UnAufgefordert Nr. 67

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Die Studentenzeitung der Humboldt Universität 7. Jahrgang 6Juni 1995 4t i I I

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Das ist Ausgabe Nummer 67 der Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 6. Juni 1995.

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Die Studentenzeitung der Humboldt • Universität 7. Jahrgang

6Juni 1995

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Kiepert an derHumboldt-UiiiDie Buchhandlungin der Georgenstraße 2,in 10117 Berlin-Mitte,nahe Bhf. Friedrichstr.Telefon 20818 44 und 45Fax 208 18 29

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Die dritte Seite-

Editorial

Die Wissenschaft, vor allem aber die Universitäten haben es schwer

in Berlin. Auf Sparbeschlüsse folgen Sparbeschlüsse folgen Spar-

beschlüsse... Ein Weg, wie man am allermeisten sparen kann, ist der

einerZusammenlegung, Fusion genannt. Eine solche ereilte die Cha-

rite und das Rudolf-Virchow-Klinikum, die späterhin gemeinsam die

medizinische Fakultät der Humboldt-Universität bilden werden. Wer

und was bleibt dabei auf der Strecke, fragten wir und sahen doch

Land am Horizont, denn auch eine nicht gewollte Veränderung bietet

die Chance einer Erneuerung ungünstiger Bedingungen.

Daß von diesem produktivem Umgang mit der kärglichen Situation

der Wissenschaft in Berlin nur wenig in alle Bereiche der Universität

dringt, zeugen unsere Beobachtungen der Reaktionen auf die kom-

menden Sparbeschlüsse.

Über den Kampf der Dogmatiker an der FU berichtet UnAUF in

Form zweier Schlaglichter: Peter Duesberg, der AIDS-Virus-Verleugner,

war in Dahlem zu Gast und die langjährig erscheinende Fachschafts-

zeitung des Otto-Suhr-Instituts muß sich Sorgen machen über seine

Weiterexistenz...

Wer das Amüsante sucht, der wird es finden können: Ob ein Besuch

im Gruselkabinett, neue Museumsprojekte ans Licht holt, ob ein Thü-

ringer Gralshüter der deutschen Sprache zu ihren edlen Weihen ver-

hilft oder ob ein Verhüllungsversuch vor Christos großem Reichstags-

projekt um zeitlichen Vorsprung buhlt.

Nachdem dieses Heft in größter Zeitnot uns aus der Hand floß (ein

neuer, schöner und schneller Laser-Drucker war daran nicht unbetei-

ligt), da uns die Druckerei wegen ihres Nach-Pfingsturlaubs quengel-

te, doch recht rasch vorbeizukommen, stürzen wir uns schon in die

nächste Arbeit: den Rettungsring Nr. 5 für das WS 95/96 und das SS

96. Allen Neuankömmlingen sei schon im voraus das hoffentlich in-

formative Werk empfohlen.

Verbunden mit den besten Grüßen für die neu hinzugekommenen

Redaktionsmitglieder, die sich im ersten Hefteinsatz wackerschlugen,

wünschen wir allen Studenten und Studentinnen eine helle und

erlebnisvolle Sommersonnenwende (21. Juni).

Inhalt

TitelGlückliche Hochzeit im Senat 4

Interview mit Prof. Dr. Frömmel(Charite) 6

Interview mit Prof Dr. Scheffner(Virchow-Klinikum) 9

Betrachtungen einesMedizinstudenten 11

Reformstudiengang Medizin 12

Zum Selbstmord von

Dr. R.Mucke 15

Die Sparmillionen der HUB 16

Erhardt zum Vorschlag der HUB 17

Kommentar zum Berliner

Hochschultag 18

OSl-Zeitung ohne Geld? 20

Njuhs 22

xilturChristos Reichstagsverhüllung 23

UnAUFs Verhüllung 24

Blick unter die Hülle 26

Berufsleben desGeisteswissenschaftlers 32

Museum für die Pathologie? 34

j j j Onkel Wanja am DT. 40

! ! Ein Konzerterlebnis 41

(ben15-Mark-Ticket 27

Aus aller Welt 48

ludierenl Studierende in Kairo 28i

*, Mensa-Nord im Plastikrausch 29

Moneteninfo 31

..33Njuhs

>rschung"AIDS-Rebell" Duesberg an der FU 37

"Der Fall von Berlin" 44

lubriken

Roman 45

Leserbriefe und Kleinanzeigen.... 46

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Titel

Es ist vollbracht!Glückliche Ehen werden im Himmel geschlossen, Klinika Hochzeiten im Senat. Auch

wenn die Eheleute Charite und Virchow jetzt noch nicht so recht die weiseEntscheidung verstehen wollen, so wissen wir doch alle, daß von langer Handgeplante Partnerschaften dauerhafter und effektiver sind als Liebesheiraten.

Schon kurz nach der Wiedervereini-gung begannen die Hochzeitsvor-bereitungen, denn drei Uniklinika könn-te man sich auf Dauer ohnehin nichtleisten. Als bald waren die Brautleuteausgeschaut: die alterwürdige Charitesollte mit dem schneidigen Jüngling Vir-chow den Bund fürs Leben schließen.

Doch noch bevor der Pastor die Fragenach irgendwelchen Einwenden stellenkonnte, erhob sich aller Orts ein Jam-mern und Wehklagen. Die Kuppler, reichan Erfahrung, ließen von ihrem Vorha-

ben vermeintlich ab. Geld für alle ge-nug ist nicht da, also arrangiert Euch.Aber die Verhandlungen der HU mit derFU über den nötigen Strukturwandelblieben zunächst ergebnislos. Die Vor-schläge einer Expertenkommission wur-den abgelehnt. Und so einigten sichEnde 1993 die medizinischen Fachbe-reiche der Charite und des UKRV dochauf ein Konsenspapier, eine sogenann-ten Ehevertrag. Dieser wurde dann dieGrundlage für den Gesetzentwurf, deram 12. Oktober 1994 von SPD und CDU

eingebracht wurde.Die Charite fühlte sich durch diesen

aber betrogen. Verschiedene Punkte wiedie Garantie der Zahl der Beschäftigtenund der Betten und die Sicherung desStandortes Mitte mit Hilfe einer 8OOMillionen hohen Investition bis zum Jahr2OO4 für die Charite seien in dem Ge-setzentwurf nicht wie vereinbart enthal-ten. Ihr tapferer Fürsprecher, Herr De-kan Mau, drohte sogar mit seinem Rück-tritt, sollten diese Fragen nicht noch ge-klärt werden.

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Page 5: UnAufgefordert Nr. 67

TitelUm böses Blut zu vermeiden, schick-

ten die Hochzeitsplaner ihren Delegier-ten Diepgen, der in einem vertraulichenGespräch Herrn Mau die heren Absich-ten bestätigen und diverse Versprechenmachen sollte.

Dieser schöne Zug sollte wohl soundiplomatische Äußerungen wie diedes Franz Braun von der CDU: „Wir wer-den die Fusion auch gegen den Willender Charite durchziehen" mildern.

Selbst die Ritter der eiligst gegründe-ten Tafelrunde, sollten das Kränzlein derEhre nun nicht mehr retten können. DieCharite e.V., bestehend aus Kuratorenund Professoren des Klinikums, setztensich vergebens für eine „ eigenständigeWeiterentwicklung der Charite trotz an-gespannter Wirtschaftslage" in Berlin ein.

Selbst eine Demonstration wurde an-geleiert, und die vermeintliche Braut de-monstrativ mit einer schwarzen Schärpegeschmückt.

Aber es kam wie es kommen mußte:am 9- 12. 1994 gaben sich die beidendann doch das Jawort. Und wie es sichfür eine emanzipierte Frau Ende des 20Jahrhunderts gehört, wurde der Nameder Braut Charite zum Familiennamegewählt. Oder wie sie sich nun mit vol-len Titel nennen: UniversitätsklinikumCharite der Humboldt-Universität zuBerlin.Wie es für vereinbarte Ehen typisch ist,

kam bei den Frischvermählten erst garkeine Ratlosigkeit betreff der Zukunftauf. Alles war schon lange geplant undausgetüftelt. Die Gefolgschaft des Ehe-gatten, das Personal der Virchow-Klinik,wurde am 1. April '95 der Ehefrau, derCharite, zugeordnet. Und ab 1.1O. 1997gibt es dann nur noch die einheitlicheFakultät Charite und pünktlich zumJahrtausendwechsel am 1.1. 2OOO ver-schmelzen, so will es das Gesetz, Vir-chow und seine Charite vollkommen.Dann wird es wirklich nur noch dieCharite der Humboldt-Universität zu Ber-lin. Böse Freunde des Gemahls legenhier den Vergleich mit einer Spinnen-paarung nahe und pikierte Freundinnender Gemahlin fürchten, daß lediglich de-ren guter Name übrigbleiben wird.Wohlwissend solcher Gezanke und an-

fänglicher Befremdlichkeit der Eheleutesetzten die Planer dem Paar Berater zurSeite. Zwei Kommissionen, eine für For-schung und Lehre und die andere fürFinanz- und Wirtschaftsfragen, werdenbis zum 3O. September '97 darüber wa-chen, daß die bis dahin noch selbstän-digen Uniklinika nicht gegeneinander ar-

beiten. Aufgaben dieserKommission sind unteranderem die Entschei-dung über den Abbauvon Doppelfächern, dasVorschlagen von Beru-fungen und sie verab-schiedet die Bau- undAusstattungspläne für einvereinigtes Klinikum.Aber als ob die beiden

nicht schon genügendProbleme miteinanderhätten, ist da auch nochder ewig besorgte Clander nun Ehefrau, dieHumboldt-Universität.Ihr war diese Verbindungvon Anfang an nichtrecht, aber auf ihre Ein-wände wollte man janicht hören. Schon langvor der Hochzeit habensie zu bedenken gege-ben, daß der Fusion einnicht zu vertretendesÜbergewicht des medizi-nischen Fachbereichesim Akademischen Senat folgen würde.Universitätsweit wählen die einzelnen

Mitgliedergruppen in einer personalisier-ten Verhältniswahl, separat und vonein-ander unabhängig die Repräsentantenihrer Statusgruppe. Das Übergewicht vie-ler Mediziner innerhalb dieser Gruppenwürde dazu führen, daß der akademi-sche Rat von ihnen dominiert werdenkönnte.Der Kreis der Professoren stellt 13 Ver-

treter, 240 der 720 Mitglieder dieser Gat-tung gehören dem Medizinischen Be-reich an. Die Studierendenschaft, die vierRepräsentanten stellt, besteht zu 18% ausMedizinern. Die Wissenschaftlichen Mit-arbeiter, die ebenfalls vier Personen stel-len, setzen sich zu 62%, und die sonsti-gen Mitarbeiter, ebenfalls vier, sogar zu80% aus Medizinern zusammen.

Die Gremien, so wird befürchtet, wer-den dann von den Mediziner beherrscht.Und alle anderen unterliegen dann de-ren Schreckensherrschaft?Dieses düstere Szenario vor Augen

dachte man sich das Wahlkreismodellaus.Jenes sah bei den sonstigen und den

wissenschaftlichen Mitarbeitern vor, daßdie Mandate zu gleichen Teilen an dieRepräsentanten der Nicht Mediziner undder Mediziner gegangen wären. Die an-deren Fakultäten die als Minderheitendeklariert wurden, mußten geschützt

werden. Aber der Herr Senator hatte keinVerständnis für die verängstigte Scharund berief sich auf den § 48 des Berli-ner Hochschulgesetzes, wonach dasWahlkreismodell dem dort festgehalte-nen Gleichheitsgebot zuwiderlaufe.

Die diffusen Ängste vor der Übermachtwerden auch durch den vergleichswei-se riesigen Haushalt der Charite mit 1,5Milliarden gegenüber der restlichen Uni-versität mit lediglich 500 Millionen ge-schürt. Die Assoziation Geld gleichMacht, läßt hier so manche ins Jammernund Klagen verfallen.Bei der Charite nachgefragt, wurden

diese Ängste auch als unbegründet ab-gewiesen, denn wer sagt überhaupt, daßdie sich alle auch in den Gremien soengagieren, wo man doch gehört hat,das die aus dem Virchow ohnehin et-was passiv wären, wenn sie verstehenwas ich meine.

Und wenn man ehrlich ist, gibt es bisjetzt keinen konkreten Grund, der diePanik vor dem Mega Fachbereich Medi-zin bestätigen würden.Aber dies wird nicht die letzte Anfech-

tung, der letzte Einwand oder der letz-te Protest sein mit dem sich das jungePaar auseinandersetzen muß. Viele Klip-pen, Strudel und Untiefen liegen nochvor ihnen, bis sie wirkliche in den ruhi-gen Hafen der Ehe einlaufen können.

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Titel

„Das sind nicht zweiausgewachsene Elefanten..."Die Charite und das Rudolf-Virchow-Klinikum werden fusioniert. Die finanziellen Nöte Berlinsgaben den Ausschlag. Was diese Fusion für beide bisher unabhängigen Fakultäten bedeutet,

wollten wir von zwei direkt Betroffenen erfahren. Prof. Frömmel wird als Prodekan für Forschungder Charite mit einem Forschungsriesen „Virchow-Klinikum" konfrontiert. Prof. Scheffner,

scheidender Dekan des Virchow-Klinikums, muß als Mann des Reformstudienprojektes Medizin nunneue Partner suchen...

Gespräch mit Prof. Dr. Frömmel,Prodekan für Forschung an der Charite

UnAUF: Herr Professor Frömmel,Sie sind Prodekan für Forschung ander Charite. Auf Sie kommen jetztgroße Probleme zu auf Grund derFusion zwischen der Charite unddem Virchow-Klinikum, das einesder modernsten Klinika in Deutsch-land ist und große Forschungs-kapazitäten besitzt. Bricht Ihnen un-

Prof. Dr. med. Cornelius Frömmel

ter diesen Umständen, der For-schungsbereich auf ihrer Seite, derCharite, nun weg?Prof. Frömmel: Der Prodekan für For-

schung ist ja im Rahmen der Selbstver-waltung, d.h. im Fakultätsrat derjenige,der sich mit Forschung im wesentlichenbeschäftigen soll. Er hat die Forschungs-kommission an seiner Seite. Das Vir-

chow-Klinikum hat interes-santerweise einen For-schungsdirektor generiert,den hatten wir zu DDR-Zei-ten. Wir haben jetzt einengewählten Prodekan für For-schung, dazwischen den Be-auftragten für Forschung. DieZusammenarbeit mit densel-ben Gremien auf der ande-ren Seite ist eigentlich über-haupt kein Problem. Die Wis-senschaftler bei Virchow sindgenauso gestrickt wie an derCharite; sie wollen forschenund brauchen Geld, sie wol-len, daß ihre Leistungen an-erkannt und honoriert wer-den. Die beiden Forschungs-kommissionen, der ProfessorWahn, sein Stellvertreter inder ForschungskommissionHerr Prof. Tauber auf der an-deren Seite und ich sowiemein Stellvertreter Prof.Wauer- wir verstehen unsrecht gut. Wir versuchen auch,Strukturen zu finden, die es

erleichtern, daß Virchow und Chariteforschungsseitig zusammenwachsenkönnen. Denn wir haben bestimmte Stär-ken, was z.B. die vorklinisch-klinisch-theoretischen Institute angeht, wogegenVirchow klinisch in einigen Bereichenstärker ist, jedoch kaum Institute hat.Diese Strukturen irgendwie zusammen-zuführen ist nicht das eigentliche Pro-blem. Wo es spannend wird, ist die Fi-nanzierung. Unser Konzept ist ein an-deres als Virchow es bisher hatte, aberVirchow will in unsere Richtung gehen.Wir machen projektbezogene Finanzie-rung, bei Virchow galt bisher eher dasGießkannenprinzip. Dafür ist die Verga-be von Forschungsflächen am Virchow-Klinikum stark leistungsorientiert. Dieshaben wir bisher weniger realisierenkönnen. Also vonseiten der Forschunghabe ich gar nicht solche Angst vor dem,was auf uns zukommt. Sehen Sie, eskommen ja kompetente Einrichtungenaufeinander zu, vergleichen Sie einmal:Virchow hat, Buch mal ausgenommen,34 Mio. DM Drittmittel. Wir sind jetzt beiknapp 23 Mio. DM Drittmittel angelangt,Steglitz liegt bei so 18 oder 20 Mio. DM.

Ich wäre da nicht soA furchtsam

Durch die Fusion und die großeMitarbeiteranzahl im Virchow-Klini-kum könnte es zu einem Überge-wicht der medizinischen Fakultät in

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Titel

Für Christian J„ 6 Fachsemester, alter Charite-ler, hat dieFusion bisher noch keinerlei Auswirkungen gezeigt. Er befürchtetzwar, daß auf ihn in Zukunft eine ärgerliche „Hin- und Her-fohreret" zwischen den einzelnen Klinikas zukommen wird, diesstellt für ihn aber kein wirkliches Problem dar. Mehr Bedenkenmacht ihm da die schon bestehende Entscheidungsarmut inder Charite, die nach seiner Ansicht noch steigen wird. Allge-mein stört Christian an der Vereinigung, daß sie nicht gut vor-bereitet gewesen sei.

also gemeinsameForschungsförde-rung und gemein-same Lehraufga-ben möglich sind.Da haben wir unseiniges zu sagen.Aber ansonstenglaube ich nicht,daß die Medizinerdie Universität da-

den Selbstverwaltungsgremien derUniversität kommen. Befürchten Sieeine Dominanz der Medizin?

Ich wäre da nicht so furchtsam. Ichdenke nicht, daß diese Dominanz wirk-lich eintreten wird. Folgendes Problemist entstanden: Durch das "Knurren" aufuniversitärer Seite sind die Mediziner einwenig zusammengeschmiedet worden,die sonst sehr differenziert sind und sichselten einigen und mit einer Stimme spre-chen können, weil eben wirklich übervierzig Fächergruppen allein in der Me-dizin zusammengefaßt sind. Aber durchdas "Knurren" seitens der Uni haben sichvon Virchow über die Charite bis in dieUniversität hinein Listenverbindungenergeben, die diese Gefahr einer Domi-nanz aber wirklich in sich tragen. Ande-rerseits hätte ich in dieser Frage keinegroßen Befürchtungen, denn die Medi-zin hat im Bereich Lehre und Forschungdieselben Probleme und Ansichten wiedie anderen Fakultäten der Universität-genauso differenziert. Die Problemlageist ungefähr die gleiche. Das Andere sinddie Kliniken. Und da kann im Regelfall,im klinischen Betrieb, die Universitätnicht viel tun. Da kommen die Kranken-kassen mit ins Spiel. Also diese Domi-nanz, daß die Mediziner dann mit-entscheiden werden, wer in der Philo-sophie berufen wird, das glaube ichüberhaupt nicht. Die Haushalte, und dortist der wirkliche Knackpunkt, die Haus-halte sind getrennt.

Die bleiben es auch?Die bleiben es auch. Nur ich persön-

lich bin nicht der Meinung, daß das be-sonders gut ist. Der Partner in der Uni-versität ist auf der Seite der Forschungnicht so auf eine Zusammenarbeit ein-gegangen. Wir haben immer versucht,daß wir gemeinsam Projekte unterstüt-zen. Aber das ist teilweise sehr komischgelaufen. Wir haben da von Anfang anModelle entwickelt, die es uns ermög-licht hätten im Forschungsbereich zukooperieren.

Daraus ist nichts geworden. Aber esmüßte schon Haushaltsbereiche geben,die sozusagen überlappend sind, daß

hingehend domi-nieren, daß da irgendetwas aus demRuder läuft. Personell könnte es natür-lich möglich sein, daß die Medizin et-was stärker vertreten ist im Akademi-schen Senat.

Es gibt natürlichanisatorische

erfungen

Werden die Studenten der Medizindurch die Fusion vor große Proble-me gestellt? Wird es negative Einflüs-se auf das Studium geben?Es ist natürlich klar, daß ich aus Sicht

der Forschung nicht alles weiß, was dieStudenten unmittelbar betrifft. Aber esgibt natürlich organisatorische Verwer-fungen. Folgende Studienorganisationexistierte bisher: Man studierte in Dah-lem die Vorklinik, das war ein eigenerFachbereich, also getrennt von den an-deren Bereichen. Es ist in zwanzig Jah-ren nicht gelungen diese zusammenzu-führen. Dann wechselte man entwederin Richtung Klini-kum Steglitz oder,in den letzten Jah-ren in denen Vir-chow richtig exi-stiert, in RichtungVirchow. Die Cha-rite dagegen bilde-te schon immer zu-sammenhängendaus. Es gab also ei-nen durchgehen-den Studiengang.Und nun will manmit einem Mal perGesetz die ver-schiedenen Aus-bildungsbereichezusammenführen. Jetzt packt man alsozusammen: den durchgängigen Studien-gang Charite mit Virchow, dann kom-men natürlich Studenten aus der Vor-klinik aus Dahlem, möglicherweise Stu-denten aus der Vörklinik der Charite, weildie klinische Kapazität der Charite nichtausreicht, um alle Studenten zu über-

nehmen, die aus der Vorklinik kommen.Und all das muß nun zusammengeführtwerden. Von den Kapazitäten müßte esallerdings machbar sein. Das zweite ist,ohne das wir jetzt jedes Wort desReformstudienganges, der am Virchow-Klinikum läuft, unterschreiben würden,daß wir aber die Idee und die bisherigeAusführung dazu sehr gut finden unduns ganz gerne mit eigenen Gedankenbeteiligen würden. Das würde den Stu-denten zu gute kommen, hoffen wir. Aufder anderen Seite müssen wir dazu sa-gen, daß das multiple choice-Verfahreneiniges verhindert und auch derGegenstandskatalog ein bißchen dane-ben ist. D.h. um das Problem des Studi-um in der Medizin richtig zu lösen, müß-te man möglicherweise andere Hürdenbeseitigen. Aber wir würden das Pro-jekt Reformstudiengang natürlich gernemitgehen, das wäre sozusagen das, wasvom Virchow-Klinikum beigesteuertwerden kann, und andererseits würdenwir uns wünschen wenn das auf demGebiet der Forschung bei der Humboldt-Universität begonnene Projekt auch eineFortsetzung finden würde, nämlich dieMöglichkeit für interessierte StudentenStipendien zu geben. Studenten werdenalso für Forschungsarbeiten bezahlt. Dassind im Jahr so um die 400 000 DM, diewir da herausgeben. Und da kann manein ganzes Jahr aussetzen, vollkommenvom Studium freigestellt, dann bekommtman etwas mehr Geld, kommt durch undkann damit leben, oder man macht dieForschungsarbeit neben dem Studium

Ähnlich sieht dies auch HolgerT., 6. Fachsemester, olter Cha-rite-ler.

Für ihn haben sich bisher weder Vor- noch Nachteile erge-ben. Er sieht lediglich auch die Anforderung an ihn, größereStrecken im Unibetrieb zurücklegen zu müssen, was etwas chao-tisch werden wird. Aber, es sei jetzt auch schon recht ungeord-net. Die Fusion hält er für eine rein politische Angelegenheit.Sie, die Studierenden, wären hierbei verschaukelt worden, dennals es um die Stühle der Professoren gegangen wäre, hättendiese sich ihrer Studis erinnert und sie für ihre Zwecke zu mo-bilisieren versucht. Negativ empfand er auch, da^ es seinerMeinung nach, nie zu einem einheitlichen Willensbekenntnisgekommen sei.

und bekommt dann etwas weniger Geld.Das ist eine Sache, die hat sich ausge-zeichnet bewährt. Da sind die Studen-ten sehr früh an der Wissenschaft dranund das würden wir wünschen, daß wirdies im fusionierten Medizinbereichgeeinsam fortsetzen können.Damit wären wir eigentlich am

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8 Titeldies im fusionierten Medizinbereichgeeinsam fortsetzen können.

Damit wären wir eigentlich amEnde. Haben wir alle Schwierigkei-ten genannt?

Naja, die wahren Probleme haben wirja noch gar nicht benannt! Die Universi-tät hat ja Recht, wenn sie die Sache be-äugt und sagt, das ist eine Elefanten-hochzeit. Und denken Sie an den Haus-halt, und der Haushalt hat auch etwas

Christiane, 8. Fachsemester, FU, studiert auch weiterhinMedizin an der Freien Universität. Da sie sich letztes Jahrfür den Fachbereich 02, Klinikum Steglitz entschieden hat,ist sie von der Fusion kaum betroffen. Diese Entscheidungwurde von ihr nicht bewußt getroffen, genouso wenig wiealle, die sich für den Fachbereich 03, Virchow entschlos-sen haben, wußten, daß sie hiermit einem Universitöten-wechsel zugestimmt hoben. Verändert hat sich für sielediglich, da(3 sie bestimmte Kurse, die nur in Virchow an-geboten werden jetzt nicht mehr besuchen kann.

mit Macht zu tun, der Haushalt ist deut-lich höher als vom Rest der Universität.D.h. die beiden Klinika liegen zusam-men bei mehr als eineinhalb MilliardenDM Jahreshaushalt. Da zahlen die Kran-kenkassen und da zahlt das Land usw.Es ist also ein Riesenbrocken. Das hatauch etwas mit Macht zu tun. Sagen wires einmal negativ, Fehlentscheidungenauf diesem Gebiet sind viel schlimmer,als wenn ich Fehlentscheidungen treffebei meinem persönlichen Haushalt. Dasist das eine, das zweite ist das nichtSymetrische.

Dmr Ost-West-Konfliktnicht so eine

le Rolle.spieltgroß«

Das sind nicht zwei ausgewachseneElefanten. Sondern das eine ist ein sehrjunger Elefant, der hat sich gerade ent-wickelt, steht wieder am Anfang einerKarriere, so hofft man. Und der andereist ausgewachsen, groß, prächtig ausge-stattet und in der Landschaft groß ge-worden, die jetzt existiert; der eine istnur hinzugekommen. Es wäre mögli-cherweise wünschenswert gewesen, dieCharite noch ausdifferenzieren zu las-sen. Dieses asymetrische Verhältnis birgtnatürlich Konflikte in sich. Einerseitsheißt es: Wir haben das seit zehn Jahrenso gemacht, das ändern wir nicht; wasdie Charite an Ideen gefunden hat, wirdabgetan. Das können die ja höchstens

seit drei Jahren gemacht haben oder fünf,ansonsten ist es ja noch aus DDR-Zeitenund ist deswegen schon problematisch(was ja nicht sein muß).

Das ist ein Konflikt, der auf uns zu-kommt. Desweiteren die Einbettung indie politische Landschaft, was der Cha-rite, auch der Universität, sehr schwer-fällt zu realisieren. Woanders existiert dieentsprechende Lobbyarbeit, die könnenauf Jahrzehnte Vorarbeit bauen, und

dementsprechendtoleriert man sei-tens der Politik ge-wisse interne Ent-scheidungen. Dasist hier nicht so.

