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Veröffentlicht in DER FEUERWEHRMANN 2012, 200 ff Die Übergabe der Einsatzstelle Bei Einsätzen der Feuerwehr wird häufig die Einsatzstelle an andere Behörden, an den Betroffenen oder aber auch andere Private übergeben. Im Folgenden soll geklärt werden, wann eine Übergabe erforderlich ist, an wen überhaupt eine Einsatzstelle übergeben werden darf und wie die Übergabe zu erfolgen hat. Zur weiteren Lektüre wird ausdrücklich auf die Fußnoten verwiesen 1 . 1. Zuständigkeit Für die Frage, ob eine Übergabe der Einsatzstelle erforderlich ist, sind die weitere Zuständigkeit und das Vorhandensein weiterer Gefahren zu klären. Keine Übergabe ist erforderlich, wenn noch eine Zuständigkeit der öffentlichen Feuerwehr besteht oder wenn keine weiteren Gefahren außerhalb der eigenen Zuständigkeit vorhanden sind. Beispiele: a) Keine Übergabe, wenn die Feuerwehr das Schadensfeuer noch nicht abschließend bekämpft hat, also noch mit Löscharbeiten beschäftigt ist. b) Die Feuerwehr hat einen kleinen Böschungsbrand abgelöscht. Weitere Gefahren bestehen nicht. Damit kann eingerückt werden. Eine Übergabe an andere Behörden oder an Private ist nicht erforderlich. Die Zuständigkeit der Feuerwehr ist in § 1 FSHG geregelt. Danach sind von den Gemeinden Feuerwehren zu unterhalten, um Schadenfeuer zu bekämpfen sowie bei Unglücksfällen und bei solchen öffentlichen Notständen Hilfe zu leisten, die durch Naturereignisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden. Bei den Begriffen Schadenfeuer Unglücksfall öffentlicher Notstand durch Naturereignis, Explosion oder ähnliches Vorkommnis 1 mit Fußnoten wird auf andere Aufsätze oder gerichtliche Entscheidungen verwiesen. Gerade in diesem Aufsatz zeigt sich: Es lohnt sich, den FEUERWEHRMANN zu lesen und ihn zu archivieren.

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Veröffentlicht in DER FEUERWEHRMANN 2012, 200 ff

Die Übergabe der Einsatzstelle

Bei Einsätzen der Feuerwehr wird häufig die Einsatzstelle an andere Behörden, an den Betroffenen oder aber auch andere Private übergeben. Im Folgenden soll geklärt werden, wann eine Übergabe erforderlich ist, an wen überhaupt eine Einsatzstelle übergeben werden darf und wie die Übergabe zu erfolgen hat. Zur weiteren Lektüre wird ausdrücklich auf die Fußnoten verwiesen1.

1. Zuständigkeit

Für die Frage, ob eine Übergabe der Einsatzstelle erforderlich ist, sind die weitere Zuständigkeit und das Vorhandensein weiterer Gefahren zu klären.

Keine Übergabe ist erforderlich,

wenn noch eine Zuständigkeit der öffentlichen Feuerwehr besteht oder

wenn keine weiteren Gefahren außerhalb der eigenen Zuständigkeit vorhanden sind.

Beispiele:

a) Keine Übergabe, wenn die Feuerwehr das Schadensfeuer noch nicht abschließend bekämpft hat, also noch mit Löscharbeiten beschäftigt ist.

b) Die Feuerwehr hat einen kleinen Böschungsbrand abgelöscht. Weitere Gefahren bestehen nicht. Damit kann eingerückt werden. Eine Übergabe an andere Behörden oder an Private ist nicht erforderlich.

Die Zuständigkeit der Feuerwehr ist in § 1 FSHG geregelt. Danach sind von den Gemeinden Feuerwehren zu unterhalten, um Schadenfeuer zu bekämpfen sowie bei Unglücksfällen und bei solchen öffentlichen Notständen Hilfe zu leisten, die durch Naturereignisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden.

