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Icks - Journal No. 1

Die Tätigkeiten des Uhrmachers beim

Groÿuhrenservice

Dipl. Ing. Simon Ickinger

19. September 2018

Als Uhrmacher wird man oft gefragt, wasbeim Service einer Groÿuhr eigentlich gemachtwird, und warum. In diesem Journal möchte ichIhnen eine Überblick über die Tätigkeiten ge-ben, die beim Groÿuhrenservice wie beispiels-weise einer

• Pendeluhr

• Stockuhr

• Standuhr aus dem 18., 19. oder 20. Jhdt.

• Kaminuhr

• Kartelluhr

• Rahmen- oder Bilderuhr

• Küchenuhr

durchzuführen sind.

Warum ein Service?

Als erstes stellt sich die Frage, warum ein Ser-vice überhaupt notwentig ist. Da stelle ich eineGegenfrage. Warum muss ein Auto immer wie-der zum Service. Prinzipiell kann man sagen,die Antwort ist die selbe.Es handelt sich bei beiden um mechanische

Werke die mehr oder weniger kontinuierlichLaufen, die bewegliche Teile aufweisen, die Ver-schleiÿteile haben und die auch Betriebs�üssig-keiten beinhalten, die einem Alterungsprozessunterliegen.All diese Gründe machen ein regelmäÿiges

Service notwendig, wobei die Serviceintervallebei einer Uhr natürlich viel länger sind.

Serviceintervall

Im Fall einer Groÿuhr ist je nach Uhr ein Ser-viceintervall von ca. 7-10 Jahren sinnvoll. So-bald die Uhr aber merkbar schwächer wird, ist

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Abbildung 1: Die Zugfeder ist ein Verschleiÿteilder Uhr. Da Zugfedern nicht ge-normt sind, müssen sie sehr oftvom Uhrmacher umgebaut undmodi�ziert werden. [1]

auf jeden Fall ein Service zu empfehlen. Dieskann man merken, wenn die Gangdauer kürzerwird, oder wenn sie merkbar emp�ndlicher ge-genüber Lagenveränderung wird (z.B. wenn dieUhr beim Reinigen leicht bewegt wird und dannleicht stehen bleibt).

Verschleiÿteile

Verschleiÿteile bei einer Uhr sind beispielsweisedie Zugfedern (siehe Abb. 1), die Saiten, Auf-hängungen (Energiespeicher). Ebenso die Lagerund Zapfen, die sich in den Lagern drehen.

Alterungsprozess der Öle

Öle und Fette sind für den Betrieb einer Uhrunabdingbar. Beim Service werden immer diebesten und optimalsten Öle verwendet, trotz-dem unterliegen sie einem Alterungsprozess,der die Öle und Fette zum Verharzen bringt.Dies führt dazu, dass die Kräfte in der Uhr im-mer höher werden, bis sie irgendwann stehenbleibt.

Gefahr beim Selberölen ohne Reinigung

Als Uhrmacher sieht man öfters Uhren, die vonselbsternannten Uhrmachern nachgeölt wur-den. Natürlich stellt sich ein Erfolgserlebnis so-fort ein, da sich das alte Öl mit dem neuen ver-mischt und wieder dünner wird.Doch leider führt dies dazu, dass die Uhr

nachhaltig geschädigt wird. Dies liegt daran,dass sich durch den jahrelangen Betrieb in den

Lagern ein Abrieb gebildet hat. Durch das neu-erliche Ölen ohne vorherige professionelle Rei-nigung bildet sich eine Suspension aus Öl undMetallstaub. Wenn die Uhr nun weiter betrie-ben wird, ist der Verschleiÿ extrem erhöht. Diesführt zu groÿen Folgeschäden.Das Service bei einer nachgeölten Uhr wird

somit um ein vielfaches aufwendiger und teurer,auÿerdem kann sich der Wert der Uhr reduzie-ren.

Tätigkeiten, die beim Service

durchgeführt werden

Erstbegutachtung

Bevor der Uhrmacher die Uhr zerlegt wird einBlick über die wichtigsten Einzelteile und diewichtigsten Funktionen der Uhr geworfen. Sobekommt der Uhrmacher ein Gefühl dafür, inwelchem Allgemeinzustand die Uhr ist, wel-che Reparaturen auf jeden Fall durchzuführensind (O�ensichtliche Fehler oder Beschädigun-gen) und welche mechanischen Komplikationenin der Uhr eingebaut sind (siehe Abb. 2). Beson-deres Augenmerk werden auf folgende Punktegelegt

• Allgemeinzustand der Uhr (Kasten, Zif-ferblatt, Zeiger, Werk, Pendel, Gewichte,etc.)