Das Virchow-Kli-nikum hat nurganz wenige Insti-tute, und Institutedenken anders alsKliniken, was sie jaauch müssen. WoVirchow zwei oderdrei Institute hat,haben wir vier-

zehn. Wir sind durch die Vorklinik invielen Bereichen naturwissenschaftlicherausgelegt. Es wird einfach im Klinikums-vorstand nicht daran gedacht, daß mannoch andere berücksichtigen muß. DieSchwerpunkte liegen jeweils woanders.

Der Ost-West-Konflikt als solches, soglaube ich, spielt dabei nicht so eine gro-ße Rolle. Er wird ab und zu mal hoch-gespielt werden.

Aber das hängt sicher auch mit derIntegration von West-Professoren inder Charite zusammen?Ja, ungefähr die Hälfte ist aus den al-

ten Bundesländern. Diskussionen umeinen Ost-West-Konflikt sind eher alsvorgeschoben zu betrachten, um einepolitische Argumentation zu haben unddann wechselseitige Unterstellungen zumotivieren. Das ist alles nicht weiterernstzunehmen. Die Ängste der Mitar-beiter, daß durch diese Fusion Personal-abbau betrieben wird, sind allerdingsnicht so einfach abzutun. Wogegen mansich wehren muß, sind solche Billig-lösungen, daß man sagt: Nur freiwerden-de Stellen werden gesperrt und abge-baut. Das ist ein Problem, das entstehenkann, wenn man diese Fusion so be-trachtet, es ist ja gesetzlich verboten, mitFusionsbegründungen jemandem zukündigen. Wenn das so ist, dann ist nurdort Personalabbau zu erwarten, wo lei-stungsfähige Gruppen sind, wo die Leutewegberufen werden etc. Das sind danneben die Besten. Diese Methode ist ab-zulehnen. Das Vernachlässigen des

Standortes Mitte ist ja im Gesetz eben-falls nicht erlaubt, es ist ja auch vomAbgeordnetenhaus überhaupt nicht er-wünscht. Das kann man aber so Schrittfür Schritt machen. Das ist eine Gefahr,daß Klinikbereiche, die hier renoviertwerden müssen, nicht berücksichtigtwerden unter dem berühmten Kosten-grund und man sagt: Dort gibt's ja Bet-ten etc. Die Medizin ist ja, wie die Uni-versität insgesamt, auf Standortlösungenangewiesen. Und trotz modernerInformationstechniken möchte man jamal mit seinem Gegenüber an einemTisch sitzen und sich mit dem unterhal-ten. Das geht nicht über kilometerweiteEntfernung. Wir brauchen Campus-lösungen, auch hier an der Charite. DieGefahr, die man sieht, ist, daß man ausreinen Kostengründen so etwas ausein-anderreißt, weil man nämlich nicht be-rechnen kann, welchen Gewinn dasbringt. Wissenschaft - also Forschungund Lehre - ist viel schlechter zu rech-nen als die Ausnutzung von Betten. Letz-teres ist eine Zahl, das andere aber ist -ja was denn? - eine Publikation, einKongress, ein gut ausgebildeter Student.Wer mißt denn heutzutage seine Studen-ten und guckt nach, was aus denen ge-worden ist, die bei uns mal studiert ha-ben? Also da ist keine gute Leistungs-bewertung möglich.

Und das liegt wahrscheinlich in derVerwaltung des Senats begründetbzw. in den politischen Gremien, dienach eingespielten Entscheidungs-mustern verfahren ?

Man muß zugeben, daß es schwierigeEntscheidungen sind. Berlin ist zur Zeitarm. Zweitausend Betten sollen abge-baut werden im Land, weil von 35 000Betten so und soviel zuviel sind- wirhaben in der Universität nur fünftau-send, wir bauen 20% ab. Was die Landes-betten anbetrifft, so sind es nur 3%, dieabgebaut werden. Wenn man die Rela-tionen so verschiebt, wenn man städti-sche Krankenhäuser sehr stark unter-stützt, die universitären bis auf Virchowziemlich hängenläßt (denen in Steglitzgeht es auch nicht so gut)- wenn dassozusagen die Grundhaltung ist, dannist das schon ein bißchen traurig. Manliebt die Universitäten in Berlin nichtsonderlich. Es ist also kein gutes Klimain Berlin. Also Baden-Württemberg istfür mich ein besseres Beispiel, dort hatman eine Beziehung zur Wissenschaft.Was die aufgebaut haben an Wissen-schaftsparks usw... das will man inAdlershof mal machen. Aber wann?

Vielen Dank für das Gespräch.Das Gespräch führten HeLe und ulli

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Gespräch mit Prof. Dr. Scheffner,scheidender Dekan des Rudolf-Virchow-Klinikums

UnAUF: Herr Prof. Scheffner siesind nun an die Humboldt-Universi-tät gekommen, sind sie damit glück-lich?Prof. Scheffner: Ich hoffe, ich werde

glücklich. Im Augenblick ist furchtbarviel Umstellung, Neues kommt auf unszu, was den bisherigen normalen Ar-beitsablauf beeinflußt und stört. Aber esist ganz selbstverständlich, daß es beidieser Neuordnung der Hochschul-medizin eine Fülle von Stolpersteinengibt, und man darf sich von diesenStolpersteinen nicht so beeindruckenlassen, daß man die ganze Angelegen-heit nur danach beurteilt. Ich hoffe al-lerdings, daß die Stolpersteine nichtüberhand nehmen und vorallem nichtwahllos auf den Weg gestreut werden.Vielmehr daß man sich bemüht, einenUmgangston zu finden, der jedem zurgleichen Firma nun Gehörigen, die Mög-lichkeit läßt, sein Leben zu leben undgleichzeitig ein neues gemeinsames an-zufangen.

Keine kosmetischenArabesken

Herr Prof. Scheffner, sie sind ja ei-ner der maßgebenden Initiatoren des"Reformstudiengangs Medizin" amVirchow-Klinlkum. Wie beurteilensie die Chancen dieses Reform-studiengangs im Lichte der nun zuvollziehenden Fusion.

Zuerst eine Vorbemerkung. DerReformstudiengang ist noch nicht ein-geführt. Die Vorarbeiten sind getan. Dasumsetzungsfähige Curriculum ist erarbei-tet worden. Und wir hoffen auf die Rea-lisierung sowie die rechtlichen Voraus-setzungen dafür stimmen.

Ansonsten hoffe ich natürlich, daß dieHumboldt-Universität sich den Reform-bestrebungen nicht verschließen willund verschließen wird. Und ich hoffeauf die Reformfreudigkeit der Kollegenan der Humboldt-Universität, auch aufdie Bereitschaft derjenigen, die früherschon unter anderen Bedingungen, ge-wisse Reformansätze zu DDR-Zeitenhatten und auch auf die Mithilfe derje-nigen, die in einer ganz andere Weise

Lehre, Studium und Prüfungen gestaltethaben, als es im Westen möglich war.Natürlich muß man jetzt erst die einzel-nen Kollegen gewinnen, dadurch daßman sie näher informiert über das, wasauf sie zukommt. Und eins muß manvon vornherein sagen, das was wir mitdem Reformstu-diengang Medizinwollen, sind keinekosmetischen Ara-besken. Es ist einegrundlegende Än-derung des Medizin-studiums. Und die-se wird von allenLeuten der Politik,der Wissenschaft,der praktischen Me-dizin gefordert, aberkeiner macht sichwirklich klare Vor-stellungen, wieschwierig sie zu er-reichen ist.Wird denn mit

diesem Reform-studiengang dieChance eröffnet,die erst seitkurzem an derHumboldt-Uni-versität ein-geführte Praxisder multiplechoice - Prüfun-gen, zu verän-dern?Ja eindeutig! Das

multiple choice -Ver-fahren ist bei unsnicht vorgesehen. Sie wissen aber, daßder Reformstudiengang ein Pilotprojektist und nicht für alle neuanfangendenStudierenden gedacht ist, weil solchgrundlegende Änderungen aus Sorgfalts-pflicht nur durchgeführt werden dürfen,wenn es sich wirklich zeigt, daß unsereErfahrungen so positiv verlaufen wie wirdie Erwartung haben.

Das was wir hier machen wollen, be-zieht verschiedenste Erfahrungen, dieman weltweit gemacht hat (BeispielHarvard), mit Reformfakultäten mit einund adaptiert es an die Berliner und die

deutschen Verhältnisse. Und an dieserAdaptation müssen die Hochschullehrerganz entscheidend mitarbeiten. Und dashaben wir bis jetzt mit den Virchow-Kli-nikern und den Vorklinikern der FU ge-tan, nicht ohne Widerspruch, und dasgleiche müssen wir nun mit den Vor-

Prof. Dr. Dieter Scheffner

klinikern der Charit^ tun. Das ganze Pro-jekt ist, in meinen Augen, nur machbar,erstens als Pilotprojekt und zweitens vonAnfang an verbunden mit einer beglei-tenden Evaluation, damit wir nicht erstnach vielen Jahren sagen, das war Murks.

hoffe, daß sich diediziner genügendmischen

Aus Sicht der Humboldt-Universitätscheint die Fusion von Virchow-Kli-

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10 Titelnikum und Charite ja eine Gefahrdarzustellen in bezug auf die Domi-nanz der Medizin an der Universität.Würden Sie diese Gefahr einer Domi-nanz sehen?

H., Krankenschwester am Virchow Kümföftrt; Hatschon einmal eine Klmikazusammenlegung mitgemacht. Zwarhatte die Fusion für sie bis jetzt noch keine Auswirkungen,doch sie vermutet, daß es nicht anders ablaufen wird, WIB beider Fusion von Virchow und Westend. Ihrer Meinung nachwürden die Personen, welche durch die Vereinigung auf so-genannte Überhanglisten rutschten, zu frei verfügbarem Per-sonal, welches überoll hingeschoben werden wird. Und manmüsse dann noch dankbar sein, daß man seinen Arbeitsplatznicht verliert und „nur" die Arbeitsstelle und den Stadtbezirkwechseln müsse.

Zuerst einmal möchte ich sagen, ichhoffe, daß die Mediziner sich genügendeinmischen, um an der gemeinsamenUniversität ihren Beitrag zu leisten inadäquater Form. Ansonsten halte ich dieBefürchtungen für nahezu gegenstands-los. Denken sie mal daran, daß wir dreiFakultäten an der FU waren, und dieMediziner waren in den Gremien der FUabsolut unterrepräsentiert. Das Interes-se der Mediziner ist in der Gremienarbeitaus verschiedensten Gründen nicht sowahnsinnig groß gewesen. Tatsache ist,daß erst nachdem ich hier Dekan wur-de vor mehr als sechs Jahren, ich michstark gemacht habe, wenigstens einegewisse Repräsentanz und Vermehrungder spärlichen Repräsentanz in den Gre-mien herzustellen. Das ist mir gelungen.Aber dennoch kann man von einerMajorisierung gar nicht sprechen. DasGefühl einer Majorisierung kommt ei-gentlich nur dann auf, wenn es um Fi-nanzen geht. Da Apparate in der Medi-zin Riesengelder kosten, riesige Volumi-na finanziell einnehmen, von denen einGeologe oder ein Sinologe immer nurträumen können, kommt ein Unbeha-gen zustande. Aber das liegt nicht anden Medizinern sondern an der Medi-zin, und den berechtigten Erwartungender Bevölkerung an eine moderne Me-dizin. Ich glaube also nicht, daß diemedizinische Fakultät, die anderen Fa-kultäten der Universität dominieren wird.

Ein WIR-Gefühl| entwickeln

Aus Sicht der Charite wird die Fra-ge bleiben, wer bei dieser Fusion blu-

ten wird. Ist die technische Überle-genheit des Virchow-Klinikumsnicht erdrückend?

Ich hoffe, daß die beiden Sichtweisen:Ost-West möglichst schnell verschwin-

den. D.h. daß dasdermals vereinigteKlinikum, die ver-einigten medizini-schen Fakultätenein WIR-Gefühlentwickeln, wo esdann keine Rollemehr spielt, wasbringt der eine ein,was der andere.Die Charite hat ei-nen eindeutigenNachteil, das istdiese desolate

Bausubstanz. Da ist soviel zu investie-ren, was z.T. am Virchow vorhanden ist.Und da sind auch apparative Möglich-keiten nachzurüsten, die am Virchow dasind. Ich hoffe nur, daß man nicht sagt,weil das Virchow das hat müssen wirdas auch haben. Man muß klar fragen,was brauchen wir als gemeinsame Insti-tution. Ist das am Virchow vorhanden,können wir nicht etwas Ergänzendesoder anderes haben, Aber das wirdschon aus der finanziellen Misere her-aus so gefragt werden. Ansonsten mußich sagen, es blutet keineswegs nur dieCharite. Ich kann es am Beispiel der Kin-derklinik illustrieren. Die Kinderklinikder Charite bekommt ca. 100 Betten indem neuzubeziehenden Standort imWedding, diese Kapazität könnten wirvom KAVH (Kinderklinik, d. Red.) auchabdecken. Die Charite kommt in denWedding mit Mann und Maus, mitSchwestern, Pfle-gern, mit Ärzten,Verwaltungsange-stellten etc. für die-se Bettenquotenach Wedding. Indiesem Maße müs-sen wir das KAVHnun unsere 100Betten abbauenund das Personalfür diese 100 Bet-ten abbauen. Alsodie Fusion geht nicht nur zu Lasten Cha-rite. Im Zweifelsfall entscheidet bei derFusion, die persönliche Leistungsfähig-keit und die wissenschaftliche Qualifi-kation. Und wir haben im Wedding jaein völlig neues Konzept bei der Verga-

be von Forschungsflächen z.B. einge-führt. Forschungsflächen werden danachnicht einer Klinik, einer Abteilung festzugeordnet und bleiben dann Besitzstän-de in alle Ewigkeiten. Das würde jedemoderne Forschung verhindern. Son-dern an qualifizierte, d.h. durch DFGoder andere Forschungseinrichtungengeförderte Projekte, werden Forschungs-flächen zeitlimitiert und an diese Pro-jekte gebunden vergeben. Und wenn dasProjekt ausgelaufen ist und nicht wei-tergeführt wird, fallen die Forschungs-flächen wieder zurück und können anjemanden anders vergeben werden.Damit werden also diese Erbpachthöfevermieden. D.h. auch hier gilt, Qualitätgeht vor irgendwelche dauerhaften Be-sitzansprüchen! Ich hoffe, daß eine glei-che Qualifizierung auch in der Lehremöglich ist. Selbstverständlich bin ich anqualifizierter Lehre genauso interessiert,wie an qualifizierter Forschung. Und daeinen Standard zu entwickeln, der auchauf dem Prüfstand einer Ausbildungs-forschung Bestand hat, das ist noch eineAufgabe der Zukunft.

Ihnen ist vorgeworfen worden, daßVirchow-Klinikum betreibe die Fusi-on nur, um an den Namen der Chari-te heranzukommen. War das ein be-rechtigtes Kalkül für die Fusion?

Ich möchte ganz klar sagen, beileibenicht! Mir ist der Name im Grunde ge-nommen gleichgültig, wenn hinter demNamen nicht der Wille zur Exzellenzsteht, zu einer guten, dem Fortschrittverpflichteten Krankenversorgung aufhöchstem Niveau, einer Forschung aufinternationalem Niveau und einer Lehredie es mit allen Reformuniversitäten auf-nehmen kann. Wie ich dann heiße ist

Frauke, 8. Fachsemester, tÜÜfilSwianerin, hatte sich der-einst für den Fachbereich 03 ausgesprochen und war imersten Augenblick geschockt, als sie erfuhr, daß sie nun kei-ne FUlerin mehr war, sondern Studentin der Humboldt Uni-versität. Für sie ist es nicht plausibel, daß Virchow in dieCharite eingegliedert wurde. Sie ist der Ansicht, daß ledig-lich die HU*gefördert wird und von der ehemals so großenFU alles abgenabelt wird. Konkret hat sich für sie aber inihrem Studienablauf bisher nichts geändert.

mir gleichgültig, denn dann wird manmich nach der Leistung nicht nach demNimbus eines Namens beurteilen.Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte ulli

Page 11: UnAufgefordert Nr. 67

Titel ii

fusionabimus,fusionamus, fusionavimus

Mit dem 01.04.1995 ist das Rudolf-Virchow-Klinikum an dieHumboldt-Universität gewechselt. Die Charite und das RVK sollen

fusioniert werden. Betrachtungen eines Medizinstudenten.

Fusion - wer das heute liest, denktan die Länderfusion Berlin-Brandenburg, Völksabstimmung, Fern-

sehdebatten und vielleicht an die kom-menden Wahlen. Doch in diesem, un-serem Lande wird noch mehr fusioniertals Bär und Adler, anderes als Großstadt-baustelle und märkische Heide. Außer-dem findet bei weitem nicht immer eineVolksabstimmung zum entsprechendenVorhaben statt. Bei Fusion denkt dieseroder jene vielleicht auch an Atomkerne,an Mercedes Benz und MBB, - doch dieFusion, auf die dieser Artikel eure Auf-merksamkeit lenkt, handelt nicht vonalledem:

Diese Fusion liegt direkt vor unsererNase (Wenn auch selbst die Fusionier-ten überwiegend noch kaum etwas vonihr bemerkt haben; bemerkenswerter-weise.)

Die Rede ist vom Virchow-Klinikumund der Charite.

V'or noch gar nicht allzu langer Zeit besetzten Hunderte von Me-

dizinstudenten und -Studentinnenden Berliner Senat, um deutlich undmarkant gegen die damals noch ge-planten Umstrukturierungen in dervor allem medizinischen Hoch-schullandschaft zu protestieren.Kurz- und langfristig ohne Erfolg,wie sie sich jetzt eingestehen müs-sen, denn nicht nur gelangten die Be-setzter des Senatsgebäudes (unfreiwil-lig) durch die (einschlagenden) Kräfteder Ordnungshüter ins Freie, sondernauch ist das „Gesetz zur Neuordnung derHochschulmedizin in Berlin", kurzUniMedG, inzwischen beschlossene Sa-che.

Seit dem 1. April ist die Humboldt Uni-versität um eine Fakultät reicher undbefindet sich nun in dem außergewöhn-

liehen Zustand, über zwei unabhängigemedizinische Fakultäten zu verfügen.Außergewöhnlich oder nicht, zeitweiligauf jeden Fall, denn bis zum 01. 10.1997sollen die beiden Fakultäten zu einer ge-meinsamen Fakultät zusammengeführtsein, bis zum 01.01.2000 gar seien sieein einziges Universitätsklinikum.

M it dem Wechsel des Rudolf-Vir-chow-Klinikums (RVK) ist die HUB

nun um über 2000 Studierende reicher.Denn das teilweise brandneu aufgebau-te und teilweise modernisierte RVK imWedding gehörte bis zum 01.04.1995 zurFU. Noch nicht für alle Studierenden voll-ends geregelt scheint jedoch, ob sie viel-leicht doch lieber an der dritten Univer-sitätseinrichtung Berlins, dem Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz, einge-schrieben seinmöchten unddamit zur FUgehören wol-len. Diese

Opti-on be-steht oderbestand fürStudierende, die

noch in der „Grundlagenmedizin" inDahlem immatrikuliert sind bzw. waren.(Also, zur FU gehörten bis zum01.04.1995 drei Medizinfachbereiche:Grundlagenmedizin Dahlem = Vörklinik,Klinikum Steglitz und das ehemaligeUKRV im Wedding, das jetzt, seit dem01.04.1995, als RVK zur HUB gehört.)

D as Spannende nun ist, dasvon den großen Veränderungen in

der Berliner Medizinerausbildung trotzvieler heißer Debatten in Presse undLandtag, trotz vieler Gutachten, Stellung-nahmen und Interventionen, Vollver-sammlungen, Proteste, Petitionen, im(Medizin) Studentenalltag an der Chari-te kaum etwas von diesen Umstruktu-rierungen wiederzufinden ist. Zwar äu-ßert vielleicht ein Dozent seinen Argerüber den „Ausverkauf", der stattfände,

beschwört ein unterrichtender Arzt dieruhmreichen, vergangenen Zeiten, ist

hie und da von „Etikettenschwin-del" die Rede, fürchten die An-

gestellten den kommen-den Zusammenlegungs-rotstift, doch Kurse undSeminare finden stattwie gehabt. Rechtlichkann noch kein Stu-dent der Charite Kurseam RVK belegen, nochvice versa. Anderer-seits nehmen Studen-ten des RVK weiterhin

an Kursen ihrer ehema-ligen Schwesterfakultät

in Steglitz teil, welche jaeigentlich jetzt sogar einer

anderen Uni angehört.Ist das die Ruhe vor dem

Sturm? Oder stürmt der Sturmim Wasserglas?Zeitungsüberschriften titulie-

Page 12: UnAufgefordert Nr. 67

12 Titelren: „Start in eine neue Ära der BerlinerMedizin" (Tagesspiegel), „Klinikriesesetzt mit Neubau Signale"(Berliner Zei-tung). [Lies „Riese" nicht „Kriese"]. Vornoch gar nicht langer Zeit wurden an-dere, farbige Bilder von dieser Kli-nikumshochzeit gemalt. Bilder von derHochzeit einer berühmten, alten Damedes Hochadels, leicht verarmt, aber mitLändereien am besten Platze versehen,und einem Namen wie VONUNDZU miteinem jungen, aufstrebendem Herren,karrierebewußt und den besten Bezie-hungen, völlig neu eingekleidet und aus-gestattet.. Die Hochzeit „der Diva unddes Gigolo".

Heute präsentieren sich beide Klinikain trauter Eintracht vor der Presse.

„Packen wir's an"-Atmospäre wird ver-sprüht, doch der Verteilungskampf, indem es darum geht, wo welche Schwer-punkte gebildet werden, wo auf welchekleinen Fächer verzichtet werden kann,also wo Stellen und Gelder gestrichenwerden, hat längst begonnen. Dennschließlich soll durch die Fusion ja Geldgespart werden. Der Senat freut sich,denn jetzt muß er bald nicht mehr ent-scheiden, wo die Kürzungen ansetzenkönnten. Jetzt müssen die Klinika dasunter sich ausmachen. Ein neuesHerrschaftsprinzip ist erfunden: „Fusionaet impera." Und wie auch hier die Pres-se richtig bemerkt hat, wird „Berlin keinEinzelfall bleiben", auch in Münchenwird über Klinikfusionen diskutiert.

Zu erwähnen bleibt, daß an beiden Fa-kultäten neue Dekane gewählt wordensind. Es haben nicht nur Wahlen stattge-funden, wie sie im Rahmen des Fusions-prozesses vom Gesetzgeber vorgesehenwaren, nein, an beiden Klinika sind dieDekansposten personell neu besetztworden. Ob wegen, oder trotz der Fusi-on fällt natürlich der Spekulation anheim,bleibt persönliche Meinung. WelcheKonsequenzen für uns Studierende derMedizin aus dem Geschehen erwachsen,bleibt unklar. Letztendlich wird derCampuscharakter beider Klinika zerstörtwerden, wenn einige Teildisziplinen nurnoch an einem Standort erhalten blei-ben. Für seinen/ihren Urologie- oderKinderheilkundeschein muß man/fraudann eben zum anderen Standort rei-sen. Eventuell schon ab WS 95/96. Nurdie Vorklinik bleibt für beide Standortein Mitte, da das Virchow-Klinikum kei-ne Vorklinik besitzt. (Die Vorklinik inDahlem gehört ja weiterhin zur FU.)Heißt das, viel Geduld mitbringen undSuchen im Umstrukturierungschaos, U-

Bahn- , Fahrrad- ,und Bus-Fahren? DieStudierenden können natürlich Einflußnehmen auf die Veränderungen. Schließ-lich kann man gerade während Verän-derungen auf seine Rechte pochen undseine Vorstellungen einbringen. Studie-rende, wo sind Eure Vertretungen? Stärktihnen den Rücken. Wer sucht, wird of-fene Ohren finden. Ein Gesprächsan-gebot von Seiten der Gestalteten bestehtdurchaus. Studierende sind schließlichein wesentlicher Bestandteil einer Uni-

klinik und gestalten sie ebenso wie ihreDirektoren.

Doch zurück zur Verkehrssituation.Vielleicht setzen sich Überlegungen,

einen Schiffs-Shuttle auf dem Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal einzurichten,der beide Klinika miteinander verbin-det, ja doch noch durch, und wir wer-den dann unseren Enkeln von einer lu-stigen Seefahrt erzählen können.

Christian Nolte

Virchows MorgengabeReformstudiengang Medizin unter dem

Dach der Charite?

»er 31-3- dieses Jahres war gleichin zweifacher Hinsicht ein wichtiges Datum für die Berliner

Hochschulmedizin. Er markierte nichtnur den offiziellen Übergang desWeddinger Universitäts-Klinikums RudolfVirchow (UKRV) von der FU an dieHumboldt-Universität. Am selben Tagewurde dort im Rahmen eines Symposi-ums ein fertiger Entwurf eines Reform-studiengangs vorgestellt, der verspricht,durch mehr Praxisbezug, Kleingruppen-arbeit und fachübergreifendes Lernen,angehende Ärztinnen und Ärzte besserauf ihren Beruf vorzubereiten.

Angestoßen durch konkrete Förderungen der Studierenden während

des Westberliner Unistreiks im Winter-semester 88/89 hatte sich seit einigenJahren eine Arbeitsgruppe am UKRV, an-geführt von ihrem nun scheidendenDekan, Prof. Dr. Scheffner (vgl. Inter-view auf S.9) um eine Reform der medi-zinischen Ausbildung bemüht. Zweigrundsätzliche Kritikpunkte am her-kömmlichen Studium waren Ausgangs-punkt ihrer Arbeit: Man war sich einig,daß die isolierte Darstellung vonGrundlagenfächern wie Anatomie, Phy-siologie und Biochemie und der fehlen-de gemeinsame Bezug der einzelnenklinischen Disziplinen das Studium zueinem mühsamen Puzzlespiel werdenläßt und Studien bedingungen schafft, diedas Erlernen medizinischer Kenntnisse

und Fertigkeiten unnötig erschwert. Hin-sichtlich der Studien Inhalte plädieren dieReformer auch dafür, den Studenten frü-her und in größerem Umfang Gelegen-heit zu geben, praktische Erfahrung imUmgang mit Patienten zu gewinnen. Einweiteres Ziel der Arbeitsgruppe ist es,darauf hinzuwirken, daß naturwissen-schaftliche Aspekte der Medizin in Zu-kunft nicht mehr isoliert, sondern in Zu-sammenhang mit den psychischen Be-zügen und ihrer sozialen Bedeutungvermittelt werden.

Auf dem erwähnten Symposium stelltesie ein Curriculum für einen in diesemSinne reformierten Studiengang vor, dasvom Akademischen Senat der FU inAuftrag gegeben worden war und aufdurchweg positive Reaktionen bei derversammelten Prominenz - von Gesund-heitssenator Luther bis zu BerlinsÄrztekammerpräsident Ellis Huber - stieß.

