UnAufgefordert Nr. 127

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Die Studentinnen- und Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin | 14. Jahrgang | April 2002 Warum Berlin? Die Hauptstadt steht vor dem finanziellen Kollaps und die Unis schwächeln vor sich hin. Wer jetzt nach Berlin kommt, muss triftige Gründe haben. +++ Dossier: Studentenfilmfestival »Sehsüchte« +++

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Das ist Ausgabe Nummer 127 der Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 16. April 2002.

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Die Studentinnen- und Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin | 14. Jahrgang | April 2002

Warum Berlin?Die Hauptstadt steht vor dem finanziellen Kollaps

und die Unis schwächeln vor sich hin.

Wer jetzt nach Berlin kommt, muss triftige Gründe haben.

+++ Dossier: Studentenfilmfestival »Sehsüchte« +++

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Info-Radio

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Die Studentinnen- und Studentenzeitung derHumboldt-Universität zu Berlin.

Herausgeberin: StudentInnenparlament der HU

Verantwortliche Redakteure für dieseAusgabe:Julia Roth (ro), Alexander Florin (alf), HarkMachnik (hm)

Redaktion: Annika Waldhaus (aw), Christi-ne Ahrens (ca), Simon Bunjamin (con), De-nise Klink (dk), Dorothee Lüke (do), Frede-rike Felcht (ff), Frank Lehmann (fl), SteffenHudemann (hust), Janina Thiel (jal), JennySchlüter (jes), Julia Schröder (jusch), Kath-rin Bienert (kb), Kirsten Matthes (kma), Kri-stin Joachim (kj), Karsten Kranzusch (kra),Lena Domröse (ld), Carmen Mayer (may),Manuela Smolinski (ms), Martin Uebele(mue), Nina Töllner (nit), Martin Raasch(raa), Martina Stütz (sam), Silke Peters (sp),Stefanie Reihert (sr), Oliver Tripp (trp), DirkLimbach (trdf), Ulrike Zimmer, Siter Gool-bekker (vir), Wolfram Baier (wb)

Alle Artikel geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder.

Verantwortlich für Anzeigen: Kai Adamczyk

Satz: Ulrike Zimmer, Martin Raasch

Fotos: Christoph Schlüter

Illustrationen: Ulrike Zimmer

Kontakt: Humboldt-Universität zu BerlinUnter den Linden 6, 10099 BerlinHauptgebäude, Raum 3022Tel.: 2093-2288, Fax: 2093-2754,[email protected] [email protected]

Öffentliche Redaktionssitzungen:montags um 18.00 Uhr im Raum 3022

Belichtung: Medienraum des RefRat

Druck: FATA MORGANA Verlag, Brunnenstr. 181, 10119 Berlin

gedruckt auf Recyclingpapier im Trocken-offsetverfahren

Auflage: 5.000

Für alle Fakten besteht das Recht auf Ge-gendarstellung in angemessenem Umfang.Nachdruck nach vorheriger Nachfragemöglich. Wir bitten um Quellenangabe undBelegexemplar. Die Redaktion behält sichvor, Leserinnen- und Leserbriefe gekürzt zuveröffentlichen.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 2. April 2002Redaktionsschluss der Nr. 128: 30. April 2002

EditorialHurra! Du hast die UnAufgefordert wiedergefunden! Trotz neuer Ver-

packung. Nach sieben Jahren im alten Design war es Zeit für einen

grundsätzlichen Neuanfang. Innen und außen. Neue Buchstaben, neue Tex-

te, neues Logo. Keinem Leser wird es schlechter gehen, aber vielen bes-

ser! Zum Beispiel allen Kurz- und Weitsichtigen, denn beginnend mit die-

sem Wort ist die UnAuf-Schrift größer und damit lesefreundlicher. Aber vielleicht bistDu ja auch ein sogenannter Erstleser? Oder gar ein Erstsemester? Dann bist Du Kern-zielgruppe und Berichtsobjekt zugleich. Schon jetzt wohnen im Berlin über 23 Milliar-den Menschen, 8 Milliarden Hunde und Zehntausende von Regierungsmitgliedern.Denkst Du wirklich, die haben auf Dich gewartet? Bestimmt nicht. Wir aber.

Warum muss es ausgerechnet Berlin sein, fragten wir uns und die etwa 576 Kilo-meter lange Schlange vor den Imma-Büros. Die Schlange sagte: „Berlin ist cool. Ber-lin ist billig. Berlin ist das Zentrum der deutschen Sucht-Forschung. Berlin, da hat esmir damals gefallen, auf Klassenfahrt.“ So ging es noch weiter. Stundenlang. Die Ant-worten und unsere berechtigten Einwände liest Du besser noch mal ab Seite 10.

Versuche trotzdem, Deine neue Lebenssituation poisitiv zu begreifen. Das tun dieanderen 1,5 Milliarden Hauptstadt-Studis auch. Wenn sie Langeweile bekommen undkeine Freunde haben, dann gleiten sie früher oder später ins Sektenmillieu ab oder lan-den in der UnAufgefordert. Hier versuchen sich kleine Heerscharen von karrieregei-len Borderline-Journalisten in der Verbreitung studentischen Schwermutes. Wenn kei-ner zuschaut, dann lachen sie auch mal.

Wie jener Suchende, der soeben die Redaktion betrat. Elvis, so versicherte er, seisein Name und er wolle eine katholische Ausstellung am Schütze-Institut eröffnen.Dummerweise ist er dann wieder gegangen, um seinen Fisch von der Toilette abzuho-len. Solltest Du vergleichbar gute Einfälle haben, gibt es für Dich nur einen Platz aufdiesem kaltherzigen Planeten: Die Raum 3022 im HU-Hauptgebäude. Nach unsererBerechnung müssen auf unserer großen Redaktionssitzung am 29. April 2002 um 18.00Uhr mindestens 300.000 Suchende den Weg in die UnAuf finden. Da sitzen wir undwarten auf Euch. Mit Tee und Gebäck.

Eure UnAuf <

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Warum Berlin? Obwohl die Berliner Universitäten hoffnungslos über-

füllt sind, durch massive Sparmaßnahmen marode Zu-

stände und leere Bibliotheken aufweisen und im Bun-

desvergleich miserabel abschneiden, zieht es immer

mehr junge Leute zum Studium in die Hauptstadt. Wir

fragten, warum das so ist.

Jura-Studium reformiertHochschulen erhalten im Fach Jura mehr Kompeten-

zen. Künftig vergeben sie die Studienplätze selbst und

Teile des Staatsexamens nehmen die Fakultäten direkt

vor. Außerdem sollen obligatorisch Fremdsprachen-

kenntnisse und Schlüsselqualifikationen erworben

werden.

Eine Beschreibung der Reform und ihrer Folgen sowie

ein Interview mit Christian Kirchner, dem Studiende-

kan der Juristischen Fakultät an der HU.

§ § § § § § § § §§ § § § § § § § §§ § § § § § § §§ § § § § § § §§ § § § § § § § §§ § § § § § § § §

10 22

17 Der Potemkinsche ZaunBaumaßnahmen an der HU

18 Bei Umzug GeldDie Anmeldung des Hauptwohnsitzes

in Berlin soll belohnt werden

19 Bildung für die Upper ClassStudiengang Kulturjournalismus an der UdK

20 Studieren in… Südafrika

24 Uni-Helden: Die Postbrigade

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Oft ist Geld der wichtigste GrundStudentenjobs sind für die meisten ein notwendiges

Zubrot. Doch bieten Aushilfskarrieren zumindest einen

reichen Erfahrungsschatz. Eine Reportage.

DOSSIER »SehSüchte 2002«Rund 170 Filme von Nachwuchsfilmern aus 26 Ländern

gibt es vom 30. April bis 5. Mai im Rahmen des stu-

dentischen Filmfestivals »SehSüchte 2002« in Potsdam

zu sehen. Das komplette Programm inklusive Parties,

Hintergründe und Geschichte der »SehSüchte« findet

Ihr in unserem Dossier.

Von Bleisatz bis MangacomicEindrücke von der Leipziger Buchmesse

Metropolen der WeltOffenburg

Rubriken

6 news, Leserbriefe27 eMail aus… Udine29 Weggehen… ins Abbey38 LAUT & leise40 Tipps & Termine42 Katechismus des Studenten

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26 30

28 FANomeneZak McKracken geht in die zweite Runde

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Jura und Architekturjetzt ohne ZVSAb dem kommenden Wintersemesterwerden die bundesweit etwa 15.000 Stu-dienplätze für die Fächer Architektur undJura nicht mehr von der Zentralstelle fürdie Vergabe von Studienplätzen (ZVS),sondern von den Hochschulen selbst ver-geben. Das Verfahren ist am 5. April aufVorstoß mehrerer Länder auf einer außer-ordentlichen Sitzung des Verwaltungs-ausschusses geändert worden. In derVergangenheit waren, laut ZVS-SprecherBernhard Scheer, letztendlich alle Inter-essenten vermittelt worden, einige Be-werber hatten den zugeteilten Studien-platz nicht angetreten. Deshalb brauchendie Bewerbungen nicht mehr zentral er-fasst und verteilt werden. Allerdings sei esmöglich, dass aufgrund der großenNachfrage an einigen Hochschulen örtli-che Zulassungsbeschränkungen einge-führt werden. (Siehe Seite 22)

Finanzsenator willStudiengebührenDer Finanzsenator des Berliner Senats,Thilo Sarrazin (SPD), hat im Rahmen derDiskussionen um den Haushalt die Ein-führung von Studiengebühren angeregt.Gegenüber der Berliner Zeitung begrün-dete er diesen Vorstoß damit, dass sichBerlin die Ausgaben für die Wissenschaftnicht mehr leisten könne. Den Vorschlag,weitere Einsparungen im Hochschulbe-reich bereits vor Ablauf der Hochschul-verträge im Jahr 2005 vorzunehmen, zog

er jedoch zurück. Er kündigte allerdingsan, dass sich die Hochschulen nach Ab-lauf der Verträge auf ein Fünftel wenigerGeld einstellen müssen. Auch Wissen-schaftssenator Thomas Flierl (PDS) be-tonte, dass die Verträge eingehalten wer-den müssen, nach deren Ablauf jedochweitere Einsparungen »im Dialog mit denHochschulen« wahrscheinlich seien.

Kleine Kunsthochschu-len werden geschröpftDer bankrotte Berliner Senat hat ein neu-es Sparpotenzial im Hochschulbereichentdeckt. Nachdem sich weitere Einspa-rungen bei den vier großen Universitätenals schwierig erwiesen haben, weil diesezumindest bis 2005 dem Schutz derHochschulverträge unterliegen, sind nundie kleinen Kunsthochschulen dran. Am2. April eröffnete Staatssekretär PeerPasternack der KunsthochschuleWeißensee, der Hochschule für Musik»Hanns Eisler« und der Hochschule fürSchauspielkunst »Ernst Busch«, dass siezehn Prozent ihres Etats einsparen müs-sen. Sie sind aufgefordert, bis zum 15.Mai Sparpläne vorzulegen. Damit sind diedrei »Kleinen«, die international erfolg-reich sind und billiger ausbilden als bei-spielsweise die UdK, in ihrer Existenz be-droht. Wissenschaftssenator ThomasFlierl (PDS) plädierte am 5. April in einerErklärung dafür, auch die drei kleinenKunsthochschulen einer »quantitativenBewertung« zu unterziehen und mit ih-nen ebenfalls Hochschulverträge abzu-schließen.

UdK protestiertUnter dem Motto »Die Sparschweinegrunzen im falschen Stall« protestierenStudierende der Universität der Künste(UdK) seit dem 15. April gegen Sparmaß-nahmen im universitären und kulturellenBereich. Mit einer »fakultätsübergreifen-den Vollversammlung« und einer»Nachtakademie« wenden sich die UdK-Studierenden gegen die vom Senat an-gekündigten Kürzungspläne für die dreikleinen Berliner Kunsthochschulen, ver-schiedene Berliner Kultureinrichtungenund die UdK. Alle Berliner Studenten sindzur Teilnahme an den Protesten gegen dieKürzungen aufgerufen.

Gremienwahlenwerden wiederholtAm 10. und 11. Juni wird an der Mathe-matisch-Naturwissenschaftlichen Fakul-tät II und der Philosophischen Fakultät IVder HU die Wahl für die studentischenMitglieder des Akademischen Senats/Konzils wiederholt. Die Wahlen müssenwiederholt werden, weil anstelle von ge-druckten Simmzetteln nachkopierte Ex-emplare verwendet wurden. Der Akade-mische Senat setzt sich aus 25 Mitglie-dern zusammen, davon sind 13 Professo-ren, 4 akademische Mitarbeiter, 4 Stu-dierende und 4 sonstige Mitarbeiter. DasKonzil setzt sich aus 61 Mitgliedern zu-sammen: den 25 Mitgliedern des Senatsund zusätzlich 18 Professoren, 6 akade-mischen Mitarbeitern, 6 Studierendenund 6 sonstigen Mitarbeitern. Wahlbe-rechtigt sind Angehörige der Universitätinnerhalb ihrer Mitgliedergruppe. Dieneuen Wählerverzeichnisse müssen lautSatzung vom 8. bis zum 21. Mai ausgelegtwerden. Briefwahlunterlagen können biszum 21. Mai, 15 Uhr beim jeweils zustän-digen Örtlichen Wahlvorstand angefor-dert werden.

Expertenkommissionzur UKBF-FinanzierungDie Schließung des FU-Universitätsklini-kums Benjamin Franklin konnte im Fe-bruar gerade noch abgewendet werden.Stattdessen wurde beschlossen, eine Ex-pertenkommission einzusetzen, die inden nächsten drei Monaten Perspektivenfür die Hochschulmedizin entwickelnund Vorschläge unterbreiten soll, wie dieSparvorgaben des Senats erfüllt werdenkönnen. Zu dem Gremium gehören ne-ben dem langjährigen Leiter des Wissen-

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Liberale HochschulgruppeLHG: 5 Sitze (-4)

schaftsrates, Wilfried Benz, drei Profes-soren aus den Bereichen Innere Medizin,Virologie und Immunbiologie sowie Chir-urgie und die Hamburger Finanzsenato-rin Ingrid Nümann-Seidewinkel. Zudemgehören der Kommission als Gäste ohneStimmrecht je drei Vertreter der Freiensowie der Humboldt-Universität an, Mit-glieder des Senats werden ebenfalls be-teiligt. Ab 2006 sollen in der Hochschul-medizin 78 Millionen Euro eingespartwerden. Sollte sich der Senat den Kom-missionsvorschlägen anschließen, könn-te im November ein »Hochschulmedizin-strukturgesetz« verabschiedet werden.Kommt die Kommission zu keinen Ergeb-nissen, droht weiterhin die Schließungdes UKBF.

Bundeswehr zieht indie CharitéDamit die Zukunft der Hochschulmedizinan der Charité gewährleistet werdenkann, steht jetzt eine Kooperation mit derBundeswehr auf dem Plan. Ein privaterKlinikkonzern soll auf dem Gelände inMitte einen Neubau errichten, in den dieCharité mit 200 und die Bundeswehr mit400 Betten einziehen soll. Der Klinikkon-zern soll auch die Krankenversorgungübernehmen, die Trägerschaft der Ein-richtung übernähmen Charité und Bun-

deswehr gemeinsam. Die ärztliche Lei-tung der einzelnen Abteilungen sowieLehre und Forschung lägen bei der Cha-rité. Statt eines Neubaus könnte alterna-tiv das Bettenhaus der Charité für die Ko-operation genutzt werden. BernhardMotzkus, Verwaltungsleiter der Charité,begründete diesen Vorschlag gegenüberder taz damit, dass mit der Einführung derneuen Fallpauschale ein massiver Bet-tenabbau in der Hochschulmedizin ver-bunden sei, der so abgewendet werdenkönne. Die Einzelheiten der Kooperation,der der Senat noch zustimmen muss, sol-len bis November festgelegt werden. Dasgemeinsame Krankenhaus könnte dann2005 eröffnen.

Ergänzung zum Hoch-schulrahmengesetzBundesbildungsministerin Edelgard Bul-mahn (SPD) hat angekündigt, dass dasumstrittene neue Hochschulrahmenge-setz um eine Übergangsregelung ergänztwird. Demnach können Nachwuchswis-senschaftler, die ihre Stelle vor dem 23.Februar 2002 angetreten haben, minde-stens bis zum 28. Februar 2005 beschäf-tigt werden, auch wenn sie die erlaubteQualifikationszeit überschritten haben.Das Gesetz sieht vor, dass die Qualifika-

Ergebnisse der Wahl zum StuPa an der HUAn den Wahlen zum StudentInnenparlament der HU am 5. und 6. Februar beteiligtensich 6,1 Prozent der Wahlberechtigten. Das heißt, dass 2284 Studierende ihre Stimmeabgegeben haben, 2127 waren gültig, 157 ungültig. Weitere Infos unter: www.refrat.hu-berlin.de/wahlen/2002_ergeb.html.

>> Seite 8

Mutvilla-Gender Studies:4 Sitze (-2)

Offene Liste Kritischer Sozial-wissenschaftlerinnen: 3 Sitze (+3)

JuSo-Hochschulgruppe:4 Sitze (+2)

Linke Liste an der HUB:11 Sitze

Al Jura / Buena WISTA:3 Sitze (+1)

Offenes Forum – HDS: 2 Sitze

Grünboldt: 6 Sitze (-3) Demokratische Linke:5 Sitze (-1)

RCDS & Unabhängige:4 Sitze (+1)

Studentische Interessenvertretung(StuVe): 13 Sitze (+4)

Semesterticket-TickerDie TU fährtSeit dem 1. April fahren die Studierendender Technischen Universität (TU) mit demSemesterticket. Bei einem Preis von 109Euro pro Semester, gilt es in den Tarifbe-reichen ABC für sechs Monate und er-laubt die Mitnahme von Kindern undFahrrädern. Auch die Studierenden derKatholischen Hochschule Berlin, derHochschule für Schauspielkunst »ErnstBusch« Berlin, der Fachhochschule fürWirtschaft und der Fachhochschule fürTechnik und Wirtschaft haben jetzt ein Se-mesterticket. Die Universität der Künstebekommt das Ticket zum Wintersemester2002/03.

Die FU streitetFU-Kanzler Peter Lange traut dem AStAnicht über den Weg. Deshalb möchte erdie Verwaltung des Tickets dem Studen-tenwerk ans Herz legen. Eines von LangesArgumenten: Der Umgang mit derart ho-hen Geldbeträgen, insgesamt 4,7 Millio-nen Euro, reize die dort arbeitenden Stu-denten zur Veruntreuung. Dieser Ein-schätzung schließen sich die Verkehrs-betriebe nach ihren guten Erfahrungenmit den Semesterticketbüros an FHTWund TU nicht an. Das Studentenwerk wie-derum würde selbst studentische Hilfs-kräfte dafür einsetzen, weiß aber ohnehinnoch nicht viel über die Aufgaben desBüros. Dagegen hat sich der FU-AStA seitmehreren Wochen mit der Vorbereitungbeschäftigt und möchte das bereits er-probte System der beiden anderen Hoch-schulen übernehmen.

Die HU steht stillDie Verhandlungen über ein Ticket für dieHU stecken fest. Das StuPa hält das An-gebot von 109 Euro für zu hoch, die Ver-kehrsbetriebe weichen aber von ihremPreis nicht ab. Oliver Stoll, der den HU-RefRat bei den Verhandlungen seit Jah-ren vertritt, hält das Angebot für nicht zu-stimmungsfähig. Wie er der Berliner Zei-tung sagte, gebe es zwar einen breitenKonsens über ein Semesterticket, aberdas Ticket müsse sozialverträglich sein.Das sei es nur zu einem Preis von rund 92Euro. Eine nichtrepräsentative Umfrageder UnAuf im Februar ergab, dass 80 Pro-zent der 250 befragten Studierenden dasTicket zu 109 Euro annehmen würden.

kma <

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tionsphase von Promotion und Habilita-tion zwölf Jahre nicht überschreiten darf.Diese Regelung war bei Teilen der Grü-nen und zahlreichen Hochschulvertre-tern auf Kritik gestoßen. Man befürchte-te Massenentlassungen, wenn Arbeits-verträge nach dem neuen Gesetz nichtmehr verlängert würden. Bulmahn warfden Kritikern dagegen vor, die jungenWissenschaftler mit »unsachlichen Dis-kussionen« verunsichert zu haben.

Verzögerung beibestellten BüchernAn der Zentralen Universitätsbibliothekder HU wird es in der Zeit vom 11. Märzbis 20. Juni zu Verzögerungen bei der Be-reitstellung bestellter Bücher kommen.Grund dafür ist eine Bestandsumlage-rung. Circa 26 Kilometer Bücher werdenaus Außenmagazinen in die Speicherbi-bliothek in Reinickendorf verlegt. DieSignaturen der umgelagerten Bücher fin-den sich auf der Eingangsseite des Onli-ne-Katalogs, http://opac.hu-berlin.de.Diese Bestellnummern werden für höch-stens zehn Tage gesperrt sein. Die verzö-gerten Bestellungen werden jeweils ge-sammelt und nach der Umlagerung be-reitgestellt. Die Zweigbibliotheken sindnicht betroffen.

RasterfahndungerfolglosDie Rasterfahndung erweist sich als Flop.Sechs Millionen Datensätze haben dieErmittler nach dem 11. September ge-sammelt, nicht ein Terrorist blieb im Netzhängen. Ungeachtet dieses Misserfolgsgeht der Streit um die Rasterfahndungweiter. Während die OberlandesgerichteDüsseldorf und Frankfurt/Main sowiedas Landesgericht Berlin die Rasterfahn-dung für rechtswidrig erklärten, ent-schieden das OberverwaltungsgerichtKoblenz und das VerwaltungsgerichtBremen jetzt das Gegenteil. Die terrori-stischen Aktivitäten seien keineswegsbeendet, eine Gefahr sei nach wie vor ge-geben, deswegen dürfe die Polizei wei-terhin personenbezogene Informationenverlangen. Die Ermittler hatten sich ins-besondere auf ausländische Studentenals potenzielle »Schläfer« konzentriertund damit an den Universitäten heftigeProteste ausgelöst.

