Über einige Molekülstrukturuntersuchungen mittels Kernresonanzspektroskopie
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1961 447
Insti~ut ffir Elektrowerkstoffe Freiburg i. Br.
i~ber einige Molekiilstrukturuntersuchungen mittels Kernresonanzspektroskopie
Yon ~ERItARD ]~NGLERT
Mit 5 Textabbfldungen
(Eingegangen am 26. November 1960)
Die Kernresonanzspektroskopie stellt bei der Aufkl/~rung der Struk- fur yon Molekfilen eine sehr wertvolle Erg/~nzung anderer physikalisch- chemischer l~ethoden, wie z.B. der Ultraviolet~-, Infrarot- und Raman- Spektroskopie dar. Der gr6Bere apparative Aufwand und die Schwierig- keit der l~eBtechnik werden dabei in sehr vielen l~llen dutch den Vorzug aufgewogen, dab sich Kernresonanzspektren selbst bei komplizierten Verbindungen oft in einfacher Weise interpretieren lassen. Bei der Zu- ordnung der Spektren maeht man Gebraueh davon, dab einmal die Lage der Signale (sog. chemische Verschiebung) z.B. yon CH-, CH2- und CH a- Gruppen in charakteris~iseher Weise yore Bindungszustand abh/~ng~, da/~ ferner die Aufspaltung des Signals eines Protons oder einer Gruppe yon Protonen durch die Zahl der benachbarten Atomkerne mit magnetischen Momenten bestimmt ist, und die Signalintensit~t (Fl~che) unter geeig- neten apparativen Bedingungen direk~ proportional zur Zahl der beteilig- ten Protonen ist, wodureh die Zuordnung wesentlieh erleichtert wird.
Ohne hier n/~her auf die ~heoretisehen Grundlagen~,5, ~0 eingehen zu kSmaen, seien im folgenden einige Anwendungen speziell der Protonen- resonanzspektroskopie bei der Aufkl~rung der Struktur yon 1Vfolekiilen diskutiert. Beztiglich der mig diesen Untersuehungen zusammenh/~ngen- den rein chemisehen Fragen kaim dabei auf andere Arbeiten verwiesen werden.
Uber einige Nolekfilstrukturuntersuehungen Bei der Aufkl/~rung einer Molekfilstruktur geht man im allgemeinen
yon gewissen Strukturformeln aus, die dem Chemiker auf Grund des ver- muteten Ablaufes der Synthese plausibel erscheinen. Ein BeispieI bietet die Reaktion yon Thiosemicarbazid (bzw. seiner methylsubstituierten Verbindungen) mit salpetriger S~ure, wobei ffir das Endprodukt -- wie an anderer Ste]le dieser Tagung berichtet wurde a -- vier verschiedene Strukturen denkbar w/~ren (vgl. Abb. 1).
448
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196t Molekiilstrukturuntersuchungen dutch Kernresonanzs10ektroskopie 449
Abb. 1 zeigt die Protonenresonanzspektren yon 4,4-Dimethyl-thlo- semicarbazid in Chloroform, 2,4-Dimethyl-thiosemiearbazid in Dimethyl- sulfoxyd (])MS), sowie yon dem Reaktionsprodukt yon 4-1VIebhyl-thio- semicarbazid mit salpetriger S/iure, gel6st in Chloroform. ])ie erste Sub- stanz zeigt neben dem an seiner groBen Breite erkennbaren Ntt2-Signal bei ~ = 6,70 ein einfaches Me~hylsignal bei ~ = 6,51, d. h. die Drehbar- keit um die C-N-Bindung ist so wenig behindert, dab die an sich verschie- den abgesehirmten Protonen der beiden Ctta-Gruppen nur ein Signal ergeben. I m Spekirum der zweiten Subs~anz t r i t t dagegen neben dem CIta-Signal bei ~ ~ 6,50, welches der Methylgruppe in 2-Stellung zu- geordnet werden muB a, ein Dublet t bei T = 7,07 mi~ einem Linien- abstand yon 4,7 -4- 0,1 Hz auf. Es is~ das Signal der 4-1Viethylgruppe, dessen Aufspalbung durch Spin-Spin-Wechselwirkung mit dem Proton der NtICtta-Gruppe verursacht ist. Es zeigt n/imlich einmM das NI t - Signal bei ~ = 1,73 eine eben noch erkennbare Quartet tstruktur, zum anderen ist die Aufspaltung des CI-I 3- Signals unabh/ingig yon der Feld- st/irke, wie Messungen bei 40 Mhz ergaben*.
