kraf t kaum einen Wert. Trotzdem stellt die Gravitation das beste Vergleichsma6 dar f/Jr die Beurteilung der iibrigen, auf die Otolithen einwirkenden Krgfte. Durch die rechtwinkelige Lage der beiden 1VIaculae zueinander kommen meist nur einzelne Teile (,,Vek- toren") dieser Krgfte zur Auswirkung. Bezeichnet man die maximale Ablenkung einer Otoli thenmembran durch die Gravitation bei optimaler, lotreohter Stellung der ~acu la mit 1, so schwankt die Wirkungssumme der die beiden Otolithen eines Ohres ablenkenden Vektoren der Gravi- tat ion je nach deren Lagerung zwischen 1 (die eine 1V[acula genau hori- zontal) und 2 (beide Maculae lotreeht gestellt, wi~ ungefKhr beim Liegen auf der Seite). Diese Feststellung hat f/it die spgter zu erSrternde Lift- reaktion eine gewisse Bedeutung. Die Richtung der Gravitat ion geht

�9 zum Erdmit te lpunkt und damit senkrecht zu praktisch s/imtlichen anderen auf die 0toli then einwirkenden Kr i f ten . Jeder Lagerung des Kopfes im l~aum entspricht ein best immter und immer gleicher Ablenkungsgrad aller ~ 1V[aculae beider OMen, ein unbewuBtes zentrales Reizbild.

2. Die Linearremanenz (Tr~gheitsablenkung bei Progressivbeschleu- nigung) k o m m t ihrenl Wesen entsprechend beim Beginn jeder Bewegung zum Gravitationsreiz hinzu. Sie ist physiologischerweise nur yon sehr kurzer Dauer, da die gewtinschte bzw. mSgliche Schnelligkeit einer Be- wegung meist schon in Bruchteilen einer Sekunde erreicht ist. Ihre Inten- sit/~t kann bei der kurzen Wirkungsdauer normalerweise nicht sehr groB sein. Die Gravitation gibt einen guten VergleichsmaBstab: Uber die

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Gesehwindigkeit des freien Falles diirften physiologisehe Bewegungen kaum hinausgehen und diese kurz wirkende Zusatzkraft damit den oben angenommenen Weft 1 selten iibersehreiten. Die Riehtung dieser Kraft , die sieh wohl meistens bei Lauf und Sprung oder Anfahren eines Fahr- zeuges auswirken wird, ist fast immer horizontal und damit reehtwinkelig zur Gravitation. Dureh die Zusatzwirkung wird das gewohnte Lagebild der Otolithen ver~ndert und damit eine Unterse.heidung yon einer ge- w6hnliehen Lage/tnderung m6glieh gemaeht.

3. Die , ,Drehremanenz" ist physikaliseh gesehen eine grunds~tzlieh gleiehartige Erseheinung, die beim Beginn yon Drehbewegungen des Kopfes auftritt . Bei den physiologiseh meist sehr rasehen, ruekartigen Kopfbewegungen, wie sie insbesondere im Tierreieh oft zu beobaehten sind (V6gel), diirfte die dabei auf die Otolithen einwirkende Kraf t die Linearremanenz an Intensiti/t meist noeh tibertreffen, w~hrend ihre Ein- wirkungsdauer allerdings in der Regel noeh kiirzer sein mug und nur kleine Bruehteile yon Sekunden betragen kann.

Der wiehtigste Untersehied der Linearremanenz gegentiber und damit die Bereehtigung, diese Kraf t gesondert anzuftihren, liegt in der Riehtung der Einwirkung auf die Otolithen. Hier zeigt sieh zum erstenmal eine versehiedenartige Beeinflussung der Otolithen beider Seiten. Die Laby- rinthe beider Seiten liegen dem Drehmit telpunkt des Seh~dels nahezu diametral gegeniiber und sind etwa 5- -6 em yon diesem entfernt. Dem- entspreehend werden bei Kopfdrehungen die Maeulae beider Seiten in entgegengesetzte l%iehtung abgelenkt und zwar tangential zur Drehung. Liegt der Drehmit te lpunkt - - wie etwa bei der tibliehen Drehstuhl- prtifung mit etwas ungenauer Einstellung - - etwas exzentriseh, so ~ndert sieh der Ablenkungswinkel beider Otolithenorgane in eharakteristiseher Weise, wird z. B. bei einer Exzentrizit~t yon 5- -6 em ein reehter usw. I m m e r aber ist die Riehtung der I)rehremanenz tangential und damit reehtwinkelig sowohl zur Gravitation, als aueh zu der gleieh zu be- spreehenden Zentrifugalkraft.

