Ueber die chemische Classification der organischen Substanzen

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Gerh ard t, chem. Classification d. organ. Substanzen. 253 sich auch in Kalilauge mit blauer Farbe loste. Da dss Vor- kommen der Harnsiiure im Harne grasfressender Siugethiere bisher geliiugnet worden war, so glaubte ich, es mit einem pa- thologischen Producte zu thun zu haben, aber die L'ntersuchung des Barns von noch zwei anderen gesunden Rindern gab das- selbe Resultat. Den Harn anderer graqfressender Siiugethiere babe ich noch nicht aut' Harnslure untersucht. xxx I1 1. Ueber die chemische Classification der or- ganischen Substunaen. Von CARL GERHARDT. (Revue sclnt._et indwtr. Oct. i84i. p. 104.) Folgendes ist ein Auszug nus einer Abhandlong, die G e r - bar d t der Pariser Academie den 4. Oct. mitgetheilt hat. Ich bahc mi! vorgenommen, der Academie in einer Reihe yon Abhandlungen die Versuche vorzulegen, die ich' unlernom- men habe, urn gewisse Reihen der orgnnischen Chemie mit ein- ander zu verbinden, und besonders auch, om ein allgemeines Gesetz aufzuflnden , welches gestattet , die sehon vorharrderien zerstreuten Materialien zu ordnen und auf dieselben eine Clas- sification zu griinden. Da diese Arbeit mich ohne Zweifel sehr lange beschafti- gen wird und ich selbst dasEnde derselben nicht voraossehen kann, so werde ich allmiihlig meine Resultate beksnnt machen, sobald sie mir vollstiindig genug zu seiri scheinen. Die Reihe, auf welche ich zuerst meine Aufmerksamkeit gelenkt habe, ist die Salicylreihe, welche durch die Abhaiid- lung von P ir i a so interessnnt geworden ist. Sie hat mir schoo ziemlich merkwiirdige Renullate gegeben , welche der Gegen- stand meiner nlchsten Abhanalung sein werden und auP die ich jetzt Datum zu nehmen wunsche. Bekanntlich Pand L au r en t in deiu Oele des Leuchtgases aus Steinkohle einen eigenlhiimlichen Korper, das Phcnythydrat, welches den urspriinglichen Typus der Pikrinssure oder Koh- 1enstickstofFSiure bildet , denn seine Pormel ist : C,ZHIZO,* Bekanntlich bildet sioh auch diese letxtere Siiure durch die Ein-

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G e r h ard t, chem. Classification d. organ. Substanzen. 253

sich auch in Kalilauge mit blauer Farbe loste. Da dss Vor- kommen der Harnsiiure im Harne grasfressender Siugethiere bisher geliiugnet worden war, so glaubte ich, es mit einem pa- thologischen Producte zu thun zu haben, aber die L'ntersuchung des Barns von noch zwei anderen gesunden Rindern gab das- selbe Resultat. Den Harn anderer graqfressender Siiugethiere babe ich noch nicht aut' Harnslure untersucht.

xxx I1 1. Ueber d i e chemische C l a s s i f i c a t i o n d e r or-

gan i schen Subs tunaen . Von

C A R L G E R H A R D T . (Revue sclnt._et indwtr . Oct. i84i. p. 104.)

Folgendes ist ein Auszug n u s einer Abhandlong, die Ger- b a r d t der Pariser Academie den 4. Oct. mitgetheilt hat.

Ich bahc mi! vorgenommen, der Academie in einer Reihe yon Abhandlungen die Versuche vorzulegen, die ich' unlernom- men habe, urn gewisse Reihen der orgnnischen Chemie mit ein- ander zu verbinden, und besonders auch, om ein allgemeines Gesetz aufzuflnden , welches gestattet , die sehon vorharrderien zerstreuten Materialien zu ordnen und auf dieselben eine Clas- sification zu griinden.

Da diese Arbeit mich ohne Zweifel sehr lange beschafti- gen wird und ich selbst dasEnde derselben nicht voraossehen kann , so werde ich allmiihlig meine Resultate beksnnt machen, sobald sie mir vollstiindig genug zu seiri scheinen.