Mit etwas Glück wird sich ab dem Win-tersemester 96/97 für rund 60 Studien-anfänger am Virchow-Klinikum die Mög-lichkeit bieten, nach diesem Lehrplan zustudieren.Auch die Charite wäre im Falle einer

Einführung dieses bislang bundesweitbeispiellosen Reformstudiengangs beiVirchows betroffen. Schließlich wird siein Zukunft für die Ausbildung der Vir-chow-Studentlnnen in Fächern derGrundlagenmedizin zuständig sein. Nachder für das Jahr 2000 angepeilten Verei-

Page 13: UnAufgefordert Nr. 67

Titel 13

nigung der beiden Fakultäten könnte siesich womöglich selbst mit dem Modell-projekt profilieren.

Die Chancen dafür stehen nichtschlecht. International haben medizini-sche Reformstudiengänge Erfolg, die denStudierenden mehr Verantwortung fürden eigenen Lernprozeß zubilligen undeinen früheren und umfangreicherenPraxisbezug vorsehen. Es gibt sie z.B.an der Universität McMaster (Kanada),in Linkoping (Schweden), an der Rijks-Universität Maastricht-Limburg (Nieder-lande), in den USA in Albuquerque (NewMexico) und nicht zuletzt an der„Medical School" von Harvard, wo dieEinführung eines Reformstudiengangsbald zu Protesten der Studierenden undLehrenden des herkömmlichen Aus-bildungszweigs führte, die auch vom„neuen Weg" profitieren wollten.

Worin soll sich das geplante Modellprojekt am Virchow-Klinikum nun

vom traditionellen Medizinstudiumunterscheiden, dessen Reform auch derWissenschaftsrat und die Sachverstän-digengruppe im Bundesministerium fürGesundheit fordern?

Im herkömmlichen Studium ist es üb-lich, sich zunächst vier Semester lang nurmit Aufbau und „Funktionsweise" des(gesunden) Körpers zu beschäftigen, be-vor sich die Studentinnen das erste malintensiv mit Verletzungen, Krankheit undSterben konfrontiert sehen. Diese Tren-nung zwischen „Vorklinik" und „Klinik"ist im Reformstudiengang aufgehoben.Statt dessen sollen dort „die natur- undgeisteswissenschaftlichen Grundlagenvon Beginn des Studiums an anhandkonkreter Problemstellungen undzusammen mit den klinisch relevantenInhalten vermittelt werden", wie es ineinem Informationsblatt der Arbeitsgrup-pe heißt.

Der erste Studienabschnitt (1.-5. Seme-ster) orientiert sich dabei weitgehend anOrganen bzw. Organsystemenund beinhaltet wöchentlicheHospitationen in einer ärztli-

wendete Methode des Problemorientier-ten Lernens (POL), bei der die Studie-

renden sich ausgehend von rea-len medizinischen Problemen

(z.B. einer Krankengeschich-

chen Praxis.Der zweite Stu-

dienabschnitt (6.-10. Semester) ist nachLebensabschnitten gegliedert und um-faßt mehrwöchige Blockpraktika in kli-nischen Fachgebieten. Im Anschluß dar-an ist wie bisher das praktische Jahr vor-gesehen.

Oie Berliner Reformer setzen auf diein McMaster seit 30 Jahren ange-

te) ihre Lernzie-le in Kleingruppenweitgehend selbst erarbeiten. So beginntund endet die Woche nach dem Musters-tundenplan mit Treffen der Arbeitsgrup-pen, die aus jeweils sieben Studentinnenund einer Wissenschaftlichen Mit-arbeiterin als Leiterin bestehen sollen.Diese legt der Gruppe am Montagmor-gen ein Fallbeispiel vor - sei es in schrift-

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Page 14: UnAufgefordert Nr. 67

14 Titellicher Form oder als Begegnung mit ei-nem Patienten - anhand dessen ein me-dizinisches Phänomen studiert werdenkann. Nach Klärung unklarer Begriffeund der Definition des Problems ver-sucht die Gruppe durch ein „brainstorming" Vorwissen zu aktivieren, sor-tiert die gesammelten Vorschläge undbestimmt schließlich selbst konkreteLernvorhaben, die sie ausgehend vondem besprochenen Fall bis zum Endeder Woche realisieren möchten. Daskönnen qualifizierte Vorschläge für eineUntersuchung, Diagnosestellung, The-rapievorschläge, grundlagenmedi-zinische Inhalte oder psychosozialeAspekte sein. Die notwendigen Informa-tionen sollen sie sich selbständig aus Bü-chern oder anderen Medien, in einschlä-gigen Seminaren oder idealerweise voneinem Experten besorgen.Der betreuende Dozent soll diesen

Lernprozeß nicht aktiv steuern, sondernnur als Moderator eingreifen, etwa wennein Mitglied der Gruppe dazu neigt, dasgroße Wort zu führen, oder die Gruppesich fachlich auf den Holzweg begibt.Die von den Reformern angeführten

Vorteile des Problemorientierten Lernensklingen sehr einleuchtend;

Indem sich die Studierenden anhandeines Falles (z.B. eines Patienten mit"Kreuzschmerzen") mit verschiedenstenmedizinischen Grundlagen und Diszipli-nen beschäftigen , die als Stationen derBehandlung relevant sind (hier etwa mitAnatomie, Neurologie, Orthopädie, Neu-rochirurgie und Psychosomatik), erwer-ben sie Wissen und Fertigkeiten im Zu-sammenhang, die im herkömmlichenStudium auf fünf Fächer verteilt und in

Abständen von Monaten oder Jahrenvermittelt werden.

Für POL sprechen auch Erkenntnisseder Lernpsychologie, die erstaunlicheAbweichungen zwischen der Ausbeuteunterschiedlicher Lehrmethoden festge-stellt hat: Die Spannweite reicht von ei-ner Quote von 20% "Erinnertem" bei nurPassivem Hören , wie es in Vorlesungennicht selten vorkommt, bis zu 70% beim"learning by doing".Schließlich läßt sich anführen, daß POL

auch optimal darauf vorbereitet, sichnach dem Abschluß des Studiums selb-ständig fortzubilden, was für praktizie-rende Mediziner ja unerläßlich ist.

Diese Arbeit in der Kleingruppe wirdbegleitet durch die fächerüber-

greifende Darstellung medizinischer In-halte, die in Seminaren und Praktikaangeboten werden. Die Inhalte werdendabei nicht wie im traditionellen Studi-engang in aufeinanderfolgenden Seme-stern fachgetrennt dargeboten, sondernkehren in Form einer Lehr- und Lern-spirale mit zunehmender Komplexität imgesamten Studienverlauf immer wieder.Aufgrund der, im Gegensatz zum tra-

ditionellen Studiengang grundlegendanderen Studienstruktur ist eine Ände-rung im Prüfungsablauf notwendig. Diesbetrifft nicht nur die Prüfungsinhalte,sondern auch die Prüfungsform. Multi-ple-Choice-Fragen, die überwiegendpassives kognitives Wissen prüfen, tre-ten im Reformstudiengang gegenüberder Prüfung von anwendungsbe-zogenem Wissen und der Fähigkeit,komplexe Fragestellungen zu beantwor-ten, in den Hintergrund. Dafür kommendie praxisorientierten „Objective Struc-

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tured Clinical Examinations" (OSCE) und„Modified Essay Questions" (MEQ) zurAnwendung. Diese Prüfungsformen sindnach jedem Semester als Semesterab-schlußprüfungen vorgesehen. Studieren-de des Reformstudiengangs Medizin sol-len dann das Studium mit dem zweitenund dritten Abschnitt der ärztlichen Prü-fung nach dem 10. bzw. 12. Semesterabschließen.Mit den Prüfungen ist auch der „Knack-

punkt" angesprochen, der den Zeitpunktdes Studienbeginns noch fraglich er-scheinen läßt.

Der beschriebenen Prüfungspraxis stehtheute nämlich noch die derzeit gültigeApprobationsordnung für Ärzte entge-gen, mit deren Neufassung das BonnerGesundheitsministerium bereits seit Jah-ren befaßt ist. Sie müßte zumindest durcheine Modellversuchsklausel ergänzt wer-den, die es ermöglicht, vom üblichenSchema abweichende Studien- undPrüfungsordnungen zu erlassen, da beimBerliner Reformstudiengang das derzeitbindend vorgeschriebene 1.Staatsex-amen durch andere Prüfungen ersetztwerden soll. Die Fragen des zweitenStaatsexamens kämen wie bisher vom„Institut für medizinische und pharma-zeutische Prüfungsfragen" (IMPP) inMainz.

Der Arbeitsgruppe „ReformstudiengangMedizin" bleibt nach der langen Entwick-lungsphase heute also vor allem Lobby-und Überzeugungsarbeit zu leisten, da-mit ihr Konzept einer „Reform aus ei-nem Guß" endlich erprobt werden kann.

Die Charite sollte das bisher von FUund der Robert-Bosch-Stiftung gemein-sam finanzierte Reformprojekt als unver-hoffte Morgengabe willkommen heißenund sich dafür einsetzen, daß es baldumgesetzt werden kann. Die zahlreichenund bestimmt nicht nur positiven Ver-änderungen, welche die Vereinigung fürdie in der DDR führende Universitäts-klinik gebracht hat, sollten sie auch indie Lage versetzen, flexibler auf die spe-zifischen Anforderungen des Reform-modells zu reagieren als die in ihrer Hier-archie viel starreren West-Unis. Auchwenn die Vereinigung mit dem UKRVvon beiden Seiten nicht gewollt war -Daß man der Medizindidaktik im Ostenmehr Gewicht beimaß und persönlichereLehr- und Prüfungsmethoden pflegte,könnte ein weiteres Argument für dieCharit^ sein, sich für die Reformbestre-bungen des neuen Partners zu engagie-ren.

Geck

Page 15: UnAufgefordert Nr. 67

Titel

Der Ehrenausschuß als Mittel derVergangenheitsbewältigung?

Der Arbeitsmediziner Rudolf Mucke "hatte in den 70er Jahren einen Anwerbungsversuch des MfSdurch Dekonspiration abgewehrt. Die Ehrenkommission der Charite kam dennoch zu dem Schluß,daß Muckes weitere Beschäftigung 'unzumutbar' sei." (Morgenpost vom 25.2.1995) "Fast zeitgleichmit der Uni hatte der Ehrenrat der BW Lichtenberg über Muckes Stasi-Verstrickung zu reden. Weilsie die als unerheblich einschätzte, sprach ihm seine Fraktion Bündnis 90/ Grüne das Vertrauen

(Tagesspiegel vom 25.2.7 995)aus.

Kurz nach dem vernichtenden Urteildes Ehrenausschusses stürzte sich Ru-dolf Mucke von einer Brücke. Der Selbst-mord Muckes bildete den Anlaß dafür,wieder einmal den Umgang mit der Sta-si und ihren IM's zu überdenken. Zu-mindest wurde so der Ehrenausschuß inden beiden Mai-Sitzungen des Akade-mischen Senats zum Thema.

Der Ehrenausschuß ist eine Kommissi-on, die im Oktober 1990 durch Beschlüs-se des Akademischen Senats eingesetztwurde. Sie sollte den damaligen Rektorbei der Entscheidung über die Weiter-beschäftigung von Angehörigen derUniversität unterstützen und Empfehlun-gen über Zumutbarkeit oder Unzumut-barkeit geben.

Das heißt in der Praxis: Nach der Re-gelanfrage der Uni bei der „Gauck-Be-hörde" kommt der entsprechende Be-scheid. Dieser wird im „Erkenntnisfall"an den Ehrenausschuß geleitet, wo dieBetroffenen die Gelegenheit haben, ge-hört zu werden. Danach gibt der Aus-schuß eine Empfehlung an die Präsiden-tin, die die endgültige Entscheidung übereine Weiterbeschäftigung zu fällen hat.Also eigentlich ein Instrument, um Pro-bleme der eigenen Vergangenheits-bewältigung uni-intern anzugehen unddas Urteil „unzumutbar" nicht nur einerEinzelperson zu überlassen.

Als Reaktion auf den Selbstmord Ru-dolf Muckes war der 1. Vizepräsident derHU, Prof. Detlef Krauß (Prof. für Straf-recht und Strafprozeßrecht) beauftragtworden, das Verfahren des Ehrenaus-schusses im allgemeinen und für den"Fall Mucke" im besonderen zu unter-suchen.

Dabei kam er zu dem Ergebnis, daß essich bei diesem Fall um einen ganz nor-

malen Vorgang gehandelt habe und nachdem üblichen "ritualisierten Verfahren"gearbeitet wurde. Freilich wies er aufeinige Verfahrensschritte hin, die juri-stisch bemerkenswert, aber durch diebesondere Aufgabenstellung des Aus-schusses begründet seien. Zum Beispielwird der jeweilige Fall nicht unmittelbarnach der Anhörung diskutiert. Über dieAnhörung wird kein Protokoll geführt,da das einzig Objektive ein Wort-protokoll wäre und dies zu aufwendigsei. Die Diskussion und die Abstimmungfinden allerdings erst nach zwei Wochenstatt. Daran können auch diejenigen Aus-schußmitglieder teilnehmen, die nichtbei der Anhörung anwesend waren. Eineweitere Besonderheit stellt die Regelungzur "Befangenheit" dar. Im Gegensatzzum prozeßrechtlichen Begriff handeltes sich dabei um ein Recht der Mitglie-der: "Jedes Ausschußmitglied hat dasRecht, sich als befangen zu erklären unddamit an der Behandlung eines Einzel-vorganges nicht teilzunehmen. "(Grund-sätze für die Arbeit vom 5.11.1990) EinEinzelvorgang umfaßt aber nicht etwaden gesamten Prozeß, sondern nur ei-nen Teilschritt. Im "Fall Mucke" hieß das,daß ein Mitglied wegen Befangenheitnicht an der Abstimmung teilnahm, sichan der Anhörung und der Diskussionaber trotzdem beteiligte. Es ist nicht vonder Hand zu weisen, daß durch die Arteiner Befragung oder innerhalb einerDiskussion die Meinungsbildung beein-flußt werden kann. Sich dann aus derEntscheidung herauszuhalten heißt dochnur, die Hände in Unschuld zu waschen.- Aber Prof. Krauß interessierte nur dieFrage nach Formfehlern, zur inhaltlichenEntscheidung des Ehrenaüsschusseswollte er keine Stellung nehmen.

Bei dem Rechenschaftsbericht desEhrenausschusses vor dem Akademi-schen Senat am 23-5. wartete der Vorsit-zende mit einer umfangreichen Statistiküber die bearbeiteten "Erkenntnisfälle"und der erfolgten "Unzumutbarkeitser-klärungen" auf. (Von 380 Fällen wurden73 als unzumutbar eingestuft, also nichtmal ein Fünftel usw.) Mit Nachdruckbetonte er, daß dies unter dem Durch-schnitt im öffentlichen Dienst läge. Trotzder genannten Zahlen reagierte die Prä-sidentin auf die Frage nach der psycho-logischen Beratung der Vorgeladenen mitder Bemerkung, man solle doch nichtdie Täter zu Opfern machen.Die Zweifel an den nicht nachvollzieh-

baren Kriterien und Grundsätzen der Ent-scheidungsfindung wurden nochmalsdeutlich, die Verfahrensweise als z.T. lie-derlich kritisiert, was den AkademischenSenat jedoch nicht daran hinderte, demEhrenausschuß für seine "sorgfältige Ar-beit zu danken"...

So tragisch der Tod Rudolf Muckes ist,- die Umstände, die dazu führten, hät-ten die Chance für ein wirkliches Nach-denken über Vergangenheitsbewältigungbieten können. Doch selbst innerhalbder Universität wird diese Diskussionoffenbar nur gezwungenermaßen undentsprechend halbherzig geführt. Statttatsächlich Grundsätze der Aufarbeitungdieses Teils der DDR-Geschichte zu dis-kutieren, zieht man sich auf die formal-juristische Prüfung des Procedere unddie Auswertung von statistischen Zah-len zurück.' Erlebbar war dies nur allzudeutlich auf den beiden Sitzungen desAkademischen Senats.

Jana (Referentin für Hochschulpolitik)

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16 Politik

Mit dem Rücken zur WandElf Millionen DM hat die Humboldt-Uni als eigene Sparleistung

angeboten, zu spät und zu unkonkret, um noch gehört zu werden.

Prof. Borchert, Direktor des von Schlie-ßung bedrohten Instituts für Pharmaziebat auf der Sitzung des AkademischenSenats am 23- Mai um Hilfe. Ob mandenn nicht gegen die geplante Schlie-ßung seines Instituts klagen könne, fragteer an. Vizepräsident Krauß wies ihn zu-recht: „Sie können nicht vorbeugendgegen geplante Gesetzesvorhaben, wiedies zur Schließung eines Studiengangsnötig ist, klagen!" „Aber ich habe in derFachliteratur gelesen, daß es geht." „Neindas geht nicht." Damit war das ProblemPharmazie beendet. Wenn nicht nochetwas Unvorhergesehenes geschieht unddie Koalitionspartner CDU und SPD anihrem rigorosem Sparvorhaben festhal-ten, wird es wohl ab dem Jahre 2003keine Pharmazie an der HUB mehr ge-ben.

Man hat nichts unversucht gelassen, umdie riesige Sparsumme von 29 MillionenDM von der HUB abzuwenden und tief-gehende Strukturentscheidungen wie dieSchließung der Pharmazie zu verhindern.Die Strategie war eine neue, man setzte

auf das persönliche Gespräch mit denAbgeordneten des Berliner Parlaments.„Wir haben fast täglich mit Abgeordne-ten gesprochen, sie davon überzeugt,uns zu helfen", beschrieben die DekaneOrtenberg (Physik) und Lindemann(Agrarwissenschaft) der UnAUFGE-FORDERT ihren Kampf gegen die Spar-maßnahmen. Auch die Universitäts-leitung; so Präsidentin Dürkop auf be-sagter Senatssitzung, habe nichts unver-sucht gelassen, um den Sparhammer vonder Uni abzuwenden. Man habe auf dieUngerechtigkeit der Verteilung zwischenden Unis hingewiesen, öffentlich prote-stiert, und auf die schwerwiegenden Ein-griffe an der Universität in aller Dring-lichkeit hingewiesen. Doch, so die Prä-sidentin, „das Hauptziel wurde nicht er-reicht, es wird wohl keine Umverteilungzwischen FU, TU und HUB geben undauch die gesamte Sparsumme wird wohlnicht gesenkt werden". Dies sei die Er-kenntnis der letzten Gespräche mit derpolitischen Seite, erklärte die Präsiden-tin den akademischen Senatoren. Ja, was

Prof. Hans Hubert Borchert

hat sie denn erwartet? Ist sie schon solange aus dem politischen Geschäft, daßsie nicht mehr weiß, wie wenig Einzel-gespräche unter vier Augen mit Abge-ordneten etwas taugen. UnAUFGE-FORDERT hat einen Abgeordneten derSPD, der anonym bleiben wollte und aneinem solchen Gespräch teilgenommenhatte, , gefragt, ob er nun sein Stimm-verhalten am' 21. Juni, wenn die Vor-schläge Erhardts zur Abstimmung stehen,ändern werde. Die Antwort war unbe-stimmt, aber eindeutig: „Es gibt einenpersönlichen Willen und eine Entschei-dung der Fraktion. Zwischen beidenmuß man sich entscheiden!"

Nun hat die Universitätsleitung eineneigenen Vorschlag unterbreitet, nachdem sie sich bereit erklärt, 11 MillionenDM durch Einsparungen zu erbringen,die entstehende Differenz sollte neu un-ter den Universitäten verteilt werden unddurch Leistungskriterien in zwei Pla-nungsrunden 1996 und 1998 umsetzen.Den zeitlichen Aufschub begründet diePräsidentin mit der Notwendigkeit, in die

weiteren Planungen die zu erwar-tende Länderehe Berlin - Branden-burg einzubeziehen.

Die Ablehnung des Vorschlageskam prompt und von allen Seiten:Wissenschaftssenator Erhardt nenntihn engstirnig (siehe Kasten), FU-Pressesprecher Walter spricht von„Wunschvorstellungen" der HUBund auch TU und HdK haben kei-ne Bereitschaft signalisiert, der HUBzu helfen. Kein Wunder, denn dieBeziehungen zwischen den Univer-sitäten sind in der Zwischenzeitmehr als strapaziert, besonders zwi-schen FU und HUB läuft fast nichtsmehr. Da spricht die PräsidentinDürkop von einem „Neidkomplex"der FU, den diese angesichts derLeistungsfähigkeit der HUB habe.Auch unter den Mitgliedern des

Akademischen Senats, die den Vor-schlag mit großer Mehrheit annah-men, regte sich leiser Verdacht, obein solches Vorgehen überhaupt

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Politik 17

Keine Planungssicherheit bis 2003Wissenschaftssenator Erhardt zu dem Gegenvorschlag der

Humboldt-Universität

UnAUFGEFORDERT: Herr Erhardt, die HUB schlägt vor, Sparleistungenin Höhe von 11 Millionen DM zu erbringen, die entstehende Differenzsoll unter den Universitäten neu aufgeteilt und in zwei Runden 1996und 1998 umgesetzt werden. Ziel ist eine Gleichbehandlung aller Uni-versitäten.

Erhardt: Während die HUB infolge der pauschalen Minderausgabe bis zum Jahre2003 27 Millionen DM einsparen soll, belauft sich das Einsparpotential der FU aufinsgesamt 80 Millionen DM. Eine wirkliche Gleichbehandlung mit den anderenUniversitäten würde die HUB stärker belasten, als dies meine Vorschläge vorsehen.Wenn daher der Akademische Senat der HUB die ihm zugedachten und im Hin-

blick auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates auch vertretbaren Einsparun-gen einseitig reduziert, handelt er unsolidarisch und engstirnig.

Ist denn eine andere Aufteilung der Sparsumme noch durchführbar?Nein. Eine andere Aufteilung der pauschalen Minderausgaben ist 1995 nicht

vertretbar und auch nicht realisierbar.Können Sie den Universitäten nach dieser Sparrunde endlich Planungs-

sicherheit bis zum Jahr 2003 zusagen oder wird es weitere Einsparun-gen geben?

Ich würde gerne Planmungssicherheit schaffen, kann dies aber angesichts derFinanznot des Landes Berlin und der Budgethoheit des Abgeordnetenhauses leidernicht tun.

etwas nütze. Student Grube, einer derwenigen mit Durchblick im Akademi-schen Senat, bezeichnete das Ansinnender Präsidentin als „einen Schritt nachvorn in Richtung Abgeordnetenhaus",Prof. Schwemmer von der Philosophiefragte, ob ein solches Konzept überhauptnoch durchsetzbar sei.

Die Antwort des Vizepräsidenten Kraußauf derartige Einwände war erstaunlich:„Wir wollen der Politik die Möglichkeitnehmen, zu behaupten, wir würdennichts tun!" Na ja.

Blickt man zurück auf das, was seit derersten Ankündigung der Sparmaßnah-men im Oktober letzten Jahres an denUniversitäten geschehen ist, kann einemhimmelangst werden. Ungeachtet derTatsache, daß jede Universität für sichvieles unternommen hat, um die Spar-auflagen abzuwenden, haben sie insge-samt nichts erreicht. Erhardts Prinzip vonteile und herrsche ist wieder einmal vollaufgegangen, der peinliche BerlinerHochschultag hat sehr deutlich gemacht,wie weit die Universitäten von einanderentfernt sind (siehe Kommentar). Es gibtfür die zu erwartenden weiteren Spar-maßnahmen ab Oktober (und keinerweiß, ob da in Berlin nicht rot schlim-mer als schwarz ist) kein gemeinsames

Konzept der Universi-täten, sie haben sichnicht positionierenkönnen im BerlinerPolitikumfeld. Im Ge-genteil, die Schrankensind weit geöffnet fürdie sparwütige Berli-ner Regierung, die einselbstverschuldetesriesiges Defizit abbau-en muß. Senator Er-hardt kann am Endeseiner Amtszeit nurbestätigt werden, daßer ein guter Politikerist. In dem Sinne, daßer für die taktischenEntscheidungen derbeiden Nachbar-ressorts Inneres undFinanzen alles getanhat, so daß sie sichnun hemmungslos anden Universitäten be-dienen können. DieW i s s e n s c h a f t s -landschaft Berlin hatder gute Politiker Er-hardt leider in einTrümmerfeld verwan-delt. Die Perspektive Prof. Ernst Lindemann

Berlins für die Universitäten heißt inzwi-schen nicht mehr Hauptstadt, sondernProvinz.Alle Hoffnungen liegen wieder einmal

bei den Studenten, die ihre Rechte selbstverteidigen müssen, weil die ältere Ge-neration wieder nicht erkennt, daß siedie Lebensgrundlage der jüngeren Ge-neration zerstört. Sie müssen spätestensim Oktober wieder auf die Straße, umzu kämpfen.Und ein wenig Hoffnung kann man

auch in die Professoren setzen, die er-kannt haben, daß sie aus der derzeiti-gen Stellung, mit dem Rücken zur Wandnämlich, wegkommen und selbstInitativen ergreifen müssen. Prof. Linde-mann: „Wenn die Politik nicht erkennt,daß dies hier die Hauptstadt eines derreichsten Länder der Erde ist und des-wegen auch ein großes Recht auf Wis-senschaft und Ausbildung hat, dann tutes mir um diese Politiker leid. Dannwerden wir denen das wohl klar ma-chen müssen in aller Deutlichkeit, daßwir dieses Recht besitzen und auch ge-willt sind, es zu verteidigen."

Man kann nicht früh genug damit an-fangen.

jot

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18 Politik

„Das kann es dochnicht gewesen sein!"

Die Kapitulation der Universitäten vor sich selbst - ein Kommentarzum Fiasko des Berliner Hochschultags

Erst, im März, haben sie alle gemeinsam nach dem Erhaltder Erhardtschen Sparvorschläge aufgeschrien: Wir machengemeinsam einen Hochschultag, um unseren Protest in dieÖffentlichkeit zu tragen. Die Zeit verging.

Zwischenzeitlich prügelten sich die Präsidenten Dürkop(HUB) und Gerlach (FU) in der Presse. Dann zeigten alle vierPräsidenten mit dem Finger auf einander und schrien: Dumußt aber mehr sparen als ich.

Es war wie mit den vier Kindern und der Mama, die nur dreiÄpfel hat. Die vier balgen sich, weil jeder einen Apfel habenwill und glauben, daß der Stärkste gewinnt. Doch der Stärk-ste steht schon längst fest: nämlich die Mama, die bestimmt,

wer welchen Apfel bekommt, und wer nicht. Wissenschafts-mama Erhardt hat auch diesmal wieder einen schönen Streitinszeniert und die dummen Universitätspräsidentenkinderhaben wieder nicht gemerkt, wie sie reingefallen sind.Wie schlimm es um die Gemeinsamkeit 'der Universitäten

steht, wurde anläßlich einer Veranstaltung deutlich, die sich„Berliner Hochschultag" nannte und eine wirklich sehr pein-liche Veranstaltung war.

Da saßen sie: Präsident Gerlach konnte Präsidentin Dürkopwegen des ganzen Juristenstreites nicht in die Augen guckenund hatte sich an den äußersten Rand des Tisches verzogen,Schumann (TU) war erst gar nicht gekommen und hatte seine

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Politik. 19

zum Abschuß bereitstehende Vi-zepräsidentin Fuchs geschickt(die allen Ernstes die Veranstal-tung dazu nutzte, eine Broschü-re über Forschungsleistungen derBerliner Universitäten vorzustel-len) und HdK-Chef Schwenkeverkörperte einen grenzenlosenEnthusiasmus, doch gleich wie-der ins Bett zu gehen.

