Über den Feinbau der Chorda dorsalis von Branchiostoma lanceolatum

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Zeitschrift fiir Zellforschung 87, 69--81 (1968) Uber den Feinbau der Chorda dorsalis von Branchiostoma lanceolatum ULRICH WELSCH Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c.W. BARGMANN) Eingegangen am 18. Dezember 1967 The Fine Structure o/ the Notochord o/Branchiostoma lanceolatum Summary. The notochord of the lancelet (Branchiostoma lanceolatum, PALL.) was inves- tigated with the electron microscope. The ultrastructure of the notochordal plates does not show any similarity to the notochordal cells of the vertebrates investigated so far, but resembles closely the fine structure of the oblique-striated muscles of annelids and mollus- ks. Thick and thin filaments are arranged in A-, H- and I-bands. Through the I-band passes a Z-line. Along the periphery a system of cisterns is developed which corresponds to the peripheral sarcoplasmic reticulum. Within the thick plates a system of tubules can be found. Special formations connect the plates with the surrounding collagen sheath. Presumably, the definite formation of the notochordal plate occurs by the splitting of a parent plate into several discs. Miiller's cells are found to be in cytoplasmic connection with the plates. Via the notochordal horns they come into contact with nerve cells of the spinal cord. Zusammen/assung. Die Chorda dorsalis von Branchiostoma lanceolatum, PALL. wurde elcktronenmikroskopisch untersucht. Die Feinstruktur der Chordaplatten zeigt keine Ahn- lichkeit mit der der bisher untersuchten Chordazellen der Wirbeltiere, sondern gleieht der- jenigen der schr~ggestreiften Muskeln von Anneliden und Mollusken. Dicke und diinne Fila- mente sind in A-, H- und I-B~ndern angeordnet. Im I-Band verl~uft ein Z-Streifen. Peripher ist ein dem sarkoplasmatischen Retikulum entsprechendes Zisternensystem ausgebildet. In dicken Chordaplatten verl~iuft ein Tubulussystem. Lateral sind die Platten eng mit der Kollagenfaserhfille verzahnt. Wahrscheinlich bilden sich die endgiiltigen Chordaplatten durch Zerlegung einer Ausgangszelle in Scheiben. Die Miillerschen Zellen stehen in zytoplasmati- schem Zusammenhang mit den Chordaplatten und bilden Kontaktstellen mit dem Neural- rohr aus. Einleitung Das in den einzelnen Tiergruppen sehr verschieden gestaltete Chordagewebe wird entsprechend seiner Funktion im allgemeinen in die Gruppe der Stfitzgewebe eingereiht (ScHAFFER, 1930 ; R~MANE, 1936). Dieser Auffassung widersprach aller- dings ScHw~z (1961), der die Chordazellen auf Grund elektronenmikroskopischer Studien als modifizierte Epithelzellen betrachtet. Die bisher vorliegenden elektronenmikroskopischen Untersuchungen fiber die Chorda wurden allerdings an Embryonen hSherer Vertebraten (DuNcAn, 1957; L~ESON und LEESON, 1958) oder an spezialisierten und im Skeletsystem stark zurfickgebildeten Fischen (ScHwA~z, 1961) durchgefiihrt, d.h. ein representatives Bild des ursprfinglichen Baues dieses Organs l~tBt sich aus ihnen wahrscheinlich nicht gewinnen. Hierffir bietet sich aus mehreren Grfinden der Protochordat Amphioxus (Branchiostoma lanceolatum) an. Dieses Tier hat nie Wirbel beses- sen, seine Chorda ist nicht reduziert, wie vielfach bei den Tunicaten und Verte- braten, sondern besonders kr~ftig ausgebildet. Auch die Ontogenese deutet auf ursprfingliche Verh~ltnisse.