4. Die Zentrifugalkraft t r i t t mit Beginn jeder Drehung auf, erreieht ihre volle Wirksamkeit aber erst bei einer gewissen Drehgesehwindigkeit, also gerade dann, wenn die Wirkung der Drehremanenz aufhSrt. Sie dauert w~hrend der ganzen Drehbewegung unver~ndert an und l~gt erst beim Abstoppen der Drehung naeh, dann also, wenn wieder die Dreh- remanenz (diesmal in Form der Verz6gerung start Besehleunigung) zur Wirkung kommt. Zentrifugalkraft und Drehremanenz sind demnaeh im groBen und ganzen alternierende Kr~fte. Meist wird die Zentrifugalkraft in ihrer GrSBe iibersehgtzt und als einzige bei einer Drehung in Betraeht

~:lTlr~ 2 kommende Kraf t angesehen. Aus der einfachen Formel ~ ist ersicht-

lich, dab sie gr5Benm~gig vom Drehradius abhiingt und umgekehrt

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proportional ist dem Quadrat der Umlaufszeit. N immt man ffir die fibliche Drehprfifung eine Distanz yon z. B. 10 cm zwischen den Laby- rinthen und dem Drehmit te lpunkt an (5 cm Distanz w/~re die absolut ideale Einstellung) und eine Umlaufzeit yon 2 sec (10 Drehungen in 20 see), so verhi~lt sich die dabei zur Wirkung kommende Zentrifugalkraft zur Gravitation wie 1 : 10. Nimmt man ffir die ira tKglichen Leben vor- kommenden Kopfwendungen eine doppelt so groBe Geschwindigkeit an und einen Radius yon etwa 6 cm, wie er de r tatsgchlichen Entfernung der Labyrinthe yore Halbierungspunkt der Gelenkfl~chen der I-Ials- wirbelsgule entspricht, so ergibt dies ein Verhi~ltnis von Zentrifugalkraft : Gravitat ion wie 1 : 4. Erst bei einem Radius yon 1 m bei 2 sec Umlaufzeit oder einem Radius von 6,25 m bei 5 sec Umlaufzeit (gewShnliches Ka- russell) wird die Zentrifugalkraft gleich fro8 wie die Gravitation. Da- durch, dab diese Kraf t wieder rechtwinklig zur Gravitat ion einwirkt, erfolgt jedoch keine Verdoppelung der Gravitationswirkung; die Resul- tierende beider Kr~fte ergibt nur etwa das 1,r der Dauerablenkung durch die Gravitation.

Man wird demnach nut bei verh~ltnism/igig groBem Radius und rascher Umdrehung irgendwelche Auswirkungen der Zentrifugalkraft auf die Otolithen erwarten kSnnen, die aber auch kaum fiber eine Ver- schiebung der durch Gravitat ion best immten Lotrechten hinausgehen kann. Die Richtung der Zentrifugalkraft ist radi~r, also senkrecht sowohl zu Gravitat ion als auch Drehremanenz und ffihrt ebenfalls zu einer ver- schiedenartigen Ablenkung der 0tol i then beider Seiten. A!lerdings ist die Divergenz in der Ablenkung vom Radius abh~ngig und daher nut dort deutlich, wo dieser und damit die Kraf t selbst sehr klein ist. (Vet: kfirzung der Umlaufzeit unter etwa 1 s~c ist ja bei Experimenten am Mensehen kaum mSglich.)