Bei den Begriffen

Schadenfeuer

Unglücksfall

öffentlicher Notstand durch Naturereignis, Explosion oder ähnliches Vorkommnis

1 mit Fußnoten wird auf andere Aufsätze oder gerichtliche Entscheidungen verwiesen. Gerade in diesem

Aufsatz zeigt sich: Es lohnt sich, den FEUERWEHRMANN zu lesen und ihn zu archivieren.

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handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Der durch sie festgelegte Begriff muss durch Auslegung, die in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist, ermittelt werden.

Schadenfeuer

Nach der Rechtsprechung ist ein Schadenfeuer ein selbständig fortschreitendes, unkontrollierbares Feuer außerhalb einer Feuerstätte, welches nicht zum Verbrennen bestimmte oder nicht wertlose Gegenstände vernichtet2.

Ein Schadenfeuer liegt aber auch dann vor, wenn Sachen verbrennen, die vom Berechtigten hierzu bestimmt wurden oder die völlig wertlos sind, wenn die Verbrennung offensichtlich rechtswidrig ist und durch diese mit einem Schaden an Leben und Gesundheit (Art. 2 GG), Eigentum von bedeutendem Wert (Art. 14 GG) oder der Umwelt (Art. 20 a GG) gerechnet werden muss3. Diese Ergänzung ist im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für die genannten Rechtsgüter geboten.

Ein Schadensfeuer dauert an, solange von dem Feuer und seinen Folgen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht4.

Unglücksfall

Beispiele für Unglücksfälle sind Verkehrsunfälle, Unfälle in Betrieben, Explosionen, Einstürze sowie das Auslaufen oder Freiwerden gefährlicher Stoffe und Güter.

Der Begriff Unglücksfall wird abstrakt wie folgt ausgelegt: "Ein Unglücksfall ist jedes mit einer gewissen Plötzlichkeit eintretende Ereignis, von dem eine erhebliche Gefahr für Menschen, Tiere, Sachen oder Umwelt ausgeht5."

2 OVG Münster, SgEFeu § 1 I FSHG Nr. 8; VG Köln SgEFeu § 36 I FSHG Nr. 5; VG Aachen SgEFeu § 1 I FSHG Nr. 73,

VG Gießen SgEFeu § 1 FSHG Nr. 73a; VG Minden SgEFeu § 1 I Nr. 82; Schneider, Feuerschutzhilfeleistungsgesetz

NRW, 8. Auflage § 1 Anm. 6.0; Fischer, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, 3.2.1.1.2. 3 Fischer a.a.O.; zustimmend Schneider a.a.O.

4 Schneider a.a.O. Anm. 6.2

Ein Schadenfeuer liegt auch bei Bränden wertloser Gegenstände vor, wenn davon eine erhebliche Umweltgefahr ausgeht und die Verbrennung offensichtlich rechtswidrig ist.

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Diese Auslegung geht sehr weit und führt bei unkritischer Betrachtung zu einer erheblichen Ausweitung der Zuständigkeit der Feuerwehr. Dies zeigt sich insbesondere an der Rechtsprechung zur Fahrbahnverunreinigung durch Ölspuren. Durch Urteil vom 16.02.2007 hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Begriff des Unglücksfalls dahin ausgelegt, dass auch die Beseitigung einer Ölspur darunter fällt und mithin eine originäre Aufgabe der Feuerwehr darstelle6. Hiermit wurde die bisherige Rechtsprechung, dass die Feuerwehr nur im Wege der Amtshilfe für die Polizei tätig wird, wenn der Straßenbaulastträger nicht zu erreichen ist, hinfällig7.

Bei einer Ölspur bestehe aufgrund der Straßenglätte die erhöhte Gefahr eines Verkehrsunfalls. Für den Begriff „Unglücksfall“ i.S.v. § 1 I FSHG NRW komme es nicht darauf an, ob der Schadenseintritt in allernächster Zeit und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Denkt man diese Auslegung des OVG Münster zu Ende, sind auch Ereignisse wie Glatteis oder Bananenschalen auf Bürgersteigen Unglücksfälle im Sinne von § 1 FSHG. Auch eine plötzlich sich verschlimmernde Erkrankung kann als Unglücksfall angesehen werden8. Gleiches soll für ein in einem Pkw für längere Zeit zurückgelassenes Tier bei hoher Außentemperatur9 oder für die Absicherung des Rettungsdienstes auf einer Bundesautobahn gelten10.