Programm für FU-Gasthörer Das Programm für das GasthörerCard-Angebot der Freien Universität (FU) imSommersemester 2002 kann ab sofort in

der Weiterbildungseinrichtung der FU angefordert werden. Die GasthörerCardermöglicht nicht ständig Immatrikulier-ten, reguläre Veranstaltungen der FU zubesuchen. Schwerpunkt sind dabei dieKultur-, Geschichts- und Sozialwissen-schaften. Außerdem können Gasthörer inden Bereichen Ostasien, Vorderer Orientund Alte Geschichte ein Zertifikat erwer-ben und profitieren von Studentener-mäßigungen. Das Abitur ist keine Voraus-setzung. Die GasthörerCard kostet 100Euro (für Arbeitslose 50 Euro) für ein Se-mester und 180 Euro (90) für ein Jahr.

Isländisch-LektoratgerettetDer isländische Außenminister HalladórÁsgrímsson und der Präsident der Hum-boldt-Universität (HU), Jürgen Mlynek,haben am 13. März einen Vertrag über dieEinrichtung eines Isländisch-Lektoratsam Nordeuropa-Institut unterzeichnet.Die isländische Regierung hatte im ver-gangenen Jahr beschlossen, 50 Prozentder Finanzierung des Lektorats zu über-nehmen, das die HU aufgrund der aktu-ellen Finanznotlage streichen wollte. Mitder Bezuschussung will die isländischeSeite die Kontinuität der Sprach- undKulturvermittlung im Rahmen des Studi-engangs Skandinavistik wahren.

Schlechte Noten fürPrivatunisPrivatunis als Alternative zu den finanzi-ell schlecht ausgestatteten staatlichenUniversitäten? Nicht unbedingt. Eine vom»manager magazin« in Auftrag gegebeneStudie ergab, dass viele private Hoch-schulen trotz Studiengebühren von bis zu20.000 Euro pro Semester kaum mehrbieten als die staatliche Konkurrenz. Sowurde der German International Gradua-te School of Management and Admini-stration (GISMA) in Hannover beschei-nigt, sie sei nicht mehr als die »unorigi-nelle Kopie eines amerikanischen Studi-enkonzeptes«. Richtig gute Noten beka-men nur wenige, so zum Beispiel die Bu-cerius Law School und das Northern In-stitue of Technology, die beide in Ham-burg ansässig sind.

Länger essen inAdlershofSeit dem 2. April hat die Caféteria »Oase«im »Johann-v.-Neumann-Haus« (ehem.WBC) in Adlershof verlängerte Öff-

Personalia: Peter GrottianDie taz bezeichnet ihn als »einen der letzten linken Professorenalter Garde«. Der 59-jährige Politologe und Experte für Arbeits-markt- und Sozialpolitik ist seit 1979 Professor an der FU Berlinund trat in der Vergangenheit immer wieder mit ungewöhnli-chen Aktionen an die Öffentlichkeit. Vor drei Jahren verzichte-ten er und ein Kollege zugunsten einer Frauenprofessur auf einDrittel ihres Professorengehalts. Als im November bekannt wur-de, dass Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan entsendetwürden, rief er die Soldaten zur Fahnenflucht auf und legte ge-meinsam mit zehn anderen Kollegen für zwei Tage die Arbeitnieder.

Jetzt versuchte der gebürtige Wuppertaler, den 1. Mai in Kreuzberg zu revolutionieren.Sein Ziel war es, die alljährliche Straßenschlacht im Kiez in ein friedliches, politisches Festzu verwandeln, bei dem »Demokratie von unten« praktiziert werden kann. Dafür sollte Kreuz-berg am 1. Mai zu einem »polizeifreien Raum« werden, Konfrontationen zwischen potenzi-ellen Gewalttätern und überforderten Polizisten schon im Vorfeld vermieden werden.

Dass dieses Unterfangen schwierig werden könnte, war klar. Dabei hatten die Betei-ligten des Bündnisses »Denk Mai Neu – für einen friedlichen polizeifreien 1. Mai in Kreuz-berg« wohl eher an die nötige Überzeugungsarbeit bei Polizei und Innensenator gedacht.Doch jetzt wurde das Projekt von ganz anderer Seite attackiert. Während Peter Grottian am18. März in einem Lokal mit Bürgern über Gewaltfreiheit diskutierte, verübten Unbekanntedraußen einen Brandanschlag auf sein Auto. »Wir sind in der Szene einfach nicht auf Ak-zeptanz gestoßen«, gab Grottian enttäuscht zu. Ein Zwischenrufer triumphierte wenige Ta-ge später im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung: »Der Peter Grottian, der fährt jetzt mitder Straßenbahn.«. hust <

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Danke für diese beiden Leserbriefe! Die Kritik, die Ihr liefert, spie-gelt die Meinung eines Teils der Redaktion wieder. Indem Ihr Eu-er Unbehagen schriftlich kundgetan habt, können wir daraufreagieren. Gleichfalls zeigen Eure Briefe, dass wir tatsächlich ei-nem Anspruch von Seiten der Studierenden ausgesetzt sind. In einem zeitraubenden Studentenprojekt zu arbeiten, verlangtnach guten Gründen. Acht Seiten über Keramik zu schreiben, istsicher keiner. UnAuf-Redakteure rechtfertigen ihre Mitarbeit mitganz unterschiedlichen Antrieben. Vernünftigerweise wollensich in der UnAufgefordert Studierende publizistisch auspro-bieren – ohne die bekannten Anforderungen an Ereigniswert,stilistische Qualität und journalistischen Glattschliff. Viele Re-dakteure empfinden über den journalistischen Anspruch hin-aus das schlichte Vergnügen daran, unserer herzlosen, anony-men Universität ein wenig Seele einzuhauchen.Seltener finden sich in den Reihen der UnAuf Studenten, weilsie mit ihrem Studienalltag unzufrieden sind und ihrem UnmutAusdruck verleihen wollen. Dieser Umstand liegt jedoch weni-ger in der Zufriedenheit von UnAuf-Redakteuren mit ihrem Stu-dienalltag begründet, als in der empfundenen Hilflosigkeit ge-genüber einer immer irrationaler werdenden Hochschulland-schaft. Unser (übrigens als Genre-Karikatur gedachter) Klore-port sollte diesem Zustand Ausdruck verleihen.Das ist eine bedauerliche Situation, der jedoch nicht ausweglosist. Die beste Form, kontroverse Themen in die UnAufgefordertzu bringen, ist, sie selbst zu recherchieren und darüber zu schrei-ben. Die Redaktion trifft sich jeden Montag um 18.00 Uhr.

Die Redaktion<

nungszeiten. Studierende und Mitarbei-ter am neuen Campus der beiden Ma-thematisch-Naturwissenschaftlichen Fa-kultäten können nunmehr bis 18 Uhr(statt bisher 15 Uhr) das Speisen- undGetränkeangebot des Studentenwerksnutzen. Da im Umfeld des Campus sonstkeine vergleichbaren Angebote zur Ver-fügung stehen, hatten insbesondere dieStudierenden seit Jahren auf die Schaf-fung angenehmerer Aufenthaltsmög-lichkeiten gedrängt, um Pausenzeiten inden Nachmittagsstunden nicht auf denkalten Fluren zubringen zu müssen. – Of-fenbar nun endlich mit Erfolg.

Praktikum in AfrikaDie Southern African Development Com-munity (SADC), ein Zusammenschlussvon 14 südafrikanischen Staaten, hat ei-ne Praktikumsvermittlung in Berlin ein-gerichtet. Über die Europe-SADC StatesBridge (ESSB) haben Studenten allerFachrichtungen die Möglichkeit, sich umeinen Praktikumsplatz in Kinderheimen,Krankenhäusern oder Entwicklungshilfe-Projekten zu bewerben. Voraussetzungsind gute Englisch- oder Französisch-Kentnisse. Die ESSB regelt alle Einreise-Formalitäten (Visum, Impfung, Unter-

Dass ihr es fertigbringt, in der Januar-Ausgabe ein Dutzend Sei-ten mit sanitären Themen anzufüllen, ist ein treffender Ausdruckfür Weltbild und politisches Bewusstsein des postmodernen Stu-denten. Am Zustand der Klos rumgemeckert hab’ ich im Alter von12 Jahren in der Schülerzeitung, wenn auch nicht auf so hohemNiveau wie ihr – und schon damals hat es zu Recht niemandenauch nur einen Scheißdreck interessiert! Aber offenbar betrach-tet ihr dieses Zeitungsprojekt nur als Praktikum für einen späte-ren Job bei Blättern, von denen sowieso nichts als Schrott erwar-tet wird. Man kann euch vielleicht zu gute halten, dass das Verbotder »allgemeinpolitischen Äußerung« nicht viel mehr Themen alsdiese übriglässt – aber warum ist dann die einzige allgemeinpoli-tische Anspielung in eurem Blatt jenseits von gut & böse? Der Ti-tel der Abortbeschau war »Ground Zero Zero«. Ich will wissen, obder Mord an 2.000 Menschen für euch irgendeinen Unterschiedaufweist zu abgeplatzten Kacheln und Urinflecken. Aber ja, be-stimmt, wenn ihr zur Abwechslung mal einen Moment nachdenkt. Boris Makowski, via eMail

Die Klonummer war sehr schön und wegen mir kann man so ei-ne Schülerzeitungs-Idee ruhig mal verwirklichen. Leider haben dieTexte aber nicht das gehalten, was das Layout – das supergeileLayout! – versprach, leider. Die meisten waren ziemlich flach,nichts reportagehaftiges, weniges, was man nicht schon vorherwusste oder schon immer mal wissen wollte, nicht so wirklich un-terhaltend. Dafür waren einige Artikel mal wieder so unglaublichlieblos präsentiert, dass es zum Haareraufen ist. Der Artikel überdie Geschichte des Klosetts z.B. war herrlich, aber den hat be-stimmt keiner gelesen, weil Bleiwüste. (…)Zur Nummer danach: Die war einfallslos gestaltet und textlastig,aber schwer interessant, habe jeden Artikel mit großem Interes-se gelesen und bleibe so dank UnAuf wirklich im Bilde, was Ber-liner Hochschulpolitik angeht, vielen Dank dafür!Martin Uebele, Bergen, via eMail

Leserbriefe

bringung, Flug) und veranstaltet ein Vor-bereitungsseminar. Interessenten kön-nen sich jederzeit bewerben. Für die Ver-mittlung des Praktikums fällt eine Ko-stenbeteiligung an, deren Höhe nochnicht feststeht.Kontakt: Europe-SADC States BridgeAlawi SwaburyLehrter Straße 4610557 BerlinTel. 39 78 81 85www.praktikum-in-afrika.de

Die news wurden zusammengestelltvon hust, ro und raa. <

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Levi K. (23 Jahre, HU), Ge-schichte (1), aus Maine/USA»Ich bin jetzt seit September in Berlin. Ich bin hierzum Studieren, weil es so günstig ist und weil ichin dieser Stadt einen viel besseren Job kriegenkann als zu Hause, drei- oder viermal so gut be-zahlt. Die Leute hier sind auch nett. Ich bin vorherschon ein paar Mal in Berlin gewesen und habeFreunde, die hier gewohnt haben. Es gefällt mirsehr.«

»Was soll ich sagen, ich habe vorher in einer Kleinstadt gelebtund das hat mich maßlos angekotzt. Für mich war klar, dass klei-ne Universitätsstädte wie Heidelberg oder ähnliche nicht in Fra-ge kommen. Berlin bietet mir kulturelle Vielfalt und ich mag dieAnonymität.« So begründet Benjamin Storek seine Entschei-dung, an der Freien Universität in Berlin Humanmedizin zu stu-dieren. »Allerdings«, fügt er hinzu »kann ich das Lehrangebot an-derer Universitäten nicht beurteilen.« Damit sollte Benjamin je-doch spätestens jetzt anfangen. Denn das Universitätsklinikumder FU »Benjamin Franklin« steht auch nach öffentlichem Pro-test seit Monaten immer noch auf der Abschussliste des Berli-ner Senats. Doch Benjamin ist kein Einzelfall.

Kaum ein Student kann derzeit in Berlin ein Studium mit derGewissheit aufnehmen, dass sein Institut bis zum Examen exis-tiert. Dennoch bleibt Berlin die interessanteste Uni-StadtDeutschlands. Der Ruf der Studenten-Metropole, in der sich oh-ne die heimatliche Sozialkontrolle Lebensentwürfe realisierenlassen, wird auch in diesem Semester die Zahl der Neuimmatri-kulationen an Berliner Hochschulen steigen lassen.

Die Stadt ruft ihren Bankrott aus, aber die Studenten wol-len davon nichts hören. Welcher vernünftige Mensch, fragensich ältere Semester, die den Niedergang des Wissenschafts-standortes Berlin hautnah miterleben konnten, kommt nochhierher um zu studieren? In ermüdender Regelmäßigkeitstreicht der Berliner Senat den Hochschulen die Zuwendungen.Angesichts leerer Haushaltskassen gab es mit den »Hoch-

schulverträgen« die politische Zusage, das finanzielle Desasterfür die Universitäten wenigstens planbar zu machen. Doch wei-terhin wurden Kürzungen nach tagespolitischen Anforderun-gen durchgeführt.

Der neue Finanzsenator, Thilo Sarrazin (SPD), überraschteMitte März Presse und Politik mit der Ankündigung, er sehe auchin den laufenden Hochschulverträgen Sparpotenzial. Der Fi-nanzsenator ist, so scheint es derzeit, der einflussreichste Hoch-schulpolitiker Berlins. Das Schreckgespenst Studiengebührenist seit Mitte März wieder unterwegs, ebenfalls von Sarrazin ent-fesselt. Bereits heute ist er sicher, dass man im Jahr 2005, wenndie Hochschulverträge auslaufen, den Berliner Hochschulen einweiteres Fünftel der derzeitigen Zuwendungen streichen kann.Das Versprechen von SPD und PDS vor der Senatswahl imHerbst, dass der Bildungsbereich auch nach der Wahl politischePriorität behalte, hat seine eigene zynische Realität geschaffen.

Wenn Oberfläche zum Inhalt wirdEs ist ein unumstößliches Faktum: Berlins Hochschulen sindnichts als Sparposten in einer Stadt, die nicht mehr funktioniert,und sie werden es bleiben. Nach Jahren der Mittelkürzungen imBildungs- und Hochschulbereich gestaltet sich das Studium inBerlin langwierig. Die professorale Betreuung ist schlechter alsin jedem anderen Bundesland, wichtige Bibliotheken öffnenhäufig nur halbtags. Wichtige Hochschul-Baumaßnahmen lie-

Anne S. (23 Jahre, HU), Diplom-Handelslehrer für Wirtschaftswissenschaftenund Sozialkunde (1), aus Berlin»Ich bin direkt in Berlin geboren, undhauptsächlich deshalb habe ich mir auch die-sen Studienort gewählt. Andere Städte zog ichgar nicht in Betracht. Ich bin eher der sess-hafte Typ, nicht der Karrieretyp, der für einen

Job in andere Städte ziehen muss. Ich habe mir die Humboldt-Uni als be-vorzugten Studienplatz ausgesucht, da sie einen recht positiven Ruf inder Öffentlichkeit hat. Was den Studiengang angeht, habe ich spezielleUmfragen gelesen, z. B. im Focus. Dort wurde die Humboldt-Uni auch imwissenschaftlichen Bereich als eine der besten Universitäten vorgestellt.Allerdings ist auch die Regelstudienzeit hier mit am höchsten, im Ge-gensatz zu manchen Fachhochschulen zum Beispiel.«

Die Berliner Hochschulen gleichen einem finanziellen Steinbruch, daskulturelle Angebot bricht vor den Augen der entsetzten Stadt zusammen und jedes Semester strömen junge Menschen immer noch zu Tausendennach Berlin, um hier zu studieren. Wir fragen uns, warum.

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Carolyn K. (25 Jahre, HU), Afrikawissenschaften(1), aus Kenia»Ich bin hierher gekommen, weil ich Deutsch lernen und einenAufbaustudiengang machen wollte. Nach Berlin wollte ich, weilich hier Familie und Freunde hatte und weil es eine Hauptstadtist. Ich bin auch schon früher auf Urlaub hier gewesen. Es hatmir sehr gefallen.«

Alexander T. (22 Jahre, HU), Skan-dinavistik/Musikwissenschaft (3/1), aus Soltau»Der Hauptgrund für mich, hierher zu kommen, war dieStadt. Die anderen Städte waren mir entweder zu klein oderzu doof. Und Berlin kannte ich, weil ich schon mal fünfein-halb Jahre hier gelebt hatte. An der HU bin ich, weil es ander FU keine Skandinavistik mehr gab und ich vorher auchdie TU ausprobiert habe. Die fand ich allerdings doof.«

Warum Berlin?

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gen jahrelang auf Eis. Außer den Großprojekten,wie der Neubau der Zentralbibliothek für die Tech-nische Universtät und die Universität der Künsteoder der Neubau der HU-Mensa, werden auchdringende Wartungsarbeiten in eine ferne Zu-kunft verschoben.

Die Unis trösten sich mit Placebo-Eingriffen.Sir Norman Foster zaubert der Freien Universitäteine kleine Reichstagskuppel für die neue philolo-gische Bibliothek. Die Humboldt-Universität lädtwichtige Staatsmänner ins Audimax und gefälltsich in der nur stadtgeographisch begründetenRolle der »Hauptstadt-Uni«. Und die Studenten fal-len darauf herein. Sie gefallen sich in der Rolle als»Hauptstadt-Studis«. Das ist verständlich. In derTucholskystraße den telefonierenden Joschka Fi-scher mit dem Fahrrad zu schneiden oder JaquesChirac im Vorhof der HU die Hand zu reichen, stärktstudentisches Selbstbewusstsein. Die Hochschul-rankings verschwinden während dessen in denUmzugskisten nach Berlin. Einmal angekommen,regiert das gute Gefühl, an einem bedeutenden Ortangekommen zu sein. Bereitwillig entrichten Stu-denten den Hauptstadt-Zuschlag namens »Rück-meldegebühr« von 51 Euro pro Semester und bal-gen sich um betagte Standardwerke in der Lehr-

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Anne W. (20 Jahre,HU), Skandinavistik/ Neuere deut-sche Literatur (4), aus Rüdersdorf»Wenn ich mich in einer großenStadt aufgehalten habe, dann war eseh immer Berlin, weil es ja sozusa-gen vor der Haustür ist, und die Uniwar mir eigentlich auch ganz sym-pathisch. Warum ich an der HU stu-diere? Sie ist natürlich näher dran,

wozu ich allerdings sagen muss, dass ich ab nächstem Semester an der FU teilimmatriku-liert sein werde. Die HU ist mir trotzdem sym-pathischer. Verglichen habe ich die HU nichtmit den Unis in anderen Städten. Ich denkemal, dass sie allgemein keinen schlechtenStand hat und habe einfach auf den gutenRuf der HU vertraut.«

Koesun S. (27 Jahre, HU), Physik (1), aus Kiel»Ich bin nach Berlin gekommen, weil’s ‘ne geile Stadt ist. Das kulturelle Leben,das Nachtleben, die Altbauwohnungen. Alles ist hier so groß und weitläufig.Es wird nie langweilig. Man kann fünf Jahre in dieser Stadt leben, ohne allesgesehen zu haben. Wie Berlin als Universitätsstandort im Vergleich zu ande-ren Städten abschneidet, darüber habe ich mich überhaupt nicht informiert.«

buchsammlung. Erbarmungslos kämpfen sie um die wenigeninteressanten Hilfskraftstellen und werden euphorisch, wennDozenten sich ihren Namen länger als ein Semester merken.

Nach ein paar Semestern kann sich der zugezogene Ger-manistik-Student an der HU dann nicht mehr vor der Realitätverschließen, dass der Umzug nach Berlin sein Studium nichtwirklich befruchtet hat. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich je-doch so sehr an seine Kohle-Ofen-Wohnung im jeweiligen In-Bezirk gewöhnt, dass ihm der Wechsel in eine kleinere Uni-versitätsstadt mit höherer Studienqualität nur als Statusver-lust erscheinen kann. Immerhin wäre es früheren Schul-freunden kaum zu vermitteln, dass man zugunsten von Mar-burg oder Greifswald auf die halbaristokratische Aura alsHauptstädter verzichtet, auf deren Aufbau die Heimaturlau-be der letzten Jahre verwandt wurden.

Protest-Folklore und anderesHauptstadt-TheaterSo sitzen die Hauptstadt-Studis nach ein paar Semestern aufden liebevoll abgeschliffenen Holzdielen in einer gemütlichenWohngemeinschaft. In der Küche liegen die immer dünnerwerdenden Vorlesungsverzeichnisse. Zielstrebig puzzelt mandie wenigen verbliebenen Seminare zusammen, um das Studi-um so schnell wie möglich abzuschließen. Der Grund für dieHast sind weder das auslaufende BAföG noch die Drohung mitExmatrikulation für Bummel-Studierende, sondern schlicht undergreifend: Frust. Frust über nicht erfüllbare Studienordnungen,über Gebühren für Sprachkurse, über ausgebrannte Professo-ren, die keine Examen mehr abnehmen, weil sie das Glück ha-ben, demnächst emeritiert zu werden oder sich endlich eine an-dere Uni ihrer angenommen hat.