Herausgekommen ist bei derVeranstaltung, die unter dem Ti-tel „Endlich wieder Zukunft" ge-meinsame Perspektiven für dieBerliner Hochschullandschaft dis-kutieren sollte, überhaupt nichts.Es war eine sehr krasse Demon-stration dafür, daß die BerlinerUniversitäten in ihren Leitungenvöllig konzeptionslose Menschensitzen haben.

Frau Dürkop erzählte vonKunsterziehungs- und Musik-Stu-denten, die bei ihr im Büro sa-ßen, gegen die Fusion kämpften und die Präsidentin baten,ihr zu helfen. Dann fiel ihr noch ein, daß da um Fagotts,Trommeln und Trompeten ging, „alles mußte gerettet wer-den." Und dann sprach sie davon, „gegen die Mutlosigkeitder Politik das Fanal der Hoffnung zu setzen." Als sie diesgesagt hatte, waren von den Anwesenden bereits zehn ge-gangen. Es blieben noch ungefähr vierzig. Herr Schwenkebetonte noch einmal, wie wichtig es für die Universitäten sei,„endlich wieder Zukunft zu haben!" Aus. Wieder fünf gegan-gen. Dann holte Frau Fuchs ihre Broschüre raus („Ich machjetzt mal Werbung!") und sprach von etwas, was die im Saalsowieso schon wußten: Forschung ist sehr wichtig und wirdauch von den Universitäten sehr aktiv betrieben. Wieder wel-che gegangen.Als schließlich Gerlach erkannte, was für eine Katastrophe

sich gerade abspielte, rief er in den Saal: „Was jetzt wohl einStudi fühlen würde, der hier unten sitzt?" Da war keiner mehr,da saß nur noch die Presse und das Kollegium aus der Uni-leitung.

Ein ganz klein wenig konkretes ist doch herausgekommen,das kam aber nicht von den Unipräsidenten. Die Beauftragtedes Landeselternausschusses Rebitzki berichtete über die im-mensen Schwierigkeiten an den Schulen in Berlin und Bran-denburg, wo jede Menge Lehrer fehlen.

Das war's dann. Nach einer halben Stunde war Schluß undman ging wieder getrennter Wege.

Frau Dürkop sagte zu den Plänen Erhardts: „Das kann e:,doch nicht gewesen sein!" Frau Dükop, daß was Sie da in derHdK geboten haben, doch wohl auch nicht!

Ich kam mir vor wie bei einer dieser Veranstaltungen imHerbst 1989, wo die Funktionäre aus Berlin zu uns in dieProvinz kamen, weil sie merkten: da hat sich was geändert.Die saßen dann auch da, haben rumgelabert und nicht ge-merkt, daß zwar dringend etwas geändert werden muß, aberdaß es nicht mehr sie sein werden, die etwas ändern können.

Dies gilt auch und vor allem für die Humboldt-Universität,die dringend jemand brauchte, der sie mit politischen Kon-

zepten durch die sich anbahnende Krise führt. Solche Kon-zepte hat die Präsidentin Dürkop schon lange nicht mehr, dieErwiderung der HUB auf Erhardts Sparmaßnahmen ist einezudem noch viel zu spät kommende Fehlreaktion. Und be-denkt man der Zeiten, die da kommen und für die selbst derSparsenator Erhardt weiteres Sparen voraussagt (und alle In-sider-Stimmen geben ihm recht!), dann ist die HUB gut bera-ten, sich von ihrer Präsidentin schnellstens zu trennen!Der ausgeschiedene Vizepräsident Bank hat einmal die Me-

tapher vom Schiff Universität gebraucht, welches man nichtin der Brandung liegen lassen dürfe, sondern hinaussteuernmüsse aufs offene Meer. Dazu braucht es einen erfahrenen.und innovativen Steuermann.Wo ist der Steuermann für die Humboldt-Universität?

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20 Politik

DemokratieunfähigDer AStA der FU will der OSl-Zeitung (OZ) den Finanzhahnzudrehen, weil diese „revisionistische" Artikel veröffentlicht.

Am 15. Mai war quer über die IhneStraße am Otto-Suhr-Insitut fürPolitikwissenschaften ein Trans-

parent mit dem Slogan „FAZ, OZ, JungeFreiheit - wehret den Anfängen" ge-spannt. Einen Tag später gesellte sichein zweites Transparent hinzu, auf dem

zu lesen war: „NSDAP, SED, AStA - fürPressefreiheit, gegen Zensur". Das ersteTransparent war vom AStA der FU, daszweite vom RCDS. Inzwischen sind wei-tere Flugblätter, Sondernummern undeine Radiosendung produziert worden- der Kampf tobt, es geht um die Ab-

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FACHSCHAEISZEITUNG AM

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Schaffung einer Fachschaftszeitung derFU.

A uslöser des Verbalkampfes sind„mehrere Artikel" in der OZ, die am

größten Institut der FU (ca. 5.000 Stu-denten) mit einer Auflage von 1.700 Ex-emplaren seit mehreren Jahren erscheintund dort recht erfolgreich von den Stu-denten aufgenommen wird. Der AStA be-wertet diese Artikel als revisionistisch,verlangt eine Distanzier\ing der Redak-tion und hat bis auf weiteres in seinemPlenum beschlossen, jede weitere Finan-zierung der OZ zu unterlassen. Die OZbezeichnet wiederum das Vorgehen desAStA's als Gedankenpolizei und ver-sprach, sich gegen die „politische Zen-sur" zu wehren.

Doch eigentlich geht es nur um zweiArtikel. Der eine erschien im November1994 zur einseitigen Bearbeitung deut-scher Geschichte am OSI. Der Autor UweSchellenberg wirft darin dem Institut eineübermäßige Beschäftigung mit dem Na-tionalsozialismus vor, bezeichnet diesenVorgang als „Ritual der Selbstreinigung"und vermutet, daß die Lehrkräfte insge-heim wohl doch der untergegangenenDDR nachtrauern und sich deswegenweigern, sich mit der „zweiten deutschenDiktatur" zu beschäftigen. Der AStA ba-stelte daraus den Vorwurf, der Autorwolle damit eine Gleichsetzungsstrategiezwischen dem Nationalsozialismus undder DDR betreiben. Der zweite Artikelist ein Essay von Henry Krause zumThema Vergangenheitsbewältigung. DerAutor beklagt, daß „die Opfer [beiderDiktaturen] gegeneinander ausgespieltwerden, als seien die einen töter als dieanderen und die Haftjahre in einemZuchthaus oder Lager unter Hammer undSichel angenehmer als die unter dem Ha-kenkreuz." Weiter bemerkt er, daß An-schläge auf .Asylbewerberheime ehereinen kriminellen Hintergrund habenund erst durch ihre Präsentation in denMedien zu politischen Ereignissen wer-den. Für den AStA sprechen zu Rechtaus diesem Essay die Thesen Noltes und

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Politik. 21

Zittelmann, den Protagonisten desHistorikerstreits.

Sicherlich sind beide Artikel höchststreitbar und entsprechen einer

grundsätzlich konservativen Haltung derAutoren. Das sieht auch Christoph Dowevon der OZ so. Er rechtfertigt den Ab-druck der Artikel mit dem Forum-charakter der Zeitung und der Notwen-digkeit einer Auseinandersetzung mit sol-chen Meinungen. Für ihn ist eine derar-tige Handhabung der Pressefreiheit auchAusdruck eines pluralistischen De-mokratieverständnisses. Für GerhardWolf vom AStA der FU dagegen ist dies„Wischi-Waschi-Pluralismus" und „wennsich inhaltlich nichts bewegt, wird dieFinanzierung eingestellt."

Nun könnte man hier abbrechen, derOZ empfehlen, sich einen neuen Finanz-sponsor zu suchen und dem AStA mehrPolitikverständnis wünschen. Doch esgeht um weit mehr als nur um den Streiteiner Studentenvertretung mit einerFachschaftszeitung. Denn hinter demVerhalten des AStA's versteckt sich eintatsächliches Dilemma studentischerVertretungspolitik und die beiden Arti-kel geben im Grunde nur einen neuenKonflikt hinsichtlich deutschen Ge-schichtsumgangs wider, der auf die Ge-sellschaft zurollt. Das beides mit derBrechstange beerdigt werden soll, istfalsch, aber leider typisch für den AStAder FU.

U te Steub von der tazhat angesichtsdes Polizeieinsatzes an der FU we-

gen der Störungen des Gastvortages vonPeter Duesburg durch den FU-AStA {sie-he Artikel in dieser Ausgabe) besorgt beidemselbigen angefragt, „wieviel Tassenbei euch noch im Schrank stehen?" An-gesichts der Tatsache, das der AStA derFU zu brachialer Gewalt neigt, wo ihmArgumente fehlen (Katharina Rutschkyund Wiglaf Droste mußten dies bei Gast-vorträgen bereits am eigenen Körperspüren), läßt nach politischen Konzep-ten fragen. Bei der Behandlung der „OZ-Frage" verhält man sich ähnlich: Daserste, was die OZ-Redakteure von ih-rem Finanzgeber hörten, war das obenerwähnte Transparent. Auch im weite-ren verschloß man sich seitens des AStA'sjeder inhaltlichen Diskussion, pochte aufseine Rechte als politische Vertretung.Und die hat er natürlich. Gewählt vonwenn auch nur 10% der Studenten, hater das Recht, eigenmächtig darüber zuentscheiden, was er finanziert und wasnicht. Das Problem ist nur, daß die mei-

sten Studenten, die ja mit ihren Steuern(Semesterbeiträgen) den AStA überhauptmöglich machen, diesen als politischeVertretung gar nicht wahrnehmen. Hin-terfragt werden muß zunächst einmal daspolitische Modell. Repräsentative Demo-kratie auf der Basis von 60.000 und we-niger Studenten erscheint sinnlos, ihreAufgaben kann sie kaum erfüllen. Daswissen AStA-, RefRat- und Studenten-parlamentsmitglieder am besten; späte-stens nach zwei Monaten fängt die Fra-ge nach dem eigenen Selbstverständnisan. Diese Frage klärt man meistens fürsich selbst mit dem Blick auf das vieleGeld, was man zu verwalten hat. Undstatt das eigene Bild, welches man nachaußen hat, dadurch zu ändern, daß mandie Strukturen ändert (Beispiele gibt es- leider in Bayern), pocht man auf seineeigenen Rechte, wird in der Auswahl derpolitischen Mittel immer „aktionistischer"und schraubt sich längsam aber sicherin den Himmel sinnloser Politik. ImGegensatz zum RefRat der HUB, derdurch ein relatives Rotationsprinzip nochBodenhaftung hat, ist der AStA der FUlängst abgehoben.

U nd so fällt ihm auch die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung

mit der OZ denkbar schwer, wahrschein-lich aus mangelndem Vertrauen in dieeigene argumentative Kraft. Denn so be-denklich die beiden Artikel sind, die nunzum Finanzierungsstopp der Zeitungführen, sie haben beide ein brennendesProblem genannt, wenn auch aus ande-rer Perspektive. Denn die Feiern zum50. Jahrestag des Endes des zweitenWeltkrieges (viele Zeitungen haben invölliger Irritation auch vom Jubiläum ge-sprochen) haben auch die Ritualisierungdes Umgangs mit dem Nationalsozialis-mus deutlich gemacht (siehe TitelUNAUF 66). Der dritten und viertenGeneration sind notwendigeDemokratiewerte nicht mehr überAufarbeitungs- und Gedenkrituale zuvermitteln. Und natürlich haben dieBrandstifter ein gehöriges kriminellesBewußtsein mit Geltungsbedürfnis, dennsie wissen um die hohe Wertschätzungder Gesellschaft, die diese dem Erhal-ten von Tabus gibt. Hier tun sich furcht-bare Defizite auf, die leider allzu oft (sie-he Diskussionen im Spiegel und Zeit) imLinks-Rechts-Schema der achtziger Jah-re abgehandelt werden. Statt dieses Pro-blem, welches auch in den „revisionisti-schen" Artikeln der OZ steckt, geradean einem politikwissenschaftlichen In-

stitut breit und auch kontrovers zu dis-kutieren, taucht man in die Schlamm-schlacht politischer Grabenkämpfe ab.

Da wird einem vom AStA gesteckt, daßWissenschaftssenator Erhardt (CDU) fürdie Zeitung halböffentlich Partei ergrif-fen hat (das stimmt sogar!), daß daszweite Transparent vom RCDS (Jugend-CDU) stammt und bei der Redaktionschon mal jemand mitgemacht hätte, derauch in der Jungen Freiheit veröffent-licht habe (stimmt nicht!). So sei ja daspolitische Umfeld klar, jede weitere Aus-einandersetzung sinnlos. Schade nur, daßsich die OZ zwischenzeitlich auf dasselbe Niveau hat ziehen lassen. Von OSI-Studenten war zu hören, daß OZ-Redak-teure Vorlesungen störten, um Flugblät-ter zu verteilen. Und statt dem AStA sei-ne eigene Unfähigkeit vorzuführen, wirder mit Schlagworten wie „Zensor" oder„Gedankenpolizei" bedacht.

Der Ausgang des Streits ist noch ungewiß. Im Gegensatz zur Bundes-

politik kann die OZ kein Verfassungs-gericht stürmen, die Rechtslage ist ziem-lich eindeutig. Dem AStA bliebe dieChance, Lernfähigkeit zu beweisen undnach einer Lösung zu suchen. Bleibendie Studentenpolitiker hart, müssen siesich den Vorwurf gefallen lassen, mitziemlich demokratiefeindlichen Mittelnein Zeitungsprojekt zerstört zu haben,welches auf kontroverse Diskussion setz-te. Es ist nicht die Frage, ob man rech-ten Stimmen Raum gibt oder nicht. DieFrage ist, ob man ihnen Antworten ent-gegensetzen kann, die den Erhalt de-mokratischer Werte und Vorstellungenauch hinsichtlich der Geschichte über-zeugend macht. Einfach so mit seinerohnehin fragwürdigen Macht zu spielenund jemandem den Finanzhahn abzu-drehen, ist dumm.Denn wer neben der ganzen oberfläch-

lichen Diskussion bereits die Auseinan-dersetzung mit den rechten Stimmensuchte, war die OZ selber.

Bereits zwei Ausgaben nach Veröffent-lichung des Artikels von Uwe Schellen-berger veröffentliche die OZ im Februar1995 eine Gegenantwort, die sich inhalt-lich mit den Vorwürfen auseinandersetzteund die „Lehrpolitik" des OSI verteidig-te. Da wurde bereits diskutiert - dreiMonate bevor der AStA sein Transparentaufhängte.

jot

Page 22: UnAufgefordert Nr. 67

22 Politik

Hochschulpolitik

Studium und Lehre:Einführung vonLehrberichten

Erstmals zum Sommersemester 1996sollen an der HUB Lehrberichte erho-ben werden. Die Lehrberichte sind durcheinen Beschluß des Akademischen Se-nats aus dem Jahr 1993 vorgeschrieben,sie sollen ein realistisches Bild von Leh-re und Studium an den Fakultäten ge-ben. Neben verschiedenen rein statisti-schen Erhebungen soll auch die Fähig-keit der Professoren überprüft werden,eine qualitativ angemessene Lehredurchzuführen. Erbrobt werden soll diesin einem Zwei-Stufen-Verfahren: zu-nächst sollen die Berichte innerhalb derUniversität diskutiert werden, um wei-tere Verbesserungsvorschläge zu finden.Dann sollen die Berichte dahingehendgenutzt werden, Möglichkeiten der Eva-luation zu erbroben und damit zu einerSteigerung der Qualität von Lehre undStudium beizutragen.Auf finanzielle Sanktionen oder

Personalplanungsprozesse wird zunächstverzichtet.

Wahlen: Streit umWahlordnung wird

juristisch ausgefochtenDie HUB will auf jeden Fall verhindern,

daß durch die Aufnahme des KlinikumsRudolf-Virchow ein Übergewicht der Me-diziner entsteht und in den Gremiennach den Wahlen mehr Mediziner alsGeistes- Sozial- und Naturwissenschaft-ler sitzen. Deswegen hat die Präsidentinden Akademischen Senat angekündigt,Klage beim Verwaltungsgericht einzurei-chen mit dem Ziel, daß Wahlkreise ge-bildet werden dürfen, die eine angemes-sene Vertretung aller Fakultäten in den

zentralen Gremien ermöglicht.Der Akademische Senat hatte mit Zu-

stimmung der medizinischen Vertretereine Wahlordnung beschlossen, die eineEinteilung der HUB in Wahlkreise vor-sieht. Wissenschaftssenator Erhardt hat-te diese Wahlordnung nicht bestätigt,weil sie seiner Ansicht nach gegen denGrundsatz der Gleichheit verstoßen wer-de.

Die Präsidentin Dürkop hatte sich zu-nächst von Erhardt über das Mittel derRechtsaufsicht anweisen lassen, die Wah-len unverzüglich durchzuführen. Inzwi-schen hat die HUB gegen diese Anwei-sung Widerspruch eingelegt. Sollte Se-nator Erhardt den sofortigen Vollzug derWahlen fordern, wird die Universität ei-nen Antrag auf einstweilige Verfügungstellen, um zu verhindern, daß im Julinach dem vom Senator gewünschtenVerfahren gewählt wird.

Senator Erhardt hat inzwischen alle wei-teren Verhandlungen mit der HUB ab-gelehnt, er besteht auf einer Durchfüh-rung der Wahlen noch in diesem Som-mer.

Studentenparlament:StuPa-Sitzung und

neuer RefRatOffenbar sind die neugewählten

StudentlnnenParlamentarierlnnen nochfrisch und unverbraucht, - die unverhofftzahlreiche Anwesenheit auf den bishe-rigen Sitzungen erweckt zumindest die-sen Eindruck. Der Höhepunkt der Sit-zung im Mai: die Wahl der neuenReferentinnen für die Referate Soziales,Finanzen, Öffentlichkeit und Inter-kulturelles. Leider tauchten wieder nurdie alten Gesichter auf. Also werden wirein weiteres Jahr auf einen Generations-wechsel warten müssen. Einige neuereGesichter schleichen ja schon durch dieRäume des RefRat- Hauptsache, sie wer-den nicht wieder vergrault.

Nicht alle, die antraten, wurden ge-wählt. Entweder fielen sie durch, da ihrKonzept nicht überzeugte oder mehre-re Kandidaten antraten. (Zum Beispielbei den Referaten Interkulturelles, So-ziales und Finanzen). Der ehemaligeSport- Referent legte einen Bericht überseine Arbeit und die Zusammenarbeit mitder Zentraleinrichtung Hochschulsportab, die geradezu vernichtend war: In derZEH arbeiten derzeit noch 7 von ehe-mals 40 Angestellten und jede Auslage-

rung von Kompetenz wird als Gefahr fürdie Weiterexistenz der Arbeitsplätzeempfunden. Das macht ein Sportreferatin der bisherigen Form unnütz. Das StuPawird deshalb auf seiner nächsten Sitzungüber die Auflösung des Referats befin-den. Auch für die Referate Frauen undInternationales wird es Änderungen ge-ben. Das Frauenreferat soll demnächstnicht mehr an die studentische Frauen-vollversammlung gebunden werden. DasReferat für ausländische Studierende sollkommissarisch besetzt werden könnenund dann für die Einberufung der Voll-versammlung der ausländischen Studie-renden zuständig sein.Auch in der vorhergehenden StuPa-Sit-

zung wurden Referentinnen gewählt.

Hier nun der kompletteRefRat mit seinenSprechzeiten:

Lehre & Studium: Ronald/AstridMo 1O-1330, Di 10-13, Fr 10-1130

Hochschulpolitik. Jana/AxelMo 12-14, Mi 10-14, Fr 1230-l6

Soziales-. AndreasMo 12-15, Di 13-16, Mi öffentL,Do 13-16, Fr n.Vereinb

Öffentlichkeitsarbeit: FrankMo 14-15, Di 13-16, Mi 14-15,Do 11-13 u. 14-16, Fr 11-12

Finanzreferat: Stefan/Mario,MarcusDi, Mi, Do 13-15.30

HUmmel-Antifa: Michael/Christian,JörgMo 15-16, Di 13-16, Do 12-14,Fr 11-13

Ökologie. Christian/SiglindeMo 12-14, Di 10-12 od. 16-18

Interkulturelles: Ulrich/Bekele

Flüchtlingshilfe. Julika/StefanDi 12-14, Mi 12-14, Do 14-16

Fachschaftskoordination: SammiMo 10-12, Di 10-12, Fr 14-16

Studierende mit Kind: FranziskaDo 16-19

StuPa Öffentlichkeitsreferat

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Kultur. 23

Vom historischen Relikt zumkontemporärem Kunstobjekt

Die Büroräume der „Verhüllter Reichs-tag GmbH" gleichen einem Bienenstock.Telefone klingeln, Faxgeräte summenund Menschen laufen geschäftig über dieFlure. Kaum bleibt Zeit zu einem Ge-spräch. An den Wänden hängen Vor-studien zum Projekt und zeigen den ein-gepackten Reichstag in verschieden Far-ben und Perspektiven. Sie geben einenEindruck wie das Gebäude vom 23- Junibis zum 6. Juli aussehen wird. Durchdie Tür kommt ein Mann in vollerBersteigermontur und gibt Bericht über

Persönlichkeiten. Total sympathisch!"Das Reichstagsprojekt an sich ist wohl

so alt wie manch einer unter den Stu-denten. 1971 schickte ein in Berlin le-bender Bekannter Christos eine Ansichts-karte des Gebäudes, welches dasKünstlerehepaar seitdem zum Kunstob-jekt ihrer Träume erklärte. Über zwan-zig Jahre lang versuchten die Christosdeutsche Politiker in Ost und West vonihrem Vorhaben zu überzeugen. In die-ser Zeit kamen sie etliche Male nachBerlin, sprachen mit Parlamentsmitglie-

die Lage von „drüben". Dort installierter zusammen mit neunzig anderenGewerbekletterern Metallkonstruktionenauf dem Dach des Reichstages. Insge-samt 235 000 Kg Stahl zum Schutz der •Vasenornamente und Statuen wird derReichstag nach Beendigung des Aufbaustragen.

Christo und seine Frau Jeanne-Claudeselbst sind allerdings nicht aufzufinden,da sie sich gerade in New York befin-den. „Nur alle zwei Wochen kommendie beiden nach Berlin", erzählt eine Mit-arbeiterin, „schließlich haben die beidenauch anderes zu tun." Neue Projekte sindgeplant, wie „Over the River", die Über-dachung eines Flusses im Westen derU.S.A. oder „The Gates", eine Installati-on von Toren im New Yorker CentralPark. Kennengelernt hat sie die beidenaber schon und mit leuchtenden Augenerzählt sie: „Beeindruckende und tolle

dem, Bundestagspräsidenten, Bürger-meistern und Bundespräsidenten, bis derBundestag schließlich im Februar ver-gangenen Jahres die Erlaubnis erteilte.70 Minuten lang diskutierte der Bundes-tag über das Projekt. Christo und Jeanne-Claude bringen Diskussionen auf, dieallerdings nicht nur Politiker, sondern diegesamte Öffentlichkeit betreffen. Sie set-zen einen Prozeß in Gang, der nicht nurdie allgemeine kunstpolitische, sondernauch die Meinungsbildung eines jedeneinzelnen anregen soll. Ein Ziel, dasChristo mit seiner Kunst erreichen möch-te.Das Projekt wird weder mit öffentlichen

noch mit privaten Fördermitteln finan-ziert oder unterstützt, sondern lediglichaus den Einnahmen durch den Verkaufvon Vorstudien, Collagen, Zeichnungenund Modellen getragen. Und so liegt dieVermutung nahe, daß Jeanne-Claude

und Christo nicht nur Künstler, sondernauch begnadete Werbefach- und Ge-schäftsleute sind.

Zwei Wochen lang wird das Gebäude,versteckt unter einem silberschimmern-den Stoff, im Tageslicht glänzen. Ein un-gewohnter Anblick, der nicht nur Tau-sende von Besuchern nach Berlin lok-ken, sondern auch so manchen zum häu-figen Hinschauen verleiten wird. „DieDinge, die ich einpacke sind nicht mehrdiesselben, die sie vorher waren", sagteChristo während der Verleihung der Eh-

rendoktorwürde derHumboldt-Uni imMai. Und tatsächlich:

j Aus dem Gewohnten,dem Alltäglichen wirdein Objekt der Neu-gierde und des Stau-nens. Das vermeint-lich gut gekannte Ge-bäude wird entfrem-det und erscheintplötzlich als ein ande-res. Wohl selten be-fand sich das Reichs-tagsgebäude seit sei-nem Wiederaufbaunach dem Krieg so

sehr im Zentrum öffentlichen Interesses,wie er es während seiner Verhüllung seinwird. Jahrelang stand das Gebäude alshistorisches Relikt zwischen den beidendeutschen Staaten. Zwar durfte es beikeiner Touristenrundfahrt fehlen, dochpolitisches und gesellschaftliches Lebenspielten sich andernorts ab. Nun holtChristo den Reichstag aus der Tiefe desBewußtseins wieder heraus und machtihn zu dem, was er vielleicht sowiesonach dem Umzug der Regierung wer-den würde: Ein zentraler Punkt öffentli-chen und politischen Lebens. Vielleichtgreift Christo dieser Entwicklung also le-diglich vorraus, vielleicht aber trägt erauch entscheidend bei dem Prozeß bei,das dem deutschen Volke geweihteHaus, diesem wieder nahe zu bringen.

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Page 24: UnAufgefordert Nr. 67

"What does Verhüllung1 mean in english?

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'Die Dinge, die ich einpacke, sind nicht mehr dieselben, die sie vorher waren." Christo

Page 25: UnAufgefordert Nr. 67

26 Kultur

Blick unter die HülleAkademische Ehrung für die Verhüller Christo und Jeanne-Claude

Daß Christo nun gerade die Ehrendoktorwürde der Phi-losophischen Fakultät III erhielt, hat vielerlei Gründe. Zumeinen gab es in dieser Fakultät dieses Semester einenThemenschwerpunkt "Verhüllen und Enthüllen" unter demeinige Seminare stattfinden. Zum anderen wußte kein an-derer als allein der, die Laudatio haltende, KunsthistorikerHorst Bredekamp besser darüber zu informieren, in wel-chem interpretatorischen Rahmen die Kunst des gebürti-gen Bulgaren einordenbar sein könnte.

