Über die Verbreitung von Flavonoiden bei pleurokarpen Laubmoosen I. Apigenin-7-rhamnoglucosid bei...

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Institut fur Allgemeine Botanik der Universitat Mainz, BRD Ober die Verbreitung von Flavonoiden bei pleurokarpen Laubmoosen I. Apigenin-7-rhamnoglucosid bei Hylocomium splendens (HEDW.) BR. eur. On the occurrence of flavonoids in the pleurocarpous mosses I. Apigenin-7-rhamnoglucoside in Hylocomium splendens (HEDW.) BR. eur. O. V ANDEKERKHOVE Eingegangen am 11. Mai 1977 . Angenommen am 15. Juni 1977 Summary 15 species of pleurocarpous mosses have been investigated as to their content of flavonoids. Flavonoid tests on 14 species have given negative results. Only one species, Hylocomium splendens, contains one flavonoid. It was purified by means of paper chro- matography and is by chromatography and absorption spectrum identical with rhoifolin (apigenin-7-neohesperidoside). Partial acid hydrolysis yields apigenin-7-monoglucoside and rhamnose, quantitative hy- drolysis apigenin, rhamnose and glucose. They were identified by comparison with authentic samples. Key words: mosses, flavonoids, apigenin-7-rhamnoglucoside, rhoifolin, Hylocomium splendens. Einleitung Seit dem ersten Nachweis eines Flavonoids bei Laubmoosen (KOZLOWSKI, 1921) liegen uns inzwischen zahlreiche weitere Befunde tiber das Vorkommen dieser Stoffe bei Moosen vor (gesammelt bei MARTENSSON and NILSSON, 1974). Innerhalb der Gruppe der Musci ist besondere Aufmerksamkeit den akrokarpen Laubmoosen zugewandt worden und hier hauptsachlich dem Vorkommen von Anthocyanen bei der Gattung Bryum (BENDZ et aI., 1962) und der Verbreitung von Flavonen in den Familien der Bryaceae, Mniaceae und Dicranaceae (MELCHERT and ALSTON, 1965; NILSSON, 1973; NILSSON and BENDZ, 1973; NILSSON et aI., 1973). 1m Gegensatz dazu liegen uns tiber die Gruppe der pleurokarpen Laubmoose nur sparliche Informationen vor (MCCLURE and MILLER, 1967; NILSSON and BENDZ, Z. Pflanzenphysiol. Bd. 85. S. 135-138. 1977.

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Institut fur Allgemeine Botanik der Universitat Mainz, BRD

Ober die Verbreitung von Flavonoiden bei pleurokarpen Laubmoosen

I. Apigenin-7-rhamnoglucosid bei Hylocomium splendens (HEDW.) BR. eur.

On the occurrence of flavonoids in the pleurocarpous mosses

I. Apigenin-7-rhamnoglucoside in Hylocomium splendens (HEDW.) BR. eur.

O. V ANDEKERKHOVE

Eingegangen am 11. Mai 1977 . Angenommen am 15. Juni 1977

Summary

15 species of pleurocarpous mosses have been investigated as to their content of flavonoids. Flavonoid tests on 14 species have given negative results. Only one species, Hylocomium splendens, contains one flavonoid. It was purified by means of paper chro­matography and is by chromatography and absorption spectrum identical with rhoifolin (apigenin-7 -neohesperidoside).

Partial acid hydrolysis yields apigenin-7-monoglucoside and rhamnose, quantitative hy­drolysis apigenin, rhamnose and glucose. They were identified by comparison with authentic samples.

Key words: mosses, flavonoids, apigenin-7-rhamnoglucoside, rhoifolin, Hylocomium splendens.

Einleitung

Seit dem ersten Nachweis eines Flavonoids bei Laubmoosen (KOZLOWSKI, 1921) liegen uns inzwischen zahlreiche weitere Befunde tiber das Vorkommen dieser Stoffe bei Moosen vor (gesammelt bei MARTENSSON and NILSSON, 1974).

Innerhalb der Gruppe der Musci ist besondere Aufmerksamkeit den akrokarpen Laubmoosen zugewandt worden und hier hauptsachlich dem Vorkommen von

Anthocyanen bei der Gattung Bryum (BENDZ et aI., 1962) und der Verbreitung von Flavonen in den Familien der Bryaceae, Mniaceae und Dicranaceae (MELCHERT and ALSTON, 1965; NILSSON, 1973; NILSSON and BENDZ, 1973; NILSSON et aI., 1973).

1m Gegensatz dazu liegen uns tiber die Gruppe der pleurokarpen Laubmoose nur sparliche Informationen vor (MCCLURE and MILLER, 1967; NILSSON and BENDZ,

Z. Pflanzenphysiol. Bd. 85. S. 135-138. 1977.

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1973). Die Untersuchung von NILSSON and BENDZ bezog sich auf 3 Drepanocladus­arten und mehrere Calliergonarten und war negativ.