5. Die letzten der mechanischen Kr~ifte, die die Otohthen ablenken kSnnen, sind die Endolymphstr5mungen, die sich durch Tr~gheits- ~drkung in den Vorhofs/ickchen genau so, ja sogar in st/irkerem AusmaB ausbilden mfissen, als in den Bogeng~ngen. Die Grfinde, weshalb unter physiologischen Bedingungen die Maculae durch solche StrSmungen kaum beeinfluBt werden, wurden an anderer Stelle' dargelegt. Hauptgrfinde sind die isolierte Lagerung in zwei klein gehaltenen Hohlri~umen und die flache Ausbildung der Maculae, fiber we]the StrSmungen ohne wesent- lichen Widerstand hinweggleiten k5nnen. Bei experimentellen Dauer- drehungen kann eine DauerstrSmung abet ohne weiteres zu einer Ab- lenknng der Maculae ffihren bzw. eine durch die Drehremanenz erfolgte Ablenkung aufrecht erhalten. Dadurch, dab die S~ckchen einen wesent- lich weiteren Querschnitt aufweisen als die Bogeng~nge, kommt es bier ja nicht durch Kapillarwirkung schon nach kurzer Drehzeit zu einem Mitdrehen der Endolymphe und damit AufhSren des Reizes.

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Die St~rke diese Reizes l~gt sieh naturgemi~B nieht bereehnen, dooh ist es ersiehtlieh, dab dureh entspreehend lange Einwirkung und Summa- tion der Wirkung eine betr/~ehtliche Ablenkung erfolgen kann. Der Wirkungsbeginn dieses I~eizes dfirfte verh~ltniSm~Big spgt, erst naeh geniigender l~eizsummation einsetzen. Die I~iehtung der Ablenkung ist hier nieht vom Drehradius abhiingig, sondern yore Str6mungsmittel- punkt, der dureh den anatomisehen Bau und die jeweilige Lagerung der S/~ekehen zur Drehebene bestimmt ist und sieh nicht so ohne weiteres vorausbereehnen 1/~gt. Es ist jedoeh leicht einzusehen, dab es hier/~hnlieh wie bei I)rehremanenz und Zentrifugalkraft zu einer divergenten Ab- lenkung der Otolithen beider Seiten kommen muB.

Zusammenfassend ergibt sieh fiir die Eigensehaften der 5 angefiihrten Kr/~fte f01gendes r

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Abb. 1.

Ursprung: Gravitation, Linear- und Drehremanenz sind physiolo- gisehe, allt~gliche Reize, Zentrifugalkraft und Str6mung treten in wesentlichem AusmaB nur unter pathologisch-experimentellen Bedim gungen auf.

Zeitpunkt und Dauer: Die Remanenzkr~fte kurzdauernd und nur bei Beginn und Beendigung einer Bewegung, Gravitation: st/~ndiger Dauer- reiz, Zentrifugalkraft und Str6mung: 1Engerdauernde Reizwirkung, mit der Drehremanenz Mternierend.

Intensitiit: Gravitationszug Ms EinheitsmaB, I~emanenzkr/~fte ver- h/~Itnism~Big stark bei sehr kurzer Wirkungsdauer, ZentrifugMkraft meist nur Bruehteile der Gravitationswirkung, StrSmung unbestimmbar, wahrseheinlieh kr~ftige Wirkung.

Richtung: Gravitation lotreeht, Remanenz reehtwinklig dazu und bei Drehung tangentiM, Zentrifugalkraft reehtwinklig zu beiden anderen Kr/fften, radi~r. Str6mung wieder unbestimmbar, naeh der tats~chliehen Lage der Maculae am ehesten zur Drehung tangentiMe Ablenkung. Dureh Drehremanenz, Zentrifugalkraft und Str6mung divergierende Ablenkung der Otolithen beider Seiten. (Bei der Ablenkung eines Otolithen kann

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naturgem/~B immer nur ein Teil (Vector) einer Kraft wirksam werden, der in der Ebene der betreffenden Macula liegt, da die Otolithenmem- branen ja in ihrer Ablenkungsm6glichkeit gebunden sind.)

Die n~tchste Aufgabe mul~ es nun sein, die als Otolithenreaktionen bekannten Erscheinungen zu untersuchen und zu versuehen, aus ihren ]~esonderheiten Schliisse auf die vorwiegend daran beteiligten Kr~fte zu ziehen.