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Zeitschrift fiir Zellforschung 87, 69--81 (1968)

Uber den Feinbau der Chorda dorsalis von Branchiostoma lanceolatum

ULRICH WELSCH

Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. Dr. h . c . W . BARGMANN)

Eingegangen am 18. Dezember 1967

The Fine Structure o/ the Notochord o/Branchiostoma lanceolatum Summary. The notochord of the lancelet (Branchiostoma lanceolatum, PALL.) was inves-

tigated with the electron microscope. The ultrastructure of the notochordal plates does not show any similarity to the notochordal cells of the vertebrates investigated so far, but resembles closely the fine structure of the oblique-striated muscles of annelids and mollus- ks. Thick and thin filaments are arranged in A-, H- and I-bands. Through the I-band passes a Z-line. Along the periphery a system of cisterns is developed which corresponds to the peripheral sarcoplasmic reticulum. Within the thick plates a system of tubules can be found. Special formations connect the plates with the surrounding collagen sheath. Presumably, the definite formation of the notochordal plate occurs by the splitting of a parent plate into several discs. Miiller's cells are found to be in cytoplasmic connection with the plates. Via the notochordal horns they come into contact with nerve cells of the spinal cord.

Zusammen/assung. Die Chorda dorsalis von Branchiostoma lanceolatum, PALL. wurde elcktronenmikroskopisch untersucht. Die Feinstruktur der Chordaplatten zeigt keine Ahn- lichkeit mit der der bisher untersuchten Chordazellen der Wirbeltiere, sondern gleieht der- jenigen der schr~ggestreiften Muskeln von Anneliden und Mollusken. Dicke und diinne Fila- mente sind in A-, H- und I-B~ndern angeordnet. Im I-Band verl~uft ein Z-Streifen. Peripher ist ein dem sarkoplasmatischen Retikulum entsprechendes Zisternensystem ausgebildet. In dicken Chordaplatten verl~iuft ein Tubulussystem. Lateral sind die Platten eng mit der Kollagenfaserhfille verzahnt. Wahrscheinlich bilden sich die endgiiltigen Chordaplatten durch Zerlegung einer Ausgangszelle in Scheiben. Die Miillerschen Zellen stehen in zytoplasmati- schem Zusammenhang mit den Chordaplatten und bilden Kontaktstellen mit dem Neural- rohr aus.

Einlei tung

Das in den einzelnen Tiergruppen sehr verschieden gestaltete Chordagewebe wird entsprechend seiner F u n k t i o n im al lgemeinen in die Gruppe der Stfitzgewebe eingereiht (ScHAFFER, 1930 ; R~MANE, 1936). Dieser Auffassung widersprach aller- dings S c H w ~ z (1961), der die Chordazellen auf Grund elektronenmikroskopischer Studien als modifizierte Epithelzel len betrachtet .

Die bisher vorl iegenden elektronenmikroskopischen Unte r suchungen fiber die Chorda wurden allerdings an E m b r y o n e n hSherer Ver tebra ten (DuNcAn, 1957; L~ESON und LEESON, 1958) oder an spezialisierten und im Skeletsystem stark zurfickgebildeten Fischen (ScHwA~z, 1961) durchgefiihrt , d.h. ein representa t ives Bild des ursprfinglichen Baues dieses Organs l~tBt sich aus ihnen wahrscheinlich n icht gewinnen. Hierffir bietet sich aus mehreren Grfinden der Protochordat Amphioxus (Branchiostoma lanceolatum) an. Dieses Tier ha t nie Wirbel beses- sen, seine Chorda ist n icht reduziert, wie vielfach bei den Tun ica ten und Verte- braten, sondern besonders kr~ftig ausgebildet. Auch die Ontogenese deute t auf ursprfingliche Verh~ltnisse.