Politischer Protest im Hochschulbereich, wie jüngst nachBekanntgabe der Schließungspläne für das Universitätsklini-kum Benjamin Franklin (UKBF), ist zur spießigen Folklore ver-

kommen. Demonstrativ setzte der Berliner Senat nach dem Auf-schrei der Öffentlichkeit eine Expertenkommission ein. DerenRechenaufgabe besteht nun darin, die Sparvorgaben des Se-nats – in Zahlen: 78 Millionen Euro weniger für die Hochschul-medizin ab dem Jahr 2006 – durch alternative und damit »kosten-neutrale« Maßnahmen aufzubringen. Wer von den Studieren-denvertretungen in Berlin politische Impulse erwartet, wird ent-täuscht. In den vergangenen zehn Jahren bekamen auch dieASten und der RefRat der HU die eigene Bedeutungslosigkeitvor Augen geführt. Noch vor fünf Jahren musste Wissen-schaftssenator Peter Radunski vor eierwerfenden Studenten

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weichen. Heute feiern sich streikende Studenten dafür, von ei-nem kleinen Polizeikommando aus dem Foyer der FU-Silber-laube gezogen zu werden. Selbst die sonst leicht zu mobilisie-renden Erstsemester empfinden es nicht mehr als Ausdruck po-litischer Partizipation, den Lehrbetrieb im Interesse besserer Stu-dienbedingungen zu verweigern. Denn sie wissen, oder ahnenzumindest, dass es keine Hochschulpolitik mehr gibt, an der essich zu partizipieren lohnen würde.

Nicht für die Uni, sondern für dasLeben sind wir hierSo drängt sich die Schlussfolgerung auf: Berlin braucht keinezwei Universitätsklinika. Berlin braucht auch keine Bibliotheken.Wichtig ist der Kiez, wichtig ist das Bier für zwei Euro, wichtig istder Freundeskreis in Berlin. Solange das kulturelle Leben nichtzusammenbricht und solange der Sozialstress in den Bibliothe-ken nicht zu Aggression unter den sonst friedliebenden Studie-renden führt, muss Wissenschaftssenator Thomas Flierl alsonicht bange sein um den Hochschulstandort Berlin.

Wer gegen Mitte des Semesters feststellt, dass sich in einemSeminar mit über 100 Kommilitonen nichts ausrichten lässt,kann sich immer noch in den nahegelegenen Monbijou-Parklegen und in den späten Abendstunden das Büchergeldverprassen. Es gehört nicht viel Lokalpatriotismus dazu, anzuer-kennen, dass Berlin für diesen alternativen Studienweg nochimmer mit einer hervorragenden Infrastruktur aufwartet. Es istverblüffend, dass Berlin (Ost) noch immer die billigste GroßstadtDeutschlands ist. Hier zu studieren kostet nach der Sozialerhe-bung des Studentenwerks vergleichbar viel wie in Bielefeld. Obman dafür einen Studentenausweis braucht, ist letztlich eineFrage des Geschmacks. Für eine Exmatrikulation gibt es keinFormular, es genügt eine formlose, schriftliche Erklärung.

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Berlin: gut und billigBerlin steht in der Sozialerhebung des DeutschenStudentenwerks auf Platz acht. Grundlage sind diemonatlichen Ausgaben der Studierenden. AlleGroßstädte, die nur annähernd die Größe Berlinserreichen, belegen vordere Plätze. So nehmenFrankfurt/Main, München und Hamburg die ers-ten drei Ränge ein. Auf den hinteren – und damitwirklich billigen – Plätzen finden sich allesamtStädte mit weniger als 500.000 Einwohnern, einzi-ge Ausnahme: Dresden.

In der Bundeshauptstadt gibt der Studentdurchschnittlich 25 bis 50 Euro weniger für Mieteaus als in anderen Großstädten. Auch die monat-lichen Gesamtausgaben erreichen hier bei weitemnicht den Stand westdeutscher Metropolen. FürFrankfurt/Main berechneten die Statistiker mo-natliche Ausgaben in Höhe von 1.557 Mark in denvergangenen Jahren. Der Berliner Student kam mitknapp 200 Mark weniger zurecht. Bedenkt mandie Dimensionen der Stadt, vereinen sich in Berlinein großes kulturelles Angebot mit vergleichswei-se niedrigen Lebenshaltungskosten. Die kulturel-le Vielfalt eröffnet sich den Studierenden zu er-schwinglichen Preisen. Die Preise der öffentlichenVerkehrsmittel in Berlin sind als alleinige Positionauf einem vergleichbarem Niveau gegenüberwestdeutschen Großstädten. Außerdem gibt’shier die günstigsten Döner. vir <

Elke B. (24 Jahre, FU),Neueste Geschichte (5)/Publizistik(1)/Politologie (5), aus Stuttgart»Mich hat die Stadt angezogen. Im-mer, wenn ich in Berlin war, gefiel es

mir hier sehr gut. Berlin bietet mir, als Politik- und Geschichtsstudentin, die optimale Umge-bung, ich will schließlich nicht Schiffbau studieren, dann käme Hamburg in Betracht. NachMünchen hat es mich noch nie gezogen. Das Angebot derUniversitäten in Berlin ist auch viel besser als in Stuttgart.Es gibt einfach eine größere Auswahl, weil mehr Dozen-ten zur Verfügung stehen. Da ich erst ein Semester in Ber-lin bin, habe ich noch nicht über einen Studienwechselnachgedacht, auszuschließen ist es aber nicht.«

Felix W.(21 Jahre, FU), Musikwissenschaft/Französisch (1), aus Freiburg»Berlin ist die Hauptstadt und bietet eine coole Atmosphäre. Ichkomme aus einer kleinen Stadt und will jetzt in einer Großstadt le-ben. An der Humboldt-Universität sind sie so unfreundlich, des-wegen studiere ich an der Freien Universität.«

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Tobs K. (28Jahre, FU), Musikwissen-schaft (1), aus Berlin»Meine Familie wohnt inBerlin. Ich war auch schonin anderen Städten, möch-te jetzt aber in Berlin blei-ben. Berlin ist geil. DieStadt ist sowohl kulturellals auch wirtschaftlich undsozial einfach cool. DasLehrangebot an anderenUniversitäten mag zwarbesser sein, ich habe kei-

ne Nachforschungen betrieben, trotzdem denke ich,hier das zu finden, was ich will. Ich glaube aber nicht,dass die Berliner Universitäten den anderen qualita-tiv nachstehen. Die Freie Universität wurde mir vonFreunden empfohlen.«

Katrin T. (25 Jahre, FU),Psychologie (10), aus Zwickau

»Ich wollte eigentlich in Leipzig studieren. Da ich dort nicht durfte,klagte ich mich an der Freien Universität für einen Studiengang ein.Nur in Berlin konnte man sich einklagen. Heute habe ich mich in Ber-lin eingelebt, besitze einen neuen Freundeskreis und will das Studiumhier zu Ende bringen. Das Studium der Psychologie an der Freien Uni-versität ist sehr, sehr schlecht, ich wollte nach dem Vordiplom wech-seln, tat es aber nicht. Die Dozenten an der Freien Universität sind teil-weise sehr schlecht. Niemand kümmert sich um die Studenten.«

mit dem Euro. Städte wie München, Stuttgart oder Heidelbergsind aber insgesamt (besonders, was das Wohnen angeht) deut-lich teurer als Berlin und natürlich um vieles langweiliger.

Studieren macht bekanntlich durstig und manch einer lei-det unter chronischem Partyfieber. Da trifft es sich gut, dass hier-zulande offenbar die »Sperrstunde« als Fremdwort gilt. Beson-ders die In-Viertel Prenzl’berg, Friedrichshain und Kreuzberg(dessen Nächte ohnehin weltbekannt lang sind) locken zu jederTages- und Nachtzeit mit Bars, Cafés und Clubs für jeden Ge-schmack. Im Sommer findet selbst der patriotischste Bayer inden Berliner Biergärten eine neue Heimat.

Es gibt tausend gute Gründe, sich nicht auf ein Studium inBerlin einzulassen und in der Provinz zu versauern. Unendlichmehr Gründe aber sprechen dafür, sich auf das Abenteuer ein-zulassen. Man braucht nur Mut – und vielleicht doch eine PriseMasochismus. Andreas Aumann <

Was in aller Welt bewegt einen Leipziger Studenten ohne ma-sochistische Neigungen nur dazu, die behagliche sächsischeProvinz hinter sich zu lassen, um in der hektischen Hauptstadtsein Glück zu versuchen?

Zugegeben: Der Charme einer Massenuniversität wie derFU, die weiten Wege und die Anonymität laden nicht gerade zumStudienortwechsel ein. Ein bisschen menschliche Wärme erfährtder Berliner Student vor allem in den völlig überfüllten Semina-ren. In Sachen Prüfungstermin muss unter Umständen mit un-erfreulichen Wartezeiten gerechnet werden und in den Biblio-theken kann schon mal das Gesetz des Stärkeren herrschen. Al-les in allem also ist der Berliner Uni-Alltag nichts für zartbesai-tete Seelchen und schon gar nichts für Musterstudenten: Werzügig studieren will, der bleibe besser in Marburg, Eichstätt oderPassau.

Was aber macht das Dasein unter diesen Bedingungen le-benswert, noch dazu in einer Stadt, die nicht nur total pleite, son-dern manchmal auch trostlos und unmenschlich ist?

Es ist der Esprit der Hauptstadt, es sind die Möglichkeiten:alles kann, nichts muss. Nirgendwo in Deutschland ist das kul-turelle Angebot vielfältiger, nirgendwo das Nachtleben bunterund schriller. Alles ist in Bewegung und immer noch sprießenneue Kneipen, Clubs und Galerien wie Pilze aus dem Boden. Ber-lin ist nach wie vor Baustelle und erfindet sich permanent neu.Der Einfluss verschiedener Kulturen zeigt sich nicht zuletzt imkulinarischen Angebot: Von der Currywurst bis zum Sushi, vomDöner bis zur Chinapfanne, jeder kommt hier auf seine Kosten.Natürlich ist gerade das studentische Portemonnaie für ge-wöhnlich alles andere als prall gefüllt und auch hier bezahlt man

Berlin? – Ohne Alternative!

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Onur W.(24 Jahre, FU), Betriebswirtschafts-lehre (8), aus Berlin

»Ich beende mein Studium auf jeden Fall in Berlin, und dann werde ichhoffentlich im Lotto gewinnen und irgendwo an den Strand ziehen kön-nen. Ich lebe in Berlin, weil meine gesamte Familie hier wohnt. Vielleichthabe ich Angst vor einem Neustart. Berlin hat ansonsten wenig Reizvol-les. Ich bin sesshaft und vielleicht auch ein bisschen faul.«

Nele S. (34 Jahre, FU), Slawistik (über20), aus Frankfurt/Main»Die Stadt Berlin ist der Hauptgrund dafür, dass ichhier studiere. Außerdem existierte in Berlin dasOsteuropa-Institut, das es in Frankfurt nicht gab.Hamburg kam zwar kurzfristig in Betracht, anson-sten dachte ich aber nie über eine andere Stadtnach. Für mich waren zudem die leichteren Auf-nahmebedingungen in Berlin ein Grund.«

Die Interviews führten nit und vir <

Berlin? – Weg hier!

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Sonnenschein und Cafés sind eine prima Angelegenheit. Hier inBerlin macht es besonderen Spaß. Man sieht den kackendenBerliner Hunden und ihren Besitzern begeistert oder neugierigbei ihrem Tagwerk zu. Doch schon nach dem ersten Semesterist man dieser Sozialstudien und der euphorischen Gesprächevom Nachbartisch über die Metropole Berlin überdrüssig. Vorallem zu Beginn der neunziger Jahre, da muss es hier richtig wildund rau gewesen sein und nicht so geleckt überall wie heute.Also ist man schon wieder zu spät gekommen. Es ist zum Heu-len. Da hilft nur eins. Sich verkriechen. Entweder zu Hause oder,ja, man ist ja zum Studieren hier, in der Bibliothek. Die Gazettender Bundesrepublik hatten es nicht unterlassen, über die Stu-dentenmetropole Berlin zu jubeln, nicht zuletzt wegen des un-terstellten und kombinierbaren Studienangebots von drei Uni-versitäten auf einmal.

Spätestens jedoch mit dem Betreten der jeweiligen Fach-bereichsbibliothek setzt die nachhaltige Enttäuschung ein. Kei-ne Laptopsteckdosen, keine Fachzeitschriften, kurze Öffnungs-zeiten. Für die Geisteswissenschaftler ist es noch erträglich, beiden Juristen ist es schon schlimm, bei den Naturwissenschaft-lern unhaltbar. Und das ist nur die Bibliothek. Wagt man sich hin-aus in die Seminare, so stellt man fest, dass bei den interessan-ten Veranstaltungen offensichtlich Zustände herrschen wie inden sechziger Jahren. Einer gegen Hundert.

Für diejenigen, die sich heute auf den Abschluss zubewe-gen, mag es nur schwierig sein, einen Prüfer zu finden, der nichtvöllig überarbeitet ist, weil die Emeritierungswelle erst in denvergangenen Jahren eingesetzt hat und die Menge der Vorle-sungen vor zwei Jahren noch erheblich größer war. Allen aber,

die jetzt in Berlin zu studieren beginnen, kann man nur viel Glückwünschen bei dem Versuch, sich nach einem Seminar unge-stört mit einem Dozenten zu unterhalten. Seit 1997 sind alleinan der Humboldt-Universität 300 Professorenstellen weggefal-len, nicht anders sieht es an der Freien oder der TechnischenUniversität aus. Sofortige Neubesetzungen sind in Berlin dieAusnahme, stattdessen wer-den ganze Fachbereiche ge-strichen oder auf »Eckprofes-suren« zusammengeschmol-zen. Und es ist aufgrund derBerliner Haushaltslage ganzbestimmt keine Besserung inSicht.

Da hilft nur eins: Weg hier!Bereits 1968 schrieb derSchriftsteller Uwe Johnsonrealitätsnah: »Täglich nachLondon, einmal die Wochenach New York. This is what I li-ke about Berlin.« hm <

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Grigori Alexandrowitsch Potemkin war Generalgouverneur derKrim. Er hatte ein Verhältnis mit der Zarin Katharina II., sagt man.Da wundert es nicht, dass er die Herrscherin nicht enttäuschenwollte, als diese sich anno 1787 zum Krimbesuch anmeldete. DerFürst ließ längs ihrer Reiseroute prachtvolle Kulissen errichten,Fassaden von Dörfern und Palästen, die großen Reichtum vor-spiegelten. Diese trickreiche Täuschung wurde zum geflügeltenWort für Blendwerk – Potemkinsche Dörfer.

Berlin, 225 Jahre später. Es ist Ende März, die Sonne scheint,das Osterfest steht vor der Tür. Die Touristen, die Unter den Lin-den entlang schlendern, verweilen vor der Humboldt-Universität,die immerhin schon seit 187 Jahren in den ehrwürdigen Gebäu-den residiert. Sie sehen, es tut sich was. Bagger graben, pünkt-lich zum Frühlingsanfang, den Rasen um. Von ihren Holzhüttenbefreit sind Alexander und Wilhelm. Die Gründerväter von Hum-boldt thronen wieder vor dem Eingang. Links im Hof, kaum wahr-genommen, sitzt Mommsen, Theodor,auf einem eher bescheidenen Sesselund blickt etwas neidisch hinüber zuHelmholtz, Hermann, der stehen muss,das aber direkt vor dem Haupteingangtun darf. Natürlich brauchen solch ver-dienstvolle Wissenschaftler einenZaun, der ihrer würdig ist, der nicht einfach eisern ist, nein, gol-dene Ornamente muss er haben. »Denkmalschutz«, sagt Ewald-Joachim Schwalgin, Herr über die Bauvorhaben dieser ruhmrei-chen Lehranstalt. Man hatte ein wenig an der Farbe gekratzt undfestgestellt, dass die Ornamente am Zaun früher golden waren.Also bekam die Uni vom Denkmalamt die Auflage, den Ur-sprungszustand wieder herzustellen. Das bezahlt dann aberauch die Stadt? »Leider nicht«, seufzt Ewald-Joachim Schwalgin,»das bezahlen wir aus unseren eigenen Töpfen.«

Fortschreitender VerfallWährend die Touristen draußen bestaunen, wie der Zaun ver-goldet wird, zeigt sich der Hörsaal 2002 weniger luxuriös. Hierscheint sich seit Jahrzehnten nichts verändert zu haben, wennman vom fortschreitenden Verfall einmal absieht. Uralt-Kleider-haken, denen man keine Last mehr zumuten möchte, säumenden Saal an beiden Seitenwänden. Sitze sind aus der Veranke-rung gebrochen worden, die winzigen Tische, auf die ein DIN-A4-Blatt allenfalls im Querformat passt, lassen sich zum Teil erstgar nicht umklappen, häufig streikt die Technik.

Ewald-Joachim Schwalgin weiß das alles, stundenlangkönnte er erzählen, was alles gemacht werden müsste im Ge-bäude, ja selbst auf dem Gebäude. Das Dach sei in einem kata-strophalen Zustand, erzählt Schwalgin, es regne hinein undüberhaupt: Die Vertäfelung im Audimax muss dringend erneu-ert werden, die Flurzonen, die Toiletten, der Weierstrass-Hörsaal,allein es fehlt das Geld.

Doch Ewald-Joachim Schwalgin lässt sich von Geldproble-men nicht aufhalten, er hat große Pläne, Visionen gar. »Bis zum200-jährigen Bestehen im Jahr 2010 soll das gesamte Haupt-

gebäude auf Vordermann gebracht werden.« Von der Univer-sitätsstraße ist ein Durchbruch zum Innenhof geplant, die Säu-lenmensa wird erneuert, in die Professorenmensa wird wiederein Restaurant einziehen. Auch der Unikeller, der seine Pfortenzum Jahresende schloss, wird saniert. »Erst wird der Kellertrocken gelegt, dann beginnen wir mit den Baumaßnahmen.«2004 sollen dort, so wünscht es sich Schwalgin, Studentenpro-jekte einziehen, ein Café soll dazukommen. Das hört sich gut an,doch wer bezahlt? »30 bis 40 Millionen Euro wird das kosten«,schätzt der Leiter der Technischen Abteilung, gibt sich aber zu-versichtlich, dass das Geld irgendwie zusammenkommt.

Unsinnige ProjekteSeit der Wende wurden schon 30 Millionen Mark in das Haupt-gebäude gesteckt. Oftmals versickerte das Geld jedoch in un-sinnigen Projekten. Allein 1,3 Millionen Mark kostete eine Tele-teachinganlage im Hörsaal 2097. Die Informatiker hatten sie ge-fordert, bevor sie nach Adlershof umzogen. Heute wird sie kaumgenutzt. »Erst sind die Forderungen immer alle ganz wichtig undnachher relativiert sich das«, schimpft Schwalgin.

Doch wer Visionen hat, der findet auch visionäre Konzepte,um an Geld zu kommen. Ewald-Joachim Schwalgin hat da schoneine Idee. Die Fassade am Westflügel wird saniert, könnte mandort nicht Werbung anbringen, am Brandenburger Tor wird esdoch auch gemacht. »Das wird dann künstlerisch gestaltet, da-mit es mit der Denkmalsatzung im Einvernehmen steht«, denktsich Schwalgin. Einem wird diese Idee weniger gut gefallen. Tho-mas Flierl, Senator für Kultur und Wissenschaft, kämpfte schonin seiner Zeit als Baustadtrat in Mitte eifrig gegen Werbetafelnim Stadtbild. hust <

Der Potemkinsche Zaun

Die Humboldt-Universität putztsich zum Frühjahr heraus. Doch

während der Zaun vergoldet wird,regnet es durch das Dach.

Foto: Christoph Schlüter

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Studenten, die sich in Berlin polizeilich melden, sollen eine Prämie erhalten.

Der Berliner Senat hat endlich einen Weg aus der Finanzmiseregefunden. Um die leere Haushaltskasse aufzubessern, versuchtder Berliner Senat schon einige Zeit, Studierende zur Ummel-dung am Studienort zu motivieren. Zunächst wurde eine Zweit-wohnsitzsteuer eingeführt – ohne viel Erfolg. Bernd Köppl,Staatssekretär für Wissenschaft des rot-grünen Übergangsse-nates, empfand es als eine »unwiderstehliche Idee«, die Anmel-dung des Hauptwohnsitzes zur Voraussetzung für eine Imma-trikulation an einer Berliner Hochschule zu machen. Doch die-ser Vorschlag stieß auf wenig Gehör. Nun lockt Bargeld als Be-lohnung. Warum das alles? Für jeden Bewohner erhält Berlin2.900 Euro pro Jahr aus dem Länderfinanzausgleich. Die AnzahlStudierender, die noch bei ihren Eltern gemeldet sind und nurihren Zweitwohnsitz in Berlin haben, wird auf 45.000 geschätzt.Am 19. März beschloss der Berliner Senat deshalb, eine einma-lige Prämie von 110 Euro für alle diejenigen Studierenden ein-zuführen, die ihren Hauptwohnsitz in die Hauptstadt verlegen.Selbst wenn sich nur 10.000 Studierende ummelden würden,brächte das der Stadt nach Abzug der Prämien immer noch 28Millionen Euro. Das wäre knapp die Hälfte dessen, was die Hoch-schulmedizin einsparen muss.