Die Reihe, auf welche ich zuerst meine Aufmerksamkeit gelenkt habe, ist die Salicylreihe, welche durch die Abhaiid- lung von P i r i a so interessnnt geworden ist. Sie hat mir schoo ziemlich merkwiirdige Renullate gegeben , welche der Gegen- stand meiner nlchsten Abhanalung sein werden und auP die ich jetzt Datum zu nehmen wunsche.

Bekanntlich Pand L a u r en t in deiu Oele des Leuchtgases aus Steinkohle einen eigenlhiimlichen Korper, das Phcnythydrat, welches den urspriinglichen Typus der Pikrinssure oder Koh- 1enstickstofFSiure bildet , denn seine Pormel ist :

C,ZHIZO,* Bekanntlich bildet sioh auch diese letxtere Siiure durch die Ein-

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wirkung der Salpetersiiure aiif das Salicin , auF das Salicylhy- drur und aul' die Salicylsiiure.

Da nun aber die Salicylsiitire ist: C,4H,,O, oder c,o*, CI,HI?O,,

SO musste ich das Yheriylhydrat tiaraus auszictten kiiniien. Diess ist mir auch vollliommen gelungen. Man braucht

nur diese Siture sctinell z u destilliren, nactidem man sie mit ein wenis gepulvertem Glns oiler, noch besser , mit Aetxkalk ge- mengt hat, wid man waridelt sie viillig in ICotilensCure und in farbloses Phenylhydrst urn.

Das nirl' diese Wcise erhdtene Phenylhydrnt kryslallisirt bei einer niedrigen Temperatur, zeigt den Geruch von Kreosot und zeichtiet sich durch seine susserordentlich iitzcniie Beschaffen- heit aus. Conceritrirte Salpelersiiure greift es lebhaft an und wandelt es in Pikrinsiiure urn.

Die Salicylsiiure gieht diesen Kiirper mit vieler Leich- tigkeit, und wenn sie unrein ist, s o kanri mail sie nicht de- stilliren, ohne daes sie eine betrschtliehe iMenge davon gfebt.

Eine andere Tbatsache, welche d ie Aufmerksarnkeit der Chemiker verdient, ist die, dass das Salicin sich direct uriter dem EiriUusse des geschmolzenen Ksli's i n Salicylsiure urn- wnndelt, ohne dacs man riiilhig hat, mers t Salicyltiytfriir zu erzeugen, Das fliissige Kali greift das Salicin riicht an, aher letzteres wird unter Entwickelurig von Wasserstoff lebhaft an- gegritTen, wenn man es in schmelzendee Kali wirft. Alsdann erhalt man bei Anwendung eines Kaliuberschusses v6llig weisse und reine Salicylsiure, uiid hei Anwendung eines Saliciniibcr- schusses Salicylhytlriir , so wie ein satires Harx, welches den Uehergangskbrper zwischen dem Snlicylbydrur und der Sali- cylsaure billlet.

Diese Reaction wird wahrscheinlich uber die Constitution des Salicirrs Aiifkliirung geben.

Da die Bildung ties Phenylhytlrattypus fur die Salicylreihe gehiirig dargethan is t , s o bleibt mir niir niich rihrig, die Bil- dung dieses T y p ~ oder der von ihrn abgeleiteten Kiirper i n der Indigoreihe zu vert'olgen , welche Substanw nich unter dem Einflusse der 'Salpetersiure gleichfalls in Pikrins.. iiure nmwan- delt. Auf diese Weise wird e s mir gelingen, tliese beiden Rei- hen mit einander zu verbinden. Ucbrigans scheint Allrs anm- eeigen, dass die IntligsBurc nithts Antieres als Nitrosalicylslure

und dass die Chlorindoptensiui.e von E r d m a n n wahrscbeiolich mit der ChloroptiehissAure von L a u r e n t identisch ist.

I n der Ahharidlung, die ich haltf der Beurtheilung der Aca- demie unterwerfen wertle , will ich besonders versiichen, diirch Versuche die itinige Verbindong zti heweisen, welche zwischen der Salicylreihe und der Indigoreihe besteht.

isf : C,SH,O "204) 0 6 ,