I m Spekbrum des l%eaktionsproduktes ist zwar eine Quarte t ts t ruktur des Nit-Signals bei ~ = 1,80 auch bei hoher Verst~rkung nicht mehr erkennbar, doch t r i t t das CI-Ia-Signal bei T = 6,74 wieder als Dublet t mi t feldst/irkeunabh~ngiger Aufspaltung von 4,7 t tz auf. Da bei Vorliegen der S~rukturen I I I oder I V keine Spin-Spin-Weehselwirkung mehr zu erwarten w/ire, mug somi~ auch hier eine NX-ICIta-Gruppe , d, h. aber die S~ruktur I mi t einem 1,2,3,4-Tkiatriazol-l~inggeriist vorliegen.
Die beiden n/iehsten Beispiele befassen sich mit der Untersuchung der Struktur yon cis-Isomeren bei Molekiilen mit konjugierten C ----- C-Doppel- bindungen.
Neben der all-trans-I)ehydrogeraniums/~ure (FP 187 ~ C) ist ein eis- Isomeres (FP 137 ~ C) bekann~ s, fiir welches eine 2-cis-4-trans-Struk~ur vermutet worden war. Neuerdings wurde nun eine drit~e isomere S/iure (FP 160 ~ C) dargestellt 11, fiir welche daher zun/ichst eine 2-trans-4-cis- oder eine 2,4-di-cis-Struktur nahelag. ])as Protonenresonanzspektrum des (aus L6slichkeitsgrtinden untersuchten) Methylesters beweist aber ent- gegen der Erwartung die 2-cis-4-trans-Struktur (vgl. Abb. 2).
So zeigen die Signale yon H~ und I-I~, die sich anf Grund ihrer Fein- struktur und der Intensit/it leicht zuordnen lassen, bei der all-~rans- und bei der cis-Verbindung eine gleiehe Aufspaltung yon etwa J ~ -~ 15 Hz, ein Wert, der in dem ftir trans-Spin-Spin-Kopplungen bekannten Bereich yon 13--18 I-Iz 5-1~ liegt. ])amit ist zun/iehst eine 4-cis-Struktur ausge- schlossen, da in diesem Fall eine kleinere Aufspaltung (Jtrans/Jcis ~ 2) zu erwarten w/ire 5.
* I-Ierrn Dr. W. BRtiG~L, Ludwigshafen, mSchte ich fiir die Durchffihrung der 1VIessungen bei 40 3lhz herzlieh danken.
Z. analyt, Chem., Bd. 181 2 9
4 5 0 GE~HAI~D ENGLE~T B d . 181
Die 2-cis-Anordnung leitet sich ~us der Beob~ehtung ab, dab sieh beim Uberg~ng yon der tr~ns- zur cis-Verbindung d~s/~-lViethylsign~l n~ch h6herem Feld (zJr = 17 ttz), das Signal yon t t y kr~iftig n~eh niederem Feld (At = 91 Hz) versehiebt. Iq~ch an~logen Beob~ehtungen yon JAcx~A~, ~ wird ein der~rtiger Effekt durch eJne ges rs Anordnung der di~m~gnetiseh ~nisotropen Curbonylgruppe beziiglich H e und der CHz-Gruppe hervorgerufen, d. h. dutch Uberg~ng in eine 2-cis-Struktur. Du entspreehende Versehiebungen ~uch in den Spektren der reinen Ss beobachtet wurden, muB ~uch dort eine 2-cis-4-trans- Struktur vorliegen.
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Abb.2. Protonenresonanzspektren yon all-trans- und yon 2-cis-4-trans-Dehydrogeraniums~ure- methyles te r in CC14. Der Bereich der olefinischen Pro tonen wurde aus Zweckm~l]igkeitsgrfinden mi t
h6herer Verst~rkung aufgenomlnen
Da die Wiederholung der Synthese der isomeren Ss yore Sehmelz- punkt 137 ~ C nieht mehr gelungen J S t 11, bleibt die Frage nach der Struk- fur dieser Verbindung zungchst noeh often. Die Struktur der 160~ bzw.: ihres Methylesters seheint jedoeh v611~g gesichert, da naeh AbsehluB dieser Untersuchungen aueh ein mit Hflfe der IR- und UV-Spektro- skopie durehgefiihrter Strukturbeweis ver6ffentlieht wurde 1~.