Den Otolithenorganen werden eine Fiille yon Funktionen zugeschrie- ben, die z. T. wohl noch sehr hypothetisch sind, wie Schallfunktion, Aus- wirkungen auf Blutdruck, sogar Beziehungen zum Erlebnis des l~hyth- mus usw. Fiir die vorliegende Betrachtung kommen jedoeh nut Funk- tionen in Frage, die offensichtlich an die physikalische Besonderheit des h6heren spezifischen Gewichtes der Otolithen gebunden sind. Die beiden ,,klassischen" Funktionen, die damit in Zusammenhang gebracht werden, sind die Erkennung yon Lage und Progressivbeschleunigungen.

Diese beiden physiologisehen Funktionen sind jedoch in ihren er- kennbaren Auswirkungen recht unbedeutend. Die Reaktionen verlaufen unbewuBt und iiberdeckt yon paralMgehenden Empfindunge n dutch Auge, Muskulatur und andere Einfliisse; aufterdem ist jede mit einem Lagewechsel verbundene Kopfbewegung unter allen Umst~nden auch ein adgquater Reiz ffir den Bogengangsapparat, der mSglicherweise auch an tier Perzeption yon Progressivbeschleunigungen be~eiligt ist.

Um die eigen~hche Otolithenwirkurig herausarbeiten zu kSnnen, ist es notwendig, die 10hysiologisehen Kr/ifte wesentlich zu verst/irken und die eintretenden Reaktionen dann zu analysieren und mit den dabei zur Wirkung kommenden Kr/~ften in Parallele zu setzen.

Lagereize sind ihrer Natur naeh nun fiberhaupt nieht verst/irkbar, da es vor tier Verwirkliehung der Weltraumsehiffahrt nieht mSglieh ist, den Gravitationsreiz zu erh6hen. Progressivbeschleunigungen (Anfahren oder plStztiehes Stehenbleiben eines Fahrzeuges usw.) lassen sieh auch nieht fiber ein gewisses Mal~ steigern, da aueh bei verh~ltnismi~Biger geringer Besehleunigung in kfirzester Zeit relativ groBe Geschwindigkeiten er- reieht werden, die sieh dann aus teehnisehen Grtinden nieht mehr steigern lassen. Nur die naeh abw~trts geriehtete Besehleunigung, der freie Fall, ruft eine besondere ,,Liftreaktion" hervor, deren Versehiedenheit gegen- fiber den Wirkungen yon Besehleunigungen anderer Riehtung gewisse Sehlfisse ermSglieht.

Bei der zweiten Gruppe yon physiologisehen Bewegungsformen, den Drehbewegungen, liegen die Verh~ltnisse insofern noeh komplizierter, als unter normalen Bedingunge n die Bogeng~nge hier ad/s miterregt werden. Dabei sind solche Drehbewegungen in der Natur meist sehr sehnell, ruekartig, so daft Gesehwindigkeitsst~igerungen ohne Gef~hrdung des Organs kaum m6glieh sind (Abzentrifugieren der Otolithen) und fiir

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die physiologisch kleinen Winkelbereiche aueh teehniseh sehr sehwer durehffihrbar wgren, t t ier gibt es nur den einen ~r den physiologischen Reiz ins Pathologische zu verzerren, ngmlieh die Dauer des Reizes zu vervielfaehen.

Freier Fall und Dauerdrehung sind die beiden experimentellen MSglichkeiten, extreme Otolithenreize zu setzen, und diese liefern nun 3 eigenartige Reaktionen, die man aus verschiedenen ~berlegungen (wie noch begrfindet werden soil) nur auf die Otolithenorgane zurfickffihren kann, n~mlich Liftreaktion, Scheindrehung und Nausea.

Die sogenannte Liftreaktion stellt sieh dar als eine Kombinat ion yon Besehleunigungsempfindung naeh unten, gewissen KSrperreflexen und einer eigenartigen, nieht n~iher zu beschreibenden, unangenehmen Sen- sation, die der Nausea naeh Drehbewegungen ~ihnlieh, jedoch nicht mit ihr identiseh ist.