Leider drängte sich uns später der Eindruck auf, daß Christoaus dieser Rede eine Menge über seine Kunst hat lernenkönnen. Jedenfalls leistete er diesem Eindruck mit seinerdiauntermalten Dankesrede Vorschub:"... PrivatsammlungLondon, 15.000 £ - klick - Privatbesitz Brüssel, 20.000 $ -klick - ersteigert bei Sotheby's für 23.000 £ - klick - meinAtelier - klick - 45.000 $, Privatbesitz New York. Wir ver-kaufen übrigens auch handsignierte Drucke vom Reichstags-projekt. Wir suchen noch Mitarbeiter für unsere Verhüllungs-aktion." Die Beitrittserklärungen zum Projekt waren schongedruckt und wurden später an jeden verteilt, der den Saalverließ. Was kann man eigentlich noch verlangen, als daßein Mensch so von seiner Arbeit erfüllt ist? Von jemandem,der die Ehrendoktorwürde verliehen bekommt, schon Ei-niges, so dachten wir. Die Rede allein von eigenen künst-lerischen Erfolgen erschien uns schon deshalb nicht ange-messen, weil es eben nicht um die Verleihung der Ehren-doktorwürde einer Kunstakademie ging, sondern um dieder Philosophischen Fakultät III. Eine Offenlegung vonMotivationen oder etwas Programmatik hätten wir deshalbdurchaus erwartet. Das einzige, was wir in dieser Richtungerfuhren, war, daß der Gegenstand sich durch die Verhül-lung verändere. Er wäre nicht mehr derselbe wie vorher.

Das hat der Autor dieses Artikels auch nachgeprüft (sieheKunstseite ...) Vor Christos Auftritt richtete auch die Präsi-dentin einige Sätze in Englisch an das Paar, was sehrsympatisch erschien. Aber eins muß sich Frau Dürkop wirk-lich fragen lassen: Hätte sie nicht vorher nachschlagen kön-nen, was "Verhüllung" auf Englisch heißt, wohl wissend,daß dieses Wort in einer Rede an Christo nicht fehlen dürf-te? Dann hätte sie im entscheidenden Moment nicht gesti-kulierend nach Worten suchen müssen: "What does 'Ver-hüllung' mean in English?" Und wir erfuhren von ihr auch,warum Jeanne-Claude ebenfalls Ehrendoktor wurde: weilsie die Frau eines berühmten Künstlers ist ...

Christos Auszeichnung sollte den Höhepunkt einesFakultätstages der Philosophischen Fakultät III setzen. EinJahr war es her, daß Bürokratenseelen die Umstrukturie-rung der Fachbereiche auch hier vollendet hatten. Dochwar ihnen mit dieser Fakultät ein innovatives Meisterstückganz unerwartet gelungen. Die Feier dieses einjährigen Ju-biläums sollte noch durch eine durchtönt, berauschendeFetennacht beschlossen werden. Dies anzusagen, nach demDank an alle Tätigen des Tages, war Dekan Prof. Bredekampnoch einmal ans Mikrofon getreten. Allein der herunter-tretende Christo nebst Frau Jeanne-Claude riß die Aufmerk-samkeit der Medienmeute von der Bühne mit. Und so wur-de Prof. Bredekamp zu einem einsam neben einer pulk-enden Presseschar stehenden, dem im Moment des An-setzens zur Rede demonstrativ von einer vergeßlichen Pres-severtreterin fast das letzte Mikrofon fortgerissen wurde. Esfolgten Minuten des Schweigens, ob solcher Macht der Sen-sation ...

Ul&Ii

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Leben 27

"Entschuldigung, wie teuer isteigentlich das 15,00 DM Ticket?"

Eine Nation bleibt auf der Strecke

Februar 1995: Ein billiges Gerücht ziehtdurch die Lande. Für nur drei Fünf Mark-Stücke soll es dem Bundesbürger nunmöglich sein, durch die ganze Republikmit allen Eil- und Regionlzügen zu tin-geln - ganz umweltfreundlich, verstehtsich.

Daß ausgerechnet das neue, doch sohäufig verschrieene PrivatunternehmenBahn dieses Angebot auf den Markt wirft,ließ die Sache für viele un-wahrscheinlich erschei-nen. Erst die Veröffentli-chung in der Presse läßtdie Nachricht wirklichwerden. Dort ist frisch ge-druckt die Rede vom"Schönen Wochenende"mit der Bahn für 15,00 DM- Wahnsinn!

Die ersten Reisenden, diesich mit diesem Wöchen-endticket auf den Wegmachten, waren dieLeichtgläubigen, die gera-dewegs zum nächstenSchalter stürzten, um dasUnglaubliche wahr wer-den zu lassen. Aber esdauerte, wie nicht anderserwartet, nicht lange, bis die mißtraui-sche Masse, die sich nur schleichend derRealisierung dieses traumhaften "Bil-likums" zu nähern wagte, mit auf dasTrittbrett sprang.

Da fuhren sie nun alle vereint durchsWochenende. Ob Ausflügler oder Fern-reisender, sie alle trafen sich in der2.Klasse und nahmen sich das sonst soknappe Gut - die Zeit. Auf einmal hat-ten sie sie alle und das nur, weil's billigwar. Die Leute nahmen sich die Zeit,reisten mit weniger Gepäck, aber mitvielen Freßalien. Sie reisten geschlossenin der 2.Klasse, egal welchen Standesman entsprang, mit Kind und Kegel inder Masse. Somit hat die Bahn mit derEinführung des "SchöWoTiks" eine Artsüdeuropäische Laszivität in die deutsche

Reisekultur hineingetragen.Trotz Enge und schlechter Luft erfreu-

ten sich die Passagiere an der Unterneh-mung, "weil das ganze ja so preisgün-stig war". Die Bahnfahrer verspürtenplötzlich ein Gefühl, als hätten sie dieDeutsche Bahn ausgetrickst. Denn wasfür ein Schnäppchen hat man da ge-macht: zu fünft von Bremen nach Ber-lin-das macht läppische drei Mark für

jeden und die Bahn hat es nicht einmalgemerkt.

Die Bahn hat es geschafft, den Kun-den das Gefühl zu geben, einen Gewinnerlangt zu haben. Das Angebot ist reiz-voll, es liegt wie ein Köder aus und vie-le springen drauf an. Mit einem Mal wirddie Masse mobil. Sie wird aus dem häus-lich-lokalen Umfeld gelockt - ja, die DBzeigt uns unsere Lande.

Das 15,00 DM-Ticket ist in aller Mundeund wer es noch nicht ausprobiert hat,wird beinahe gesellschaftlich ausge-grenzt und als dumm verkauft:"...wenndu das billige Ticket nicht wahrnimmst,bist du es gerade mal selber schuld." Daßaber auch hier die Sahne unter Sonnen-einstrahlung ranzig werden würde, warabzusehen. So glatt, wie sich das alles

anhört und angepriesen wurde, konntees schließlich doch nicht funktionieren.Viele Strecken sind dadurch heute ein-fach überbelastet, auf den Bahnsteigenstehen die Fahrgäste dichtgedrängt wiedie Ölsardinen und das bereits um 6.00Uhr früh. Darunter zu leiden haben die"Normalfahrer", die lange Strecken mitdem IC/EC oder ICE für den vollen Preiszurücklegen und, um an ihr Ziel zu kom-

men, häufig noch in ei-nen Eil- oderNahverkehrszug umstei-gen müssen. Dort findensie dann keinen Sitzplatz,da bereits sämtliche Sitz-flächen von den Billig-fahrern okkupiert wur-den.

Da stellt sich die Frage,wie attraktiv die DB dannnoch auf diese Kundenwirkt, die ja immerhinnoch das meiste Geld indie Großkasse fließenlassen. Außerdem ist esfraglich, ob die Bahndurch das lockende An-gebot für die Zukunft tat-sächlich neue Kunden

gewonnen hat. Schließlich ist das"SchöWoTik" nur bis Dezember 1995angesetzt und wird jetzt Anfang Juni auf30,00 DM erhöht. Wahrscheinlich wirdes nur wenige geben, die im kommen-den Jahr die originelle Idee der Bahn sohoch loben werden, daß allein aus Sym-pathie das Auto stehen gelassen wird.Letztendlich konnte sich das Argument

"Streßfrei mit der Bahn durch Deutsch-land" bei dem Wochenendandrang nichtdurchsetzen. Es ist und bleibt nur dasGeld, was hier zählt und das wird wieeh und je bis auf den letzten Heller ge-zählt. Und genau der wird mit der Auf-hebung der Billigaktion bestimmt wie-der bevorzugt aufs Auto umgerechnet.

alex

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28 Studieren

Studieren in.. .// Ji

Studierende simulierten UN-Alltag in Kairo

Als unlängst ein Journalist der ägypti-schen Tageszeitung "Al-Ahram" mit sei-nem auf volle Lautstärke gedrehten Kas-settenrekorder zwei Wochen lang ver-schiedene öffentliche Einrichtungen undStraßen Kairos beehrte, wurde er nichtein einziges Mal gebeten, den Rekorderleiser zu stellen. Man hatte ihn wahr-scheinlich gar nicht gehört, so sein Kom-mentar.Im Herzen dieses funktionierenden

Chaos' befindet sich die AmerikanischeUniversität zu Kairo (AUC), der Austra-gungsort des siebenten Cairo Internatio-nal Model United Nations (CIMUN) imMärz 1995- Veranstalter war der Fachbe-reich der Politikwissenschaften der AUC.CIMUN vermochte es, sich in den ver-gangenen Jahren einen Namen zu ma-chen oder zumindest erfolgreich gegendie stetig tosende metropolitanischeBrandung Kairos anzukämpfen. Das be-zeugen die zahlreich angereisten Studie-renden aus Europa und Amerika, die vonCIMUN gehört haben mußten.Das Kairoer UNO-Modell ist eines von

vielen seiner Art, die in verschiedenenLändern jedes Jahr veranstaltet werden.Kairo ist eines der größten UN-Modelleund der Lokalität wegen begehrt. Ziel-gruppe dieser Konferenzen sind Studie-rende, die daran interessiert sind, dieSpielregeln internationaler Verhand-lungsgespräche kennenzulernen undsich in diesen selbst zu versuchen, in-dem sie ein bestimmtes Land auswäh-len, das sie vertreten. In verschiedenen,der UNO nachempfundenen Räten undKommissionen werden bestimmte The-men entsprechend dem UNO-Ver-handlungskodex diskutiert. Das erfordertim Vorfeld der Konferenz eine ausführ-liche Vorbereitung auf die auf der Ta-gesordnung der Kommissionen ste-henden Themen, eine möglichst authen-tische Repräsentation des ausgewähltenLandes in bezug auf diese Themen (ohnesich als Individuum dahinter aufzuge-

ben!), Verhandlungsgeschick in den Sit-zungen selbst und Ausdauer währendder Verhandlungen am Tage und denParty's am Abend, denn wozu ist man/frau schließlich Student/in?!

Worum ging es in Kairo konkret? Aufder Tagesordnung des simulierten UN-Sicherheitsrates stand kein spezifisches

zuvor eine Diskussion entbrannt, obnoch nicht eskalierte Konflikte über-haupt Tagesordnungspunkt des Ratessein können. Hier konnte sich der afri-kanische Block der nicht-ständigen Mit-glieder durchsetzen und die Tagesord-nung in seinem Interesse gestalten.

Die Generalversammlung mit rund 180Repräsentanten hatte sich zwei Themengesetzt: Die Wirksamkeit bzw. Berechti-gung von Embargos und die Folgenumweltpolitischen Rassismus'. Hier standdas Embargo, das seit dem ZweitenGolfkrieg über den Irak verhängt ist, imZentrum der Debatten. In diesem Zu-sammenhang trat offen zutage, wie leichtdie Behandlung politischer Fragen ineine emotional aufgeheizte Atmospäreabgleiten kann, wenn plötzlich politischeStandpunkte und Personen nicht mehrvoneinander getrennt werden, sondernDifferenzen persönlich genommen wer-

Thema. Hier waren die Delegierten be-strebt ad hoc akute Problemfälle zu dis-kutieren. So wurde anfangs der Konfliktin Kaschmir betrachtet und eine Resolu-tion verabschiedet, die erneut auf eineBeilegung des Konflikts drängt. Desweiteren standen der Disput um dieSpratly Inseln zwischen China und Viet-nam sowie der Konflikt in Burundi zurDebatte. Im Hinblick auf Burundi war

den. Dann läßt sich alles andere, als einesinnvolle Verständigung über bestimm-te Punkte erzielen. Zu kurz kam dannaber die Betrachtung des zweiten The-mas, der permanent weltweit geführteRaubbau an der Natur und die unzurei-chend gelösten Entsorgungsmecha-nismen für die Abfallprodukte der In-dustriestaaten wie der aufstrebenden"kleinen Tiger" einerseits sowie den dar-

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Studieren 29

aus entstehenden neuen Diskriminierun-gen der Opfer unseres Wohlstandes an-dererseits, allen voran die indigenenVölker. Mit anderen Worten, die Gewich-tung der Debatten wurde hier der Reali-tät treffend nachempfunden.

Der simulierte Internationale Gerichts-hof (IGH) betrachtete das Problem deriranisch okkupierten Abu Musa Inselnim Persischen Golf, ein langjährigerStreitfall zwischen dem Iran und denVereinigten Arabischen Emiraten (VAE).Im Unterschied zu allen anderen Kom-missionen, steht der IGH nur Studentenmit einem ausreichenden Hintergrund-wissen in internationalem Recht offen.Auf Einzelheiten der in dieser Rundespeziell diskutierten Frage einzugehen,würde hier zu weit führen. Nur so viel,der Streitfall ist ein solcher, weil es aufden Inseln Öl gibt, was sonst (?) undder simulierte Gerichtshof entschied zuGunsten der VAE.

Nun zu einer weiteren tagenden stu-dentischen Gruppe: der Kommission fürMenschenrechte und den behandeltenTagesordnungspunkten "UnterdrückteMinderheiten" und die "Diskriminierungvon an AIDS Erkrankten bzw. HlV-Infi-zierten". Anfängliche Versuche, die Dis-kriminierung von an AIDS Erkranktenund HlV-Infizierten als eine Art Unter-drückung von Minderheiten zu betrach-ten, konnte erfolgreich begegnet wer-den. Beides sind vielschichtige Proble-me, aber unterschiedlich gelagert. DasAIDS Problem erreicht global betrachteteine ganz andere Dimension im Hinblickauf koordinierte Hilfsprogramme, Auf-klärung und Eindämmung. In bezug aufdieses Thema traten kulturelle, religiöseund politische Unterschiede der einzel-nen Vertreter kraß zutage. Am Endekonnte unter anderem eine Resolutionverabschiedet werden, die ein koordi-niertes UN-Hilfsprogramm für dassubsaharische Afrika einfordert, wo dasAIDS-Problem längst ein bevölkerungs-politisches ist. Wenig spezifisch verliefdie Diskussion der Problematik unter-drückter Minderheiten und aufs neuewurde offensichtlich, daß es keine all-gemein verbindliche Klärung darübergibt, was eigentlich eine Minderheit ist.

Klar, jetzt ließe sich fragen, wozu die-ser möchtegern-weltpolitische Hokuspo-kus, ist doch alles nur 'Modell'. Natür-lich wird niemals ein vom CIMUN ein-berufender Blauhelm ausrücken, das istauch nicht die Frage. Es ist das Treffenan sich, das Mittendrin sein, dasVerstehenlernen anderer Ansichten, was

den Gewinn eines jeden teilnehmendenStudenten ausmachte. Der Ruf nachVerständigung tönte aus multinationalen

Mündern engagierter Studierender. Erwurde gehört, und das in Kairo!

Soest

„Verhältnisse wiebei McDonalds"

Mensa-Nord im Plastik-Rausch

Wohl spätestens seit den Tagen desKlimagipfels in Berlin bastelte die Hum-boldt-Universität kräftig an ihrem Öko-Image. Sogleich war eine Ausstellung derUmweltorganisation WWF im Foyer ein-gerichtet worden. Mit einem einfachen"Ja!" vom Vizepräsident Prof. Krauß alsAntwort auf die Frage, ob Umweltschutzan der HUB ein Thema sei, war diesedenn auch eröffnet worden. Kraußmachte deutlich, daß nicht nurdie Poli-tiker gefordert sind,Maßnnahmen zuentwickeln, son-dern auch die Uni-versitäten als For-schungsstätten.

Sehr schön gesagt,aber deswegennoch lange nichtaufgewacht. Dennvon Maßnahmenbei Humboldtskann keine Redesein. Daß die Unigerade das Gegen-teil davon zuläßt,kann man an eini-gen markanten Or-ten das ganze Jahrüber deutlich se-hen. Beginnen wirgleich mit demschlimmsten Bei-spiel, der MensaNord. Seit Februardiesen Jahres wer-den dort grundle-gende bauliche Ver-änderungen vorge-nommen. In dieserZeit gibt es keine

Möglichkeit, Geschirr zu spülen. Deswe-gen wird dort das Essen, welches übri-gens aus Dahlem eingefahren wird, aufPlastiktellern serviert. Ein unglaublicherSkandal, und das Wort Skandal wirkt indiesem Falle noch viel zu beschönigend,wenn man sich vor Ort ein Bild von derSache macht.Auf die schriftliche Anfrage eines Stu-

denten, warum ausgerechnet Plastik ver-wendet wird, antwortete der Geschäfts-

Auszug aus den"Ausführungsvorschriften ffür umwelt-

freundlichen Beschaffungen und Auftrogsver-gaben nach der Verdingungsordnung für

Leistungen (AVUmVOL)"vom 3 1 . März 1995

Anlage...III. Auflagen bei Verträgen mit Kantinepächtem, Essen- und

Getränkelieferanten

Bei Vertragsabschlüssen sind unter anderem folgende Auf-lagen zu erteilen;

2. Die Verwendung von Einweggeschirr einschließlich Trink-bechern ist nicht zulässig. Die Verwendung von Mehrweg-packungen - insbesondere Getränkeverpackungen - ist si-cherzustellen. Dies gilt auch für Getränkeautomaten.

3. Kantinen, die sich in öffentlichen Gebäuden befinden,dürfen Zucker, Senf, Salz, Ketchup und Gewürze nicht inPortionsverpackungen anbieten.

4. Es sind waschbare Stoffservietten oder Servietten ausRecyclingpapier anzubieten.

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30 Studierenführer des Studentenwerkes folgender-maßen: "Zur Zeit werden die Küche undder Ausgabebereich der Mensa grund-legend erneuert und umgebaut. Aus die-

einer Anstalt öffentlichen Rechts scheint'sniemand gelesen zu haben. Vertragspart-ner im Falle Mensa Nord ist nun auchnoch ausgerechnet der Senat.

sem Grunde haben wir keine Möglich-keit, Geschirr zu spülen. Wir stehen des-halb vor der Alternative, entwederPlastikgeschirr zu verwenden oder über-haupt kein Essenangebot zu machen. Indieser Situation mußten wir das gerin-gere Übel, nämlich die Verwendung vonPlastikmaterial entscheiden. Ich hoffedafür auf ihr Verständnis."Nein, ganz nüchtern keine Spur von

Verständnis vorhanden! Die Bauplänebestehen bereits seit Jahren. Schon ein-mal war der Beginn der Arbeiten ver-schoben worden - genug Zeit also, sichüber umweltverträgliche Lösungen Ge-danken zu machen. Nichtdestotrotz be-hauptet der Umweltbeauftragte des Stu-dentenwerkes bei einem Telefonat, dernatürlich sehr betroffen war, daß sichzur Suche von Alternativen wirklich kei-ne Zeit finden ließe.

Eigentlich wäre das Studentenwerkdazu jedoch gezwungen. Mittlerweilesind wir vom Refrat Ökologie auf dieeine entsprechende Verordnung der Se-natsverwaltung für Wirtschaft und Tech-nologie gestoßen mit dem wunderschö-nen Titel: "Ausführungsvorschriften fürumweltfreundliche Beschaffung nach derVerdingungsordnung für Leistungen".Dort steht alles so fein nieder-geschrieben, wie sich ein Essen- oderGetränkeanbieter auch in solch einemFalle von baulichen Veränderungen zuverhalten hat. Nur im Studentenwerk,

Kann sich das Studentenwerk auf einegeplante nochmalige Anfrage des RefratsÖkologie nun nicht im Sinne dieser Ver-ordnung rechtfertigen - was wohl ange-sichts obigen Zitats zu erwarten sein wird- ist hier ein eindeutiger Rechtsbruchworden.

Zur Zeit allerdings karren die BerlinerMüllmänner Tag für Tag zwanzig vonden großen blauen Müllsäcken prallvollmit Plastik gefüllt auf die Deponie. Unddas soll bis Februar 1996 als "Übergangs-lösung" fortgesetzt werden. Allerdingskann die Universität für diesen trauri-gen Zustand nicht verantwortlich ge-macht werden. Eher sollte sie das Stu-dentenwerk langsam mal fragen, wo indem nächsten halben Jahr die Studen-ten und Mitarbeiter essen sollen, wenndie Mensa-Nord aufgrund der Gesetzes-verstöße bis nach dem Umbau vielleichtgeschlossen wird.

Das Studentenparlament hat übrigensauch ein Schreiben an das Studenten-werk geschickt und sich in einer Sitzungganz klar gegen diese Praktiken gewand,was aus folgendem Zitat hervorgeht:"Wir, das Studentenparlament der Hum-boldt-Universität mißbilligen die Verwen-dung von Einweggeschirr in der MensaNord. Wir fordern die Verantwortlichenauf, sich um die Verwendung vonwiederverwendbaren Geschirr zu küm-mern, da die Verwendung von Einweg-geschirr aus ökologischen Gründen ab-

zulehnen ist."Und unsere Uni-Leitung steht ganz

unschuldig als Pontius Pilatus zwischenden Fronten, reagiert aber in keinemFalle konkret. Klar, alle lehnen diese Ver-fahrensweise an der Mensa Nord ab. Zitataus dem Vizepräsidium: "Das sind ja Ver-hältnisse wie bei McDonalds, die wir aufkeinen Fall zulassen können." Aber kei-ner tut etwas dagegen. Und will es trotzdes obigen Bekenntnisses zum Umwelt-schutz vielleicht auch gar nicht. Dennauch dort, wo der Kanzler Weisungs-befugnis hätte, wie z.B. für die Aufstellerder Getränkeautomaten im Hauptgebäu-de, die noch immer nur Büchsen aus-spucken, passiert nichts. Die alten Ver-träge werden ständig verlängert und so-mit die Anwendung der neuen Bestim-mungen verhindert.

Nun haben wir vom Refrat einen ein-dringlichen Brief an den Kanzler ge-schrieben und hoffen, seine Äußerun-gen, die nun hoffentlich folgen, werdenwegweisend und bindend sein.

Aber auch wir als Studenten könnenunseren Teil zu einer ökologischenUmorientierung leisten. Wir brauchennicht in so einer Mensa zu essen. Wirbrauchen auch nicht die Plastikbecherin den Cafeterien oder an den Geträn-keautomaten zu nutzen (Stichwort: "Be-cher Storno"). Selber eine Tasse mitbrin-gen, heißt das Motto. Es ist sicher etwasaufwendiger, als die Umwelt zu zerstö-ren, aber es lohnt sich doch - und wennes nur ein gutes Gewissen ist. Übrigenskönnt Ihr auch Eure Profs und Mitarbei-ter auf den feineren Geschmack des Kaf-fees aus der echten Porzellantasse hin-weisen. Bald wird es nach dem Willendes Gesetzgebers auch in den Automa-ten keine Plastikbecher mehr geben.

Mehr darüber und noch viel mehrkönnt Ihr bei den Mensatagen erfahren,wo vom 12. -16. Juni Mitglieder desÖkoreferates die Stände über Gen-Tech-nologie und Bio-Essen betreuen werden.

Daß wir immer Leute suchen, dieirgendetwas tun wollen, ist wohl klar.Vielleicht wollt Ihr einfach mal einen Taghelfen, oder Euch mejhr engagieren, umdiese Uni und ihre Funktionsprinzipienbesser kennenzulernen. Bis zum 30Julistehe ich Euch für Anfragen unter mei-ner Nummer 784 38 60 zur Verfügung.Oder meldet Euch bei Euren Fach-schaften. Und Sammi, der das Referatfür Fachschaftskoordination besetzt, sitztauch im StuPa und freut sich über jedenBreitwilligen.

Oliver Redschder kein Plastik mehr sehen kann

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Studieren 31

Pech gehabt, Geldmarie!Bekanntlich sind die Zeiten, als von

Staatswegen noch großzügig Ge-schenke verteilt wurden endgültig niegewesen. Während in Bonn noch flei-ßig darüber debattiert wird, ob dasBAföG nicht völlig wegfallen sollte,stehen die jetzt Geförderten irgend-wann vor dem Problem, den gewähr-ten Goldregen zu einem nicht uner-heblichen Teil zurückzuzahlen. Dajeder schon während des Studiumsdurch ungeahnten Fleiß und anderestaatstragende Tugenden, z JB.plötz-lichen Reichtum, einen Teil dieserSchuld reduzieren kann, soll im fol-genden das Prozedere der Rückzah-lung im Mittelpunkt stehen.

Der BAföG-Segen besteht im allgemei-nen zu jeweils 50% aus einem Zuschußund einem zinslosen Darlehen. D.h.grundsätzlich ist die Hälfte des gezahl-ten Betrages zurückzuzahlen. Ausnah-men von dieser ehernen Regel sind diereinen Zuschüsse, die teilweise gewährtwerden wegen einer Schwangerschaftbzw. Erziehung von Kindern bis zu 5Jahren während des Studiums, bei be-stimmten Behinderungsgraden und beimAuslandszuschuß.

Fleiß und Eile

Nach Ablauf der Förderungshöchst-dauer flattert von Seiten des Bundes-verwaltungsamtes Köln (Achtung! nichtdas BAFÖG-Amt) ein sogenannterFeststellungsbescheid über die Höhe deszurückzuerstattenden Betrages in denBriefkasten. Erfahrenene BAföG-Kost-gänger merken bei dem Wort Bescheidsofort auf, denn sie wissen, daß jetztRechtsmittel zulässig sind. D.h. wenn dieSumme zu hoch erscheint, ist der Wi-derspruch innerhalb eines Monats gel-tend zu machen. Geschieht dies nicht,

gilt der Bescheid als anerkannt, spätereEinsprüche sind dann nicht mehr mög-lich.

Die Rückzahlung an die Staatskasse hatin monatlichen Raten zu erfolgen. Überdie Höhe der Raten könnt ihr mit derStaatskasse reden, mindestens jedochmüssen sie monatlich 200 DM betragen.Die erste Rate ist spätestens 5 Jahre nachEnde der Förderungshöchstdauer (FHD)fällig. Achtung, damit ist das Ende desgeförderten Erststudiums gemeint! EinZweitstudium hat auf diese Frist in derRegel keinen Einfluß. Höchstens zwan-zig Jahre habt ihr für die RückzahlungZeit.Aufschub bzw. Aussetzung der Rück-

zahlungspflicht hängt wie so oft vompersönlichen Einkommen ab. Bis zu ei-nem Freibetrag in Höhe von 1310 DMim Monat, daß sich entsprechend umEhegatten- und Kinderfreibeträge erhöht,ist die Zahlungspflicht ausgesetzt. Die-ser Aufschub muß jährlich neu beantragtwerden und somit wird das Vorliegendieser Voraussetzung ständig überprüft.