5 Schneider a.a.O. Anm. 8.1 mit zahlreichen w.N.

6 OVG Münster DAR 2007, 278 L, DVBl 2007, 518 L, NWVBl 2007, 437: Das außerhalb der üblichen Dienstzeiten

des Trägers der Straßenbaulast erfolgte Abstreuen einer etwa 300 m langen und ca. 0,5 m breiten Ölspur auf

einer Landesstraße mit Bindemittel, das Aufnehmen des abgestreuten Bindemittels sowie dessen Entsorgung

stellen insgesamt einen Pflichteinsatz der Feuerwehr nach § 1 I FSHG NRW dar, der nach § 41 I FSHG NRW

unentgeltlich ist. - siehe auch Fischer, mit Besprechung des Urteils in DER FEUERWEHRMANN 2007, 62 und

dem Vorgehen bei Ölspuren nach neuer Rechtsprechung mit Ablaufplan in DER FEUERWEHRMANN 2007, 287.

7 Schneider a.a.O. Anm. 13.2.3

8 Schneider a.a.O. Anm. 8.2.2.; AG Tiergarten SgE Feu § 1 I FSGH Nr. 38; OLG Düsseldorf SgEFeu § 1 I FSHG Nr.

59. 9 OVG Koblenz SgEFeu § 6 POG RPL Nr. 1; Schneider a.a.O. Anm. 8.2.9

10 Fischer, DER FEUERWEHRMANN 2008, 148; Schneider a.a.O. 8.2.13

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In all diesen Fällen ist eine einschränkende Auslegung erforderlich. So ist

für eine plötzliche Erkrankung und den Notfallpatienten nach dem RettG originär der Rettungsdienst,11

für eine fehlerhaftes Verhalten bei der Tierhaltung und Nutzung eines Kfz nach dem PolG die Polizei12

und für den sichereren Fahrbahnzustand nach der StrWG und dem BFernStrG der jeweilige Straßenbaulastträger13 bzw. die Polizei14

und nicht in erster Linie die Feuerwehr zuständig.

Eine eigene Zuständigkeit der Feuerwehr darf nur angenommen werden, wenn in der konkreten Situation die eigentlich zuständige Behörde nicht oder nicht rechtzeitig die unmittelbare Gefahr abwehren kann, die Feuerwehr hierzu jedoch technisch in der Lage ist. Auch dann jedoch gilt, dass der Einsatz der Feuerwehr auf die Beseitigung unmittelbarer Gefahren beschränkt ist und es nicht Aufgabe der Feuerwehr ist, Folgeschäden zu beseitigen15. Sind die unmittelbaren Gefahren beseitigt, ist dies ein typischer Fall der Übergabe der Einsatzstelle an die originär zuständige Behörde. Anders ist dies nach der Rechtsprechung des OVG Münster nur bei Ölspuren16.

Öffentlicher Notstand durch Naturereignis, Explosion oder ähnliches Vorkommnis

11

§§ 2, 6 RettG 12

§ 1 PolG 13

§ 9 StrWG, § 3 BFernStrG 14

§ 44 Abs. 2 S. 2 StVO 15

Schneider a.a.O. Anm. 7.6 und 8.4; Fischer a.a.O. 3.2..1.1.1; OVG Münster SgEFEU § 1 I FSHG Nr. 25 und 90;

VG Siegmaringen SgEFeu § 2 I FwG BW Nr. 4. 16

OVG Münster Urteil vom 16.02.2007 a.a.O: "Das Abstreuen der Ölspuren, das Aufnehmen des Bindemittels

sowie dessen Entsorgung stellen insgesamt eine Hilfeleistung im Sinne von § 1 Satz 1 FSHG dar. Das Aufnehmen

des Ölbindemittels sowie dessen Beseitigung stellen keine Beseitigung von Folgeschäden nach Beendigung

einer Gefahrensituation dar, die nicht zu den Pflichtaufgaben der Feuerwehren gehören."