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Aus lichtmikroskopischen Untersuchungen (Jos~rH, 1895; v. EBNER, 1895 ; KRAUSE, 1923; FRANZ, 1927) ist bekannt, dal~ das wesentliche Kennzeichen der Chorda von Branchiostoma die sog. Chordaplatten sind, seheibenfSrmige Ele- mente, die iihnlich wie Mfinzen in einer Geldrolle hintereinander liegen. Auf eine Myotombreite kommen 20--40 solcher Seheiben (FRA~Z, 1927). Je ffinf bis sechs davon sind zu loekeren Gruppen zusammengefal~t, zwischen denen oft sehr/ig liegende Platten vermitteln. An ihnen liegen selten Zellkerne. Auf Querschnitten durch das Tier lassen die Plat ten eine fibrill/ire Strukturierung erkennen, die vorwiegend horizontal verl/iuft. Senkreeht zu den Fibrillen verlaufen helle und dunkle B~nder, so dal~ ein Bild entsteht, das dem der quergestreiften Muskula- tur nieht un~hnlieh ist. I m Polarisationsmikroskop verhalten sich die hellen B~nder isotrop, die dunklen anisotrop (KossMAN~, 1874; V. E ~ I ~ , 1895). Uber- einstimmungen der horizontal verlaufenden Fibrillen mit paramyosinen Muskel- filamenten und eine Innervierung der Plat ten beschreibt FLOOD (1966, kurze Mitt.). Dieser Autor sehliel~t hinsichtlieh der Innervierung an/s Beobach- tungen von PLATT (1892) an. Zwischen den Platten befindet sich ein optisch leerer Raum, der erst im Laufe der Ontogenese entsteht und daher meist mit den Vakuolen in den Chordazellen der Wirbeltiere vergliehen wird. Die Plat ten liegen in einer zellenlosen Faserhiille, mit der sie lateral eng verbunden sind. Ventral und dorsal ist der Raum zwisehen ihnen und der Hfille von den sog. Miillerschen Zellen ausgeffillt, die sehr unterschiedlich gedeutet warden, unter anderem als retikul/ires Synzytium (v. EBNE~, 1895). Ein weiteres Kennzeichen der Chorda von Branchiostoma sind die ChordahSrnchen, die dorsale Poren in der Faserhfille darstellen. Nach JosePH (1895) werden sie von Forts/itzen des Mfillerschen Gewebes ausgeffillt, v. EBNER (1895) beschreibt in ihnen besondere glatte Fasern. Nach PLATT (1892) dringen durch die H6rnchen Nervenfasern in die Chorda ein, eine Behauptung, die von den sp/~teren Untersuehern fast ein- stimmig abgelehnt wird.

Die Liehtmikroskopie 1/~l~t manche Frage often. Handel t es sieh z.B. bei den Chordaplatten um intra- oder extrazellul~re Gebilde ? Welche Beziehungen haben sie zu den einzelnen, zwisehen ihnen liegenden Kernen, zur Chordascheide und zu den Mtillerschen Zellen ? Die vorliegende Arbeit mSchte einige dieser Fragen mit Hilfe des Elektronenmikroskopes beantworten und besonders die Feinstruk- tur der Plat ten analysieren.

Material und Methode 2 , 5 4 cm lange Lanzettfischehen (Branchiostoma lanceolatum, PALL.) wurden in kaltem,

3,5%igen phosphatgepufferten Glutaraldehyd (pH 7,5) get5tet, sofort in 1--2 mm dicke Scheibchen zerschnitten und ffir 2 Std im Fixierungsmittel gelassen. Nach dem Auswasehen des Glutaraldehyds wurden die Gewebestiieke ffir 2 Std in 4% OsO 4 iiberffihrt, anschlieflend in Ethanol entw~ssert und in Araldit eingebettet. Quer-, Horizontal- und Sagittalschnitte wurden mit Uranylacetat (ges~ttigte LSsung in 15% Ethanol) und Bleieitrat kontrastiert. Elektronenmikroskope: Siemens Elmiskop 1, Zeiss EM 9.