Die KSrperreflexe sind beim Menschen lange nicht mehr so deutlich wie beim Tier und entspreehen durehaus sinnvollen Sprungstellungen. MA~t r s hat sie in zahlreiehen Tierversuehen genauestens beschrieben. Da ffir die grol~e Mehrzahl der iV[ensehen Liftbewegungen im t~gliehen Leben praktisch nieht vorkommen, kann man die beim Menschen nur mehr angedeuteten Haltungsreflexe Wohl nur noch a]s atavistisches Rudiment auffassen.

Da6 die Nausea-~ihnliehe Sensation nur bei FMlbewegungen, nieht aber bei gleiehschnellen Beschleunigungen nach aufwiirts vorkommt, l~St sieh aus den vorangegangenen Er6rterungen fiber die Auswirkung der Gravitat ion auf die Otolithen verstehen. Die Reizsumme far die Maeu- lae eines Labyrinthes sehwankt je naeh der Stellung des Kopfes zwisehen 1 und 2 (1 = Ablenkung einer Otoli thenmembran dureh die Gravitat ion bei optimaler Stellung ftir dir Krafteinwirkung). Sie wird dureh ebenso physiologisehe Besehleunigungsreize in der Horizontalen (Linear- remanenz) fallweise noeh etwas erh6ht. Eine Erh6hung der Ablenkungs- summe dureh Besehleunigung naeh oben wird daher die physiologisehen ~aBe der Reizsumme ffir beide Maeulae nieht fibersehreiten. Es w/~re sogar die Vorstellung mSglich, dag es eine gewisse maximale Ablenkungs- weite fiir jede Otoli thenmembran geben k6nnte, die trotz Zunahme der einwirkenden Kraf t in der Regel nieht mehr fiberschreitbar w~ire (maxi- male Dehnung der Gallertsehiehte). Beim freien Fall kommt es jedoch durch Aufhebung der Gravitationswirkung zu einer Verminderung der Reizsumme ffir ein Otolithenloaar unter den Wert 1 und damit zu einem ganz ungewohnten Reizbild der 1V[aculae. Es erscheint der Schlu/3 be- rechtigt, daft die A u/hebung oder auch nur Unterschreitung der ph ysiologischen Reizsumme die Ursache ist /iir die der Li/trea~tion eigentiimliche Ubelkeit.

Praktiseh kommt die Liftreaktion vor bei sehnellfahrenden Personen- aufzfigen, Drahtseilbahnen, Flugzeugen (,,LuftlScher") und wahr-

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seheinlich ist auch die Seekrankheit Ms periodisehe Liftreaktion auf- zufassen. Auch QvIx leitet diese Erscheinung yon den Otolithen ab. Dafiir spricht aueh sehr stark die Beobachtung, dab der jewei]s un- angenehmste Moment dann gegeben ist, wenn der betreffende Schiffsteil in seinen Schaukelbewegungen den h6chsten Punkt erreieht hat und die Fallbewegung beginnt, also immer im Moment der st~rksten Verminde- rung des Gravitationszuges. Eine zus~tzliche Bedeutung dfirfte dieses Ph~nomen in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft mit der Verwirkliehung der Weltraumschiffahrt erlangen. Menschen in einer Raumrakete miissen die st~ndige Sensation des freien Falles einpfinden und auch dieses Teilproblem mit seinen praktisehen Folgen miigte yon den Kon- strukteuren wohldurchdacht werden.