Straßenreinigung durch die Feuerwehr. Die Ölspur - ein Unglücksfall nach der Rechtsprechung des OVG Münster.

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Öffentlicher Notstand ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die für die Allgemeinheit besteht. Unter Allgemeinheit ist eine unbestimmte oder nicht bestimmbare Zahl von Personen zu verstehen17. Gerade beim öffentlichen Notstand wird schnell auch die Schwelle zum Großschadensereignis erreicht18.

Beispiele für öffentliche Notstände sind Hochwasserlagen, Unwetter oder der Ausfall der Stromversorgung19.

2. Weitere Gefahren außerhalb der eigenen Zuständigkeit

Eine Übergabe wird immer dann erforderlich, wenn weitere Gefahren außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Feuerwehr bestehen.

Gefahrenbegriffe

Der Gefahrenbegriff kommt aus dem Polizeirecht20. Unter einer konkreten Gefahr ist dabei eine Sachlage zu verstehen, die bei verständiger und fachgerechter Würdigung in naher Zukunft die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts oder einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit in sich birgt. Dabei ist unter Schaden die objektive Minderung eines vorhandenen normalen Zustandes von Rechtsgütern durch von außen kommende Einflüsse zu verstehen.

Diese konkrete Gefahr ist zu unterscheiden von der abstrakten Gefahr, die für sich allein im Einsatzrecht jedoch keine Rolle spielt. Daneben gibt es in einzelnen Gesetzen qualifizierte Gefahrenbegriffe:

dringende Gefahr - die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts

unmittelbar drohende Gefahr - zeitlich nahe und erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts

17

vgl. Schneider a.a.O. Anm. 9 m.w.N. 18

vgl. die §§ 30, 31 FSHG 19

vgl. Bundestagsdrucksache 17/5672, 20

damit meint das materielle Polizeirecht all jene Tätigkeiten, die inhaltlich dadurch gekennzeichnet sind, dass

sie der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit dienen - vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht §

1 Rdnr. 9 mit Hinweis auf die Begrifflichkeiten z.B. in Baden-Würtenberg, Sachsen, Bremen und dem Saarland.

Vereinzelt werden die Begriffe auch in NRW im allgemeinen Sprachgebrauch genutzt: "Offenes Licht und Feuer

sind feuerschutzpolizeilich verboten"

Besonders bei größeren Hochwasserlagen, aber auch anderen Naturereignissen kann es von einem öffentlichen Notstand zu einer Großschadenslage kommen.

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gegenwärtige Gefahr - wie unmittelbar drohende Gefahr21

erhebliche Gefahr - Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bei einem bedeutsames Rechtsgut z.B. Leben, Gesundheit, bedeutende Sachwerte

gemeine Gefahr - Wahrscheinlichkeit eines Schadens für eine unbestimmte Vielzahl von Personen oder erheblichen Sachwerten oder unüberschaubares Gefahrenpotential

Gefahr in Verzug - dringende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, wenn nicht sofort zur Verhinderung eingegriffen wird oder bei verzögertem Eingreifen die Effektivität der Schadensbekämpfung zumindest in Frage gestellt wird

Von diesen qualifizierten Gefahrenbegriffen ist die Anscheinsgefahr zu unterscheiden. Im eigentlichen Sinne besteht bei der Anscheinsgefahr gar keine Gefahr. Eine Anscheinsgefahr ist gegeben, wenn im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens bei verständiger Würdigung des Sachverhalts objektive Anhaltspunkte für eine Gefahr vorliegen, sich aber nachträglich ergibt, dass ein Schadenseintritt ist bei einer nachträglichen Betrachtung objektiv nicht zu erwarten gewesen ist22. Bei Vorliegen einer Anscheinsgefahr ist das Eingreifen grundsätzlich in gleicher Weise gerechtfertigt, als wenn die Gefahr tatsächlich vorgelegen hätte. Allerdings kann der Betroffene als Nichtstörer dann analog § 39 OBG Entschädigung verlangen23.