Befunde Aufsehlfisse fiber die Gestalt der Chordaplatten erh/~lt man am leiehtesten

auf Sagittalschnitten, die zun/iehst beschrieben werden; denn im Gegensatz zu Geldmfinzen stehen diese Plat ten nicht starr und aufreeht in der Chordascheide, sondern meistens schr/~g und in sich gewellt. Es ist daher kaum mSglich, einen

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Abb. 1. Sagittalschnitt durch die Chorda. Beachte den unterschiedlichen Durchmesser der dicken Filamente in den gewellt nebeneinanderliegenden Chordaplatten, das zentrale Tubulus-

system (Pfeile) und die Verzweigungsstelle (Ver). Vergr. 22500 •

Querschni t t in einer Ebene dutch eine ganze P la t te zu erhalten. Auf Sagittal- schni t ten t re ten sie uns als sehmale, gewundene B/~nder entgegen (Abb. 1), deren Dicke von 0 ,2- -2 ~ wechselt. H/~ufig stehen fiinf oder sechs P l a t t en besonders

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72 U. W~LSCH:

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Abb. 2. Schema des Feinbaus einer Chordaplatte. Wegen des grol3en Abstandes zwischen zwei Z-Streifen sind die Horizontal- und L~ngsschnitte nicht proportional zum Querschnitt der Platte gezeichnet. A A-Band; H H-Band; I I-Band; Z Z-Streifen; Ac Actinfilamente; Enh Enhapse; Mit Mitochondrium; Pm Paramyosinfilamente; Sar Sarcoplasmatisches

Retikulum

eng zusammen und bilden eine Gruppe. In einer Gruppe k6nnen sich einzelne Platten an halbkreisfSrmigen Vorspriingen beriihren, wobei es aber zu keiner erkennbaren Desmosomenbildung kommt. Einzelne Platten verzweigen sich dichotom.

Die Platten sind von einer Zytoplasmamembran umgeben, die einfache mikro- villiartige Vorstiilpungen ausbilden kann. Dicht unter der Plasmamembran befin- det sich neben einzelnen Mitochondrien (Cristatyp) eine Kette ovaler bis flacher Anschnitte eines Hohlraumsystems, dessen Abschnitte gelegentlich durch eng- lumige Kan/~lchen miteinander verbunden sind und deren Au$enmembran mit der Plasmamembran haptische Verbindungen eingeht. Zum Teil wurden auch Kan/~lchen gefunden, die von den peripheren Hohlr/~umen ins Innere der Platten ziehen, das vSllig mit rundlichen Anschnitten durch Filamente ausgefiillt ist, die sich nach ihrem Durchmesser in zwei Gruppen einteflen lassen : dicke ( ~ 500

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Abb. 3. Sagittalschnitt durch die Chorda. In den quergeschnittenen Chordaplatten sind die dicken Paramyosinfilamente (Pro) yon diinnen Actinfilamenten (Ac) umgeben. An der Peripherie sind Anschnitte des Sarcoplasmatischen Retikulums (Sar) getroffen. Vergr. 42 000 •

bis 1100/~) und diinne (~ ca. 50---80 A) Filamente (Abb. 2). Der Durchmesser der dieken Fflamente variiert oft innerhalb einer Platte leicht, bleibt aber fiber were Abschnitte hin konstant. In Absehnitten, in denen die dicken Filamente ihren grSBten Durehmesser besitzen, liegen sie sehr eng in rhombenfSrmigen Vierergruppen zusammen; dort, wo ihr Durchmesser kteiner ist, ist der Abstand zwischen ihnen weiter und ihre Anordnung erscheint regellos (Abb. 3). Die diin- nen Filamente umgeben die dickeren kranzartig. In Arealen der Platten, in denen die dicken Filamente weiter voneinander getrennt sind, befindet sich zwi- schen ihnen auger den Kranzfilamenten eine Vielzahl gleichartiger diinner Fila- mente. Die diinnen Filamente fehlen nur dort, wo der Durchmesser der diekeren seine HSehstwerte erreicht.

In der Mitte von verh/~ltnism~l~ig kr~ftigen Platten verl/iuft oft eine schmale filamentfreie Zone. Das Kennzeichen dieses Streifens sind hintereinanderliegende schmale, langgestreekte oder kreisfSrmige Anschnitte eines englumigen R6hren- systems. Solche Platten teflen sich meistens an einer Stelle entlang diesem mitt- leren Streifen (Abb. 1).