In anderen Städten sind solche Praktiken längst eingeführt,allerdings mit mäßigem Erfolg. So blieb in Potsdam, wo zum Win-tersemester ein Begrüßungsgeld von 50 Euro eingeführt wurde,der erwartete Ansturm aus: Gerade mal 350 Studierende kas-sierten das Umzugsgeld, obwohl vorher nur 2.400 der 15.400Studierenden ihren Hauptwohnsitz in Potsdam hatten. Die StadtWeimar zahlte bereits 1998 jedem ummeldewilligen Studieren-den eine Prämie von 300 Mark. Auf der Homepage der benach-barten Uni Jena stoßen interessierte Neustudenten auch gleichauf einen riesigen Button »Informationen zur Hauptwohnsitz-nahme«. Klickt man diesen an, wird man in einem »gemeinsa-men Informationsblatt der Stadt Jena und der Jenaer Hoch-schulen« unter der aussagekräftigen Überschrift »Erst anmel-

den – dann studieren« darüber informiert, dass man als Studie-render laut Meldegesetz dazu verpflichtet ist, den Hauptwohn-sitz in der Studienstadt anzumelden. Dann erfährt man, dass ei-ne solche Ummeldung keinerlei Nachteile bezüglich Steuern,Kindergeld oder Versicherung bringt, man dafür aber alle Behör-dengänge direkt vor Ort erledigen könne. Dann das Leckerli:Studierende, die sich innerhalb einer bestimmten Frist ummel-den, bekommen von der Stadt den Semesterbeitrag von 144,30Mark inklusive Semesterticket erstattet. Im Anhang finden sichgleich die Öffnungszeiten des Einwohnermeldeamtes. In Leip-zig übernimmt die Stadt für alle Studierenden, die sich dort an-melden, die Sozialbeiträge und in Saarbrücken liegen bei derEinschreibung die Unterlagen zur Ummeldung mit bereit. InHamburg wurde jüngst auf Vorschlag von UniversitätspräsidentJürgen Lüthje diskutiert, eine Studiengebühr von 1.000 Euro fürnicht in der Hansestadt gemeldete Studierende einzuführen.

In Berlin gibt es wie in Essen, Kassel und Dortmund ohnehinschon die Zweitwohnungssteuer, die immerhin rund 10 bis 20Prozent der Kaltmiete beträgt. Der bildungspolitische Sprecherder PDS, Benjamin Hoff, hatte vorgeschlagen, als Prämie für Um-melder die Kosten für das Semesterticket zu übernehmen. Selbstnach Abzug dieser Kosten würde die Stadt noch reichlich Ge-winne einfahren, auf die sie so dringend angewiesen ist. Dochder Vorschlag scheiterte mit dem Argument, dies sei gegenüberbereits in Berlin gemeldeten Studierenden unfair. Nun soll eseinmalig 110 Euro, also ungefähr den Gegenwert eines Seme-stertickets geben. Ob dies als Anreiz sich umzumelden aus-reicht, bleibt abzuwarten. Voreilige seien jedoch gewarnt: Es soll-te vorher genau geprüft werden, ob die Prämie im Verhältnis da-zu steht, was den Eltern bei Einkommen und Steuern an Verlu-sten entstehen kann. Auf die Idee, mit den Zusatzeinnahmen al-len Studierenden das Semesterticket zu finanzieren und im Ge-genzug wahrscheinlich um so mehr Geld durch Ummeldungeneinzukassieren, ist bisher leider niemand gekommen. ro <

Bei Umzug Geld

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Geld kann wunderbare Dinge kaufen. Im Ausland gibt es tolleakademische Titel zu erwerben – einfach so. Wer lieber einen Ti-tel aus Deutschland haben möchte, kann sich ja einen »M.A.«zulegen. Das steht in diesem Fall für »Master of Arts«, wird ander Universität der Künste (UdK) erworben und international an-erkannt. Was der kostet? Etwa 10.000 Euro und zwei Jahre Zeit.Interesse für Journalismus sollten die Interessierten natürlichauch mitbringen. Denn der erste von drei Eignungstest für denneuen Masterstudiengang »Kulturjournalismus« besteht in derAufgabe, einen journalistischen Text zu einem gestellten Themazu verfassen.

Wer die Kombination aus journalistischer Ausbildung undEinblicken in die Kultur sucht, wird bei diesem Studiengang involler Breite bedient. Das Spektrum der Kunstrichtungen an derUdK kann für diesen Masterstudiengang voll ausgenutzt wer-den. Verschiedene Ring- und Gastvorlesungen erweitern diefachliche Perspektive. Im Laufe der zweijährigen Ausbildung sol-len die Studierenden umfassende Einblicke in Kultur, Kunst undMedien erhalten. Das könnten sie auch in anderen Studiengän-

gen, aber hier ist das unüberschaubare Feld zu einem über-sichtlichen Bündel geschnürt, das eben exakt das benötigteRüstzeug für Kulturjournalisten bereitstellt.

Die fachliche Mischung und andere Kriterien bewegten denAkkreditierungsrat dazu, dem Studiengang »sowohl in fachli-cher als auch in strukureller Hinsicht ein innovatives und Erfolgversprechendes Konzept« zu bescheinigen. Bei Gebühren vonetwa 5.200 Euro pro Jahr muss sich der Teilnehmer auch einigesan Erfolg versprechen. Allerdings soll es auch Stipendien geben– für diese kann man sich jedoch erst nach Aufnahme in denStudiengang bewerben. Um das Erfolgs-versprechen noch mehr zu untermauern,setzen die Veranstalter auf ein Betreu-ungsverhältnis nach amerikanischemVorbild (wenige Studierende pro Tutor),die Beschränkung auf 25 Teilnehmer proJahr soll das gewährleisten.

Im Januar 2003 bietet die UdK diesenAufbaustudiengang erstmals an. Dabeirichtet sie sich an Hochschulabsolventen,die bereits journalistisch tätig sind undsich spezialisieren wollen, aber auch anStudierende, die kurz vor dem Abschlussstehen. Auch durch besondere Studien-zeiten hebt sich der Kulturjournalismusvom üblichen Angebot einer Universitätab. Veranstaltungen gibt es in der Seme-sterpause. Wenn die anderen studieren, suchen sich die ange-henden Kulturjournalisten ein Praktikum oder eine Hospitanz.Das könnte zum Beispiel eine Musical- oder Filmproduktion odereine andere künstlerische Veranstaltung an der UdK sein.

Sicherlich können die Auswahltests und die hohen Ge-bühren so manch interessiertes Gemüt abschrecken, aberschließlich handelt es sich nur um ein »Weiterbildungsangebot«,einen »Aufbaustudiengang« oder »Zweitstudium«, je nach No-menklatur. Dafür dürfen nach Paragraph 2, Absatz 9 des BerlinerHochschulgesetzes Gebühren erhoben werden. Der »Kultur-journalismus« ist ein weiterer gebührenfinanzierter Studiengangan einer staatlichen Universität in Berlin. Damit stellt sich diespannende Frage, ob Studenten künftig nur noch schnell eine bil-lige Erstausbildung absolvieren, um dann mit einer teuren Wei-terbildung auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. alf <

Bildung für die Upper Class

Im Januar 2003 führt die Universität der Künste einen neuen Studiengang ein. Er heißt Kulturjournalismus und wird über Gebühren finanziert.

Wird die Bezahl-Universität zum Regelfall?

Weitere Infos unter:www.udk-berlin.de/wb/journalismus

Dort gibt es die Bewerbungsunterla-gen zum Ausdrucken. Sie könnenauch per Post angefordert werden(frankierten DIN-A4-Rückumschlagbeilegen):

Universität der KünsteAllgemeine StudienberatungPostfach 12 05 4410595 Berlin

Bewerbungsschluss ist der 30. April.

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Auf den ersten Blick ist Stellenbosch nicht gerade attraktiv fürjunge Menschen. Es ist ein niedliches, kleines Kaff, westlich vonKapstadt. Mit dem Fahrrad kommt man in zehn Minuten von ei-nem Ende zum anderen. Die Stadt ist sehr grün, voller Bäumeund mediterran anmutender Pflanzen. Es gibt viele wunder-schöne alte Häuser aus der Zeit, als Südafrika noch britische undniederländische Kolonie war. Auch die Universität ist in einigendieser alten Gebäude untergebracht. Bekannt ist Stellenboschvor allem als Weinanbaugebiet. Die Stadt ist umringt von Ber-gen und Weinfeldern, kurz: Es ist traumhaft schön. Wer das Grünmal satt hat, fährt etwa 20 Minuten mit dem Auto an den Indi-

schen Ozean zum Baden. Und gegen das kleinstädtische Einer-lei hilft ein Besuch in Kapstadt, die Anfahrt mit dem Auto dau-ert etwa eine Stunde. Der Nachteil ist, dass man für derlei Rei-sen erst mal ein Auto haben muss, denn öffentliche Verkehrs-mittel gibt es eher rudimentär und es ist aus Sicherheitsgrün-den ratsam, sie nur zu bestimmten Zeiten zu benutzen. Autobe-sitzer im Freundeskreis sind also eine schöne Sache.

Stellenboschs Schmuckstück1918 gegründet, ist die Uni Stellenbosch die zweitälteste desLandes und nennt sich gern eine der renommiertesten der 21südafrikanischen Universitäten. Insgesamt studieren hier fast23.000 Menschen Arts, Science, Education, Agricultural/Fore-stry Sciences, Law, Theology, Economy/Management Sciences,

Engineering, Health Sciences und Military Science. Wichtig istzu wissen, dass es eine »afrikaans« Uni ist. Die Unterrichtsspra-che ist bis zum Bachelorabschluss generell Afrikaans, mit nurwenigen Kursen auf Englisch. Die Angebote der Postgraduier-ten werden alle auf Englisch unterrichtet. Das enthebt allerdingsnicht von einem gewissen Basiswissen des dem Niederländi-schen sehr ähnlichen Afrikaans. Denn nicht weit weg von Kap-stadt, liegt Stellenbosch in dem Teil Südafrikas, der bis heute amstärksten vom Einfluss der niederländischen Kolonialisten undihrer Nachfahren geprägt und lange beherrscht wurde.

Das Verhältnis zwischen Studierenden und Professoren istso, wie wir es in Deutschland gerne hätten.Motivierte Profs kümmern sich um eineHandvoll Studenten und Sprechstundengibt es nicht – die Türen stehen immer of-fen. Die Kurse sind weit weniger voll unddas Studium als Postgraduierte ist ein biss-chen anders als aus Berlin gewohnt: Im er-sten Semester ist vor allem Kursarbeit an-gesagt, man schreibt Hausarbeiten undabschließend Klausuren. Ab dem zweitenSemester schreiben die Studierenden ihreForschungsarbeiten. Die Anzahl der Kurseund Arbeiten richtet sich nach dem Studi-enfach. Gelernt wird trotzdem überallgleich, egal wo es ist auf der Welt: Litera-turrecherche, Bücher und Artikel lesen,eventuell Experimente durchführen, allesschriftlich ausarbeiten et cetera.

Politische ErblastenDeutlich spürbar sind die Folgen von 80Jahren Apartheid. Wer sich ein bisschenumsieht im Land, für den sind die Armut, in

der viele Menschen leben, ein Schockerlebnis. Der Großteil dersüdafrikanischen Bevölkerung ist arm und lebt in Homelandsoder den Townships am Rand der Städte in Hütten aus Wellblechund Pappe, sehr oft ohne sauberes Wasser und sanitäre Anla-gen. Die Unterschiede zwischen Weißen und Schwarzen sindwenig geschrumpft. Zwar gibt es wohlhabende schwarze Süd-afrikaner, aber schwarze Familien in der Mittelschicht gibt eskaum.

Das große Problem für die Zukunft Südafrikas ist die Bil-dung. Während der Apartheid erschöpfte sich der Unterricht fürschwarze Kinder lange Zeit zum Beispiel darin, dass ihnen bei-gebracht wurde, mit welchen Handbewegungen sie Wäsche zuwaschen haben. Dazu kam, dass die Kinder Afrikaans und Eng-lisch nur soweit lernten, wie es für ihre Arbeit notwendig war.Seit Nelson Mandela vor acht Jahren Frederic de Klerk als Prä-

Studieren in… Südafrika

Im Dezember im Swimmingpool planschen, im Januar bei 34 Grad sonnen.Was sich anhört wie aus einer Werbebroschüre, das bietet einStudienaufenthalt an der Universität Stellenbosch in Südafrika.

Foto: Bettine Volk

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sident ablöste, stehen Schulen und Universitäten prinzipiell al-len Menschen in Südafrika offen. Dennoch ist der Anteilschwarzer Studierender noch immer verschwindend gering.

In einer Erhebung der Regierung von 1996 benannten sichfast 77 Prozent der Bevölkerung als (schwarze) »Afrikaner« undelf Prozent als »Weiße«. An der Uni in Stellenbosch fühlen sich20 Prozent der Studierenden als »Afrikaner«, 67 Prozent be-trachten sich als »weiß«, zehn Prozent als »farbig« und drei Pro-zent als »asiatisch«. Auffällig ist, dass es in den Ingenieurswis-senschaften sehr wenige »afrikanische« Studenten gibt, in denSozial- und Geisteswissenschaften dagegen sehr viele mehr.Das Ungleichgewicht spiegelt sich im sozialen Klima nicht nurinnerhalb der Uni wider, sondern auch in der Stadt Stellenboschselbst. Die Apartheid ist hier noch längst nicht überwunden. Al-les ist ziemlich »weiß« oder niederländisch-geprägt »afrikaans«und damit stockkonservativ und sehr calvinistisch.

Der CampusDas Herz der Uni in Stellenbosch ist eine große Wiese, die nachdem Wunsch des ehemaligen Besitzers allein für die Erholungder Studierenden sein soll. Also hat die Uni die notwendige Bi-bliothek kurzerhand unter die Erde verlegt. Oben drauf ist alsodie Wiese, wo die Studenten mittags (oder auch den ganzen Tag)in der Sonne liegen, Lunch essen und Kaffee trinken. Drumher-um sind verschiedene Unigebäude und das »Neelsie’s Studen-tesentrum«. Das Zentrum beherbergt Geschäfte, Banken, einePost, ein Kino, einen Supermarkt und etliche kleine fast-foodRestaurants in allen möglichen Geschmacksrichtungen, denneine Mensa im klassischen Sinne gibt es nicht. Allerdings woh-nen die meisten Untergraduierten in ihren Wohnheimen und es-sen dort. Insgesamt ist das Preisniveau beim Essen sehr niedrig,und manche Studenten machen sich gar nicht die Mühe zu ko-chen. Daneben sind in dem Studentenzentrum die Büros derStudenten-Vereine, vor allem der Sportgemeinschaften, aberauch von auffallend vielen christlichen Vereinigungen unterge-bracht. Es gibt zudem die »Bird Watchers« oder eine studenti-sche »Wine-Society«. Politisch scheinen sich die Studenten, hin-gegen, trotz der krassen Ungleichheiten, nicht sehr zu engagie-ren.

Wohnen mit Pool und ButlerDie meisten Untergraduierten wohnen in Wohn-heimen, in denen sie sogar bekocht werden. Für in-ternationale Studenten ist ein Wohnheim mitgrößeren Wohngemeinschaften zunächst das ein-fachste. Besser wohnt es sich natürlich in einemHäuschen mit Terrasse, großem Garten und Swim-mingpool. Die Lebenshaltungskosten in Stellen-bosch sind niedrig. Die Uni hat als Beispiel fürzukünftige Studierende geschätzt, dass 15.000südafrikanische Rand für ein Jahr ausreichend sei-en. Das sind beim derzeitigen Währungskurs vonetwa 10 zu 1 rund 1.500 Euro. Aber ein Haus mitPool, Garten und Hausangestellten (!) ist mit 1.300Rand pro Person noch preiswert.

Auch die Abendvergnügungen sind günstig.Die Clubs in Stellenbosch verlangen selten Eintritt;bei besonderen Veranstaltungen zahlt man etwa 20Rand. In Kapstadt sind dagegen Eintrittpreise zwi-schen 20 und 50 Rand normal. Bier oder das sehr

populäre Cider gibt es zwischen 6 und 10 Rand. Besonders gutist in Südafrika der Wein. Für eine gute Flasche Wein zahlt manim Supermarkt etwa 15 Rand. Bei diesen Preisen ist Essengehengünstig. Ein gutes Dinner kostet etwa 30 Rand, wenn es teurersein darf, zahlt man zwischen 50 und 70 Rand, aber dann ist esSpringbok-Steak.

Bewerben aus dem AuslandAls erstes bewirbt man sich an der Uni, die Bewerbungsunter-lagen für Stellenbosch gibt es im Internet zum Runterladen. Zu-sammen mit den erforderlichen Unterla-gen sind dann noch 40 Euro Bewer-bungsgebühr einzusenden. Vorsicht al-lerdings mit den Fristen, denn das Studi-enjahr beginnt im Januar. Wenn Ihr einSchreiben von der Uni habt mit einer Be-stätigung Eurer erfolgreichen Bewer-bung, stiefelt Ihr zur südafrikanischenBotschaft und beantragt eine StudentPermit, die Erlaubnis, in Südafrika studie-ren zu dürfen. Diesen Antrag kann mannur von außerhalb des Landes stellen.

Wenn Ihr die Student Permit habt, dann steht einem Studi-enjahr in Südafrika nur noch eines entgegen: die Studienge-bühren. Die bewegen sich je nach Fach zwischen 8.000 und25.000 Rand, dazu kommen 150 Rand Einschreibegebühr und1.500 für anderweitige Gebühren. Internationale Studenten dür-fen noch eine kleine Extragebühr von 920 Rand bezahlen. Um-gerechnet bezahlt ein Vollzeitstudent für ein akademisches Jahralso zwischen etwa 1.100 und 2.800 Euro. So ganz billig ist dasStudieren also nicht. Die Berliner Universitäten bieten allerdingsAustauschprogramme mit südafrikanischen Universitäten an.Das vereinfacht alles und macht es auch noch billiger. Da dieBewerbungen über die Akademischen Auslandsämter meist miteinem Stipendium vom DAAD verbunden sind bzw. Studieren-den von Partneruniversitäten die Gebühren erlassen werden,sind die Studiengebühren dann kein Hindernis mehr. Und dieStipendien lassen genug Luft, um die Wine Route entlang zu fah-ren, nach Namibia oder in einen der vielen Nationalparks.

Katrin Baldow, kma <

Universität Stellenbosch im Internethttp://www.sun.ac.za/

Botschaft der Republik Südafrika Friedrichstraße 60 10117 Berlin-MitteTel. 22 07 30www.suedafrika.org [email protected]

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Zahlen? Für’s Studium? Nein, sagt die Bundesregierung. Für Ju-rastudenten eine Selbstverständlichkeit. Sie zahlen für kom-merzielle Repetitoren, Bücher, Klausurenkurse, Nachhilfe. Des-halb interessiert Jurastudenten das große Thema der deutschenHochschulpolitik eher weniger.

Wohltuend ist deshalb, dass zwei Entscheidungen der jüng-sten Vergangenheit ein anderes gesellschaftliches Gebot um-setzen sollen: das Gebot des Wettbewerbs. Dieses System vonAktion und Reaktion ist nicht nur auf wirtschaftliche Prozessebeschränkt. Wissenschaft und Bildung orientieren sich genau-so an Leistung und Qualität, die ein funktionierender Wettbe-werb im Allgemeinen zu steigern vermag.

Zugang und AbgangZwei Faktoren behindern die interuniversitäre Konkurrenz – amAnfang und am Ende des Studiums. Fakultäten können ihre Stu-denten nicht selbst auswählen. Fakultäten können über den er-folgreichen oder erfolglosen Abschluss des juristischen Studi-ums nicht selbstständig befinden. Dies bleibt den juristischenPrüfungsämtern der Länder vorbehalten.

Das soll sich nun ändern. Ab dem kommenden Winterseme-ster wird das Fach Jura aus dem zentralen Vergabesystem her-ausgelöst. Diese Entscheidung traf der Verwaltungsausschussder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) am 3.April. Interessenten können sich damit bei der gewünschtenHochschule direkt bewerben. Universitäten können über denZugang eigenständig entscheiden. Bei besonders nachgefrag-

ten Universitäten ist mitZulassungsbeschränkun-gen zu rechnen.

Die andere Neurege-lung betrifft die seit zweiJahrhunderten gepflegteTradition der juristischenStaatsexamina. Die Uni-versitäten werden künftigeinen Teil des Ersten Ex-amens selbst prüfen kön-nen. Ein entsprechendesGesetz zur Reform der Ju-ristenausbildung hat derBundestag – mit den Stim-men der Opposition – am21. März beschlossen. Esbetrifft zwar nur die soge-nannten Schwerpunktbe-reiche, diese sollen aber in

ihrem Zuschnitt breiter gefasst werden, als die bisher rein aufSpezialisierung ausgerichteten Wahlfächer. Die Universität-sprüfung wird mit 30 Prozent in die Endnote der Ersten Prüfungeingehen.

Das Gesetz enthält weitere Änderungen des juristischenStudiums: Fremdsprachliche Rechtskenntnisse werden Pflicht.

Diese können durch »eine fremdsprachliche rechtswissen-schaftliche Veranstaltung oder eine rechtswissenschaftlicheVeranstaltung oder einen Sprachkurs nachgewiesen werden.«Die Länder können aber auch Ausnahmen regeln, zum Beispieldurch den Nachweis eines studienbezogenen Auslandssemes-ters. Außerdem soll der Erwerb von sogenannten Schlüssel-qualifikationen wie »Verhandlungsmanagement, Rhetorik,Streitschlichtung oder Vernehmungslehre« Gegenstand desStudiums werden. Einzelheiten werden die Bundesländer inihren Ausbildungsgesetzen regeln. Außerdem müssen die Uni-versitäten entsprechende Konzepte entwickeln. Hier wirft vor al-lem die personelle Ausstattung der Universitäten bei etwa20.000 Studienanfängern Probleme auf. Wegen dieser notwen-digen Umstellung tritt das Gesetz erst zum 1. Juli 2003 in Kraft.