• Zustand der Lager

• Zustand bzw. Konsistenz des Öles

• Zustand der Hemmung (Anker und Gan-grad)

• Zustand der Räder

• O�ensichtliche Beschädigungen

• Lockere Teile

Ausbauen des Werkes und Abnehmendes Zi�erblattes

Nun wird das Werk aus dem Kasten bzw. demGehäuse gebaut. Danach werden die Zeiger unddas Zi�erblatt entfernt. Dabei ist äuÿerste Vor-sicht geboten. Zi�erblatt und Zeiger werden aneinem sicheren Ort gelagert.

Icks-Journal No.1 von Uhrmacher Simon Ickinger. Seite 2

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Abbildung 2: Begutachtung des Werkes umeinen Überblick des Allgemeinzu-standes zu Uhr zu bekommen. [2]

Danach wird noch einmal eine genaue Begut-achtung des Werkes durchgeführt, da der Uhr-macher jetzt üblicherweise besser ins Werk se-hen kann (siehe Abb. 2).

Zerlegen des Werkes in alle Einzelteile

Nun wird das Werk Stück für Stück zerlegt.Während dessen werden alle Teile auf ihreFunktion, Zustand, Abnützung, Einsatzfähig-keit und notwendiges Spiel überprüft. Auch daszusammenwirken mit anderen Teilen wird un-tersucht.

Vorreinigen

In manchen Fällen ist eine Vorreinigung not-wendig, damit das Service weitergeführt werdenkann.

Reparieren von Teilen

In diesem Stadium des Service werden Grundre-paraturen durchgeführt. O�ensichtlich fehlen-de, beschädigte, abgenütze, falsche oder fehler-hafte Teilen werden repariert oder neu angefer-tigt.Grundlegende Arbeitsmethoden dafür sind

Messen, Anreiÿen, Körnen, Feilen, Schleifen,

Abbildung 3: Beispiele von Einzelteilen, diedes öfteren Nachbearbeitet wer-den müssen. Einfallsschnalle, Re-chen und Schöpfer eines Schlag-werkes. [3]

Polieren, Sägen, Bohren, Senken, Drehen, Rei-ben, Passen, Gewindeschneiden und Löten.Abb. 3 zeigt Teile der Kadratur einer Uhr

(Teile die auf der Auÿenseite der Platinen lie-gen), die oftmals nachbearbeitet werden müs-sen.

Zapfenpolieren

Durch die Drehung der Zahnräder über vieleJahre laufen die sogenannten Zapfen der Zahn-räder ein. Die Zapfen sind die Enden der Wel-len, die in den Lagern der Uhr eingeführt sindund sich darin drehen. Durch das Einlaufenwird die Ober�äche schlecht und bildet Riefen.Jeder einzelne Zapfen muss druckpoliert wer-den, damit wieder eine schöne und glatte Ober-�äche entsteht und die Uhr somit wieder überviele Jahre gehen kann.

Eingri�s und Lagerkontrolle allerZahnrad-Triebpaare

Nach der Reihe wird jedes Zahnrad- und Trieb-paar einzeln in das Werk eingbaut und mitein-ander in Kraft�uss gebracht. Dabei wird dasPaar optisch, akustisch und haptisch geprüft.

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Abbildung 4: Das neuangefertigte Lager wirdin die Platine eingepresst. [1]

Es müssen Eingri�e, Lagerspiele und Höhen-spiele innerhalb enger Toleranzen liegen, damiteine langjährige Funktion der Uhr gegeben ist.Beim Service von Groÿuhren müssen sehr oft

Lager angefertigt werden und mit einer Press-passung in die Platinen eingepresst werden (sie-he Abb. 4). Nach dem Einbau müssen natür-lich alle Zahnrad- und Triebpaare die unmit-telbar davor oder danach im Kraft�uss liegenneuerlich geprüft werden. Diese Arbeit gehörtzum täglichen Brot des Uhrmachers, erfordertjedoch immer hohe Aufmerksamkeit und Ge-fühl.Besonders kni�ig wird es, wenn Eingri�sfeh-

ler zwischen Zahnrädern und Trieben auftreten(siehe Abb. 5). Hier ist die gesamte Uhrmacher-kunst gefragt, damit diese Fehler im Werk rich-tig diagnostiziert und nachhaltig behoben wer-den können. Beispielsweise arbeitet der Uhrma-cher mit dem Eingri�szirkel und dem Planteur,Lager müssen versetzt werden oder Triebe oderZahnräder neu gefertigt werden.Da dies ein sehr umfangreiches Kapitel der

Uhrmacherkunst ist, wird es hier nicht weiterbeschrieben.