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Abb. 4. Horizontalschnitt durch die Chorda. Beachte den unregelm~Bigen Verlauf des Z-Streifens (Z). A A-Band; I I-Band; Mit Mitochondrium. Vergr. 11500 •

I n sehr d i innen P la t t en , die besonders bei kleineren Tieren (etwa 2 cm L/~nge) gefunden wurden, s ind die dicken F i l amen te auf einen sehmalen mi t t l e ren Strei- fen beschr~nkt . Sie k6nnen einen besonders groBen Durchmesser (bis zu 1800 A)

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Abb. 5. a L~ngsschnitt durch eine Chordaplatte, auf dem das zentrale Tubulussystem getrof- fen ist. Vergr. 28800 • b L~ngsgeschnittene dicke Filamente, beachte ihre Querstreifung.

Vergr. 42 000 •

und einen unregelm~Bigen Umri[~ besitzen. Auch die dfinnen F i l a m e n t e s ind weit- gehend auf diesen mi t t l e ren Streifen beschr~nkt . Vereinzel t s ind auch bei ~l teren Tieren sehr schmale P l a t t e n mi t nur wenigen d icken F i l a m e n t e n zu beobachten .

Auf Querschni t ten is t neben den beiden oben erw~hnten para l le l ver laufen- den F i l a m e n t t y p e n eine d r i t t e S t r u k t u r zu beobachten , die ungef~hr senkrecht zu den F i l amen ten verli~uft u n d eine Gl iederung in ih rem Verlauf schaff t (Abb. 4).

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76 U. WELSCH : Chorda dors~lis yon Branchiostoma

Abb. 6. t~bergang yon einer Chordaplatte (ChP) zur Chordascheide (ChS). Beachte die Zapfen- bildung (Za). Ei Elastica interna der Chordascheide. Vergr. 35000 x

Die Distanz zwischen zwei solchen senkrechten Strukturen bctr~igt etwa 40 ~. Sie bflden breite zick-zack- oder wellenfSrmige B/s aus locker aneinander- geffigtem elektroncndichten Material. Vermutlich ziehen sie von dorsal nach ventral durch die gcsamte Chordaplatte. Auf Schr/igschnitten durch die Chorda ist zu erkennen, dab ein derartiges Band in benachbarten Platten in gleicher H6he verl~uft und innerhalb einer Platte unmittelbar an die Plasmamembran grenzt. Die diinnen Filamente laufen auf dieses Band zu, die dicken dagegen, die eine feine Querstreifung aufweisen (Abb. 5b), verjfingen sich vorher und erreichen es nicht. Einzelne dicke Filamente weichen in verschiedenem Winkel von der vorherrschenden parallelen Lagerung ab. Zwischen den dicken Fila- menten verlaufen fiber weitc Streckcn parallel zu ihnen ein, zwei oder auch meh- rere dfinne Filamente. In einzelnen Platten sind ebenfalls parallel verlaufende l~ngliche Anschnittc des zentralen Hohlraumsystems getroffen (Abb. 5a).

Dort, wo die Plattcn auf die Chordascheide treffen, die haupts~ehlich aus einer dicken Schicht verschiedenartig gelagerter Kollagenfasern besteht, enthiilt ihr Zytoplasma nur noch dfinne Filamente, verh~ltnism~l~ig zahlreiche Mitochon- drien und vereinzelt Vesikel mit sehr elektronendichtcm Inhalt ( ~ 0,25 ~). Mit der Faserhfille sind sie durch besondere Zapfenbildungen (;~ 0,12 ~) verzahnt; in die Zapfen strahlt eine einzelne Kollagenfaser aus der Faserhiille ein (Abb. 6). Dorsal und ventral erreichen die Platten die Faserhfille fiber weite Strecken nieht.