Ein Teilerlaß auf die Darlehensschuldist bei Vorliegen bestimmter Vorausset-zungen möglich. Erste Voraussetzung ist,daß ein entsprechender Antrag innerhalbeines Monats nach Erhalt des o.g.Feststellungsbescheid gestellt wird. Da-nach ist der Zug abgefahren! Um in denGenuß dieses Teilerlasses zu kommen,muß man entweder außergewöhnlich in-telligent oder fleißig oder beides und \ orallem schnell gewesen sein. Befand su lider Geförderte bei der Abschlußprü-fung unter den besten 30% der Ab-solventen dieser Studienrichtung,so kann er den Teilerlaß bean-tragen. Dabei werden alle Er-gebnisse eines Kalenderjahresaus der gesamten Bundesrepu-blik herangezogen. Die Höhedes Erlasses richtet sich nach derbenötigten Studienzeit, d. h. wird

die Abschlußprüfung mit dem entspre-chenden Ergebnis innerhalb der FHD ab-gelegt, reduziert sich die Rückzahlungs-summe um satte 25%, bei Überschrei-tung der FHD um 6 Monate um 20% undbei 12 Monaten immerhin noch um 15%.Die bösen Langzeitstudenten haben auchhier keine Chance.

StaatstragendeTugenden

War der Fleiß oder die Intelligenz nichtganz so groß, die Eile dafür umso mehr,dann gibt's wenigstens noch ein paarPauschalpeanuts. Wird der Abschluß 4Monate vor Ablauf der FHD erreicht,reduziert sich die Rückzahlung um 5000DM, bei 2 Monaten vorfristig noch um2000 DM.Habt ihr reiche Eltern oder plötzlich

geerbt oder seid sonstwie plötzlich zuGeld gekommen und könnt es euch soleisten, die geforderte Summe in größe-ren Raten oder gar mit einem mal zu-rückzuerstatten, dann gibt's wie in derfreien Wirtschaft auch, eine Art Bar-zahlungsrabatt, der nicht von Pappe ist.Schließlich braucht Vater Staat so schnellwie möglich Geld, um es anderweitigwieder auszugeben. Dieser Nachlaß wirdnach der Höhe der Raten gewährt. Min-destens 4000 DM im Monat will der Ge-setzgeber sehen, bis er euch entgegen-kommt. Das geht los bei 9% Nachlassbis hin zu 50,5% bei Rückzahlung in ei-nem Betrag. Der Antrag auf diese Ermä-ßigung kann während der gesamtenTilgungszeit gestellt werden. Aber werkann sich das schon leisten, oder...?

ojoff(in Zusammenarbeit mit der studenti-

schen BAföG-Beratung)

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32 Kultur

''Eigentlich wollte ichDichter werden.

Aber ich brauchte Geld."Ein neuer Wegweiser ins Berufsleben der

Geisteswissenschaftler

Es gibt ein Leben nach dem Studium!Schwer zu glauben für den armenMagisterstudenten, der beim stetigenAufstieg in geisteswissenschaftlicheSphären schon alle Hoffnung fahren ließ.Doch gerade für ihn gibt es nach demStudium "Freie Laufbahn".

Berufe für Geistewissenschaftler fin-den sich selten in den Stellenbeschrei-bungen der Berufsinformationszentren

und Arbeitsämter. Doch daß man des-halb nur zum Kellner oder Taxifahrenstudiert, ist ein überkommenes Vorur-teil. Bei der rasanten Entwicklung der

Kommunikations- und Medienbranchekommt es darauf an, mit neuen Ideenein eigenes Arbeitsfeld zu schaffen. Ineiner Gesellschaft des Zeitmangels undder Datenüberflutung wird Denken zueiner Dienstleistung, die man nur ver-kaufen können muß.

Soweit die Theorie. Die praktischenRezepte liefern 30 erfolgreiche Geistes-wissenschaftler in dem Buch "Freie Lauf-

bahn". Abwechs-lungreich undkreativ wie ihreJobs schreibendie Autoren überihre Arbeit undgeben Tips fürNachahmer. Wieman Werbetex-ter, Kulturma-nager oder Spie-gelautorin wird,wie man Mana-ger das richtigeWort in denMund legt undmit welcher Lei-denschaft manLiteratur über-setzt, erzählendie Praktiker.Fernseh-Pro-grammentwick-ler, Presserefe-

rent, Meinungsforscher - Berufe, für diees keine gezielte Ausbildung gibt, sinddie Zukunft der beredten und aktivenGeisteswissenschaftler. Neben den Klas-

sikern wie Journalist, Lektor oder Dreh-buchautor treten in dem von ClaudioGallio herausgegebenen Band auch Exo-ten aus ihrer Schattenexistenz - oder istder Tagesablauf eines Ghostwriters etwakeine Neuigkeit.

Völlig neue Schaffensmöglichkeitenergeben sich durch den Dschungel vonDaten, Informationen und Nebensäch-lichkeiten. Der Infobroker beispielswei-se recherchiert mit geisteswissenschaft-lichem Problembewußtsein für seineKunden auf CD-ROM, im Internet undauf der Datenautobahn.

Neben einer Starthilfe bieten die Texteauch einen Blick hinter die Kulissen desöffentlichen Scheins. So erfährt man zumBeispiel, daß sich im Referat fürÖffenlichkeitsarbeit auch diskret dasBüro der Redenschreiber eines Politikersverstecken kann. Und die haben einenrichtig harten Job, wenn sie zurri Bei-spiel für Helmut Kohl arbeiten. Fast fürjeden Tag müssen sie im Team eine Redevorbereiten, von der man nur weiß wannund vor wem sie gehalten wird. Wennder Redenschreiber Glück hat, kennt ernoch das Thema.

Sachlich, hintergründig, persönlich,unterhaltsam und bisweilen selbstkritischinformieren und philosophieren die Ver-treter der KuK-Berufe (kommunikativund kreativ) über ihr Schaffen. Ihre Be-rufsbilder kann man kaum definieren,aber alle schreiben mit Lust von ihrerArbeit, den vielen Unwägbarkeiten,Überraschungen und Verrücktheiten, dieschöpferische Jobs provozieren.

Das sind Aussichten, oder!? Eine Bot-schaft des Buches darf aber trotz all derschillernden Perspektiven nicht verges-sen werden. Studium und Uni-Abschlußallein sind keine Eintrittskarte in diebunte Berufswelt der Kopfarbeiter. Prak-tika, Ferienjobs, Hospitanzen und praxis-orientierte Projektarbeit erst machen denerfolgreichen Einstieg ins geistige Ge-schäft wahrscheinlich. Wie man den Fa-den am richtigen Ende aufräufelt, umsich freie Laufbahn zu verschaffen - Pro-fis spenden Erfahrungen, ohne die Ar-roganz der Etablierten. .

Claudio Gallio (Hrsg.) Freie Laufbahn.Berufe für Geisteswissenschaftler. MitBeiträgen u.a. von Claus Leggewie, MajaPflug, Klaus Siebenhaar, Heide Soltau,Cora Stephan. 262 S. DM 24,80 (ISBN 3-927901-63-6)

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Studieren 33

Studieren

Biologie/Agrarwissen-schaften/Gartenbau:

Bundesumwelttreffen inFreising

Hier noch ein Nachtrag zum bundes-weiten Treffen studentischer Umwelt-gruppen vom 16.11. bis .20.11.1994:

Aller halben Jahre findet ein solchesTreffen statt, ausgerichtet von jeweilseiner Uni, d.h. von deren Umwelt-gruppe/Ökoreferat . Dieses Mal hattesich die Münchener Gruppe bereit er-klärt, den ganzen Haufen von über 100Interessierten durchzubringen.

Nun geht es bei diesen regelmäßigenTreffen weniger darum, die Welt zu ret-ten bzw. zu ändern, Ziel ist vielmehr,sich auszutauschen über die erreichtenoder auch nicht erreichten Erfolge beider Durchsetzung von Umweltschutz-maßnahmen an der Uni und Erfahrun-gen weiterzugeben oder zu sammeln."Umweltschutzmaßnahmen an der Uni"hört sich pompös an, es dreht sich da-bei aber um eher simple, ja fast selbst-verständlich scheinende Dinge wie dieVerwendung von Recyclingpapier, Mehr-weggeschirr in den Mensen und Cafe-terien, Ausnutzung der Becherspartastenan den Getränkeautomaten (mitgebrach-te Tasse statt Plastebecher, der aus demAutomaten fällt - habt Ihr das schon aus-probiert?) usw.usf.

Nicht zuletzt stellen diese Treffen je-desmal eine Kraftquelle für die mühe-volle Kleinarbeit der Umwelt-Uni-Enthu-siasten dar, und Spaß macht es auchimmer wieder; die Abschlußfeiern derBÖT's (Bundes-Ökologie-Treffen) sindberüchtigt.

Wenn ich jetzt von der Mühe bei derDurchsetzung bestimmter vernünftigerSachen zum Thema Umweltschutz an derUni sprach, heißt das nicht, daß wir, dasUmweltreferat der HUB, keinen Spaßdaran haben (nur manchmal nicht, wenn

wieder etwas nicht geklappt hat). Es istschön, gemeinsam sich zu bemühen undgemeinsam - wenn auch kleine - Erfol-ge zu feiern. Drum laßt Euch nicht ab-halten, zu uns zu kommen mit Ideen,Vorschlägen oder auch Eurem Kummerin Sachen Uni und Umwelt. Sprechzeitdes Umweltreferats ist jeden Mittwochvon 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr (Ihr könntuns auch eine Nachricht hinterlegen) inden Räumen des Studierendenpar-lamentes in der Clara-Zetkin-Strasse.Mädels und Jungs, die Interesse habenoder mitmachen wollen, sind gerngesehen.Laßt Euch sehen !

Euer Umweltreferat

Wirtschaftswissenschaften:Betriebswirtschafts-Studium in Madrid

Ab Oktober 1995 bietet die Europäi-sche Wirtschaftsakademie in Madrid einbetriebswirtschsaftliches Studium mitdem Abschluß Diplom-Betriebswirt (BA)ein. Deutsche Firmen finanzieren spa-nisch und deutsch sprechenden Abitu-rienten diesen dualen Studiengang. Zielist es, Nachwuchskräfte vor Ort auszu-bilden und ihnen dann einen sicherenArbeitsplatz garantieren. Der Studien-und Ausbildungsplan entspricht dem desLandes Baden-Württemberg, wo auchdie letzten beiden Semester und die Di-plomprüfung absolviert werden. Kon-taktadresse: Harald Jansen, Avenida deBurgos, 12, E-28036 Madrid. Telefon:00341/ 383 04 41.

Wirtschaftswissenschaften:Untersuchung der Stu-

diengänge in Deut-schland

Nach der längst fälligen Bereicherungder akademischen Bildungslandschaft inden letzten Jahren durch privateHochschulangebote will der in Koope-ration mit der Redaktion der Zeitschrift„manager magazin" und einem Team desMünchner Unternehmensberaters West-erwelle entstandene Studienführer, demheute schon aktiven Wirtschaftsführervon morgen helfen, sich im derzeitigenDschungel der angebotenen Wirtschafts-

studiengänge zurechtzufinden. Die Au-toren legen dabei eine Gesamtranglistevor, die 120 durchgehend beurteilteHochschulen im deutschsprachigenRaum umfasst. Das Ranking basiert aufeiner im Sommer und Herbst 1994 bei1422 Führungskräften mit Personal-verantwortung durchgeführten detaillier-ten Befragung zu allen Universitäten undFachhochschulen in Deutschland, Öster-reich und der Schweiz. Die Podestplätzegehen an die Fachhochschule Reutlingen(1), die Hochschule St. Gallen (2) unddie private Wirtschaftshochschule Ko-blenz (3). Als auffällig muss das über-durchschnittlich gute Abschneiden dernichtstaatlichen Hochschulen taxiertwerden.

Angelika und Axel Westerwelle: Die be-sten Universitäten und Fachhochschulenfür Wirtschaftswissenschaftler. Deutsch-land - Österreich - Schweiz. Wien 1995(ca. 29,80)

Theologie: 4. Werner-Reihlen-Vorlesung - Ethik

ohne Religion?Am 22. und 23- Juni finden im Audi-

max der HUB die 4. Werner-Reihlen-Vörlesungen zum Thema „Ethik ohneReligion?" statt. Die Vorträge kommenu.a. von den Professoren Hoffe (Tübin-gen), Milbank (Cambridge), Oser(Fribourg), Gerhardt und Schröder (bei-de HUB). An beiden Tagen wird jeweilsnach den Vorträgen zur Podiumsdiskus-sion geladen, an der auch Wissenschafts-minister Reiche (Brandenburg) teil-nimmt.

Rechtswissenschaften:Kongreß „The RussianEconomy and its Legal

Aspects"Vom 06. bis 10. Juli lädt der European

Law Student's Association-Deutschlande.V. nach Wetzlar zu einem Kongreß überWirtschaftsrechtsfragen Rußlands ein.Eine gesonderte Einladung ist an dieJurastudenten der Universität Kaliningrad(Königsberg) gegangen.Näheres bei Iris Schulz, Fax-Nr. 06135/

31 27.

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34 Kultur

Dampferanlegestelle für diePathologie

An der Charite soll ein Medizin-Historisches Museum aufgebautwerden - mit 2.000 Präparaten der pathologisch-anatomischen

Sammlung der Charite.

Wildwasserkanu? Langweilig! Para-gluiding? Muß man in die Berge fahren!Bunjee-Jumping? Schon gemacht. S-Bahnsurfen? Uralt.Jetzt gibt es was neues! Gruseln im

Museum. Schonmal einen Zyklopen ge-sehen? So einen richtig echten mit nureinem Auge? Oder eine Gestalt mit vierArmen und vier Beinen, das Gehirn aufdem Rücken haftend? Oder einen Tu-mor, der den ganzen Kopf umwucherthat wie eine Perücke? Oder siamesischeZwillinge? Und alles total echt, voll gru-selig und irre ekelhaft! Unbedingt an-gucken! Der neueste Kick! Für Herz,Magen und Augen!

Medizinstudenten wissen längst, wovondie Rede ist: vom „Gruselkabinett" derCharite. Dort wurden sie nämlich schonzu Ost-Zeiten während ihres Studiumseinmal hingeführt, um am im For/nalineingelegten Beispiel die möglichen Miß-

bildungen des menschlichen Körpers zuerforschen. Was diese sich im vertrau-ten Kreise erzählten, könnte ab 1999 fürganz Berlin Realität werden: ein Medi-zin-Historisches Museum, welches auchdie Abgründe menschlichen Leidens undder körperlichen Mißbildung der Öffent-lichkeit vorführt. Doch halt, es soll keinGruselkabinett entstehen wie dasDungeon in London. Dr. Peter Krietsch,der am Institut für Pathologie (huuaah)die Fäden für ein „Medizin-Historisches-Museum in Berlin" zieht, hat andere,hochfliegendere Pläne als die bloße Sen-astionslust der Menschen.

„Pathologisch-anatomisches Cabinet"

Also der Reihe nach und von Anfangan.

Im Jahre 1831 wurde an der Charite'ein „Pathologisch-anatomisches Cabinet"gegründet, welches sich der Aufgabe ver-schrieben hatte, Präparate des mensch-lichen Körpers zu sammeln und sie derForschung zur Verfügung zu stellen. Als1856 Rudolf Virchow den Lehrstuhl fürPathologie übernahm, begann eine wah-re Sammlerleidenschaft. 30 Jahre späterwar die pathologisch-anatomische Kol-lektion bereits von 1.700 auf 17.000 Prä-parate angewachsen, die Räume für dieLagerung reichten bei weiten nicht aus.Virchow, gleichzeitig Politiker, erreichte1893 die Genehmigung, der Pathologieneue Gebäude zu bauen, unter ande-rem ein Museum. Am 27. Juni 1899 wur-de es eröffnet und enthielt mit 23.600Präparaten die wohl umfangreichste(und makaberste?) Präparat-Sammlungder Welt. Das Museum wurde im Zwei-ten Weltkrieg schwer getroffen, von den

mindestens 30.000 Präparatenblieben ganze 2.000 übrig. Inzwi-schen sind es wieder 9-000 Prä-parate, die meisten von ihnenwerden notdürftig in einerBegräbniskapelle aufbewahrt,nebenan werden Leichen seziert.

Die DDR-Führung überließ wiesich selbst und vieles andereauch das ehemalige pathologi-sche Museum seinen Schicksal.I960 wurde zwar alles saniertund an die Charite-Instirute ver-teilt, das eigentliche Museums-gebäude aber vermoderte alsoffene Ruine und viele der altenPräparate verdarben, weil dasFormalin aus den brüchigenGefäßen austrat. Und wie so vie-les andere auch wäre auch das„Cabinet" des Prof. Rudolf Vir-chow der Vergangenheit anheimgefallen, wenn nicht Dr. Peter

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Kultur 35

Krietsch gekommen wäre.

Bestände vonWeltgeltung

1980 übernahm der promovierte Zoo-loge das Museum, wühlte sich in jahre-langer Arbeit durch die Präparate undordnete sie. 1990, als die Charite umsÜberleben kämpfte und viele Mitarbei-ter bei Horch und Guck nachfragten, obnoch eine Akte von ihnen da sei, hatteder Virchow-Fan andere Sorgen: „Als ichmir sicher war, daß hier nach wie vorBestände von Weltgeltung lagern, hatteich die Idee, ein Medizin-HistorischesMuseum wieder entstehen zu lassen. Ersthaben sich mich alle ausgelacht, aberjetzt lacht keiner mehr!"

Einleuchtend, wenn man die Vehemenzbeachtet, mit der Dr. Krietsch für seinMuseum kämpft.

Bereits im Juni 1990 konnte er derCharite-Leitung das Versprechen abknüp-fen, sich an dem Museum zu beteiligen,1993/94 erhielt er zwei Etagen des pa-thologischen Instituts zur Nutzung. DieMuseumsruine hat er mit Spenden-geldern wieder soweit zugänglich ge-macht, daß darin heute Veranstaltungen,Ausstellungen und Konzerte stattfindenkönnen. Selbst Christo war inzwischenda („der hat überhaupt den künstleri-schen Anschub gegeben") und will auchnoch mal wiederkommen. Durch dieVermietung des schaurig-schönenMuseumshörsaals im Ruinen-Lookhauptsächlich an Pharmakonzerne fürBankette („Die suchen diesen Kick!")wird ein Teil der benötigten 15 Millio-nen DM eingespielt, die für das Muse-um gebraucht werden. Die ersten Aus-stellungsräume sind bereits fertig.

Die gruseligstenGruselmonster

Ein Raum zeigt die gruseligsten Grusel-monster wie den Krötenkopf-Fötus und„Sirenoide" Föten, denen die Beine wieNixenflossen zusammengewachsen sind.Der zweite Raum ist so eine Art Virchow-Ralienkammer: sein erstes Mikroskop,sein Schreibtisch, seine Handschrift, sei-ne Urkunden, sein Besteck...

Gemeinsam mit dem TumorspezialistenDietl, der 1994 aus dem Westen an dieCharite" kam und Krietsch nach Rat undTat unterstützt, wird der Plan, bis 1999ein neues Museum zu eröffnen, wohl

gelingen.Dr. Krietsch, dem man

eine gewisse Ähnlich-keit zu Frankenstein(diese Augen!) wirklichnicht versagen kann,hat an alles gedacht: „Inden Hof kommt einKräutergarten, dann willich hier ein Gewächs-haus bauen und wennalles klappt, kriegen wiram Schiffbauerkanalauch noch eine Damp-feranlegestelle für unserMuseum."

Nicht nurAbnormitätenunter Glas

Es sollen aber nichtnur menschliche Ab-normitäten unter Glasausgestellt werden, imGegenteil, das Museumwill sich der ganzenHistorie der Medizinwidmen. Maximal einDrittel, eher weniger,soll der Pathologie ge-hören. „Wir wollen dieganze Breite der Me-dizingeschichte zeigen, von Anatomie bisZahnpflege." Und die Ausstellung derPräparate soll sich nicht in der Zurschau-stellung von Abnormitäten erschöpfen.Man möchte, so Dr. Krietsch, sich in die-sem Zusammenhang auch der FragePathologie und Kunst oder Pathologieund Mythen nähern. Denn viele der an-tiken Göttergestalten lassen sich auf ab-norme Körpermißbildungen des Men-schen zurückführen, die als Vorbilderdienten. Sicherlich ein sehr interessan-ter neuer Ansatz zur Auslotung der zahl-reichen Mythen der Menschheitsge-schichte. Daneben möchte man in An-lehnung an das Hygienische MuseumDresden auch Aufklärungsarbeit leisten:wie sieht ein Herzinfarkt aus, wie ent-steht Arterienverkalkung, was bedeutenKrankheiten wie Tripper für den mensch-lichen Körper, wie verändern sie ihn.

„Und wenn das alles klappt, dann ent-steht rund um die Charite mit Natur-kundemuseum und Hamburger Museumfür Neue Kunst und Medizin-HistorischesMuseum eine neue kleine Museumsin-sel", erzählt der Bewacher der exorbi-

tanten Geschöpfe stolz.

Mitternachtführungfür 3Sat

Und wie ist das nun mit dem Grusel-effekt?

Der kommt von den Medien, meint Dr.Krietsch. Da ist er nicht ganz unbeteiligtdaran und es bleibt die Vermutung, daßer dem Gruseleffekt seines Archivs längsterlegen ist.Dem ständig sensationslüsternen Spie-

gelhat er bereitwillig den Blinddarm desReichspräsidenten Ebert herausgewühlt,für 3Sat hat er eine Mitternachtsführungveranstaltet und auf der CD-ROM, diefür das Museum entsteht, ist ein zusam-mengewachsener Zwilling abgebildet.Er weiß nicht, wie viele Menschen her-

kommen, weil sie sich Gruseln wollen,aber „das können schon einige sein".Und wie er uns in die Begräbniskapelleführt, einen kleinen dunklen Raum ne-ben dem Seziersaal, geschwängert mitformalindurchdrängter Luft und voll-gestellt mit ca. 6.000 Präparaten, kann

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36 Kulturman das Leuchten in seinem Augen be-obachten, mit denen er unsere Blässeregistriert. „Wenn sie in diesem Institutdrinstecken, haben sie eine gewisseHemmschwelle überwunden!", sagt erlächelnd, streicht sich über die rot-gewandeten Augen und steckt sich eineneue Zigarette an.

Genau wie sein großes Vorbild Vir-chow, der sich die „Xiphodymen-Brü-der" - zwei am Rumpf verwachsene Ita-liener - nach Berlin holen ließ und demFachpublikum vorführte, erliegt auch derMuseumsdirektor in spe den abnormenSchöpfungen der Natur. Im ersten Aus-stellungsraum überläßt er uns erst un-serm Gruselschicksal, um uns dann, alswir allzu schnell wieder davoneilenwollen, noch einmal zum berühmtenKrötenkopf zurückzuführen. Als ein lei-ses „Äähh" unseren zugeschnürten Keh-len entfährt, lächelt Dr Franken...Krietsch und tröstet uns: „Dank der mo-dernen Medizin würde solch ein Fötusheute gar nicht mehr ausgetragen wer-den."

Das ist richtig und wichtig und trotzaller Gruselfaszination liegt hier der Wertdieser Sammlung und ihre Berechtigungin einem zukünftigen Museum: DiePräparatensammlung der Charite ist dasErgebnis einer ersten systematischenBestandsaufnahme von Mißbildungen,die dazu geführt hat, daß heute vieleMißbildungen rechtzeitig erkannt wer-den können und so menschliches Leiderspart bleibt.

Und so ist trotz der Tatsache, daß esuns besser ging, als wir das Pathologi-sche Institut wieder verlassen hatten, Dr.Krietsch und seinen Mitstreitern viel Er-folg zu wünschen für den Aufbau einesneuen Medizin-Historischen Museums inBerlin. Der Eröffnungstermin steht schonfest, auf die Stunde genau: 27.06.1995,11.00 Uhr. Bis dann!

jot und hele, der am Tag danachschlecht wurde

Spendenkonto für ein Medizin-Histori-sches Museum in Berlin:

Kennwort: Berliner MedizinhistorischesMuseum

Deutsche Apotheker- und ÄrztebankEG

Bankleitzahl 120 906 40Kontonummer: 130 325 2256

Ihr seid herzlich zur Eröffnung des „Berliner Medizinhistorischen Museums amInstitut für Pathologie" am 27. Juni 1999 um 11.00 Uhr eingeladen! Wo? - Fahrtmit dem Spreedampfer bis zur Anlegestelle Charite, die es bis dahin geben wird,erklettert flugs das idyllische Hinterland des Krankenhauses und habt Eintritt in dieehrwürdigen Gemäuer. Ein netter und vor allem glücklicher Herr wird Euch mitvielen Worten in das Ergebnis jahrelanger kleiner Odysseen, die ihn nicht amWirken hinderten, einweihen.

Nein... das gibt's doch nicht! - wird es manchem von Euch entfahren. Das istdoch der Frankenstein aus demSp/ege/! Der da vor vier Jahren ein Gruselkabinettmachen wollte, so eins für alle Leute zum Angucken. Mensch das isser ja!

Und Ihr habt recht. Es ist derselbe Herr, den der Spiegel 1995 da so verrissenhat. Von wegen Frankenstein! Er sieht absolut menschlich aus und derSp/ege/ hat,um die Leser zu erregen, ein bißchen Spaß gemacht. Er hat das unvorteilhaftestePhoto des Herrn Krietsch, was also der Mann mit dem angeblichen Gruselkabinettist, gedruckt. Das mußte ja zur Story passen.

Zur Museumseröffnung, die übrigens vor genau einhundert Jahren dank RudolphVirchow bereits in ähnlicher Form stattfand, wird eine mit Stolz vorgetragene, wich-tige Rede von Ohr zu Ohr wandern. Hört hört! Unter Euch wird sich vielleicht eineblasse Gestalt (Typ Student) gemischt haben, die 1995 schon einmal hier war.Damals ist sie hierher gekommen, um den Spiegel-Bericht zu hinterfragen. Siebefand nach zweistündigem Gespräch und einer etwas weichbeinigen Begehungder mit Eingelegtem ausgestatteten Gänge und Räumlichkeiten, daß ein Mensch,will er was schaffen, in solchen Fällen ideebesessen, schnurstracks geradeaus undunermüdlich sein sollte, sonst bleibt zum Beispiel ein solches Pathologiemuseumnur ein Gedanke. Jedoch schlich sich da auch eine leise Furcht ein, aber wovor?Mein Gott, das bißchen Gruselei, das diese künftige Ausstellung innehat (allemvoran im ersten Besichtigungsraum die „Monstra", was also konservierte Mißbil-dungen der schauerlichen Sorte sind, welche zum Teil Mythologie-Bezüge aufwei-sen könnten; desweiteren ein in einem Riesenglas hängender, mit wahrscheinlichScheiße gefüllter Riesendarm als das Zeugnis des tragischen Verderbens eines 32-Jährigen etc.), muß die bei im Schulalter befindlichen Besucher aufkommendemuseale Langeweile etwas glätten. Diese Exponate klären außerdem auf. Belusti-gen sie auch hin und wieder? Naja, Ihr werdet Euch schon zusammenreißen.