Dag diese Liftreaktion nur auf die Otolithenorgane zuriiekgefiihrt werden kann, ist so Mar, dag sieh eine weitere Begrfindung erfibrigt. Ffir das zweite Ph~nomen, die Scheindi'ehung, ist eine solehe Ableitung jedoeh notwendig. Bei der an anderer Stelle durchgefiihrten Analyse des Nystagmus wurde wie iSblieh zwischen Eigendrehung und Seheindrehung der Umgebung unterschieden. Es konnte nun naehgewiesen werden, dag die beim klassisehen Pv~KINJ~schen Drehversueh auftretende Schein- drehung der Umgebt/ng unter keinen Umst~nden auf den Nystagmus und damit auf die Bogeng~nge zurfickgeffiht werden kann. (Hauptgriinde waren: Inkongruenz zwischen Nystagmus und Seheindrehung bei der Calorisierung, beim Fistelsymptom usw., lebhafte Scheindrehung ohne Nystagmus w~hrend einer l~ngerdauernden Rotation und das absolut gegens~tzliehe Verhalten yon Nystagmus und StrSmung in den Bogen- g~ngen einerseits und Seheindrehung andererseits beim erweiterten PURKINJEschen Drehversueh mit sofortiger Gegendrehung nach dem Anhalten.) Die sicher labyrinth~r bedingte Scheindrehung (naeh Calori- sierung, naeh Rotation aueh mit versehlossenen Augen auftretend) kann daher nur als Otolithenwirkung aufgefaBt werden.

Es erhebt sieh nun die Frage nach den unmittelbaren Vorg~ngen an den Otolithen, die fiir die Entstehung der Scheindrehungen verantwort- lieh zu machen sind und damit naeh den Kr~ften, die diese verursachen. Bei der groBen Bedeutung, welehe die Scheinbewegungen im allgemeinen ftir das Verstiindnis des komplexen Begriffes des Sehwindels haben, ist die LSsung dieses Teilproblems yon gr6gerer Wiehtigkeit, als man ftirs erste annehmen m6ehte.

Die Frage, ob quantitative oder qualitative Untersehiede gegeniiber den physiologisehen Verh~ltnissen die Ursaehe fiir die Entstehung der Seheindrehungen ist, 1/~13t sieh dureh Sehliisse aus einer Beobachtung STEIns klar entseheiden: Nach einseitigem Labyrinthverlust g ib t es keine experimentellen Seheindrehungen mehr! Dies konnte bei mehr- faeher Naehpriifung roll best~tigt werden. Selbst naeh einer Belastung

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von 60 Umdrehungen in 60 sec (das ist die 6--12fache Reizsumme einer normalen Drehprfifung) beobachteten Patienten mit einseitigem Laby- rinthverlust keiner]ei Scheindrehungen und standen sofort nach An- halten der Drehung ohne die geringsten Zeiehen yon Schwindel yore Drehstuhl auf.

Damit ist erwiesen, da~ einfache ~ehrbelastung der Otolithen nicht die Ursache der ScheindI'ehung sein kann, sondern nur eine qualitativ verschiedene Belastung der )/[aculae beider Seiten. Dieses Verhal~en nach einseitigem Labyrinthverlust bildet gleichzeitig einen weiteren entscheidenden Beweis dafiir, dalB gerichtete Ablenkung und nicht bloBer Druck den ad~tquaten Reiz ffir die Maeulae bfldet, wie dies eingangs fest- gestellt und an anderer Stelle ausffihrlieh begriindet wurde. Bei gen~u tangential gestellter Ohrachse ist ja die reine Druckwirkung auf die Oto- lithen beider Seiten (ohne Beriicksichtigung der Ablenkungsrichtung) bei allen in Betracht kommenden Kr~ften vollkommen gleich und eine Erkl~rung des unterschiedlichen Verhaltens einseitig Labyrinthloser nicht m5glich.

Nach der eingangs durchgeffihrten Analyse der wirksamen Kr~fte kommen ffir einen Dauerreiz bei Drehung nur die Zentrifugalkraft und S~rSmungsauswirkungen der Endo]ymphe in den Si~ckchen in Betracht, zwisehen denen nunmehr die Entseheidung getroffen werden muB. Beide fiihren zu einer divergierenden Ablenkung der Oto]ithen, die naeh dem ST~]I~schen Versuch als Ursaehe der Seheindrehung angesproehen werden mu~. Verschiedene Untersuehungsergebnisse sprechen nun dafiir, daft die Zentrifugalkraft nicht als Ursache in Betracht kommen kann:

1. Bei Drehung mit radii~r gestellter Ohrachse kommt es genau so zu Scheindrehungen, wie bei tangentialer Stellung, obwohl hier die Maculae beider Seiten in die gleiche Richtung abgelenkt werden und nur die ein- wirkende Kraf t ffir beide MacuI~e um einen geringen Betrag differier~. DalB diese Differenz in der quantitativen Belastung der Maculae nicht Ursache ffir eine Scheinbewegung sein kann, geht schon daraus hervor, dalB sonst bei Untererregbarkeit eines Labyrinthes st~ndig Schein- drehungen auftreten mfii~ten.