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Abb. 7 a u. b. Sog. Miillersche Zellen. Beachte die langen Forts~tze, die auf b in die Chorda- platten (ChP) iibergehen. K Kernhaltiger Abschnitt der Muskelzellen (entspricht einer Miil- lerschen Zelle); ChS Chordascheide; Mit Mitochondrium (stark verquollen). Vergr. 16500 •

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Abb. 8. Schema der in der Chorda yon Branchiostoma vorkommenden Muskelzellen. Von den unter der Chordascheide (ChS) gelegenen kernhaltigen Abschnitten (K) ziehen Fort- s~tze a: zu Nervenendigungen (N) im l~iickenmark (RM), b: zu benachbarten Zellen und c: zu den Chordaplatten (ChP). BM Basalmembran des Riickenmarks; Ei Elastica interna der Chordascheide; Ju Junktion zweier Forts~tze benachbarter Zellen; Go Golgiapparat :

rER rauhes Endoplasmatisches Retikulum

Zwischen ihnen und der Hfille l iegen einzelne kleinere Zellen mi t unregelm/i~ig ges ta l t e tem K e r n und hel lem Zytop lasma , oft dureh gr61~ere Interzellularr/~ume vonein~nder ge t renn t (Abb. 7 a). Es hande l t sieh offensiehtl ieh u m die Miil lerschen Zellen. Von ihnen gehen einzelne sehr lange Zytoplasmaausl /~ufer aus, die z .T. fief zwischen die P l a t t e n ebldr ingen. Mehrfaeh wurde eine ununte rbrochene zyto- p lasmat i sehe Verb indung zwischen einer Chordap la t t e und dem Ausl/~ufer einer Miillerschen Zelle gefunden (Abb. 7 b). Ih re mehr nach dorsal ger ich te ten For t - s/itze ffillen aueh die Chordah6rnchen aus, die gro~e Poren in der Faserhi i l le

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darstellen. Da die H6rnchen unter dem Neuralrohr liegen, kommen die Miil- lerschen Zellen hier in Kontakt mit dem Nervengewebe. Zwischen Neuralrohr und Chorda wurde jedoch stets noch eine basalmembranartige Sehicht beobach- tet. Im Neuralrohr befinden sich fiber einem H6rnehen auffallend viele Endi- gungen von Neuronen, die mit B1/ischen verschiedener Elektronendichte geffillt sind (Abb. 8). Ein Eintri t t von Axonen in die Chorda wurde nicht gefunden. Inner- halb der Chorda kSnnen sich die Ausl/iufer zweier Mfillerscher Zellen berfihren und an dieser Stelle Junktionen ausbilden, die an entsprechenden Bildungen von Endothelzellen in Amphibienvenolen erinnern (FARQUHAR und PALADE, 1963). Ein Synzytium liegt also nicht vor. Diese Zellen sind weiterhin mit gut entwickel- tem glattem und gekSrntem Retikulum, freien Ribosomen, Glykogengranula und einem Golgiapparat ausgestattet, der von zahlreichen, meist optisch leeren Bl~schen umgeben ist. Im Bereich des Golgifeldes ist hKufig ein Zentriol anzutreffen. Aul3erdem liegen im Zytoplasma feine Filamente und vereinzelte Mitochondrien.