3. Geschützte Rechtsgüter - öffentliche Sicherheit und Ordnung

Als Gefahr im Sinne des Polizeirechts wird jede Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angesehen24. Unter der öffentlichen Sicherheit ist die die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt zu verstehen25. Der Begriff öffentlichen Ordnung ist im Feuerwehreinsatzrecht von nur unerheblicher Bedeutung.

21

vgl. für die Entsprechung von unmittelbar drohender Gefahr und gegenwärtiger Gefahr BVerwGE 45, 51, 57;

OVG Bremen NVwZ 2001, 221 22

OVG Münster NJW 1980, 138, Heise, § 15 NRWPolG Rdnr. 25; Rietdorf-Heise-Böckenförde-Strehlau, § 1 OBG

Rdnr. 13; Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Wacke, S. 327 ff. m.w. Nachw. 23

vgl. BGH NJW 1992, 2639, NJW 1994, 2355 24

§ 1 Abs. 1 S. 1 PolG NRW; § 1 Abs. 1 OBG NRW 25

vgl. die Legaldefinition in § 2 Nr. PolGBrem; amtliche Begründung zu § 14 PreußPVG,

Drews/Wacke/Vogel/Martens § 15, 2

Die Polizei hat neben der Strafverfolgung einen allgemeinen Gefahrenabwehrauftrag. Dieser unterscheidet sich deutlich von den Zuständigkeiten von Feuerwehr und Rettungsdienst.

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Der Schutz der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung führt dazu, dass auch jeder Verstoß gegen Gesetze eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Bei subjektiven Rechten oder Rechtsgütern des Einzelnen ist jedoch zu beachten, dass zum Schutz solcher privater Rechte auf Antrag des Betroffenen die Gerichte und nicht die Polizei oder die Ordnungsbehörde berufen sind. Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde26. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit stellt es immer dar, wenn die Menschenwürde27 oder aufgrund eines Unglücksfalles grundrechtliche geschützte subjektive Rechte - z.B. die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Eigentum - konkret gefährdet werden.

Gefahren für die öffentliche Sicherheit außerhalb der Zuständigkeit der Feuerwehr können bei einem Feuerwehreinsatz z.B. sein:

die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten an einer Einsatzstelle

aufgrund des Schadensereignisses schutzlose private Rechte

Verkehrsgefahren.

Beispiele:

1. Bei einem nächtlichen Brand ist die Eingangstür eines Fotogeschäftes zur Durchführung von Löschmaßnahmen durch die Feuerwehr aufgebrochen worden. Der Brand ist gelöscht. Es besteht die Gefahr, dass Unbefugte das Geschäft betreten. Die Feuerwehr hat bis zum Eintreffen der Polizei das Geschäft vor Unbefugten zu sichern und dann -nach Eintreffen- der Polizei zur Eigentumssicherung zu übergeben. Insoweit besteht eine Schutzpflicht des Staates auch für private Rechte aufgrund der Notlage.

2. Bei einem Verkehrsunfall ist der Schaltschrank einer Lichtzeichenanlage angefahren worden, so dass diese ausgefallen ist. Die Feuerwehr hat die Einsatzstelle bis zum Eintreffen des Straßenbaulastträgers oder der nach § 44 Abs.2 StVO zuständigen Polizei die Einsatzstelle zu sichern und dann an die eintreffende Behörde zu übergeben.

4. Übergabe der Einsatzstelle

26

so ausdrücklich § 1 Abs. 2 PolG NRW 27

vgl. Fischer, Das Spannungsfeld zwischen Opferschutz und Informations- und Pressefreiheit, DER

FEUERWEHRMANN 2006, 162

Die Übergabe der Einsatzstelle ist erforderlich, wenn die Zuständigkeit der Feuerwehr beendet ist, aber noch weitere Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder für aufgrund des Schadensereignisses schutzlose private Rechte bestehen.

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Der häufigste Fall der Übergabe einer Einsatzstelle wird die Übergabe an die Polizei28 sein. Das ist dann der Fall, wenn die Feuerwehr ihre Aufgaben erledigt hat, ihre Zuständigkeit damit beendet ist, aber noch andere Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehen.