Anwalt werdenMit einer weiteren, längst überholten Tradition bricht das Ge-setz: der Ausrichtung der Juristenausbildung auf den Richter-beruf. Da mehr als 80 Prozent der Absolventen heute Anwältewerden, eine seit langem geforderte Anpassung an die Realität.Das Referendariat soll künftig verstärkt auf die anwaltliche Tätig-keit vorbereiten. Die Pflichtstation beim Anwalt wird von drei aufneun Monate verlängert. Zu den Mindestinhalten der Ausbil-dung gehören nach dem Gesetz die »gerichtliche und außerge-richtliche Anwaltstätigkeit, der Umgang mit Mandanten, das an-waltliche Berufsrecht sowie Kanzleiorganisation«. Insbesonde-re können die Länder dem Referendar drei der neun Monate beieiner anderen Ausbildungsstation ermöglichen. Diese mussaber einen rechtsberatenden Charakter haben. In Betrachtkommt beispielsweise ein Notar, Unternehmen oder Verband.

Allein die Verlängerung der Anwaltsstation wird eine Ver-besserung der Anwaltsausbildung nicht bewirken. Das Interes-se von Anwälten, selbst aktiv an der Ausbildung, z. B. in Refe-rendararbeitsgemeinschaften, mitzuwirken, hält sich in Gren-zen. Das verabschiedete Gesetz ermöglicht der Anwaltschaftzwar größeren Einfluss auf Inhalte und Prüfungen, ob daraus eingrößeres Engagement resultieren wird, bleibt abzuwarten.

Warum auch sollten Anwälte den Markt der Rechtsbera-tung mit jährlich 2.500 neu zugelassenen Rechtsanwälten tei-len wollen? Warum sollten Anwälte die Ausbildung ihrer zukünf-tigen Konkurrenz verbessern wollen? Weil es ihre Pflicht nachder Bundesrechtsanwaltsordnung ist? Also auf Grund des Stan-desrechts? Standesrechtliche Gebote sind – vor allem im zu-sammenwachsenden Europa – ein wenig geeignetes Instru-mentarium, Regeln des Wettbewerbs außer Kraft zu setzen.

Andere Mechanismen sind gefragt. Anwaltsinstitute an denHochschulen zeigen schon heute, wie Sendungsbewusstseinund Prestigestreben von Anwälten oder auch die Nachwuchs-probleme von Anwaltskanzleien für die Ausbildung nutzbar ge-macht werden können. Diese Mechanismen funktionieren al-lerdings nicht im überkommenen System des Referendariats.Die Reform dieser Institution sollte als nächstes auf der Tages-ordnung stehen. Rechtsanwältin Susann Bräcklein <

Der Anfang vom AnfangBundestag beschließt Reform zur Juristenausbildung.

Änderungen ab 1. Juli 2003> Universitäten prüfen Schwerpunktbereich selbst> Universitätsprüfung geht zu 30 Prozent

in das Ergebnis des Ersten Staatsexamens ein> Fremdsprachliche Rechtskenntnisse werden Pflicht> Schlüsselqualifikationen sollen erworben werden> Verlängerung der Anwaltsstation auf neun Monate

ÜbergangsregelungFür Studienanfänger gelten die Änderungen ab dem 1. Juli 2003. Für Studenten, die sich bis zum 1. Juli 2006zum Ersten Staatsexamen anmelden, finden sie keineAnwendung. Es sei denn, das Landesrecht gibtPrüflingen eine Wahlmöglichkeit. Für Referendare gilt dieNeuregelung ab dem 1. Juli 2005.

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UnAuf: Was halten Sie von der Herauslösung des Fa-ches Jura aus dem zentralen Vergabesystem? Kirchner: Das finde ich sehr gut. Es wird die Eigenständigkeit derjuristischen Fakultäten stärken. Universitäten werden ein at-traktives Angebot für Interessenten bereitstellen müssen, sodass die Konkurrenz zwischen den Universitäten gefördert wird.Bei der Umstellung an der Humboldt-Universität sehe ich abererhebliche Kapazitätsprobleme.

Ist bei der Humboldt-Universität mit Schwierigkeitenbei der Umstellung zu rechnen? Wird es ein Auswahl-verfahren geben?Mit Sicherheit. Wir haben derzeit etwa 300 Bewerbungen auf 50bis 100 Studienplätze für Studienortwechsler pro Jahr. Dem-nächst rechnen wir für 550 Plätze für Studienanfänger mit bis zu2.500 Bewerbern und Bewerberinnen. Das bedeutet einen er-heblichen Verwaltungsaufwand. Zu denmöglichen Auswahlkriterien haben wirbereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt,die einen Eingangstest erarbeitet hat. Erorientiert sich am amerikanischen LawSchool Entrance Test und besteht aus all-gemeinen und Fachfragen. Auf einmündliches Auswahlverfahren werdenwir allerdings verzichten.

Was halten Sie von der Einführung der Universitätsprü-fung und davon, dass fachbezogene Fremdsprachen-kurse für alle Studenten obligatorisch sein sollen?In der Sache ist das natürlich großartig und ein Schritt in die rich-

tige Richtung. Meine Überzeugung ist esja seit langem, dass man sich weg vomStaatsexamen hin zu einer Universitäts-prüfung bewegen muss. Autonomie überdie Prüfung bedeutet die Autonomie überden Inhalt. Beispielsweise können aus-ländische Studienleistungen anerkanntwerden. Die juristischen Fakultäten wer-den moderner und weltoffener. Dies giltauch für die notwendige Fremdspra-chenkompetenz.

Das größte Problem sehe ich dabeiaber in der Finanzierung. Wenn das Bun-desgesetz nichts zur Finanzierung bzw.zur Umschichtung der Mittel sagt, ist diesfahrlässig; das Gesetz ist unvollständig.

Es wird auf massivenWiderstand vieler juri-stischer Fakultätenstoßen. Es müssen ei-ne eigene Prüfungs-organisation geschaf-fen und Prüfungsämter eingerichtet werden;zudem ist Kapazität für die Korrektur erfor-derlich. Wir brauchen also Finanzmittel und

personelle Kapazitäten von mindestens fünf bis sechs Stellen.Einige Kollegen hier in Berlin sind zum Beispiel der Auffas-

sung, dass die staatlichen Prüfungsämter die Prüfung auch wei-terhin, nur im Auftrag der Universitäten durchführen sollen.

Meinen Sie nicht, dass die Landes-regierungen entsprechende Rege-lungen treffen werden? Das ist das Prinzip Hoffnung. Gerade inBerlin. Im Justizbereich stehen zusätzli-che Sparmaßnahmen an.

Und für das Angebot an fachbezo-genen Fremdsprachenkursen?Hier fallen zusätzliche Kosten für Lehr-aufträge und Prüfungsvergütungen an.Es gilt ja gerade ausländische Juristen zugewinnen, die nicht nur in die Sprache,sondern auch in das ausländischeRechtssystem einführen. Wir haben heu-te jährliche Mittel in Höhe von 50.000 Eu-ro zur Verfügung. Wir würden aber 65.000bis 70.000 Euro benötigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Susann Bräcklein <

»Ein Schritt in die richtige Richtung«

Interview mit Professor Christian Kirchner, Studiendekan der JuristischenFakultät der Humboldt-Universität, zur Reform der Juristenausbildung.

Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner istStudiendekan der JuristischenFakultät der Humboldt-Univer-sität zu Berlin. Er ist einer der en-gagiertesten Verfechter der Re-form der Juristenausbildung seitden 60er und 70er Jahren.

»Autonomie über diePrüfung bedeutet dieAutonomie über den

Inhalt.«

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Zur Post kann man auch mit Achteklasse-Abschluss gehen.Man leckt Briefmarken an, klebt sie auf oder steckt Briefe inUmschläge. Tausend Mal. Tagein, tagaus. Das denkt fast jeder.Auch in der Poststelle der HU steckt man Briefe in Umschlägeund versendet sie; und zwar sechs- bis achttausendmal amTag. Und das ist langweilig. Die zehn Mitarbeiter der HU-Post-stelle aber tun mehr als das. Sie müssen Gefahrgüter versen-den, alle Straßennamen, Hausnummern und Fakultätsbezeich-nungen dieser Uni auswendig können und »Herr Müller, Hum-boldt-Universität zu Berlin« ausfindig machen. Wenn es hartauf hart kommt, zum Beispiel nach den Anschlägen auf das

World Trade Center, tun sie ihre Arbeit auch inMundschutz und Handschuhen. Ob es schon malso richig gefährlich war?

»1998 gab es einen Zwischenfall«, erinnertsich Marion Böttger, die Leiterin der Poststelle.»Hier tickt eine Bombe«, stand auf einem Päckchen,das bei Berührung wie wild zu piepen anfing. Alsorief sie die Polizei. Die kam mit dem Bombenräum-kommando und entschärfte den »Scherzartikel«.

Neben vermeintlichen Briefbomben musssich Marion Böttger vor dem Semesterbeginnauch mit dem Versand von 9.000 Mahnungen we-gen nicht eingezahlter Rückmeldegebühren her-umärgern. Und was ist der Dank? »Früher«, erin-nert sich die 37jährige, »gab’s am 8. März noch Blu-men für uns.« Von oben. Jetzt schickt das Institutfür Psychologie zu Weihnachten Kekse und Kaf-fee. Vielleicht weil »Herr Müller« seine Post be-kommen hat?

Früher wollte Marion Böttger im sozialen Be-reich arbeiten, beispielsweise als Heimerzieherin.Sie machte in der DDR ein dreijähriges Fach-schulstudium am Institut für Lehrerbildung. Diezwei Jahre Absolventenzeit konnte sie aus politi-

schen Gründen nicht beenden. Trotzdem war sie ein Jahr langGrundschullehrerin in Karlshorst. »Ohne Anerkennung der Ab-solventenzeit hatte man in der DDR den Assi-Status weg«, er-zählt Marion Böttger bitter. Durch Beziehungen kam sie an dieHU, wo sie nun seit 16 Jahren arbeitet. Zunächst machte sienur Hilfsjobs, doch nach einem Verwaltungslehrgang stieg sieauf. Nun ist sie Gruppenleiterin der HU-Poststelle, Gefahrgut-versenderin, Bombenentschärferin und zweifache Mutter. Dasist natürlich heldenhaft. Aber wahrhaft heroisch ist die Aus-dauer, mit der jeden Tag auf’s Neue die 8.000 bis 10.000 ein-treffenden Postsendungen verteilt werden. ld <

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Die Reise nach Jerusalem. Obwohl Olaf die Waschmaschine ganzallein in den fünften Stock geschleppt hat, ist er in der ersten Run-de rausgeflogen und muss auf dem harten kalten Boden sitzen.Die anderen besaufen sich, im Hintergrund läuft »Lass die Son-ne rein« von den Fantastischen Vier. Die Frau in der Trainingsjackeversinkt schon völlig benebelt im Sofa, die Blonde mit dem Schlaf-zimmerblick ist in unerreichbare Ferne gerückt. Und der Typ aufder Kiste mit den Manga-Comics versucht gerade heimlich, den

Tisch umzutreten. Aus Rache. Denn dann werden alle wissen,dass die Kartons darauf deshalb so schwer waren, weil seinzukünftiger Mitbewohner neben einer überlebensgroßen Trotz-ki-Büste auch eine Handschellensammlung und eine in Ledergebundene Sigmund-Freud-Gesamtausgabe besitzt. Der Freak.Zur Strafe wird der Tritt auch gleich noch seinen mühsam selbstverlegten neuen weißen Wollteppich mit Weinflecken verzieren.Jetzt kann der Sommer kommen. ro <

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Die Ventilatoren dröhnen auf höchster Stufe, doch der Liebes-brief will und will nicht auf den richtigen Schreibtisch flattern.Zwanzig Bürokomparsen sitzen im Studio und stöhnen: Die Va-lentinstags-Szene für Paul Andersons Film »Resident Evil« mussnoch einmal gedreht werden. Nicole Kosmalla, Germanistik-Stu-dentin an der Berliner Humboldt-Universität, flucht. Schon wie-der rückt die Maskenbildnerin mit dem Schwämmchen an, legteine neue Schicht Make-Up auf und entfernt mit Waschbenzinüberschüssige Farbe vom weißen Hemdkragen. »Nach vierStunden Dreh mit stinkender Bluse sind Kopfschmerzen vor-programmiert«, beklagt die 28-jährige die Tücken ihres Studen-tenjobs. Seit zwei Jahren arbeitet sie in Berlin für mehrere Kom-parsenagenturen. Der Übergang vom bezahlten Zeitvertreibzum anstrengenden Nebenjob ist dabei oft fließend: »Für denDreh einer Szene gibt es ungefähr 55 Euro, egal ob er drei oderzehn Stunden dauert.« Genau kalkulieren kann die Studentinweder den zeitlichen Aufwand eines Einsatzes noch die näch-sten Termine. Meist wird sie erst einen Tag vor Drehbeginn an-gerufen, und so fällt mitunter die eine oder andere Vorlesung derAufbesserung der Haushaltskasse zum Opfer.

Rund zwei Drittel der 1,7 Millionen Jungakademiker jobben

regelmäßig neben dem Studium. Die gängigen Klischees destaxifahrenden oder kellnernden Studenten treffen dabei durch-aus die Realität. Wie das Deutsche Studentenwerk (DSW) im Ju-li 2001 in seiner letzten Sozialerhebung veröffentlichte, geht fastdie Hälfte der jobbenden Studenten einer Aushilfstätigkeit nach.Freiberuflich tätig sind lediglich 13 Prozent der Befragten. Unddurch ein bezahltes Praktikum, das sie gleichzeitig für den spä-teren Beruf qualifiziert, können gar nur 8 Prozent der Studie-renden ihr Monatseinkommen aufbessern.

Auf eine beachtliche »Aushilfskarriere« können deshalbviele Studenten am Ende ihrer Ausbildungszeit zurückblicken.Christine Schönfeld, seit einem knappen Jahr als Lektorin beieinem Reisebuchverlag fest angestellt, wechselte während ih-rer 14 Semester an der Alma mater nicht weniger als zehn Malden Arbeitgeber. Von der Putzkolonne bei einem Schokoladen-hersteller über HTML-Programmierung für das Berliner Unter-nehmen Pixelpark bis zum Servicejob im indischen Imbiss umdie Ecke reicht der Erfahrungshorizont der Informationswissen-schaftlerin. Ihre jetzige Arbeit ist für sie nach all den Ne-bentätigkeiten ein Glücksfall. »Meine vorherigen Jobs warenmitunter eine willkommene Abwechslung zum Uniseminar, aber

Die Aushilfskarriere ist mehr als nur Zubrot zum Studentenbudget. Sie kannSprungbrett sein oder sich bei Bewerbungen positiv niederschlagen.

Oft ist Geld der wichtigste Grund

Foto: Christoph Schlüter

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letztendlich darf die Jobberei nicht zur Sackgasse werden, sonstverpasst man den Absprung in den Beruf.« Auf die Tatsache, dassStudentenjobs nicht zwangsläufig für den späteren Beruf qua-lifizieren, kann jedoch das Gros der deutschen Studierendenkeine Rücksicht nehmen: 60 Prozent geben in der Studie desDSW an, dass ihre Einnahmen zur Sicherung ihres Lebensun-terhalts unbedingt notwendig seien.

Für viele, die es sich nicht leisten können, in den Vorlesun-gen zu fehlen, bleibt nur der Ausweg, in den Semesterferien ei-nen Vollzeitjob anzunehmen. Der Pädagogikstudentin Eva IrinaLang kam da das Angebot der Deutschen Post AG gerade recht:»Zehn Wochen am Stück für 25 Mark pro Stunde als Briefträge-rin zu arbeiten, das klang gut.« Die anfängliche Euphorie überden Geldsegen ließ jedoch schnell nach. »Jeden Morgen um 4:30Uhr anfangen, da fühlt man sich abends wie gerädert und hatkeine Lust mehr wegzugehen. Besonders an Tagen, an denenman hundert Mal den Quelle-Katalog zustellen muss, ist es kno-chenharte Arbeit«, erinnert sich die 25-Jährige. Außerdem istder Mythos vom gebissenen Briefträger nicht von ungefähr ent-standen. »Mit Wachhund im Vorgarten kann der Weg zur Haus-tür verdammt lang werden«, erschaudert die Bielefelderin.

Mögen Geldmangel und Jobnot auch präsent sein, für diemeisten Nachwuchsakademiker gibt es in Bezug auf ihre Job-situation trotzdem Akzeptanzgrenzen. Als Christine Schönfelderfuhr, dass ihr indischer Kollege nur ein Zehntel ihres eigenenStundenlohns erhielt, kündigte sie kurz entschlossen: »Der Be-sitzer der Imbissbude hat es schamlos ausgenutzt, dass seinLandsmann illegal in Deutschland lebte. So ein rücksichtslosesVerhalten wollte ich nicht unterstützen.« Ähnliches berichtet derJura-Student Torsten Wagner, der für einen Kölner Nachtclub

auf Promotion-Tour gehen sollte. »Uns wurde gleich mitgeteilt,dass wir keine Ausländer ansprechen sollen; die wolle man nichtals Kunden. Da habe ich mir lieber etwas anderes gesucht.«

Ob Lagerarbeiter oder Putzkraft, Telefonistin oder Nach-hilfelehrer, eines steht in puncto Studentenjob fest: Lebenser-fahrung bringen die Aushilfsbeschäftigungen auf jeden Fall mitsich. Bleibt bei all der Zeit, die von den Studierenden in ihre Ne-benjobs investiert wird, die berechtigte Frage, ob sich die eineoder andere Tätigkeit nicht doch als positiver Impuls für eine Be-werbung verwenden lässt. Constanze Richter veranstaltet imRahmen des Projekts »Sprungbrett. Magister und Beruf« derHumboldt-Universität Bewerbungsseminare. Sie rät Berufsein-steigern, die keine Praktikumserfahrungen mitbringen, die stu-dentischen Aushilfsjobs auf jeden Fall als Qualifikation in denLebenslauf aufzunehmen: »Gerade Absolventen geisteswissen-schaftlicher Fächer können dem potenziellen Arbeitgeber so zei-gen, dass sie ihre Zeit nicht ausschließlich mit Büchern verbrachthaben. Mit einer Tätigkeit in einem Telefonstudio kann man zumBeispiel Freude an Kommunikation und Aufgeschlossenheit ge-genüber fremden Menschen zeigen.«

Auch das Staufenbiel-Institut für Studien- und Berufspla-nung in Köln empfiehlt in einer seiner Publikationen zum The-ma Berufseinstieg, die erworbenen Erfahrungen nicht zu unter-schätzen. Nach längerer Nebentätigkeit solle man sich vom Ar-beitgeber auf jeden Fall ein Arbeitszeugnis ausstellen lassen,das erworbene Schlüsselqualifikationen aufführt. Die Berufs-berater geben zudem den Tipp, Broterwerb und späteren Traum-beruf zu verbinden: Arbeitet man bereits in der Branche, die ei-nen reizt, so könne man sich mit etwas Glück vom Lagerarbei-ter oder ähnlichem langsam hocharbeiten. sr <

Heute kommt eure Mail aus… Udine, einem 120.000 Seelen-Städtchen im Norden Italiens, direkt zwischen Adria und Dolo-miten. Hier habe ich das Wintersemester verbracht und Veran-staltungen der Italianistik besucht. Vor der Uni schnell zur Bar:ein Panino und Caffè macchiato – der typische Anfang eines je-den Studentenalltags in Italien. Danach in einem der großenHörsäle neunzig Minuten dem Professore lauschen, der aus-schließlich selbst die Veranstaltung bestreitet. Und dann…durch die historische Altstadt schlendern, irgendwo mit nettenLeuten einen Caffè trinken und das gute Wetter genießen. Sooder so ungefähr mag man sich das Auslandssemester im Sü-den Europas vorstellen und liegt dabei nicht unbedingt falsch.Schaut man hinter diese stereotype Fassade, wird man von vie-lerlei Facetten überrascht.

Auf den ersten Blick wirkte die Uni auf mich hektisch undchaotisch: Professoren ließen gleich zu Anfang ihre Veranstal-tungen ausfallen, mangelnde Information der Studenten durchdie Universität etc. Im Laufe des Semesters lernte ich viele Do-zenten und Studenten persönlich kennen. Die Professorin fürdeutsche Sprache nahm sich jede Woche eine Stunde Zeit fürmich, um meine Übersetzungen zu korrigieren und mir meineFehler zu erklären. Danach gingen wir noch schnell in die näch-ste Bar, auf einen Cappuccino. Wo in Deutschland passiert das

schon? Diese sechs Monate haben mir sehr viel gebracht. Ichhabe in einer WG mit fünf weiteren Erasmus-Studenten aus Spa-nien und Belgien zusammen gewohnt und dabei auch etwasüber deren Heimatländer erfahren. Aber am meisten natürlichüber die Italiener selbst: Italien ist in Europa das Land mit dergrößten Differenz zwischen Studienanfängerzahl und der Zahlder Universitätsabsolventen. Es gibt kaum staatliche Unterstüt-zung während des Studiums, jeder ist quasi zum Arbeiten ge-zwungen.

Viele italienische Studenten wohnen bis zum Ende des Stu-diums bei ihren Eltern, nur wenige verlassen ihre Heimatregion,um andernorts zu studieren. Das liegt zum Teil auch an den ex-trem hohen Mieten, besonders in den Großstädten wie Florenz,Rom oder Mailand. Auch hieran mag es liegen, dass die schar-fen Schichtgrenzen, wie es sie in Deutschland gibt, in Italienscheinbar nicht existieren. Hier ist es völlig normal, dass sichLeute mit und ohne Abitur oder Studium regelmäßig treffen undzusammen weggehen. Erst aus der Entfernung sieht man so, wiefestgefahren einige Einstellungen in Deutschland sind. Ich ha-be mein Heimatland ganz anders zu betrachten und schätzengelernt: Das soziale Netz der Bundesrepublik ist keineswegsStandard. Schon allein, um diese Sichtweise zu gewinnen, hatsich mein Semester in Italien gelohnt. Christin Schröder <

eMail aus… Udine

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»Komm mit mir, Sushi«, munterte Zak McKracken seinen be-schuppten Freund auf. 1988 war das. Jetzt will Sushi lieber nichtmit, sondern weiter in ihrem Goldfischglas herumschwimmen.Dort kann sie wenigstens nicht zerhäckselt werden. »BenutzeSushi im Goldfischglas mit Müll-Zerkleinerer« – »Hoppla, Hack-fleisch-Sushi.«

Zak, ein rasender Reporter des National Inquisitors, reistnach Seattle, um mehr über das zweiköpfige Eichhörnchen her-auszufinden. Ganz nebenbei rettet er noch die Menschheit vorder Dummheitsepidemie. Dazu braucht’s nur drei magischeKristalle, den Golfschläger eines Schamanen, eine Tröte, eineMenge »Um die Ecke Denken« und die Hilfe von drei Frauen. Me-lissa und Leslie waren mit ihrem selbstgebauten Raumbus aufdem Mars gelandet und helfen von dort aus, während die Ar-chäologin Annie auf der Erde Zak mit Rat und Tat zur Seite steht.Auf dem Mars findet man in der Herberge endlich den in »Ma-niac Mansion« so schmerzlich vermissten Benzinkanister.