Diskussion

Ein Vergleich der beschriebenen Befunde mit den elektronenmikroskopischen Beobachtungen an der Chorda vom Neunauge (ScHwARZ, 1961) sowie Vogel- (DuncAn, 1957) und S/iugerembryonen (LE]~SON und LEESON, 1958) zeigt einen v611ig verschiedenen Bau dieses Organs bei Branchiostoma. Es lassen sich weder ein Kranz von Chordoblasten, die der Chordaseheide innen anliegen, noch bla- sige, durch Desmosomen verbundene Chordazellen im Innern dieses Organs (Neunauge), noch ein netzartiger Verband von Zellen (Embryonen hSherer Wir- beltiere) nachweisen. Ubereinstimmungen bestehen eigentlich nur im Gehalt an Filamenten. Bei den Vertebraten handelt es sieh jedoch um regellos angeordnete Tonofilamente, die besonders beim Neunauge stark an diejenigen von Epithel- zellen erinnern. Gestalt und Anordnung der Filamente beim Lanzettfisehchen dagegen stimmen fiberraschenderweise mit den Filamenten in den sog. schr/~g- gestreiften Muskelzellen yon Anneliden und Mollusken fiberein, deren Feinstruk- tur und biochemische Zusammensetzung weitgehend bekannt ist (HANsoN und Lowu 1960, 1961; IKEMOTO, 1963; STAUBESAND und KERST~NG, 1964; LINDNER und FISCHER, 1965; HEUMANN und ZEBE, 1967; CHAI~RON und VALEMBOIS, 1967). Besonders Sagittalschnitte durch die Chorda yon Branchiostoma und Querschnitte durch die L/~ngsmuskeln vom Regenwurm und die Sperrmuskeln von lamelli- branchen Mollusken/s einander auffallend.

Im einzelnen seien folgende l~bereinstimmungen genannt (wegen ihrer grol~en Ji~hnhehkeit werden im folgenden vergleichbare Strukturen mit den Bezeichnungen der Muskelzellnomenklatur versehen): das randst/~ndige sarcoplasmatische Reti- kulum, das Vorkommen von dicken und dfinnen Filamenten, die vermutlich Paramyosin- und Actinfilamenten entsprechen, die kranzfSrmige Anordnung der dfinnen Filamente um die dicken, eine Gliederung des Filamentsystems in A-, H- und I-B/~nder, im I-Band das Vorkommen eines Z-Streifens, ein im Inneren gelegenes Tubulussystem. Ob es sich bei dem zuletzt genannten System um ein T-System oder um Kan/ile des sarkoplasmatischen Retikulums handelt, konnte wegen der Wellung der Platten und der damit verbundenen Sehwierigkeit, repr/i- sentative Querschnittsbilder zu erhalten, nicht gekl/irt werden. Die morpholo- gische ~hnlichkeit mit dem transversalen Tubulussystem der Anneliden (HEu- MANN und ZEBE, 1967) 1/iBt an ein System des Ergastoplasmas denken. Das

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H-Band konnte sieher nut auf Sagittalschnitten an den Stellen nachgewiesen werden, an denen die dfinnen Fflamente zwischen den dicken fehlen.

Unterschiede zu den Muskeln bestehen vor allem in den Dimensionen der Sarkomeren und Filamente. Abweichend ist auch der senkrechte Verlauf des Z-Streifens in den Chordaplatten. Es handelt sich hier sozusagen um die quer- gestreifte Variante der schr~ggestreiften Invertebratenmuskulatur . Der Z-Strei- fen ist vermutlieh aus einer Vielzahl yon Z-Punkten zusammengesetzt.

Bei den dichotom verzweigten Plat ten handelt es sich entweder - - analog zu den Herzmuskelzellen der S~ugetiere - - um st/indig verzweigte Elemente oder um Stadien eines Zerteilungsprozesses. Wahrscheinlich trifft letztere MSglichkeit zu. Das wiirde bedeuten, daI3 sich eine ursprfingliehe Chordaplatte in Scheiben teilt, und zwar entlang dem im Innern gelegenen Tubulussystem, denn die Ver- zweigungsste]len liegen immer fiber diesen Tubuli, die eine meehaniseh schwaehe Stelle zwischen den Filamenten darstellen. Die Plasmamembran an den Ver- zweigungsstellen ist stets unversehrt, so dab kein Artefact vorliegt. MSglieherweise erfolgt der letzte Ansto~ ffir die Zerteilung dureh die gelegentlieh rapiden Sehl/in- gelbewegungen der Tiere. Oberhalb einer derartigen Gabelung ist zun~ehst aueh kein peripheres sarkoplasmatisehes Retikulum ausgebfldet ; erst sp~ter entwickelt es sich vermutlich neu. Nicht befriedigend l~13t sich vorliiufig die grol3e Zahl dfinner Filamente im I-Band und in den randliehen Abschnitten des A-Bandes erkl~ren. Es ist unwahrscheinlieh, dab sie alle Actinfilamenten entsprechen. Es besteht aber die MSglichkeit, dab entweder die Paramyosinfilamente an ihren Enden auffasern, wie es unter bestimmten Voraussetzungen STAUBESAND und K~RSTI~G (1964) annehmen, oder dal~ zwisehen den Actinfilamenten morpholo- giseh nieht unterseheidbare Tonofibrillen liegen.