Die Übergabe geschieht dadurch, dass der Einsatzleiter der Feuerwehr den Einsatzleiter der Polizei in die vorgefundene Lage einweist, ihm die von der Feuerwehr durchgeführten Maßnahmen erläutert, auf weitere Gefahren hinweist und dann erklärt, dass die Aufgaben der Feuerwehr beendet sind. Dabei müssen und dürfen der Polizei alle relevanten Tatsachen, auch solche, die für die polizeilichen Ermittlungen erheblich sind mitgeteilt werden. Es ist dabei lediglich zu beachten, dass bei anvertrauten Tatsachen oder Tatsachen, die in einem typischerweise auf Vertrauen beruhendem Sonderverhältnis (z.B. medizinische Betreuung) bekannt geworden sind, Verschwiegenheitspflicht besteht29.

Gleiches gilt für die Übergabe z.B. an die untere Wasserbehörde, die Umweltbehörde oder die Ordnungsbehörde.

Problematisch ist die Übergabe an Private.

Beispiel: Die Feuerwehr wird zu einem Küchenbrand in einem Mehrfamilienhaus alarmiert. Zur Brandbekämpfung wird die Wohnungstür gewaltsam durch Zerstörung des Schließzylinders geöffnet. Es wurde nur ein Topf auf dem Herd vergessen. Die Feuerwehr schaltet den Herd aus, entfernt den Topf und lüftet kurz und setzt in die Wohnungstür einen Ersatzzylinder ein.

a) Die Nachbarin bittet um Aushändigung des Schlüssels für den Ersatzzylinder. Sie werde ihn übergeben und nachher die Fenster schließen.

b) Der Hausmeister erscheint und bittet um Aushändigung des Ersatzschlüssels.

c) Der Vermieter erscheint und bittet um den Ersatzschlüssel. Er erklärt, er werde sich um alles Weitere kümmern.

d) Die Mutter der Wohnungsinhaberin erscheint, und bittet um Übergabe des Ersatzschlüssels.

e) Eine Person mit Originalschlüssel bittet um Herausgabe des Ersatzschlüssels.

28

vgl. Fischer, Aufbau der Polizei und polizeiliche Aufgaben beim Feuerwehreinsatz, DER FEUERWEHRMANN

2003, 174, Fischer, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, 3.2.1.5

29 Fischer, Schweigepflicht, Zeugnisverweigerungsrecht und Zeugnispflicht von Feuerwehrangehörigen, DER

FEUERWEHRMANN 2011, 179 ff

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Hier ist zunächst der verfassungsrechtliche Schutz der Wohnung gemäß Art. 13 GG zu berücksichtigen. Die Feuerwehr darf nach § 28 Abs. 2 FSHG die Wohnung zur Gefahrenabwehr betreten. Dieses Betretungsrecht gibt nicht die Befugnis, Dritten ebenfalls den Zutritt zu gewähren30. Vielmehr hat die Feuerwehr bis zum Eintreffen der Polizei, die nach Ende des Feuerwehreinsatzes für Sicherungsmaßnahmen zuständig ist, die Wohnung gegen das Betreten durch Unbefugte zu sichern bzw. ihnen den Zutritt zu verwehren31. In den Beispielen a), b) und c) kommt daher eine Herausgabe des Schlüssels nicht in Betracht. Auch der Vermieter hat gegenüber dem Mieter kein Recht, eine Wohnung ohne dessen Wissen zu betreten.

Im Fall d) wird der Einsatzleiter der Feuerwehr davon ausgehen dürfen, dass die Mutter, die in Abwesenheit ihres Kindes an der Einsatzstelle erscheint, berechtigt (bevollmächtigt) ist, den Schlüssel zu übernehmen und ggf. die Wohnung zu betreten. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, liegt weder eine Anscheins-, noch eine Duldungsvollmacht vor, da diese voraussetzen, dass der Vertretene das Verhalten und Auftreten des Vertreters wissentlich geschehen lässt oder dies bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können. Dennoch wird man in einem solchen Ausnahmefall dem Einsatzleiter der Feuerwehr keinen Vorwurf machen können. Rechtswidrig handelt dann die Mutter, die über ihr Recht getäuscht und ggf. einen Hausfriedensbruch begangen hat. Auch eine Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG kommt nicht in Betracht, da gegenüber der Wohnungsinhaberin nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet wird32. Ein grobfahrlässiges Handeln ist bei einer solchen Konstellation jedoch nicht anzunehmen.