Es steckt viel Arbeit in diesen Räumen. Diese Idee des Herrn Krietsch, den derSpiegel... Ihr wißt schon... diese Idee mit Realität zu beflügeln war genauso an-strengend, wie Berge zu versetzen. Nicht nur Monstra begrüßen Euch auf dieserAusstellung. Ein paar Hinterlassenschaften Virchows, eine Zahnarztpraxis, die demvergangenen Jahrhundert nachempfunden, sind zu bestaunen. Frankenstein, derkeiner ist, baut auf Medizingeschichte. Und Virchow wäre wahrscheinlich stolz aufihn. HeLe

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Porschung- 37

Krieg der GerechtenDer "AIDS-Rebell" Prof. Duesberg an der Freien Universität

Um die eigene Existenz zu rechtfertigen, bedarf es eines Feindbildes - diegrundlegende Selbstdefinition bei Studentenpolitikern, so scheint's. Und Feind-bilder müssen sich schön schwarz von der weißen Weste der Astinnen abhe-ben. Ein besonders schwarzes Feindbild gab vor kurzem der amerikani-sche Molekularbiologe Professor Peter Duesberg ab, der am 17. Februar ander Freien Universität seine sehr umstrittene AIDS-Hypothese darstellenwollte, wobei interessanterweise das Thema eine Fragestellung war: "AIDS.Drogen- oder Infektionskrankheit?", der Vortrag sieb dann aber als ein rei-ner Ausrufesatz entpuppte: "AIDS ist eine Drogenkrankheit!".

Duesbergs These läßt sich verkürzt sobeschreiben: Der HIV ist ein harmloserRetrovirus, vor dem man sich nicht zuschützen braucht. AIDS in der westlichenWelt ist ein Krankheitsbild, daß sich al-lein auf den Gebrauch sogenannterpsychoaktiver Drogen wie Heroin undKokain zurückführen läßt. Neben denDrogenabhängigen seien die Homose-xuellen deshalb die Risikogruppe Nr.1,weil auch sie massiv zu Drogen-mißbrauch neigten. Vor allem sei das hierAmylnitrit, auch als Poppers bekannt, dasdie Schwulen einsetzten, um "leichterAnalverkehr haben zu können." Dasgesamte von Duesberg so bezeichnete"HIV-AIDS-Dogma" seieine Verschwörung derSchulmedizin mit derPharmaindustrie, uman Fördergelder zukommen - das gängi-ge und bisher einzigewirksame Präparat zurVerlängerung der Le-benserwartung AIDS-Kranker, das soge-nannte AZT, verhinde-re nicht den Ausbruchder Krankheit, sondernverursache sie erst.

Kein Wunder also,daß Duesberg überall,wo er auftritt, auf mas-sive Proteste stößt.Zwei zentrale Punkteseiner Theorie sinddabei die Auslöser:zum ersten seine gan-ze Minderheiten diskri- Prof R Duesbergminierende Ansicht, AIDS sei eine Life-Style-Krankheit und zum zweiten sein

mehr als gebrochenes Verhältnis zum"Safe Sex". "Act Up", eine vor allem vonSchwulen getragene Kampagne, die seitJahren in den USA mit teilweise miltanterEnergie um mehr staatliche Unterstüt-zung im Kampf gegen AIDS ringt, bringtdie Kritik auf die prägnante Formel"Duesberg = Death".

Dues

Regelmäßig geht Duesberg auch inDeutschland auf Tour. Dabei wählt ervor allem Universitäten für seine Auftrit-

te; 1992 z.B. war er u.a. an der Hum-boldt-Uni, diesmal wählte er die FU, um

dann weiter nach Kiel an die dortige Unizu reisen. Die dahinter stehende Absichtist leicht zu erkennen, gibt doch der OrtUniversität eine Art wissenschaftlicheWeihe, ohne das die Anwesenheit vonwirklich fachkundigem Publikum zu er-warten ist.

Darum geht es auch gar nicht, trägt dieAuseinandersetzung der Gegner undAnhänger Duesbergs doch teilweiseschon die Züge eines Religionskrieges,in dem es nicht um Fakten und derenDiskussion, sondern um Glaubenssätzeund Niederschreien des jeweiligen An-dersgläubigen geht. Duesberg polarisiertseine Zuhörer, ein Haufen Emotionenwerden dabei hochgekocht.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte derAstA der FU versucht, das FU-Präsidiumzur Rücknahme des Mietvertrages für denHörsaal zu zwingen. "Eine Universität,die ihre Räume kritiklos für solche pseu-dowissenschaftlichen Veranstaltungenzur Verfügung stellt, handelt zumindestverantwortungslos. Oder ist sie sich ih-rer gesellschaftlichen Funktion nichtmehr bewußt' Wir fordern Sie als Haus-herren der Freien Universität daher auf,diese Veranstaltung zu verhindern unddem privaten Veranstalter die Genehmi-gung zur Nutzung universitärer Räumezu entziehen." , heißt es in einem "Of-fenen Brief an den Präsidenten der FUBerlin". Vielleicht sollte man dem AstAwirklich einmal die Rolle von Universi-täten erklären. Bedenklich, daß die"gesellschaftspolitsche Funktion der Uni"nur im Vortragen von AstA-genehmenAnsichten bestehen soll. Ist es nicht ge-rade Aufgabe der Universitäten, Ort wis-senschaftlicher Auseinandersetzung undgesellschaftlichen Disputes zu sein?

Im FU-Pressedienst heißt es dazu: "Dieswurde abgelehnt, da das Verlangen aufUnterdrückung einer Minderheits-position in einem Forschungsfeld grund-sätzlich wissenschaftlich wie hochschul-politisch unerhört ist. 'Es muß immer dieMöglichkeit geben, wissenschaftlicheMeinungen wie Mindermeinungen vor-zutragen, und sich kritisch damit aus-einanderzusetzen', erklärte FU-Präsident

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38 .Forschung-im folgenden werden die Hauptargumente Duesbergs gegen den Zusammenbang von HIV und AIDS darge-

stellt, auf die er im ivesentlichen seit Beginn seiner Kampagne 1988 zurückgreift, sowie verschiedene Entgeg-nungen von Verfechtern der HTV-AIDS-Hypothese

Quellen: Prof. Peter Duesberg •. Vortrag „AIDS - Drogen- oder Infektionskrankheit?" vom. 17.5-1995 und sein Grundlagen-Artikel „Die Rolle vonpsycboaktiven Drogen und Medikamenten bei AIDS" (dt. Übersetzung), sowie eine Entgegnung von Dr.Jürgen Poppinger „Duesbergs Theorien" in Magnus 1/1993 und von Prof. Reinhard Kurth vom Paul-Ehrlicher-lnstitut Frank-furt/M. in „AIDS-Prävention in Schule und außerschulischer Jugendarbeit" 1/1993 Wt UM-

Zwischen HIV und AIDS besteht kein Zusammenhang HIV verursacht AIDS

Seit 10 Jahren wurden in den USA mehr als 10 000 AIDS-Patienten behandelt. Jedoch ist bisher kein einziger Fall einesan AIDS erkrankten Angehörigen des Pflegepersonals bekanntgeworden.

Bei den etwa 15 000 amerikanischen Blutern ist eine statisti-sche Verdopplung der Lebenserwartung seit Beginn der 80erJahre feststellbar, trotz dessen, daß sie durch ihre Abhängig-keit von Bluttransfusionen angeblich eine Hauptrisikogruppefür AIDS darstellten. Bei jährlich 3 Millionen Bluttransfusionenin den USA trat bisher noch kein Fall eines als AIDS-Indikator-krankheit betrachteten Kaposi-Sarkoms (spez. Hautkrebs} auf.

Bei allen Viruserkrankungen ist die Inkubationszeit (d.h. dieZeit zwischen Infektion und ersten Symptomen) genau bere-chenbar, bei-den meisten beträgt diese Zeit nicht mehr als dreiWochen. Die Krankheit AIDS jedoch bricht im Durchschnitterst nach 10 Jahren aus: Auch kann niemand genau sagen,wann die ersten Symptome nach der HIV-Infektion auftreten,oder ob sie überhaupt auftreten. Nimmt man die sog. max.biochemische Aktivität des Immunsystems gegen den HIV alsMaßstab, so müßte dies etwa 14 Tage nach der HIV-Infektionder Fall sein.

Ein Virus verursacht immer eine genau bestimmbare Erkran-kung. Der HIV soll angeblich jedoch für eine Gruppe von 30verschiedenen Krankheiten, die zu AIDS zusammengefaßt wer-den, verantwortlich sein.

Wenn ein neues Virus auftaucht, so kommt es zunächst zueiner explosionsartigen Verbreitung, bis zu einem Höhepunkt,ab dem die Zahl der Neuerkrankungen wieder abnimmt. HIVverbreitet sich nur sehr langsam. Die Ausbreitung von Ge-schlechtskrankheiten nimmt weit schneller zu, als die angeb-lich auf gleichem Wege übertragene Krankheit AIDS.

Bisher konnte nur bei sehr wenigen AIDS-Kranken das Vor-handensein des HIV nachgewiesen werden., z.B. bei nur 7%der AIDS-Erkrankungen in NewYork und San Francisco. Ins-gesamt sei nur bei 40% der amerikanischen AIDS-Fäller derVirus nachweisbar gewesen. Andererseits ließe sich an Studi-en nachweisen, daß bis zu 90% der Erkrankten regelmäßigDrogen konsumierten.

Obwohl einige Wochen nach der HIV-Infektion Antikörpergebildet werden, bietet diese Immunität keinen ausreichen-den Schutz vor dem Ausbruch der Krankheit.

Es gibt Fälle von HIV-Infektionen und schließlicher AIDS-Symptomatik aufgrund von versehentlichen Verletzungen mitKanülen. Da HIV nur schwer übertragbar ist, geht die Infekti-on nur bei wenigen Personen, die mit HIV Kontakt haben, an- vermutlich weniger als 10%. Bekannt wurde ein Fall ausFlorida, wo ein Zahnarzt fünf Patienten mit HIV infizierte, wo-von inzwischen zwei an AIDS erkrankten.

Die routinemäßige Untersuchung von Blutspenden auf HIVhat die Übertragung durch Transfusionen fast unterbunden.In Deutschland ging vor kurzem ein Infektionsskandal mit HIVmittels verseuchter Blutpräparate durch die Medien, wobeiein Teil der Betroffenen bereits AIDS-Symptomatik entwickel-te.

Der HIV schädigt das Immunssystem, so daß der Körper im-mer anfälliger für tödliche Krankheiten wird. Dieser Prozeß,der nicht ohne Gegenwehr des Körpers verläuft, kann langedauern. Eine kanadische Studie von 1992 konnte beweisen,daß allein HIV zum Immundefekt führt. Eine Gruppe von über700 schwulen Männern wurde über Jahre beobachtet. AußerHIV-Infektion gab es kein Risiko für die Entwicklung eines,Immundefektes. Drogengebrauch änderte dieses Risiko nicht.';

Hier zählt wiederum die Wirkung einer HIV-Infektion, diedas Immunsystem zerstört. Dadurch wird der Organismuserst so extrem anfällig für diese in der Tat lange bekanntenKrankheiten, denen er letztendlich unterliegt. HIV verursachtdiese Krankheiten nicht, er ermöglicht ihr massenhaftes Auf-treten. Diese Krankheiten treten in Verbindung mit HIV aufund werden unter dieser Voraussetzung als AIDS definiert.

Geschlechtskrankheiten sind unterschiedlich infektiös, so wirdbeispielsweise Tripper wesentlich leichter übertragen als Sy-phifis oder ist das Infektionsrisiko für die Hepatitis B ca. 20malhöher als für den auf ähnlichem Wege übertragenen HIV.

Der HIV-Test beruht auf dem Nachweis der HIV-Antikörper,da der direkte Nachweis des HIV technisch sehr aufwendigund teuer ist. Durch verbesserte Methoden zur Virus-Isolationkonnte nachgewiesen werden, daß HIV letztendlich bei je-dem AIDS-Kranken vorliegt. «;»*

Es gibt eine Reihe von Beispielen für Erkrankungen trotz ge-bildeter Antikörper. Wäre die Immunabwehr so effektiv, gabes keine Viruserkrankungen.

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Porschung- 39

Der nachgewiesenermaßen effektivste Weg der H!V-Übertra-gung ist der von der Mutter auf das ungeborene Kind (sog.perinatal). Aber die körpereigenen Schutzmechanismen ver-hindern die Übertragung von Auslösern tödlicher Krankhei-ten.

AIDS ist eine Drogenkrankheit

Es besteht eine Korelation zwischen einem massiven Anstiegdes Konsums psychoaktiver Drogen und der fiächenhaftenAusbreitung von AIDS seit Beginn der 80er Jahre. ,.,.,,;:::v...,,.,:,•

Die Gruppe der 20-40jährigen Männer stellt mit 72% dieHauptgruppe derAIDS-Kranken und gleichzeitig mit ca. 80%die Hauptkonsumentengruppe der genannten Drogen.

Das Medikament AZT ist die direkteste Droge, eine„psychoaktive Designerdroge", die „wirkungsvoll sich teilen-de Blut- andere Zellen zerstört und deshalb auch direkt immun-suppressiv wirkt,"

95% der durch die Mütter mit HIV infizierten Säuglinge ent-wickeln innerhalb von 6 Jahren AIDS, währenddessen derennicht infizierte Geschwister nicht erkranken. Es gibt mehrerBeispiele für perinatal übertragbare Krankheiten mit patholo-gischer Wirkung.

Jeder, der sich mit Statistik beschäftigt, weiß, daß Korelationnicht unbedingt Ursache bedeuten muß. Wie erklärt sichDuesberg in diesem Zusammenhang AIDS bei HIV-Infektiondurch Blutübertragung ohne Drogengebrauch, AIDS bei seitJahren „cleanen" ehem. Drogenabhängigen, AIDS bei durchihre Mütter infizierten Babies...

Diese vergleichsweise hohen Zahlen entstehen durch Einbe-ziehung auch relativ harmloser Drogen, wie Poppers und auchgelegentlichen bzw. lang zurückliegendem Konsum.

In deutschen und amerikanischen Studien konnte nachge-wiesen werden, daß AZT das Progressionsrisiko bei PersonenmitT-Helferzellenwerte unter 350 (d.h. bereits sehr geschwäch-tes Immunsystem) stark reduziert. AZT-Prophylaxe verringertdie Wahrscheinlichkeit, an AIDS zu erkranken.

Gerlach."Dies wollte und konnte der AstA, die

"Allgemeine Stabsstelle zur Aussonde-rung qualitativ minderwertiger Wissen-schaft" (taz), nicht leisten, denn schließ-lich ging es um eine "Irrlehre", wie esim Boykott-Aufruf des AstA hieß - dieTerminologieähnlichkeit zur Inquisitionist (hoffentlich) nur ein rhetorischer Pat-zer, obwohl das folgende daran zwei-feln läßt.

Religionskrieg

Der Hörsaal 2 in der Silberlaube glicheinem Hexenkessel, in dem die Emotio-nen kräftig am Kochen waren. JedeMenge Video-Kameras flitzten durch denRaum, etliche der 600 Zuhörer versuch-ten, ihr Gesicht abzudecken - aus Angst,erkannt zu werden. Nicht Argumentezählten, sondern die Watt-Zahl der Ver-stärkeranlagen. Eine Brüll-Show wie ausbesten "Einspruch"-Tagen nahm ihrenLauf. Erst wurde Duesberg mit Hilfe ei-nes Megafons niedergebrüllt, woraufhinseine Gläubigen selbiges zum Schwei-gen brachten. Die Aggressivität in bei-den Lagern war regelrecht körperlichspürbar.

Als schließlich doch ein wenig (relati-ve) Ruhe einkehrte, breitete Duesberg

seine Sicht der Dinge aus, die im übri-gen vom ständigen Klagen über seinenGeldmangel begleitet waren, nach demmauligen Motto "Gallo* kriegt alles, ichnichts!". Dies mag vielleicht eine Erklä-rung für den von einem Psychothera-peuten der AIDS-Beratung mittlerweileals "pathologisch-paranoid" bezeichne-ten Kampf gegen die "HIV-AIDS-Hypo-these" sein. Daß er in Nebensätzen sei-ne Kollegen Gallo und Montagnier* alsmittelmäßig bezeichnet, ist da nur fol-gerichtig.

Gewappnet mit Diagrammen und Zi-taten aus Forschungsberichten, die ererwiesenermaßen sehr aus dem Zusam-menhang riß, ging Duesberg auf seinealten Argummente ein (siehe Kasten). EinBeispiel sei hier genannt: Um zu bewei-sen, wie blind die herkömmliche AIDS-Behandlung gegenüber den Gefahrendes Drogenmißbrauchs sei, zitiertDuesberg aus einem Bericht der renom-mierten Fachzeitschrift "Science", in demes angeblich heißt, Drogen seien glück-licherweise nicht toxisch, also ein Se-gen. Im Original ist dieser Satz allerdingseingebettet in einer Darstellung, daßpsychoaktive Drogen nicht auf dasImmunsystem (speziell auf die T4-Helferzellen, den Opfern des HIV) to-xisch wirkten - ein völlig anderer Zu-sammenhang.

Gefährdete Unschuld

Daraufhin hielten die Astinnen wohleinerseits die Argumente Duesbergs fürgefährlich überzeugend und andererseitsdie Zuhörer für ausreichend dämlich, umnicht selbst denken zu können. Die gei-stige Unschuld und Reinheit ihrer Läm-mer im Hörsaal dünkte ihnen massivgefährdet. Die vermeintlich suggestiveWirkung Duesbergs mußte unterbundenwerden. Zehn Vertreter der reinen Leh-re stürmten den Tonregieraum, schmis-sen die Toningenieurin unter Gewaltan-drohung raus. Ein strategischer Sieg warerrungen, die Mikrofonanlage des Hör-saals fest unter der orthodoxen Kontrol-le und damit der Vortrag erst einmalunterbrochen. Entscheidend für den Pro-test sei gewesen, daß kein wissenschaft-liches Streitgespräch stattgefunden habe,meinte eine Astin gegenüber der taz. Daswar ja auch gar nicht möglich, denn diemassive Störung mit Hilfe der Tonanlagebegann vor der geplanten Diskussionzum Vortrag.Daß die Dikussion dann doch nach

einer halben Stunde Pause stattfindenkonnte, lag an der Polizei, die dann ir-gendwann anrückte und die Tonraum-besetzung beendete.Das anschließende Frage-Antwort-Spiel

selbst war wenig produktiv, ging es doch

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40 Kultur.nur um die Feststellung der eigene Mei-nung als die einzig wahre. BesondersProf. Duesberg brillierte hierbei, indemer jeden kritischen Hinweis mit der Fra-ge nach der entsprechenden Studie ab-bügelte. Bleibt hinzuzufügen, daß wenner auf solchem Niveau diskutieren will,er sich natürlich der bisher hartnäckigverweigerten Diskussion mit Fach-

kollegen stellen muß und nicht immerwieder die Akklamation des Laien-publikums suchen sollte.

Eine zugegeben polemische Fragewollte auch ich stellen, aber nach all denWidrigkeiten war die Zeit einfach zuknapp, so daß ich sie an dieser Stellelos werden möchte: "Herr Duesberg,meinen Sie nicht auch, daß solange

Zweifel an ihrer Theorie bestehen, IhreDiskriminierung des SaferSex veranttoor-tungslos, ja verbrecherisch ist?"

ojoff

•Gallo und Montaignier, am. und frz.Molekularbiologen, die als Entdecker desHIV gelten

„Lärmender Spuk"yOnkel Wanjä" am Deutschen Theater

Heimspiel am Deutschen Theater.Hausherr Langhoff führt Regie bei Tsche-chows Klassiker „Onkel Wanja". DieBesetzung listet die bekannten Namendes Ensembles. Der Bühnenraum (PieterHeim) ist schmal, wesentlich auf die vonhohen Flügeltüren gerahmte Vorder-bühne zurückgeschnitten, nur die ange-deuteten Seitengänge links und rechtsmit ihren hohen Fenstern und spärlichemMobiliar vermitteln eine Andeutung vonTiefe. Die Räume, wechselwei-se sonnengelb, nächtlich blauoder hell-pastell illuminiert,strahlen den dekadentenCharme eines russischen Land-gutes der Jahrhundertwendeaus. Vor dieser Kulisse, diemehr Genrebild denn Imagina-tion istj wird das Stück abge-wickelt. Nicht dieKonversationskomödie, nichtdas Seelendrama interessierenLanghoff, einzig auf das Über-tönen „Tschechowscher Lange-weile" scheints ihm anzukom-men.Für den Zuschauer bleibt da-

bei nicht viel zu entdecken üb-rig - was man sieht, ist schon

alles. Der Blick, von den Schnitten ei-ner Kamera und der Willkür eines Re-gisseurs (wie bei Louis Malles Verfil-mung) befreit, wandert unstet zwischenden Protagonisten auf und ab - aber dieErschütterungen bleiben Theaterdonner,alle Leidenschaft kaum mehr als müdeSimulation.

Da hilft es nicht, daß Langhoff seineSchauspieler rennen lässt, schreien,schießen und die Nerven verlieren -

Iselbst Wanjas Ausbruch, wo er demWorte nach die Lügen aufdeckt, das klei-ne Leben entlarvt, selbst das trägt nochden Zug der Schaustellerei, der bloß lär-menden Virtuosität. Mischten sich bei derMalle-Verfilmung die Schauspieler mitihren Rollen, so verschwinden die Figu-ren hier ganz hinter den Spielern — esherrscht gediegene Könnerschaft vorleiser Irritation, routinierte Eleganz stattscharfem Spott. Die Gegenwart bleibt daseinzige Zeitmaß auf der Bühne - keineQualen vergangenen Lebens, keineZukunftsträume muten die Spieler einemzu - das Land-Leben wie die Inszenie-rung ersticken in gepflegter Langewei-le.

Nur an wenigen Momenten spannt sichdie Aufmerksamkeit wieder: so, wennSonja Astrow nachts in blumiger Ver-schleierung ihre Verliebtheit gesteht undin einer Geste, die einem für einen Au-genblick den Atem stocken läßt, ihreHand nur wenige Zentimeter von derseinen legt. Er wird es nicht merken unddas Stück nimmt weiter seinen Lauf. AmEnde, nachdem der Doktor und das Paarabgereist sind, entsteht noch einmal et-was wie Dichte auf der Bühne. Die Tü-ren sind verschlossen, das Licht gelöscht,

der lärmende Spuk vor-über. Jeder kehrt an sei-ne Arbeit zurück undmit der Ruhe gewinnenauch die Figuren wie-der an Überzeugungs-stärke. Trotzdem, esbleibt ein nur wenigversöhnliches Finale fürdiese kleinlaute Insze-nierung, die mehr hof-fen ließ, als sie dann zuhalten bereit war, unddamit fürs erste ("wirwerden ausruhn....?")die Hoffnung auf küh-neres Spiel begrub.

Schah von Bläh

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Kultur 41

Live In ConcerfEin Berliner Musikereignis im Schnellverfahren

Berlin hat sich bekanntlich als einer dergroßen Schmelztiegel für kulturellesGeschehen in Europa etabliert. Das viel-fältige Angebot scheint mitunter kaumüberschaubar, dennoch bleibt die gro-ße "Qual der Wahl"- Diskussion für denDurchschnittsbürger aus, denn entschie-den wird nach dem Stand der Geldbör-se. Gewiß, die Nachfrage nach dem be-sonderen Kulturerlebnis ist groß, derBlick ins Porte-Monnaie findet jedoch beivielen Kulturverbrauchern schnell eineAntwort auf die Nachfrage. Diese Prin-zip ist weitverbreitet und gerade unterden Studenten ein Alltagsphänomen.Doch es gibt Tage, da schreitet auch einStudent zur großen kulturellen Tat indieser Stadt und erfüllt sich einen seini-ikleinen Träume im unerschöpflichenFilm-, Tanz-, Theatcr-.und Alu.siktaumel.

nach lan-mal einem

fröhnender briii-

indie

So geschah es, dager Zeit endlichgroßstädtischenwollte. Ichschen MusiStadt Berlivoller Freudekasse, umte zu erwerben. Auf demerinnerte ich mich daran,zeit in der Passionskirche «Jättrindele. Wie gelungen erschient mir die Ideedes Veranstalters, denn w§r die britischeNeuentdeckung kennt, versteht meinenEuphorismus (die Musikr&htung an die-ser Stelle dezidiert, kritisch, gekonnt,blumig-poetisch und treffend zu um-schreiben, ist hier nicht meine Absicht;ich erlaube mir Distanz von der Kritiker-sparte und fahre weiter im Text).

Vor der sogenannten Ticketbox ange-kommen, fiel mein traumhaftes Karten-häuschen, ähnlich der Metapher der zer-platzten Seifenblase, in sich zusammen:

"Tut mir leid, junge Frau, das Konzertwurde verlegt..." (oh, nein, schreit es inmir) "...und verschoben..." (Das gibt'sdoch nicht) "...die Tickets müssen erstnachgedruckt werden. Mit einem Gut-schein können Sie dann an der Kassevor Ort die Karte abholen, aber seien

Sie fuh genug da." (na, prima, wie un-kompliziert man in dieser Stadt einesdieser kulturellen Bsonderheiten wahr-nehmen kann).Dann war der Tag der Veranstaltung

gekommen. Es verschlug mich nun nichtin die gewünschten «innlich-religiösenRäumlichkeiten, Mindern geradewegs ineine Hundert>cruir von MusikfarLS voreine der Konzert-Hochburgen Berlins,das Metropol am NoUerulorfplatz.

Ungewollt stand ich also eingeferchtin der Bcsuchermentje (eigentlich woll-te ich ja in die PasMonskirdie) und spürtenach dem ersten abgebauten Ag-re.ssion.sstau beim Kartenk.iuf vor eini-gen Tagen, sich schleichend einen zwei-ten nähern. Ver/w eilelr \ ersuchte ich dasFncie der schlangt: m erspähen, die denGui;>chdn-Ticket-I-intausch-Kandidatenzustehen sollte. Erfolglos, denn dieSchlange wurde zur flächendeckendenTraube, die hektischen, periodischenrechts-link,1) Bewegungen ausgeseift war.Ich hoffte und vertraute auf die Beweg-lichkeit meines Kippcngcru.su>, als ichJen Blick nach vorne im K.is.sc wagte,

sich die Musikwütigen mit erhobe-T-ncn kaum halten konnten. Im

> ;he herum liefen aulgcregtdone .ie Szenekreaturen, die be-müht waren, hoch von irgendjemandenfür teuer Geld ein Kärtchen zu ergattern."Suche Karte-Suche drei Karten..." Wieim Fieberwahn schwankten mir dieWatte .mittlerweile vor den Augen. Ich

iueht "Hier!" zu brüllen, um michm Wahnsinn zu befreien. Ich

mich für verrückt, schließlich:h all das freiwillig auf mich undigar dafür bezahlt.Vorfreude auf das Konzert ver-

dunstete zunehmend. Die unpro-fessionelle Organisation der Veranstal-ter machte mich wütend. Über eine Stun-de hatte ich mich dem Chaos auszuset-zen, um dann endlich, schon völlig er-müdet, einen kopierten, unattraktivengelben Zettel in der Hand zu halten, derbeim Eintreten in das attrappenähnlicheGebäude direkt zerrissen wurde.