FLooD (1966) erwi~hnt eine Innervierung der Chordaplatten. In der vorliegen- den Untersuchung konnten in der Chorda keine Nerven und Synapsen gefunden werden, obwohl Gewebe aus fast allen K6rperregionen geschnitten wurde. Eine gewisse ~hnlichkeit mit Axonen haben die Ausliiufer der Mfillersehen Zellen, die sieh auch gelegentlieh an die Plat ten anlegen. Die Mfillersehen Zellen sind aber keine Nervenzellen, sondern erinnern eher an primitive oder embryonale Zellen oder aueh an Fibroblasten. Da aber gelegentlich ein ununterbroehener zytoplas- matischer Zusammenhang zwischen Forts/~tzen der Mfillerschen Zellen und den Chordaplatten beobaehtet wurde, besteht kein Zweiiel daran, dab beide eine einzige Zelle bilden, deren Hauptbestandtefl die sog. , ,Chordaplatte" ist und deren fibrige Zytoplasmaorganellen einsehliel31ieh des Kerns in den sog. ,,Mfillerschen Zellen" lokalisiert sind. Der Begriff Mfillersche Zelle bezeichnet also nur einen Teil einer innerhalb der Chordaseheide gelegenen Muskelzelle. Die groi3e Selten- heit von Zellkernen im Innern der Chorda von erwaehsenen Lanzettfisehchen l~Bt sieh folgenderm~13en verstehen : Vermutlieh verlagert sich der Kern im Laufe der Ontogenese naeh dorsal oder ventral, denn bei jungen Tieren sind die Kerne im Bereieh der Plat ten h/iufiger. Ob der kernhaltige Tell mit mehreren Platten in Verbindung steht, konnte nicht sieher nachgewiesen werden, ist aber zu ver- muten. Da die den Miillersehen Zellen entspreehenden Teile fiber die Chorda- hSrnchen in Kontak t zum Nervengewebe treten, ist ein zus~tzliches Vorkommen von Nerven zwischen den Platten unwahrseheinlieh. Dal3 Muskelzellen Forts~tze zu Nervenzellen sehieken, ist aueh ffir die Rumpfmuskulatur von Branchiostoma (FLooD, 1968) und yon Ascaris (ROSE~BLUTH, 1965) bekannt.

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Chorda dorsalis yon Branchiostoma 81

Ob die C h o r d a p l a t t e n t a t s s wie Muske ln f u n k t i o n i e r e n , ls sich auf

G r u n d m o r p h o l o g i s c h e r B i l d e r n u r v e r m u t e n . S t a r k e K o n t r a k t i o n e n s ind s chon

w e g e n i h r e r L a g e in de r C h o r d a s c h e i d e n i c h t zu e r w a r t e n . Es i s t a b e r w e g e n i h r e r

g r o S e n _~hnlichkeit m i t d e n Spe r r f a se rn de r L a m e l l i b r a n c h i e r u n d ihres K o n -

t a k t e s m i t N e r v e n z e l l e n a n z u n e h m e n , dal3 sie sich ton i sch k o n t r a h i e r e n k S n n e n

u n d s o m i t de r Chorda , an de r grol~e Tei le de r S k e l e t m u s k u l a t u r anse tzen , zusit tz- f iche F e s t i g k e i t ve r l e ihen .

L i t e r a t u r

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Dr. U. WELSCH Anatomisches Insti tut der Universit~t Kiel 23 Kiel, Neue Universit~t, Haus 30

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