Das ngchste Beispiel befaBt sich mit einer eis-isomeren 5-Phenyl-3- methyl-2,4-pentadien-Sgure vom Sehmelzpunkt 158 ~ C, ffir welehe frfi- her a auf Grund chemischer und Ii%spektroskopiseher Beobachtungen eine 2-trans-4-cis-Struktur, spgter auf Grund yon IR- und UV-Messun- gen umgekehrt eine 2-eis-4-trans- Struktur angenommen wurde 13.
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452 GERttARD E~LV,~ ]~d. 181
Abb. 3 zeigt die Protonenresonanzspoktren der Mothylester der 160% Si~ure (alltrans) and der 158~ (cis). Wio beim obigen Bei- spiel karm auch bier aus dot Aufspaltung der Signalo yon H~ and tt~ yon e~wa i6 Hz, sowie der Verschiebung des #-Methyl- and des Hr-Signals oindeutig auf die 2-eis-4-trans-Struktur goschlossen werden.
Zum Abschlul~ wird noch fiber vorliiufige Ergebnisse yon Untersu- ehungen an Furoxanverbindungen berichtot, doron Struktur -- wie einem zusammenfassenden Artikel yon KAVFMAN U. PIOAI~D ? ZU entnehmen ist -- trotz fiber 60jiihriger Forschung noeh nioht eindeutig gekli~r~ wer- den konnte. Es stehon vor allem die in Abb. 4 angogebenon Strukturen zur Diskussion.
Bei ahphatisehen Furoxanen, bei donen die beiden C-Atome nioht Teil eines konjugier~on Ringsystoms sind, konnten durch Vertauschen yon ungleiohen Substituenten R und R' isomore Verbindungen mit ande- ren Eigenschaften, z.B. versohiedenen Schmelzpunkten, dargestoll~ werden 7. Dieser ehemisohe Befund spricht ffir die unsymmetrisohe Fur- oxanstruktur I.
In Ubereinstimmung hiermit sind die Ergebnisse der Protonenreso- nanzuntersuchungen an Dimethylfuroxan (R ~ R' ~ OHm). Das Spek- t rum weist ns zwei ~ethylsignale auf, wie dies ~uf Grund dor geringen Molekiilsymmotrie nach Struktur I zu erwar~en ist. Umgekehrt besitzt das zum Vergleioh abgebildete Spoktrum des symme~risoh ge- bauten Dimethylfuraz~ns nur ein oinfaohes Methylsignal, da die Protonen dor beiden Methylgruppen wegen der Symmetrio der Elektronenhfille in gleicher Weise ~bgesohirmt sind.
Boi aromatischon Furoxanen ]iegen die Verh~ltnisse komplizierter. Nimmt man zuni~ehst aueh hier die unsymmetriseho Struktur I an, so sollten sich z.B. die in 5- bzw. 6-Stellung substituierten Benzofuroxane in ihren physikalisoh-chemisohen Eigensohaften unterseheiden. Diosor rein ohomisehe Nachweis ist aber bis heuto nicht gelungen 7. Auoh wurdo bisher vergeblich nach isomeren Vorbindungen des Pyrido-2,3-furoxans oder des Naphtho-l,2-furoxans gesuoht t, deron Existenz boi Vorliegen yon Struktur I zu erwarten wi~re, man hat daher neuerdings meist die symmetrischen Strukturen I I o d e r I I I vorgezogen odor oine sehnello Umwandlung der Struktur I fiber die Struktur I I diskutiert.
Das Pro~onenresonanzspektrum yon Bonzofuroxan (in CCla) ist in Abb.5 zusammen mit demjenigen des Benzofurazans (in CS~) in hoher AuflSsung abgebildet. Im letzten Fall drfiokt sich die hohe Molekfil- symmetrie in dor Symmetrie des Spektrums aus: das sogonannto A2B ~- Spektrum i0 (zwei Baare gleiohwertiger Protonen) besteht aus zwei inner- halb der ~eSgenauigkeit identischen Hi~lften. Die ~uBere Ersoheinungs- form eines derartigen A~B~-Spektrums h~ngt zwar stark yon den Werten der Kopplungskonstanten und der ehemisohen Verschiebung zwisehon
1961 Molekfilstruk~uruntersuchungen durch Keraresonanzspektroskopie 453
den zwei Paaren yon Protonen ab, doch soll~e die SymmeSrie auf Grund der Theorie 10 erhal~en bleiben.