Verschwitzt und entnervt wurde ich mitder Masse in der ausverkauften Halle ersteinmal mit einem intellektuell, enthobe-nen Film auf das kommende Musik-szenario eingestellt. Dann endlich er-schienen die Künstler, zumindest glaubteman sie zu erkennen. Im dämmrigenblaugrunen bis violetten Licht ertöntendk1 Klänge, die Musiker blieben wiechattenfiguren als Facetten im Lichter-

. versteckt. Der gejn gesagte Satznach einem Konten.'Mensch, die hab'ich live gesehen." würde dieses Mal wohlausbleilx'n. Dennoch paßte die Insze-nierung sehr gut zur Musik und schaffteeint: gelungenajABMMphäre. die insbe-sondere von defHj^adeten Stimme derSängerin geprägt w urde.

Ich f:ind gerade großen Gefallen andein Kun/.cii vergaß dabei den anfäng-lichen Stu schiedet sich dieFrauenstiu soll's gewesen sein?Das könni xuretwa sieben Bei-träge gew. i. Aber sie kam wie-der, allen; mit zwei Zugaben,wurde dan., .,.„ ,uarkem Abiaus hinaus-begleitet und verschwand in der Dun-kelheit-lur immer. Die Darstellung wartatsächlichder Buhnedie Rowdieszupacken. D;lang verstein«Bühne bis diilieh in ein

t. das grelle Licht auf, schnell begannen

imente zusammen-iblikum stand eine Zeit-

id sprachlos vor derubhaftigkeit plötz-

ides Pfeifkonzert um-schlug.Für mich war das ein Wiederaufgreifen

dieses abendlichen Alptraums. Ich be-schloß schnell den Saal zu verlassen, umdie schöne Musik, die mir noch in denOhren lag, nicht durch Buhrufe ver-miesen zu lassen.Ich setzte mich in die U-Bahn und er-

innerte mich an die Schatten, derenMusik ich für viel Geld und Nervenzerreneine knappe Stunde lang lauschen durf-te. Das war sie also gewesen, dieSchnellebigkeit jetzt auch live in concert.

Alex

Page 41: UnAufgefordert Nr. 67

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Page 42: UnAufgefordert Nr. 67

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Page 43: UnAufgefordert Nr. 67

44 Porschung.

Spannung ohne Schuldund Verantwortung

Auf 700 Seiten schreiben zwei Engländerein Stück deutsche Geschichte

„Der Fall von Berlin" ist ein Buch übereinen Krieg und über den Krieg allge-mein. Vom Einband her ein Monumen-talwerk, ist es inhaltlich eine enormeSammlung von Fakten und Zahlen ausvielen neuen Quellen, die erst nach 89zugänglich wurden. Die Autoren

Anthony Read und David Fisher schil-dern die Jahre 1936 bis 45 in Berlin,beginnend mit den olympischen Spie-len 1936 und in der letzten Schlachtendend, die im April und Mai 1945 mitHunderttausenden Opfern und der Zer-störung der gesamten Innenstadt einen

der grausamsten Höhepunkte der Kriegs-geschichte bildete. Eine Vielzahl bisherunveröffentlichter Memoiren, Tagebü-cher und Briefwechsel von Militärs undZivilpersonen, verbunden mit umfas-sendsten Recherchen über den techni-schen Kriegsablauf, lassen die Gescheh-nisse aus zahlreichen Perspektiven nach-vollziehen. Das alltägliche Leben derBerliner, die militärischen Planungen, dieseelischen Verfassungen der Befehlsha-ber aller Seiten, Episoden individuellerSchicksale - abwechselnd erzählt, sam-meln sich die Details und formieren sichzu einer spannenden Geschichte. Diesachliche Distanz läßt eine einseitigeSichtweise nicht zu, wer ideologischeWerturteile erwartet, wird enttäuschtwerden. Stellenweise verwirrt die bloßeRekapitulation der Ereignisse; das Be-dürfnis, Fragen nach Schuld und Recht-fertigung zu stellen und zu beantwor-ten, bleibt das Problem des Lesers. DieStimmung erinnert an die Situation,wenn ein alter Mann ohne Verklärungvon seiner Jugendzeit erzählt: offen, mitAbstand und in der einfachen Absichtzu sagen: So fing es an, so ist es pas-siert, so endete es. Read und Fisher er-zählen Geschichten, Anekdoten, Be-schreibungen in einer Weise, die nahe-

K&c uoS*"-

Page 44: UnAufgefordert Nr. 67

Porschung- 45

legt, daß es uns heute doch eigentlichnicht mehr betrifft, und wenn doch, danneher wie der Spartakusaufstand als bei-spielsweise der Krieg im ehemaligen Ju-goslawien. Eine Erzählung von außen.Vielleicht sind die Engländer uns Deut-schen voraus.

Von dieser Frage abgesehen, hält „DerFall von Berlin" etliche interessanteAbenteuer zu lesen bereit: die Entsor-gung von sieben toten Elefanten nacheiner Bombardierung des Zoos, derenvier bis sechs Tonnen schwere Kadaverinnerhalb einer ganzen Woche zerhackt,zerschnitten, zersägt wurden, während„die Männer in den riesigen Brustkör-ben wie in einem Gitterkäfig herumkro-chen und oft hinter den Haufen von Ein-geweiden verschwanden"; das apokalyp-tische Bild von durch Trümmer tanzen-den Kindern in Faschingskleidern nacheinem verheerenden Angriff, bei dem einKarnevalsgeschäft zerstört worden war;immer wieder Beispiele für den schwar-zen Humor der Berliner, ihre Gleichgül-tigkeit gegenüber der Katastrophe, wennsie „ihren Geschäften nachgingen, inmit-ten der Ruinenberge ihre Einkäufe tä-tigten und sich auf dem ... unpassierbargemachten Pflaster ihren Weg bahnten,als sei nichts geschehen", die „Keller-ticks", die sie während langer Angriffs-phasen über Tage und Wochen ausbil-deten: „In meinem Keller hatten sie denLöschwassertick: allerorten stieß mansich an Kannen, Eimern, Töpfen, Fäs-sern, in denen eine trübe Brühe stand.Trotzdem wäre das Haus wie eine Fak-kel heruntergebrannt.... Frau W. hat mirerzählt, daß in ihrem Keller der Lungen-tick grassiert. Sobald die erste Bombefällt, beugen sich alle vornüber und at-men ganz flach, wobei sie die Händegegen den Leib pressen. ... Hier in die-sem Keller haben sie den Mauertick. Allesitzen sie mit dem Rücken gegen dieAußenmauer... Bumst es, so kommt derTüchertick hinzu: Alle winden sich einbereitgehaltenes Tuch um Mund undNase und verknoten es am Hinterkopf."

Sehr unterhaltsam zu lesen sind dieBeschreibungen Adolf Hitlers: der My-thos wird zur beängstigenden Karikatureines Psychopathen. In der Darstellungeiner wichtigen Lagebesprechung imFebruar 1945 finden sich solche Erinne-rungen: „Hitler stand allein in der Mittedes Raumes; sein Kopf wackelte leicht,sein linker Arm hing schlaff herunter,

und die linke Hand zitterte stark." JederHandschlag war „schlaff und weich,ohne jede Kraft und ohne jeden Aus-druck". An die folgende harte Ausein-andersetzung mit Generaloberst HeinzGuderian erinnerte sich dieser: „'Mitzorngeröteten Wangen, mit erhobenenFäusten stand der am ganzen Leibe zit-ternde Mann vor mir, außer sich vor Wutund völlig fassungslos. Nach jedem Zor-nesausbruch lief Hitler auf der Teppich-kante auf und ab, machte dann wiederdicht vor mir halt und schleuderte dennächsten Vorwurf gegen mich. Er über-schrie sich dabei, seine Augen quollenaus ihren Höhlen, und die Adern an sei-nen Schläfen schwollen.' Nachdem daszwei Stunden so gegangen war und sichGuderian noch immer weigerte nachzu-geben, lenkte Hitler plötzlich ein" undwendete sich mit liebenswürdigstemLächeln an Guderian...

Durch die gesamten 700 Seiten ziehtsich natürlich kontinuierlich die Be-schreibung der Truppenbewegungenaller beteiligten Länderarmeen, wobeisich die Schlinge unmerklich um Berlinlegt und allmählich, aber unaufhaltsamzuzieht. Die Spannung wächst mit derKonkurrenz der drei Marschälle der Ro-ten Armee Shukow, Konjew undRokossowski, jeder mit dem Ziel, zuerstBerlin einzunehmen und so mit seinemNamen als Befreier in die Geschichteeinzugehen. Berlin erscheint zum Schlußwie ein riesiges erschöpftes schwarzesTier, dem der Todeskampf gegen eineHerde lebendiger Jagdhunde kurz be-vorsteht.

Es ist schwer, sich gegen die Faszinati-on zu wehren und der Anteilnahme amKampf beider Seiten zu entgehen. Es istkein „Nieder mit dem einen - hoch mitdem anderen!" Bei jedem Seitenwech-sel des Berichtes wechselt der Leser auchsein Interesse.

Die Bewertung kann im Endeffekt wohlnur eine auf höherer Ebene sein, in demSinne, Krieg überhaupt als sinnlosesUnterfangen anzusehen. Wenn man er-fährt, wie Menschen als Kanonenfutterverschlissen, wie sie zum Material derMachtgier von Befehlshabern werden,wird eins klar: Krieg ist pervers. Die letzteErkenntnis auch aus diesem Buch.

Anthony Read/ David Fisher: Der Fall vonBerlin. Aufbau-Verlag, Berlin 1995. ISBN 3-351-02433-9, DM 49,90

rebus

ein Fortsetzungsroman

Da stand er: groß, breitschultrig, immernoch ein Huhne. Seine harten Gesichts-züge spiegelten die Erfahrungen weiter,nicht ungefährlicher Reisen wider. Seinscharfer Blick verlangte den unbeding-ten Gehorsam einem Herrscher gegnüber.Es zitterten vor ihm so viele, wie ihn ver-ehrten: der Vater.

Und Henrik stand dort - größer noch,mit dem Mut, den Erfahrung noch nichtvon Leichtsinn trennen kann. „Was solldas?" Seine Stimme zitterte nicht. „Diesist ein freies Land, mit freien Menschen.Und auch Ihre Tochter ist nicht Ihr Ei-gentum. Sie entscheidet nach ihrem Wil-len."

„Ach, ein Freigeist ist er." Des VatersPranke ergriff die Hand Sophie-Charlot-tes, der ihre Mutter den Namen gegebenhatte. „Komm!" Sie folgte ihm mechanisch.Er drehte Henrik den Rücken zu, ging.Eine Festung, unangreifbar, deren Mau-ern sich um das Mädchen aufbauten. Miteinem Sprung hätte Henrik ihn erreicht,ihm den Dolch in den Rücken gerammt -um der Geliebten den Vater zu nehmen?Mit Worten hätte er ihn zerreißen wollen- um durch ein trockenes Lachen gede-mütigt zu werden?

Aber solte er hier stehen bleiben undalles seinen Gang gehen lassen? Es gabden Streit der Familien, dessen Ursprungin erinnerungsloser Zeit lag - und er konn-te von Glück reden, daß man nicht desAlten Knechte ihn mit Dreschflegeln vondem Ort verjagten, wo er sich befand. Esgab Nachbarn, zu denen Sophies Mitgiftdem Vater weit eher paßte. Und es gabdas Wort des Alten, das in dieser Familiegeachtet und Gesetz war, seitdem er ausden Kolonien heimgekehrt war.

Sie würde bewacht werden, SophieCharlotte würde in ihrem goldenen Kä-fig zu warten haben, bis über sie entschie-den war. Noch drei Schritte die beide vonder Kutsche, die just hinter dem Knickder Hecke stand. Der Vater vergaß nicht,die Angelrute aus dem Ständer zu neh-men, mit der er vorher allein am Teichgesessen hatte. Noch zwei Schritte, undder Verschlag würde sich öffnen, Char-lotte von ihrem Vater in das Innere derKutsche geschoben werden und die Türins Schloß fallen. -k-

Page 45: UnAufgefordert Nr. 67

46 -Vermischtes

Am 15.06.1995 lädt die „Laufma-sche" - Kontakt - und Begegnungs-stätte für Frauen, Luisenstr. 45, Ber-lin-Mitte zur nächsten Kleiderbörseein.

Von 10.00 bis 15.00 lihr werdenguterhaltenc Kleidungsstücke ko-stenlos an einkommensschwacheFrauen, Männer und Kinder abge-geben. Außerdem besteht die Mög-lichkeit, Kleidung zu tauschen.

Wer guterhaltene und saubereKleidung für die Kleiderbörse spen-den möchte, kann diese nach tele-fonischer Vereinbarung in der „Lauf-masche" abgeben

(Tel.: 284 641 61/02)

Termine des Stu-dentenparlaments:

Kinoclub: 13.06., 20.00Uhr Mephisto

.20.06., 20.00 Uhr Faust

Antifa-Solikonzerte:„Anarchist Academy" -

16.06., 21.00 Uhr, Innen-hof/Ostflügel

„The Age of Necrophile" -09.06., 21.00 Uhr, Krähen-

fuß

Zu Wohnen in Studenten-(wohn)-heimen in UnAuf Nr. 63

Der Artikel „Wohnen in Studenten-(wohn)heimen" in der Ausgaben Nr. 63hat unter den Studenten des Studenten-wohnheimes Sewanstraße große Aufre-gung hervorgerufen, da UnAufgefordertvon dem Geschäftsführer des Studenten-werkes Herrn Fink erfahren hatte, daßvon dem Umbau einiger Studenten-wohnheimen bei der Fachhochschule fürTechnik und Wirtschaft (FHTW) das

oben genannte Studentenwohnheimvom Abriß betroffen sei. Zum Zeitpunktdes Erscheinen der Nummer 63 standder konkrete Termin bzw. der genaueAblauf der Umstrukturierung der in Fra-ge kommenden Studentenwohnheimennochnicht exakt fest.

Aufgrund der Aufregung unter den Stu-denten hat sich die Studentenvertretungdes Wohnheimes Sewanstraße mit demStudentenwerk in Verbindung gesetztund vondem entsprechenden Sachbear-beiter erfahren, daß die Informationen

aus dem Artikel völlig verdreht seien,was angesichts des Telefonates mit demGeschäftsführer aber nicht sein kann.Wie zum jetzigen Zeitpunkt der Stand

der Dinge ist war nicht in Erfahrung zubringen, doch geht die Studentenvertre-tung des Studentenwohnheimes Se-wanstraße der Sache weuter auf denGrund; es sieht aber so aus, daß das Stu-dentenwohnheim Sewanstraße nicht vondem Abriß betroffen sei, sondern einesder Studentenwohnheime in der Tres-kowallee.

Betrifft: Meckerecke in UnAUF Nr. 65

Mit 66 fängt das publizistische Lebenan. UnAUF hat es erreicht.Wie zu erwarten, dominieren in der

2x33 Nummer Vergangenheitsbewäl-tigung und Umerziehung. Hat UnAUFden Charakter, in diesem Zusammen-hang Prof. Nolte zu ziteren?

Helmut Schinkel

Um Ernst Nolte zu zitieren, braucht eskeinen Charakter. Aber um der UnAUFtreu zu bleiben, schon. Oder wie ist dieLeserzuschrift eines Herrn Schinkel in derletzten Ausgabe der Unicum zu verste-hen?

Zu Interview mit Präsident Gerlach(FU)in UnAUF Nr. 66

Herzlichen Dank für diesen schööööö-nen Beitrag.

Dies ist wirklich ein journalsitischerHöhepunkt und ein Meisterwerk anAusgewogenheit. Schon seit längerer Zeithatte ich mich gefragt, was denn derStreit der (Juristischen) Fakultäten eigent-lich soll. Nirgends konnte man das ge-nauer nachlesen, immer nur all-gemei-nes und allzu Gemeines. Und dann,plötzlich und unerwartet, nicht mal mehrdas, sondern nichts, aber auch gar nichts.Weder in den einschlägigen Montags-Magazinen, noch in den Donnerstags-Blättern für längere Bahnfahrten. Undselbst jene beliebte Tageszeitung inCapitalis Quadrate (die einen immerganz unaufgefordert auffordert: „Bild DirDeine Meinung!" - Welche auch sonst?)

Page 46: UnAufgefordert Nr. 67

Leser- 47

trug diesbezüglich nichts mehr bei. Des-halb war ich richtig froh, daß das großeSchweigen jetzt beendet ist und ich nundank des o.g. Beitrages endlich, endlichganz genau Bescheid weiß. Ich rechnefest damit, daß es so weiter geht und inUnAUF 67 die Fortsetzung folgt. DiesenKnüller kann man sich als Zeitung wirk-lich nicht entgehen lassen. Die Story hatdas Zeug zur Serie und wäre sicherlichauch gut für einen TV-Mehrteiler imUniversitäts-Fernsehen geeignet, mit demProtagonisten an den Original-Schauplät-zen und mit den Original Prüfungsfra-gen in O-Ton. Das war doch mal was.Ich müßte auch nicht am Copyright be-teiligt werden.Jedenfalls viel Erfolg!

Karla Schmidt

Betrifft: besondere Prüfungsberatung

Sehr geehrte Frau Dürkop!Ich war doch ziemlich erstaunt, als ich

heute in der StudierendenW erfuhr, daßdie Angaben in Ihrem freundlichen Briefan mich und die 10.000 anderen für diemeisten der Angeschriebenen überhauptnicht stimmen. Gibt für viele überhauptkeine Pflicht zur Beratung!Ja prima, nun weiß ich natürlich nicht,

ob ich nach einer Prüfungsordnung stu-diere, nach der ich tatsächlich zur Bera-tung muß, oder nicht, nach dem. gan-zen Prüfungs- und Studienordnungs-wirrwarr der letzten Jahre. Aber es kannja wohl nicht im Ernst so sein, daß wir,die 10.000 anderen + ich jetzt alleerstmal zur Studiberatung rennen,nur um Ihren Brief erstmal fürden Einzelfall auf Wahrheits-treue zu überprüfen!

Deshalb fordere ich Sieauf, das selber zu machenund mir noch einmal -dann aber bitte ehrlich -mitzuteilen ob ich dieseZwangsberatung aufsu-chen muß.Vor-

her bin ich nicht bereit, es zu tun.Im übrigen ist diese Maßnahme so-

wieso unmöglich und eine krasse Ver-letzung unseres Rechts auf Bildung.

Mit freundlichen Grüßen,Stefan Bräunlin

P.S.: So alt und doch dank Ihrer ewigjung: "Wer verrät uns schnell..."

Berichtigung zu "Vorher oder nach-her kassieren?" in UnAUFNr.66

Unser Computer hat so manchesmal seineneigenen Kopf bewiesen, so auch in der letz-ten Nummer, als eine Frage und Antwort desobigen Interviews verlorenging. Deshalbfolgende Gebrauchsanweisung: 1. Zeile aufS. 48 vor die 1. Zeile auf S. 47. Die FrageS. 47 unten wird im folgenden nachgereicht:

Du studierst Sozialarbeit, also wirdsicher das Thema Prostitution eineRolle dabei spielen. Wie reagierst du,wenn Stricherthemen im Studiumauftauchen?Also natürlich bin ich in diesem Falle

wesentlich aufmerksamer als allgemeinüblich. In der Regel höre ich da abermeist den gleichen Senf. Wenn das Pro-blem sozial beleuchtet werden soll, kom-men immer Statistiken: Sexpraktiken,schwul oder nicht, Altersstruktur, das alteGriechenland etc. Alles Blödsinn. Stati-stische Fragen lassen sich so vielleichtbeantworten, aber Rückschlüsse auf psy-

chische Beweggründehalte ich da für sehr

gewagt. Verall-gemeinerungensind hier ge-nauso einQuatsch, wiebei der Frage:Warum gehtjemand zurPolizei? Oderdas über dasSexuallebenvon Politessen.

IMPRESSUMUNAUFGEFORDERT

Die Studentenzeitungder Berliner Humboldt Uni.

Erstmals erschienen am17. November 1989.

Herausgeber:Studentenparlament der HUB

Redaktion:Ingo Bach, Ulrich Miksch

(leitende Redakteure)Franziska Ahles, Sylvia Domes,

Stephanie Gimmerthal, Klaus Kallenberg,Juliane Kerber, Gerhard Kienast,

Alexandra Kolle, Georg Linde, Hannah Lund,Antje Meinholdt, Rüdiger Neick,

Gesa Rothbarth, Jens Schley, Martje SchulzJulia Trotha, Sylvia Wassermann

Kontakt:,Humboldt-Universität zu Berlin

Unter den Linden 610 099 Berlin

Hauptgebäude Raum 3022Tel.: 2093 2288fax: 2093 2770

Redaktionsschluß:24. Mai 1994

SatZ: Roody

Fotos: Fisahn, BundesarchivKoblenz, Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Berlin, Dr. Olm, Dr. Seiffert, Krynitziky(Weimar), ArchivTitel: Bildarchiv

Preußischer Kulturbesitz Berlin

Druck:Contrast

Tempelhofer Damm 21012099 Berlin

gedruckt auf Recycling - Papier

Nachdruck, auch auszugsweise,ist ausdrücklich erwünscht. Wir bitten aberum Quellenangabe und Belegexemplar.

Für alle Fakten besteht das Recht aufGegendarstellung in angemessenen Umfang.

Namentlich gegenzeichnete Artikel gebennicht in jedem Fall die Meinung der

Redaktion wieder. Kürzel werden nur vonRedaktionsmitgliedern verwendet.

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefegekürzt zu veröffentlichen.

UNAUFGEFORDERT Nr.68erscheint am 28. Juni 1995

Die Redaktionssitzungen sind öffentlich:montags, 18.00 Uhr

HG 3022

Redaktionsschluß für die nächsteNummer:14. Juni 1995

Page 47: UnAufgefordert Nr. 67

48 das Letzte

Der Gralshüter"Linde - sch'wer bläde!" (Georg, reg mich nicht auf!)

Nachdem in der vorletzten UnAUFGE-FORDERT fast der Eindruck entstehenkonnte, in Mecklenburg spräche mandas reine und ursprüngliche Deutsch,will ich das Bild hier zugunsten der Thü-ringer wieder gerade rücken. Tiefen-gruben heißt der Ort, in dem man su-chen muß, um die letzten Verfechter derreinen deutschen Sprache zu tref-fen. Einer dieser Helden ist Pfote.Pfote ist nicht, wie man leicht den-ken könnte, der rechten Szene zu-zuordnen, nein er ist nur "deutsch-national". Und "Pfotenhauer" istauch kein jüdischer Name ("soachdas nisch nochma, Linde!"), nein erkommt nämlich von "Pfostenhauer"und ist urdeutsch und dann, ja dannist es natürlich ganz was anderes.

Etwas betrunken tappt der tapfereRitter auf den Bahnhof Weimar (16km von Tiefengruben entfernt). Aufwelche Weise er den falschen Zugbestiegen hat, war nicht mehr auf-zuklären. Jedenfalls wacht er erst inHanau wieder auf:

"Junge, wo willst Du hin?""öaahBerge! ... n'das förn Nest hier?"

(nach Bad Berkaf Wo sind wir hier?)"Hanau! Da sind Sie zu weit gefahren!""Scheiß sch'drink nüscht mähr!" (Mist,

ich besaufe mich nie wieder!)Sechs Stunden später: "Pfote kommst'n

jätz erseht häre?""Hoanau!" "Wiendoas?""Nuaah ... G'dränkeunfall!" ("Jan, wo

kommst Du jetzt erst her?" "Aus Hanau.""Warum denn das?" "Ich hatte etwaszuviel getrunken.) "

"Setz'sch un drink erseht ma was!""Oah nää, nich algoholfrei!""Wassen?" ("Setz Dich und trink was!"

"Aber bitte kein alkoholfreies!" "Was willst

Du denn?")"Ischoa ahn Brand. Een Geschmagg

inder Frässe als hädden zwee Raddn dringefiggt! Erschtmal'n Bier neingärcheln!"(Ich habe Durst und überdies einenschlechten Geschmack im Mund. Ich willerst mal ein Bier trinken.)

Pfote gärchelt. ,

"Uaaah! Unn - wie'en Nille?""Nuaah!""n'sonst?""Nuaah. Unndu?""Nuaah. Unn madderiell?" (gegenseiti-

ges Erkundigen nach dem Befinden: "Wiegeht es Dir, Nille?" "Gut!" "Nichts Neues?""Nein, und bei Dir?" "Nein. Und die Ar-beit?")"Nuaah. Normal. Isch ha noch Arweet.

Unndu?" (Ich habe noch Arbeit.)"Ich ooeh. Aber die Wessies machn

noch alles kurz un kleen.""Nur zum Geschäftemachen sinnse hier.

Unn, Pfote, wers'sch drüm gutsteht, derkommt doch nisch här?" (Der Westen hilftuns nicht sehr. Viele kommen geschäft-lich. Wem es drüben gut geht, der kommtnicht hierher.)

"Alles dritte Garnidur! Drüm sinnsenischt geword'n, unn hier wolln'se unsgommandiem." (Es kommen nicht im-mer die die Besten. Im Westen erfolglos-und haben doch hier das große Sagen.)"Die Ausländer aber genauso. Uns

nähm'se de Arweet weg un ham dannnoch die große Frässe."

"Die Fidschies sinn die schlimm-sten - wiede Gubbies, wenn's umAbsahn geht."

"Nee, das is doch alles eens!" (Aus-länder sind auch unangenehm, eineDifferenzierung erfolgt nicht.)

Nächster Morgen (wieder inTiefengruben)

"Machmer'n heute?""Birne zulötn ... war nich

schlecht." (was Alkoholisches trin-ken)

"Socke oder Basar?" (Gaststätte ZurSocke oder Getränkebasar?)

Es wird Übereinkunft erzielt, daßman lieber in den Getränkebasar

geht, der "Schnabbo" ist dort billiger,nach kurzer tiefschürfender Unterhaltunghat Pfote die Idee, das in Tiefengrubenso beliebte Gesellschaftsspiel zu spielen.Es wird ein Tablett mit "Daschen-rudschern" (kleine Schnapsflaschen) ge-bracht, jeder zieht eine Flasche. Nachdem Austrinken vergleicht man die amBoden eingeprägten Nummern. Wer diehöchste Nummer gezogen hat, bezahltdie Runde. Es wird ein Tablett gebracht,jeder zieht... usw. Als ich Pfote mal dar-aufhin ansprach:

"Pfote, haste mit Deinen Saufkumpa-nen wieder mal Schnapsflaschen gezo-gen?"

"Soach nisch nochma Saufkumpane.""Gut, Pfote ... Kulturbund?""Linde, sch'wer bläde!" li