MCCLURE and MILLER testeten 22 Arten, von denen 5 als moglicherweise fla­vonoidhaltig bezeichnet wurden. Eine Isolierung eines der Stoffe und Untersuchun­gen iiber die Struktur wurden nicht vorgenommen.

Die vorliegende Arbeit diente dazu, eine Reihe von pleurokarpen Laubmoosen auf das Vorkommen von Flavonoiden hin zu analysieren.

Material und Methoden

Zur Untersuchung gelangten insgesamt 15 Arten pleurokarper Laubmoose. Brachythecium reflexum, Ctenidium molluscum, Eurhynchium rusciforme, Hylocomium

splendens, Isothecium viviparum, Neckera complanata, Neckera crispa, Plagiothecium un­dulatum, Ptilium crista-castrensis, Rhytidiadelphus loreus, Rhytidiadelphus squarrosus, Rhy­tidiadelphus triquetrus, Scorpidium scorpioides, Thamnium alopecurum, Thuidium delicatu­lum.

Das gesamte Untersuchungsmaterial stammte aus dem Schwarzwald. Fur die Extraktion wurden mindestens 5 g lufttrockenes Material verwendet, in den meisten Fallen 10-20 g. Nach Extraktion der Moosproben mit 50% igem waBrigem Methanol wurde abfiltriert, die Losung am Rotationsverdampfer im Vakuum bei 40 DC bis fast zur Trockne eingeengt und mit 100 ml Wasser aufgenommen. Sodann folgte zur Entfernung der restlichen Chlorophylle eine zweimalige Behandlung mit je 30 ml Petrol ather und schlieBlich eine Ausschuttelung mit n-Butanol (3 X 20 ml).

Die Butanolphase wurde zur Trockne eingeengt und der Ruckstand mit 10 ml Methanol aufgenommen. Die chromatographische Untersuchung erfolgte zweidimensional auf Chro­matographierpapier Schleicher & Schull Nr. 2316. Ais Laufmittel dienten tert. ButanollEs­sigsaure/Wasser 3: 1 : 1, li.thylacetatl Ameisensaure/Wasser 10: 2 : 3 und n-ButanollEssig­saure/Wasser 4 : 1 : 2 fur die erste Dimension und 150/0ige, 300/0ige und 600/0ige Essigsaure fUr die zweite Dimension.

Nach der Trocknung der Chromatogramme wurden sie im langwelligen UV-Licht bei 350 nm betrachtet, mit Ammoniak gerauchert und mit Naturstoffreagens A und mit Bene­dicts Reagens bespruht.

Das Material fur die UV-Spektroskopie und zur Hydrolyse lieB sich durch eindimen­sionale Papierchromatographie mit 150/oiger Essigsaure anreichern. Die Messung der UV­Spektren erfolgte mit einem Spektralphotometer Zeiss M 4 Q III unter Verwendung der ublichen Methoden (MABRY et aI., 1970).

Ergebnisse und Diskussion

Es zeigte sich, daB von allen untersuchten Arten nur Hylocomium splendens ein Flavonoid enthielt. Das Flavonoid von Hylocomium erscheint unbehandelt pur­pum im langwelligen UV-Licht, liefert bei Raucherung mit NH3 eine gelbe Far­bung, eine gelbgriine Farbe mit Naturstoffreagens A und reagiert negativ auf Bene­dicts Test.

Rf-Werte des Flavonoids von Hylocomium splendens

tert. ButanollEssigsaure/Wasser 3 : 1 : 1 0,58 Kthylacetatl Ameisensaure/Wasser 10 : 2 : 3 0,71

z. Pflanzenphysiol. Bd. 85. S. 135-138. 1977.

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n-ButanollEssigsaure/Wasser 4 : 1 : 2 0,50 150f0ige Essigsaure 0,50 300f0ige Essigsaure 0,73 600f0ige Essigsaure 0,82

Die Messung der UV-Spektren brachte folgendes Ergebnis (Amax, nm):

Methanol: 268, 330 Na-methylat: 270,389 AlCla: 273,298, 347, 380 AlCla/HCl: 273,300,341,380 Na-acetat: 267, 350, 387 Na-acetat/HaBOa: 267, 330

Diese Resultate deuten auf ein Apigeninglycosid hin. Hydrolyse mit dem Gemisch Kthano1l2n HCI (1 : 1) tiber eine Stun de spaltete das gesamte Material in Aglycon und Zucker. Das Aglycon konnte durch die Rf-Werte, UV-Spektroskopie und zwei­dimensionale Cochromatographie mit authentischem Material (Roth) als Apigenin identifiziert werden.