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Das stark verwaschene Spek~rum des ]~enzofuroxans, dessen Schwer- punk~ mi~ der st~rksten Linie bei ~ ~ 2,66 zusammenf~llt, weist weder beziiglich der Intensitii~en noch der Frequenzabst~nde yore Zentrum
454 GERH~D ENGLERT: Molekfilstrukturuntersuehungen usw. Bd. 181
eine derargige Symmetrie auf, so dab der SchluB auf das Vorliegen der unsymme~risehen Struk~ur I naheliegg.
Da wit die I)iskrepanz mi~ den rein ehemisehen Befunden zur Zeig noch nieh~ deuten k6rmen, beabsiehtigen wit, unsere Untersuehungen auf einige anclere aroma~isehe Furox~ne auszudehnen, ttierzu sollen auch noeh die Messungen der N~-Signate 6ieser Verbindungen mi~ einbezogen wet- den.
Experimentelles Die abgebfldeten Spektren wttrden mi~ einem Varian-Kernresonanzspektro-
meter V 4302 (56,4 Mhz) mit Magnetfeldstabilisator bei Zimmergemperatur aufge- nommen. Die Linienabstgnde (obere Skala in den Spektren) yore Signal des Tetra-
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Abb.5, Pro~onenresonanzspekf~ren "con Be~oftkrazan in CS~ und Benzofttroxan in CC14 bei hoher gufl6sung
methylsflans (TMS, innerer Standard) wurden dureh Seitenbandteehnik mit einem Hewlett-Paekard-Niederfrequenzoseillator 200 CD bestimmt. Ferner wurden die Linienlagen in der feldst~rkeunabh~ngigen ~-Skala 12 (in ppm) angegeben. Die Substanzen wurden entweder als reine Fliissigkeiten oder Ms L6sungen mit elner Konzen~ration zwisehen 20 und 500/o in Glasr6hrehen mit einem s yon etwa 3 mm untersueh~.
Zum SehluB danke ich den Herren Dr. M. KvKN und Dr. G. SCH~V]~BRAm)T sowie Herrn Prof. Dr. W. L t i T ~ fiir die Uberlassung der hier untersuehten Sub- stanzen, Ferner gilt mein Dank g e r m Prof. Dr. 1%. ~]~cKv. fiir seine f6rdernde Unterstiibztmg.
Anmer!cung be,~ der Korrek~ur. Wie die Untersuehung des Spektrums yon Benzo- fm-oxan zwisehen - -60 ~ und -kl00~ inzwisehen ergab, ist tats~ehlieh ein inner-
1961 WvrrKAm~ et al.: Strukturbestimmung d. Kerninduktionsspektroskopie 455
molekularer Umklappvorgang anzunehmen. Das bei Zimmertemperatur stark ver- waschene Spektrum geht n~mlich bei niederer Temperatur ( ~ 60~ in ein aus scharfen Einzellinien bestehendes, noch starker unsymmetrisches Spektrum fiber, d.h. das Molekfil kann tats~chlich keine C2-Symmetrie besitzen. Bei hSherer Tem- peratur entsteht ebenfalls ein aus scharfen Einzellinien bcstehendes Spektrum, das aber bereits bei -~60~ eindeutig als A2B~-Spektrmn angesehen werden muB. l~ber die Ergebnisse dieser Untersuchungen so]/ ~n sp~terer Stelle noch ausffihrlich berichtet werden.
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Dr. G. E~GT.E~T, Insti tut fiir Elektrowerkstoffe, Freiburg i. Br,, Eekerstr. 4
Shell-Grundlagenforsehung-Gesellschaft m.b.H. SehloB Birlinghoven
Beispiele zur Strukturbestimmung organischer u
durch Kerninduktionsspektroskopie Yon
H. ~rEITKAMP~ ]~. H. BUCHEL~ F. WIESE und F. KORTE
(Eingegangen am g. November 1960)
D u r c h K e r n i n d u k t i o n s s p e k t r o s k o p i e w i r d geze ig t , d a b be i de r R e -
a k t i o n y o n T r o p y l i u m b r o m i d m i t N a - R - V e r b i n d u n g e n in 7 - S t e l l u n g
m o n o s u b s t i t u i e r t e C y c l o h e p t a t r i e n d e r i v a t e e r h a l t e n werden . F o l g e n d e