2. Bei Drehung einmal mit dem Blick zur Achse, das andere ~r in zentrifugaler ]%iehtung kommt es zu den gleichen Seheindrehungen nach der Gegenseite der Drehung, obwohl die Ablenkung der Otolithen jedes- real um 180 ~ verschieden ist.

3. Einen entscheidenden Beweis bietet das Entstehen yon Schein- drehungen nach C~lorisierung, wo nur Str6mungsvorg~nge mSgtich sind und keine Zentrifuga]kraft auftreten kann. Die Scheindrehungen der Um- gebung nach Dauerd~'ehungen sind daher einzig und allein au/ Str6mungs- vorgi~nge in den Vorho/si~clcchen zuriiclczufighren, durch welche" die Maculae beider Seiten in verschiedene l%ichtungen abgelenkt werden. Der unter

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Unphysiologischen ]~edingungen auftretend~ Str5mungsreiz ist abgesehen yon der Wirkungsdauer der physi01ogischen Drehremanenz am ghn- lichsten (Richtungsbestimmtheit) und aueh diese )~hnliehkeit mit dem physiologischen Drehreiz fiir die Otolithen lgBt die Riiokfiihrung der Seheindrehungen auf Str5mungswirkungen als durchaus plausibel er- scheinen.

Vollkomen parallel mit den Soheindrehungen, sowohl beziiglich Zeit- punkt als auch Intensit/*t und Ablauf, tr i t t ein charakteristisohes ~bel- keitsgefiihl auf, das sioh bis zum Erbrechen steigern kann. Die Nausea nach Drehbewegungen fehlt bei einseitig Labyrinthlosen ebenfalls voll- kommen. Man wird sie wohl mit Recht auch yon den Otolithen ableiten kSnnen; daffir sprieht neben der Parallelit/*t mit den Scheindrehnngen auch das Auftreten ganz i*hnlicher Sensationen bei der Liftreaktion und das Fehlen der Nausea beim Fistetsymptom, der einzigen ~iSgliohkeit, unter bestimmten Voraussetzungen mit groBer Wahrsoheinlichkeit nur den l~ogengangsapparat isoliert reizen zu kSnnen. Der Zweck dieser Re- aktion ist unklar. Gi2TTICU vergleicht die Einrichtung mit einer Art yon ,,Feuermelder". Als Warnmeohanismus ist abet die ~Tausea beim Men- schen kaum mehr aufzufassen, da sie nur unter Bedingungen auftritt, die unter natiirlichen Verhgltnissen nicht vorkommen. Vielleicht ist es ein atavistischer Rest eines solehen Warnzeichens, vielleieht auch nur ein {}berspringen eines zu starken Reizes auf ein benachbartes Zentrum.

Auffgllig ist es, dab Kinder, die in allen Sinnesempfindungen sons~ viel sensibler sind als Erwachsene, zur Nausea nach Drehbewegungen merkwiirdig wenig neigen, Fiir Erwachsene oft geradezu quglende Dauer- drehungen werden yon ihnen als ausgeslarochene Belustigungen empfun- den. Man k/Snnte das vielleicht *nit einem 1~bungsprinzip erklgren: So wie die Kinder eine Menge unnStiger Muskelbewegungen machen, die sicher als Ubungsbewegungen aufgefaBt werden miissen, soheint die Natur auch dem Gehirn bestimmte Otolithen-Reizbilder einprggen zu wollen. Jede Progressivbesch]eunigung und Drehung hat ja wie jede einfache Lagerung des Kopfes ihr bestimmtes zngehSriges Reizbild, aus dem dann Richtung und Geschwindigkeit genau abgeleitet werden kSnnen, was allerdings bei der Einfaehheit der Bauart des Empfangs- alaparates eine sehr feine und prgzise (und daher gut gesehulte) Analyse im Gehirn erfordert.