Rf-Werte: tert. ButanollEssigsaure/Wasser 3: 1 : 1 0,88 150f0ige Essigsaure 0,10

UV -Spektren (Am ax, nm):

Methanol: 267,332 Na-methylat: 270, 390 AICla: 275, 299, 344, 380 AICla/HCI: 275,297, 339, 380 Na-acetat: 275, 300 sh, 381 Na-acetat/HaBOa: 267, 300 sh, 336

Die bathochrome Verschiebung von Band II urn 8 nm bei Zugabe von Na-acetat, die beim Glycosid fehlt, zeigt eine freie OH-Gruppe am C-Atom 7 des Aglycons an und damit gleichzeitig den Bindungsort der Zucker.

Die Zucker wurden dtinnschichtchromatographisch auf Celluloseplatten (Merck) mit dem Laufmittel Kthylacetat/Essigsaure/MethanollWasser 60: 15 : 15 : 10 auf­getrennt. Der Nachweis erfolgte mit Anilin-Phthalsaure. Durch die Rf-Werte und Cochromatographie mit authentischem Material (Merck) wurden Glucose und Rhamnose nachgewiesen. Rf-Wert ftir Glucose 0,13, ftir Rhamnose 0,36

Die Rf-Werte der untersuchten Substanz weisen auf ein Flavondiglycosid hin. Es wurde deshalb eine Hydrolyse tiber 10 Minuten in der vorgenannten Weise durchgeftihrt und im Anschlu6 daran eine Untersuchung der Produkte.

Man findet nunmehr neben wenig Apigenin und einem geringen Rest der Aus­gangsverbindung vorherrschend ein Hydrolyseprodukt mit folgenden Rf-Werten:

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tert. ButanollEssigsaure/Wasser 3 : 1 : 1 0,63

Athylacetatl Ameisensaure/Wasser 10 : 20 : 3 0,75

150f0ige Essigsaure 0,23

Dieses Hydrolyseprodukt konnte durch UV-Spektroskopie, seine Rr-Werte so­wie Cochromatographie mit authentischer Substanz (Roth) als Apigenin-7-mono­

glucosid identifiziert werden. Es wurde durch p-Glucosidase vollstandig in Apigenin

und Glucose gespalten.

UV -Spektren (Amax, nm):

Methanol: 267, 330

Na-methylat: 271, 387

AlCta: 275, 300, 349, 382

AlCI3/HCl: 274,300,335,381

Na-acetat: 267, 350, 387 Na-acetat/H3B03 : 267, 336

An Zuckern wurde bei der Partial hydrolyse neben wenig Glucose hauptsachlich

Rhamnose gefunden. Zur Unterscheidung der beiden Apigenin-7-rhamnoglucoside Rhoifolin und

Isorhoifolin kann man sich den Umstand zunutze machen, da~ sie in den verwende­ten Laufmitteln verschiedene Rr-Werte aufweisen (MARKHAM and PORTER, 1973).

Eine zweidimensionale Cochromatographie des Flavonoids von Hylocomium splendens mit Rhoifolin (Roth) lieferte in allen Laufmittelkombinationen nur einen

Fleck.

Aufgrund der Ergebnisse der UV-Spektroskopie und der Partial- bzw. Vollhydro­lyse des untersuchten Flavonoids kann daher davon ausgegangen werden, da~ es sich hierbei urn das Apigenin-7-neohesperidosid (Rhoifolin) handelt. Es ist das einzige Flavonoid von Hylocomium splendens.

Literatur

BENDZ, G. et al.: Acta chern. Scand. 16, 1183 (1962). KOZLOWSKI, M. A.: Compt. Rend. 173,429 (1921). MABRY, T. J. et al.: The Systematic Identification of Flavonoids. Springer-Verlag, 1970. MARKHAM, K. R. and L. J. PORTER: Phytochemistry 12, 2007 (1973). MARTENSSON, O. and E. NILSSON: Lindbergia 2,145 (1974). MCCLURE, J. W. and H. A. MILLER: Nova Hedwigia XIV, 113 (1967). MELCHERT, T. E. and R. E. ALSTON: Science 150, 1170 (1965). NILSSON, E.: Abstracts of Uppsala Dissertations from the Faculty of Science 239 (1973). NILSSON, E. and G. BENDZ: In: G. BENDZ and]. SANTESSON: Chemistry in Botanical Clas-

sification, Academic Press, 117 (1973). NILSSON, E. et al.: Chern. scripta 4, 66 (1973).

Dr. O. V ANDEKERKHOVE, Institut fiir Allgemeine Botanik der Universitat Mainz, Saarstr. 21, D-6500 Mainz, BRD.

Z. PJlanzenphysiol. Bd. 85. S. 135-138. 1977.