Mit »Maniac Mansion«, in dem es eben kein Benzin für dieKettensäge gab, läutete Lucasfilm Games 1986 eine neue Ärader Adventures ein. Bis dahin war es üblich, die Anweisungeneinzutippen. Doch nun: Statt »Öffne die Tür mit dem Schlüssel«zu schreiben, klickte der Spieler mit der Maus auf den passen-den Befehl im unteren Bildschirmbereich und anschließend aufden Schlüssel im Inventar und die Tür in der Grafik darüber. DerComputer setzt diese Klicks selber zur kryptischen Anweisung»Benutze Schlüssel mit Tür« zusammen und führt sie auch gleichnoch aus – die Tür war geöffnet!

In Grafik und Sound zwar simpel, wussten diese Spiele mitabgefahrenen Stories, abstrusem Humor (Benutze Cash-Cardmit Yak … einen angenehmen Ritt später) und bemerkenswer-ten Gastrollen (Elvis als Chef der Aliens) zu begeistern. Doch Lu-casGames gibt es seit 1992 nicht mehr, und der Nachfolger Lu-casArts produziert jetzt Spielchen zu den StarWars-Filmen. Al-so müssen sich die Fans der alten Grafikadventures selbst hel-fen: »Die neuen Abenteuer des Zak McKracken« ist fertig(Download: siehe Kasten). Überraschend, wie viele Leute ihreFreizeit opferten, um Zak wie-der auf die Reise zu schicken:»Wenn man alle zusammen-zählt – einer«, sagt der Zak2-

Macher auf seiner Website. »Um wirklich produktiv zu arbeiten,braucht man ein möglichst kleines Team.«

Besonders augenfällig ist bei Zak 2, dass die Anzahl derBefehle reduziert wurde. Beispielsweise klickt man jetzt »Be-nutze die Tür«, worauf sich die Tür entweder öffnet oder schließt– je nachdem. Und auch dieInventaranzeige ist komfor-tabler: kleine Bildchen wiebei den späteren Grafikad-ventures von LucasArts.Was bei Original- und Se-quel-Zak gleich gebliebenist: Der Reporter muss querdurch die Welt fliegen, umverschiedene Aufgaben zulösen. Dabei gilt es diesmal,Annie aus den Klauen vonGangstern zu retten.

Die meisten Orte sindschon aus Teil Eins bekannt.Sie wurden jedoch ihrer Far-barmut beraubt. Statt inknalligen 16 erstrahlen sienun in freundlichen 256 Far-ben. Was 1988 jedermannstörte, wurde endlich abge-schafft: Die CashCard istunbegrenzt; sie liegt übri-gens unter der Pflanze na-mens Chuck (wer könnte sievergessen). Es wäre ja nochschöner, wenn ein Friedens-nobelpreisgewinner undkünftiger Pulitzer-Preisträ-ger ständig seinen Kon-tostand abfragen müsste.

Zak kann also in der Welt herumflie-gen, was das Zeug hält. Nur hier ent-täuscht das Gameplay ein wenig. ImWesentlichen muss man zu irgendei-nem Ort fliegen, um dort etwas be-stimmtes zu tun – allerdings ist mitun-ter nicht klar, warum sich etwas exaktan diesem Ort befindet. Doch der an-archische Humor, der weder sich selbstnoch den Original-Zak ernst nimmt,entschädigt. Das Ende hätte bei Lu-casArts die Jugendkontrolle wahr-scheinlich nicht passiert. Das ist ebender Vorteil von Fangames… alf <

FANomeneDas Grafikadventure »Zak McKracken« von 1988 geht in die zweite Runde.

»Die neuen Abenteuer des Zak McKracken«……und Hinweise für’s Basteln von Adventures: www25.brinkster.com/lucasfangamesKostenlose Tools für eigene Adventures: www.adventuregamestudio.co.uk Infos zum Original-Zak, allen Versionen, hilfreiche Links und einige Dinge zum Ausprobieren:www.alien.de/msi/zak2_fan.htmEin weiteres Fanprojekt : www.zak2.orgDas Original »Zak McKracken and the Alien Mindbenders« und weitere neun klassische Lu-casArts-Adventures für 19,99 Euro: www.amazon.de (leider ohne die legendäre Beilage)»Das Nachtecho«: www.tentakelvilla.de

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Menschen erscheinen auf der Leinwand und blicken entsetzt indie Kamera. Sie stecken in üblen Situationen, werden gepeinigtvon einem unsichtbaren Dritten, vom Zahnarzt zum Beispiel. EinMann hat eine Ledermaske über den Kopf gezogen, irgendwanndreht das Bild und der Zuschauer erkennt, dass der Arme völlighilflos von der Decke hängt.

Die junge Frau zerschneidet Filmrollen und zerkleinert siein einer Kaffeemühle. Aus dem Pulver dreht sie sich einen Zel-luloid-Joint und wird live in die verschiedensten Filmklassikerkatapultiert. Sie bekommt rote Haare und rennt als Lola durchBerlin oder findet sich in Norman Bates’ Dusche wieder.

Die Trailer zum 31. Internationalen Studentenfilmfestival»SehSüchte« sind auffällig und lassen erahnen, wie viel kreati-ves Potenzial in den jungen Filmemachern steckt, die vom 30.April bis zum 5. Mai aus aller Welt nach Potsdam kommen, umihre Filme vorzustellen. Etwa die Hälfte der rund 170 Filme imProgramm kommt aus dem Ausland. Nachwuchsfilmer aus 26Ländern, von Ägypten über Kuba und Singapur bis nach Viet-nam, sind in diesem Jahr dabei.

Die Inhalte der Filme sind ebenso vielfältig. Science-Fictionwird es geben, aber auch ernste Themen wie Rassismus, Krank-

heit oder Alter haben ihren Platz im Fes-tivalprogramm. Viele Filme sind Kurzfil-me, deshalb werden mehrere Filme zu ei-nem jeweils thematisch passenden Blockzusammengefasst. Die Namen dieser 28

Blöcke geben schon einen Vorgeschmack auf die Darbietungen.So wird es in »Kaffeefahrt« um die Tücken des Alters gehen,»Rasselbande« befasst sich mit Kindern.

Das europaweit größte Studentenfilmfestival wird übrigensausschließlich von Studenten organisiert. »Der harte Kern um-fasst etwa 16 Leute, dazu kommen noch ein paar Leute für dieTechnik«, sagt Lars Verspohl, Gesamtkoordinator des Projektsund, wie seine Mitorganisatoren auch, Student der Audiovisu-ellen Medienwissenschaften an der Hochschule für Film undFernsehen (HFF) in Potsdam-Babelsberg.

»SehSüchte« gibt jungen talentierten Filmemachern eineBühne und dem Publikum die Möglichkeit, Neues zu erleben,Trends zu entdecken oder einfach nur Spaß zu haben am Kino-programm, dass noch nicht wie in Hollywood vom Kommerz be-stimmt wird.

Ganz ohne Geld geht es aber auch bei »SehSüchte« nicht,rund 150.000 Euro beträgt das Budget. Ein Teil davon konntezwar durch öffentliche Gelder aufgebracht werden – so bezahltdas Außenministerium die Anreise der ausländischen Gäste, dieHFF hilft mit Sachspenden –, dennoch sind die Organisatorenauf private Gelder angewiesen. Bei der derzeitigen Wirtschafts-lage gestaltet sich die Erschließung solcher Quellen als schwie-rig. Der Fernsehsender RTL, der das Festival im vergangenenJahr noch unterstützte, sprang ab, auch das British Council zog

Am Wühltisch der FischthekeVom 30. April bis zum 5. Mai laufen im Potsdamer Thalia-Kino

die »SehSüchte 2002«. Das internationale studentische Filmfestival ist das größte seiner Art in Europa.

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500 Stunden Vorauswahl

Wir sprachen mit Lars Verspohl, Gesamtkoor-dinator der »SehSüchte 2002«.

UnAuf: Ihr musstet in diesem Jahr rund900 Filme sichten und daraus 170 aus-wählen. Wie können wir uns das vor-stellen?Verspohl: Wir waren dieses Jahr sechs Leute,die sich in zwei Gruppen à drei Personen auf-geteilt haben. In der HFF haben wir uns in ei-nem dunklen Raum vor das Videogerät ge-setzt, saßen dann drei Wochen davor und ha-ben geguckt, bis wir Pickel bekamen.

Wie kann man da noch nach objektivenKriterien entscheiden?Man darf nicht so viel Rücksicht auf den ei-genen Geschmack nehmen. Da muss manauch mal bereit sein, einen Film, der einemsubjektiv nicht ganz so gefällt, objektiv abergut gemacht ist, ins Programm zu nehmen. Ei-nige Filme haben die Gruppen gegenseitigauch noch ausgetauscht, um sicher zu gehen,dass die andere Gruppe keine Scheiße baut.

Die »SehSüchte« finden dieses Jahrnicht mehr im Studiokino Babelsberg,sondern im Thalia statt. Seht ihr darineinen Nachteil?Nicht unbedingt, ich sehe das mit einem la-chenden und einem weinenden Auge. DieWege sind etwas länger geworden. Im letztenJahr waren die Parties gleich gegenüber demKino, jetzt ist der Weg vom Thalia zum Lin-denpark und zur HFF, wo die Parties stattfin-den, etwas weiter. Dafür ist im Thalia konzen-triertes Programm. Neben dem Kinopro-gramm finden dort die Diskussionen undWorkshops statt. Man wird sich dort im posi-tiven Sinne auf den Füßen stehen.

Warum sollten Studenten die »Seh-Süchte 2002« besuchen?Weil man sehen kann, was Gleichaltrige mitwenig Geld alles in Sachen Film auf die Beinestellen können. Besonders für Leute, die sichselbst für das Filmemachen interessieren,sind die ausländischen Beiträge interessant.Je nach Herkunftsland befassen sich die Film-studenten mit ganz unterschiedlichen The-men. Aber auch für alle anderen wird sich derBesuch lohnen.

Das Interview führte hust <

sich zurück. Die Organisatoren sehen darin aber auch eineChance. »Wenn man auf weniger Sponsoren Rücksicht nehmenmuss, besitzt man eine größere programmatische Autonomie«,sagt Pati Keilwerth, eine Organisatorin des Festivals.

Die »SehSüchte« finden in diesem Jahr nicht mehr im Stu-diokino Babelsberg statt, das sich besonders wegen der großenWiese vor dem Kino großer Beliebtheit erfreute. Der müde Zu-schauer konnte dort nach einem Filmblock ein kurzes Nicker-chen in der Sonne einlegen und danach zum Programm zurück-kehren. Nun ist das Festival aus organisatorischen Gründen insThalia-Kino umgezogen, was sich auch im Preis bemerkbarmacht. Die Karten sind etwas teurer als zuvor, mit ermäßigten3,50 Euro pro Filmblock aber noch im Rahmen des Studenten-budgets.

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PartiesDienstag, 21:00 Uhr Eröffnungsfeier in der HFF (mit dem

Damentanzorchester Salome)

Mittwoch, 22:00 Uhr Sehsüchte-Lounge im Eisenstein mit DJ Estero

Donnerstag, 22:00 Uhr Sehsüchte-Lounge im Eisenstein mit DJ Kixen

Freitag, 22:00 Uhr Sehsüchte-Party im Lindenpark mit Micatone und DJ/VJ-Gruppe Reflector

Samstag, 22:00 Uhr Sehsüchte-Party im Lindenpark mit Court Jesters Crew

SpecialsForum der Filmemacher im Café Eisensteinjunge Filmemacher erzählen von ihrerArbeit, DiskussionenDonnerstag bis Samstagjeweils 17:00 Uhr

Drehbuchlounge im Thaliajunge Dramaturgen lesen Auszüge ausihren DrehbüchernDonnerstag 16:00 UhrFreitag 16:00 UhrSamstag 12:00 Uhr

Adressen:Thalia KinosRudolf-Breitscheid-Str. 5014482 Potsdam - BabelsbergS 7 – Babelsbergwww.thalia-potsdam.de

HFF: Hochschule für Film und FernsehenMarlene-Dietrich-Allee 1114482 PotsdamS 7 – Griebnitzseewww.hff-potsdam.de

LindenparkStahnsdorfer Str. 76-7814482 PotsdamS 7 – Griebnitzseewww.lindenpark.de

Café EisensteinRudolf-Breitscheid-Str. 5114482 Potsdam-BabelsbergS 7 – Babelsberg

Weitere Infos zu Workshops und

Veranstaltungen unter:

www.sehsuechte.com

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Fachkundige JurysDen Siegern winken Preisgelder in Höhe von insgesamt 30.000Euro, die von verschiedenen Jurys vergeben werden. Dabeikonnten die Organisatoren zahlreiche fachkundige Juroren fürsich gewinnen. »Wir haben uns hingesetzt und uns überlegt, wenwir gerne hätten«, erzählt SehSüchte-Gesamtkoordinator LarsVerspohl, »und dann haben sich im Januar zwei Leute ans Tele-fon geklemmt und die Liste durchtelefoniert.« Die Schauspieler,Regisseure und Produzenten zeigten großes Interesse an denSehSüchten. Der Dokumentarfilmer Volker Koepp (»KurischeNehrung«), die Regisseure Esther Gronenbaum (»alaska.de«)

und Dani Levy (»Meschugge«) sind nur drei von vielen, die zu-sagten. Außerdem gibt es in diesem Jahr erstmals einen Dreh-buchpreis, der neben einem Preisgeld von 2.500 Euro auch einepersönliche Drehbuchberatung von Detlef Buck umfasst.

Wer Gefallen an »SehSüchte« findet, muss nicht befürchten,dass alles, was dort gezeigt wird, nach dem Festival wieder imcineastischen Niemandsland verschwindet. Manches hat eineechte Chance, auf dem internationalen Parkett zu bestehen. Der»Schule«-Regisseur Marco Petry gewann schon bei SehSüchte2000 mit »Poppen« den 2. Spielfilmpreis. Der Amerikaner DavidGreenspan, der 2001 mit »Bean Cake« den SehSüchte »OmU-Preis« gewann, konnte anschließend in Cannes gar die Golde-ne Palme in Empfang nehmen. hust <

dententage zum wichtigsten und größten Filmfest des Ost-blocks. Es wurden nun auch Filme von Studenten des »imperia-listischen Auslands« zugelassen.

Nach dem Mauerfall fand das Filmfestival noch zweimal ei-genständig statt, doch die Wirren des Umbruchs machten sichauch bei den jungen Kreativen bemerkbar, so dass das Event fürsich allein nicht weiter existieren konnte. Integriert in das Pots-damer Filmfest unter Leitung von Irina Knochenhauer war vomGlanz der alten Tage nicht mehr viel übrig geblieben. Die Stu-dentenfilme endeten Mitte der Neunziger als eine Veranstaltungunter vielen des »Potsdamer Filmsommers«.

Die Studenten des Studiengangs Audiovisuelle Medienwis-senschaften der HFF Potsdam machten sich diese Situation 1996zu Nutze und belebten das Studentenfilmfestival als eigenstän-dige Veranstaltung wieder. In der Organisation der »SehSüchte«,wie sich das Festival nun nannte, fanden sie eine Möglichkeit, denPraxisbezug zu ihrem Studiengang herzustellen und gleichzeitigein internationales Forum für Filmstudenten aus der ganzen Weltzu schaffen, die ihre Werke nun einem breiten Publikum präsen-tieren konnten. »SehSüchte« startete mit einem Budget von10.000 Mark, doch der Erfolg sprach für sich. Von Jahr zu Jahr be-teiligten sich mehr Filmemacher am Festival und so werden die-ses Jahr über 150 Filme aus aller Welt und jeglichen Genres zu se-hen sein. Das Budget ist mittlerweile auf 150.000 Euro gestiegenund der Rekord von 10.000 Besuchern im letzten Jahr räumt alleZweifel an der Beliebtheit aus. Aus der wissenschaftlichen Leis-tungsschau ist ein multikulturelles Ereignis mit Parties und inter-essanten Leuten geworden, das wirklich Spaß bietet. kj <

Das Studentenfilmfestival in Potsdam stand nach der Wende bereits kurz vor dem Aus, bevor es mit einer

neuen Organisation und dem neuem Namen »SehSüchte«wiederbelebt wurde.

Auferstanden aus Ruinen

Sie waren eher eine obligatorische Leistungsschau als ein Fes-tival, als die Studentenfilmtage der Hochschule für Film undFernsehen Potsdam (HFF) 1972 zum ersten Mal als Bestandteilder »FDJ-Studententage« stattfanden. Bereits fünf Jahre späternahmen trotz Ablehnung von offizieller Seite immer mehr Fil-memacher aus den anderen sozialistischen Ländern an denFilmtagen teil. Mitte der 80er Jahre entwickelten sich die Stu-

>> Fortsetztung von Seite 31

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Mittwoch, 1. Mai

13:00 Uhr »Flaschen + Pfand«1. Strelitz2. Fragments3. Bartime4. Max’ Trip5. John Lee and Me6. Voy por voz

15:00 Uhr »Zündstoff« (im An-schluss 17:00 Uhr »CineastischesQuintett«, u.a. mit Alfred Holig-haus und Lothar Mikos)1. Dalmar e Rosalia2. Soldat3. Vera4. Schattenwelt5. Always crashing in the same car

18:00 Uhr »Wühltisch«1. Bono-Bono2. Rain3. Red Gourmet Pellzik4. Der Vorführeffekt

20:00 Uhr »Sportabteilung«1. Wichtig is auf’m Platz2. Mein Wille geschehe3. Die rote Jacke4. Kampfansage 25. Air6. Combatant7. Et kütt wie et kütt

22:00 Uhr »Fischtheke«1. Iceland2. Aquarios3. Der Reis i. d. Maschine4. Partner Akut5. Der Fisch6. Meier, das Schwein7. Seefuchs

19:00 Uhr »King Size 1«1. Bling Bling2. Waldi + der Wolf3. Hongkong will sing

21:00 Uhr »King Size 2«1. Endstation Tanke2. Confecion dames3. Between sky and earth

23:00 Uhr »Wurst und Fleischwaren«1. Like a neverending sunday2. Vodoorama3. Willkommen in Walhalla4. From the Top5. La Conquista6. The awakening of Mattsit Kata7. Mister Hollywood Star

Dienstag, 30.04. . 18:00 Uhr Auftaktveranstaltung . 20:00 Uhr »Vorkoster«

Sonntag, 05.05. . 15:00 Uhr Preisverleihung . 17:00 Uhr Filme der Preisträger

13:00 Uhr »On the road«1. Cabrio Red2. On the road3. Der Versuch einer Taube das.4. Viaje en Taxi5. Joe’s last job6. Edgar7. Vous qui passez

15:00 Uhr »Medicus«1. Loreley2. Rokya (Vision)3. Ecce Homo4. Kranke Schwestern5. Wenn es regnet

18:00 Uhr »Wem die Stundeschlägt«1. Domov2. Die Aufgabe3. Angka4. Der Krieg ist aus und der Soldat...5. Soldat6. Infomercial7. Remote Control8. Sturm9. Game and nothing more

20:00 Uhr »Hanni + Nanni«1. Eicha2. Wings3. Die Identitätskrise4. St. Elucia’s Island5. Hinter der Kamera6. 800 Calories7. Doris8. PPP Pick up

22:00 Uhr »Animal Farm«1. Mouse2. Zwei im Frack3. Les Animales4. Tauro5. Hollywood Dogs6. Versteck für einen Hund7. Das Faultier8. Dog Days

19:00 Uhr »King Size 3«1. Occupation2. This is always3. Morgenland

21:00 Uhr »King Size 4«1. Karel2. Vortex3. Plat individuel

13:00 Uhr »Hosenscheißer«1. Last Minute Shopping2. Stars3. Liebe s/w4. Der Storch5. El Conde ingles6. La même et la bébé7. Finding Home

15:00 Uhr »Mode + Verzweiflung«1. und so das ganze Leben2. 50 Minuten3. Lotus Style4. Tag ein, Tag aus5. Deja Vu6. Colorfool7. Shadowman8. Kitchen Sink Opera

18:00 Uhr »Pickel + Bravo« 1. Mein lieber Herr Gesangsverein2. Boy meets girls3. Morgen retten wir die Welt4. The chosen family5. Sleep tight my baby

20:00 Uhr »Rasselbande«1. Magnet Man2. Umbruch3. Jimmy4. Spring5. Birth of a nation6. Ballet shoe laces7. Treitum8. Freaky

22:00 Uhr »Kaffeefahrt« 1. Entinen Mies2. Saisonbeginn3. Ans Bett gefesselt4. Ein Tag bei Edeka5. 3,2,1 soleil6. Tango Americano7. Gran Canaria8. The little death9. El ultimo vagon10. Salsasambarambazamba

19:00 Uhr »King Size 5«1. Wetka2. Das Zeitbombenprinzip3. Otzenrather Sprung

21:00 Uhr »King Size 6«1. Frühlingshymne2. Paris Teltow3. Karma Cowboy

13:00 Uhr »Abenteuer Forschung«1. L’Essentiel2. 3 Pechvögel im Sternenlicht3. Insight4. Hollywoodschaukeln5. Der Tag, an dem Herr...6. Space Zoo7. One smell hop8. Bios

15:00 Uhr »Starsky & Hutch«1. American Showdown2. Howrah Howrah3. Little Computer People4. Quel sale tour5. Not going down6. Abgefahren

18:00 Uhr »Gänsehaut/Twilight Zone«1. The Walk2. Sally Burton3. The Terms4. Shooting5. Citizen Subway6. La collección7. Atemräuber8. Alice9. A new friend

20:00 Uhr »Länder-Menschen-Ab.«1. Dalmar e Rosalia2. Pan + Syrinx3. Always crashing in the.4. The Children of Khau Than5. Das Rad6. Schattenwelt

22:00 Uhr »Itchy + Scratchy«1. Kaffee trinken2. Strafrecht3. Hydronephrose4. The magic miracle motion pict.5. Kuscheldoktor6. Personal Space7. Paranoia8. Vera9. Zeit ist jetzt10. Don’t believe the hype

19:00 Uhr »King Size 7«1. Über Wasser2. Up3. Fenster mit Aussicht4. Dos más5. Terzo e mondo

21:00 Uhr »King Size 8«1. Slug2. Morgengrauen3. Schneckentraum4. Züge Kambodschas5. Una historia de avis

Donnerstag, 2. Mai Freitag, 3. Mai Samstag, 4. Mai

Filmprogramm »SehSüchte 2002« im Thalia. Thalia Kinos . Rudolf-Breitscheid-Str. 50 . 14482 Potsdam - Babelsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kartenpreise:pro Filmblock 5,00 Euro 3,50 Euro (ermäßigt)Tageskarte 12,00 Euro 8,00 Euro (ermäßigt)Festival-Karte 35,00 Euro 25,00 Euro (ermäßigt)

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Großstädter und vor allem Hauptstädter haben es gut. Zieht esden Provinzler am Freitagabend ins Kino, läuft er Gefahr, sichwohl oder übel mit dem neuesten Hollywoodblockbuster auf derörtlichen Großleinwand zufriedengeben zu müssen, währendandernorts seinem urbanen Zeitgenossen die Auswahl schwerfällt. Iranische Doku, polnische Kurzfilmreihe oder doch vielleichtlieber ein Defa-Klassiker? Für den Berliner Cineasten, der sichgerne jenseits ausgetretener Pfade bewegt, gibt es auch im Aprilund Mai wieder einiges zu entdecken.