Liftreaktion, Scheindrehung und Nausea sind als Otolithen-Reizfolge anzusprechen, als normale, physiologisehe Antwort des Vorhoforganes auf unphysiologisehe Reize, genau wie im Bereiche des Bogenganges der 2~ystagmus diese Rolle spielt. Bei der Lfftreaktion liegt das un- physiologische Reizmoment im Unterschreiten der konstanten, physio- logischen Mindestreizsumme dureh den Fortfall der Gravitationswirkung, bei der Scheindrehung und Dreh-Nausea in der divergierenden Dauer-

Uber das Kr/~ftespiel an den Otolithen. 387

ablenkung der Otoli thenmembranen beider SeRen dureh die Endolymph- strSmungen. In allen diesen Fi~llen k o m m t es zu einer Verzerrung der physiologisehen Otolithen-Reizbilder im Gehirn und damit zur funk- tionellen Insuffizienz des Vorhoforganes im Innenohr.

Zusammenfassung. Durch 5 mechanisehe Krgfte kSnnen die spezifisch sehwereren Oto-

lithen abgelenkt und damit ein ad~tquater Reiz ffir das Vorhofsinnesorgan gesetzt werden: Dureh Gravitation, Linearremanenz (Tr~gheitswirkung bei Progressivbesehleunigungen), Drehremanenz (gleicher Vorgang bei Winkelbesehleunigung), Zentrifugalkraft und EndolymphstrSmungen. Diese KrS~fte unterseheiden sich wesentlich voneinander hinsichtlich Ur- sprung, Dauer, IntensitS~t und Richtung, wie eine genaue Analyse ergibt, Ein Vergleieh dieser erreehenbaren Einwirkungen mit den tatsi~ehlich durch die Otolithen ausgelSsten Reaktionen hat nur im Bereich extrem- experimenteller Bedingungen einen Sinn, da die physiologische Otolithen- wirkung geringgradig, unbewuBt, yon Einwirkungen dureh Auge, Musku- latur und Bogengang fiberdeekt und daher kaum genau analysierbar ist. Drei besondere Vorg~nge lassen sich als reine Otolithenwirkungen auf- fassen: Liftreaktion, Seheindrehung der Umgebung und Nausea. In allen 3 Fi~llen ist das norma]e ,,Reizbild" der Otolithenwirkung im Gehirn in abnormer "vVeise verzerrt. Der durch die Gravitat ion ausgefibte Dauerreiz schwankt in seiner Gesamtsumme ftir alle 4 Maeulae zwisehen gewissen festen Werten und kann aueh dureh zus~tzliche Krgfte unter physiologi- schen Bedingungen nur wenig erhSht werden. Beim/reien Fall tritt nun eine sonst hie vorkommende und daher unphysiologische Verminderung der Gesamtreizsumme liar die Maculae ein, die als Ursaehe des mit unangeneh- men Sensationen verbundenen Komplexes der Liftreaktion anzusehen ist. Die Bedeutung dieser Erseheinung ffir das Problem der Weltraum- sehiffahrt wird betont.

Scheindrehungen der Umgebung nach experimenteller Dauerdrehung sind ebenfalls aus einer ge ihe yon Griinden als reine Otolithenreaktionen anzusprechen. Dureh viele Argumente lgBt sieh die ZentrifugalkraR als unmit telbare Ursaehe aussehiieBen; aueh die vergr6Berte Reizintensit/it ist nieht der maBgebende Faktor dabei und die divergierende Ablenl~ung der Otolithenmembranen beider Seiten durch die Endolymphstrgmungen lii[3t sich als die alleinige Ursache der Scheindrehung der Umgebung heraus- arbeiten. Die mit den Seheindrehungen vollkommen parallel gehende Nausea l~Bt sieh ebenfalls aus versehiedenen Griinden als Otolithen- wirkung ansehen.

Literaturangaben siehe Fortsetzung dieser Mitteilung ,,l~'ber Seheinbewegungen und Otolithenfunktion" S. 401.

Dr. MAx KRAUS, Graz, Univ. Hals-Nasen-Ohren-Klinik.