Gleiches gilt im Fall e). Sollte der Schlüssel -wie anzunehmen- bewusst überlassen worden sein, kann in einem solchen Fall sogar von einer Duldungs,- bzw. Anscheinsvollmacht ausgegangen werden.

Weitere Einzelfälle:

Unproblematisch ist die Frage der Übergabe bei einem Einsatz der öffentlichen Feuerwehr in einem Betrieb mit Werkfeuerwehr. Die Übergabe erfolgt unmittelbar -soweit sie erforderlich sein sollte- an die Werkfeuerwehr. Gleiches gilt für die Übergabe an Verantwortliche des Betriebes oder an Mitarbeiter des Werkschutzes. Hier darf die Feuerwehr davon ausgehen, dass diese bevollmächtigt sind, die Einsatzstelle nach Ende der Tätigkeit der Feuerwehr zu übernehmen.

Besonders wichtig, auch um haftungsrechtliche Folgen auszuschließen, ist die Übergabe bei einer Ölspur. Da bei einer Ölverunreinigung der Fahrbahn die Feuerwehr zunächst originär zuständig sein soll, stellt sich im Anfang die Frage einer Übergabe nicht. Die Feuerwehr hat die Aufgabe, die Gefahr, die von der Ölverunreinigung ausgeht abzuwehren (zu beseitigen). Sie ist allerdings auch nach der Rechtsprechung des OVG nicht dafür zuständig, dass der Verkehr möglichst

30

Schneider a.a.O. § 28 Anm. 4.2 ; Fischer, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz 3.2.4.3 31

Fischer a.a.O. 32

Die Amtshaftung ist gegenüber vom Schadenereignis betroffenen auf vorsätzliches oder grobfahrlässiges

Handeln beschränkt. Dies folgt aus einer analogen Anwendung von § 680 BGB. vgl.: Fischer a.a.O.; LG Rottweil,

SgEFeu § 680 BGB Nr. 5; OLG Schleswig, brandschutz/Deutsche Feuerwehrzeitung 2004, 818; OLG Oldenburg

Urteil vom 18.11.2005, Az.: 6 U 231/04.

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schnell und leicht wieder fließen kann. Die Polizei veranlasst gem. § 44 Abs. 2 Satz 2 StVO die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung und Lenkung des Verkehrs. Wichtig: Die Polizei entscheidet über die Wiederfreigabe der Straße nach Abschluss der Maßnahmen der Feuerwehr. Nach Einsatzende ist also die Einsatzstelle an die Polizei zu übergeben33. Sollte zuvor der Straßenbaulastträger eintreffen, ist die Einsatzstelle an diesen zu übergeben34.

ABLAUFPLAN

33

so ausdrücklich der Erlass des Innenministeriums vom 06.06.2007, DER FEUERWEHRMANN 2007, 166 34

vgl. Fischer, Vorgehen bei Ölspuren - mit Ablaufplan, DER FEUERWEHRMANN 2007, 287

bestätigt durch VG Arnsberg, Urteil vom 06.08.2010 Volltext:

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_arnsberg/j2010/3_K_1109_09urteil20100806.html

Bestehen Gefahren im Bereich der

originären Zuständigkeit der Feuerwehr?

Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr!

Ja

Nein

Bestehen andere Gefahren (für die

öffentliche Sicherheit oder private Rechte)? Nein

Bestehen weitere Gefahren außerhalb

des Zuständigkeitsbereichs der

Feuerwehr?

Ja

Nein

Zuständige Behörde oder bei privaten

Rechten ggf. Privaten benachrichtigen

Nach Beseitigung der Gefahren im

Zuständigkeitbereich Feuerwehr

EINRÜCKEN!

EINRÜCKEN Ja

Nach Eintreffen ÜBERGABE!

Bei Privaten Berechtigung prüfen!