Britspotting – Britisch Independent FilmfestivalDas passenderweise »Britspotting« betitelte »British Indepen-dent Filmfestival« erlebt in diesem Jahr sein drittes Mal und be-stimmt vom 18. bis 24. April das Programm der Kinos Acud, fskund Central. Die Idee, unabhängige britische Filme in unabhän-gigen Berliner Filmhäusern zu zeigen, ent-stand 1999, als sich Carsten Mellwig vomAcud und Paul Howson, Chef der Film- undTV-Abteilung des British Council, auf derBerlinale über den Weg liefen. Anlässlichder Verleihung des europäischen Filmprei-ses im Dezember wurden dann Nägel mitKöpfen gemacht. Was im darauffolgendenMai mit immerhin 16 Spielfilmen und einerKurzfilmreihe an den Start ging, hat sich in-zwischen zu einem vielfältigen Programmgemausert, das in diesem Jahr mit zahlrei-chen Neuerungen aufwartet. Neben 13 fri-schen Langfilmen und vier Kurzfilmpro-grammen (inklusive einem »Best of ScottishScreen«-Spezial) wird es auch zwei Pre-views zu sehen geben sowie eine Homma-ge an Ben Hopkins (»The Nine Lives of Tomas Katz«), der wiesechs weitere Regisseure bereits fest zugesagt hat.

Erstmalig gibt es auch etwas zu gewinnen: Der Preis für denbesten abendfüllenden Film wird von einer aus Radio 1-Hörernbestehenden Jury verliehen, über den besten Kurzfilm darf dasPublikum per Stimmzettel entscheiden. Wer nicht nur guckenmöchte, sondern auch selbst Ambitionen auf dem Gebiet desFilmemachens hat, kann sich auf einem »Lo-to-No BudgetFilmmaking«-Seminar unter der Leitung Elliot Groves fachkun-dige Beratung in Sachen »wenig Geld – viel Film« holen und Wis-senswertes über die Spielregeln des Filmgeschäftes erfahren.Im Anschluss besteht beim »Live! Ammunition! Pitching Event«für jeden die Chance, seine kreative Vision innerhalb von zweiMinuten einem Publikum schmackhaft zu machen und sich da-bei einem gnadenlosen Wettbewerb zu stellen.

Parties, Konzerte sowie eine gut ausgestattete Videothekmit britischen Titeln im Festivalzentrum Acud vervollständigendas diesjährige Angebot, das für jeden etwas bieten dürfte. Ein-

geläutet wird »Britspotting« am 18. April um 22 Uhr mit einerEröffnungsparty im »Delicious Doughnuts«.

Weitere Informationen unter www.britspotting.de. Für be-sonders Interessierte gibt es übrigens einen Festivalpass zumPreis von 38 Euro (keine Ermäßigung). Individuelle Kinoeintritt-spreise liegen bei 5,50 Euro.

Black International CinemaKürzer und kleiner, aber dafür mit einem ebenfalls beachtli-chen Filmangebot präsentiert sich vom 2. bis zum 5. Mai be-reits zum 17. Mal das »Black International Cinema« in Berlin,genauer gesagt im Kino Klick. Zur Auswahl stehen 28 Filmeaus einer bunten Mischung von Herkunftsländern, wobei Isra-el ebenso vertreten ist wie Kanada, die Karibik oder China. Beiden Produktionen handelt es sich hauptsächlich um kurze undlange Spielfilme, doch stehen zum Beispiel auch Dokumenta-tionen, eine Videokunst-Installation oder ein »spo-ken video poem« auf dem Programm. Des weiterenwerden in der Galerie des Kinos unter dem Titel»Footprints in the Sand ?« Fotos und Plakate aus-gestellt, die das Schaffen schwarzer Künstler in Eu-ropa dokumentieren. Ins Leben gerufen wurde dasFestival 1986 vomFountainhead TanzTheatre, das sich, 1980von zwei amerikani-schen Künstlern in Ber-lin gegründet, das En-gagement für interna-tionale und interkultu-

relle Verständigung auf die Fahnegeschrieben hat. Kunst spielt hier-bei eine zentrale Rolle. So ist esauch die Absicht hinter »Black In-ternational Cinema«, Menschenverschiedener Herkunft zusam-menzubringen und an den Rand ge-drängten Minderheiten die Chancezu geben, sich und ihr Leben aus ei-gener Perspektive zu präsentieren,fernab von Klischees und Stereoty-pen der Filmindustrie. Weitere Infosgibt es unter: www.black-interna-tional-cinema.com. Der Eintritt proVorstellung (jeweils zwei Stunden)beträgt 6 Euro. nit <

Filme, Filme, Filme…

Kino KlickWindscheidstr. 1910627 BerlinTel. 323 84 37

Kino AcudVeteranenstr. 2110119 BerlinTel. 44 35 94 98

Kino CentralRosenthaler Str. 3910178 BerlinTel. 28 59 99 73

Kino fskSegitzdamm 210969 BerlinTel. 614 24 64

Neben »SehSüchte« buhlen zwei weitere Filmfestivals um das Interesseeines weltoffenen Kinopublikums.

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»Sehen Sie ihn?« – Vor dem Berliner Zimmer ist es übervoll, Men-schen versuchen sich nach vorne zu drängeln, werden zurück-gestoßen, Hälse recken sich, Fotoapparate werden geladen. Ei-ne sehr alte Frau versucht sich energisch ihren Weg zu bahnen.»Ich habe ein Anrecht darauf ihn zu sehen«, ruft sie, »ich war aufder Gustloff.« Günter Grass liest im Berliner Zimmer der Leipzi-ger Buchmesse aus seinem Buch, der im Februar erschienenenNovelle »Im Krebsgang«. Es ist die bestbesuchte Lesung derBuchmesse im viel zu kleinen Berliner Zimmer. Nach der Lesungund einem Interview, in dem Grass etwas Abfälliges über Ed-mund Stoiber sagt und etwas Lobendes über die deutsche So-zialdemokratie, steht er auf und will gehen. Unruhe entsteht,Menschen versuchen verzweifelt, sich nach vorne zu drängelnfür eine Unterschrift. Über die Lautsprecher ist ein Frau zu hören:»Bitte nur eine Unterschrift, mein ganzes Leben habe ich…«,doch da wird der Lautsprecher abgedreht, Grass bahnt sich sei-nen Weg zum nächsten Termin.

Lesungen bei weniger bekannten oder gar nicht bekann-ten Schriftstellern auf der Leipziger Buchmesse sind besonderstrostlos. Zumeist vor drei bis fünf Zuhörern kämpft ein Autor umdie richtige Betonung, während die Besucher der Messe mitihren 3Sat- oder arte-Tüten begierig durch die Messe strumseln,die halboffenen Lesungszimmer betreten, mit begierigen Augenkurz die Situation einschätzen, bemerken, dass es nichts um-

sonst gibt außer das Wort eines Schriftstellers, und sich darauf-hin wieder in den Besucherstrom einreihen. Sie ziehen weiter,immer auf der Suche nach etwas, das nichts kostet, ob nun Un-terschriften, Rotwein, Käsecracker oder Diogenes-Kinder-bücher. »Am schlimmsten sind die Schulklassen«, stellt ein An-gestellter des Rowohlt-Verlags fest, »sie stehlen wie die Rabenund dann auch noch ohne Sinn und Verstand.« Beim Reclam-Verlag sehen die Regale am vorletzten Messetag schon starkgelichtet aus, am Stand vom Suhrkamp-Verlag kann man einMädchen mit ihrem Freund beobachten, wie sie Postkarten-Setsmit Abbildungen von Suhrkamp-Autoren gleich im Dutzend inihre arte-Tüte schaufelt. Auf die Schulklassen angesprochen,reagiert eine Ausstellerin des Steidl-Verlags, in dem auch dasWerk von Günter Grass erscheint, gelassen. »Es macht mir inLeipzig mehr Spaß als auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst,die Besucher sind hier interessierter als in Frankfurt, man kommtmehr ins Gespräch und es ist nicht nur das abgeklärte Fachpu-blikum anwesend.«

Auch wenn einzelne Vertreter der großen Verlage wie Suhr-kamp, S. Fischer oder Rowohlt etwas entnervt sind von den Be-suchermengen, so ist doch auch für sie der Kontakt zu den Le-sern wichtig, auch wenn, außer in der Messe-Buchhandlung,die Verlage kein direktes Kundengeschäft betreiben. Wichtigernoch als der direkte Konsumentenkontakt ist das Einkaufsge-spräch mit angereisten Buchhändlern. Während auf der Frank-furter Buchmesse im Herbst das Weihnachtsgeschäft schon lan-ge vorbei ist und vor allem die Agentenkontakte zählen, nutzendie meisten Verlage auf der Leipziger Buchmesse die Gelegen-heit, den Buchhändlern ihr Frühjahrs- und Sommersortimentvorzustellen.

Doch die Besuchermengen, die sich durch die Gänge schie-ben, tun der Buchbegeisterung, die die vielen Stände auf derLeipziger Buchmesse auslösen, keinen Abbruch. Gerade fürFreunde guter und schöner Bücher ist die Messe eine Fundgru-be. Fast möchte man zum Dieb werden, wenn man sich das Sor-timent gerade kleiner Verlage ansieht. Da gibt es Verlagshäuser,die Klassiker der Weltliteratur in überformatigen Büchern her-ausgeben, mit großem Aufwand ausgestattete Bücher mit mei-sterhafter Typographie, wie man sie heute nur noch selten sieht,gelegentlich sogar noch im Bleisatz. Oder die kleine Arno-Schmidt-Stiftung aus Bargfeld, die die Bücher Schmidts her-ausgibt. Durch die Unterstützung Jan-Phillip Reemtsmas ist dieStiftung in der Lage, drei verschiedene Ausgaben zu verlegen,eine Standard-, eine Vorzugs- und eine Studienausgabe. Jedeist so gut gearbeitet, dass man sich eine arte-Tüte wünscht, inder alle drei auf einmal verschwinden können.

Für Verehrer antiquarischer Bücher gibt es zudem in einemabgetrennten Bereich eine Verkaufsmesse. Alte Bücher, Erst-ausgaben und signierte Exemplare finden sich dort in so großerAnzahl, dass man aus dem Staunen, nicht zuletzt über die ho-hen Preise, gar nicht mehr herauskommt. Zudem gibt es dortden Stand eines Antiquars, der auch vor der Freien Universität

Von Bleisatz bis Mangacomic

Auf der Leipziger Buchmesse gibt es nicht nur jede Menge Besucher mitarte-Tüten, sondern auch jede Menge tolle Bücher.

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gebrauchte Bücher verkauft. Hier jedoch ist er nicht in einer der-ben Wetterjacke anzutreffen, sondern im Nadelstreifen-Anzugund mit gänzlich anderen, exquisiten und teuren Büchern, dieer nie vor der Universität aufbauen würde. »Tja, das ist die an-dere Seite der Medaille, in der Woche vor der FU und an man-chen Wochenenden im Jahr auf teuren Messen.« Auch anzu-treffen auf dem Leipziger Messegelände sind einige Kunst-hochschulen, darunter auch die Kunsthochschule Weißensee,

deren Studenten ihre Erzeugnisse, vom Comic-Strip bis zur Ra-dierung in Kleinstauflagen, zu verkaufen suchen. Und wen dieKunsthochschulen nicht interessieren, der wird dennoch fündigwerden in dem großen Sortiment der Leipziger Buchmesse zwi-schen Manga-Comics, Koch-, Schul- und Reisebüchern, zwi-schen antiquarischen, bibliophilen und neuerschienen Büchern,zwischen Büchlein, Büchelchen und Büchern in allen Größenund Formaten. hm <

Kevin Vennemann ist ein wenig schüchtern, nein, Bücher sig-nieren fände er seltsam, lieber nicht. Es sei doch erst sein De-büt. Wenn Kevin Vennemann nicht in Leipzig auf der Buchmes-se aus seinem ersten Erzählband »Wolfskinderringe« liest odergerade an einer Prosa-Skizze arbeitet, dann studiert er an derFreien Universität Berlin Neuere deutsche Literatur, Neueste Ge-schichte und Judaistik. Erst vor drei Jahren hat Vennemann,Jahrgang 1977, mit dem Schreiben begonnen. Ein Vertreter derneuen Berliner Literaturszene ist er jedoch keinesfalls, in seinenneun knappen Erzählungen kommt das Wort »ficken« nicht ein-mal vor, auch Drogenexzesse oder der Einkauf von Berluti-Schu-hen oder Boss-Anzügen sind nicht sein Thema. Überhauptschreibt dieser junge Berliner erfrischend anders als so viele Au-toren aus dieser Stadt.

Nicht die Konkretion ist sein Verfahren, sondern die Asso-ziation, ausgehend von einer raum- und zeitlosen Dezentriert-heit. Was dabei herauskommt, ist aber nicht postmoderne Be-liebigkeit, sondern der Versuch, durch die Schilderung vonTraumhaftem und Entgrenztem, manchmal Märchenhaft-Kind-lichem zwischenmenschliche Zustände besser zu fassen, alsdurch realistisches Erzählen. »Eine J. D. Salinger-Geschichte sonacherzählen, wie Astrid Lindgren das tun würde«, ist seinselbsterklärtes Ziel. Das gelingt in den neun Erzählungen malbesser und mal schlechter, aber der Versuch zählt.

Seit er schreibt, hat er fastnur kleine Prosa-Skizzen ge-schrieben, knapp hundert Stück.Gerade die erst kurz vor Druck-legung entstandenen Geschich-ten wie »Einer, der aus Laramiewar, hob den Arm« beeindruckendurch Tempo und Rhythmisie-rung der Sprache. Seine aller-ersten Prosa-Skizzen hat Venne-mann dem Kölner Tropen-Verlagvor drei Jahren geschickt, nach-dem er eine Lesung des Verlagesbesucht hatte. »Dann habe ichsehr schnell danach einen Ver-trag unterschrieben.« Was jetztnach dem Debüt kommt, ist nochnicht ganz entschieden. Mit demTropen-Verlag, der neben KevinVennemann noch andere Auto-ren verlegt, die nicht ganz auf der kurzatmigen Zeitgeist-Wel-le der neuen Berlin-Literatur mitschwimmen, ist zumindest einweiteres Buch vereinbart, »wahrscheinlich eine längereStrecke«. hm <

Die Sache mit dem Kornfeld»Wolfskinderringe«, ein Erzählband des FU-Studenten Kevin Vennemann

Kevin VennemannWolfskinderringeErzählungenTropen-VerlagKöln 2002151 Seiten12,80 Euro

Foto: Christoph Schlüter

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LAUT & leiseFiddler’s GreenFolk Raider(Deaf Shepherd recordings)bereits im Handel

www.fiddlers.de

Besinnung auf’s Wesentliche Eine einsame Cocktaillounge, in der ein Klavier die nachdenkli-chen Songs des rauchenden Sängers untermalt. So wirkt »Is AWoman« von Lambchop beim ersten Hören. Kein Album, bei demman so weit die Anlage aufdrehen muss, dass man Ärger mitden Nachbarn bekommt. Aber eines, das durchaus mit Überra-schungen aufwarten kann. Die erste Überraschung für Lamb-chop-Anhänger war sicherlich der stark reduzierte Sound, dersich ganz auf die Stimme Kurt Wagners und das sanft getupfteKlavier des neuen Bandmitglieds Tony Crow konzentriert. Aufdem fünften Album fehlen Bläsersätze und orchestrale Mo-mente, wie sie auf den Vorgängeralben auftauchten. Vermisstwerden sie jedoch nicht. Sänger und Songschreiber Wagnerweiß, dass alles, was man bei einem Song weglässt, letztlich ge-nau so wichtig ist, wie das, was man spielt.

Dennoch täuscht der erste Eindruck ein wenig. »Is A Wo-man« ist zweifellos ein ruhiges, harmonisches Album. Wagnerstiefe Stimme wandelt häufig auf dem schmalen Grat zwischenSingen und Sprechen. Auch in seinen Texten spürt man die Be-sinnung auf das Einfache und Wesentliche, das jedoch eine poe-tische Dimension hat. Aber ganz so schlicht ist das Album danndoch nicht. Da erhebt sich bei »I Can Hardly Spell My Name«schon mal im Hintergrund ein »na-na-na«-hauchender Chor, derden Hörer zum Schmunzeln bringt, und der letzte Song schwenktunerwartet in einen Reggae-Rhythmus um. Beinahe sphärischeKlänge werden raffiniert erzeugt und kontrastieren Wagners er-dige Stimme.

Bodenhaftung beweist er aber nicht nur beim Singen. Vier-zehn Jahre arbeitete er als Holzfußboden-Verleger, bevor er sichim Juli letzten Jahres plötzlich entschloss, seinen Job zu kündi-gen. Seitdem macht er nur noch Musik. Die neu gewonnene Frei-heit macht sich vor allem darin bemerkbar, dass Wagner sichZeit nimmt. Da kann ein Song schon mal beinahe acht Minutendauern und dementsprechend langsam anfangen. Neben denMenschen spielt auch die Natur eine nicht ganz unwesentlicheRolle in seinen Texten. Neuerdings hat Wagner jedoch sein idy-llisches Nashville/Tennessee mit den Bühnen Europas und derUSA getauscht: Am 23. April spielen Lambchop in Berlin in derPassionskirche. ff <

Irish Folk-Rock aus ErlangenWas tun nach dem Studium? Wie wäre es mit einer Bandgrün-dung? Vor elf Jahren ist, sozusagen aus den Vorlesungsälenheraus, die Band Fiddler’s Green entstanden. Erst seit kurzemist Tobias Heindl mit der Violine dabei und arbeitet nebenbei anseinem Examen. »Es ist anstrengend, diese zwei verschiedenenWelten zu vereinen. Da fällt es schwer, sich zum Lernen zu mo-tivieren. Wenn ich heim komme, brauche ich erst mal einen hal-ben Tag für den Filmwechsel.« Die Band hat das alles schonhinter sich. Peter Pathos, der so eine Art Bandchef ist, weiß dasjüngste Bandmitglied anzuspornen: »Wir sind da Vorbild. Tobiasmuss jetzt gut abschließen, sonst fliegt er raus. Wenn er denSchein nicht schafft oder schlechter als 2,0 – dann kann er ge-hen.«

Insgesamt machen Fiddler’s Green eher Nischenmusik,»aber das ist eigentlich ‘ne zeitlose Nische«, hat Komponist undTexter Peter Pathos festgestellt. »Man versucht natürlich immer,etwas besser zu werden und in der Nische Neues auszuprobie-ren.« Deshalb fällt es sowohl der Band als auch den Fans schwer,die Musik von Fiddler’s Green zu beschreiben. Peter Pathos ver-sucht es gar nicht erst: »Wir haben alle seit dem Anfang viel da-zugelernt. Allein deshalb hoffe ich, dass sich die Band auch wei-terentwickeln wird. Jetzt kommen neue Medien dazu: Internet,Multimedia. Und diese mit der Musik zu kombinieren, das ist sehrinteressant und für uns auch wichtig.« Deshalb hat die Bandschon lange einen Internet-Auftritt und auf der neuen CD »FolkRaider« gibt es einen Multimedia-Track.