Hauptreinigung

Wenn nun alle Teile im ordnungsgemäÿen Zu-stand sind, werden alle Einzelteile gereinigt(siehe Abb. 6). Dies kann -je nach Uhr undKundenwunsch- entweder in einem Ultraschall-bad oder in einer Trowalisierungsmaschine er-folgen.Danach ist es ganz wichtig, alle Teile noch-

mals gründlich zu kontrollieren und gegebenen-falls nachzureinigen. Ebenso wichtig ist, dassjedes einzelne Lager mit einem Putzholz gerei-nigt wird. Diese Tätigkeit kann zu weilen länger

Abbildung 5: Zwischen jedem Zahnrad undTrieb werden die Eingri�e ge-prüft. In diesem Fall ist das Triebeingelaufen und muss erneuertwerden. [3]

Abbildung 6: Foto von gereinigten Uhrentei-len einer Wiener Pendeluhr mitHalbstundenschlag. [4]

Icks-Journal No.1 von Uhrmacher Simon Ickinger. Seite 4

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Abbildung 7: Konstruktionszeichnung einerGrahamhemmung mit einge-zeichneter Ruhe, Fall, Achsab-stand und Sicherheitsabstand. [2]

dauern, ist aber für eine lange Lebensdauer derUhr sehr wichtig.

Zusammenbau und Ölen des Uhrwerkes

Nun wird das Uhrwerk in der richtigen Reihen-folge wieder zusammengebaut und an den rich-tigen Stellen mit Speizialölen geölt. Dabei istes wichtig je nach Anwendung (Höhe des Kraft-�usses, Geschwindigkeit der Bewegung, Art derBewegung, etc.) unterschiedliche Öle und Fet-te in unterschiedlichen Mengen verwendet. DieDosierung und die Ölauswahl kann dabei ent-scheidend für die Funktion der Uhr sein.

Einstellen der Hemmung

Das Einstellen der Hemmung ist die Königsdis-ziplin des Uhrmachers. Die Hemmung ist so-zusagen das Herz einer Uhr. Sie gibt einerseitsdie Energie an den Gangregler (zB. das Pen-del) ermöglicht aber auch das regelmäÿige aberunstetige Ablaufen der Uhr.Je nach Uhr entscheiden kleinste Einstellun-

gen über gehen oder nicht gehen einer Uhr. Zubeachten sind je nach Hemmung die Eingri�s-tiefe, die Palettentiefe, die Palettendicke, dieRuhe, der Fall, das Ankersicherheitsspiel, etc,.Der Uhrmacher muss sich mit jeder Hem-

mung individuell Befassen, damit diese richtigeingestellt werden kann (siehe Abb. 7 und 8).

Abbildung 8: Konstruktionszeichnung einerBrocothemmung. [2]

Einstellen und Überprüfen allerFunktionen

Neben dem Zeigerwerk müssen auch alle zusätz-lichen Komplikationen wie Schlagwerke, Da-tumsweiterschlaltung etc. sorgfältig eingestelltund überprüft werden. Der kleinste Fehler kannzu einem stehenbleiben der Uhr beim Kundenführen. Hier ist auf die richtige Reibung, dasrichtige Spiel, die richtige Beweglichkeit zu ach-ten. Sehr leicht können sich auch beweglicheTeile gegenseitig beein�ussen, wobei der Feh-lerfall möglicherweise erst nach längerem Ge-brauch Auftritt. Das überprüfen aller Möglich-keiten ist somit notwendig.

Probelauf

Jetzt ist die Zeit eines Probelaufs gekommen.Bei komplizierteren Uhren wird das Zi�er-blatt noch nicht aufgebaut, damit etwaige Feh-ler leichter diagnostiziert und behoben werdenkönnen.

Herrichten des Gehäuses

Während des Probelaufs werden etwaige Glas-oder Holzreparaturen des Gehäuses durchge-führt. Das Gehäuse wird gereinigt und fachge-recht eingelassen.

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Zusammenbau und Regulieren

Zum Abschluss wird die Uhr komplett zusam-mengebaut und der so genannte Abfall einge-stellt. Dies bedeutet, dass die Uhr ein gleichmä-ÿiges Tick-Tack aufweist. Dann wird die überzumindest drei Wochen getestet und reguliert.Der Prozess des Regulierens kann je nach Uhrmanchmal auch über einen längeren Zeitraumgehen.

Literatur

[1] Wilhelm Schulz, 1902. Der Uhrmacher

am Werktisch, Verlag der deutschenUhrmacher-Zeitung Carl Marfels A.-G..

[2] Haswell, J. Eric, 1928. Horology, Chapmanand Hall Ltd.

[3] Gordon, G.F.C, 1946. Clockmaking, past

and present, The technical press Ltd. Lon-don.

[4] Ickinger Simon, 2018. Werkstattfoto

Mein Name ist Dipl. Ing. Simon Ickinger, ich bin Uhr-machermeister aus Graz und Inhaber der Firma icks -

Ihr Uhrmachermeister e.U..

Mit den Icks-Journalen möchte ich Ihnen einen klei-nen Einblick in die Arbeit eines Uhrmachers geben. Zu-sätzlich möchte ich Ihnen Tipps und Tricks verraten, dieSie als Uhrenfreund(in) vielleicht interessieren.

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