Auf der Bühne geht es schwungvoll folk-rockig zu. Hinter derBühne gibt es Obst, Orangensaft und Sänger Ralf Albers hat sichinzwischen so an den Tee, den er gegen seine Erkältung in Un-mengen trank, gewöhnt, dass er ihn auch auf der Bühne braucht.Doch das gehört bei Fiddler’s Green offenbar dazu, wie TobiasHeindl erzählt. »Man muss schon aufpassen, dass man gesundlebt: viel Obst essen zum Beispiel. Das ist eher das Gegenteil desKlischee-Rockerlebens. Gesund leben, um lange Rocker sein zukönnen.« Inzwischen sind sie auch alle Nichtraucher.

Die neue CD ist raus, die Band tourt durch Deutschland undPeter Pathos denkt schon wieder über neue Vorhaben nach:»Neulich habe ich überlegt, einen Videobeamer bei einigen Ti-teln einzusetzen, das könnte sehr interessant sein. Es gibt immerneue Sachen, die man mal ausprobieren möchte.« alf <

LambchopIs A Woman(City Slang)bereits im Handel

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Nicht Offenbach. Weiter unten. Ganz weit unten. Zwischen Frei-burg und Karlsruhe und Straßburg. Manche sagen dann, wieschön Freiburg sei, und manche glauben, dass so weit im Südenimmer die Sonne scheint. Neid irritiert mich. Ich bin nicht zu be-neiden um diese Heimatstadt, die sich »Tor zum Schwarzwald«nennt, als ehrliches Eingeständnis ihrer Lage: Über Offenburgbleiben schwer die Wolken hängen und die Berge sind nah ge-nug, dass Omas beim Stadtbuckel schwer atmend vom Rad stei-gen, und weit genug weg, dass die Kinder mit ihren Schlitten aufder Schneeschicht festsitzen, die so dick ist wie die Fütterungihrer Handschuhe. Außerdem ist Offenburg nicht Freiburg, son-dern siebzig Kilometer davon entfernt. Offenburg ist das Zen-trum des Nichts.

Bevor meine beste Freundin ihren Corsa bekam, war dieExistenz von Freiburg so hilfreich für uns wie eine Fata Morganafür den Verdurstenden. Der Corsa war schmutzigbraun undsprang meistens nicht an und wir liebten ihn, obwohl er mit sei-nem Benzindurst unser Taschengeld vertrank,bevor wir in Freiburgs Kneipen ankamen. Des-halb blieben die Fluchten selten. Das Ritual amFreitag- und Samstagabend war gesichert.Wir saßen in ihrem Zimmer und waren ratlos.Wohin gehen?

In Offenburg gibt es zwei Kinos, derenProgramm bereits alles über die Zurech-nungsfähigkeit der Bevölkerung aussagt, dieApfelkuchen und schreienden Masken, Teil 3,Dauerlaufzeiten beschert. Wir brauchen hierkeine guten Filme, um nachdenklich zu wer-den. Unsere Depression über den Zustandder Menschheit ertränken wir freitags in ei-nem der drei Eiscafés, in denen um zwölf dieStühle zusammengerückt werden. Die ande-ren Cafés schließen um acht. Es gibt auch ei-ne Disco. Das OM. Only Mainstream. Das OMlockt mit Laserstrahlen über den Dächern Of-fenburgs. Es ist das Ziel aller 16jährigen blon-dierten, hochtoupierten Girl-Leserinnen, diesich in goldigen Orsay-Tops an der Ausweis-kontrolle vorbei schmuggeln. Wenn Autos da-vor stehen, haben sie bestimmt das Kennzeichen Offenburgs:OG. Ohne Gehirn. In unserer Verzweiflung waren wir sogar ein-mal im »Apfelbaum«. Nur einmal. Wir stehen beide nicht so sehrdarauf, mit schwankenden, verschwitzten dickbäuchigen Fünf-zigjährigen zu flirten.

Wohin sollen wir gehen? Betretenes Schweigen. Das Studt?Wir zucken gleichzeitig mit den Schultern. Studt wie immer. Studtklingt nach Stadt. Das Studt ist am Bahnhof. Dort fuhr ich an demAbend, als ich zum ersten Mal allein das Auto meiner Mutter be-kam, den neuen Mégane an den Baum. Das hinterließ eine Beu-le an der Wagentür und bleibende Erinnerungen in mir. In hoff-nungslosen Situationen hofft man immer auf den rettenden Mär-chenprinzen. Seit diesem Abend wusste ich endgültig, dass Of-fenburg keine rettenden Märchenprinzen bereit hält.

Das Studt liegt über dem »Kanapee«, einem sehr dubiosenSpeiselokal, das aussieht, als wäre es geschlossen, aber einedicke, schmutzige Frau steht an der Bar und raucht und wartet

auf Kundschaft. Durch einen dunklen Hintereingang kommtman ins Studt. Es ist der alternativste Raum in Offenburg. Dortläuft HIM und die Toiletten haben Brandflecken von Zigarettenund manchmal kann man sie nicht abschließen. Wenn der Bil-lard-Tisch nicht kaputt ist, spielen wir Billard im Nebenzimmerund stoßen mit den Queues an die Wände und an die Lampe,die tief über dem Tisch hängt. An der Bar sitzen die abgewrack-testen Gestalten Offenburgs und starren in ihre Biergläser. Wirsitzen an einem kleinen Tisch am Fenster, trinken eine Mixturaus Rotwein und Cola und starren sehnsüchtig durch das Fen-ster auf den Bahnhof.

Das Gute an Offenburg sind seine guten Bahnverbindun-gen. Der Deutschen Bahn verdankt Offenburg einen gewissenBekanntheitsgrad, denn Leute auf dem Weg von einer Stadt zueiner anderen kennen manchmal Offenburg vom Durchfahren.Wenn sie mich fragen, ob es sich lohne, in Offenburg auszustei-gen, seufze ich. Meine Freunde und ich sind erfahrene Wo-

chenendticket-Fahrer. Auf der Rückfahrt sind sogar die Regio-nalzüge der Deutschen Bahn zu schnell und wenn wir ankom-men, weint der Himmel mit uns und wir trotten im Regen aus derBahnhofshalle.

Jetzt möchte Offenburg seinen Slogan verändern. Schlussmit »Tor zum Schwarzwald«. Das klingt zu bieder für eine Stadt,die ihre Besucher mit zwei Skulpturen begrüßt, von denen jedemindestens 100.000 Mark gekostet hat. Nur Banausen nennendiese Kunstwerke »verrostete Büroklammern«. Offenburg möch-te Future haben. Deshalb beschreibt sich Offenburg heute alsStadt im »Kinzig valley«. Auch das ist eine ehrliche Lagebe-schreibung. Kein Ziel für Gipfelstürmer. Außerdem klingt es cool.Wahrscheinlich inspirierte es einen Offenburger Bürger zu sei-nem Vorschlag für Offenburgs neuen Slogan. Offenburg, someint er, das sei »high tech zwischen Weinbergen«. Das ist ge-nial, nur würde ich es noch ins Badische übersetzen: Hei tecktschwische winnberje. Natascha Einhart <

Metropolen der Welt: Offenburg

Foto: Stadt Offenburg

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Vorträge und Veranstaltungen23. AprilInformationsabend »Studium und Praxis im Ausland«Referent/innen: Uwe Brandenburg, Dr.Sebastian Fohrbeck, Alexandra Hahn,Bernd KonschakHU-Hauptgebäude, Unter den Linden 6,Senatssaal19:00 UhrInfos: Tel. 2093-2946www.zeit.de/chancenforum

25. April2nd Berlin International Study Day»Die Chancen Berlins auf dem Internationalen Bildungsmarkt«(Messe und Podiumsdiskussion)TU Berlin, Hauptgebäude Straße des 17. Juni 135Messe im Lichthof14:00 – 18:00 UhrPodiumsdiskussion »Das Dilemma derneuen internationalen Studiengängezwischen Qualitätsanspruch und Finan-zierbarkeit«u. a. Prof. A. Cochrane (Pro-Vice Chan-cellor Open University London), Prof. Dr.K. M. Einhäupl (Vorsitzender des Wissen-schaftsrates), Prof. Dr. G. Schwan (Viadri-na), Dr. Chr. Bode (DAAD), Prof. S. Neiman(Direktorin Einstein Forum, Potsdam) Raum H 10418:00 – 20:15 UhrKontakt: Grit Kümmele, HUTel. 390 06-263 eMail: [email protected]

9. bis 29. AprilUnternehmensgründungsseminareSommersemester 2002Veranstalter: TU, WissenstransferKontakt: Tel. 314-214 59, -217 68 eMail: [email protected], Steinplatz 1, 5. Etage, Raum HH 522Anmeldung unter Tel. 314-239 06, Fax: 314-240 87 oder eMail: [email protected] Teilnehmerzahl (25)

29. AprilVortrag im Stadtkolloquium zu »Die Stadt als politischer Raum«Referent: Jascha SchmiererHU-Hauptgebäude, Unter den Linden 6,Senatssaal18:00 UhrInfos: Tel. 2093-4208www2.hu-berlin.de/stadtsoz

Das Akademische Auslandsamt der HU(Unter den Linden 6, Räume 3077 bis3085) hat im SoSe neue Öffnungszeiten:Di 10:00 – 13:00 Uhr, 14:00 – 16:00 UhrDo 10:00 – 13:00 Uhr, 14:00 – 18:00 Uhr

InformationsveranstaltungenHU-Hauptgebäude, Raum 3120Internationaler Club »Orbis Humboldtianus«25. April, 16:00 Uhr »Studieren in den USA«Referent/innen: Dr. Stephen LeMoine, Dr. Ursula Grawert25. April, 17:00 Uhr »Studieren in den USA mit Fulbright-Stipendium«Referentin: Dr. Ursula GrawertInfos: Tel. 2093-21397. Mai, 17:00 Uhr»DAAD-Jahresstipendien für USA, Kanada, Australien, und Neuseeland«Referentinnen: U. Brodien, Dr. U. GrawertInfos: Tel. 2093-24738. Mai, 17:00 Uhr»Teaching Assistantship in den USA«Referentinnen: Dr. Barbara Gügold (IES),Dr. Ursula GrawertInfos: Tel. 2093-213916. Mai, 17:00 Uhr»Studieren in Westeuropa«Referent: Dr. Dietmar BuchmannInfos: Tel. 2093-287123. Mai, 17:00 Uhr»DAAD-Jahresstipendien für Lateiname-rika, Afrika, Arabische Staaten und Asien«Referentin: Ulrike BrodienInfos: Tel. 2093-2473

23. bis 25. Mai»2nd Annual Students Conference«Thema: »Haunted Dreams. Nightmares inAmerican Culture«Veranstalter: Studierende der Amerikanistik der HUHU-Hauptgebäude, Unter den Linden 6Räume 3002 (Do), 2103 (Fr – Sa)Beginn: Do 16:00 Uhrwww2.hu-berlin.de/amerika/projects/haunteddreams

Sonntagsveranstaltungen im Museum für Naturkunde5. Mai: Die Toten und Exoten12. Mai: »Museen und Globalisierung« –Internationaler Museumstagjeweils 15:00 UhrInfos: Tel. 2093-8540www.museum.hu-berlin.de

Uni-TermineZentrale Immatrikulationsfeier derFreien Universität (FU)17. April10:00 UhrHenry-Ford-Bau, Garystr. 35, Audimax

Sprechstunden bei HU-Präsident JürgenMlynek24. April, 22. Mai, 19. Juni,17. Julijeweils 12:00 – 14:00 UhrAnmeldung bei Daniela Voss (Persönli-che Referentin des Präsidenten) mit kur-zer Angabe zum Thema eMail: [email protected]

Antragsfrist für Urlaubssemester HU: bis 13. MaiFU: bis 24. Mai

Neue Öffnungszeiten der Zentralen Universitätsbibliothek der HUDorotheenstraße 27Informationszentrum, Lesesäle, Leihstelle, LehrbuchsammlungMo – Fr 10:00 – 20:00 UhrSa 11:00 – 15:00 Uhr

Führungen durch die Zentrale Universitätsbibliothek der HU15. April bis 3. Maitäglich um 10:00 UhrAnmeldung nicht erforderlichTreffpunkt: Informationszentrum der UB

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Kultur1. März bis 31. DezemberSonderausstellung 2002»Kôan – Zen-Kalligraphien«Luisenstr. 39, Raum 2 und SchaufensterVeranstalter: Mori-Ôgai-GedenkstätteExponatenwechsel alle zwei Monate Infos: Tel. 282 60 97

18. AprilÄsthetische Filme Japans»Zigoineruwaisen/Zigeunerweisen« (R: Suzuki Seijun, 1980)Johannisstraße 15, Raum 30118:15 Uhr

22. bis 25. AprilJapanischer Filmclub im Arsenal»Love/Juice« (R: Shindo Kaze, 2000)Potsdamer Platz, Kino 119:00 UhrInfos: Tel. 282 60 97

27. AprilCafé Litteraire (Lesershow) Große Monatspartybuntes Programm mit Alain Jadot TU-Hochhaus, Ernst-Reuter-Platz 720:00 Uhr

27. AprilBenefizparty »Obdach e. V.«Livemusik und DJEintritt: 5 Euro (die Einnahmen gehen andas Obdachlosen-Nachtcafé)KulturfabrikLehrter Straße 3521:00 UhrDas überwiegend von Studis betriebeneNachtcafé bietet jeden Donnerstag-abend Obdachlosen in Friedrichshain Es-sen und Unterkunft.

29. März bis 27. AprilKörperstimmen N°7 im PodewilTanz und Performance international19., 20. April: M. Spångberg/T. Lind-strand: »i.e. All All Over Over All All et. al.«25. – 27. April: Philipp Gehmacher: »good enough« + »Holes and Bodies« jeweils 20:00 UhrEintritt: 13 Euro (ermäßigt 10 Euro)Klosterstraße 68-70www.podewil.de

4. MaiKOOKread Lesungmit Karla Reimert, Daniel Falb und SasaStanisicab Mitternacht: DJ IG TonträgerStart der KOOK Kulturnacht, die jeden er-sten Samstag im Monat mit Lesungen,Konzerten, Performances einlädt.Café Zapata, im Tacheles, OranienburgerStraßeVeranstalter: KOOKberlin-newyorkInfos: Tel. 48 49 29 92 www.kook-label.de

SportSpiele der SSG Humboldt21. April: gegen FCK Frohnau5. Mai: gegen KladowAnstoß jeweils 15:00 UhrSportforum WeißenseeWeißenseer Weg 53

Kinoklub der HU18. April: Moulin Rouge (R: B. Luhr-mann), Dt. F., USA 2001, 127 min

Reihe »Terrence Malick« (Regisseur):23. April: Badlands / Badlands – Zer-schossene Träume, OV, USA 1973, 95 min25. April: Days of Heaven / In der Glutdes Südens, Dt. F., USA 1978, 95 min30. April: The Thin Red Line / Derschmale Grat, OmU, USA 1998, 170 min

Reihe »Road Movies«:2. Mai: Pierrot Le Fou / Elf Uhr nachts (R:J. L. Godard), OmenglU, F 1965, 110 min7. Mai: Bonnie and Clyde (R: A. Penn),OV, USA 1967, 111 min14. Mai: Dorogi / Unterwegs (R: M. Ma-gambetow), OmU, Rus/BRD 2002, 60 min

Programmzeitschrift des Kinoklubs »Ki-noklubber« liegt in der Uni aus, Kinosaalim HU-HauptgebäudeAlle Veranstaltungen Di/Do um 20:00 UhrInfos: Tel. 2093-1743www.kinoklub.de

»Abwesenheit« in der Kleinen Humboldt-GalerieNoch bis zum 2. Mai 2002 zeigt die Klei-ne Humboldt Galerie »Abwesenheit« –eine Ausstellung der südamerikani-schen Künstlerin Heloisa Corrêa. DerStil der Bilder der seit 1994 in Deutsch-land lebenden Malerin reicht von ab-strakt bis figürlich. Ihre brasilianischeHerkunft findet sich in erdigen Farbtö-nen wieder. Die Humboldt Galerie hatmontags bis freitags von 12 bis 18 Uhrgeöffnet und befindet sich im Flur desRechenzentrums im Hauptgebäude derHU.

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Die Fahrt von Schlesw

ig nach Berlin dauerte doch länger als ge-

plant, und im Prenzlauer B

erg gab es keinen Parkplatz für denU

mzugsw

agen, so ging die Nacht verloren für Im

mo und seine

Um

zugshelfer, die

nun selig

zwischen

Kartons

schlafen,w

ährendIm

mo im

Hauptgebäude der H

umboldt-U

niversität ineiner M

enschenschlange steht, die ihn an alte DD

R-Fotos erin-

nert, als die Leute nach irgendwas anstanden, w

as es sonst nichtgab. Kennt m

an ja, wie die da anstanden, w

eil aus dem W

estenm

al was kam

, und stundenlang in der Schlange dann, bis derVorderm

ann den Rest aufkaufte und die dann alle w

ieder nachH

ause gehen konnten, die Hausfrauen. D

afür gab es keine Ar-

beitslosen. Jetzt ist die H

umboldt-U

niversität plötzlich im W

esten, unddie Schlangen sind noch die gleichen w

ie früher, und arbeitslosw

ird man leider trotzdem

, da braucht Imm

o sich gar keine Illu-sionen m

achen mit seinem

Soziologie-Studium, für das er sich

einschreiben will, w

enn erst mal die 43 B

alderstsemester vor ihm

in der Tür verschwunden und w

ieder aus ihr heraus getretensind, nein, jetzt sind es nur noch 42, Im

mo zählt m

it, was soll m

an

auch tun in dieser Situation. Imm

o trägt Augenringe, die sein

ganzes Gesicht indianergleich verzieren, und so fühlt er sich

auch. »Berlin ist so cool«, sagt die Frau vor ihm

, sie ist vielleicht 20,und sie sieht aus w

ie aus Verbotene Liebe, zumindest das O

ut-fit, das G

esicht und die Figur sind anders, molliger irgendw

ie,und w

enn sie redet, dann verdreht sie die Augen, vielm

ehr einsnur, w

ährend das andere starr bleibt, und trübe ist es auch ir-gendw

ie und Imm

o überlegt, ob die wohl blind ist links. »Findest

du nicht?« fragt sie, und Imm

o stellt erschreckt fest, dass die jam

it ihm redet, das m

erkt man schw

er, weil die A

ugen so wirr sind.

Imm

o hat keine Lust, sich zu unterhalten, er zeigt auf seine Walk-

manstöpsel in den O

hren, auf denen zwar keine M

usik ist, weil

die Batterien leer sind, aber für diesen Zw

eck durchaus prak-tisch, solche Stöpsel (er hätte auch Strategie 2 verw

enden kön-nen:

die So-tun-als-sei-m

an-taub-stumm

-Num

mer),

diehalbblinde Tussi dreht sich w

ieder nach vorne und ist böse aufihn. Sie holt ein B

uch aus ihrer Tasche: »Soziologie zur Ein-führung«, und Im

mo überlegt kurz, ob er sich doch nicht ein-

schreibt, als er merkt, dass nur noch 41 B

einahestudenten vorihm

warten, w

ährend sich hinter ihm im

mer m

ehr Menschen

einreihen. Als plötzlich sein H

osenbein hinten ganz warm

wird,

dreht er sich um, alles ganz braun: Jem

and hat seinen Mensa-

teller mit B

uletten und ordentlich Soße auf ihn fallen gelassen,total scheiße. »D

as geht gar nicht«, sagt er und lässt sich von ver-schäm

ten, jung aussehenden Mädchen m

it Taschentüchernden Scheiß w

ieder wegrubbeln, und er w

ill gerade seine Walk-

manstöpsel aus den O

hren nehmen, um

ein Gespräch m

it denM

ädchen anzufangen, sieht dann aber gerade noch rechtzeitig,dass die m

ännliche Begleiter haben, die ihn schon böse anlin-

sen. Und eigentlich bekom

mt Im

mo auch gerade ein kleines Pro-

blem m

it seiner Blase, aber pinkeln ist in diesen O

stschlangen jaauch nicht drin, dann kom

mt m

an erleichtert zurück und kannsich w

ieder hinten anstellen, bis man w

ieder muss.

»Ah, hallo«, eine H

and tippt plötzlich auf Imm

os Schulterrum

, er dreht sich um, da steht ein Typ und glotzt ihm

ins Gesicht,

daneben noch eine idiotisch grinsende Tusse. »Hallo«, sagt der

Typ noch mal, er zieht blöde G

rimassen, die ihn w

ohl aufmuntern

sollen, jetzt ordentlich was zu sagen, und die Frau grinst ihn an,

so eine Dauergrinsfresse zum

Raufhauen ist das, denkt Im

mo.

»Wir sind von der U

nAufgefordert, das ist die Studentenzeitung

der HU

«, grinst die Grinsfrau und fuchtelt w

ild mit einem

Kugel-schreiber und einem

Schreibblock, auf dem Pferde abgebildet

sind, rum: »Sag m

ir doch erst mal deinen N

amen und w

ie alt dubist und w

as du studieren willst.« A

lle gucken auf Imm

o in derSchlange, und der w

eiß gar nicht so genau, was er jetzt m

achensoll. M

uss ja eine Wahnsinnszeitung sein, denkt er, so Schüler-

zeitung-Verschnitt, fehlt nur noch ein Kloreport. U

nd als Imm

osagt, dass er Im

mo heißt, lachen die R

eporter ganz dolle, weil

Imm

o ja in der Imm

aschlange steht, und Imm

o beschließt, nie,aber auch nie, auch nur einen B

lick in diese schreckliche Zei-tung zu w

erfen. Noch 34 Leute w

arten vor ihm. Plötzliche Taub-

stumm

heit. Imm

o beschließt, doch eine Kochlehre zu machen.

aw <

Über Im

mo und die Im

ma

Katechism

us des Studenten, Folge XX

V

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